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sg-stuttgart-2007-04-24-s-6-u-294005
154
Sozialgericht Stuttgart
sg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
S 6 U 2940/05
2007-04-24
2019-01-07 14:01:38
2019-01-17 11:58:37
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 14. Oktober 2004 in\nder Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. April 2005 verpflichtet, die\nKlagerin mit Wirkung zum 1. Januar 2003 an die Beigeladene zu uberweisen.\n\n2\\. Die Beklagte tragt die außergerichtlichen Kosten und Auslagen der\nKlagerin.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Es handelt sich um einen sog. „Katasterstreit" im Rahmen der Durchfuhrung\ndes Rechts des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung\n- (SGB VII). \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die zwischenzeitlich als Kommanditgesellschaft (KG) in dem Handelsregister\ndes Amtsgerichts Stuttgart eingetragene Klagerin firmiert unter der\nBezeichnung zuletzt als „V. GmbH & Co. KG" und gehort zu einer großeren\nFirmengruppe, deren Sitz in Heidenheim/Brenz liegt. Die Klagerin entwickelte\nsich aus der Vorgangerfirma „D. GmbH" heraus, wobei auch die Vorgangerfirma\nMitglied der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgangerin in Gestalt der vormaligen\nWurttembergischen Bau-Berufsgenossenschaft war; eine letztmalige Veranlagung\nwar dort im Jahr 1993 uberpruft worden. Auch vor dem Hintergrund einer Reihe\njeweils als eigenstandiger GmbH gefuhrten Schwesterfirmen (teilweise mit\nregionalen Niederlassungen), Firmeneinkaufen, Verschmelzungen u. Ä. ergibt\nsich hinsichtlich der Firmengruppe ein vielgestaltiges Bild. Das gilt auch\nhinsichtlich der jeweiligen berufsgenossenschaftlichen Zuordnungen, wie z. B.\ndie Firma „D. GmbH" mit Sitz in Bochum ihrerseits Mitglied der vormaligen\nMaschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft war. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Ende des Jahres 2000 setzte die Klagerin bzw. ihre Rechtsvorgangerin die\nBeklagte, soweit betreffend, von den Veranderungen in den Firmenverhaltnissen\nin Kenntnis. Zeitgleich erfolgte zum 22. Dezember 2000 die Eintragung in dem\nHandelsregister des Amtsgerichts Stuttgart (Az. HRB 2.) der Verschmelzung der\nKlagerin, seinerzeit unter der Firma „D. GmbH" bezeichnet mit der Firma „D.\nGmbH", Sitz Bochum als ubertragende Rechtstragerin. Zur Klarung der\nkatasterrechtlichen Zustandigkeiten prufte die Beklagte die Angelegenheit auch\nbei vergleichender Betrachtung einiger Schwesterfirmen. Unter\nZustandigkeitsgesichtspunkten außerte die Maschinenbau- und Metall-\nBerufsgenossenschaft Zweifel und bezeichnete eine weitere Prufung unter dem\nGesichtspunkt als erforderlich, ob es sich hier um ein sog.\n„Gesamtunternehmen" handele. Bei ihrer Prufung zog die Beklagte - soweit\naktenmaßig nachvollziehbar - auch einige Schwesterfirmen der Klagerin mit\nderen jeweiligen Zweckbestimmungen mit ein. Alsdann schloss die Beklagte mit\nBescheid vom 26. Dezember 2001, bezeichnet als „Bescheid uber Zustandigkeit,\nBeitragsvorschuss und Veranlagung", ihr entsprechendes Verwaltungsverfahren ab\nund veranlagte bei der Beklagten zugleich die Unternehmenszweige „Reinigungen\naller Art" und „Installation" jeweils zu den Gefahrklassen 2,5 bzw. 4,0. Fur\ndie Unternehmenszweige „Bau von Fernmeldeanlagen, Elektroinstallation,\nSchlosserei einschließlich Instandhaltung von Maschinen und Anlagen,\nNeureifenlogistik und gewerbliche Arbeitnehmeruberlassung" wendete die\nBeklagte Teil II Ziffer 4 ihres Gefahrtarifs an, dieser gultig fur\nNebenunternehmen unter Zugrundelegung der jeweiligen Gefahrtarife der anderen\nBerufsgenossenschaften. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Ausweislich der vorlaufigen Lohnsummenmitteilung der Klagerin vom 12.\nFebruar 2001 setzten sich die Lohnsummen in Hohe von insgesamt knapp 25 Mio.\nDM etwa halftig zusammen aus den jeweiligen Betragen fur Hauptunternehmen und\nNebenunternehmen vor dem Hintergrund der von der Beklagten zugrunde gelegten\nBerechnungs- und Zuordnungsweise. Die Klagerin akzeptierte zunachst sinngemaß\ndiese Festlegung und bat z. B. mit Schreiben vom 5. Oktober 2001 die\nMaschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft um Überweisung der zunachst an\ndiese entrichteten Beitrage an die Beklagte. Diese entsprach jedoch diesem\nAnsinnen nicht und erklarte u. a. mit Schreiben vom 14. Januar 2002 gegenuber\nder Beklagten, die erbetene Überweisung kame nicht in Betracht, da sich\nlediglich in den Inhaber-, nicht jedoch in den Betriebsverhaltnissen des bei\nihr versicherten Betriebs (sc. in Bochum) eine Änderung mit der bloßen Folge\nder Auslagerung von Verwaltungseinheiten geringeren Umfangs nach Stuttgart\ngehandelt habe, sich jedoch bezuglich des bei ihr versicherten Betriebs\nansonsten keine wesentlichen Änderungen eingestellt hatten, wobei im Übrigen\nauch die zwischenzeitlichen gesellschaftsrechtlichen Veranderungen\nhinsichtlich der Zuordnung irrelevant waren. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Beklagte, die zwischenzeitlich auch eine erganzende Einbeziehung des\nkaufmannisch/technischen Personals entsprechend der Gefahrklasse 1,0 in ihre\nBeitragsforderungen mit einbezogen hatte, veranlasste insbesondere auch vor\ndem Hintergrund, dass zwischen den jeweiligen Versicherungstragern sich keine\nEinigkeit hinsichtlich der Qualifizierung der Klagerin als „Gesamtunternehmen"\nhatte erzielen lassen, eine entsprechende Betriebsprufung, die mehrtagig im\nJuni 2003 durchgefuhrt wurde. Hierbei gelangte erstmalig auch der\nentsprechende Gesellschaftsvertrag der Klagerin vom 5. Dezember 2001\nauszugsweise zu den Akten. In § 2 dieses Vertrags war der Gegenstand ihres\nUnternehmens bezeichnet worden als: „... Durchfuhrung von Montagen, De- und\nRemontagen, Umbauarbeiten und Reparaturen im Bereich des Metall-, des\nMaschinen- und des Anlagenbaus, die Instandhaltung, Wartung und Reinigung von\ntechnischen Anlagen, insbesondere der Industrie, die Brandschadensanierung,\nHeizungs-, Elektro-, Klima- und Luftungsinstallation sowie der\ninnerbetriebliche Werkverkehr, die Lagerung und der Versand von Reifen und\nanderen industriell gefertigten Produkten." Mit einer Mitteilung der Beklagten\nvom 7. August 2003, gerichtet an die Klagerin, wurde als Ergebnis der\nBetriebsprufung mitgeteilt, dass mit Ausnahme der Niederlassung\nBochum/Wesseling, der Firma D. sowie der neugegrundeten Firma D. GmbH\nsamtliche Niederlassungen der Klagerin in ihre Zustandigkeit fielen.\nHinsichtlich der Niederlassung in Ludwigshafen, vormals Firma I. GmbH, die im\nMai 2003 von der Beklagten ubernommen worden war, stellte die Beklagte noch\nNachermittlungen an. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit einem am 11. Dezember 2003 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben\nbeantragte die Klagerin alsdann, insgesamt ihr Unternehmen mit Wirkung ab 1.\nJanuar 2003 an die Suddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft zu uberweisen. Sie\nbegrundete das damit, bei den ausgefuhrten Tatigkeiten handele es sich ganz\nuberwiegend um Arbeiten, die in die fachliche Zustandigkeit einer Metall-\nBerufsgenossenschaft fielen, wobei auch Tatigkeiten aus dem Bau-/Hochbau-\nbereich nicht mehr ausgeubt wurden. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Nach weiterer Prufung lehnte die Beklagte mit dem angefochtenen\nAusgangsbescheid vom 14. Oktober 2004 vornehmlich mit der Begrundung ab, vor\ndem Hintergrund der einschlagigen hochstrichterlichen Rechtsprechung sei\nVoraussetzung fur eine entsprechende Ummeldung eine grundlegende Änderung in\nder Unternehmensstruktur, was indessen vorliegend nicht gegeben sei. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Im Rahmen des sich anschließenden Widerspruchsverfahrens zog die Beklagte,\nda sich bei dem zustandigen Registergericht Abwicklungsschwierigkeiten ergeben\nhatten, bei der Gewerbebehorde der Landeshauptstadt Stuttgart einen Auszug aus\nder Gewerbedatei bei. Ausweislich des die Klagerin betreffenden dortigen\nAusdrucks vom 18. Marz 2005 war die angemeldete Tatigkeit bezeichnet worden:\n„Feinmechanik, Metallbau, Elektrotechnik, Installateur und Heizungsbau,\nMaschinenbau, Reinigen von technischen Anlagen, Industriemontage von Maschinen\nund Anlagen, Instandhaltung von Hebezeugen und Aufzugen, Stahlbau,\nRohrleitungsbau, Komplexe Instandhaltung von Anlagen und Maschinen." Mit dem\ngleichfalls angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 12. April 2005 bestatigte\nvom Ergebnis her die Beklagte die vorangegangene Verwaltungsentscheidung und\nfuhrte erganzend im begrundenden Teil auch an, das von der Klagerin neben\nAnderem auch vorgetragene Argument, bei einer spartennaheren\n(Metall-)Berufsgenossenschaft sei eine optimalere Praventionsarbeit moglich,\nunter Hinweis auf die Rechtslage sinngemaß an, Dienstleistungen im Reinigungs-\nund Wartungssektor sowie Installations- und Montagearbeiten fielen in den\nKompetenzbereich der Bau-Berufsgenossenschaften und seien deshalb auch deren\noriginare Tatigkeitsfelder in der technischen und arbeitsmedizinischen\nPravention. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Hiergegen wendet sich die Klagerin mit der am 17. Mai 2005 bei dem\nSozialgericht Stuttgart eingegangenen Klage. Unter Darlegung der\nFirmenverhaltnisse und Tatigkeitsfelder sowie deren jeweils anteiliger\nVerteilung stellt sich die Klagerin auf den Standpunkt, insbesondere seit\nÜbernahme des Geschaftsbetriebs der Firma i. GmbH und der zwischenzeitlichen\ngrundlegenden Neuausrichtung des Unternehmens sei eine „wesentliche Änderung"\nin dem erforderlichen Sinne eingetreten und fuhrt das weiter aus. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit Beschluss vom 22. Juni 2006 wurde - als weiterer Rechtsnachfolgerin -\ndie Berufsgenossenschaft Metall Sud gemaß § 75 Abs. 2 des\nSozialgerichtsgesetzes (SGG) beigeladen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 14. Oktober 2004 und des\nWiderspruchsbescheids vom 12. April 2005 zu verpflichten, die Klagerin mit\nWirkung zum 1. Januar 2003, hilfsweise mit Wirkung zum 1. Januar 2004, an die\nBerufsgenossenschaft Metall Sud zu uberweisen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beklagte beantragt \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Klagabweisung. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beigeladene tritt dem Antrag der Klagerin bei. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Beklagte bezeichnet die vorangegangenen Verwaltungsentscheidungen als\nrechtmaßig und wiederholt vom Kerngehalt her in ausfuhrlicherer Weise ihre\nDarstellungen insbesondere zur Begrundung des erwahnten Widerspruchsbescheids. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Beigeladene bekundet ihre Übernahmebereitschaft und teilt ausdrucklich\nden von der Klagerin vertretenen Standpunkt, es habe sich eine grundlegende\nVeranderung der maßgeblichen Betriebsverhaltnisse ergeben. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird erganzend verwiesen auf den\nInhalt der vorgelegten jeweiligen Verwaltungsakten (fruher: Wurttembergische\nBau-Berufsgenossenschaft Mitgliedsnummer 01-... und fruher: Suddeutsche Eisen-\nund Stahl-Berufsgenossenschaft Betriebs-Akten 669/...) und denjenigen der\ngerichtlichen Streitakte. Diese waren auch Gegenstand der mundlichen\nVerhandlung und der Urteilsberatung. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 19 \n--- \n| Die form- und fristgerecht zu dem zustandigen Sozialgericht Stuttgart\nerhobene Klage ist zulassig und begrundet. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Streitgegenstand der vorliegenden kombinierten Anfechtungs- und\nVerpflichtungsklage ist im Kern die Beantwortung der Frage, ob die Beklagte in\nder erforderlichen Übereinstimmung zu der maßgeblichen Sach- und Rechtslage es\nder Klagerin und der Beigeladenen versagen konnte, ihre vormalige\nZustandigkeit fur die Klagerin zugunsten der Beigeladenen zu andern. Das ist\nindessen zur Überzeugung des Gerichts nicht der Fall. Da die Klagerin mithin\ndurch die von ihr angefochtenen zugrundeliegenden Verwaltungsentscheidungen in\nrechtswidriger Weise in ihren Rechten beeintrachtigt wird, hatte die Klage den\nerstrebten Erfolg. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Nach § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII uberweist der Unfallversicherungstrager\nein zuvor bei ihm versichertes Unternehmen u. a. dann dem zustandigen\nUnfallversicherungstrager, wenn sich die Zustandigkeit fur ein Unternehmen\nandert. Nach Satz 4 der genannten Vorschrift erfolgt das im Einvernehmen mit\ndem zustandigen Unfallversicherungstrager. Ein derartiges Einvernehmen ließ\nsich indessen vorliegend zwischen der Beklagten und der Beigeladenen nicht\nerzielen. Maßgebliche Anspruchsgrundlage ist deshalb vor diesem Hintergrund §\n136 Abs. 2 Satz 2 SGB VII als lex specialis zu § 48 Abs. 1 SGB X (s. a. BSG,\nUrteil vom 12. April 2005 <Az. B 2 U 8/04 R>, Seite 6 des Umdr.), wonach einer\nwesentlichen Änderung der tatsachlichen Verhaltnisse durch entsprechende\nÜberweisung dann Rechnung zu tragen ist, wenn das Unternehmen grundlegend und\nauf Dauer umgestaltet worden ist. Vorliegend nicht einschlagig ist indessen\ndie Vorschrift in Gestalt von § 136 Abs. 2 Satz 1 SGB VII, da sich eine\nfehlerhafte Feststellung der Zustandigkeit der Beklagten von Anfang entgegen\nderen Ansicht nicht feststellen lasst. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Hierbei mag es dahingestellt bleiben, auf welchen Zeitpunkt vor dem\nHintergrund der bereits weiter in die Vergangenheit zuruckreichenden\nZustandigkeit der Rechtsvorgangerin der Klagerin abzustellen ware. Maßgeblich\nist insoweit jedenfalls der ausdrucklich auch uber Zustandigkeit ergangene\nBescheid der Beklagten vom 26. September 2001. Dieser wurde in der Folge auch\nbestandskraftig und erscheint in seinem Ergebnis vor dem Hintergrund der\nFirmengeschichte der Klagerin auch als zum damaligen Zeitpunkt zumindest\nvertretbar. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Der vorliegende Rechtsstreit spitzte sich zuletzt auf die Beantwortung der\nFrage zu, ob seitens der Klagerin eine grundlegende und auf Dauer gezielte\nUmgestaltung ihres Unternehmens dargetan werden konnte. Das ist vorliegend\nauch zur Überzeugung des Gerichts der Fall. Hierbei ist vorab anzumerken, dass\ndas von der Klagerin vorgelegte Zahlenmaterial bezuglich der jeweiligen\nTatigkeitsfelder ihrer Mitarbeiter von der Beklagten auch nicht bestritten\nwurde. Demnach liegt der unternehmerische Schwerpunkt eindeutig im\nMetallbereich und ist ganz uberwiegend gepragt durch die dort typischen\nGewerbezweige, wobei die teilweise unterschiedliche Einzelzuordnung zu den\nspezielleren Zweigen zwar variieren mag, aber an dem Gesamtgeprage nichts\nandert. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Das Unternehmen der Klagerin, das seinerseits in eine großere Firmengruppe\neingegliedert ist, kann nunmehr durchaus als sog. „Gesamtunternehmen"\nbetrachtet werden und stellt sich als Ergebnis einer situativ-dynamischen\nFortentwicklung dar, gepragt an einer serviceorientierten Teilnahme am\nwirtschaftlichen Wettbewerb unter sich stetig wandelnden technologischen und\nokonomischen Rahmenbedingungen. Hierbei ist das Unternehmen auch als\nGesamtheit zu beurteilen, wobei - unbeschadet der jeweiligen Rechtsqualitat\nder einzelnen Niederlassungen bzw. Teilfirmen - spatestens seit Hereinnahme\nder vormaligen Firma i. GmbH mit Schwerpunkt der Großtechnologie im\nRhein/Neckar-Bereich der Bezug zu denjenigen Gewerbezweigen entscheidend in\nden Hintergrund getreten ist, die fur den gesamten (Hoch-)Baubereich als\ntyppragend angesehen werden konnen. Vormalige klassische\nBeurteilungsstrukturen, wie diese traditionell uber mehr als 100 Jahre zuruck\nbis in die Kaiserzeit reichend zugrunde gelegt wurden, tragen den\nzwischenzeitlich eingetretenen grundlegenden Änderungen insbesondere im\nIndustriebereich nicht mehr hinreichend Rechnung (s. zur Rechtsentwicklung a.\nBSG, Urteil vom 11. August 1998 <Az. B 2 U 31/97 R> \\- m. w. N.). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| In sinngemaßer Übernahme der langjahrig entwickelten hochstrichterlichen\nRechtsprechung und der dortigen Hervorhebung des Grundsatzes der sog.\n„Katasterstetigkeit" bzw. des „Katasterfriedens" argumentiert zwar die\nBeklagte, wobei auch zuletzt noch das Bundessozialgericht mit Urteil vom 9.\nMai 2006 <Az. B 2 U 34/04 R> seine Rechtsprechung nochmals bestatigt hat.\nLetztgenannte Entscheidung betrifft allerdings ein anderes Problemfeld aus dem\nBereich der gewerbsmaßigen Arbeitnehmeruberlassung und lasst sich vorliegend\nnicht in einer entsprechenden Weise heranziehen. Zwar hat zumindest in der\nVergangenheit auch die Klagerin - befugtermaßen - mit Leiharbeitspersonal\ngearbeitet, was aber gemessen an dem Gesamtvolumen ihrer unternehmerischen\nAktivitaten nur einen kleinen Bruchteil ausmachte und fur das im Sinne des SGB\nVII versicherte Risiko wegen der vergleichsweisen Bedeutungslosigkeit hier\nkeiner besonderen Diskussion bedarf. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Das Unternehmen der Klagerin kann namlich ohne großere Schwierigkeiten\ndurchaus als „monostrukturell" gepragt bewertet werden und ist dem\nMetallbereich zuzuordnen. Unter dem Gesichtspunkt einer zu wahrenden\n„Katasterwahrheit" darf auch dieser Aspekt nicht unberucksichtigt bleiben. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Soweit die Beklagte zuletzt auch noch in der mundlichen Verhandlung vom 24.\nApril 2007 sinngemaß auch damit argumentiert hat, vor dem Hintergrund der\nVielgestaltigkeit der wirtschaftlichen Aktivitaten der Klagerin konne nicht\ndavon ausgegangen werden, dass das als kumulativ zu denkende\nTatbestandsmerkmal der Dauerhaftigkeit der vorangegangenen\nUnternehmensgestaltung erfullt ware, so musste insoweit der Vortrag der\nBeklagten unsubstantiiert bleiben, zumal keine sachlichen Anknupfungspunkte\nfur diese von der Beklagten geaußerte Furcht erkennbar sind. Vielmehr ist die\nFirmengeschichte der Klagerin insgesamt und ausweislich der vielfaltigen\nVeranderungen wahrend der letzten Jahre dadurch gepragt, dass diese unter\nstraffender Fuhrung vormalige Verastelungen, diese insbesondere im Bereich\neiniger und zudem regional weiter verstreuten Niederlassungen, sich darauf\nkonzentriert - und demzufolge sich aller Voraussicht nach auch in Zukunft noch\neher weiter konzentrieren wird - auf metallaffine Aktivitaten mit den jeweils\ndort typischen und zu einem guten Teil auch hochtechnologiebedingten\nBesonderheiten. Vor diesem Hintergrund mangelt es bei der im Ergebnis von der\nBeklagten verteidigten Zuordnung zu dem von ihr spezifisch versicherten\nBaurisiko der erforderlichen inneren Legitimation. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Bei dieser Gesamtwurdigung war fur das Gericht auch mit ausschlaggebend,\ndass die Klagerin auch unter Praventionsgesichtspunkten, deren Erfolge wahrend\nder letzten Jahre zunehmend in Erscheinung treten konnten, bei der gebotenen\nobjektiven Betrachtungsweise von den jeweiligen Dienststellen der sachnaheren\nund deshalb auch kompetenteren Beklagten qualitativ und quantitativ besser\nbetreut werden kann. Hierbei liegt es auf der Hand, dass auch gerade das im\nwohlverstandenen Interesse der Versichertengemeinschaft ist. Soweit die\nBeklagte ferner in diesem Zusammenhang argumentierte, fur den Bereich der\nNebenunternehmen hatten z. B. die jeweils dort gultigen\nUnfallversicherungsvorschriften (UVV) gleichermaßen ihre Gultigkeit so mag das\nzwar vom theoretischen Ansatz her seine Richtigkeit haben. In der\nbetrieblichen Praxis ist es jedoch viel eher im Interesse des Unternehmens\nliegend, hier einen einzigen Ansprechpartner zu haben, wie dieser\nbeispielsweise auch eine Koordinierung der jeweiligen fachspezifischen\nSchulungen durchfuhrt. Es ist im betrieblichen Alltag schlechterdings hemmend,\nwenn der Arbeitgeber nun je nach konkreter Einsatzart seiner Mitarbeiter sich\nnun jeweils noch darum bemuhen muss, wann welcher Versicherungstrager hier nun\ndie optimale Schulung anbietet. Viel eher bestunde dann die Gefahr, dass das\nim allseitigen Interesse liegende Praventionsziel zu erreichen gerade\ngefahrdet werden konnte. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Vor diesem Hintergrund konnte die Klagerin dartun, dass wegen wesentlicher\nÄnderung ihrer Betriebsverhaltnisse insgesamt der Anspruch auf Überweisung an\ndie Beigeladene begrundet ist. Demzufolge war zu entscheiden wie geschehen. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Der Kostenausspruch richtet sich nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in\nVerbindung mit §§ 154 ff. VwGO. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 19 \n--- \n| Die form- und fristgerecht zu dem zustandigen Sozialgericht Stuttgart\nerhobene Klage ist zulassig und begrundet. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Streitgegenstand der vorliegenden kombinierten Anfechtungs- und\nVerpflichtungsklage ist im Kern die Beantwortung der Frage, ob die Beklagte in\nder erforderlichen Übereinstimmung zu der maßgeblichen Sach- und Rechtslage es\nder Klagerin und der Beigeladenen versagen konnte, ihre vormalige\nZustandigkeit fur die Klagerin zugunsten der Beigeladenen zu andern. Das ist\nindessen zur Überzeugung des Gerichts nicht der Fall. Da die Klagerin mithin\ndurch die von ihr angefochtenen zugrundeliegenden Verwaltungsentscheidungen in\nrechtswidriger Weise in ihren Rechten beeintrachtigt wird, hatte die Klage den\nerstrebten Erfolg. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Nach § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII uberweist der Unfallversicherungstrager\nein zuvor bei ihm versichertes Unternehmen u. a. dann dem zustandigen\nUnfallversicherungstrager, wenn sich die Zustandigkeit fur ein Unternehmen\nandert. Nach Satz 4 der genannten Vorschrift erfolgt das im Einvernehmen mit\ndem zustandigen Unfallversicherungstrager. Ein derartiges Einvernehmen ließ\nsich indessen vorliegend zwischen der Beklagten und der Beigeladenen nicht\nerzielen. Maßgebliche Anspruchsgrundlage ist deshalb vor diesem Hintergrund §\n136 Abs. 2 Satz 2 SGB VII als lex specialis zu § 48 Abs. 1 SGB X (s. a. BSG,\nUrteil vom 12. April 2005 <Az. B 2 U 8/04 R>, Seite 6 des Umdr.), wonach einer\nwesentlichen Änderung der tatsachlichen Verhaltnisse durch entsprechende\nÜberweisung dann Rechnung zu tragen ist, wenn das Unternehmen grundlegend und\nauf Dauer umgestaltet worden ist. Vorliegend nicht einschlagig ist indessen\ndie Vorschrift in Gestalt von § 136 Abs. 2 Satz 1 SGB VII, da sich eine\nfehlerhafte Feststellung der Zustandigkeit der Beklagten von Anfang entgegen\nderen Ansicht nicht feststellen lasst. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Hierbei mag es dahingestellt bleiben, auf welchen Zeitpunkt vor dem\nHintergrund der bereits weiter in die Vergangenheit zuruckreichenden\nZustandigkeit der Rechtsvorgangerin der Klagerin abzustellen ware. Maßgeblich\nist insoweit jedenfalls der ausdrucklich auch uber Zustandigkeit ergangene\nBescheid der Beklagten vom 26. September 2001. Dieser wurde in der Folge auch\nbestandskraftig und erscheint in seinem Ergebnis vor dem Hintergrund der\nFirmengeschichte der Klagerin auch als zum damaligen Zeitpunkt zumindest\nvertretbar. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Der vorliegende Rechtsstreit spitzte sich zuletzt auf die Beantwortung der\nFrage zu, ob seitens der Klagerin eine grundlegende und auf Dauer gezielte\nUmgestaltung ihres Unternehmens dargetan werden konnte. Das ist vorliegend\nauch zur Überzeugung des Gerichts der Fall. Hierbei ist vorab anzumerken, dass\ndas von der Klagerin vorgelegte Zahlenmaterial bezuglich der jeweiligen\nTatigkeitsfelder ihrer Mitarbeiter von der Beklagten auch nicht bestritten\nwurde. Demnach liegt der unternehmerische Schwerpunkt eindeutig im\nMetallbereich und ist ganz uberwiegend gepragt durch die dort typischen\nGewerbezweige, wobei die teilweise unterschiedliche Einzelzuordnung zu den\nspezielleren Zweigen zwar variieren mag, aber an dem Gesamtgeprage nichts\nandert. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Das Unternehmen der Klagerin, das seinerseits in eine großere Firmengruppe\neingegliedert ist, kann nunmehr durchaus als sog. „Gesamtunternehmen"\nbetrachtet werden und stellt sich als Ergebnis einer situativ-dynamischen\nFortentwicklung dar, gepragt an einer serviceorientierten Teilnahme am\nwirtschaftlichen Wettbewerb unter sich stetig wandelnden technologischen und\nokonomischen Rahmenbedingungen. Hierbei ist das Unternehmen auch als\nGesamtheit zu beurteilen, wobei - unbeschadet der jeweiligen Rechtsqualitat\nder einzelnen Niederlassungen bzw. Teilfirmen - spatestens seit Hereinnahme\nder vormaligen Firma i. GmbH mit Schwerpunkt der Großtechnologie im\nRhein/Neckar-Bereich der Bezug zu denjenigen Gewerbezweigen entscheidend in\nden Hintergrund getreten ist, die fur den gesamten (Hoch-)Baubereich als\ntyppragend angesehen werden konnen. Vormalige klassische\nBeurteilungsstrukturen, wie diese traditionell uber mehr als 100 Jahre zuruck\nbis in die Kaiserzeit reichend zugrunde gelegt wurden, tragen den\nzwischenzeitlich eingetretenen grundlegenden Änderungen insbesondere im\nIndustriebereich nicht mehr hinreichend Rechnung (s. zur Rechtsentwicklung a.\nBSG, Urteil vom 11. August 1998 <Az. B 2 U 31/97 R> \\- m. w. N.). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| In sinngemaßer Übernahme der langjahrig entwickelten hochstrichterlichen\nRechtsprechung und der dortigen Hervorhebung des Grundsatzes der sog.\n„Katasterstetigkeit" bzw. des „Katasterfriedens" argumentiert zwar die\nBeklagte, wobei auch zuletzt noch das Bundessozialgericht mit Urteil vom 9.\nMai 2006 <Az. B 2 U 34/04 R> seine Rechtsprechung nochmals bestatigt hat.\nLetztgenannte Entscheidung betrifft allerdings ein anderes Problemfeld aus dem\nBereich der gewerbsmaßigen Arbeitnehmeruberlassung und lasst sich vorliegend\nnicht in einer entsprechenden Weise heranziehen. Zwar hat zumindest in der\nVergangenheit auch die Klagerin - befugtermaßen - mit Leiharbeitspersonal\ngearbeitet, was aber gemessen an dem Gesamtvolumen ihrer unternehmerischen\nAktivitaten nur einen kleinen Bruchteil ausmachte und fur das im Sinne des SGB\nVII versicherte Risiko wegen der vergleichsweisen Bedeutungslosigkeit hier\nkeiner besonderen Diskussion bedarf. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Das Unternehmen der Klagerin kann namlich ohne großere Schwierigkeiten\ndurchaus als „monostrukturell" gepragt bewertet werden und ist dem\nMetallbereich zuzuordnen. Unter dem Gesichtspunkt einer zu wahrenden\n„Katasterwahrheit" darf auch dieser Aspekt nicht unberucksichtigt bleiben. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Soweit die Beklagte zuletzt auch noch in der mundlichen Verhandlung vom 24.\nApril 2007 sinngemaß auch damit argumentiert hat, vor dem Hintergrund der\nVielgestaltigkeit der wirtschaftlichen Aktivitaten der Klagerin konne nicht\ndavon ausgegangen werden, dass das als kumulativ zu denkende\nTatbestandsmerkmal der Dauerhaftigkeit der vorangegangenen\nUnternehmensgestaltung erfullt ware, so musste insoweit der Vortrag der\nBeklagten unsubstantiiert bleiben, zumal keine sachlichen Anknupfungspunkte\nfur diese von der Beklagten geaußerte Furcht erkennbar sind. Vielmehr ist die\nFirmengeschichte der Klagerin insgesamt und ausweislich der vielfaltigen\nVeranderungen wahrend der letzten Jahre dadurch gepragt, dass diese unter\nstraffender Fuhrung vormalige Verastelungen, diese insbesondere im Bereich\neiniger und zudem regional weiter verstreuten Niederlassungen, sich darauf\nkonzentriert - und demzufolge sich aller Voraussicht nach auch in Zukunft noch\neher weiter konzentrieren wird - auf metallaffine Aktivitaten mit den jeweils\ndort typischen und zu einem guten Teil auch hochtechnologiebedingten\nBesonderheiten. Vor diesem Hintergrund mangelt es bei der im Ergebnis von der\nBeklagten verteidigten Zuordnung zu dem von ihr spezifisch versicherten\nBaurisiko der erforderlichen inneren Legitimation. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Bei dieser Gesamtwurdigung war fur das Gericht auch mit ausschlaggebend,\ndass die Klagerin auch unter Praventionsgesichtspunkten, deren Erfolge wahrend\nder letzten Jahre zunehmend in Erscheinung treten konnten, bei der gebotenen\nobjektiven Betrachtungsweise von den jeweiligen Dienststellen der sachnaheren\nund deshalb auch kompetenteren Beklagten qualitativ und quantitativ besser\nbetreut werden kann. Hierbei liegt es auf der Hand, dass auch gerade das im\nwohlverstandenen Interesse der Versichertengemeinschaft ist. Soweit die\nBeklagte ferner in diesem Zusammenhang argumentierte, fur den Bereich der\nNebenunternehmen hatten z. B. die jeweils dort gultigen\nUnfallversicherungsvorschriften (UVV) gleichermaßen ihre Gultigkeit so mag das\nzwar vom theoretischen Ansatz her seine Richtigkeit haben. In der\nbetrieblichen Praxis ist es jedoch viel eher im Interesse des Unternehmens\nliegend, hier einen einzigen Ansprechpartner zu haben, wie dieser\nbeispielsweise auch eine Koordinierung der jeweiligen fachspezifischen\nSchulungen durchfuhrt. Es ist im betrieblichen Alltag schlechterdings hemmend,\nwenn der Arbeitgeber nun je nach konkreter Einsatzart seiner Mitarbeiter sich\nnun jeweils noch darum bemuhen muss, wann welcher Versicherungstrager hier nun\ndie optimale Schulung anbietet. Viel eher bestunde dann die Gefahr, dass das\nim allseitigen Interesse liegende Praventionsziel zu erreichen gerade\ngefahrdet werden konnte. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Vor diesem Hintergrund konnte die Klagerin dartun, dass wegen wesentlicher\nÄnderung ihrer Betriebsverhaltnisse insgesamt der Anspruch auf Überweisung an\ndie Beigeladene begrundet ist. Demzufolge war zu entscheiden wie geschehen. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Der Kostenausspruch richtet sich nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in\nVerbindung mit §§ 154 ff. VwGO. \n--- \n---\n\n
139,990
vg-karlsruhe-2004-07-14-5-k-118004
158
Verwaltungsgericht Karlsruhe
vg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
5 K 1180/04
2004-07-14
2019-01-07 14:47:10
2019-01-17 12:00:10
Beschluss
## Tenor\n\nDie Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem\nAntragsteller ruckwirkend ab April 2004, langstens bis zur behordlichen\nEntscheidung in der Hauptsache, das mit Bescheid vom 16.07.2003 bewilligte\nWohngeld auszuzahlen abzuglich gemaß dem Bescheid vom 26.03.2004 bereits\ngeleisteter Zahlungen in Hohe von monatlich 142 EUR. Im Übrigen wird der\nAntrag abgelehnt.\n\nDer Antragsteller tragt die Kosten des Verfahrens.\n\nDer Streitwert wird auf 80 EUR festgesetzt, soweit der Antragsteller Anspruche\nnach dem Wohngeldgesetz geltend macht.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Antragsteller wendet sich gegen die Auszahlung ihm bewilligter\nLeistungen der Grundsicherung an seine Vermieterin sowie gegen die Kurzung von\nWohngeld. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Antragsteller bestreitet seinen Lebensunterhalt mit einer Rente wegen\nErwerbsminderung in Hohe von 332,92 EUR sowie mit von der Antragsgegnerin\ngewahrten erganzenden Leistungen der Grundsicherung und Wohngeld. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Bescheid vom 16.07.2003 bewilligte die Antragsgegnerin dem\nAntragsteller ab dem 01.08.2003 bis zum 31.12.2004 Wohngeld in Hohe von 162\nEUR monatlich. Diesen Bescheid hob die Antragsgegnerin mit Bescheid vom\n26.03.2004 fur die Zeit ab dem 01.02.2004 auf und bewilligte dem Antragsgegner\nab dem 01.02.2004 bis zum 31.12.2004 Wohngeld in Hohe von 142 EUR monatlich. \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Antragsteller legte gegen den Bescheid vom 26.03.2004 am 06.04.2004\nWiderspruch ein. Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller darauf mit\nSchreiben vom 26.03.2004 mit, dass ein gunstigerer Bescheid nicht habe\nerlassen werden konnen und um Mitteilung gebeten werde, falls der Widerspruch\naufrechterhalten werde. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Bescheid vom 23.03.2004 bewilligte die Antragsgegnerin dem\nAntragsteller ab dem 01.04.2004 Grundsicherungsleistungen in Hohe von 403,63\nEUR monatlich. Davon uberwies die Antragsgegnerin nur 38,77 EUR auf das Konto\ndes Antragstellers. Die restlichen 364,86 EUR uberwies sie zur Begleichung der\nMiete des Antragstellers an dessen Vermieterin. Sie will auch in Zukunft so\nverfahren. Sie entschied sich hierfur, um die Unterkunft des Antragstellers zu\nsichern und eine zweckfremde Verwendung der Grundsicherungsleistungen zu\nverhindern. Bereits im Oktober 2003 war der Antragsteller vom Amtsgericht\nHeidelberg zur Zahlung von 578,59 EUR nebst Zinsen an seine Vermieterin\nverurteilt worden, weil das Gericht die von ihm behaupteten Grunde fur eine\nMietminderung nicht feststellen konnte. Ferner zahlte er auch im Jahr 2004\nanstatt des vereinbarten Mietzinses von 364,86 EUR bislang nur Miete in Hohe\nvon monatlich 47,66 EUR. Inzwischen sind bei der Vermieterin des\nAntragstellers Ruckstande des Antragstellers in vierstelliger Hohe entstanden. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Schreiben an die Grundsicherungsstelle der Antragsgegnerin vom\n02.04.2004, eingegangen am 05.04.2004, teilte der Antragsteller mit, dass die\nAntragsgegnerin aus „nicht nachvollziehbaren Grunden meine Bezuge unter ein\nertragliches Maß gekurzt hat". Die Antragstellerin teilte daraufhin dem\nAntragsteller formlos mit Schreiben vom 05.04.2004 mit, dass die Auszahlung\nweiterer Grundsicherungsleistungen aus den ihm mitgeteilten Grunden nicht\nmoglich sei. \n--- \n| 7 \n--- \n| Am 20.04.2004 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Karlsruhe die\nGewahrung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Er begehrt die „Auszahlung\nder korrekten Grundsicherung". Er tragt vor, die Grundsicherungsleistungen\nseien fur den Monat April um uber 130 EUR gekurzt worden, das Wohngeld um 20\nEUR. Ihm gegenuber sei kein Bescheid ergangen, er sei hieruber auch nicht\naufgeklart worden. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Antragsgegnerin beantragt, \n--- \n| 9 \n--- \n| die Antrage abzulehnen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Sie tragt vor, der Grundsicherungsanspruch des Antragstellers sei nicht\ngekurzt worden. Geandert worden sei lediglich der Auszahlungsmodus. Der Teil,\nder vom Antragsteller fur Mietzahlungen aufzuwenden sei, werde direkt an die\nVermieterin ausbezahlt. Um Zwangsmaßnahmen der Vermieterin zu vermeiden, die\ndadurch entstunden, dass der Antragsteller wie bereits in der Vergangenheit\nweiterhin ungerechtfertigt seine Miete mindere, habe sie sich zu diesem\nVorgehen entschlossen. Auf Grund der Erkrankung des Antragstellers, der bis\nzum 23.11.2003 von verschiedenen Betreuern vertreten worden sei, was auf Grund\nfehlender Kooperation des Antragstellers nunmehr nicht mehr der Fall sei, sei\ndavon auszugehen, dass er weiterhin ungerechtfertigte Mietminderungen\nvornehmen werde. \n--- \n| 11 \n--- \n| Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Akten der\nGrundsicherungsstelle und des Amts fur Soziale Angelegenheiten und Altenarbeit\n- Wohngeldstelle - der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakte im vorliegenden\nVerfahren verwiesen. \n--- \nII. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Kammer versteht das Begehren des Antragstellers bei sachdienlicher\nAuslegung (vgl. §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO), dahin, dass der Antragsteller zum\neinen beantragt, die Antragsgegnerin durch Erlass einer einstweiligen\nAnordnung zu verpflichten, ab April 2004 die mit Bescheid vom 23.03.2004\nbewilligten Grundsicherungsleistungen in voller Hohe an ihn auszubezahlen. Zum\nanderen soll die Antragsgegnerin durch Erlass einer einstweiligen Anordnung\nverpflichtet werden, dem Antragsteller ab April 2004 weiterhin das mit\nBescheid vom 16.07.2003 bis zum 31.12.2004 bewilligte Wohngeld in Hohe von\nmonatlich 162 EUR zu gewahren abzuglich bereits geleisteter Zahlungen in Hohe\nvon monatlich 142 EUR. \n--- \n| 13 \n--- \n| Gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung\nzur Regelung eines vorlaufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges\nRechtsverhaltnis erlassen, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile\nabzuwenden, drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Grunden notig\nerscheint. Der Antragsteller muss sowohl das Vorliegen eines Anordnungsgrundes\nals auch eines Anordnungsanspruchs glaubhaft machen (§ 123 Abs. 1 Satz 2 u.\nAbs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Ein Anordnungsgrund besteht in\nSozialhilfesachen grundsatzlich, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass\ner sich in einer gegenwartigen existenzgefahrdenden Notlage befindet, was\ninsbesondere der Fall ist, wenn die Gewahrung des sozialhilferechtlichen\nRegelsatzes begehrt wird, weil die Regelsatze ohnehin auf das Notwendige\nbegrenzt sind und nur einen Lebensstandard an der untersten Grenze des\nNormalbedarfs sichern. Der Anordnungsgrund entfallt jedoch, wenn die Notlage\ndurch den zumutbaren Einsatz anderweitig zur Verfugung stehender Mittel\nabgewendet werden kann (VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 03.11.1992 - 6 S 2356/92\n-, VBlBW 1993, 306; Beschl. v. 24.08.1988 - 6 S 2270/88 -). Die\nGlaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs setzt die Darlegung von Tatsachen\nvoraus, aus denen sich schlussig ergibt, dass der in der Hauptsache verfolgte\nAnspruch mit uberwiegender Wahrscheinlichkeit besteht. Dem Wesen und Zweck der\neinstweiligen Anordnung entsprechend, einen vorlaufigen Zustand zu regeln,\nkann das Gericht allerdings auch dann grundsatzlich keine Anordnungen treffen,\ndie den Antragsteller so stellen, wie er stunde, wenn er in der Hauptsache\nobsiegen wurde. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur, wenn eine hohe\nWahrscheinlichkeit fur den Erfolg der Klage in der Hauptsache besteht und\nderen Vorwegnahme zur Gewahrleistung eines effektiven Rechtsschutzes nach Art.\n19 Abs. 4 Satz 1 GG schlechterdings notwendig ist, weil die sonst zu\nerwartenden Nachteile fur den Antragsteller unzumutbar waren - Anordnungsgrund\n- (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.10.1988 - 2 BvR 745/88 -, NJW 1989, 827; VGH\nBad.-Wurtt., Beschl. v. 03.11.1992 - 6 S 2356/92 -, VBlBW 1993, 306 <308>). \n--- \n| 14 \n--- \n| Vorliegend hat der Antragsteller hinsichtlich der von ihm beantragten\nAuszahlungsmodalitat der Grundsicherungsleistungen jedenfalls keinen\nAnordnungsanspruch glaubhaft gemacht (1.). Hinsichtlich des geltend gemachten\nAnspruchs auf ein um 20 EUR hoheres Wohngeld als mit Bescheid vom 26.03.2004\nbewilligt hat der Antragsteller hingegen sowohl einen Anordnungsgrund als auch\neinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (2.). \n--- \n| 15 \n--- \n| 1. Die Vorgehensweise der Antragsgegnerin, von den dem Antragsteller\nbewilligten Grundsicherungsleistungen 364,86 EUR an die Vermieterin des\nAntragstellers auszubezahlen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. \n--- \n| 16 \n--- \n| Das Grundsicherungsgesetz selbst enthalt keine Vorschriften, wie\nGrundsicherungsleistungen auszuzahlen sind. Gem. §§ 47, 68 Nr. 18 SGB I sollen\nGeldleistungen kostenfrei auf ein Konto des Empfangers bei einem Geldinstitut\nuberwiesen oder, wenn der Empfanger es verlangt, kostenfrei an seinen Wohnsitz\nubermittelt werden. Entsprechend sehen die Grundsicherungsrichtlinien des\nLandkreistages und des Stadtetages Baden-Wurttemberg vom 10.07.2003/20.06.2003\nin Nr. 6.08 vor, dass Leistungen der Grundsicherung grundsatzlich wie eine\nRente voll an den Anspruchsberechtigten zu uberweisen sind, nur auf Wunsch des\nLeistungsberechtigten oder mit dessen Einverstandnis konnten sie z. B. an den\nVermieter ausgezahlt werden. Sowohl § 47 SGB I („sollen) als auch die\nGrundsicherungsrichtlinien als Verwaltungsvorschriften sind jedoch auf die\ntypischen Falle des Grundsicherungsbezugs zugeschnitten. Hierzu gehort der\nFall des Antragstellers nicht. In seinem - atypischen - Fall ist eine Ausnahme\nvon der Regel, dass Grundsicherungsleistungen an den Anspruchsberechtigten\nauszuzahlen sind, dahingehend zu machen, dass diese ausnahmsweise an die\nVermieterin des Antragstellers uberwiesen werden konnen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Das Atypische im Fall des Antragstellers ergibt sich daraus, dass ihm\nWohnungslosigkeit droht, wenn seine Miete nicht regelmaßig und in voller Hohe\nbezahlt wird. Bislang sind bereits Ruckstande in vierstelliger Hohe\nentstanden. Das Amtsgericht Heidelberg hat in seinem Urteil vom 22.10.2003\nfestgestellt, dass die Mietminderungen des Antragstellers in der Vergangenheit\nungerechtfertigt waren. Anhaltspunkte dafur, dass mittlerweile neue und\nnunmehr gerechtfertigte Mietminderungsgrunde vorliegen, sind weder ersichtlich\nnoch vom Antragsteller vorgetragen. Um zu verhindern, dass dem Antragsteller\nwegen Nichtzahlung der Miete gekundigt und er wohnungslos wird, ist die\nAbzweigung der Miete von den Grundsicherungsleistungen des Antragstellers das\neinzige geeignete Mittel zur Vermeidung seiner Wohnungslosigkeit. \n--- \n| 18 \n--- \n| Diese Moglichkeit des Grundsicherungstragers, die wirtschaftliche\nDispositionsfreiheit des Sozialleistungsempfangers bei sonst drohender\nWohnungslosigkeit einzuschranken, ergibt sich auch aus einem Vergleich zu\nsozialhilferechtlichen Vorschriften. Gem. § 4 Abs. 2 BSHG entscheidet der\nSozialhilfetrager uber Form und Maß der Sozialhilfe nach pflichtgemaßem\nErmessen. Bei der Gestaltung der Hilfe muss der Sozialhilfetrager darauf\nbedacht sein, Zweckverfehlungen zu vermeiden, um zum einen dem Hilfesuchenden\ndie Hilfe in moglichst optimaler Form zukommen zu lassen und um zum anderen\neiner erneuten Inanspruchnahme vorzubeugen; dies unterscheidet die Sozialhilfe\nvon anderen Leistungsbereichen, wo die ordnungsgemaß erbrachte Auszahlung den\nLeistungstrager vor der Gefahr einer erneuten Zahlung schutzt (vgl. VGH\nBad.-Wurtt., Beschl. v. 16.04.2002 - 7 S 2670/01 -, DÖV 2002, 669). Diese\nGefahr besteht zwar bei der Grundsicherung nicht gleichermaßen. Droht aber,\nweil die Mietzahlungen des Grundsicherungsempfangers nicht sichergestellt\nsind, dessen Wohnungslosigkeit, besteht die Moglichkeit, dass mit dem\nSozialhilfetrager ein Sozialleistungstrager erneut in Anspruch genommen wird\n(vgl. § 15 a Abs. 1 BSHG). Dementsprechend muss es bereits der\nGrundsicherungsstelle moglich sein, die zweckentsprechende Verwendung der\nGrundsicherungsleistungen entsprechend § 4 Abs. 2 BSHG sicherzustellen, wenn\nansonsten bei der nach den Umstanden des Einzelfalls drohenden zweckfremden\nVerwendung der Grundsicherungsleistungen der Sozialhilfetrager einschreiten\nmusste. \n--- \n| 19 \n--- \n| 2. Soweit der Antragsteller die Auszahlung des Wohngelds in der Hohe\nbegehrt, wie es ihm mit Bescheid vom 16.07.2003 bewilligt worden ist, hat er\nsowohl einen Anordnungsgrund (a)) als auch einen Anordnungsanspruch (b))\nglaubhaft gemacht. \n--- \n| 20 \n--- \n| a) Auf Grund seiner schlechten Einkommensverhaltnisse erscheint es zur\nGewahrleistung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig, die\nHauptsacheentscheidung vorwegzunehmen, weil die sonst zu erwartenden Nachteile\nfur den Antragsteller unzumutbar waren. \n--- \n| 21 \n--- \n| b) Der Antragsteller hat auch glaubhaft gemacht, dass er einen Anspruch auf\nFortzahlung von Wohngeld in Hohe von 162 EUR hat. Dies ergibt sich aus der\naufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, den der Antragsteller gegen den\nBescheid vom 26.03.2004, mit dem der Bewilligungsbescheid vom 14.07.2003\naufgehoben wurde, eingelegt hat. Da der Aufhebungsbescheid vom 26.03.2004 ein\nVerwaltungsakt ist, ist er erst vollziehbar, wenn er unanfechtbar geworden\nist. Dies ist nicht der Fall, weil der Antragsteller hiergegen Widerspruch\neingelegt hat, der gem. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung\nentfaltet. Der Antragsteller hat den Widerspruch auch nicht zuruckgenommen.\nDas Schweigen des Antragstellers auf das Schreiben der Antragsgegnerin vom\n26.03.2004 ist keine Willenserklarung; auch bedarf die Rucknahme des\nWiderspruchs ebenso wie dessen Einlegung der Schriftform bzw. der Erklarung\nzur Niederschrift der Behorde (vgl. § 70 Abs. 1 VwGO). Hieran fehlt es.\nSchließlich hat die Antragsgegnerin auch nicht die sofortige Vollziehung gem.\n§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Da die\nAntragsgegnerin nur zu einem geringen Teil unterlegen ist, entspricht es der\nBilligkeit, die Kosten ganz dem Antragsteller aufzuerlegen. Im Verfahren wegen\nGrundsicherung werden Gerichtskosten gem. § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben\n(vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 04.04.2003 - 12 B 10469/03 -, FEVS 54,\n544; OVG Hamburg, Beschl. v. 09.05.2003 -; a. A. Bayrischer VGH, Beschl. v.\n04.11.2003 - 12 ZB 03.2223 -; VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 02.06.1004 - 7 S\n2101/03 -). Verwaltungsgerichtliche Verfahren in Wohngeldsachen sind dagegen\nnicht gerichtskostenfrei (vgl. OVG Luneburg, Beschl. v. 02.03.1982 - 14 B\n39/81 -, juris). Die Streitwertfestsetzung in Hohe von 180 EUR (Wohngeld in\nHohe von monatlich 20 EUR mehr fur den Zeitraum April 2004 bis Dezember 2004\nals dem Ende des Bewilligungszeitraums gemaß dem Bewilligungsbescheid vom\n16.07.2003) beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F. (in Anlehnung\nan Teil I, Nr. 7 Satz 1 des Streitwertkataloges fur die\nVerwaltungsgerichtsbarkeit - Fassung 1996 - NVwZ 1996, 563). \n---\n\n
140,164
olgkarl-2004-08-31-1-ak-1004
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
1 AK 10/04
2004-08-31
2019-01-07 14:52:39
2019-02-12 12:19:47
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag des Verfolgten auf Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls des\nSenates vom 19. Juli 2004 wird zuruckgewiesen.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Verfolgte wurde am 17.04.2004 von den Vereinigten Staaten von Amerika\naufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts X. vom 22.06.2001 in die\nBundesrepublik Deutschland ausgeliefert. Unter Bezugnahme auf einen Haftbefehl\ndes Untersuchungsrichters in Z./Schweiz vom 22.04.2004 ersuchte das Bundesamt\nfur Justiz in Bern/Schweiz die bundesdeutschen Justizbehorden um\nAuslieferung/Weiterlieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung.\nMit Beschluss vom 22.07.2004 hob das Amtsgericht X. den Haftbefehl vom\n22.06.2001 auf, nachdem das dortige Verfahren durch Erlass eines Strafbefehls\nmit einer zur Bewahrung ausgesetzten Freiheitsstrafe abgeschlossen werden\nkonnte. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Seit diesem Zeitpunkt befindet sich der Verfolgte in Auslieferungshaft -\nzuvor war seit 07.05.2004 lediglich Überhaft angeordnet - aufgrund des\nAuslieferungshaftbefehls des Senats vom 19. 07. 2004. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Rechtsbeistand des Verfolgten hat mit Schriftsatz vom 05.08.2004 die\nAufhebung des Auslieferungshaftbefehls und die Freilassung des Verfolgten\nbeantragt. Er ist der Ansicht, dessen weitere Inhaftierung verstoße gegen den\nGrundsatz der Verhaltnismaßigkeit, weil das Verfahren nicht mit der\ngroßtmoglichen Beschleunigung betrieben worden sei. Seit 09.12.2003 hatten die\nSchweizer Behorden namlich gewusst, dass sich der Verfolgte in den Vereinigten\nStaaten von Amerika fur die Bundesrepublik Deutschland in\nAuslieferungshaftbefehl befande, ohne sich - abgesehen von der Übersendung\neines internationalen Festnahmebefehls am 17.12.2003 an die Vereinigten\nStaaten von Amerika - um die Auslieferung des Verfolgten auch an die Schweiz\nzu kummern. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Zu diesen Einwendungen hat die Generalstaatsanwaltschaft am 11.08.2004 -\nwie den Rechtsbeistanden des Verfolgten mitgeteilt - wie folgt Stellung\ngenommen: \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| „Dem Antrag des Verfolgten, auf Aufhebung des dortigen\nAuslieferungshaftbefehls vom 19.07.2004 trete ich entgegen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Das Auslieferungsverfahren ist mit der gebotenen Beschleunigung gefuhrt\nworden. Die schweizerischen Justizbehorden haben die deutschen Behorden am\n23.04.2004 um Festnahme des Verfolgten zum Zwecke der spateren Auslieferung\nunter Ankundigung eines formlichen Auslieferungsbegehrens und unter Bezugnahme\nauf den Haftbefehl des Untersuchungs- und Haftrichters des Kantons Z./Schweiz\nvom 23.04.2004 um Festnahme des Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung\nersucht. Nach Übersetzung der Unterlagen ist am 07.05.2004 vom\nOberlandesgericht Karlsruhe der vorlaufige Auslieferungshaftbefehl erlassen\nworden. Mit Beschluss vom 12.07.2004 wurde der Antrag des Verfolgten auf\nAufhebung des vorlaufigen Auslieferungshaftbefehls zuruckgewiesen. Am\n19.07.2004 wurde Auslieferungshaft angeordnet. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Spatestens seit 29.04.2004 haben die schweizerischen Justizbehorden die\nVereinigten Staaten von Amerika darum ersucht, die entsprechend Artikel 23 des\nAuslieferungsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den\nVereinigten Staaten von Amerika fur die Weiterlieferung des Verfolgten in die\nSchweiz erforderliche Zustimmungserklarung der US-amerikanischen\nJustizbehorden zu erlangen. Nachdem die US-amerikanischen Justizbehorden sich\nauf den Rechtsstandpunkt gestellt haben, ein Ersuchen um Zustimmung zur\nWeiterlieferung sei von den deutschen Justizbehorden zu stellen, sind die\nhierfur erforderlichen weiteren Unterlagen am 18.05.2004 vom Schweizer\nBundesamt fur Justiz erbeten worden. Nach Eingang dieser Unterlagen hat das\nJustizministerium Baden-Wurttemberg am 01.06.2004 insoweit das Erforderliche\nveranlasst. Mit Verbalnote der deutschen Botschaft Washington vom 18.06.2004\nwurden die US-amerikanischen Justizbehorden ersucht, der Weiterlieferung des\nVerfolgten in die Schweiz zuzustimmen. Eine Entscheidung der US-amerikanischen\nJustizbehorden steht indes noch aus. Das Verfahren ist mit der großtmoglichen\nVerfahrensbeschleunigung gefuhrt worden. Angesichts der dem Verfolgten in dem\nErsuchen zur Last gelegten Verhaltens, das nach deutschem Strafrecht als\nVergehen des Betruges und der Urkundenfalschung nach §§ 263, 267 StGB strafbar\nware, die Auszahlung von insgesamt 150 Millionen Schweizer Franken zum Schaden\nder Bank und deren Kunden und zu eigenen Gunsten bewirkt zu haben, ist der\nGrundsatz der Verhaltnismaßigkeit gewahrt. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Mildere Maßnahmen als der Vollzug des Auslieferungshaftbefehls,\ninsbesondere die Außervollzugsetzung des Auslieferungshaftbefehls unter\nAuflagen und Weisungen nach § 25 Abs. 2 IRG, bieten nicht die Gewahr, im Falle\nder zulassigen und bewilligten Auslieferung konne diese tatsachlich\ndurchgefuhrt werden. Die Besorgnis des Verfolgten, er konne zum bloßen Objekt\nstaatlichen Handelns werden, ist nicht berechtigt. Das Oberlandesgericht wird\ngemaß § 26 IRG uber die Fortdauer der seit 22.07.2004 vollzogenen\nAuslieferungshaft jeweils nach zwei Monaten zu befinden haben. Der Verfolgte\nwird sich mit Ablauf des 21.09.2004 zwei Monate zum Zweck der Auslieferung in\nHaft befinden." \n--- \n--- \nIII. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Antrag war zuruckzuweisen, da der Vollzug der Auslieferungshaft zur\nSicherung des Auslieferungsverfahrens mangels Vorliegens milderer Mittel\nunabdingbar und weiterhin als verhaltnismaßig anzusehen ist. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Zwar findet der Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit im IRG keine\nausdruckliche Erwahnung, jedoch stellt die Anordnung der Auslieferungshaft\nebenso wie die Untersuchungshaft einen staatlichen Eingriff in das Grundrecht\nder personlichen Freiheit dar, der nur aufgrund eines Gesetzes erfolgen darf\nund nur dann, wenn uberwiegende Belange des Gemeinwohls dies zwingend\ngebieten. Aus diesem Grunde sind die Belange des Verfolgten an der\nWiedererlangung seiner Freiheit und an der Durchfuhrung eines zugigen\nVerfahrens stets mit dem unabweisbaren Bedurfnis der staatlichen Gemeinschaft\ndes ersuchenden und des ersuchten Staates an der raschen und effektiven\nAhndung von Straftaten abzuwagen. Dabei ist zu sehen, dass die Dauer des\nAuslieferungsverfahrens von vielen verschiedenen Faktoren abhangen kann. Fur\ndie Beurteilung der noch als verhaltnismaßig anzusehenden Zeitspanne ist neben\ndem Gewicht des Tatvorwurfs und der zu erwarteten Sanktion zu sehen, dass im\nAuslieferungsverfahren allein die verfahrensmaßige und technische Abwicklung\nder notwendigen Entscheidungen eine unabdingbare und im Einzelfall\nfestzustellende Mindestdauer erfordert. Nach Ablauf derselben mussen - ohne\ndass eine zeitliche Obergrenze anzunehmen ware - besondere, das\nAuslieferungsverfahren selbst betreffende Grunde vorliegen, um die weitere\nAufrechterhaltung, jedenfalls aber die weitere Vollstreckung der\nAuslieferungshaft rechtfertigen zu konnen (vgl. BVerfG StV 2000, 27 ff.; OLG\nDusseldorf NJW 1995, 1369 ff.). So ist ein Verstoß gegen den Grundsatz der\nVerhaltnismaßigkeit etwa dann angenommen worden, wenn besondere Grunde fur das\nAndauern des Auslieferungsverfahrens durch den ersuchenden Staat fehlen (OLG\nDusseldorf NJW 1991, 3105 ff.: Nichtvorlage erganzend angeforderter\nAuslieferungsunterlagen uber mehr als zwei Monate hinweg), die Entscheidung\nuber die Bewilligung der Auslieferung bis zum Abschluss eines Asylverfahrens\ndurch die Bewilligungsbehorde zuruckgestellt wurde bzw. uber die Bewilligung\neiner als zulassig angesehenen Auslieferung in absehbarer Zeit nicht\nentscheiden werden wird (OLG Dusseldorf NJW 1995, 1369 ff.) oder aber die\nSchwere des Tatvorwurfs eine Fortdauer der Auslieferungshaft nicht zu\nrechtfertigen vermag (OLG Hamm StV 1997, 652; zum ganzen Schomburg/Lagodny.\nIRG, 3. Aufl. 1998, § 24 Rn. 9 ff.; § 15 Rn. 27). \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Solche Grunde sind hier nicht ersichtlich. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Verfolgte befindet sich seit 22.07.2004 und damit erst seit ungefahr\nsechs Wochen in Auslieferungshaft, so dass der Senat in Anbetracht der gegen\nihn durch die Schweizer Justizbehorden erhoben Vorwurfe des mehrfachen\nScheckbetruges in Hohe von insgesamt 150 Millionen Franken und einer im Falle\ndes Tatnachweises deshalb zu erwartenden mehrjahrigen Freiheitsstrafe das\nVorliegen einer „unangemessenen langen Haftdauer" nicht zu erkennen vermag. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Auch eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes liegt nicht vor. Es ist\nweder den deutschen noch den Schweizer Justizbehorden anzulasten, dass die US-\namerikanischen Justizbehorden ein ausdruckliches Zustimmungsersuchen der\ndeutschen Justizbehorden fur die Weiterlieferung des Verfolgten in die Schweiz\nfur erforderlich halten und das Ersuchen der Schweizer Justizbehorden vom\n29.04.2004 nicht fur ausreichend angesehen haben. Ein solches wurde\nzwischenzeitlich zeitnah am 18.06.2004 und damit noch vor Vollzug der\nAuslieferungshaft von der deutschen Botschaft in Washington gestellt. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Da das in Haftsachen geltende Beschleunigungsgebot aber auch dann Anwendung\nfindet, wenn die unabdingbare Mindestdauer eines Verfahrens - wie hier - noch\nnicht erreicht ist, halt es der Senat fur angemessen, die Justizbehorden der\nVereinigten Staaten von Amerika nochmals um eine beschleunigte Bearbeitung der\nAnfrage vom 18.06.2004 zu ersuchen. Fur die vom Rechtsbeistand des Verfolgten\nbeantragte Fristsetzung sieht der Senat derzeit keine Veranlassung. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Wegen der im Übrigen fortbestehenden Haftgrunde verweist der Senat auf\nseine Beschlusse vom 12.07.2004 und 19.07.2004. \n--- \n---\n\n
140,521
vg-freiburg-2004-11-22-1-k-145402
157
Verwaltungsgericht Freiburg
vg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 K 1454/02
2004-11-22
2019-01-07 15:16:24
2019-01-17 12:00:41
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage abgewiesen.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager wendet sich gegen eine angeordnete Abgaswegeuberprufung. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager ist Eigentumer und Bewohner eines Einfamilienwohnhauses, in dem\ner seit 1992 eine Gasheizung („...") mit Brennwerttechnik betreibt. Im Jahr\n2001 entwickelte sich zwischen dem Klager, dem Bezirksschornsteinfegermeister\nund dem Landratsamt Rottweil eine Kontroverse daruber, ob die\nGasbrennwertanlage des Klagers unter die seit 1.1.2000 neugefasste Kehr- und\nÜberprufungsordnung (KÜO) fallt. Der Klager stellte sich auf den Standpunkt,\nsein Gasbrennwertgerat sei nicht uberprufungspflichtig, weil die Vorschriften\nder KÜO ein solches Gerat nicht erfassten. Nachdem das Landratsamt Rottweil\nihn unter dem 10.12.2001 erfolglos aufgefordert hatte, dem\nBezirksschornsteinfegermeister eine Überprufung durchfuhren zu lassen,\nverfugte es gegenuber dem Klager mit Bescheid vom 7.2.2002, dass dieser dem\nBezirksschornsteinfegermeister spatestens bis zum 8.3.2002 die Durchfuhrung\nder Abgaswegeuberprufung und der CO-Messung ermoglichen und sich hierzu mit\ndem Bezirksschornsteinfegermeister zur Vereinbarung eines Termins in\nVerbindung setzen musse; ferner habe der Klager dafur zu sorgen, dass an\nseiner Heizungsanlage eine Prufoffnung fur die CO-Messung sowie an der\nAbgasleitung eine Überprufungsmoglichkeit angebracht werde. Fur den Fall, dass\ndie Arbeiten nicht bis zum 8.3.2002 ermoglicht wurden, werde ein Zwangsgeld in\nHohe von 255 EUR angedroht. \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Klager erhob am 7.3.2003 Widerspruch, den er dahin begrundete, auf\nGrund der expliziten Nennung von Brennwertgeraten neben Feuerstatten wurden\nerstere von § 1 Abs. 2 Tabelle 2 KÜO nicht erfasst; außerdem sei auch die in\nder Verordnung vorgesehene CO-Messung, namlich die definitionsgemaße\nBestimmung des CO-Anteils im unverdunnten, trockenen Abgas, nicht moglich,\nweil das Abgas eines Brennwertgerates Wasserdampf enthalte und somit feucht\nsei. \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Klager hat am 22.7.2003 Klage erhoben, nachdem sein Widerspruch durch\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 26.6.2002\n(zugestellt am 27.6.2002) zuruckgewiesen worden war. Er tragt noch einmal\nvertiefend vor, seine Anlage genuge allen Sicherheitsvorschriften. Der hohe\nStandard an Eigensicherung (elektronische Funktionsprufung, sofortige\nAbschaltung bei Storungen, regelmaßige Wartung durch eine Fachfirma) fuhre\ndazu, dass es nicht zu einem Storfall kommen konne, weil das Abgas rechtzeitig\nweggefuhrt werde. Bei der CO-Messung, die man von ihm verlange, handle sich um\neine wiederkehrende Messung, von der bivalente Heizungen wie seine jedoch gem.\n§ 15 der 1. BImSchVO gerade ausgenommen seien. Weder Versicherer noch\nEnergieversorger hatten ihm auf seine Anfrage hin einschlagige Schadensfalle\nan Brennwertanlagen bestatigen konnen. Im Gerat existiere eine Messoffnung,\nallerdings sei diese nur fur die Installationsfirma, nicht hingegen den\nBezirksschornsteinfegermeister zuganglich. Eine Messoffnung am Abgasstutzen\nhingegen sei nicht vorhanden. Seine Anlage sei an eine Abgasleitung, nicht\nhingegen einen Abgasweg angeschlossen; ferner wurden die Abgase in der Leitung\ndirekt ins Freie gefuhrt. Es bestehe kein Abgaskanal, weil die Leitung frei\nbeweglich und nicht mit Bauteilen verbunden sei. \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 6 \n--- \n| den Bescheid des Landratsamts Rottweil vom 7.2.2002 und den\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 26.6.2002\naufzuheben. \n--- \n| 7 \n--- \n| Das beklagte Land bezieht sich auf Ausgangs- und Widerspruchsbescheid und\nbeantragt, \n--- \n| 8 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die\nSchriftsatze der Beteiligten sowie den Akteninhalt (jeweils ein Heft des\nLandratsamts und des Regierungsprasidiums) verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 10 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. Der Bescheid des Landratsamts\nRottweil, der durch den Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums\nStuttgart (zu dessen Zustandigkeit als Widerspruchsbehorde vgl. §§ 73 Abs. 1\nNr. 1 VwGO, 1 Abs. 2 SchfZuVO [v. 19.1.1998, GBl. S. 76]) in seiner\nwesentlichen Gestalt unverandert geblieben ist (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), ist\nrechtmaßig und verletzt den Klager nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz\n1 VwGO). \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Rechtsgrundlage der Anordnung, die Abgaswegeuberprufung zuzulassen, sind §§\n1 SchfG, 1 KÜO. Gem. § 1 Abs. 1 SchfG sind die Eigentumer von Grundstucken\nverpflichtet, die kehr- und uberprufungspflichtigen Anlagen fristgerecht\nreinigen und uberprufen zu lassen. Sie sind ferner verpflichtet, dem\nBezirksschornsteinfegermeister und den bei ihm beschaftigten Personen zum\nZwecke des Kehrens und der Überprufung der kehr- und uberprufungspflichtigen\nAnlagen Zutritt zu den Grundstucken zu gestatten (§ 1 Abs. 3 SchfG). Bei der\nHeizungsanlage des Klagers handelt es sich um eine uberprufungspflichtige\nAnlage bzw. Einrichtung i. S. der genannten Vorschriften. § 1 Abs. 2, Tabelle\n2 KÜO unterwirft Anlagen und Einrichtungen zur Verbrennung gasformiger\nBrennstoffe einer Überprufung. Als eine Art der angeschlossenen Gasfeuerstatte\nwerden dort wiederum raumluftunabhangige Gasfeuerstatten ohne Geblase mit\nVerbrennungsluftzufuhr und Abgasabfuhrung durch die Außenwand erfasst; um eine\nsolche Feuerstattenart handelt es sich bei der Heizungsanlage des Klagers. Die\nBestimmung des § 1 Abs. 2 KÜO geht auf die Verordnungsermachtigung in § 1 Abs.\n2 SchfG zuruck. Dort werden die Lander ermachtigt, zum Zweck der Erhaltung der\nFeuersicherheit (Betriebs- und Brandsicherheit) durch Rechtsverordnung (Kehr-\nund Überprufungsordnung) zu bestimmen, welche Schornsteine, Feuerstatten,\nRauchableitungen, Luftungsanlagen oder ahnliche Einrichtungen in welchen\nZeitraumen gereinigt oder uberpruft werden mussen. Angesichts dieser\nBestimmungen kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die Anlage des Klagers\nerfasst wird. Bei ihr handelt es sich um eine (Gas-)Feuerstatte. Darauf, dass,\nwie der Klager meint, seine Anlage unter Einsatz der Brennwerttechnik\narbeitet, kommt es nicht an. Der maßgebliche Anlagen- bzw. Einrichtungsbegriff\nfindet sich vielmehr in § 1 Abs. 2 SchfG und wird in Tabelle 2 zu § 1 Abs. 2\nKÜO fur Feuerstatten, die gasformige Brennstoffe verbrennen, konkretisiert. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Gegen eine Überprufungspflicht spricht ferner nicht, dass die Anlage des\nKlagers eine Eigensicherung, insbesondere aufgrund regelmaßiger Wartung durch\neine Fachfirma, besitzt. Soweit der Klager diesen Gesichtspunkt immer wieder\ngegen eine Überprufungspflicht ins Feld gefuhrt hat, verkennt er, dass ihn\ngleichwohl die Sorgfalt, die er privat obwalten lasst, nicht von der\noffentlich-rechtlichen Überprufungspflicht freistellt. Diese irrige Annahme\nerklart ferner, warum der Klager meint, § 2 Abs. 2 SchfG sogar ein Verbot\nprivater Wartung entnehmen zu mussen; dem ist vielmehr nicht so, weil das\nSchfG und die KÜO ausschließlich die offentlich-rechtliche Verpflichtung der\nEigentumer normieren. Auch soweit die Anlage des Klagers von einer\nwiederkehrenden Überwachung nach den Vorschriften des\nBundesimmissionsschutzrechts ausgenommen ist (vgl. §§ 15 Abs. 1 Nr. 3b, 14\nAbs. 2 Nr. 3 der 1. BImSchV), kann er vorliegend nichts fur einen Erfolg\nseiner Klage herleiten. Die Vorschriften des Bundesimmissionsschutzrechts\nhaben eine andere Zwecksetzung. Die Regelungen speziell der 1. BImSchVO gehen\ndarauf zuruck, dass der Immissionsanteil der kleinen und mittleren\nFeuerungsanlagen trotz an sich geringer Gesamtemissionen wegen ihres Austritts\nin geringer Hohe wesentlich bedeutsamer ist. Deshalb ist der durch die 1.\nBImSchVO bewirkte Beitrag zur Emissionsminderung ein wichtiger Bestandteil der\nLuftreinhaltung (Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Band II [Oktober\n2003], Vorbemerkung zur 1. BImSchVO, Rnr. 2). Die Vorschriften der KÜO bzw.\nder dieser zu Grunde liegenden Verordnungsermachtigung im Bundesgesetz (SchfG)\nbezwecken dagegen nicht den Umweltschutz sondern dienen einer anlagebezogenen\nBetriebs- und Brandsicherheit, die wesentlich auch im Interesse des\nAnlagenbetreibers liegt. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Das Gericht hegt schließlich keine rechtlichen Bedenken, dass die KÜO i. d.\nF. vom 30.9.1999 (GBl S. 439) die Feuerstatte des Klagers ab 1.1.2001 einer\nKehr-Überprufungspflicht unterwirft, wahrend sie gem. § 3 Nr. 3 KÜO a.F. (= i.\nd. F. vom 11.12.1984, GBl S. 695) hiervon noch ausgenommen war. Die\nVorschriften des SchfG und der KÜO bestimmen Inhalt und Schranken des\nEigentums i. S. des Art. 14 Abs. 1 GG; auf einen Bestands- oder\nVertrauensschutz kann sich der Klager deshalb nicht berufen (vgl. entsprechend\nfur geanderte Anforderungen an Altanlagen im Bundesimmissionsschutzrecht:\nHansmann, a.a.O., Band I [Marz 1998] Vorbemerkung zu § 22 BImSchG, Rnr. 15).\nDas gilt vorliegend vor allem auch deshalb, weil Feuerstatten wie seine in\nverhaltnismaßiger Weise einer Überprufungspflicht unterworfen worden sind.\nAngesichts einer Überprufung einmal in zwei Jahren (vgl. Tabelle 2 zu § 1 Abs.\n2 KÜO) liegt es auf der Hand, dass nicht von einer Unzumutbarkeit gesprochen\nwerden kann. Das uberwiegende offentliche (Brand- und Betriebssicherheits-)\nInteresse an der Erstreckung der Abgaswegeuberprufung auf alle Gasfeuerstatten\ngeht auf ein Gutachten der FH Gelsenkirchen zuruck. Darin ist ausgefuhrt, dass\nauch fur Gasfeuerstatten, die teilweise oder ganz im Überdruck betrieben\nwerden, Gefahren fur Leib und Leben der Hausbewohner ausgehen. Bei Versuchen\nund Auswertungen statistischer Unterlagen uber Mangel an korrekt installierten\nGasfeuerstatten wurden Storfalle in Gestalt von Abgasaustritten in den\nAufstellungsraum, hohen CO-Gehalt im Abgas, Undichtigkeiten,\nKorrosionserscheinungen und Querschnittsveranderungen im Abgasweg sowie\nAbgasaustritte in den Ringspalt festgestellt. Ferner wurde vor allem bei der\nBrennwerttechnik, die der Klager immer wieder als besonders sicher hervorhebt,\nder darin befindliche Siphon als Schwachpunkt festgestellt, wenn er trocken\ngefallen war. Nach diesem Gutachten stellen sich die zur Gefahrdung fuhrenden\nMangel in der Regel uber einen langeren Zeitraum ein. Das ermittelte\nGefahrenpotenzial bei regelmaßig vom Schornsteinfeger uberpruften Anlagen lag\nbei ca. 1 bis 3%, bei nicht gepruften Anlagen erheblich hoher (vgl.\nStellungnahme des Wirtschaftsministeriums Baden-Wurttemberg vom 3.12.2001\ngegenuber dem Klager, vgl. ferner Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums\nvom 25.11.2003, LT-Drucks. 13/2535, S. 5 ff.). Gegenuber dieser systematischen\nUntersuchung kann dem Ergebnis der Anfrage des Klagers an Versicherer und\nEnergieversorger kein Gegengewicht zukommen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Soweit der Klager schließlich eine Anwendbarkeit der KÜO uber deren § 5 und\ndie in Anlage 2 zu dieser Rechtsverordnung aufgefuhrten Begriffsbestimmungen\nverneinen will, kann das Gericht dem ebenfalls nicht folgen. Seine Heizung ist\neine Feuerstatte i. S. der Ziff. 6, weil es sich bei ihr um eine an eine\nAbgasanlage angeschlossene Einrichtung zur Verbrennung gasformiger Stoffe\nhandelt. Sie besitzt ferner eine Einrichtung zur Ableitung von Abgasen, mithin\nein Abgasanlage i. S. d. Ziff. 1 und schließlich eine Abgasleitung i. S. d.\nZiff. 2, namlich eine Einrichtung zur Ableitung der Abgase des mit Überdruck\nbetriebenen, gasbefeuerten Brennwertgerates. Dass es in diesem Gerat\nschließlich auch einen Abgasweg i. S. d. Ziff. 3, namlich eine\nStromungsstrecke der Verbrennungsgase vom Brenner bis zum Eintritt in den\nKanal gibt, kann ebenfalls nicht fraglich sein. Die Auslegungen des Klagers\nsind zu formal und berucksichtigen letztlich auch nicht den Sinn und Zweck der\nÜberprufungspflicht fur Gasfeuerstatten nach den Vorschriften des\nSchornsteinfegergesetzes und der KÜO; der Vorschrift des § 5 KÜO i.V.m. den\nBegriffsbestimmungen der Anlage 2 kommt nicht die Bedeutung und schon gar\nnicht der Zweck zu, aus den von § 1 Abs. 2 KÜO umfanglich erfassten\nGasfeuerstatten gewissermaßen im einem zweiten Anwendungsschritt wieder\nAnlagen auszunehmen. Soweit der Klager schließlich bemangelt hat, eine CO-\nMessung, wie sie in Ziffer 11 der Begriffsbestimmungen (Bestimmung des CO-\nAnteils im unverdunnten, trockenen Abgas) vorgesehen ist, sei unmoglich, weil\ndas Abgas in seiner Feuerstatte verdunnt und feucht sei, konnte dies das\nGericht ebenfalls nicht uberzeugen. Bereits im Verwaltungsverfahren aber auch\nin der mundlichen Verhandlung - dort durch den als sachverstandige\nAuskunftsperson anwesenden Herrn K. - ist dazu namlich nachvollziehbar\ndargelegt worden, dass die Bestimmung des CO-Anteils regelmaßig nach einer\nfest vorgegebenen Formel erfolgt, d. h. die konkret im verdunnten und feuchten\nAbgas gemessenen Werte werden auf unverdunntes und trockenes Abgas\numgerechnet. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Lediglich vorsorglich merkt das Gericht noch Folgendes an: Selbst wenn man\nin den Vorschriften der §§ 1 Abs. 3 SchfG, 1 Abs. 2 KÜO keine\nVerwaltungsaktbefugnis erblicken wollte, ergabe sich dasselbe Ergebnis - und\nmithin die Rechtmaßigkeit der Anordnung des Landratsamts - aus einer\nHeranziehung der §§ 1 und 3 PolG. Wie die Kammer ausfuhrlich im Beschluss vom\n24.2.2004 (1 K 2311/03, betreffend eine Anordnung nach dem Tierzuchtgesetz)\ndargelegt hat, ist der Ruckgriff auf die polizeiliche Generalklausel auch den\nFachbehorden moglich, wenn und so weit - wie hier - pflichtenkonkretisierende\nVerfugungen durchgesetzt werden sollen; der VGH Baden-Wurttemberg hat im\nhierzu ergangenen Beschluss vom 4.8.2004 (10 S 680/04) diese Auffassung\nbestatigt. Dass auf der Tatbestandsseite der polizeilichen Generalklausel eine\nStorung der offentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegend gegeben ist, bedarf\nim Blick auf die obigen Ausfuhrungen zur Überprufungspflicht der Feuerstatte\ndes Klagers keiner weiteren Darlegung. Aber auch auf der Rechtsfolgenseite,\nauf der dem Landratsamt dann Entschließungs- und Auswahlermessen eingeraumt\ngewesen ware, kann kein Zweifel an einer Rechtmaßigkeit der angeordneten\nÜberprufung bestehen. Hier ist namlich von einer Ermessensreduzierung auf Null\nauszugehen, jedenfalls aber liegt mit Blick auf die fachgesetzlichen\nVorschriften ein intendiertes Ermessen vor. \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Verpflichtung des Klagers zum Anbringen von Prufoffnungen ergibt sich\naus §§ 1 Abs. 1, Abs. 2 SchfG, 1 Abs. 2 KÜO (bzw. §§ 1,3 PolG). Mit Blick auf\ndie zusatzliche Bestimmung, dass dies in Absprache mit dem\nBezirksschornsteinfegermeister zu erfolgen habe, sowie den Umstand, dass die\nHeizungsanlage des Klagers in der Vergangenheit auf Grund der kontroversen\nAuffassungen nicht naher begutachtet werden konnte, ist diese Anordnung dahin\nauszulegen, dass dies nur insoweit gilt, als noch keine Prufoffnung vorhanden\nist. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Androhung eines Zwangsgelds schließlich ist so, wie sie im\nstreitgegenstandlichen Bescheid erfolgt ist, zwar an sich rechtswidrig. Als\nMaßnahme der Zwangsvollstreckung hatte sie namlich einen vollziehbaren\nGrundverwaltungsakt vorausgesetzt. An einem solchen fehlt es jedoch, weil die\nVerpflichtung zur Abgaswegeuberprufung weder unanfechtbar noch fur sofort\nvollziehbar angeordnet war (vgl. § 2 LVwVG). Das Gericht erachtet es jedoch\nausnahmsweise fur moglich, diese Androhung umzudeuten (Rechtsgedanke der §§ 47\nLVwVfG, 140 BGB; zur Befugnis des Verwaltungsgerichts, eine Umdeutung\nvorzunehmen, vgl. auch: Kopp/Schenke, VwGO 13. Aufl. § 113 Rdnr. 79). Aus dem\nVerhalten von Ausgangs- und Widerspruchsbehorde geht deutlich hervor, dass\ndiese ein Vorgehen gegen den Klager im Wege der Zwangsvollstreckung von einer\nendgultigen Entscheidung abhangig machen wollten. Die dem Klager erkennbar mit\nder Bestimmung einer Monatsfrist (7.2.2002 bis 8.3.2002) aufgegebene\nZwangsgeldandrohung ist deshalb dahin umzudeuten, dass das Zwangsgeld fur den\nFall angedroht wird, dass der Klager der durch die Verfugung begrundeten\nÜberprufungspflicht nicht innerhalb eines Monats nach Unanfechtbarkeit der\nVerfugung nachkommt (zur Zulassigkeit einer solchen Verknupfung vgl. VGH\nBad.-Wurtt. [Großer Senat], Beschl. v. 1.8.1980 - GrS 1/80 - VBlBW 1981, 14). \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.\nTrotz teilweise erforderlicher Umdeutung obsiegt das beklagte Land zum weitaus\nuberwiegenden Teil. Das Gericht hat keinen Anlass, die Kostenentscheidung fur\nvorlaufig vollstreckbar zu erklaren (§ 167 Abs. 2 VwGO). Grunde fur eine\nZulassung der Berufung liegen nicht vor, weshalb hinsichtlich der\nAnfechtbarkeit dieser Entscheidung Folgendes gilt: \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 10 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. Der Bescheid des Landratsamts\nRottweil, der durch den Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums\nStuttgart (zu dessen Zustandigkeit als Widerspruchsbehorde vgl. §§ 73 Abs. 1\nNr. 1 VwGO, 1 Abs. 2 SchfZuVO [v. 19.1.1998, GBl. S. 76]) in seiner\nwesentlichen Gestalt unverandert geblieben ist (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), ist\nrechtmaßig und verletzt den Klager nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz\n1 VwGO). \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Rechtsgrundlage der Anordnung, die Abgaswegeuberprufung zuzulassen, sind §§\n1 SchfG, 1 KÜO. Gem. § 1 Abs. 1 SchfG sind die Eigentumer von Grundstucken\nverpflichtet, die kehr- und uberprufungspflichtigen Anlagen fristgerecht\nreinigen und uberprufen zu lassen. Sie sind ferner verpflichtet, dem\nBezirksschornsteinfegermeister und den bei ihm beschaftigten Personen zum\nZwecke des Kehrens und der Überprufung der kehr- und uberprufungspflichtigen\nAnlagen Zutritt zu den Grundstucken zu gestatten (§ 1 Abs. 3 SchfG). Bei der\nHeizungsanlage des Klagers handelt es sich um eine uberprufungspflichtige\nAnlage bzw. Einrichtung i. S. der genannten Vorschriften. § 1 Abs. 2, Tabelle\n2 KÜO unterwirft Anlagen und Einrichtungen zur Verbrennung gasformiger\nBrennstoffe einer Überprufung. Als eine Art der angeschlossenen Gasfeuerstatte\nwerden dort wiederum raumluftunabhangige Gasfeuerstatten ohne Geblase mit\nVerbrennungsluftzufuhr und Abgasabfuhrung durch die Außenwand erfasst; um eine\nsolche Feuerstattenart handelt es sich bei der Heizungsanlage des Klagers. Die\nBestimmung des § 1 Abs. 2 KÜO geht auf die Verordnungsermachtigung in § 1 Abs.\n2 SchfG zuruck. Dort werden die Lander ermachtigt, zum Zweck der Erhaltung der\nFeuersicherheit (Betriebs- und Brandsicherheit) durch Rechtsverordnung (Kehr-\nund Überprufungsordnung) zu bestimmen, welche Schornsteine, Feuerstatten,\nRauchableitungen, Luftungsanlagen oder ahnliche Einrichtungen in welchen\nZeitraumen gereinigt oder uberpruft werden mussen. Angesichts dieser\nBestimmungen kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die Anlage des Klagers\nerfasst wird. Bei ihr handelt es sich um eine (Gas-)Feuerstatte. Darauf, dass,\nwie der Klager meint, seine Anlage unter Einsatz der Brennwerttechnik\narbeitet, kommt es nicht an. Der maßgebliche Anlagen- bzw. Einrichtungsbegriff\nfindet sich vielmehr in § 1 Abs. 2 SchfG und wird in Tabelle 2 zu § 1 Abs. 2\nKÜO fur Feuerstatten, die gasformige Brennstoffe verbrennen, konkretisiert. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Gegen eine Überprufungspflicht spricht ferner nicht, dass die Anlage des\nKlagers eine Eigensicherung, insbesondere aufgrund regelmaßiger Wartung durch\neine Fachfirma, besitzt. Soweit der Klager diesen Gesichtspunkt immer wieder\ngegen eine Überprufungspflicht ins Feld gefuhrt hat, verkennt er, dass ihn\ngleichwohl die Sorgfalt, die er privat obwalten lasst, nicht von der\noffentlich-rechtlichen Überprufungspflicht freistellt. Diese irrige Annahme\nerklart ferner, warum der Klager meint, § 2 Abs. 2 SchfG sogar ein Verbot\nprivater Wartung entnehmen zu mussen; dem ist vielmehr nicht so, weil das\nSchfG und die KÜO ausschließlich die offentlich-rechtliche Verpflichtung der\nEigentumer normieren. Auch soweit die Anlage des Klagers von einer\nwiederkehrenden Überwachung nach den Vorschriften des\nBundesimmissionsschutzrechts ausgenommen ist (vgl. §§ 15 Abs. 1 Nr. 3b, 14\nAbs. 2 Nr. 3 der 1. BImSchV), kann er vorliegend nichts fur einen Erfolg\nseiner Klage herleiten. Die Vorschriften des Bundesimmissionsschutzrechts\nhaben eine andere Zwecksetzung. Die Regelungen speziell der 1. BImSchVO gehen\ndarauf zuruck, dass der Immissionsanteil der kleinen und mittleren\nFeuerungsanlagen trotz an sich geringer Gesamtemissionen wegen ihres Austritts\nin geringer Hohe wesentlich bedeutsamer ist. Deshalb ist der durch die 1.\nBImSchVO bewirkte Beitrag zur Emissionsminderung ein wichtiger Bestandteil der\nLuftreinhaltung (Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Band II [Oktober\n2003], Vorbemerkung zur 1. BImSchVO, Rnr. 2). Die Vorschriften der KÜO bzw.\nder dieser zu Grunde liegenden Verordnungsermachtigung im Bundesgesetz (SchfG)\nbezwecken dagegen nicht den Umweltschutz sondern dienen einer anlagebezogenen\nBetriebs- und Brandsicherheit, die wesentlich auch im Interesse des\nAnlagenbetreibers liegt. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Das Gericht hegt schließlich keine rechtlichen Bedenken, dass die KÜO i. d.\nF. vom 30.9.1999 (GBl S. 439) die Feuerstatte des Klagers ab 1.1.2001 einer\nKehr-Überprufungspflicht unterwirft, wahrend sie gem. § 3 Nr. 3 KÜO a.F. (= i.\nd. F. vom 11.12.1984, GBl S. 695) hiervon noch ausgenommen war. Die\nVorschriften des SchfG und der KÜO bestimmen Inhalt und Schranken des\nEigentums i. S. des Art. 14 Abs. 1 GG; auf einen Bestands- oder\nVertrauensschutz kann sich der Klager deshalb nicht berufen (vgl. entsprechend\nfur geanderte Anforderungen an Altanlagen im Bundesimmissionsschutzrecht:\nHansmann, a.a.O., Band I [Marz 1998] Vorbemerkung zu § 22 BImSchG, Rnr. 15).\nDas gilt vorliegend vor allem auch deshalb, weil Feuerstatten wie seine in\nverhaltnismaßiger Weise einer Überprufungspflicht unterworfen worden sind.\nAngesichts einer Überprufung einmal in zwei Jahren (vgl. Tabelle 2 zu § 1 Abs.\n2 KÜO) liegt es auf der Hand, dass nicht von einer Unzumutbarkeit gesprochen\nwerden kann. Das uberwiegende offentliche (Brand- und Betriebssicherheits-)\nInteresse an der Erstreckung der Abgaswegeuberprufung auf alle Gasfeuerstatten\ngeht auf ein Gutachten der FH Gelsenkirchen zuruck. Darin ist ausgefuhrt, dass\nauch fur Gasfeuerstatten, die teilweise oder ganz im Überdruck betrieben\nwerden, Gefahren fur Leib und Leben der Hausbewohner ausgehen. Bei Versuchen\nund Auswertungen statistischer Unterlagen uber Mangel an korrekt installierten\nGasfeuerstatten wurden Storfalle in Gestalt von Abgasaustritten in den\nAufstellungsraum, hohen CO-Gehalt im Abgas, Undichtigkeiten,\nKorrosionserscheinungen und Querschnittsveranderungen im Abgasweg sowie\nAbgasaustritte in den Ringspalt festgestellt. Ferner wurde vor allem bei der\nBrennwerttechnik, die der Klager immer wieder als besonders sicher hervorhebt,\nder darin befindliche Siphon als Schwachpunkt festgestellt, wenn er trocken\ngefallen war. Nach diesem Gutachten stellen sich die zur Gefahrdung fuhrenden\nMangel in der Regel uber einen langeren Zeitraum ein. Das ermittelte\nGefahrenpotenzial bei regelmaßig vom Schornsteinfeger uberpruften Anlagen lag\nbei ca. 1 bis 3%, bei nicht gepruften Anlagen erheblich hoher (vgl.\nStellungnahme des Wirtschaftsministeriums Baden-Wurttemberg vom 3.12.2001\ngegenuber dem Klager, vgl. ferner Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums\nvom 25.11.2003, LT-Drucks. 13/2535, S. 5 ff.). Gegenuber dieser systematischen\nUntersuchung kann dem Ergebnis der Anfrage des Klagers an Versicherer und\nEnergieversorger kein Gegengewicht zukommen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Soweit der Klager schließlich eine Anwendbarkeit der KÜO uber deren § 5 und\ndie in Anlage 2 zu dieser Rechtsverordnung aufgefuhrten Begriffsbestimmungen\nverneinen will, kann das Gericht dem ebenfalls nicht folgen. Seine Heizung ist\neine Feuerstatte i. S. der Ziff. 6, weil es sich bei ihr um eine an eine\nAbgasanlage angeschlossene Einrichtung zur Verbrennung gasformiger Stoffe\nhandelt. Sie besitzt ferner eine Einrichtung zur Ableitung von Abgasen, mithin\nein Abgasanlage i. S. d. Ziff. 1 und schließlich eine Abgasleitung i. S. d.\nZiff. 2, namlich eine Einrichtung zur Ableitung der Abgase des mit Überdruck\nbetriebenen, gasbefeuerten Brennwertgerates. Dass es in diesem Gerat\nschließlich auch einen Abgasweg i. S. d. Ziff. 3, namlich eine\nStromungsstrecke der Verbrennungsgase vom Brenner bis zum Eintritt in den\nKanal gibt, kann ebenfalls nicht fraglich sein. Die Auslegungen des Klagers\nsind zu formal und berucksichtigen letztlich auch nicht den Sinn und Zweck der\nÜberprufungspflicht fur Gasfeuerstatten nach den Vorschriften des\nSchornsteinfegergesetzes und der KÜO; der Vorschrift des § 5 KÜO i.V.m. den\nBegriffsbestimmungen der Anlage 2 kommt nicht die Bedeutung und schon gar\nnicht der Zweck zu, aus den von § 1 Abs. 2 KÜO umfanglich erfassten\nGasfeuerstatten gewissermaßen im einem zweiten Anwendungsschritt wieder\nAnlagen auszunehmen. Soweit der Klager schließlich bemangelt hat, eine CO-\nMessung, wie sie in Ziffer 11 der Begriffsbestimmungen (Bestimmung des CO-\nAnteils im unverdunnten, trockenen Abgas) vorgesehen ist, sei unmoglich, weil\ndas Abgas in seiner Feuerstatte verdunnt und feucht sei, konnte dies das\nGericht ebenfalls nicht uberzeugen. Bereits im Verwaltungsverfahren aber auch\nin der mundlichen Verhandlung - dort durch den als sachverstandige\nAuskunftsperson anwesenden Herrn K. - ist dazu namlich nachvollziehbar\ndargelegt worden, dass die Bestimmung des CO-Anteils regelmaßig nach einer\nfest vorgegebenen Formel erfolgt, d. h. die konkret im verdunnten und feuchten\nAbgas gemessenen Werte werden auf unverdunntes und trockenes Abgas\numgerechnet. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Lediglich vorsorglich merkt das Gericht noch Folgendes an: Selbst wenn man\nin den Vorschriften der §§ 1 Abs. 3 SchfG, 1 Abs. 2 KÜO keine\nVerwaltungsaktbefugnis erblicken wollte, ergabe sich dasselbe Ergebnis - und\nmithin die Rechtmaßigkeit der Anordnung des Landratsamts - aus einer\nHeranziehung der §§ 1 und 3 PolG. Wie die Kammer ausfuhrlich im Beschluss vom\n24.2.2004 (1 K 2311/03, betreffend eine Anordnung nach dem Tierzuchtgesetz)\ndargelegt hat, ist der Ruckgriff auf die polizeiliche Generalklausel auch den\nFachbehorden moglich, wenn und so weit - wie hier - pflichtenkonkretisierende\nVerfugungen durchgesetzt werden sollen; der VGH Baden-Wurttemberg hat im\nhierzu ergangenen Beschluss vom 4.8.2004 (10 S 680/04) diese Auffassung\nbestatigt. Dass auf der Tatbestandsseite der polizeilichen Generalklausel eine\nStorung der offentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegend gegeben ist, bedarf\nim Blick auf die obigen Ausfuhrungen zur Überprufungspflicht der Feuerstatte\ndes Klagers keiner weiteren Darlegung. Aber auch auf der Rechtsfolgenseite,\nauf der dem Landratsamt dann Entschließungs- und Auswahlermessen eingeraumt\ngewesen ware, kann kein Zweifel an einer Rechtmaßigkeit der angeordneten\nÜberprufung bestehen. Hier ist namlich von einer Ermessensreduzierung auf Null\nauszugehen, jedenfalls aber liegt mit Blick auf die fachgesetzlichen\nVorschriften ein intendiertes Ermessen vor. \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Verpflichtung des Klagers zum Anbringen von Prufoffnungen ergibt sich\naus §§ 1 Abs. 1, Abs. 2 SchfG, 1 Abs. 2 KÜO (bzw. §§ 1,3 PolG). Mit Blick auf\ndie zusatzliche Bestimmung, dass dies in Absprache mit dem\nBezirksschornsteinfegermeister zu erfolgen habe, sowie den Umstand, dass die\nHeizungsanlage des Klagers in der Vergangenheit auf Grund der kontroversen\nAuffassungen nicht naher begutachtet werden konnte, ist diese Anordnung dahin\nauszulegen, dass dies nur insoweit gilt, als noch keine Prufoffnung vorhanden\nist. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Androhung eines Zwangsgelds schließlich ist so, wie sie im\nstreitgegenstandlichen Bescheid erfolgt ist, zwar an sich rechtswidrig. Als\nMaßnahme der Zwangsvollstreckung hatte sie namlich einen vollziehbaren\nGrundverwaltungsakt vorausgesetzt. An einem solchen fehlt es jedoch, weil die\nVerpflichtung zur Abgaswegeuberprufung weder unanfechtbar noch fur sofort\nvollziehbar angeordnet war (vgl. § 2 LVwVG). Das Gericht erachtet es jedoch\nausnahmsweise fur moglich, diese Androhung umzudeuten (Rechtsgedanke der §§ 47\nLVwVfG, 140 BGB; zur Befugnis des Verwaltungsgerichts, eine Umdeutung\nvorzunehmen, vgl. auch: Kopp/Schenke, VwGO 13. Aufl. § 113 Rdnr. 79). Aus dem\nVerhalten von Ausgangs- und Widerspruchsbehorde geht deutlich hervor, dass\ndiese ein Vorgehen gegen den Klager im Wege der Zwangsvollstreckung von einer\nendgultigen Entscheidung abhangig machen wollten. Die dem Klager erkennbar mit\nder Bestimmung einer Monatsfrist (7.2.2002 bis 8.3.2002) aufgegebene\nZwangsgeldandrohung ist deshalb dahin umzudeuten, dass das Zwangsgeld fur den\nFall angedroht wird, dass der Klager der durch die Verfugung begrundeten\nÜberprufungspflicht nicht innerhalb eines Monats nach Unanfechtbarkeit der\nVerfugung nachkommt (zur Zulassigkeit einer solchen Verknupfung vgl. VGH\nBad.-Wurtt. [Großer Senat], Beschl. v. 1.8.1980 - GrS 1/80 - VBlBW 1981, 14). \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.\nTrotz teilweise erforderlicher Umdeutung obsiegt das beklagte Land zum weitaus\nuberwiegenden Teil. Das Gericht hat keinen Anlass, die Kostenentscheidung fur\nvorlaufig vollstreckbar zu erklaren (§ 167 Abs. 2 VwGO). Grunde fur eine\nZulassung der Berufung liegen nicht vor, weshalb hinsichtlich der\nAnfechtbarkeit dieser Entscheidung Folgendes gilt: \n---\n\n
141,028
lg-stuttgart-2005-06-29-5-s-1905
142
Landgericht Stuttgart
lg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
5 S 19/05
2005-06-29
2019-01-08 16:54:09
2019-01-17 12:01:12
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung des Klagers wird das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart-\nBad Cannstatt vom 23.12.2004 - 10 C 2981/04 - wie folgt abgeandert:\n\nDie Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Wohnung im zweiten\nObergeschoss des Hauses …, bestehend aus 6 Zimmern, Kuche, Bad, WC, Keller -\nund Buhnenraum sowie den zugehorigen Stellplatz zu raumen und an den Klager\nherauszugeben.\n\n2\\. Von den erstinstanzlichen Kosten tragt der Klager 1/7, die Beklagten 6/7\nals Gesamtschuldner.\n\nDie Kosten der Berufung tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nStreitwert fur die Berufung: 6.488,64 Euro\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| (gemaß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO) \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die zulassige Berufung ist begrundet. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die fristlose Kundigung des Klagers vom 19.11.2004 (Anlage K8), zugestellt\nan den Beklagtenvertreter am 22.11.2004 (Anlage K19) ist gemaß § 543 Abs. 2\nSatz 1 Nr. 3b BGB wirksam. \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 19.11.2004 war die Beklagtenseite mit zwei Monatsmieten in Verzug. \n--- \n| 5 \n--- \n| Diese sind Mai 2004 und November 2004. \n--- \n| 6 \n--- \n| Beide Mieten waren gemaß § 4 des Mietvertrages spatestens am dritten\nWerktag der genannten Monate zu entrichten. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Novembermiete 2004 wurde am 25.11.2004, die Maimiete 2004 jedoch erst\nam 11.02.2005 bezahlt, womit die Zweimonatsfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1\nBGB wegen spatestens am 08.12.2004 eingetretener Rechtshangigkeit zum\nZahlungszeitpunkt verstrichen war. \n--- \n| 8 \n--- \n| Ob die Heilungswirkung gemaß dem Satz 2 der oben genannten Norm im\nRechtsstreit Stuttgart-Bad Cannstatt 8 C 3480/02 verbraucht worden ist, kann\ndamit dahinstehen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Dem Amtsgericht kann nicht gefolgt werden, soweit es die vorgenannte\nKundigung wegen Begrundungsmangels als unwirksam angesehen hat. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit dem Landgericht Berlin, Beschluss vom 21.01.2004, NJW 2003, 3063 und\ngestutzt auf BGH, Beschluss vom 22.12.2003, Jus 04, 537f. sowie BGH, Beschluss\nvom 30.06.2004, NZM 04, 699 ff. ist darauf zu erkennen, dass die falsche\nBezeichnung eines Zahlungsverzugsmonates unschadlich ist, solange nur ein zur\nfristlosen Kundigung ausreichender Saldo bezeichnet und die Kundigung aus\ndiesen gestutzt ist. \n--- \n| 11 \n--- \n| Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Sachverhalt erkennbar ist, vergl.\nMunchner Kommentar, BGB, 4. Auflage, § 569 Randnr. 36. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| So liegt der Fall hier. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Als Kundigungsgrund wurde der Ruckstand fur zwei Monate in voller Hohe -\nwas der numerischen Nennung eines Betrages gleichkommt - genannt. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die abweichende Angabe des Zahlungsverzugsmonates - also Juni 04 statt Mai\n04 - beruhte darauf, dass der Klager die Tilgungsbestimmung bezuglich der Juni\n04-Zahlung ubersehen und diese Zahlung auf den gleichfalls unbezahlten Mai 04\nverrechnet hat. \n--- \n| 15 \n--- \n| Vom Beklagten darf erwartet werden, dass er bei Erhalt der Kundigung\nKenntnis davon hatte, fur die Monate Mai und Juni 04 nur eine Miete bezahlt zu\nhaben. \n--- \n| 16 \n--- \n| Infolge dieser Kenntnis war der klagerische Irrtum bei Begrundung der\nKundigung zumindest erkennbar, wenn nicht offensichtlich. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Dem Klager, wegen einer - in lediglich geringem Maße fahrlassig - falschen\nAngabe des Zahlungsverzugsmonates das gegebene Kundigungsrecht zu versagen,\nhieße jene ubertrieben formalistischen Anforderungen an das\nBegrundungserfordernis zur fristlosen Kundigung wegen Zahlungsverzuges zu\nstellen, welche entsprechend den Gesetzesmaterialien eben ausgeschlossen sein\nsollten und denen der Bundesgerichtshof in den vorerwahnten Entscheidungen\ngerade entgegen getreten ist. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die fristlose Kundigung vom 19.11.2004 hat das Mietverhaltnis mithin\nwirksam beendet, die Beklagten sind somit zur Raumung und Herausgabe\nverpflichtet, § 546 Abs. 1 BGB. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Kostenentscheidung stutzt sich auf § 92, 97 ZPO. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit erging gemaß §§ 708\nNr. 10, 711, 713 ZPO. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfur gemaß §\n543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. \n--- \n--- \n---\n\n
159,827
olgstut-2007-11-19-2-ss-59707-2-ss-59
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
2 Ss 597/07; 2 Ss 597/2007
2007-11-19
2019-01-10 10:06:08
2019-02-12 13:27:11
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom\n15. August 2007\n\n**a u f g e h o b e n .**\n\n2\\. Der Angeklagte wird\n\n**f r e i g e s p r o c h e n .**\n\n3\\. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten\nfallen der Staatskasse zur Last.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Das Amtsgericht sprach den Angeklagten mit Urteil vom 24. Mai 2007 aus\nrechtlichen Grunden vom Vorwurf des vorsatzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis\nfrei, da sich der Angeklagte in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden\nhabe. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hob das Landgericht dieses\nUrteil am 15. August 2007 auf und verurteilte den Angeklagten wegen\nvorsatzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu der Freiheitsstrafe von vier\nMonaten, deren Vollstreckung es zur Bewahrung aussetzte. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils hatte der Angeklagte\nam 17. Mai 2004 gegenuber der Fuhrerscheinbehorde auf seine Fahrerlaubnis der\nKlassen A, B und CE freiwillig verzichtet, da ein Fahreignungsgutachten\neingeholt werden sollte, nachdem bekannt geworden war, dass gegen ihn wegen\nVerstoßen gegen das Betaubungsmittelgesetz ermittelt wurde. Am 7. Marz 2006\nwurde der Angeklagte vom Amtsgericht wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis\nverurteilt. In diesem Urteil setzte das Amtsgericht eine Sperre von 10 Monaten\nfur die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis fest. Diese lief am 14. Januar 2007\nab. Noch wahrend des Laufs der Sperrfrist, am 30. Mai 2006, wurde dem\nAngeklagten auf seinen Antrag vom Magistrat in Tschechien eine tschechische\nFahrerlaubnis der Klassen B/LM ausgestellt. Von der ausstellenden Behorde war\nihm auf seine Nachfrage mitgeteilt worden, er konne auch wahrend des Laufs der\nSperrfrist eine tschechische Fahrerlaubnis erwerben, durfe diese aber erst\nnach Ablauf der Sperrfrist in Deutschland benutzten. Aus diesem Grund\nhinterlegte der Angeklagte seinen tschechischen Fuhrerschein bei einer\nRechtsanwaltin und holte ihn dort nach Ablauf der Sperrfrist am 15. Januar\n2007 ab. In der Folgezeit nahm er mehrfach mit einem Kraftfahrzeug in\nDeutschland am offentlichen Straßenverkehr teil. Er wurde am 29. und 30.\nJanuar 2007 polizeilichen Kontrollen unterzogen. In beiden Fallen wurde ihm\nvon den Polizeibeamten trotz deren Kenntnis vom Erwerb der tschechischen\nFahrerlaubnis wahrend des Laufs der Sperrfrist die Weiterfahrt gestattet und\nder tschechische Fuhrerschein belassen. Am 1. Februar 2007 ubermittelte das\nLandratsamt als zustandige Fuhrerscheinbehorde dem Angeklagten ein Telefax, in\nwelchem ihm mitgeteilt wurde, er durfe in Deutschland kein Kraftfahrzeug im\nStraßenverkehr fuhren, da seine tschechische Fahrerlaubnis nicht gultig sei.\nHierauf erkundigte sich der Angeklagte bei seinem Verteidiger nach der\nGultigkeit der Fahrerlaubnis, worauf dieser ihm am 13. Februar 2007\nschriftlich mitteilte, dass aus seiner Sicht keine Zweifel daran bestunden,\ndass der Angeklagte nach wie vor am Straßenverkehr teilnehmen durfe.\nAllerdings musse der Angeklagte wissen, dass das Oberlandesgericht Stuttgart\neine abweichende - wenn auch falsche - Rechtsauffassung vertrete. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 5. Marz 2007 nahm der Angeklagte mit seinem Pkw erneut am offentlichen\nStraßenverkehr teil. Hierbei vertraute er auf die Auskunft seines\nVerteidigers, dass ihn die tschechische Fahrerlaubnis auch in Deutschland\nberechtige, Kraftfahrzeuge im offentlichen Straßenverkehr zu fuhren. Diese\nFahrt vom 5. Marz 2007 liegt der Verurteilung durch das Landgericht zugrunde. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Angeklagte hat gegen das Urteil des Landgerichts rechtzeitig Revision\neingelegt. Er rugt die Verletzung sachlichen Rechts und beantragt das Urteil\naufzuheben. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Generalsstaatsanwaltschaft beantragt die Revision gemaß § 349 Abs. 2\nStPO als unbegrundet zu verwerfen. \n--- \n**II.** \n--- \n| 6 \n--- \n| Das Urteil halt revisionsrechtlicher Überprufung nicht stand. Nach den\nvollstandigen und rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts fehlte\ndem Angeklagten beim Fuhren des Kraftfahrzeuges am 5. Marz 2007 - die\nobjektive Strafbarkeit seines Tuns unterstellt - jedenfalls die Einsicht\nUnrecht zu tun, wobei er diesen Irrtum im Sinne des § 17 S. 1 StGB nicht\nvermeiden konnte. Er ist daher aus rechtlichen Grunden freizusprechen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| 1\\. Ob eine wahrend laufender Sperrfrist in einem EU-Mitgliedsstaat\nerworbene Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperrfrist in Deutschland zum Fuhren\nvon Kraftfahrzeugen berechtigt, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung\numstritten. \n--- \n| 8 \n--- \n| Das Oberlandesgericht Stuttgart, 1. Strafsenat (NStZ-RR 2007, S. 271 ff.)\nhat am 15. Januar 2007 entschieden, dass eine wahrend des Laufs einer\ndeutschen Sperrfrist in einem anderen Mitgliedstaat der EU erteilte\nFahrerlaubnis gemaß § 28 Abs. 4 Nr. 4 FEV unwirksam ist. Das zunachst\nunwirksame Verwaltungshandeln konne auch nicht nachtraglich durch Ablauf der\nSperrfrist wirksam werden, weshalb die wahrend der Sperrfrist erworbene\nFahrerlaubnis auch nach deren Ablauf in Deutschland auf Dauer nicht zum Fuhren\nvon Kraftfahrzeugen berechtige. \n--- \n| 9 \n--- \n| Demgegenuber vertreten mehrere andere Oberlandesgerichte die Auffassung,\ndass die Wirksamkeit der von einem Mitgliedstaat wahrend einer Sperrfrist\nerteilten Fahrerlaubnis nicht in Frage stehe. Die Fahrerlaubnis sei nach den\nRegeln des Ausstellungsstaates ohne weiteres wirksam. § 28 Abs. 4 Nr. 4 FEV\nregle nicht die Wirksamkeit einer solchen Fahrerlaubnis - was auch dem\nTerritorialitats- und Souveranitatsprinzip widersprechen wurde - sondern nur\ndie Frage, inwieweit die (gultige) Fahrerlaubnis in Deutschland zum Fuhren von\nKraftfahrzeugen berechtige. Dies sei nach Ablauf der Sperrfrist der Fall (vgl.\nOLG Nurnberg, NStZ-RR, S. 269 ff.; OLG Munchen, NJW 2007, S. 1152 ff.;\nThuringer Oberlandesgericht, DAR 2007, S. 404 f.; OLG Bamberg, Beschluss vom\n24. Juli 2007, 3 Ss 132/06 - veroffentlicht in juris -). \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Europaische Gerichtshof hat in den Entscheidungen Kapper (NJW 2004, S.\n1725 ff.) und Halbritter (NJW 2006, S. 2173 ff.) jeweils ausgesprochen, dass\ndie Fahrerlaubnis eines Mitgliedstaates, die nach Ablauf einer deutschen\nSperrfrist erteilt worden sei, in Deutschland zum Fuhren von Kraftfahrzeugen\nunabhangig davon berechtige, ob in Deutschland die Voraussetzungen fur die\nErteilung einer Fahrerlaubnis gegeben seien. Die vorliegende\nFallkonstellation, der Erteilung einer Fahrerlaubnis wahrend des Laufs der\nSperrfrist, ist vom Europaischen Gerichtshof bisher nicht entschieden. Sie ist\nGegenstand des auf Grund eines Vorlagebeschlusses des Amtsgerichts Landau vom\n2. Mai 2007 beim Europaischen Gerichtshof anhangigen Verfahrens C-225/07. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| 2\\. Der Senat kann die dargestellte Streitfrage dahinstehen lassen, da sie\nfur das vorliegende Verfahren letztlich nicht entscheidungserheblich ist. Auch\nwenn man unterstellte, dass die tschechische Fahrerlaubnis den Angeklagten zu\nseiner Teilnahme am offentlichen Straßenverkehr am 5. Marz 2007 nicht\nberechtigte, hatte er hierbei jedenfalls ohne Schuld gehandelt, da er sich in\neinem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden hatte. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Das angefochtene Urteil hat ohne Rechtsfehler festgestellt, dass beim\nAngeklagten ein Verbotsirrtum vorlag, da dieser der Auffassung war, er durfe\nmit der tschechischen Fahrerlaubnis auch in Deutschland Kraftfahrzeuge fuhren.\nDa dem Angeklagten somit das Unrechtsbewusstsein fehlte, kann er fur sein\nVerhalten nur bestraft werden, wenn - die objektive Strafbarkeit seines Tuns\nunterstellt - dieser Irrtum vermeidbar bzw. vorwerfbar war, wobei beide\nBegriffe bedeutungsgleich verwendet werden (S/S-Cramer/Steinberg-Lieben, StGB,\n27. Aufl., Rn. 13 zu § 17 m.w.N.). Das Landgericht ist zu unrecht davon\nausgegangen, dass der Angeklagte den Irrtum im Sinne des § 17 S. 2 StGB hatte\nvermeiden konnen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| a) Nach allgemeiner Meinung sind beim Vorliegen einer unklaren Rechtslage\nzunachst alle intellektuellen Erkenntnismittel auszuschopfen\n(S/S-Cramer/Steinberg-Lieben a.a.O., m.w.N.). Daruber hinaus trifft den\nRechts-unkundigen in einem solchen Fall die Pflicht, die erforderlichen\nAuskunfte einzuholen (BGH St 4, S. 242; Trondle/Fischer, StGB, 54. Aufl., Rn.\n9 zu § 17 m.w.N). \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Vorliegend war die Rechtsfrage zum Tatzeitpunkt ungeklart. Dies war dem\nAngeklagten nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils bewusst. Die\ntschechische Fuhrerscheinstelle hatte ihm mitgeteilt, sein Verhalten sei\nstraflos. Zwei Polizisten hatten ihm bei zwei Kontrollen jeweils den\ntschechischen Fuhrerschein belassen und die Weiterfahrt gestattet. Die\ndeutsche Fuhrerscheinbehorde vermochte die Wirksamkeit der tschechischen\nFahrerlaubnis zunachst ebenfalls nicht sicher zu beurteilten, informierte ihn\ndann kurz darauf per Telefax, dass diese Fahrerlaubnis ihn in Deutschland\nnicht zum Fuhren von Kraftfahrzeugen berechtige. Eine Erkundigung bei seinem\nVerteidiger hatte ergeben, dass dieser keine Zweifel daran hatte, dass er am\nStraßenverkehr teilnehmen durfe, das Oberlandesgericht Stuttgart jedoch\ninsoweit eine andere Rechtsauffassung vertrete. Ob der Angeklagte angesichts\ndieser Situation noch zu weiteren Erkundigungen verpflichtet gewesen ware,\nkann dahinstehen. Solche hatten jedenfalls zu keiner weiteren Klarung der\nFrage gefuhrt. Die obergerichtliche Rechtsprechung hierzu war zum Tatzeitpunkt\n- und ist es bis heute - uneinheitlich. Zum Zeitpunkt der Fahrt vom 5. Marz\n2007 vertraten zumindest die Oberlandesgerichte Munchen und Nurnberg (jeweils\na.a.O.) die Rechtsauffassung, der Angeklagte sei berechtigt am Straßenverkehr\nteilzunehmen. Zwischenzeitlich sind Entscheidungen des Thuringischen\nOberlandesgerichts und des Oberlandesgerichts Bamberg (jeweils a.a.O.) im\ngleichen Sinn ergangen. Eine Entscheidung des Europaischen Gerichtshofes war\ndamals nicht absehbar. Die Vorlage des Amtsgerichts Landau ist erst am 2. Mai\n2007 erfolgt. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| b) Vorliegend kann sich die Vorwerfbarkeit und damit Vermeidbarkeit des\nIrrtums nicht auf eine nicht ausreichende Gewissensanspannung oder eine\nmangelnde Ausschopfung vorhandener Erkenntnisquellen stutzen, da zum\nTatzeitpunkt eine widerspruchliche Rechtsprechung gleichrangiger Gerichte zur\nUnrechtsfrage vorlag. In einer solchen Situation, ist es nach ganz\nherrschender Auffassung eine Frage der Zumutbarkeit, ob der Angeklagte die\nHandlung - deren Verbotenheit unklar ist - unterlassen muss, bis diese Frage\nentschieden ist (LK-Vogel, StGB, 12. Aufl., Rn. 68 zu § 17; SS-\nCramer/Sternberg-Lieben a.a.O., Rn. 21 zu § 17 m.w.N.). In solchen Fallen wird\nteilweise ein eigener Entschuldigungsgrund der Unzumutbarkeit normgemaßen\nVerhaltens erwogen (z.B. NK-Neumann, StGB, 2. Aufl., Rn 72 zu § 17). Der Senat\nist demgegenuber der Auffassung, dass die mangelnde Zumutbarkeit dazu fuhrt,\ndass die Vorwerfbarkeit des Irrtums entfallt und dieser als unvermeidbar\nanzusehen ist (so auch: BGH NJW 2007, S. 3078 ff., OLG Stuttgart, NJW 2006, S.\n2422 ff.). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Bei der Prufung der Frage, ob es zumutbar ist, die moglicherweise verbotene\nHandlung so lange zu unterlassen, bis die Frage ihrer Verbotenheit end-gultig\ngeklart ist, sind das Interesse des Einzelnen an der Vornahme der fraglichen\nHandlung einerseits und das Interesse der Allgemeinheit am Unterlassen\nmoglicherweise verbotener Handlungen andererseits abzuwagen. In diese Abwagung\nsind die Umstande des Einzelfalles ebenso einzubeziehen (vgl. LK-Vogel a.a.O.,\nRn. 69 zu § 17) wie zu berucksichtigen ist, dass in einer freiheitlichen\nOrdnung eine Vermutung fur das nicht Verbotensein eines Verhaltens besteht\n(S/S-Cramer/Sternberg-Lieben a.a.O., Rn. 15 zu § 17 m.w.N.; im gleichen Sinne:\nNK-Neumann a.a.O.). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Im vorliegenden Einzelfall war hierbei maßgeblich zu berucksichtigen, dass\nder Angeklagte nicht die einmalige Vornahme einer Handlung hatte unterlassen\nmussen, sondern er fur einen unbestimmten Zeitraum auf jegliches Fuhren eines\nKraftfahrzeuges als einem nicht unbedeutenden Teil seiner Handlungsfreiheit\nhatte verzichten mussen. Besonders schwer wiegt hierbei, dass die Dauer dieses\nVerzichtes zum Tatzeitpunkt noch in keiner Weise absehbar war. Eine Vorlage an\nden Europaischen Gerichtshof war noch nicht erfolgt. Eine solche war auch\nkurzfristig nicht zu erwarten, da die sich widersprechenden Entscheidungen der\nOberlandesgerichte eine solche jeweils fur entbehrlich gehalten hatten. Eine\nKlarung der Rechtsfrage war auch jeglichem Einfluss des Angeklagten entzogen.\nDieser hatte von seiner tschechischen Fahrerlaubnis auf unbegrenzte Dauer in\nDeutschland keinen Gebrauch machen durfen. Auch ist zu seinen Gunsten davon\nauszugehen, dass aus seiner Sicht wohl eine uberwiegende Wahrscheinlichkeit\ndafur sprach, die Rechtauffassung der Unrechtsverneinung werde sich\ndurchsetzten (vgl. zu Beachtlichkeit dieses Kriteriums: LK-Vogel a.a.O.). Er\nhatte - wie dargestellt - mehrfach die Erfahrung gemacht, dass ihm bei\npolizeilichen Kontrollen die Weiterfahrt gestattet worden war. Sein\nVerteidiger hatte ihn dahingehend informiert, dass er trotz der Rechtsprechung\ndes Oberlandesgerichts Stuttgart keinen Zweifel daran habe, dass er in\nDeutschland Kraftfahrzeuge fuhren durfe. Diese Rechtsauffassung teilten zum\nTatzeitpunkt bereits die Oberlandesgerichte Nurnberg und Munchen (jeweils\na.a.O.) sowie fur eine vergleichbare Fallgestaltung das Oberlandesgericht\nZweibrucken (Beschluss vom 14. Marz 2006, 1 Ss 146/05 - veroffentlicht in\njuris - ). Inzwischen sind im gleichen Sinn Entscheidungen des Thuringischen\nOberlandesgerichts und des Oberlandesgerichts Bamberg (jeweils a.a.O.)\nergangen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Senat ist der Auffassung, dass das Risiko einer „extrem" unklaren\nRechtslage, wie sie hier durch Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung\ngeschaffen wurde, nicht dem Normadressaten aufgeburdet werden darf (vgl. BGH\na.a.O. S. 3079; OLG Stuttgart a.a.O. S. 2424). Dies gilt jedenfalls dann, wenn\ndieser wie im vorliegenden Einzelfall in seiner von Art. 2 Abs. 1 GG\ngeschutzten allgemeinen Handlungsfreiheit erheblich betroffen und eine Klarung\nder offenen Rechtsfrage noch nicht absehbar ist. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Danach ist dem Angeklagten der Verbotsirrtum, in dem er sich bei Tatbegehung\nbefand, nicht vorzuwerfen. Er handelte daher gemaß § 17 S. 1 StGB ohne Schuld. \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Senat schließt es aus, dass bei einer erneuten Verhandlung\nFeststellungen getroffen werden konnten, die zu einer anderen Beurteilung\nfuhren wurden. \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Angeklagte ist daher aus rechtlichen Grunden freizusprechen. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1, 467 Abs. 1 StPO. \n---\n\n
111,716
lg-kiel-2003-10-02-4-o-14403
1,064
Landgericht Kiel
lg-kiel
Kiel
Schleswig-Holstein
4 O 144/03
2003-10-02
2018-11-27 02:30:20
2019-01-17 11:35:38
Urteil
ECLI:DE:LGKIEL:2003:1002.4O144.03.0A
#### Tenor\n\n \n\n \n\n1\\. Die Beklagte zu 1.) wird verurteilt, entsprechend dem grundbuchlich\neingetragenen Wegerecht eine Wegebaulast zugunsten des Grundstucks der\nKlagerin, ..., ..., eingetragen im Grundbuch von ..., Blatt 672 (fruher Band 9\nBlatt 238) betreffend das im Grundbuch von ... Blatt 718 eingetragene\nFlurstuck 19/8 der Beklagten zu 1.) zu bewilligen.\n\n \n\n \n\n2\\. Der Beklagte zu 2.) wird verurteilt, entsprechend dem grundbuchlich\neingetragenen Wegerecht eine Wegebaulast zugunsten des Grundstucks der\nKlagerin wie zu Ziffer 1 , betreffend das im Grundbuch von ... Blatt 136\neingetragene Flurstuck 5/4 sowie die im Grundbuch von ... Blatt 616\neingetragenen Flurstucke 12/3, 10/2, 120/10 und 19/14 des Beklagten zu 1.) zu\nbewilligen.\n\n \n\n \n\n3\\. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 1.) zu 1/6, der\nBeklagte zu 2.) zu 5/6.\n\n \n\n \n\n4\\. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 110 % des zu\nvollstreckenden Betrages vorlaufig vollstreckbar.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Klagerin ist Eigentumerin des seit Ende der 50er Jahre mit einem ca. 37 m²\ngroßen Wochenendhaus bebauten Grundstucks „..." in ..., Flurstuck 1/15 (bis\n1989 Flurstucke 1/7 und 12/5) der Flur 3 Gemarkung ..., eingetragen im\nGrundbuch von ... Blatt 672 (fruher Band 9 Blatt 238). Das Flurstuck 1/7\nverkaufte der Vater des Beklagten zu 2.) an den Vater der Klagerin durch\nVertrag vom 15.05.1956 (Bl. 57 ff. d.A.) in unbebautem Zustand, das unbebaute\nFlurstuck 12/5 (Teil der Parzelle 1/10) erwarb Letzterer mit Vertrag vom\n26.05.1970 (Bl. 61 ff. d.A.). Das Grundstuck, belegen auf der ..., ist durch\nkeinen offentlichen Weg erschlossen. Die Zuwegung vom Ende des offentlichen\nWeges an erfolgt uber die Flurstucke 19/14 (bis 1999 19/10), 19/8, 19/6, 19/4,\n19/2, 73/17, 120/10, 10/2, 5/4 und 12/3 (bis ca. 1962 1/10) der Flur 3 der\nGemarkung ..., die samtlich ausschließlich Wegeparzellen darstellen und auch\nden ubrigen Anliegern als Weg dienen. Davon steht das Flurstuck 19/8,\neingetragen im Grundbuch von ... Blatt 718 (bis 1997 Band 7 Blatt 181), im\nEigentum der Beklagten zu 1.), die Flurstucke 19/14, 120/10, 10/2, 12/3\n(samtlich im Grundbuch von ... Blatt 616, bis 1993 Band 4 Blatt 104) und 5/4\n(Grundbuch von ... Blatt 136, bis 1969 Band 9 Blatt 243) sind Eigentum des\nBeklagten zu 2.).\n\n \n\n2\n\n \n\nAuf den Wegeparzellen der Beklagten ist (u.a.) zugunsten des der Klagerin\ngehorenden Grundstucks ein Wegerecht grundbuchlich eingetragen.\n\n \n\n3\n\n \n\nDie Klagerin beabsichtigt, das Wochenendhaus auf ihrem Grundstuck durch einen\nAnbau zu erweitern. Unter der Geltung des mittlerweile fur nichtig erklarten\nBebauungsplanes Nr. 15 der Gemeinde ... wurde ihr am 12.08.1998 ein positiver\nBauvorbescheid durch den Landrat des Kreises ... (Bl. 53 d.A.) erteilt mit\neiner dreijahrigen Bindungsfrist fur die untere Bauaufsichtsbehorde. Nach\nAblehnung des Bauantrages der Klagerin vom 20.04.2001 teilte im\nWiderspruchsverfahren der Kreis am 07.06.2002 mit, dass eine Grundflache von\n70 m² und eine Geschossflache von insgesamt 120 m² einzuhalten seien und der\nNachweis der offentlich-rechtlich gesicherten Erschließung des Baugrundstucks,\ndenkbar durch Baulasterklarungen der Eigentumer der erforderlichen Wege-\nFlurstucke, erbracht werden musse. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf\ndieses Schreiben (Bl. 6 d.A.) verwiesen. Mit Schreiben vom 18.07.2002 wandte\ndie Klagerin sich an die Beklagten und die Eheleute ..., Eigentumer des\nFlurstucks 73/17 (Grundbuch von ... Blatt 179) mit der Bitte, ihr die\nentsprechenden Baulasten zu geben. Sie wies darauf hin, dass sie einen\nRechtsanspruch hierauf habe, weil die fehlende Baulast der einzige\nHinderungsgrund fur die Erteilung der Baugenehmigung sei und sie bereits\nBerechtigte eines als Grunddienstbarkeit eingetragenen Wegerechts sei. Die\nEigentumer der Wegeparzellen 19/2 (..., Grundbuch von ... Blatt 749, fruher\nBand 7 Blatt 178), 19/4 (..., Grundbuch von ... Blatt 53, fruher Band 7 Blatt\n179) und 19/6 (..., Grundbuch von ... Blatt 481, fruher Band 7 Blatt 180)\nhatten bereits im Juli/August 2001 gegenuber der Klagerin ihr Einverstandnis\nmit der Eintragung der gewunschten Baulast erklart. Mit den Eigentumern ...\nhandelte die Klagerin eine Vereinbarung aus, wonach diese bei Bewilligung\neiner Baulast durch die Beklagten eine solche Baulast ebenfalls eintragen\nlassen.\n\n \n\n4\n\n \n\nNach Klageerhebung legten die Beklagten unter dem Datum der Klageerwiderung\n(07.01.2003) gegen den Bauvorbescheid vom 12.08.1998 „zur Fristwahrung"\nWiderspruch ein; wegen der Einzelheiten wird auf das Widerspruchsschreiben -\nBlatt 37 d.A. - verwiesen.\n\n \n\n5\n\n \n\n**Die Kl agerin behauptet,**\n\n6\n\n \n\ndie von den Beklagten geforderte Baulast beinhalte - offentlich-rechtlich -\nnichts anderes als die privat-rechtliche Grunddienstbarkeit. Schon 1956 sei\ndie Parzelle 1/7 zu Bauzwecken ausgewiesen und gekauft worden, der Kaufpreis\nhabe dem entsprochen. Sie beabsichtige, auch nach dem Ausbau des Gebaudes\ndieses nicht anders als bisher, namlich als Wochenendhaus, zu nutzen.\nEventuelle Beschadigungen des Eigentums der Beklagten durch Bauverkehr werde\nsie nach Abschluss der Bauarbeiten beseitigen.\n\n \n\n7\n\n \n\nEin Widerspruchsrecht gegen den Bauvorbescheid vom 12.08.1998 sei fur die\nBeklagten nicht gegeben, zumindest sei es verwirkt, da sie spatestens seit dem\n02.01.1999 - unstreitig - von diesem Bescheid aus Gesprachen der Parteien\nKenntnis gehabt hatten. - Die derzeitige Entwasserung auf ihrem Grundstuck\nuber eine Klargrube sei zulassig und kein Versagungsgrund fur die angestrebte\nBaugenehmigung; dieser stunden auch keine sonstigen Hindernisse entgegen.\n\n \n\n8\n\n \n\n**Die Kl agerin beantragt,**\n\n9\n\n \n\n1\\. die Beklagte zu 1.) zu verurteilen, eine Wegebaulast zugunsten des\nGrundstucks der Klagerin, ..., ... ..., eingetragen im Grundbuch von ...,\nBlatt 672 (fruher 238) betreffend das Grundstuck der Beklagten zu 1.),\neingetragen im Grundbuch von ..., Loseblatt Nr. 718, dort auf dem Flurstuck\n19/8, zu bewilligen,\n\n \n\n10\n\n \n\n2\\. den Beklagten zu 2.) zu verurteilen, eine Wegebaulast zugunsten des\nGrundstucks der Klagerin, ... ..., betreffend die in den Grundbuchern von ...\nLoseblatt Nr. 136 bzw. 616 eingetragenen Flurstucke 12/3 (GB 616), 5/4 (GB\n136), 10/2 (GB 616), 120/10 (GB 616), 19/14 (GB 616) zu bewilligen.\n\n \n\n11\n\n \n\n**Die Beklagten beantragen,**\n\n12\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n13\n\n \n\n**Sie behaupten,**\n\n14\n\n \n\ndie verlangte Baulasterklarung habe einen anderen Umfang als die bestehenden\nGrunddienstbarkeiten. Die Wegerechte seien seinerzeit nicht zum Zwecke der\nbaulichen Nutzung des Grundstucks bestellt worden, damit habe aber jede\nBaulast, selbst bei zukunftig unveranderter Grundstucksnutzung, eine starkere\nBelastung ihres Eigentums zur Folge; im Übrigen wolle sich die Klagerin\noffenbar dauerhaft auf ... niederlassen.\n\n \n\n15\n\n \n\nDie Beklagten sind der Ansicht, da sie den Bauvorbescheid vom 12.08.1998\nangefochten hatten, sei dieser nicht rechtsverbindlich. Sie behaupten, auch\nniemals zum Ausdruck gebracht zu haben, gegen diesen Bescheid nicht (mehr)\nvorgehen zu wollen.\n\n \n\n16\n\n \n\nSchließlich sei das Bauvorhaben der Klagerin selbst bei Erteilung der\nBaulasten nicht baugenehmigungsfahig, denn das Zufahrterfordernis nach § 5 LBO\n(3 m Wegbreite) konne nicht erfullt werden. Von anderen Eigentumern seien in\nBezug auf das Grundstuck der Klagerin Wegerechte von nur 2 m Breite bestellt\nworden. Auch sei die einwandfreie Abwasserbeseitigung, nach § 47 LBO\nVoraussetzung fur die Errichtung baulicher Anlagen, nicht gegeben, denn die\nWasserbehorde des Kreises ... habe dem Amt ... mittlerweile nahe gelegt, eine\nzentrale Ortsentwasserung fur die ... zu errichten. Schließlich sei das\nBauvorhaben der Klagerin planungsrechtlich im Außenbereich nach § 35 BauGB\nnicht zulassig, weil es nicht privilegiert sei. Die Inanspruchnahme ihres\nEigentums fur ein objektiv rechtswidriges Bauvorhaben mussten sie nicht\nzulassen.\n\n \n\n17\n\n \n\nIn seiner personlichen Anhorung im Verhandlungstermin am 05.09.2003 hat der\nBeklagte zu 2.) erklart, konkrete Einwande gegen das Bauvorhaben der Klagerin\nnicht zu haben, vielmehr gehe es ihm und seiner Frau darum, keinen\nPrazedenzfall zu schaffen. Es gebe zwar nur drei Eigentumer mit grundbuchlich\ngesicherten Wegerechten **und** positivem Bauvorbescheid, jedoch wurden auch\nweitere Anlieger Baulastbewilligungen fordern und Bautatigkeit entwickeln\nwollen, was die geschutzte Landschaft auf der ... zerstoren wurde. Sie\nfurchteten aber vor allem, dass bei Erteilung von Baulasten die Gemeinde aus\nihrer Pflicht zur Übernahme und offentlichen Widmung des Weges auf der ...\nentlassen werde. Diese Veranderung habe mit der Aufstellung des spater fur\nnichtig erklarten B-Plans Nr. 15 erreicht werden sollen, und seither lehne die\nGemeinde die Einleitung eines neuen B-Plan-Verfahrens trotz zahlloser\nGesprache ab. Wenn man dort registriere, dass fur Anlieger eine\nZufahrtregelung uber Baulasten moglich sei, werde man kein weiteres\nRegelungsbedurfnis mehr sehen.\n\n \n\n18\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf\ndie Schriftsatze der Parteien nebst Anlagen.\n\n \n\n19\n\n \n\nDie Grundbuchakten ... Blatt 136, 616, 672 und 718 sind informationshalber\nbeigezogen worden, ebenso die Grundbuchakten ... Blatt 749 (Flurstuck 19/2),\n53 (Flurstuck 19/4), 481 (Flurstuck 19/6), ... Blatt 179 (Flurstuck 73/14) und\n... Band 4 Blatt 104 III. und IV.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n \n\n20\n\n \n\nDie Klage ist begrundet.\n\n \n\n21\n\n \n\nDie Klagerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Bestellung der im\nTenor jeweils naher bezeichneten Baulasten gemaß § 1018 BGB i.V.m. § 242 BGB.\nSie ist nicht nur - nunmehr unstreitig - Eigentumerin des Flurstucks 1/15 Flur\n3 des Grundbuchs von ... Blatt 672, sondern aufgrund der Grundbucheintragungen\nsteht auch fest, dass die in Anspruch genommenen Wegeparzellen 19/8 (der\nBeklagten zu 1.) ) und 19/14, 120/10, 10/2, 5/4 und 12/3 (des Beklagten zu 2.)\n) mit Grunddienstbarkeiten (Wegerechten) zugunsten ihres Eigentums belastet\nsind. Soweit die Beklagten dies - unsubstantiiert - bestritten haben, ist\ndieses Bestreiten wider besseres Wissen erfolgt, nachdem die\nProzessbevollmachtigten in die betroffenen Grundbuchblatter jeweils mehrfach\nEinsicht genommen hatten.\n\n \n\n22\n\n \n\nEs ist anerkannt, dass ein Anspruch auf Baulast-Bestellung als Nebenpflicht\naus dem durch die Grunddienstbarkeit, d.h. dem grundbuchlich gesicherten\nWegerecht, begrundeten gesetzlichen Schuldverhaltnis zwischen den Parteien\nfolgt, wenn aufgrund einer Interessenabwagung ein uberwiegendes Interesse des\ndurch das Wegerecht begunstigen Eigentumers festgestellt wird. So liegt der\nFall hier.\n\n \n\n23\n\n \n\nZu prufen ist im Rahmen der Interessenabwagung zunachst, ob die begehrte\nBaulast mit der eingetragenen Grunddienstbarkeit inhaltlich deckungsgleich\nist, insbesondere, ob das Wegerecht seinerzeit bestellt worden ist, um eine\nbauliche Nutzung des Grundstucks der Klagerin zu ermoglichen. Hierbei ist in\nerster Linie die Grundbucheintragung maßgebend, daruber hinaus auch die\naußerhalb der Urkunde liegenden jedermann erkennbaren Umstande. Die\nGrundbucheintragungen lassen eine Einschrankung auf eine bestimmte Art der\nNutzung des im Jahre 1956 noch unbebauten Grundstucks der Klagerin nicht\nerkennen; so heißt es in Abteilung II lfd. Nr. 9 des Grundbuchs von ... Blatt\n718 (Flurstuck 19/8), in Abteilung II lfd. Nr. 2 ... Blatt 136 (Flurstuck 5/4)\nund in Abteilung II lfd. Nr. 15 ... Blatt 616 (Flurstucke 19/10, 120/10, 10/2,\n1/10 (heute 12/3)) nur „Grunddienstbarkeit (Wegerecht) zugunsten ...". Auch\naus dem den Eintragungsbewilligungen zugrunde liegenden notariellem\nKaufvertrag vom 15.05.1956 ergibt sich keine Einschrankung der\nNutzungsbestimmung des Wegerechts, vielmehr heißt es dort (Bl. 59 d.A.), der\nKaufer solle „berechtigt sein, diesen Weg zum Gehen, Fahren, Reiten oder\nViehtreiben zu benutzen". In der darauf beruhenden Eintragungsbewilligung vom\n15.08.1957 (Grundbuch ... Band 4 Blatt 104, III S. 138) wird ebenfalls nur\ndavon gesprochen, die Parzellen seien „zum Fahren, Gehen und Reiten" zu\nbenutzen. Das herrschende Grundstuck war bereits bei Abschluss des\nKaufvertrages zu Bauzwecken ausgewiesen, denn die Gemeinde ... war seinerzeit\nWohnsiedlungsgebiet. Entgegen der Ansicht der Beklagten war damit nicht § 47\nLBO (1950) maßgebend, sondern die Bebauung des Grundstucks war durchaus\nvorhersehbar und beabsichtigt. Dies ergibt sich daraus, dass der notarielle\nKaufvertrag (Ziffer 7) in seinem Bestand u.a. von der Genehmigung nach dem\nWohnsiedlungsgesetz abhangig war. Dieses „Gesetz uber die Aufschließung von\nWohnsiedlungsgebieten" vom 22.09.1933 (Reichsgesetzblatt I S. 180 f.) legte\ndas Genehmigungserfordernis in § 4 nur bei ausgewiesenen Siedlungsgebieten fur\nAuflassungen oder Vereinbarungen fest, durch die einem Anderen ein Recht zur\nNutzung oder Bebauung eines Grundstucks eingeraumt wurde, und nach § 5 Ziffer\n1 war eine solche Genehmigung nicht erforderlich, wenn das Grundstuck nicht\nzum Zwecke der Bebauung, sondern zu Zwecken eines land- oder\nforstwirtschaftlichen oder gartnerischen Betriebes oder der Kleinsiedlung\nuberlassen werden sollte. Da der Notar ausweislich des Vertrages auf die\nErforderlichkeit dieser Genehmigung hingewiesen hat, war die zukunftige\nBebaubarkeit auch Hintergrund des abgeschlossenen Grundstuckskaufvertrages. In\nAnbetracht dieses Genehmigungserfordernisses ist auch erklart, dass bei der\nUmschreibung der Parzelle auf ein neues Grundbuchblatt am 01.10.1957 die\nEintragung als „Bauplatz" erfolgte. Zudem verkaufte der Vater des Beklagten zu\n2.) zum damaligen Zeitpunkt, wie die Klagerin in Gegenwart des Beklagten zu\n2.) in der mundlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen hat, diverse\nParzellen seines Grundbesitzes auf ... an Bauinteressenten - ausweislich des\nGrundbuchs von ... Band 4 Blatt 104 wurde z.B. der Vertrag uber die\nNachbarparzelle 1/6 ebenfalls am 15.05.1956 abgeschlossen - , und auf dem\njetzigen Eigentum der Klagerin erfolgte die tatsachliche Bebauung in\nunmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit den Erwerb des Flurstucks 1/7 und\nder Eintragung der Grunddienstbarkeit. Diese wurde im Übrigen in dem\nnotariellen Kaufvertrag vom 26.05.1970 (Ziffer 5, Bl. 63 d.A.) uber das spater\nmit dem Flurstuck 1/7 zum Flurstuck 1/15 verbundene Flurstuck 12/5, also zu\neinem Zeitpunkt, als das Flurstuck 1/7 bereits bebaut war, nochmals\nausdrucklich bestatigt und auf das neue Trennstuck erweitert.\n\n \n\n24\n\n \n\nDie Klagerin begehrt mit der Bestellung der offentlichen Baulast nicht mehr,\nals ihr ohnehin aufgrund der eingetragenen Grunddienstbarkeiten zusteht.\nSoweit die Beklagten behaupten, die Klagerin beabsichtige - entgegen ihrer\nausdrucklichen Erklarung zu gerichtlichem Protokoll - eine Intensivierung der\nGrundstucksnutzung und eine Dauerbewohnung kann dahinstehen, ob dies mangels\neiner Einschrankung der eingetragenen Wegerechte noch gedeckt ware. Jedenfalls\nsind konkrete Anhaltspunkte fur eine Nutzungsanderung nicht ersichtlich.\nAllein die Verwendung der Anschrift des Wochenendsitzes durch die Klagerin ist\nkeineswegs aussagekraftig, zumal diese Anschrift von der Klagerin ausweislich\nder eingereichten Anlagen bereits seit Langerem verwendet wird, ohne dass sie\nbislang dort standig wohnt. Soweit die Beklagten behaupten, die Bestellung der\nWegerechte beziehe sich nicht auf einen spateren Anbau an das seinerzeit\ngeplante Gebaude, ist das unerheblich. Mit Sicherheit ist das Wegerecht nicht\nbeschrankt auf die Zufahrt zu einem in den Ausmaßen begrenzten Gebaude.\n\n \n\n25\n\n \n\nSchließlich ist von einer ins Gewicht fallenden Mehrbelastung der Grundstucke\nder Beklagten bei Bestellung der Baulasten vorliegend auch deshalb nicht\nauszugehen, weil es sich samtlich um ausgegliederte Wegeparzellen handelt, die\nnicht nur zugunsten des Grundstucks der Klagerin belastet sind. So betreffen\nallein 10 Eintragungen in Abteilung II des Grundbuchs von ... Blatt 616 die\nBestellung von Wegerechten an dem Flurstuck 19/10 (heute 19/14), 4\nEintragungen Wegerechte an dem Flurstuck 120/10 und 3 Eintragungen Wegerechte\nan dem Flurstuck 10/2. Der Beklagte zu 2.) hat auch in seiner personlichen\nAnhorung deutlich gemacht, dass die Beklagten in erster Linie nicht eine\nstarkere Belastung ihres Eigentums an den Wegeparzellen verhindern, sondern\ndurch ihre Weigerung, Baulasten zu bestellen, vielmehr die offentliche Widmung\ndes Privatweges erreichen wollen - nach einer solchen Widmung ist jedoch\nkeinesfalls eine geringere Belastung der Wegeflachen als bei Bestellung der\ngeforderten Baulasten zu erwarten.\n\n \n\n26\n\n \n\nDes Weiteren muss die begehrte Baulast unabdingbare Voraussetzung fur die\nErlangung der Baugenehmigung sein; auch dieses Erfordernis ist vorliegend\ngegeben.\n\n \n\n27\n\n \n\nDie Baugenehmigung ist der Klagerin gerade wegen der fehlenden **o ffentlich-\nrechtlichen **Sicherung der Erschließung verweigert worden; die ubrigen\nVoraussetzungen aus dem Schreiben des Landrats des ... vom 07.06.2002 (Vorlage\neiner Geschossflachenberechnung, Reduzierung der geplanten Grundflache um 0,04\nm², Unterschrift des Statikers) sind samtlich durch die Klagerin behebbar.\nEntgegen der Ansicht der Beklagten ist es auch nicht erforderlich, dass bei\nmehreren zu erfullenden Voraussetzungen die Baulastbestellung erst als\nzeitlich letzte Voraussetzung gefordert werden kann.\n\n \n\n28\n\n \n\nDie Beklagten konnen sich auch nicht darauf berufen, dass die ubrigen\nEigentumer bislang fur die Flurstucke 19/6, 19/4, 19/2 und 73/17 noch keine\nBaulasten bestellt hatten. Abgesehen davon, dass diese Eigentumer samtlich\nWillens sind, derartige Bestellungen vorzunehmen - wobei weder ihnen noch der\nKlagerin zuzumuten ist, die entsprechenden Muhen und Kosten auf sich zu\nnehmen, bevor uber die Berechtigung der Weigerung der Beklagten entschieden\nist - kann es keinen Verweigerungsgrund darstellen, dass auch ein anderer\nEigentumer - unberechtigt - die Baulastbestellung an einem Teilstuck des Weges\nverweigert; dies wurde einem rechtsmissbrauchlichen kollusiven Zusammenwirken\ngleichkommen.\n\n \n\n29\n\n \n\nSoweit die Beklagten sich darauf berufen, der Baugenehmigung wurden sonstige\noffentlich-rechtliche Hindernisse entgegenstehen, greift diese Argumentation\nim Ergebnis ebenfalls nicht durch.\n\n \n\n30\n\n \n\nZunachst kommt es nicht darauf an, ob die Beklagten gegen den Bauvorbescheid\nvom 12.08.1998 Widerspruch eingelegt haben. Es ist namlich nicht ersichtlich,\ndass sie durch diesen Vorbescheid, der eine Baugenehmigung fur den Fall in\nAussicht stellt, dass die Vorschriften der LBO und die Festsetzungen des\ndamals geltenden Bebauungsplanes eingehalten wurden, in ihren Rechten\nbeeintrachtigt worden sein konnten; bezeichnenderweise wird auch in dem\nWiderspruchsschreiben vom 07.01.2003 (Bl. 37 d.A.) eine Rechtsverletzung nicht\nbehauptet. Da sie von dem Erlass des positiven Vorbescheides zugunsten der\nKlagerin zudem schon seit 4 Jahren Kenntnis hatten, durfte sich die\nunbegrundete Einlegung des Widerspruchs auch als rechtsmissbrauchlich\ndarstellen, zumal er augenscheinlich ausschließlich erhoben wurde, um keine\nBaulast bestellen zu mussen, wie sich aus dem zeitlichen Zusammenhang mit der\nvorliegend eingereichten Klagerwiderung ergibt.\n\n \n\n31\n\n \n\nDie - im Übrigen unzutreffende - Behauptung der Beklagten, an den **nicht** in\nihrem Eigentum stehenden Wegeparzellen bestunden keine Wegerechte zugunsten\nder Klagerin, ist schon deshalb unbeachtlich, weil sie im Widerspruch zu ihrem\nunmittelbar folgenden Vorbringen steht, dass von den anderen Eigentumern, auch\nin Bezug auf das Grundstuck der Klagerin, Wegerechte lediglich in einer Breite\nvon 2 m bestellt worden seien. Tatsachlich sind die Wegerechte jedoch auf\nsamtlichen zugunsten des Flurstucks 1/7 belasteten Wegeparzellen ohne\nEinschrankung auf eine bestimmte Breite eingetragen.\n\n \n\n32\n\n \n\nSoweit die Beklagten darauf abstellen, dass nach § 35 BauGB nur privilegierte\nBauvorhaben, aber keine Erweiterungen von Ferien- und Wochenendhausern\nzulassig seien, steht hier die Erklarung des Landrats vom 07.06.2003 entgegen,\ndass nach Abgabe der Baulasterklarungen ein im Rahmen des\nBaugenehmigungs-(Widerspruchs-)verfahrens „entscheidungserheblicher\nveranderter Sachstand" gegeben sei, d.h. dass dann die Baugenehmigung erteilt\nwerde. Sofern die Beklagten eine erteilte Baugenehmigung fur rechtswidrig\nhalten sollten, hatten sie bei Verletzung eigener Rechte die Moglichkeit,\ndiese anzufechten. Sie konnen jedoch nicht der Klagerin eine dem Wegerecht\ninhaltsgleiche Baulast verweigern, um, ohne in eigenen Rechten verletzt zu\nsein, eine ihnen etwa nicht genehme Baumaßnahme zu verhindern - abgesehen\ndavon, dass die Beklagten vorliegend nach den eigenen Worten des Beklagten zu\n2.) keinerlei Einwande gegen das Bauvorhaben der Klagerin haben, sondern in\nihrer Weigerung lediglich ein Instrument sehen, die Gemeinde zur Übernahme und\noffentlichen Widmung ihrer Wegeparzellen zu zwingen.\n\n \n\n33\n\n \n\nDasselbe gilt, soweit die Beklagten meinen, eine ordnungsgemaße Entwasserung\nauf dem Grundstuck der Klagerin sei nicht gewahrleistet. Fest steht, dass das\nals Wochenendhaus genutzte Gebaude derzeit zulassigerweise an eine Klaranlage\nangeschlossen ist und dass die Genehmigungsbehorde in dieser Art der\nEntwasserung keinen Hinderungsgrund fur die Erteilung der beantragten\nBaugenehmigung sieht. Ob der Kreis ... dem Amt ... mittlerweile die Errichtung\neiner zentralen Ortsentwasserung nahegelegt hat, ist fur die Verpflichtung der\nBeklagten zur Baulastbestellung ohne Belang.\n\n \n\n34\n\n \n\nDamit war der Klage stattzugeben.\n\n \n\n35\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.\n\n \n\n
135,448
ag-singen-am-hohentwiel-2006-02-20-1-m-421205a-1-m-42
93
Amtsgericht Singen am Hohentwiel
ag-singen-am-hohentwiel
Singen am Hohentwiel
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
1 M 4212/05a; 1 M 4212/05b
2006-02-20
2019-01-07 11:11:21
2019-01-17 11:55:29
Beschluss
## Tenor\n\n> 1\\. Der Rechtspfleger wird angewiesen, einen Pfandungs- und\n> Überweisungsbeschluss uber eine Forderung von Euro 430,00 zuzuglich einer\n> Verfahrensgebuhr gem. Nr. 1008, 3309 VV in Hohe von Euro 54,00, eine\n> Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG in Hohe von Euro 10,80 zuzuglich\n> Mehrwertsteuer und Gerichtskosten in Hohe von Euro 30,00 zu erlassen.\n\n> 2\\. Die Schuldner tragen die Kosten des Erinnerungsverfahrens.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Erinnerung ist zulassig und begrundet. \n--- \n--- \nI. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Gem. § 788 Abs. 1 ZPO fallen notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung dem\nSchuldner zur Last und sind mit dem Anspruch im Wege der Zwangsvollstreckung\nbeizutreiben. Die Notwendigkeit fehlt fur Kosten unzulassiger, schikanoser,\nuberflussiger oder offenbar aussichtsloser Zwangsvollstreckungsmaßnahmen; sie\nfehlt ferner bei ungerechtfertigten, vermeidbaren Mehrkosten einer notwendigen\nZwangsvollstreckung (Zoller, 25. Aufl., § 788 ZPO Rn.Nr. 9 a). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Notwendigkeit bestimmt sich mithin nach den Erfordernissen\nzweckentsprechender Rechtsverfolgung. Die bei dieser entstehenden gesetzlichen\nGebuhren und Auslagen des Rechtsanwalts des Glaubigers, der eine notwendige\nZwangsvollstreckungsmaßnahme betreibt sind erstattungsfahig (Zoller, § 788\nZPO, Rn.Nr. 9). \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Ausgehend hiervon handelt es sich bei den geltend gemachten Kosten um\nnotwendige Kosten der Zwangsvollstreckung. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| a) Ein Vollstreckungsauftrag lost eine 0,3 Verfahrensgebuhr nach VV 3309\naus, bei mehreren Auftraggebern erhoht sich die Gebuhr nach VV 1008 um 0,3 je\nAuftraggeber. Richtet sich die Vollstreckung gegen mehrere Schuldner, stellt\ndie Vollstreckung gegen jeden einzelnen Schuldner auch dann eine eigene\nAngelegenheit dar, wenn nur ein einziger Vollstreckungsantrag gestellt wird\n(KG Berlin Jur-Buro 2004, 46; Gebauer/Schneider RVG Kommentar, § 18 Rn.Nr.\n48). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| b) Ausgehend hiervon handelt es sich bei der infolge zweier\nVollstreckungsauftrage angefallenen 1,2 Verfahrensgebuhr gem. Nr. 3309, 1008\nVV RVG um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung. Es ist insbesondere nicht\ndafur ersichtlich, dass die Kosten nicht im Rahmen einer zweckentsprechenden\nRechtsverfolgung notwendig gewesen sind. Vielmehr ist mit Gebauer/Schneider\ndavon auszugehen, dass dem Glaubiger nicht zugemutet werden kann, zur\nNiedrighaltung der Kosten zunachst nur gegen einen einzelnen Schuldner eine\nVollstreckung durchzufuhren. Insoweit besteht die Gefahr, dass die\nVollstreckung fruchtlos verlauft und bei der dann moglicherweise\nanschließenden Vollstreckung gegen den anderen Schuldner bei diesem kein\npfandbares Vermogen mehr vorhanden ist. Es entspricht daher der\nzweckentsprechenden Rechtsverfolgung, gegen beide Schuldner fur beide\nGlaubiger ein Vollstreckungsverfahren einzuleiten, sodass die dabei\nanfallenden Kosten auch notwendige Kosten sind. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Soweit der Rechtspfleger auf die Kommentierung unter Gebauer/Schneider\nRn.Nr. 48 verweist, bezieht sich diese - wie sich aus dem Zusammenhang ergibt\n- auf den Sonderfall, dass ein Glaubiger von vorneherein weiß, dass die\nVollstreckung gegen einen der Schuldner fruchtlos verlaufen wird; erteilt er\nin einem solchen Falle trotz Aufklarung durch den Rechtsanwalt den\nVollstreckungsauftrag gegen alle Schuldner, handelt es sich bei den dabei\nanfallenden Kosten nicht um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung, da\nKosten offenbar aussichtslose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (vergl. Zoller\nA.A.O. Rn.Nr. 9 a) nicht als notwendige Kosten erstattet werden. Fur einen\nsolchen Ausnahmefall ist im vorliegenden Sachverhalt indes nichts ersichtlich. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. \n--- \n---\n\n
140,382
ag-waiblingen-2004-10-20-9-c-136204
109
Amtsgericht Waiblingen
ag-waiblingen
Waiblingen
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
9 C 1362/04
2004-10-20
2019-01-07 15:12:14
2019-01-17 12:00:34
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Klager 2158,90\nEUR nebst 5 % Zinsen uber dem Basiszinssatz aus jeweils 573,15 EUR seit\n6.5.2004, 4.6.2004 und 6.7.2004 sowie aus 439,41 EUR seit 4.8.2004 zu\nbezahlen.\n\n2\\. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.\n\n3\\. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 120 % des\nbeizutreibenden Betrages vorlaufig vollstreckbar.\n\nStreitwert: 2.159.-- EUR\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Zwischen den Parteien bestand ein Mietverhaltnis uber eine Wohnung im\nGebaude Hausgarten 23/1 in Waiblingen. Die Parteien streiten daruber, wann\ndieses Mietverhaltnis endete. \n--- \n| 2 \n--- \n| Am 24.7.2000 kam es zu einem Mietvertrag zwischen den Parteien, wegen\ndessen genauen Wortlautes auf die vorgelegte Ablichtung, Bl.4 ff. der Akten,\nBezug genommen wird. \n--- \n| 3 \n--- \n| Hinsichtlich der Dauer des Mietverhaltnisses war im Mietvertrag in § 2 Nr.\n1 c) Folgendes vorgesehen: „ Das Mietverhaltnis beginnt am 24.8.2000 und endet\nam 23.8.2003. Wird es nicht unter Einhaltung der in vorstehender Ziffer 1 a)\ngenannten jeweiligen Kundigungsfrist gekundigt, verlangert es sich jeweils um\n1 Jahr". § 2 Nr. 1 a) des Mietvertrages, auf die Bezug genommen wird, lautet\nauszugsweise wie folgt: „Fur beide Vertragsparteien betragt die\nKundigungsfrist nach 5-jahriger Mietdauer 6 Monate, nach 8-jahriger Mietdauer\n9 Monate und nach 10-jahriger Mietdauer 12 Monate, jeweils zum Schluss eines\nKalendermonats." Im nicht wortlich zitierten Teil von § 2 Nr. 1 a) ist eine\nKundigungsfrist von 3 Monaten vorgesehen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 14.1.2004 kundigten die Beklagten das Mietverhaltnis „zum 30.4.2004". \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager widersprach dem im Kundigungsschreiben angegebenen\nKundigungszeitpunkt 30.4.2004, akzeptierte jedoch die Kundigung zum 23.8.2004. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Beklagten gaben vor dem 30.4.2004 die Wohnung zuruck, seit 1.5.2004\nleisten sie keine Zahlungen mehr. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die monatliche Miete einschließlich Nebenkostenvorauszahlungen betrug\nzuletzt 573,15 EUR. \n--- \n| 8 \n--- \n| Fur den Zeitraum 1.August bis 23.August 2004 macht der Klager die anteilige\nMiete in Hohe von 439,41 EUR geltend. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Parteien streiten darum, ob das Mietverhaltnis durch die Kundigung zum\n30.4.2004 endete, oder ob das Mietverhaltnis erst zum 23.8.2004 endete. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Klager lasst die Auffassung vertreten, gemaß Art. 229 § 3 Abs.3 EGBGB\nsei auf ein am 1.9.2001 bestehendes Mietverhaltnis § 564 c BGB in der bis zum\n1.9.2001 geltenden Fassung anzuwenden. Es sei deswegen grundsatzlich nach wie\nvor von einer Zulassigkeit der vereinbarten Befristung des Mietverhaltnisses\nauszugehen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Hieran habe sich durch die Änderung der Gesetzeslage am 1.9.2001 nichts\ngeandert. \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 13 \n--- \n| die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Klager 2.158,90\nEUR nebst Zinsen in Hohe von 5 % uber dem Basiszinssatz aus jeweils 573,15 EUR\nseit 6.5.2004, 4.6.2004 und 6.7.2004 sowie aus weiteren 439,41 EUR seit\n4.8.2004 zu bezahlen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beklagten beantragen, \n--- \n| 15 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Beklagten berufen sich darauf, dass die Befristung nebst\nVerlangerungsklausel im Mietvertrag nach neuer Gesetzeslage unwirksam sei.\nZwar sei das zunachst befristete Mietverhaltnis bis zum 23.8.2003 aufgrund der\nÜberleitungsvorschrift des Art. 229 § 3 Abs. 3 EGBGB bis zum Ablauf der ersten\nBefristung (23.8.2003) wirksam geblieben, die Verlangerung sei jedoch nicht\nwirksam geworden, was sich aus § 575 BGB (neue Fassung) ergebe. Im Übrigen\nverstießen die jeweils anschließenden befristeten Mietverhaltnisse gegen § 573\nc Abs.4 BGB. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Beklagten sind deswegen der Auffassung, nach dem 23.8.2003 habe ein\nunbefristetes Mietverhaltnis vorgelegen, weswegen die Kundigungserklarung vom\n14.1.2004 auf den 30.4.2004 gewirkt habe. \n--- \n| 18 \n--- \n| Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den\nParteien gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der\nmundlichen Verhandlung vom 6.10.2004 Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 19 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. \n--- \n| 20 \n--- \n| Durch die Kundigung seitens der Beklagten vom 14.1.2004 endete das\nMietverhaltnis nicht bereits am 30.April 2004, sondern aufgrund der\nvertraglichen Vereinbarungen erst am 23.8.2004. Die Beklagten sind daher\nverpflichtet, bis Ablauf des Mietverhaltnisses die vereinbarte Miete zu\nbezahlen (§ 535 BGB). \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Mietvertrag vom 24.7.2000 ist vor Inkrafttreten des\nMietrechtsanderungsgesetzes am 1.9.2001 geschlossen worden. Die in diesem\nMietvertrag vereinbarte sogenannte unqualifizierte Befristung des\nMietverhaltnisses ware nach dem 1.9.2001 nicht mehr moglich gewesen, da gemaß\n§ 575 BGB n. F. befristete Mietverhaltnisse nur noch bei Vorliegen bestimmter\nGrunde moglich sind. \n--- \n| 22 \n--- \n| Im Ausgangspunkt besteht zwischen den Parteien auch kein Streit daruber,\ndass die ursprungliche Befristung bis 23.8.2003 keinen rechtlichen Bedenken\nunterliegt. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Auch die weitere Vereinbarung im Mietvertrag zwischen den Parteien, dass\nnamlich in dem Fall, dass eine Kundigung nicht bis 23.8.2003 unter Einhaltung\nder vereinbarten Kundigungsfristen ausgesprochen wird, sich das Mietverhaltnis\num 1 Jahr verlangert, unterliegt keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.\nDies ergibt sich aus Art. 229 § 3 Abs.3 und Abs.10 EGBGB. Nach dieser\nVorschrift ist auf ein am 1. September 2001 bestehendes Mietverhaltnis auf\nbestimmte Zeit das bis zum 1.9.2001 geltende Recht anzuwenden, auf vertraglich\nvereinbarte Kundigungsfristen ist § 573 c Abs.4 BGB n.F. nicht anzuwenden. \n--- \n| 24 \n--- \n| Es ist gerade nicht so, dass mit Ablauf der ursprunglichen Befristung ein\nneues Mietverhaltnis begrundet wurde, da eben das Mietverhaltnis mangels\nKundigung seitens einer der beiden Vertragsparteien nicht zum 23.8.2003\nendete. Die vor dem 1.9.2001 wirksam vereinbarte Befristung samt der\nVerlangerungsdauer um ein Jahr wurde nicht durch die nachtraglich eingetretene\nGesetzesanderung und/oder durch Zeitablauf am 23.08.2003 unwirksam. Vielmehr\nist nach Art. 229 § 3 Abs.3 und Abs.10 EGBGB die Abwicklung des\nMietverhaltnisses - jedenfalls was die Befristung und die vereinbarten\nKundigungsfristen anlangt - nach dem bis zum 1.9.2001 geltenden Mietrecht\nvorzunehmen (vergleiche Blank, Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Auflage, § 542\nBGB, RdNr. 148, 149, m. w. N.). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Hieran hat sich auch durch Art. 229 § 5 EGBGB nichts geandert. In Literatur\nund vereinzelt auch in der Rechtsprechung wird vertreten, dass die\nÜbergangsvorschriften des Art. 229 § 3 EGBGB lediglich bis zum 31.12.2002\nbefristet gultig gewesen waren, da durch das Inkrafttreten von Art. 229 § 5\nEGBGB einheitlich auf alle Dauerschuldverhaltnisse seit 1.Januar 2003 nur das\nBurgerliche Gesetzbuch in der zu diesem Datum geltenden Fassung anzuwenden\nsei. Es wurde daraus der Schluss gezogen, seit 1.Januar 2003 gelte auch\nhinsichtlich solcher Mietverhaltnisse, die bereits vor dem 1.9.2001 bestanden\nhatten, ausschließlich das Burgerliche Gesetzbuch in der Fassung vom 1.Januar\n2003, wodurch insbesondere auch das Mietrechtsreformgesetz erfasst werde\n(Schmid-Kessel, NJW 2003, 3748, Amtsgericht Buckeburg, WuM 2004, 407). \n--- \n| 26 \n--- \n| Es besteht zumindest scheinbar ein Konflikt zwischen den\nÜbergangsvorschriften, der Art. 229 § 3 EGBGB und Art. 229 § 5 EGBGB. \n--- \n| 27 \n--- \n| Beide Normen befinden sich in einem einfachen Gesetz, stehen also nicht in\neinem bestimmten Rangverhaltnis zueinander. Moglich ware, dass § 5 des Art.\n229 EGBGB als das jungere Gesetz den § 3 des Art. 229 EGBGB als das altere\nGesetz verdrangt. Andererseits handelt es sich bei Art. 229 § 3 EGBGB um das\nspeziellere Gesetz, da sich diese Vorschrift lediglich auf das Mietrecht\nbezieht, § 5 des Art. 229 EGBGB jedoch alle Schuldverhaltnisse und\ninsbesondere alle Dauerschuldverhaltnisse betrifft. In dieser Konstellation,\nin der einerseits ein jungeres Gesetz einem alteren Gesetz widerspricht,\nandererseits aber das altere Gesetz das speziellere Gesetz ist, das dem\nallgemeineren Gesetz grundsatzlich vorgeht, existieren keine allgemeinen\nVorschriften, wie die bestehende Kollision aufzulosen ist. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die These von der Verdrangung der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 3\nEGBGB durch Art. 229 § 5 EGBGB ist entwickelt worden an Hand der\nRechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Art. 229 § 3 Abs.10 EGBGB und verengt\nauch die Argumentation im Hinblick auf diese Vorschrift. Tatsachlich hat\njedoch Art. 229 § 3 EGBGB neun weitere Absatze, in denen dezidiert, teilweise\nmit zahlreichen Untergliederungen, Überleitungsvorschriften fur\nAltmietvertrage geregelt werden, bei denen teilweise wesentlich langere\nZeitraume fur die Fortgeltung alten Rechts vorgesehen werden. Beispielsweise\nsieht Art. 229 § 3 Abs.2 EGBGB eine Frist bis zum 31.August 2006 vor, eine\nFrist, die nach der Auffassung, wonach Art. 229 § 3 EGBGB ohnehin lediglich\neine Überleitungsvorschrift sei, die zum 1.1.2003 in Wegfall gerate, sinnlos\nware. Gleiches gilt fur Art. 229 § 3 Abs.6 EGBGB, in der eine Geltungsdauer\nausdrucklich bis 31.8.2004 vorgesehen ist. Letztlich waren demnach sehr\nspeziell ausgestaltete Vorschriften quasi durch einen Nebensatz in einer\njungeren Vorschrift obsolet geworden. Dies hat der Gesetzgeber erkennbar nicht\nbeabsichtigt. Dies zeigt sich bereits daran, dass der Gesetzgeber eine\nÄnderung des Art. 229 § 3 Abs.10 EGBGB plant (NZM 2004, 209). Der\nReferentenentwurf aus dem Bundesministerium fur Justiz sieht eine Erganzung\nder Übergangsvorschrift dahin vor, dass die Regelung von Kundigungsfristen in\nAllgemeinen Geschaftsbedingungen nicht unter die Übergangsvorschrift fallen\nsolle. Offensichtlich sieht daher auch das Bundesministerium fur Justiz nach\nwie vor - auch nach Inkrafttreten des Art. 229 § 5 EGBGB - einen\nRegelungsbedarf hinsichtlich der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 3\nAbs.10 EGBGB. \n--- \n| 29 \n--- \n| Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass die spezielleren\nÜberleitungsvorschriften fur Mietverhaltnisse in Art. 229 § 3 EGBGB, die vom\nGesetzgeber bewusst langfristig angelegt und ausdifferenziert gestaltet\nwurden, durch das Inkrafttreten des Art. 229 § 5 EGBGB nicht verdrangt werden\nsollten. Auch in der Gesetzesbegrundung findet sich kein Hinweis fur eine\nbeabsichtigte Aufhebung der mietrechtlichen Überleitungsvorschriften (BT-Dr.\n14/6040, S. 273). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Letztlich spricht auch der Gesetzeszweck gegen eine Verdrangung der\nspeziellen mietrechtlichen Überleitungsvorschriften durch die allgemeinen\nÜberleitungsvorschriften anlasslich des Inkrafttretens des Gesetzes zur\nModernisierung des Schuldrechts. Durch die speziellen mietrechtlichen\nÜberleitungsvorschriften hat sich der Gesetzgeber im Wesentlichen fur die\nFortgeltung solcher Regelungen entschieden, die vor Inkrafttreten des\nMietrechtsreformgesetzes am 1.9.2001 in wirksamer Weise nach altem Recht\nvereinbart wurden. Es entspricht auch allgemein juristischer Dogmatik, dass\neinmal wirksam vereinbarte Regelungen in einem Vertrag nicht durch\nnachtragliche Gesetzesanderungen unwirksam werden. Der vertragliche\nVertrauensschutz genießt grundsatzlich gegenuber gesetzlichen Neugestaltungen\nVorrang (vergleiche hierzu auch Amtsgericht Heilbronn, WuM 2004, 540, 541). \n--- \n| 31 \n--- \n| Die vertraglich vereinbarten Kundigungsfristen, die nach geltendem Recht im\nZeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages wirksam vereinbart wurden, binden\ndaher auch nach Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes am 1.9.2001 und\nauch noch nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am\n1.1.2003 die Parteien des Rechtsstreits, eine Kundigung des\nVertragsverhaltnisses war nach den in zulassiger Weise vereinbarten\nVertragskonditionen erst zum 23.8.2004 moglich. Zu diesem Zeitpunkt wirkte die\nKundigung vom 14.1.2004, bis zu diesem Zeitpunkt haben die Beklagten den\nvereinbarten Mietzins weiter zu bezahlen. \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Beklagten waren aus diesen Grunden antragsgemaß zur Zahlung des\noffenstehenden Mietzinses, der der Hohe nach unstreitig geblieben ist, zu\nverurteilen. \n--- \n| 33 \n--- \n| Die zugesprochenen Zinsen sind die gesetzlichen Verzugszinsen aus den §§\n286, 288 BGB. \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, der Ausspruch zur\nvorlaufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 19 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. \n--- \n| 20 \n--- \n| Durch die Kundigung seitens der Beklagten vom 14.1.2004 endete das\nMietverhaltnis nicht bereits am 30.April 2004, sondern aufgrund der\nvertraglichen Vereinbarungen erst am 23.8.2004. Die Beklagten sind daher\nverpflichtet, bis Ablauf des Mietverhaltnisses die vereinbarte Miete zu\nbezahlen (§ 535 BGB). \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Mietvertrag vom 24.7.2000 ist vor Inkrafttreten des\nMietrechtsanderungsgesetzes am 1.9.2001 geschlossen worden. Die in diesem\nMietvertrag vereinbarte sogenannte unqualifizierte Befristung des\nMietverhaltnisses ware nach dem 1.9.2001 nicht mehr moglich gewesen, da gemaß\n§ 575 BGB n. F. befristete Mietverhaltnisse nur noch bei Vorliegen bestimmter\nGrunde moglich sind. \n--- \n| 22 \n--- \n| Im Ausgangspunkt besteht zwischen den Parteien auch kein Streit daruber,\ndass die ursprungliche Befristung bis 23.8.2003 keinen rechtlichen Bedenken\nunterliegt. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Auch die weitere Vereinbarung im Mietvertrag zwischen den Parteien, dass\nnamlich in dem Fall, dass eine Kundigung nicht bis 23.8.2003 unter Einhaltung\nder vereinbarten Kundigungsfristen ausgesprochen wird, sich das Mietverhaltnis\num 1 Jahr verlangert, unterliegt keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.\nDies ergibt sich aus Art. 229 § 3 Abs.3 und Abs.10 EGBGB. Nach dieser\nVorschrift ist auf ein am 1. September 2001 bestehendes Mietverhaltnis auf\nbestimmte Zeit das bis zum 1.9.2001 geltende Recht anzuwenden, auf vertraglich\nvereinbarte Kundigungsfristen ist § 573 c Abs.4 BGB n.F. nicht anzuwenden. \n--- \n| 24 \n--- \n| Es ist gerade nicht so, dass mit Ablauf der ursprunglichen Befristung ein\nneues Mietverhaltnis begrundet wurde, da eben das Mietverhaltnis mangels\nKundigung seitens einer der beiden Vertragsparteien nicht zum 23.8.2003\nendete. Die vor dem 1.9.2001 wirksam vereinbarte Befristung samt der\nVerlangerungsdauer um ein Jahr wurde nicht durch die nachtraglich eingetretene\nGesetzesanderung und/oder durch Zeitablauf am 23.08.2003 unwirksam. Vielmehr\nist nach Art. 229 § 3 Abs.3 und Abs.10 EGBGB die Abwicklung des\nMietverhaltnisses - jedenfalls was die Befristung und die vereinbarten\nKundigungsfristen anlangt - nach dem bis zum 1.9.2001 geltenden Mietrecht\nvorzunehmen (vergleiche Blank, Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Auflage, § 542\nBGB, RdNr. 148, 149, m. w. N.). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Hieran hat sich auch durch Art. 229 § 5 EGBGB nichts geandert. In Literatur\nund vereinzelt auch in der Rechtsprechung wird vertreten, dass die\nÜbergangsvorschriften des Art. 229 § 3 EGBGB lediglich bis zum 31.12.2002\nbefristet gultig gewesen waren, da durch das Inkrafttreten von Art. 229 § 5\nEGBGB einheitlich auf alle Dauerschuldverhaltnisse seit 1.Januar 2003 nur das\nBurgerliche Gesetzbuch in der zu diesem Datum geltenden Fassung anzuwenden\nsei. Es wurde daraus der Schluss gezogen, seit 1.Januar 2003 gelte auch\nhinsichtlich solcher Mietverhaltnisse, die bereits vor dem 1.9.2001 bestanden\nhatten, ausschließlich das Burgerliche Gesetzbuch in der Fassung vom 1.Januar\n2003, wodurch insbesondere auch das Mietrechtsreformgesetz erfasst werde\n(Schmid-Kessel, NJW 2003, 3748, Amtsgericht Buckeburg, WuM 2004, 407). \n--- \n| 26 \n--- \n| Es besteht zumindest scheinbar ein Konflikt zwischen den\nÜbergangsvorschriften, der Art. 229 § 3 EGBGB und Art. 229 § 5 EGBGB. \n--- \n| 27 \n--- \n| Beide Normen befinden sich in einem einfachen Gesetz, stehen also nicht in\neinem bestimmten Rangverhaltnis zueinander. Moglich ware, dass § 5 des Art.\n229 EGBGB als das jungere Gesetz den § 3 des Art. 229 EGBGB als das altere\nGesetz verdrangt. Andererseits handelt es sich bei Art. 229 § 3 EGBGB um das\nspeziellere Gesetz, da sich diese Vorschrift lediglich auf das Mietrecht\nbezieht, § 5 des Art. 229 EGBGB jedoch alle Schuldverhaltnisse und\ninsbesondere alle Dauerschuldverhaltnisse betrifft. In dieser Konstellation,\nin der einerseits ein jungeres Gesetz einem alteren Gesetz widerspricht,\nandererseits aber das altere Gesetz das speziellere Gesetz ist, das dem\nallgemeineren Gesetz grundsatzlich vorgeht, existieren keine allgemeinen\nVorschriften, wie die bestehende Kollision aufzulosen ist. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die These von der Verdrangung der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 3\nEGBGB durch Art. 229 § 5 EGBGB ist entwickelt worden an Hand der\nRechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Art. 229 § 3 Abs.10 EGBGB und verengt\nauch die Argumentation im Hinblick auf diese Vorschrift. Tatsachlich hat\njedoch Art. 229 § 3 EGBGB neun weitere Absatze, in denen dezidiert, teilweise\nmit zahlreichen Untergliederungen, Überleitungsvorschriften fur\nAltmietvertrage geregelt werden, bei denen teilweise wesentlich langere\nZeitraume fur die Fortgeltung alten Rechts vorgesehen werden. Beispielsweise\nsieht Art. 229 § 3 Abs.2 EGBGB eine Frist bis zum 31.August 2006 vor, eine\nFrist, die nach der Auffassung, wonach Art. 229 § 3 EGBGB ohnehin lediglich\neine Überleitungsvorschrift sei, die zum 1.1.2003 in Wegfall gerate, sinnlos\nware. Gleiches gilt fur Art. 229 § 3 Abs.6 EGBGB, in der eine Geltungsdauer\nausdrucklich bis 31.8.2004 vorgesehen ist. Letztlich waren demnach sehr\nspeziell ausgestaltete Vorschriften quasi durch einen Nebensatz in einer\njungeren Vorschrift obsolet geworden. Dies hat der Gesetzgeber erkennbar nicht\nbeabsichtigt. Dies zeigt sich bereits daran, dass der Gesetzgeber eine\nÄnderung des Art. 229 § 3 Abs.10 EGBGB plant (NZM 2004, 209). Der\nReferentenentwurf aus dem Bundesministerium fur Justiz sieht eine Erganzung\nder Übergangsvorschrift dahin vor, dass die Regelung von Kundigungsfristen in\nAllgemeinen Geschaftsbedingungen nicht unter die Übergangsvorschrift fallen\nsolle. Offensichtlich sieht daher auch das Bundesministerium fur Justiz nach\nwie vor - auch nach Inkrafttreten des Art. 229 § 5 EGBGB - einen\nRegelungsbedarf hinsichtlich der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 3\nAbs.10 EGBGB. \n--- \n| 29 \n--- \n| Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass die spezielleren\nÜberleitungsvorschriften fur Mietverhaltnisse in Art. 229 § 3 EGBGB, die vom\nGesetzgeber bewusst langfristig angelegt und ausdifferenziert gestaltet\nwurden, durch das Inkrafttreten des Art. 229 § 5 EGBGB nicht verdrangt werden\nsollten. Auch in der Gesetzesbegrundung findet sich kein Hinweis fur eine\nbeabsichtigte Aufhebung der mietrechtlichen Überleitungsvorschriften (BT-Dr.\n14/6040, S. 273). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Letztlich spricht auch der Gesetzeszweck gegen eine Verdrangung der\nspeziellen mietrechtlichen Überleitungsvorschriften durch die allgemeinen\nÜberleitungsvorschriften anlasslich des Inkrafttretens des Gesetzes zur\nModernisierung des Schuldrechts. Durch die speziellen mietrechtlichen\nÜberleitungsvorschriften hat sich der Gesetzgeber im Wesentlichen fur die\nFortgeltung solcher Regelungen entschieden, die vor Inkrafttreten des\nMietrechtsreformgesetzes am 1.9.2001 in wirksamer Weise nach altem Recht\nvereinbart wurden. Es entspricht auch allgemein juristischer Dogmatik, dass\neinmal wirksam vereinbarte Regelungen in einem Vertrag nicht durch\nnachtragliche Gesetzesanderungen unwirksam werden. Der vertragliche\nVertrauensschutz genießt grundsatzlich gegenuber gesetzlichen Neugestaltungen\nVorrang (vergleiche hierzu auch Amtsgericht Heilbronn, WuM 2004, 540, 541). \n--- \n| 31 \n--- \n| Die vertraglich vereinbarten Kundigungsfristen, die nach geltendem Recht im\nZeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages wirksam vereinbart wurden, binden\ndaher auch nach Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes am 1.9.2001 und\nauch noch nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am\n1.1.2003 die Parteien des Rechtsstreits, eine Kundigung des\nVertragsverhaltnisses war nach den in zulassiger Weise vereinbarten\nVertragskonditionen erst zum 23.8.2004 moglich. Zu diesem Zeitpunkt wirkte die\nKundigung vom 14.1.2004, bis zu diesem Zeitpunkt haben die Beklagten den\nvereinbarten Mietzins weiter zu bezahlen. \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Beklagten waren aus diesen Grunden antragsgemaß zur Zahlung des\noffenstehenden Mietzinses, der der Hohe nach unstreitig geblieben ist, zu\nverurteilen. \n--- \n| 33 \n--- \n| Die zugesprochenen Zinsen sind die gesetzlichen Verzugszinsen aus den §§\n286, 288 BGB. \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, der Ausspruch zur\nvorlaufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. \n---\n\n
140,661
olgkarl-2004-12-17-17-u-8701
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
17 U 87/01
2004-12-17
2019-01-08 11:06:37
2019-02-12 12:20:16
Urteil
## Tenor\n\nI. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Mosbach vom\n17.07.1994 - 1 O 49/94 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt\nabgeandert:\n\n> > 1) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Klager\n> 216.912,15 Euro nebst 4 % Zinsen hieraus seit 17.4.1999 zu zahlen.\n\n> > 2) Den Beklagten bleibt die Aufrechnung mit einem weitergehenden\n> Ersatzanspruch, sei es aus eigenem oder abgetretenem Recht, wegen\n> behaupteter schlechter Mortelqualitat vorbehalten.\n\n> > 3) In Hohe von 170.712,68 Euro zzgl. Zinsen und wegen des weitergehenden\n> Zinsanspruchs hinsichtlich der in Ziffer I 1 zugesprochenen Hauptsumme wird\n> die Klage abgewiesen.\n\nII. Von den Kosten beider Rechtszuge tragen die Beklagten als Gesamtschuldner\n56 % und der Klager 44 %. Von den Kosten des Streithelfers in zweiter Instanz\ntragt der Klager 44 %. Der Streithelfer behalt 56 % seiner Kosten auf sich.\n\nIII. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Die Parteien konnen die\nVollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe von 120 % des vollstreckbaren\nBetrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenpartei vor der Vollstreckung\nSicherheit in Hohe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.\nDer Klager kann die Vollstreckung durch den Streithelfer durch\nSicherheitsleistung in Hohe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden,\nwenn nicht der Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit in Hohe von 120 %\ndes zu vollstreckenden Betrages leistet.\n\nIV. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| 1 \n--- \n| Der Klager macht als Insolvenzverwalter eine Restforderung der Schuldnerin\n(im folgenden als Klagerin bezeichnet) aus einem Bauvorhaben geltend. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin hat Betonwerksteinarbeiten an einem Bauvorhaben der Beklagten\n"Einkaufszentrum an der M." in S./H. ausgefuhrt. Die Beklagten hatten als\nGeneralunternehmerin die Fa. H. und W. GmbH mit der Erstellung des gesamten\nBauvorhabens zu einem Pauschalpreis beauftragt (Vertrag auszugsweise vorgelegt\nI, 179 - 181). Die Klagerin gab gegenuber der Generalunternehmerin ein Angebot\nvom 17.06.1993 (I, 29 - 35) uber die Betonwerksteinarbeiten ab. Auf dieser\nGrundlage kam es zum Abschluss eines Subunternehmervertrages zwischen der\nKlagerin und der Generalunternehmerin vom 25.06.1993 (I, 37 - 43). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Generalunternehmerin hat mit Erklarung vom 28.06.1993 (I, 23) ihre\nAnspruche aus dem Vertrag mit den Beklagten in Hohe von 993.290 DM an die\nKlagerin abgetreten. Der Architekt der Beklagten unterzeichnete unter dem\nDatum des 15.07.1993 ein an die Klagerin gerichtetes Schreiben (I, 25) mit\nfolgendem Wortlaut: \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| "...namens und im Auftrag des Bauherrn teile ich Ihnen hiermit mit, dass\ndie Bezahlung fur o. g. Bauvorhaben durch den Bauherrn H. u. M. F., GbR, A.\n29, W. gewahrleistet wird. \n--- \n| 5 \n--- \n| D. h., sollte vom GU Firma H. + W. eine Zahlung Ihnen gegenuber nicht\nausgefuhrt werden, wird der Bauherr diese Zahlung direkt an Sie vornehmen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Diese Zahlungsaussage trifft jedoch nur zu, wenn die von Ihnen gelieferten\nund verlegten Betonwerksteine ordnungsgemaß verlegt sind..." \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klagerin hat mit ihren Arbeiten am 02.08.1993 begonnen. Diese wurden im\nJanuar 1994 fertiggestellt. Die Klagerin erteilte der Generalunternehmerin\nunter dem Datum des 18.01.1994 eine Schlussrechnung (I, 47- 51), die nach\neinem zugrunde liegenden Aufmaß (I, 53- 95) und beigefugter Taglohnzettel (I,\n97- 125) mit einer offenen Forderung von 758.128,30 DM schloss. Diese\nForderung ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Am 29.04.1994, d. h.\nwahrend des Laufs des vorliegenden Verfahrens, wurde uber das Vermogen der\nGeneralunternehmerin, der Fa. H. und W. GmbH das Konkursverfahren eroffnet (I,\n261- 263). \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Das Einkaufszentrum wurde am 09.11.1994 an die Mieterin ubergeben. Am\n16.04.1999 wurde das Insolvenzverfahren uber das Vermogen der Klagerin\neroffnet (II, 843- 847, 857), nachdem bereits zuvor mit Beschluss vom\n24.03.1999 (II 12251227) ein vorlaufiger Insolvenzverwalter bestellt worden\nwar. Nach der dadurch bedingten Unterbrechung wurde das vorliegende Verfahren\nauf Antrag des Insolvenzverwalters gem. Antrag vom 27.04.2001 wieder\naufgenommen und nunmehr von Rechtsanwalt B. als Insolvenzverwalter\nfortgefuhrt. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Klagerin nimmt die Beklagten in Hohe der offenen Restforderung auf\nZahlung in Anspruch. Sie stutzt die Klage auf die von den Beklagten abgegebene\nErklarung, die sie als Zahlungsgarantie wertet. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Klagerin hat beantragt, \n--- \n| 11 \n--- \n| die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von DM 758.128,30 nebst 12 %\nZinsen seit Zustellung zu verurteilen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Beklagten haben beantragt, \n--- \n| 13 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beklagten haben vorgetragen: \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Abtretung der Anspruche der Generalunternehmerin gegen die Beklagten\nsei unwirksam. Denn diese verstoße gegen das im Generalunternehmervertrag mit\nden Beklagten enthaltene Abtretungsverbot (I, 201). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Architekt habe zu einer solchen Erklarung keine Vollmacht gehabt. Er\nhabe fur die Beklagten nahezu eigenstandig die gesamte Abwicklung des\nBauvorhabens durchgefuhrt und sei uber seine tatsachlich bestehenden\nBefugnisse hinaus gegangen. Ein Anspruch aus Burgschaft scheitere an der\nfehlenden Schriftform sowie an der Einrede der Vorausklage. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Architekt St. habe mit der Klagerin ausdrucklich vereinbart, dass ihm\njede Stockung des Zahlungsflusses seitens des Generalunternehmers unverzuglich\nmitgeteilt werden musse, um dies bei den Zahlungen des Bauherrn an den\nGeneralunternehmer zu berucksichtigen. Die Klagerin habe jedoch den Beklagten\nerst verspatet im Februar 1994 Mitteilung von den Zahlungsausfallen gemacht.\nBei rechtzeitiger Mitteilung hatten die Beklagten die der Klagerin zustehenden\nBetrage gegenuber dem Generalunternehmer zuruckbehalten. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Leistungen der Klagerin seien mangelhaft. An Beseitigungskosten seien\n40.000 DM netto aufzuwenden, womit sich unter Berucksichtigung eines\nDruckzuschlages ein Betrag von 100.000 DM ergebe. Wegen der Einzelheiten wird\ninsoweit auf die Schriftsatze vom 04.07.1994 (I, 395 - 409) und vom 08.07.1994\n(I, 425 427) Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Klagerin hat erwidert: Sie habe von dem Abtretungsverbot keine Kenntnis\ngehabt. Ansonsten ware die Abtretung nicht akzeptiert worden. Jedenfalls habe\ndie Klagerin davon ausgehen durfen, dass sich die Beklagten auf ein derartiges\nAbtretungsverbot nicht berufen wurden. Denn dies stehe im Widerspruch zu ihrer\nZahlungsgarantie. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Architekt St. habe Vollmacht zur Abgabe einer solchen Erklarung gehabt.\nDie Beklagten hatten eine Abschrift des Schreibens vom 15.07.1993 erhalten,\nohne diesem jemals zu widersprechen. Die Haftung der Beklagten ergebe sich\njedenfalls aus den Grundsatzen der Duldungsvollmacht. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Eine Vereinbarung uber die Mitteilung etwaiger Zahlungsstockungen seitens\nder Generalunternehmerin sei mit der Klagerin zu keinem Zeitpunkt getroffen\nworden. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klagerin hat dem Architekten St. den Streit verkundet. Dieser ist im\nerstinstanzlichen Verfahren dem Rechtsstreit nicht beigetreten. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Mit Urteil vom 12.07.1994 hat das Landgericht der Klage in vollem Umfang\nstattgegeben. Auf Tatbestand und Entscheidungsgrunde dieses Urteils wird\nverwiesen. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit der von ihnen eingelegten\nBerufung. Sie wiederholen ihren erstinstanzlichen Sachvortrag und fuhren\nerganzend aus: \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts stelle die Erklarung des\nArchitekten St. vom 15.07.1993 keine Burgschaft dar. Es fehle an einem\nentsprechenden Rechtsbindungswillen, weil lediglich die Moglichkeit direkter\nZahlungen der Beklagten an den Subunternehmer aufgezeigt und der Klagerin nur\nmitgeteilt worden sei, dass die Beklagten gegebenenfalls von der Moglichkeit\ndes § 16 Nr. 6 VOB/B Gebrauch machen wurden. Die Klagerin habe im Übrigen die\ngenannte Erklarung nicht als Burgschaft verstanden, was sich daraus ergebe,\ndass sie sich zunachst ausschließlich auf die Abtretungsvereinbarung gestutzt\nund erst nach Feststellung des Abtretungsverbotes die vorliegende Klage aus\nder Burgschaft erhoben habe. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Der Architekt St. habe nicht kraft Anscheinsvollmacht gehandelt. Denn es\nfehle bereits an der Haufigkeit oder Dauer seines Handelns als angeblicher\nVertreter. Ferner sei die Klagerin insoweit nicht gutglaubig gewesen. Auch sei\nder Rechtsschein den Beklagten nicht zurechenbar, da sie das vollmachtlose\nHandeln weder hatten voraussehen noch verhindern konnen. Die Klagerin\nihrerseits habe aber ohne weiteres erkennen konnen, dass der Zeuge St. sich\nnicht im Rahmen seiner Befugnisse als Architekt gehalten habe. Der angebliche\nRechtsschein der Bevollmachtigung sei fur die Ausfuhrung der Bauarbeiten auch\nnicht ursachlich geworden, da der Arbeitsbeginn allein durch den Abschluss der\nAbtretungsvereinbarung mit der Generalunternehmerin bedingt gewesen sei. Eine\nHaftung nach den Rechtsgrundsatzen der Duldungsvollmacht scheide aus, weil die\nBeklagten von dem Schreiben vor dessen Absendung keine Kenntnis gehabt hatten. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Es fehle im Übrigen auch an einer Annahmeerklarung durch die Klagerin. §\n151 BGB sei nicht einschlagig, da der Annahmewille nicht nach außen\nhervorgetreten sei. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Voraussetzung fur eine Inanspruchnahme aus einer Burgschaft sei nicht\nerfullt. Denn die Klagerin habe ihre Werkleistung wegen zahlreicher Mangel\nnicht ordnungsgemaß hergestellt. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Erklarung des Architekten St. sei von den Beklagten auch spater nicht\ngenehmigt worden. Eine eventuelle Burgschaft decke die geltend gemachte\nForderung ohnehin nicht ab, da die Burgschaft nur in Hohe von 993.520 DM\nabgegeben worden sei. Infolge der Tilgung fruherer Teile der Forderung sei der\nnunmehr geltend gemachte Werklohn von einer eventuellen Burgschaft nicht mehr\numfasst. Die Haftung der Beklagten ergebe sich auch nicht aus einem\nGarantievertrag. Denn es sei keine vom Leistungsvermogen der\nGeneralunternehmerin unabhangige Einstandspflicht begrundet worden. Auch ein\nSchuldbeitritt liege nicht vor, weil keine von der weiteren Entwicklung\nunabhangige Verbindlichkeit geschaffen worden sei. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Ein Verzicht auf das im Generalunternehmervertrag enthaltene\nAbtretungsverbot sei von den Beklagten nicht erklart worden. Dies ergebe sich\ninsbesondere auch nicht aus den Schreiben des Architekten St. vom 15.07.1993.\nDie Beklagten hatten von Anfang an die Forderungsabtretung stets\nzuruckgewiesen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Klagerin habe ihre vertragliche Informationspflicht den Beklagten\ngegenuber verletzt. Denn sie habe sie uber Zahlungsruckstande der\nGeneralunternehmerin nicht rechtzeitig unterrichtet. In Unkenntnis der\nZahlungsschwierigkeiten hatten die Beklagten am 30.11.1993 an die\nGeneralunternehmerin eine weitere Zahlung in Hohe von 1.840.000 DM geleistet.\nBei rechtzeitiger Information ware diese Forderung zuruckgehalten worden. Die\nBeklagten wurden nunmehr doppelt belastet und die Klagerin sei insoweit nach\nden Grundsatzen der positiven Vertragsverletzung daran gehindert, den\nKlageanspruch gegen sie durchzusetzen. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Den Beklagten stehe ein Zuruckbehaltungsrecht bzw.\nLeistungsverweigerungsrecht wegen zahlreicher Mangel am Werk der Klagerin zu.\nIhr diesbezuglicher Vortrag sei vom Landgericht zu Unrecht zuruckgewiesen\nworden. Die Leistung der Klagerin sei in zahlreichen Punkten außerst\nmangelhaft gewesen. Wegen der Einzelheiten des diesbezuglichen Sachvortrages\nder Beklagten wird auf den Beweisbeschluss des Senats vom 21.02.1995 unter I\n(II, 325 - 333) Bezug genommen. Eine Fristsetzung bezuglich der\nMangelbeseitigung sei entbehrlich gewesen, da die Klagerin diese mit\nSchriftsatz vom 25.01.1999 ernsthaft und endgultig verweigert habe. Im Übrigen\nseien auch Nachbesserungsarbeiten wiederum mangelhaft ausgefuhrt worden. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 18.04.1995 (II, 365 - 381) hatten die Beklagten\nzahlreiche weitere Mangel geltend gemacht. Es handelt sich hierbei um\ninsgesamt 275 zusatzliche Mangel, die von dem Sachverstandigen Ö.\ndurchnummeriert wurden. Auf dessen Aufstellung als Anlage zum Schreiben vom\n16.06.1996 (I, 517- 545) wird insoweit verwiesen. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Werkleistung der Klagerin sei wegen der zahlreichen Mangel zu keinem\nZeitpunkt abgenommen worden. Auch eine Abnahme seitens der\nGeneralunternehmerin habe nicht stattgefunden. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Beklagten erklaren hilfsweise die Aufrechnung mit Forderungen im\nGesamtbetrag von 1.320.000 DM, wobei sie sich zunachst auf Schadensersatz\nwegen Nichterfullung gem. § 635 a. F. BGB berufen haben (II 1239) bzw. nunmehr\nzuletzt auf Aufwendungsersatz gem. § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B (II 1585). Zum\neinen wird die Aufrechnung auf die Sanierungskosten in Hohe von 420.000 DM\ngem. Sachverstandigengutachten Ö. gestutzt. Nach dessen Gutachten sei mit\nweiteren Sanierungskosten von mindestens 100.000 DM zu rechnen. Im Übrigen\nbestehe auch nach Mangelbeseitigung eine Wertminderung in Hohe von 546.000,- .\nEs liege ein merkantiler Minderwert des im Eigentum der Beklagten stehenden\nEinkaufszentrums vor, der deutlich uber die durch die Baumangel selbst\nverursachten Schaden hinausgehe. Dies ergebe sich aus den Ausfuhrungen der\nSachverstandigen R. vom 16.10.1995 und G. vom 20.02.2004 (II 1397- 1431). \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 22.01.2003 haben die Beklagten darauf hingewiesen, dass\ndie streitgegenstandliche Forderung bereits erstinstanzlich auch der Hohe nach\nbestritten worden sei. Insbesondere lage kein Einheitspreis-Vertrag vor und\ndie Echtheit des vorgelegten Subunternehmer-Vertrages vom 25.06.1993 werde\nerneut bestritten. Der Klagerin habe im Übrigen gegen die Generalunternehmerin\nohnehin nur ein Anspruch in Hohe von 92.454,45 DM zugestanden, worauf eine\netwaige Haftung der Beklagten begrenzt ware. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Beklagten beantragen, \n--- \n| 38 \n--- \n| das Urteil des Landgerichts abzuandern und die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 40 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Die Klagerin wiederholt ihren erstinstanzlichen Sachvortrag und fuhrt\nerganzend aus: \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Die erstinstanzliche Zuruckweisung des Sachvortrages bezuglich der Mangel\ndurch das Landgericht sei rechtmaßig. Die Beklagte sei deshalb im\nBerufungsverfahren mit Mangelrugen generell ausgeschlossen. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Der Anspruch aus der Burgschaft gegen die Beklagten sei gegeben. Der\nentsprechende Rechtsbindungswille sei dem Schreiben vom 15.07.1993 eindeutig\nzu entnehmen. Die Beklagten hafteten nach den Grundsatzen der\nAnscheinsvollmacht. Der Architekt St. habe namlich auch bei der Abwicklung des\ngesamten Bauvorhabens Vollmacht der Beklagten gehabt und habe Anweisungen zum\nBauablauf erteilen konnen. Auch das Merkmal der Haufigkeit und Dauer des\nHandelns sei gegeben, da der Architekt St. insgesamt vier solche Erklarungen\nwie gegenuber der Klagerin abgegeben habe. Er sei bei der gesamten\nBauabwicklung als Bevollmachtigter der Beklagten aufgetreten. Bei zumutbarer\nSorgfalt hatten die Beklagten ohne weiteres ein vollmachtloses Verhalten ihres\nArchitekten verhindern konnen. Die Klagerin sei gutglaubig gewesen, was der\nArchitekt bei seiner erstinstanzlichen Aussage ausdrucklich bestatigt habe.\nDie Klagerin habe unmittelbar nach Erhalt des Schreibens die Arbeiten in die\nWege geleitet, die einen Vorlauf von mindestens zwei Wochen benotigt hatten.\nIm Übrigen ergebe sich die Haftung der Beklagten auch aus den\nRechtsgrundsatzen der Duldungsvollmacht. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Die Beklagten konnten sich nicht darauf berufen, dass eine Annahmeerklarung\nfehle. Denn diese sei nach der Verkehrssitte unter den gegebenen Umstanden\nentbehrlich gewesen. Die in dem Schreiben enthaltene Bedingung sei\neingetreten, da die Klagerin ordnungsgemaß geliefert habe. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Das Schreiben vom 15.07.1993 stelle zugleich einen Verzicht auf die Einrede\ndes Abtretungsverbotes dar. Ein spateres Berufen auf das Abtretungsverbot\nwidersprache im Übrigen Treu und Glauben. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Den Beklagten stehe auch kein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung zu.\nDenn die Klagerin habe eine Informationsverpflichtung nicht verletzt. Vor\nAuszahlung des Werklohns hatten sich die Beklagten bei der Klagerin\nvergewissern mussen, welche Außenstande seitens der Generalunternehmerin noch\nbestanden. Die Zahlung in Hohe von 1.840.000 DM durch die Beklagten sei\nkeinesfalls am 30.11.1993 erfolgt. Die Beklagten hatten noch bis 06.12.1993\nden Scheck bei der Bank sperren lassen konnen. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Ein Zuruckbehaltungs- oder Leistungsverweigerungsrecht wegen Mangeln stehe\nden Beklagten nicht zu. Der entsprechende Sachvortrag sei vom Landgericht zu\nRecht zuruckgewiesen worden und daher unbeachtlich. Im Übrigen sei eine\nAbnahme erfolgt. Eventuell noch vorhandene Mangel seien auch von der Klagerin\ntatsachlich beseitigt worden. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Die Aufrechnung der Beklagten mit auf Mangel gestutzten\nSchadensersatzanspruchen scheitere nunmehr auch am Aufrechnungsverbot in der\nInsolvenz. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Der Zinsanspruch werde ab 01.05.2000 auf § 291 BGB gestutzt. Die Zinshohe\nergebe sich aus den vorgelegten Bescheinigungen. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Die Beklagten haben dem Architekten St. im Berufungsverfahren erneut den\nStreit verkundet. Dieser ist dem Rechtsstreit nunmehr auf Seiten der Beklagten\nbeigetreten und hat sich deren Antrag angeschlossen. Weitere\nStreitverkundungen sind gegenuber der Fa. A. Allgemeine Handelsgesellschaft\nder Verbraucher AG sowie gegenuber G. P. erfolgt. Diese sind dem Rechtsstreit\nnicht beigetreten. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Im Berufungsverfahren wurde gem. Beschlussen vom 21.02.1995 (I, 325- 341)\nsowie vom 30.08.1995 (I, 391) Beweis erhoben durch Einholung eines\nSachverstandigengutachtens. Auf das Gutachten des Sachverstandigen J. Ö. vom\n03.12.1998 (Text-, Anlagen- und Fotoband) wird Bezug genommen. Nach\nEinwendungen der Beklagten wurde ein Erganzungsgutachten des Sachverstandigen\neingeholt. Insoweit wird auf das Gutachten vom 10.05.2002 verwiesen. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Gemaß Beweisbeschluss vom 28.01.2003 (II 1261- 1265) wurde der\nSachverstandige Ö. mit einer weiteren gutachtlichen Stellungnahme beauftragt.\nInsoweit wird auf das 2. Erganzungsgutachten vom 31.10.2003 verwiesen. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Zu weiteren Einwendungen der Parteien hat der Sachverstandige nochmals in\neinem 3. Erganzungsgutachten vom 31.10.2004 Stellung genommen. Der\nSachverstandige wurde ferner im Senatstermin vom 02.11.2004 mit dem aus dem\nSitzungsprotokoll (II 1247- 1253) ersichtlichen Ergebnis gehort. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Wegen der Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird auf die\ngewechselten Schriftsatze und vorgelegten Urkunden verwiesen. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Beklagten hat in der Sache zum Teil Erfolg. Zwar\nbesteht eine Haftung der Beklagten aus der Erklarung vom 15.07.1993. Diese\nkonnen sich jedoch auf Mangel bei den Leistungen der Klagerin berufen, wodurch\nsich der Umfang ihrer Haftung betragsmaßig reduziert. Eine abschließende\nEntscheidung war dem Senat nicht moglich, da ein Hauptmangel weiterer\nbeweismaßiger Abklarung bedarf. Insoweit war den Beklagten die weitere\nAufrechnung vorzubehalten. \n--- \n--- \nI. \n--- \n| 56 \n--- \n| Der Senat folgt dem Landgericht im Ergebnis darin, dass die Beklagten durch\ndie Erklarung des Architekten St. vom 15.07.1993 (I, 25), die rechtlich als\nBurgschaft zu qualifizieren ist, dem Grunde nach rechtswirksam verpflichtet\nwurden. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| 1) Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten kann das Vorliegen einer\nBurgschaft nicht in Zweifel gezogen werden. Die Erklarung bringt klar und\neindeutig zum Ausdruck, dass der Bauherr selbst direkt Zahlung an die Klagerin\nleisten wird, wenn die Generalunternehmerin ihrerseits keine Zahlungen mehr an\ndie Klagerin leistet. Damit wird eine akzessorische und subsidiare\nHaftungszusage gegeben, wie sie fur eine Burgschaft typisch ist. Angesichts\nder definitiven Zahlungszusage liegt auch der erforderliche\nRechtsbindungswille vor. Die Auffassung der Beklagten, es handle sich hierbei\nlediglich um einen Hinweis auf § 16 Nr. 6 VOB/B, uberzeugt demgegenuber nicht \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| 2) Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen der\nAnscheinsvollmacht vom Landgericht zu Recht angenommen wurden oder die\nVoraussetzungen einer Duldungsvollmacht vorgelegen haben. Unstreitig ist den\nBeklagten eine Durchschrift des Schreibens vom 15.07.1993 zugegangen, so dass\nnach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass sie von dessen Inhalt auch\ntatsachlich Kenntnis genommen haben. Damit ist mangels nachgewiesener\ngegenteiliger Umstande anzunehmen, dass die Beklagten von dem - unterstellt\nvollmachtlosen Handeln des Architekten Kenntnis erlangt haben. Zwar haben sie\nin der Folgezeit den geschlossenen Vertrag nachweisbar weder ausdrucklich noch\nschlussig genehmigt. Eine Genehmigung durch Schweigen kommt nur ausnahmsweise\nund unter besonderen Voraussetzungen in Betracht. Dies kann der Fall sein,\nwenn der Vertretene nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet gewesen\nware, seinen abweichenden Willen zu außern (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 63.\nAufl., §§ 177, 178 RN 6 und Einf. § 116 RN 10 m.w.N.). Zwar begrundet die\nVerletzung von Äußerungspflichten grundsatzlich nur eine Haftung auf\nSchadensersatz. Die Zurechnung von Schweigen als Zustimmung kommt nur\nausnahmsweise in Betracht, wenn besondere Umstande, insbesondere ein zu\nGunsten des anderen Teils entstandener Vertrauenstatbestand, dies\nrechtfertigen (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O.; BGH NJW 1963, 148 ff). Solche\nUmstande rechtfertigen im vorliegenden Fall die Annahme, dass die Beklagten\ndas - unterstellt - vollmachtlose Handeln des Zeugen St. genehmigt haben.\nDabei fallt entscheidend ins Gewicht, dass die Klagerin dem Vermerk im unteren\nTeil des Schreibens entnehmen konnte, dass ein Durchschlag an die Beklagten\nzur Kenntnis ubersandt wurde. Unter diesen Umstanden war die Klagerin nicht zu\neiner gesonderten Ruckfrage bei den Beklagten verpflichtet, ob die Sache auch\ntatsachlich in Ordnung gehe. Umgekehrt war den Beklagten bekannt, dass die\nKlagerin Kenntnis von der Übersendung einer Durchschrift an sie hatte. Wenn\ndie Beklagten unter diesen Umstanden die Erklarung nicht gegen sich gelten\nlassen wollten, hatten sie umgehend gegenuber der Klagerin widersprechen und\nden Rechtsschein der Zustimmung zerstoren mussen. Dies gilt umso mehr als die\nKlagerin ihre Arbeiten fortlaufend im Vertrauen (auch) auf die potentielle\nMithaftung der Beklagten fortgesetzt hat. Die spatere Berufung im Prozess auf\nden Mangel der Vollmacht ist unter diesen besonderen Umstanden als treuwidrig\nanzusehen. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| 3) Das in dem Schreiben vom 15.07.1993 liegende Angebot der Beklagten auf\nAbschluss eines Burgschaftsvertrages wurde zwar von der Klagerin nicht durch\nausdruckliche rechtsgeschaftliche Erklarungen angenommen. Die Annahme ist hier\njedoch durch nach außen hervorgetretene Betatigung des Annahmewillens erfolgt,\nwobei eine Erklarung desselben gem. § 151 BGB gegenuber dem Antragenden nicht\nzu erfolgen brauchte. Denn nach der Verkehrssitte war bei dem hier\nvorliegenden, fur den Antragsempfanger rein vorteilhaften Geschaft eine\nÜbermittlung der Annahmeerklarung entbehrlich (vgl. BGH NJW 1997, 2233). Die\naußere Kundgabe des Annahmewillens liegt aber hier darin, dass die Klagerin\njedenfalls auch im Vertrauen auf die Erklarung der Beklagten die ihr\nubertragenen Arbeiten begonnen, fortgefuhrt und fertiggestellt hat. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| 4\\. Der Hinweis der Beklagten darauf, die Bedingung im Schreiben vom\n15.07.1993 (ordnungsgemaße Lieferung und Verlegung der Betonwerksteine) sei\nnicht eingetreten, ist nicht geeignet, jede Haftung generell in Frage zu\nstellen. Zwar trifft es zu, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in\nerheblichem Umfang Arbeiten mangelhaft ausgefuhrt wurden. Dies kann aber nicht\nzu einer generellen Haftungsfreistellung der Beklagten fuhren. Vielmehr ist\nder entsprechende Passus im dritten Absatz der Erklarung vom 15.07.1993 bei\ninteressengerechter Auslegung dahingehend aufzufassen, dass den Beklagten im\nVerhaltnis zur Klagerin eigenstandige werkvertragliche Gewahrleistungsrechte\nzustehen sollten. Die Beklagten konnen sich dabei u. a. auf einen\nNachbesserungsanspruch (bzw. nach Eroffnung des Insolvenzverfahrens auf einen\nErsatzanspruch, vgl. unten III.2.) oder die Minderung unmittelbar gegenuber\nder Klagerin berufen. \n--- \n--- \nII. \n--- \n| 61 \n--- \n| Die Werklohnrestforderung der Klagerin, fur die die Beklagten die\nBurgschaft ubernommen haben, besteht - wie vom Landgericht zutreffend\nfestgestellt - in Hohe von 758.128,30 DM. Sie ist fallig und gegenuber diesen\nauch durchsetzbar. Allerdings konnen sich die Beklagten auf die von ihnen\nbehaupteten Mangel berufen, da der Sachvortrag entgegen der Annahme des\nLandgerichts nicht wegen Verspatung zuruckgewiesen werden durfte. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| 1) Das Landgericht hat das Bestehen der Werklohnrestforderung der Klagerin\nin Hohe von 758.128,30 DM zu Recht festgestellt. Auf die insoweit zutreffenden\nGrunde des angefochtenen Urteils (Seite 10-11) wird Bezug genommen. In dem\nmaßgeblichen Vertrag vom 25.06.1993 (I 37-43) ist zum einen das Wort\n"Pauschalpreis" gestrichen. Ferner wird ausdrucklich darauf hingewiesen, dass\nnach Einheitspreisen abzurechnen ist. Soweit die Beklagten sich nunmehr\ninsoweit auf Zeugenbeweis berufen und die Echtheit des Vertrages unter\nBerufung auf ein Sachverstandigengutachten in Zweifel ziehen, ist dieser\nVortrag verspatet. Denn sie haben sich in dem nunmehr annahernd 10 Jahre\nandauernden Berufungsverfahren immer nur gegen die Wirksamkeit der\nHaftungserklarung gewandt, zahlreiche Mangelrugen erhoben und insoweit\nhilfsweise mit Gegenforderungen die Aufrechnung erklart, uber die umfangreich\nBeweis erhoben wurde. Gegen die betragsmaßigen Feststellungen im\nlandgerichtlichen Urteil wurden dagegen keine Einwendungen erhoben. Diese\nFeststellungen mussen daher von den Beklagten hingenommen werden. Soweit sie\nsich nunmehr auch noch auf ein Kundenblatt der Generalunternehmerin mit Stand\nvom 28.12.1993 (I 199) berufen, ist dieses nicht dazu geeignet, ihre\nBehauptung zu bestatigen. Die darin enthaltenen einseitig vorgenommenen\nBuchungsansatze lassen eine Überprufung ihrer inhaltlichen Richtigkeit nicht\nzu. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| 2) Infolge der Akzessorietat der Burgschaftsforderung bestimmt sich die\nFalligkeit der Werklohnforderung nach den fur das Rechtsverhaltnis zwischen\nder Generalunternehmerin und der Klagerin maßgebenden Grundsatzen. Zwar wurde\nnach Fertigstellung eine formliche Abnahme erkennbar nicht verlangt und diese\nhat auch nicht stattgefunden. Sie ist jedoch gem. § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B\ndadurch erfolgt, dass die Leistungen der Klagerin durch die\nGeneralunternehmerin bzw. durch die von ihr bestimmten Personen unstreitig\ntatsachlich in Benutzung genommen wurden. Das Vorliegen von Mangelrugen steht\ndem nicht entgegen, zumal eine Abnahmeverweigerung seitens der\nGeneralunternehmerin nach Aktenlage nicht erfolgt ist. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| 3) Die Beklagten konnen die Erfullung der Klageforderung nicht unter\nBerufung darauf verweigern, ihnen stunde ein Gegenanspruch aus positiver\nVertragsverletzung zu. Denn es fehlt bereits an einer nachgewiesenen\nPflichtverletzung der Klagerin. Eine ausdruckliche vertragliche\nInformationspflicht uber eventuelle Zahlungsstockungen bei der\nGeneralunternehmerin lasst sich der Erklarung vom 15.07.1993, die ohnehin nur\ndas Angebot der Beklagten auf Abschluss eines Burgschaftsvertrages darstellt,\nnicht entnehmen. Zwar hat der Zeuge St. bekundet (I, 339 f.), er habe alle\nSubunternehmer darauf hingewiesen, dass diese ihn sofort informieren sollten,\nwenn Zahlungsstockungen durch die Generalunternehmerin auftraten. Nach den\nweiteren Bekundungen des Zeugen hat aber die Klagerin an den Baubesprechungen\nnicht teilgenommen und ist daher gerade nicht in entsprechender Weise\ninformiert worden. \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| 4) Der Senat teilt nicht die Rechtsauffassung des Landgerichts, dass der\nSachvortrag der Beklagten zu den Mangeln verspatet war und daher gem. § 296\nAbs. 2, 3 ZPO zuruckgewiesen werden konnte. Denn der Rechtsstreit der Parteien\nging zunachst ausschließlich darum, ob die Beklagten aus der Erklarung vom\n15.07.1993 uberhaupt haften. Hierzu wurde im fruhen ersten Termin sogleich\nZeugenbeweis erhoben. Nachdem das Gericht diese Frage aufgrund der\nBeweisaufnahme zu Lasten der Beklagten beantwortet hatte, durfte es den\nVortrag zu den Mangeln als nachrangiges Verteidigungsmittel nicht als\nverspatet zuruckweisen. \n--- \n--- \nIII. \n--- \n| 66 \n--- \n| Die tatbestandlichen Voraussetzungen des von den Beklagten zuletzt in\nerster Linie verfolgten Aufwendungsersatzanspruchs gem. § 13 Nr. 5 Abs. 2\nVOB/B (II 1585) sowie der zugleich geltend gemachten Minderung (§ 13 Nr. 6\nVOB/B) sind gegeben, so dass dieser Anspruch dem Grunde nach besteht. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| 1) Wie im Einzelnen noch darzulegen ist (nachstehend unter IV) war die\nWerkleistung der Klagerin in erheblichem Maße mangelhaft. Die Beklagten waren\ndaher zum einen aus eigenem Recht dazu berechtigt, Gewahrleistungsanspruche\ngegen die Klagerin geltend zu machen. Dies ergibt sich - wie oben unter I/4\nbereits naher dargelegt - aus der Auslegung der von ihnen abgegebenen\nHaftungszusage. Unabhangig davon waren die Beklagten aber auch aus\nabgetretenem Recht dazu befugt, sich gegenuber der Klagerin auf\nGewahrleistungsanspruche zu berufen. Denn die Generalunternehmerin hatte die\ndiesbezuglichen Anspruche an die Beklagten abgetreten. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| Die Klagerin war gem. § 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B verpflichtet, die ihr\nmehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 15.03.1999 (Anlage B 20) angezeigten\nMangel zu beseitigen. Sie ist dieser Verpflichtung insbesondere auch in der in\ndem vorgenannten Schreiben von dem Beklagten gesetzten angemessenen Frist\nnicht nachgekommen. Die Beklagten waren daher berechtigt, die Mangel auf\nKosten der Klagerin beseitigen zu lassen, wobei sie insbesondere auch dazu\nbefugt waren, einen entsprechenden Kostenvorschussanspruch geltend zu machen. \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| 2) Die Eroffnung des Insolvenzverfahrens uber das Vermogen der Klagerin am\n16.04.1999 bzw. die Bestellung eines vorlaufigen Insolvenzverwalters am\n24.03.1999 andern im Ergebnis nichts daran, dass die Beklagten sich weiterhin\nauf die mangelhafte Werkleistung der Klagerin berufen konnen. Dabei ist zu\nberucksichtigen, dass die Insolvenzschuldnerin zu diesem Zeitpunkt ihre\nVertragsleistung mit Ausnahme der Gewahrleistungsverpflichtung bereits seit\nJahren erbracht hatte. Denn die Bauleistung war Ende 1994 vollendet und durch\nÜbergabe an die Mieter und deren Nutzung war diese abgenommen worden (vgl.\noben II/2). Die Generalunternehmerin bzw. die Beklagten ihrerseits hatten die\nWerklohnforderung bis auf den hier im Streit befindlichen Rest bereits\nbeglichen. Ihre Mangelbeseitigungsanspruche konnten die Beklagten der Klagerin\ngegenuber bis zur Eroffnung des Insolvenzverfahrens im Wege der Einrede des\nnicht erfullten Vertrages entgegenhalten. Da sich diese als modifizierter\nErfullungsanspruch darstellt und die Werklohnforderung noch nicht vollstandig\nbeglichen war, lag im Zeitpunkt der Eroffnung des Insolvenzverfahrens ein\nbeiderseits noch nicht vollstandig erfullter gegenseitiger Vertrag vor. \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| Die Eroffnung des Insolvenzverfahrens hatte nunmehr zur Folge, dass der\nNachbesserungsanspruch der Beklagten seine Durchsetzbarkeit verlor. An seine\nStelle trat ein entsprechender Ersatzanspruch (vgl. BGH NJW 1996, 426). Die\nfruhere Rechtslage ware nur dann wieder hergestellt worden, wenn der\nInsolvenzverwalter gem. § 103 Abs. 1 der seit 01.01.1999 geltenden\nInsolvenzordnung Erfullung gewahlt hatte. Hieran fehlt es am vorliegenden\nFall, da er eine diesbezugliche Erklarung nicht abgegeben hat. Der Antrag auf\nFortsetzung des vorliegenden Verfahrens kann als rein prozessuale Erklarung\nnicht als konkludentes Erfullungsverlangen angesehen werden (vgl. Huber, in:\nMunchKomm-InsO, § 103 Rn. 156). \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| Im vorliegenden Fall geht es nicht darum, dass aus der Insolvenzmasse noch\nLeistungen zu erbringen sind und deshalb die Gefahr besteht, dass infolge\neiner Aufrechnung durch den anderen Teil der Masse keine Gegenleistung\nzufließt. Soweit der Insolvenzverwalter - wie hier - einen gegenseitigen\nVertrag bereits vor Eroffnung des Insolvenzverfahrens erfullt hat, besteht\nkeine Notwendigkeit, die Masse vor einer Aufrechnung gegen diesen Teil der\nGegenleistung zu schutzen (vgl. BGHZ 129, 336). Deshalb ist in einem solchen\nFall dem Vertragsgegner eine Aufrechnung mit vorkonkursrechtlichen\nGegenanspruchen zu gestatten. Die Beklagten sind daher im vorliegenden Fall\nnicht daran gehindert, ihre auf Mangel gestutzten Gegenanspruche der\nWerklohnrestforderung der Klagerin im Wege der Aufrechnung entgegenzuhalten.\nAn dieser zum fruheren Recht bestehenden Rechtslage hat sich durch\nInkrafttreten der Insolvenzordnung nichts geandert. Denn der Ersatzanspruch\ndes Vertragspartners wird bereits - wie dargelegt - mit Verfahrenseroffnung\nund nicht erst dann durchsetzbar, wenn sich der Insolvenzverwalter gegen\nErfullung entscheidet. Deshalb steht auch § 95 Abs. 1 S. 3 InsO der\nAufrechnung nicht entgegen (vgl. Brandes, in: MunchKomm-InsO, § 95 Rn. 17). \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| 3) Nach dem Gewahrleistungssystem der VOB/B kann zwar Nachbesserung und\nMinderung grundsatzlich nicht miteinander kombiniert werden (vgl.\nIngenstau/Wirth, VOB, 14. Aufl., § 13 VOB/B Rn. 500 ff.). Anders ist es jedoch\ndann, wenn - wie hier nach den Feststellungen des Sachverstandigen auch nach\nordnungsgemaß durchgefuhrter Sanierung noch ein technischer Minderwert\nverbleiben wird (vgl. 2 des Erganzungsgutachtens Blatt 61). Insoweit muss von\nteilweiser Unmoglichkeit der Mangelbeseitigung ausgegangen werden, der die\nBerufung auf die verbleibende Minderung neben den zu ersetzenden\nNachbesserungskosten gestattet (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl.,\nRn. 1706). \n--- \n--- \nIV. \n--- \n| 73 \n--- \n| Der Senat hat aufgrund der im Berufungsverfahren durchgefuhrten\nBeweisaufnahme die Überzeugung gewonnen, dass die Werkleistung der Klagerin\nerhebliche Mangel aufweist, die uberwiegend in ihren Verantwortungsbereich\nfallen. \n--- \n--- \n| 74 \n--- \n| 1) Der Sachverstandige J. Ö. hat aufgrund der Beweisbeschlusse des Senats\nvom 21.02.1995 (II, 325 -341) und vom 30.08.1995 (II, 391) insgesamt sieben\nOrtstermine durchgefuhrt und dabei die von den Beklagten behaupteten Mangel\nuberpruft. Die maßgeblichen tatsachlichen Feststellungen hat der\nSachverstandige unter Ziffer 3 seines Hauptgutachtens vom 03.12.1998 (Blatt 21\n- 113) dokumentiert. Er kommt dabei zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass an\nden Kunststeinbelagen in den einzelnen Bereichen des Erdgeschosses teils\nmarkante Mangel vorliegen, deren Ursachen in handwerklichen, teils aber auch\nin planerischen Fehlleistungen und Koordinierungsmangeln liegen (Blatt 114).\nUnter Einbeziehung des aufgrund von Einwendungen der Parteien erstatteten 1.\nErganzungsgutachtens vom 10.05.2002 und des 2. Erganzungsgutachtens vom\n30.10.2003 ergeben sich damit die nachfolgenden Feststellungen: \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| a) Nach dem Hauptgutachten des Sachverstandigen Ö. (Blatt 114 - 120) hat in\nerster Linie der Architekt die grundsatzlichen Anforderungen an den Bodenbelag\nim Hinblick auf die Lasten nicht ausreichend beachtet. Insbesondere wurden die\nRadlasten von ihm unterschatzt (Hauptgutachten Blatt 120, 125128, 1.\nErganzungsgutachten Blatt 5, 20 - 22). Denn der Architekt ist davon\nausgegangen, dass eine Belastung des Bodens in einem Bereich von unter 1 t/qm\nauftreten wird und hat diesen Wert in verschiedenen Bauunterlagen vorgegeben,\nobwohl 2 t/qm oder mehr hatte aufgefangen werden mussen. Nach den Ausfuhrungen\ndes Sachverstandigen liegen jedoch bei einem Verkaufszentrum mit Lager,\nVerkaufsraumen, Baumarkt und vergleichbaren Raumen hohere Anforderungen an den\nBoden vor. Dieser hatte zumindest zum Teil als Spezialausfuhrung\n(Schwerlastboden) ausgebildet werden mussen. Die hier bestehende Problematik\nwurde nach dem Sachverstandigen weder von dem Architekten noch von der\nKlagerin erkannt. Insbesondere hat die Klagerin bei der Untergrundvorbereitung\nnotwendige Vorarbeiten nicht ausgefuhrt. Allerdings ist der Komplex der\nRadlasten nach den weiteren Ausfuhrungen des Sachverstandigen im 1.\nErganzungsgutachten (Blatt 5 - 8) den anderen Schadensursachen (z. B. Fugen)\nuntergeordnet. Dies schließt aber die kausale Mitverantwortung grundsatzlich\nnicht aus. \n--- \n--- \n| 76 \n--- \n| Dieser Punkt wurde allerdings im 2. Erganzungsgutachten des\nSachverstandigen (Blatt 9- 10) hypothetisch dahingehend modifiziert, dass bei\neiner eventuellen Vorgabe der Bauherrenseite von 1 Tonne pro qm aus\ntechnischer Sicht nicht mehr von einem Planungsmangel ausgegangen werden kann. \n--- \n--- \n| 77 \n--- \n| Bei den Dehnfugen (Blatt 119) liegt ebenfalls ein gemeinsames Versagen von\nArchitekt und Bauunternehmer vor. Denn nach dem Sachverstandigen hatte der\nFliesenleger diese Details mit dem Architekten vor der Bauausfuhrung abklaren\nmussen. Ob entsprechendes auch fur die Schein- und Raumfugen (Gutachten Blatt\n120) gilt, ist nach dem Gutachten nicht eindeutig. \n--- \n--- \n| 78 \n--- \n| b) Das Weglassen der nutzungsbedingt unbedingt erforderlichen Stahlkanten\n(Blatt 123-124 des Hauptgutachtens) fallt in den Verantwortungsbereich der\nKlagerin. Denn der Architekt hatte vorgesehen, dass die Dehnungsfugen in den\nwesentlichen Flachen entweder mit Stahlwinkelprofil oder mit Stahlkanten\nauszurusten waren. \n--- \n--- \n| 79 \n--- \n| c) Die Verantwortlichkeit bezuglich der fehlerhaften Ausbildung der\nFeldbegrenzungsfugen (Hauptgutachten Seite 124-125) fallt auch in den\nVerantwortungsbereich der Klagerin. Die Ausfuhrungen auf Blatt 130-131 des\nHauptgutachtens sprechen fur eine handwerklich fehlerhafte Ausfuhrung (vgl.\ninsoweit auch 1. Erganzungsgutachten Blatt 11). \n--- \n--- \n| 80 \n--- \n| Der Sachverstandige hat seine fruheren Ausfuhrungen im 2.\nErganzungsgutachten (Blatt 29-36) dahingehend konkretisiert, dass der Einbau\nvon Hartfugen in stark frequentierten Bereichen insbesondere bei Belastung mit\nHubwagenverkehr und anderen schweren Fahrzeugen nicht den allgemein\nanerkannten Regeln der Technik entspricht. \n--- \n--- \n| 81 \n--- \n| d) Die Ausfuhrungen des Sachverstandigen zu der mangelhaften Verfugung der\nBodenflachen (Blatt 128-130) deuten auf Verlegefehler hin und fallen damit\nallein in den Verantwortungsbereich der Klagerin (vgl. auch\nErganzungsgutachten Blatt 11). \n--- \n--- \n| 82 \n--- \n| e) Die festgestellten Hohlstellen unterhalb der Plattenbelage\n(Hauptgutachten Blatt 132) beruhen auf Planungs- und Ausfuhrungsfehlern.\nAllerdings war dieser Mangel vom Umfang her nur gering (vgl. 1.\nErganzungsgutachten Blatt 17). Ausweislich des 2. Erganzungsgutachtens (Blatt\n12-16) hat der Sachverstandige eine Laboruntersuchung bezuglich des\nVerlegemortels nicht als notwendig angesehen, da seine ausreichende Haftung an\nden Platten und die unzureichende Haftung am Untergrund eindeutig erkennbar\ngewesen seien. Die Mortelqualitat sei in den kontrollierten Bereichen\nuberwiegend nicht zu beanstanden gewesen, sodass keine weitergehende\nUntersuchung des Materials vorgenommen worden sei. \n--- \n--- \n| 83 \n--- \n| f) Fur die aufsteigende Feuchtigkeit aus dem Untergrund in Teilbereichen\nder Bodenplatte (Blatt 133 des Hauptgutachtens) ist ein Planungsfehler des\nArchitekten ursachlich. Denn die erforderliche Feuchtigkeitssperre unterhalb\ndes Plattenbelages wurde nicht angeordnet (vgl. hierzu auch 1.\nErganzungsgutachten Blatt 15-17). \n--- \n--- \n| 84 \n--- \n| g) Bei der fehlenden Warmedammung unterhalb des Plattenbelages (Blatt 134\ndes Hauptgutachtens) handelt es sich ebenfalls um einen Planungsfehler (vgl.\nhierzu auch Erganzungsgutachten Blatt 14-15, 23-24). Nach den Feststellungen\ndes Sachverstandigen im 2. Erganzungsgutachten (Blatt 17 f.) liegt in dem\nFehlen der Bodendammung sowie der Flachenabdichtung unter den Bodenplatten ein\nVerstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik. \n--- \n--- \n| 85 \n--- \n| 2) In seinem aufgrund Beweisbeschluss vom 28.01.2003 erstatteten 2.\nErganzungsgutachten vom 31.10.2003 hat der Sachverstandige Ö. zu der Frage der\ngenaueren Abgrenzung der jeweiligen Verantwortungsbereiche Stellung genommen.\nBei zusammenfassender Wurdigung dieses weiteren Beweisergebnisses ergeben sich\ndamit die nachfolgenden Feststellungen: \n--- \n--- \n| 86 \n--- \n| a) Was die Mangelzuordnung betrifft, so steht aufgrund der uberzeugenden\nAusfuhrungen des Sachverstandigen fest (2. Erganzungsgutachten Blatt 40), dass\nder großte Teil auf Ausfuhrungsfehlern beruht, die in den\nVerantwortungsbereich der Klagerin fallen. Ausgenommen von dieser Beurteilung\nsind allerdings festgestellte Mangel im Zusammenhang mit der Belastung, der\nVerschmutzung des Plattenbelages, dem fehlenden Nachweis Untergrund sowie den\nSockelleisten und deren Beschadigung durch Verschmutzung. \n--- \n--- \n| 87 \n--- \n| Der Sachverstandige hat ferner eine Reihe von Planungs-, Vergabe- und\nKoordinierungsfehlern festgestellt (vgl. insbesondere 2. Erganzungsgutachten\nBlatt 48-54), die sich die Beklagten zurechnen lassen mussen, da der von ihnen\nbeauftragte Architekt insoweit als ihr Erfullungsgehilfe anzusehen ist (vgl.\nWerner/Pastor, Der Bauprozess, Rn. 1977 ff., 2458 m. w. N.). Diese allgemeinen\nRechtsgrundsatze mussen auch im vorliegenden Fall gelten, in dem die Beklagten\naus der von ihnen ubernommenen Burgschaft in Anspruch genommen werden und sie\nsich aus eigenem bzw. abgetretenen Recht gegenuber der Klagerin auf\nGewahrleistungsanspruche berufen (vgl. oben III/1). Die den Beklagten\nzurechenbare Einstandspflicht bezieht sich damit auf Planungsmangel im\nZusammenhang mit Hohlstellen bzw. unzureichende Untergrundvorbehandlung,\nAnordnungen von Bauwerksfugen, Betonbodenplatte, Belastung, fehlende\nFeuchtigkeitssperre und fehlende Warmedammung. Ferner erfolgt eine zusatzliche\nZurechnung unter dem Gesichtspunkt des Koordinierungsmangels im Zusammenhang\nmit den fehlenden Kantenprofilen, den Farb- und Strukturabweichungen sowie dem\nfehlenden Nachweis bezuglich des Untergrundes. \n--- \n--- \n| 88 \n--- \n| Die von dem Sachverstandigen weiter festgestellten zahlreichenden Fehler im\nBereich der Bauuberwachung sind den Beklagten allerdings nicht zuzurechnen.\nDenn anerkanntermaßen wird hierbei der Architekt bzw. ortliche Bauleiter nicht\nals Erfullungsgehilfe des Bauherrn tatig (vgl. Werner/Pastor, a. a. O. Rn.\n1985, 2458). Entsprechendes gilt fur die von dem Sachverstandigen\nfestgestellten Verantwortungsanteile des Rohbauunternehmers (vgl. 2.\nErganzungsgutachten Blatt 59), die dem Beklagten ebenfalls nicht zuzurechnen\nsind (vgl. Werner/Pastor, a. a. O., Rn. 2457). Dagegen mussen sich die\nBeklagten die Mangelmitverursachung durch Nutzungsfehler der Mieter (betrifft\nBelastung, Verschmutzung des Plattenbelages und Beschadigung der Sockelleisten\ndurch Benutzung) zurechnen lassen, da dies in ihren Verantwortungsbereich\nfallt. \n--- \n--- \n| 89 \n--- \n| b) Der Senat geht fur die weiteren Feststellungen davon aus, dass von den\nvon dem Sachverstandigen diskutierten Varianten (vgl. zweites\nErganzungsgutachten Blatt 41-48) die sog. Variante 3 zugrunde zu legen ist.\nAufgrund unzureichender Planung wurden zwar seitens des Architekten sowohl die\nWarmedammung als auch die Feuchtigkeitssperre unterhalb der Kunststeinplatten\nvergessen. Diese mussen folglich im Zuge der Sanierung nunmehr mit eingebaut\nwerden, da der Zustand sich sonst als baurechtswidrig darstellt. Allerdings\nsind diese beiden Mangel fur den geltend gemachten und vom Sachverstandigen\nauch bezifferten Schaden nicht ursachlich geworden (vgl. 2.\nErganzungsgutachten Blatt 41 f., 45, 52 f.) und konnen damit zuungunsten der\nBeklagten im Verhaltnis zur Klagerin auch nicht anspruchsmindernd\nberucksichtigt werden. \n--- \n--- \nV. \n--- \n| 90 \n--- \n| Den Beklagten stehen derzeit betragsmaßig Gewahrleistungsanspruche in Hohe\nvon insgesamt 333.885 DM zu, mit denen sie gegen die Klageforderung aufrechnen\nkonnen. Diese reduziert sich damit auf 424.243,30 DM, was einem Betrag von\n216.912,15 Euro entspricht. Insoweit war allerdings durch Vorbehaltsurteil zu\nerkennen, da den Beklagten die Aufrechnung mit den weiteren Anspruchen wegen\nmangelhafter Mortelqualitat vorzubehalten war. \n--- \n--- \n| 91 \n--- \n| 1a) Bei der Bemessung der Hohe des den Beklagten zustehenden Anspruchs auf\nErsatz der Nachbesserungskosten ist zunachst von dem von dem Sachverstandigen\nÖ. festgestellten Betrag von netto 420.000 DM auszugehen (vgl. Blatt 142 des\nHauptgutachtens). In diesen Sanierungskosten sind die Kosten fur das Liefern\nund Einbauen der sog. "Migua-Profile" und der einfacheren Stahlprofile an den\nFeldbegrenzungsfugen enthalten. Diese Profile hatten allerdings sofort bei\nErstherstellung eingebaut werden mussen, d. h. es waren damals Zusatzkosten\nfur diese dauerhafte und auf die Beanspruchung abgestellte Ausfuhrung\nangefallen (vgl. Hauptgutachten Blatt 143). Die hierfur entstehenden sog.\nSowiesokosten, d. h. diejenigen Mehrkosten, um die die Bauleistung bei\nordnungsgemaßer Ausfuhrung von vorne herein teurer geworden ware, sind\nanerkanntermaßen von dem Aufwendungsersatzanspruch des Bauherrn in Abzug zu\nbringen (vgl. Werner/Pastor, a. a. O., RN 2474 ff. m. w. N.). \n--- \n--- \n| 92 \n--- \n| In seinem 1. Erganzungsgutachten (Blatt 18) hat der Sachverstandige die\nSowiesokosten ermittelt, die darin bestehen, dass der Einbau von "Migua-\nProfilen" oder einfacheren Stahlprofilen an den Feldbegrenzungsfugen bei der\nErstherstellung entsprechende hohere Kosten verursacht hatte. Der\nSachverstandige kommt zu einem Betrag von rund 190.000 DM, der fur den Einbau\ndieser Migua-Fertigprofile statt der im Leistungsverzeichnis vorgegebenen\nStahlwinkel erforderlich ware. Um diesen Betrag vermindert sich von vorne\nherein der den Beklagten zustehende Aufwendungsersatzanspruch. Auf der\nGrundlage der Zusammenstellung des Sachverstandigen (vgl. 2.\nErganzungsgutachten Blatt 59) ist damit von grundsatzlich ersatzfahigen\nRestkosten in Hohe von insgesamt 230.000 DM auszugehen. \n--- \n--- \n| 93 \n--- \n| b) Im Rahmen der Verteilung der von dem Sachverstandigen Ö. ermittelten\nKostenanteile auf die Beteiligten (vgl. 2. Erganzungsgutachten Blatt 59) ist\ndavon auszugehen, dass der Klagerin zunachst 72 %, d. h. 165.600 DM zur Last\nfallen. Die Beklagten mussen sich allerdings das planerische Fehlverhalten des\nArchitekten gem. §§ 254, 278 BGB im Verhaltnis zum Bauunternehmer zurechnen\nlassen. Dies hat zur Folge, dass die Beklagten den mit 13 % festgestellten\nSchadensbetrag in Hohe von 29.900 DM auf sich behalten mussen. Entsprechendes\ngilt fur den von dem Sachverstandigen den Mietern zugeordneten\nVerantwortungsanteil von 5 %, d. h. 11.500 DM, da es sich insoweit um den\neigenen Verantwortungsbereich der Beklagten handelt. \n--- \n--- \n| 94 \n--- \n| Das von dem Sachverstandigen mit 6 % (entsprechend 13.800 DM) bewertete\nVerhalten des ortlichen Bauleiters kann allerdings den Beklagten im Verhaltnis\nzur Klagerin nicht zugerechnet werden. Insoweit verbleibt es bei einer\ngesamtschuldnerischen Haftung der Beteiligten mit der Folge, dass die\nBeklagten (auch) die Klagerin insoweit im Außenverhaltnis in Anspruch nehmen\nkonnen. \n--- \n--- \n| 95 \n--- \n| Eine gesamtschuldnerische Haftung der Klagerin mit dem Rohbauunternehmer\nscheidet dagegen aus, da hier von getrennten Bauleistungen der beteiligten\nUnternehmer auszugehen ist. Dies hat zur Folge, dass die Klagerin fur die von\ndem Sachverstandigen festgestellten 4 %, d. h. 9.200 DM im Außenverhaltnis\nnicht in Anspruch genommen werden kann. \n--- \n--- \n| 96 \n--- \n| Insgesamt ergibt sich damit ein Anspruch in Hohe von 179.400 DM. Dieser\nBetrag ist nach den Angaben des Sachverstandigen bei seiner Anhorung (II 1653)\nauf den heutigen Zeitpunkt anzupassen. Unter Berucksichtigung eines Zuschlages\nvon 2,5 % ergibt sich damit ein Betrag von insgesamt 183.885 DM. \n--- \n--- \n| 97 \n--- \n| 2a) Die Beklagten haben ferner Anspruch auf Ersatz des technischen\nMinderwerts. Denn nach den uberzeugenden Ausfuhrungen des Sachverstandigen Ö.\n(vgl. 2. Erganzungsgutachten Blatt 61) verbleiben auch nach der Sanierung\nRestrisiken und optische Veranderungen an der Belagsoberflache. Den sich\nhierdurch ergebenden technischen Minderwert hat der Sachverstandige mit rund\n50.000 DM ermittelt (vgl. 2. Erganzungsgutachten Blatt 54-57, 61). \n--- \n--- \n| 98 \n--- \n| b) Der Sachverstandige hat in seinem Gutachten dagegen den Ansatz eines\nmerkantilen Minderwerts fur ein Schadensrestrisiko am Bodenbelag verneint\n(vgl. 2. Erganzungsgutachten Blatt 57-58, 61). Die Bereiche der fehlenden\nFeuchtigkeitssperre/Warmedammung wurden als nicht ursachlich zutreffend außer\nBetracht gelassen. \n--- \n--- \n| 99 \n--- \n| Das von dem Beklagten vorgelegte "Verkehrswertgutachten sowie Ermittlung\ndes merkantilen Minderwerts aufgrund vorhandener Bauschaden" des\nSachverstandigen G. vom 25.02.2004 (II 1397-1431), das von einem merkantilen\nMinderwert fur die Schaden im Fußbodenbereich von 546.000 Euro ausgeht, gibt\ndem Senat keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Der gerichtliche\nSachverstandige Ö. hat hierzu u. a. ausgefuhrt (vgl. 3. Erganzungsgutachten\nBlatt 8-15 sowie Anhorung II 1649), die von dem Sachverstandigen G.\nvorgenommene Berechnungsweise des merkantilen Minderwerts enthalte gravierende\nAbweichungen von der ublichen Vorgehensweise. Insbesondere sei die von dem\nGerichtsgutachter vorgeschlagene Gesamtsanierung des Bodenbelages nicht\nberucksichtigt worden. Es werde zudem von einem fiktiven, nicht\nnachvollziehbaren Satz von 40 % ausgegangen. Zudem seien Wertansatze des\nArchitekten ungepruft ubernommen und weitere Mangel außerhalb des\nKunststeinbodens in allen Bereichen des Gebaudes in die Bewertung mit\neinbezogen worden. Der Senat halt diese Ausfuhrungen des Sachverstandigen Ö.\nfur zutreffend und tritt ihnen bei. Vor allem aber fallt gegen die Annahmen\ndes Sachverstandigen G. entscheidend ins Gewicht, dass die Ermittlung eines\neventuell verbleibenden merkantilen Minderwerts erst auf der Grundlage einer -\nunterstellten - vollstandigen Sanierung erfolgen kann. Unter diesen Umstanden\nverbleibt es damit im Ergebnis bei den Feststellungen des gerichtlichen\nSachverstandigen, dass nach ordnungsgemaßer Gesamtsanierung zwar eine\ntechnische nicht jedoch eine merkantile Wertminderung besteht. \n--- \n--- \n| 100 \n--- \n| 3) Zu den Nachbesserungskosten zahlen auch Vergutungen, die der\nAuftraggeber den von ihm beschaftigten Architekten oder Ingenieuren fur\nPlanungs- und Aufsichtsleistungen im Rahmen der Nachbesserung zu zahlen hat\n(vgl. Ingenstau/Korbion-Wirth, § 13 Nr. 5 VOB/B Rn. 487). Unter den besonderen\nUmstanden des vorliegenden Falles mit Rucksicht auf den Zeitablauf und die\nlange prozessuale Auseinandersetzung ist es den Beklagten nicht mehr\nzuzumuten, diese Arbeiten durch den bisherigen Architekten im Rahmen von\ndessen Gewahrleistung erbringen zu lassen. Der Sachverstandige Ö. hat in\nseinem ersten Erganzungsgutachten (Blatt 18) die hierfur notwendigen Planungs-\nund Bauuberwachungskosten mit rund 42.000 DM ermittelt. Dieser Anspruch steht\nden Beklagten zusatzlich zu. Die Erklarung des Sachverstandigen bei seiner\nAnhorung (II 1653), diese Kosten seien in den bisher errechneten Gesamtkosten\nvon 420.000 DM enthalten, beruht auf einem offensichtlichen Irrtum. Eine\nDurchsicht der diesbezuglichen Kostenansatze in dem Hauptgutachten zeigt, dass\ndieser Posten seinerzeit nicht eingerechnet wurde und deshalb gesondert\nzuzuerkennen ist. \n--- \n--- \n| 101 \n--- \n| 4) Der weitere Ersatzanspruch der Beklagten ist zumindest in Hohe von\n58.000 DM (II 825) begrundet. Der Sachverstandige Ö. hat in seinem 1.\nErganzungsgutachten (Blatt 19) ausgefuhrt, als Zeitraum fur die Sanierung\nkonne bei volliger Stilllegung des Geschaftsbetriebes von 6-8 Wochen\nausgegangen werden. Bei laufendem Geschaftsbetrieb werde die Sanierung ca. 1\nJahr dauern und großere Einschrankungen des Verkaufs auslosen. Bei seiner\nAnhorung im Senatstermin (II 1653) ist der fur die abschnittsweise Sanierung\nvon einem Zeitraum von 2-3 Wochen ausgegangen. Der Senat ist aufgrund der\ngesamten Umstande davon uberzeugt, dass den Beklagten durch die Notwendigkeit\nder Sanierung zumindest Folgekosten in Hohe des vorgenannten Betrages\nentstehen, wobei sich eine uber die eigentliche Mangelbeseitigung\nhinausgehende weitergehende Ersatzpflicht der Klagerin aus den\nRechtsgrundsatzen des § 13 Nr. 7 Abs. 1 bzw. 2 VOB/B ergibt. \n--- \n--- \n| 102 \n--- \n| 5a) Im Verlauf des langjahrigen Berufungsverfahrens hat die Frage der\nMortelqualitat zunachst keine entscheidende Rolle gespielt. Der Schwerpunkt\nlag vielmehr in dem Bereich der Fugen und Risse wie sich insbesondere aus dem\nHauptgutachten Ö. ergibt (vgl. insbesondere die Zusammenstellung der\nerforderlichen Sanierungskosten auf Blatt 142). Die Frage der nunmehr erst\ngegen Ende des vorliegenden Verfahrens stark thematisierten Hohlstellen hatte\nzunachst nur untergeordnete Bedeutung (vgl. Hauptgutachten Blatt 132 und 1.\nErganzungsgutachten Blatt 17). Die Frage der Mortelqualitat wurde seitens der\nBeklagten ausfuhrlich mit Schriftsatz vom 15.04.2004 unter Vorlage eines\nMaterialprufungsgutachtens der Fa. K+M Ingenieurgesellschaft mbH vom\n24.03.2004 thematisiert und mit der Behauptung verbunden, es lagen in weiten\nBereichen Mangel infolge unzureichender Mortelqualitat vor. Im Senatstermin\nvom 02.11.2004 wurde dies durch ein Angebot der Fa. S+M R. Bau GmbH vom\n23.06.2004 konkretisiert, das fur die Sanierung im Eingangsbereich und Mall zu\nKosten im Gesamtbetrag von 234.162,30 Euro kommt. \n--- \n--- \n| 103 \n--- \n| Der Senat hat erwogen, ob dieser Sachvortrag der Beklagten als verspatet i.\nS. d. §§ 523, 296 Abs. 2 ZPO a. F. zuruckzuweisen ist. Dies ist jedoch zu\nverneinen, da jedenfalls nicht davon ausgegangen werden kann, dass die\nVerspatung auf grober Nachlassigkeit beruht. Dabei ist insbesondere zu\nberucksichtigen, dass die Beklagten die Frage der behaupteten unzureichenden\nMortelqualitat auch schon vorher im Verlauf des Verfahrens - wenn auch in\nverkurzter Form mehrfach in Stellungnahmen zu den Gutachten des\nSachverstandigen Ö. angesprochen und insoweit erganzende labormaßige\nUntersuchungen angeregt hatten (vgl. Schriftsatze vom 22.01.1999, 01.04.1999,\n02.07.2002 und 04.03.2004). Der Sachverstandige hatte in seinem 2.\nErganzungsgutachten vom 23.10.2003 (Blatt 12-16) die Durchfuhrung derartiger\nUntersuchungen abgelehnt, jedoch die Moglichkeit aufgezeigt, diese\nnachzuholen. Wenn die Beklagten dann unter diesen Umstanden ihrerseits aktiv\nwurden und die fachtechnische Stellungnahme in den Prozess einfuhren, kann von\neiner groben Nachlassigkeit nicht ausgegangen werden. \n--- \n--- \n| 104 \n--- \n| b) Die Frage der angeblich fehlerhaften Mortelqualitat und des Umfangs der\ndadurch moglicherweise weitergehenden Mangel kann auf der Grundlage des bisher\nvorliegenden Beweisergebnisses nicht abschließend entschieden werden. Der\nSachverstandige Ö. sieht die Moglichkeit, durch erganzende Untersuchungen\ninsoweit weitere Klarheit zu erzielen (vgl. 3. Erganzungsgutachten Blatt 16\nff.). Zwar sind die Bohrungen in vorgeschadigten Bereichen erfolgt, wobei der\nSachverstandige in den Sanierungskosten insoweit eine vollstandig neue\nVerlegung des Mortels vorgesehen hatte (vgl. Anhorung im Senatstermin II\n1651). Der Sachverstandige hat allerdings eine durch eine unzureichende\nMortelqualitat bedingte Vergroßerung des Schadens als moglich angesehen,\nsoweit diese in großen Flachen vorhanden sein sollte. Insbesondere zu dem\nnunmehr vorgelegten Kostenvoranschlag vermochte der Sachverstandige ohne\nnahere Untersuchungen keine nahere Stellung zu nehmen (II 1651). Unter diesen\nUmstanden bedarf die Frage des Vorliegens weiterer Mangel und eines sich\ndaraus moglicherweise ergebenden weitergehenden Aufwendungsersatzanspruchs der\nBeklagten noch der Abklarung durch Einholung eines erganzenden\nSachverstandigengutachtens. \n--- \n--- \n| 105 \n--- \n| c) Unter den dargelegten Umstanden hielt der Senat nicht zuletzt mit\nRucksicht auf die uberlange Dauer des vorliegenden Rechtsstreits den Erlass\neines Vorbehaltsurteils gem. § 302 ZPO fur angezeigt. Dabei wird nicht\nverkannt, dass im vorliegenden Fall moglicherweise keine Aufrechnung im\ntechnischen Sinn, sondern eine bloße Verrechnung in Frage steht insbesondere\nsoweit auch Schadensersatzanspruche im Raum stehen. Nach Sinn und Zweck des\nals prozessuale Neuregelung auch im vorliegenden Verfahren bereits anwendbaren\n§§ 302 Abs. 1 ZPO n. F. muss aber die gebotene weite Auslegung auch die\nvorliegende Fallkonstellation erfassen (vgl. Zoller/Vollkommer, ZPO, 24.\nAuflage, § 302 Rn. 4 m. w. N.). \n--- \n--- \nVI. \n--- \n| 106 \n--- \n| Der von der Klagerin ab 01.04.1994 geltend gemachte und auf Verzug\ngestutzte Zinsanspruch ist jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Eroffnung des\nInsolvenzverfahrens unbegrundet. Wie dargelegt standen den Beklagten namlich\numfangreiche Gewahrleistungsanspruche zu. Die danach gegebene und von ihnen\nauch geltend gemachte Einrede des nicht erfullten Vertrages gem. § 320 BGB\nschloss den Eintritt des Verzuges aus. Dies gilt fur die Gesamtklageforderung,\nda die Beklagten unter Berucksichtigung eines Druckzuschlags zur Zuruckhaltung\ndes gesamten Betrages zumindest bis zur Eroffnung des Insolvenzverfahrens\n(vgl. oben III/2) berechtigt waren. Fur die Zeit danach scheidet ein\nZinsanspruch aus einem Betrag in Hohe von 170.712,68 Euro aus, da die Klage\ninsoweit bereits endgultig abgewiesen wurde. Die zuerkannte Forderung ist erst\nab Eroffnung des Insolvenzverfahrens zu verzinsen, da zu diesem Zeitpunkt, wie\ndargelegt, die Einrede des nicht erfullten Vertrags weggefallen ist.\nAllerdings konnten nur gesetzliche Zinsen gem. § 288 Abs. 1 BGB zuerkannt\nwerden. Die mit Schriftsatz vom 25.10.2004 vorgelegten Zinsbescheinigungen\n(II, 1565-1577) enthalten keine Angaben, wie sich die Zinsen bis heute\nentwickelt haben. Auch ist offen, wie sich der Eintritt der Insolvenz auf das\nKreditverhaltnis ausgewirkt hat. \n--- \n--- \n| 107 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Die\nAnordnung der vorlaufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. \n--- \n--- \n| 108 \n--- \n| Eine Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da die Voraussetzungen\ndes § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht erfullt sind. \n---\n\n
141,610
vg-sigmaringen-2005-12-13-1-k-209605
159
Verwaltungsgericht Sigmaringen
vg-sigmaringen
Sigmaringen
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 K 2096/05
2005-12-13
2019-01-08 22:10:43
2019-01-17 12:01:47
Beschluss
## Tenor\n\nDie Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,\n\ndie Antragstellerin im Wintersemester 2005/2006 zum Praktikum der Biologie fur\nMediziner zuzulassen,\n\nder Antragstellerin die Teilnahme am Praktikum Physik fur Mediziner, am\nPraktikum Chemie fur Mediziner, am Seminar der Medizinischen Psychologie und\nMedizinischen Soziologie, am Seminar Anatomie/Kurs Terminologie und am Seminar\n„Schmerz lass nach!" spatestens bis zum Ablauf des Sommersemesters 2006 zu\nermoglichen und ihr\n\nspatestens am 15. Januar 2006 einen Plan vorzulegen, aus dem ersichtlich ist,\nin welcher Weise die Teilnahme an diesen Praktika und Seminaren ermoglicht\nwird.\n\nDie Antragsgegnerin tragt die Kosten des Verfahrens.\n\nDer Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Antrag hat Erfolg. Er ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin\nzulassig. Das Gericht macht von dem ihm eingeraumten Gestaltungsermessen (§\n123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 ZPO) in der aus dem Tenor ersichtlichen Weise\nGebrauch. \n--- \n| 2 \n--- \n| Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige\nAnordnung zur Regelung eines vorlaufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges\nRechtsverhaltnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile\nnotwendig erscheint. Voraussetzung fur den Erlass einer einstweiligen\nAnordnung ist nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO, dass ein Anspruch\nglaubhaft gemacht wird, dessen vorlaufiger Sicherung die begehrte Anordnung\ndienen soll (Anordnungsanspruch) und dass Grunde glaubhaft gemacht werden, die\neine gerichtliche Eilentscheidung erforderlich machen (Anordnungsgrund). \n--- \n| 3 \n--- \n| Ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht. Das Studium der Antragstellerin\nwurde sich in unzumutbarer Weise verzogern, wenn sie auf den Rechtsschutz in\nder Hauptsache verwiesen wurde. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.\nSie ist auf Grund des Beschlusses der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts\nSigmaringen vom 08.11.2005 - NC 6 K 502/05 - von der Antragsgegnerin vorlaufig\nzum Studium der Humanmedizin zugelassen worden. Sie kann daher - der Beschluss\nvom 08.11.2005 ist trotz der dagegen eingelegten Beschwerde vollziehbar - alle\nRechte eines Studierenden in Anspruch nehmen. Dazu gehort auch das Recht zur\nTeilnahme an Lehrveranstaltungen ihrer Wahl (vgl. § 4 Abs. 4 HRG, § 3 Abs. 4\nLHG i.V.m. Art. 12 GG). Gemaß § 30 Abs. 5 Satz 1 LHG kann die Fakultat das\nRecht zur Teilnahme an Lehrveranstaltungen (nur) beschranken, wenn ansonsten\neine ordnungsgemaße Ausbildung nicht gewahrleistet werden konnte oder die\nBeschrankung aus sonstigen Grunden der Forschung, Lehre oder Krankenversorgung\nerforderlich ist. Die Beschrankung der Teilnehmerzahlen hat unter strenger\nWahrung des Verhaltnismaßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (vgl. VGH Baden-\nWurttemberg, Urteil vom 31.05.1979 - IX 4099/78 -, zitiert nach juris). Dies\nmuss insbesondere dann gelten, wenn es sich um Lehrveranstaltungen handelt,\nauf die der Studierende fur den erfolgreichen Abschluss seines Studiums\nzwingend angewiesen ist. Das ist hier der Fall, die Antragstellerin kann ohne\ndie regelmaßige und erfolgreiche Teilnahme an den streitgegenstandlichen\nPraktika und Kursen, welche durch einen sog. „Schein" nachzuweisen ist, nicht\nzur Ärztlichen Vorprufung zugelassen werden. Dass sie nur vorlaufig zum\nStudium zugelassen ist, rechtfertigt es nicht, sie praktisch von allen\nscheinpflichtigen Veranstaltungen auszuschließen. Vielmehr wurde dies dem\nZweck der vorlaufigen Zulassung, bis zu einer Klarung in der Hauptsache einen\nRechtsverlust der Antragstellerin zu vermeiden, zuwiderlaufen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Auf die Erforderlichkeit der Beschrankung der Teilnehmerzahl der\nbetreffenden Praktika und Kurse aus Kapazitatsgrunden kann sich die\nAntragstellerin (anders als in dem Fall, der dem Beschluss des VGH Baden-\nWurttemberg vom 27.10.1992 - 9 S 2493/92 - zu Grunde liegt) hier\nvoraussichtlich schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil nach dem\nBeschluss vom 08.11.2005 - NC 6 K 502/05 - vorlaufig davon auszugehen ist,\ndass sie ihre Aufnahmekapazitat nicht ausgeschopft hat. Es ist daher auch im\nvorliegenden Verfahren davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin\ngrundsatzlich uber die erforderlichen Kapazitaten verfugt, um eine\nordnungsgemaße Ausbildung auch der 48 nachtraglich zugelassenen\nStudienbewerber zu ermoglichen. Das Gericht verkennt nicht die praktischen\nSchwierigkeiten, die sich daraus ergeben, dass die Antragsgegnerin bei der\nOrganisation des Studienbetriebs fur das Wintersemester 2005/2006 von einer\ngeringeren Zulassungszahl ausgegangen, nach Semesterbeginn aber zur Aufnahme\nweiterer Studenten verpflichtet worden ist. Auch ist dem Gericht bewusst, dass\nbei der dem Beschluss vom 08.11.2005 zu Grunde liegenden Kapazitatsermittlung\nPersonal einbezogen wurde, das der Antragsgegnerin zwar rechnerisch zuzuordnen\nist, ihr tatsachlich aber derzeit nicht zur Verfugung steht. Es ist jedoch\nAufgabe der Antragsgegnerin, in deren Verantwortungsbereich die Festlegung\neiner zu geringen Zulassungszahl fallt, die erforderlichen organisatorischen\nMaßnahmen zu treffen, um der Antragstellerin ein ordnungsgemaßes Studium zu\nermoglichen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Sie kann dabei die Antragstellerin nicht darauf verweisen, die an sich fur\ndas erste Semester vorgesehenen Praktika und Seminare, zu denen die\nAntragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung zugelassen werden will,\nerst dann zu besuchen, wenn diese in kunftigen Semestern regular angeboten\nwerden. Denn die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass sie dadurch ein\nStudienjahr verlieren wurde. Die fraglichen Veranstaltungen werden - mit\nAusnahme des wohl fur Teile der Studierenden auch im Sommersemester\ndurchgefuhrten Seminars der Medizinischen Psychologie und Medizinischen\nSoziologie - regular nur im Wintersemester durchgefuhrt. Das Gericht hat\nkeinen Grund, an den diesbezuglichen Angaben der Antragstellerin zu zweifeln,\ndenen die Antragsgegnerin nicht widersprochen hat und die auch mit den auf der\nInternet-Homepage der Antragsgegnerin veroffentlichten Informationen\nubereinstimmen. Die Antragstellerin konnte daher in ihrem dritten Fachsemester\n(Wintersemester 2006/2007) erstmals die regular fur das erste Semester\nvorgesehenen Veranstaltungen besuchen. Eine gleichzeitige Teilnahme an den fur\ndas 3. Semester vorgesehenen scheinpflichtigen Veranstaltungen ist ihr nicht\nnur aus zeitlichen Grunden, sondern auch auf Grund der Regelungen in § 2 Abs.\n3 der Studienordnung der Universitat Ulm bis zum Ersten Abschnitt der\nÄrztlichen Prufung des Studiengangs Humanmedizin (Vorklinik) vom 02.08.2005\n(nachfolgend: Studienordnung) nicht moglich, wonach die Teilnahme an\nbestimmten Veranstaltungen hoherer Semester die vorherige erfolgreiche\nTeilnahme an anderen Veranstaltungen, zu denen teilweise auch die hier\nstreitgegenstandlichen gehoren, voraussetzt. Zwar sind auch der\nAntragstellerin gewisse Unannehmlichkeiten und Verzogerungen zuzumuten, die\nsich aus der erst nachtraglichen Zulassung zum Studium ergeben. Der Verlust\nvon zwei Semestern erscheint aber im Hinblick auf Art. 12 GG nicht zumutbar. \n--- \n| 7 \n--- \n| Eine Zulassung der Antragstellerin zu den im Wintersemester 2005/2006\nangebotenen Kursen und Praktika kommt nur noch hinsichtlich des Praktikums der\nBiologie fur Mediziner in Betracht. Dieses beginnt nach dem Vortrag der\nAntragstellerin, an dessen Richtigkeit auch angesichts der Veroffentlichungen\nauf der Internet-Homepage der Antragsgegnerin keine Zweifel bestehen, erst im\nJanuar 2006. Der Antragstellerin ist daher die fur den Erwerb eines Scheines\nnotwendige regelmaßige Teilnahme noch moglich. Die Antragsgegnerin kann sich\ndemgegenuber nicht auf die Auslastung der Kurse berufen. Wie oben dargestellt\nist vorlaufig davon auszugehen, dass sie uber weitere Kapazitaten verfugt.\nDass die Aufnahme der Antragstellerin in dieses Praktikum zu unzumutbaren\nFolgen fur den Studienbetrieb fuhrt, ist nicht geltend gemacht oder sonst\nersichtlich. \n--- \n| 8 \n--- \n| Hinsichtlich der ubrigen streitgegenstandlichen Lehrveranstaltungen wurde\neine Zulassung zu den laufenden Kursen dem Begehren der Antragstellerin nicht\ngerecht. Sie hat ausdrucklich klargestellt, dass ihre Antrage weit zu\nverstehen sind und es ihr vor allem darum geht, kein Studienjahr zu verlieren.\nEine erfolgreiche Teilnahme an den laufenden Kursen ist der Antragstellerin\naller Voraussicht nach nicht mehr moglich, da diese schon so weit\nfortgeschritten sind und die Antragstellerin so viele Veranstaltungen versaumt\nhat, dass die nach der Ärztlichen Approbationsordnung erforderliche\nregelmaßige Teilnahme nicht mehr nachgewiesen werden kann. Selbst wenn sie\njetzt noch zugelassen wurde, musste sie folglich diese Kurse noch einmal in\neinem kunftigen Semester absolvieren, was - wie oben ausgefuhrt - zu dem\nVerlust eines Studienjahres fuhren wurde. \n--- \n| 9 \n--- \n| Dem auf Grund der vorlaufigen Zulassung zu dem Studiengang berechtigten\nInteresse der Antragstellerin an der Moglichkeit, in einem angemessenen\nzeitlichen Rahmen die erforderlichen Scheine zu erwerben, kann die\nAntragsgegnerin daher nur durch die Einrichtung zusatzlicher\nLehrveranstaltungen Rechnung tragen. Davon geht offenbar auch die\nAntragsgegnerin aus. Sie hat durch ihren Prozessbevollmachtigten und durch\nVorlage einer Stellungnahme des Studiendekans mitgeteilt, dass sie das Angebot\nzusatzlicher Veranstaltungen in den Semesterferien ab Mitte/Ende Februar 2006\nin Erwagung ziehe. Eine endgultige Entscheidung wolle sie jedoch erst im\nAnschluss an die Vorlesungszeit treffen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Antragsgegnerin hat einen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der\nkonkreten Organisation der zusatzlichen Veranstaltungen. Die Antragstellerin\nkann insbesondere nicht beanspruchen, dass diese alle noch wahrend des\nlaufenden Wintersemesters oder gar wahrend der Vorlesungszeit angeboten\nwerden. Das Gericht ist jedoch bei Abwagung der Interessen der Beteiligten der\nAuffassung, dass der Antragstellerin die Moglichkeit eroffnet werden muss,\nspatestens im Wintersemester 2006/2007 in den regularen Studienbetrieb des 3.\nSemesters ubergehen zu konnen. Daher konnen, solange dies mit den\nVeranstaltungen, die im 2. Semester fur ein erfolgreiches Studium zwingend zu\nbesuchen sind, zu vereinbaren ist, auch noch wahrend des Sommersemesters 2006\neinzelne Zusatzveranstaltungen stattfinden. Soweit - etwa fur das Seminar der\nMedizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie - bereits\nVeranstaltungen vorgesehen sind, ist es der Antragstellerin auch zuzumuten, an\ndiesen teilzunehmen. Die Ausgestaltung im einzelnen obliegt der\nAntragsgegnerin. \n--- \n| 11 \n--- \n| Wie die Antragsgegnerin jedoch selbst mitgeteilt hat, ist es aus\norganisatorischen und personaltechnischen Grunden unmoglich, die benotigten\nZusatzveranstaltungen „von heute auf morgen" anzubieten. Es ist daher nicht\nersichtlich, wie es der Antragsgegnerin noch moglich sein sollte, die\nLehrveranstaltungen rechtzeitig anzubieten, wenn sie erst im Anschluss an die\nVorlesungszeit die erforderlichen Planungen und Entscheidungen vornimmt. Es\nerscheint vielmehr wahrscheinlich, dass ein Zuwarten bis zu diesem Zeitpunkt\ndas Recht der Antragstellerin auf die Moglichkeit zur Teilnahme in einem\nangemessenen zeitlichen Rahmen vereiteln wurde. Daher halt es das Gericht\nerforderlich, der Antragsgegnerin - wie aus dem Tenor ersichtlich - eine\nfruhere Planung aufzugeben, auch um der Antragstellerin ein gewisses Maß an\nVoraussehbarkeit zu ermoglichen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die\nStreitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG (halber\nAuffangwert). \n---\n\n
159,883
arbg-karlsruhe-2007-12-06-8-ca-29507
119
Arbeitsgericht Karlsruhe
arbg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Arbeitsgerichtsbarkeit
8 Ca 295/07
2007-12-06
2019-01-10 10:06:42
2019-01-17 12:04:43
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Beklagte wird verurteilt, an den Klager 7.724,58 EUR brutto zuzuglich\nZinsen in Hohe von 5 %Punkten uber dem Basiszinssatz aus jeweils 1.287,43 EUR\nbrutto seit dem 01.02.2007, 01.03.2007, 01.04.2007, 01.05.2007, 01.06.2007\nsowie seit 01.07.2007 zu zahlen.\n\n2\\. Die Beklagte wird verurteilt, an den Klager 5.149,72 EUR brutto zuzuglich\nZinsen in Hohe von 5 %Punkten uber dem Basiszinssatz aus jeweils 1.287,43 EUR\nbrutto seit dem 01.08.2007, 01.09.2007, 01.10.2007 sowie seit 01.11.2007 zu\nzahlen.\n\n3\\. Die Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n4\\. Der Streitwert wird auf 12.874,30 EUR festgesetzt.\n\n5\\. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen (ihre Zulassigkeit fur die\nBeklagte kann sich bereits aus § 64 Abs. 2 b ArbGG ergeben).\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Mit seiner am 19.07.2007 beim Arbeitsgericht Karlsruhe eingegangenen und\nmit Schriftsatz vom 09.11.2007 erweiterten Klage begehrt der Klager von der\nBeklagten monatliche Zahlung eines Schadensersatzes aus einer Vereinbarung der\nParteien uber die Beendigung ihres Arbeitsverhaltnisses. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Das Arbeitsverhaltnis endete nach Vollendung des 54ten Lebensjahres des\nKlagers mit Ablauf des 31.01.2002 aufgrund der Auflosungsvereinbarung vom\n11.07.2001 (vgl. Kopie Blatt 14/15 der Akten). Bezuglich der Bedingungen der\nBeendigung des Arbeitsverhaltnisses wurden die Regelungen eines Sozialplans\neines anderen Unternehmens vom 30.11.2000 im Bezug genommen (vgl. Kopie Blatt\n16 bis 28 der Akten). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Sozialplan sah, soweit fur vorliegenden Rechtsstreit von Bedeutung,\nfolgendes vor: \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| _" § 4 Fruhpensionierung_ \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| _1\\. Mitarbeiter/innen, die vom Geltungsbereich des Sozialplans erfasst\nsind und im Falle des Au ßendienstes zusatzlich die Voraussetzungen nach § 6\nerfullen, erhalten bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhaltnis nach Vollendung\ndes 55. Lebensjahres Fruhpensionierungsleistungen nach diesem Abschnitt, es\nsei denn, es wurde oder wird eine Altersteilzeitvereinbarung abgeschlossen.\nBestehende Altersteilzeitvereinbarungen werden fortgefuhrt. Ein Ausscheiden\nmit Abfindung (§ 5) ist ausgeschlossen._ \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| _2\\. Die Fr uhpensionierungsleistungen bestehenden aus folgenden\nKomponenten:_ \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| \n--- \n| _a) Laufende Zusch usse zum Arbeitslosengeld_ \n--- \n| _b) Wahlweise Zusammenfassung der Zusch usse zu einer Einmalzahlung_ \n--- \n| _c) Zurechnungszeiten f ur Betriebsrente_ \n--- \n| _d) Abschluss einer Direktversicherung zum Ausgleich von Rentenabschl agen\nin der gesetzlichen Rentenversicherung_ \n--- \n| _e) Gew ahrung des vollen betrieblichen Urlaubs- und Weihnachtsgeldes im\nAustrittsjahr_ \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| _3\\. Laufende Zusch usse zum Arbeitslosengeld_ \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| _a) Mitarbeiter/innen, die nachweisen, dass sie arbeitslos gemeldet sind,\nerhalten f ur die Dauer des Bezugs von Arbeitslosengeld eine monatliche\nAufzahlung auf 100 % ihres monatlichen Nettoverdienstes._ \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| _b) Mitarbeiter/innen, die nach Aussch opfung der maximalen Bezugsdauer des\nArbeitslosengeldes weiterhin arbeitslos gemeldet sind, erhalten die 100\n%-Nettoaufstockung unter Berucksichtigung eventuell gezahlter\nArbeitslosenhilfeleistungen._ \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| _c) Bei der Ermittlung des monatlichen Nettoverdienstes wird das letzte\nBrutto-Monatsentgelt vor dem Ausscheiden ohne Mehrarbeitsverg utung, Pramien,\nBoni, vermogenswirksame Leistungen und sonstige Zuschlage zuzuglich 1/12 des\nWeihnachtsgeldes sowie 1/12 des Urlaubsgeldes in der wahrend des Bestands des\nArbeitsverhaltnisses zuletzt gezahlten Hohe berucksichtigt._ \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| _Der sich insgesamt ergebende Bruttobetrag wird um die aufgrund der\nbisherigen Steuerklasse anfallenden Steuern, Solidarit atszuschlag und\nSozialversicherungsbeitrage, jedoch ohne Berucksichtigung personlicher\nFreibetrage vermindert._ \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| _d) Die Aufzahlung gem aß a) und b) wird langstens bis zum dem Zeitpunkt\ngewahrt, ab dem der/die Mitarbeiter/in fruhestmoglich Altersruhegeld aus der\ngesetzlichen Rentenversicherung oder vergleichbare Leistungen einer\nVersicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versorgungsunternehmens\nbeziehen kann, auch soweit dies mit versicherungsmathematischen Abschlagen\nverbunden ist._ \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| _e) Die Aufzahlung entsteht jeweils r uckwirkend fur die Dauer des Bezugs\nvon Arbeitslosengeld im vorangegangenen Kalendermonat. Sie ist fruhestens nach\nVorlage eines entsprechenden Bezugsnachweises durch den/die Mitarbeiter/in\nfallig._ \n--- \n--- \n_..."_ \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Klager erhielt daraufhin bis zum Ende des Arbeitslosengeldbezuges am\n21.03.2004 die vereinbarte Nettodifferenzzahlung. Mit einem Kurzbrief vom\n25.02.2004 (vgl. Kopie Blatt 36 der Akten) teilte der Klager das Ende der\nBezuge des Arbeitslosengeldes mit und bat um Berucksichtigung dieses Umstandes\nbei den zukunftigen Zahlungen. Eine weitere Arbeitslosmeldung bei der\nBundesagentur fur Arbeit durch den Klager erfolgte nicht, da er davon ausging\nauf Leistungen keinen Anspruch zu haben. Dennoch zahlte die Beklagte gemaß der\nAuflosungsvereinbarung der Parteien den 100 %-igen Aufstockungsbetrag.\nInsgesamt betrug die Zahlung 6.665,00 DM unter Einschluss der\nP.-Betriebsrente. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Mit Schreiben vom 15.11.2006 (vgl. Kopie Blatt 39 der Akten) teilte der\nKlager der Beklagten mit, dass er versucht habe, Altersrente zum 01.02.2007 zu\nbeantragen (wegen Erreichung des 60. Lebensjahres), dass ihm die Gewahrung der\nRente allerdings mit der Begrundung abgelehnt worden sei, dass in den letzten\n10 Jahren vor Beginn der Rente mindestens acht Jahre Pflichtbeitrage hatten\nbezahlt sein mussen. Mit Schreiben vom 22.12.2006 (vgl. Kopie Blatt 40 der\nAkten) teilte die Beklagte dem Klager mit, dass sie Gesprache mit der\ndeutschen Rentenversicherung und der Agentur fur Arbeit im Januar 2007 fuhren\nwerde und dass weiterhin die externen Berater der Beklagten herangezogen\nseien, um den Fall nochmals individuell zu prufen. Mit Schreiben vom\n19.01.2007 (vgl. Kopie Blatt 41 der Akten) teilte die Beklagte dem Klager mit,\ndass sich nach Rucksprache mit der deutschen Rentenversicherung ergeben habe,\ndass ein Rentenbezug in seinem Falle ab dem 01.02.2007 nicht moglich sei, da\nin den letzten zehn Jahren vor Rentenbeginn keine acht Jahre Pflichtbeitrage\nerreicht seien. Über eine durchgehende Meldung bei der Agentur fur Arbeit habe\ndieser 10-Jahres-Zeitraum durch sog. Anrechnungszeiten entsprechend verlangert\nwerden konnen, sodass einem Rentenbezug ab dem 01.02.2007 nichts im Wege\ngestanden hatte. Leider hatten die Gesprache zur Klarung kein positiveres\nErgebnis erbracht. \n--- \n| 17 \n--- \n| Nur im Falle einer nicht richtig durchgefuhrten Beratung der Agentur fur\nArbeit/Deutsche Rentenversicherung konne die fehlende Meldung nachtraglich\ngeheilt werden. Ob ein solcher Heilungsgrund vorliege, konne jedoch nur der\nKlager personlich beurteilen und dieser solle dies auch mit den lokalen\nAnsprechpartnern der Agentur fur Arbeit/Deutsche Rentenversicherung\nabsprechen. Gemaß § 4 Abs. 3 d des fur den Klager geltenden Sozialplans\nerfolge die Aufstockungszahlung bis zum fruhest moglichen Rentenbeginn in der\ngesetzlichen Rentenversicherung, was in seinem Fall der 01.02.2007 gewesen\nsei. Der Hinweis auf die geforderte durchgehende Meldung bei der Agentur fur\nArbeit sei § 4 Abs. 3 a zu entnehmen, der besage, dass die Aufstockungszahlung\nnur gezahlt werde, solange die Arbeitslosigkeit nachgewiesen werde. Somit sei\nuber den Sozialplan gewahrleistet, dass die Voraussetzungen der Deutschen\nRentenversicherung in den letzten zehn Jahren vor Rentenbeginn mindestens acht\nJahr Pflichtbeitrage zu erbringen (ggf. unter Berucksichtigung der oben\nerwahnten Anrechnungszeiten), stets erfullt sei. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Beklagte stellte daher mit Ablauf des Monats Januar 2007 die Zahlung\ndes Aufstockungsbetrags ein. Unabhangig von der nicht bewilligten Altersrente\nerhielt der Klager mit der Vollendung des 60. Lebensjahres aus der gemaß\nAblosungsvertrag abgeschlossenen zusatzlichen Rentenversicherung einen Betrag\nvon 310,00 EUR monatlich sowie aus dem Versorgungswerk der Beklagten in Hohe\nvon 750,00 EUR. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung hatte die vorgezogene\ngesetzliche Altersrente des Klagers ab 01.02.2007 monatlich 1.287,43 EUR\nbrutto betragen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Klager behauptet, zu keiner Zeit seien die Regelungen des Sozialplanes\nzur Fruhpensionierung ihm naher erlautert worden. Insbesondere sei er zu\nkeinem Zeitpunkt daruber informiert worden, dass er sich auch dann arbeitslos\nbei der Agentur fur Arbeit zu melden habe, wenn er aufgrund seiner\nVermogensverhaltnisse keine Arbeitslosenhilfe beanspruchen konne. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Es sei lediglich der grobe Ablauf erlautert worden, d. h.\nAuflosungsvereinbarung, darauf folgend Freistellung, darauf folgend\nArbeitslosengeldbezug, auf 100 % netto aufgestockt, darauf folgend\nWeiterzahlung der 100 % Nettoaufstockung bis zur Altersrente, danach\nAltersrente. Fur den Klager sei in dem mundlichen Gesprach vor Abschluss des\nAuflosungsvertrages lediglich erheblich gewesen, ob er nach dem Ende des\nArbeitslosengeldbezugszeitraums noch irgendetwas mit dem Arbeitsamt zu tun\nhabe. Dabei sei es ihm aber nicht um Fragen nach weiteren Zahlungen des\nArbeitsamts gegangen, sondern nur darum, ob er sich nach Auslaufen des\nArbeitslosengeldbezugszeitraumes noch in irgendeiner Art und Weise gegenuber\ndem Arbeitsamt verhalten und insbesondere sich weiter melden musse.\nHintergrund dieser Frage sei gewesen, dass der Klager habe wissen wollen, ob\ner Einschrankungen hinsichtlich Urlaubsreisen sowie der diesbezuglichen Dauer\nhabe, bzw. ob er sich sonst irgendwie regelmaßig weiter ruckmelden musse. Vom\nPersonalleiter sei dem Klager hierauf ausdrucklich erklart worden, dass er\nnach Auslaufen des Arbeitsgeldbezugszeitraumes nichts mehr mit der Agentur fur\nArbeit zu tun habe, sich also insbesondere nicht mehr (ruck-)melden musse. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Klager ist der daher der Auffassung, er habe gegen die Beklagte\nentweder aus der Auflosungsvereinbarung in Verbindung mit dem Sozialplan einen\nAnspruch auf Fortzahlung des 100 %-igen Nettoaufstockungsbetrages bis zum\ntatsachlichen Renteneintritt oder unter dem Gesichtspunkts des\nSchadensersatzes wegen unterlassener Information und Auskunft uber die vom\nKlager vorzunehmenden Handlungen einen Anspruch auf Zahlung der ihm\nentgangenen monatlichen Rentenbetrage in Hohe von 1.287,43 EUR. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Der Klager beantragt daher, \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| **die Beklagte zu verurteilen, an den Kl ager 7.724,58 EUR brutto zzgl.\nZinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz aus jeweils\n1.287,43 EUR brutto seit dem 01.02.2007, 01.03.2007, 01.04.2007, 01.05.2007,\n01.06.2007 sowie seit 01.07.2007 zu bezahlen;** \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| **die Beklagte zu verurteilen, an den Kl ager weitere 5.149,72 EUR brutto\nzzgl. Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz aus jeweils\n1.287,43 EUR brutto seit dem 01.08.2007, 01.09.2007, 01.10.2007 sowie seit\n01.11.2007 zu bezahlen.** \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Beklagte beantragt \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| **die Klage abzuweisen.** \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Beklagte behauptet, im Vorfeld des Abschlusses des Auflosungsvertrages\nsei dem Klager das Vorruhestandsmodell einschließlich der Bestimmungen des\nSozialplans vom 30.11.2000 durch den damaligen Personalleiter und den\ndamaligen Verkaufsleiter in einem Gesprach im Juni 2001 erlautert worden. In\nallen Gesprachen sei durch den Personalleiter ausdrucklich darauf hingewiesen\nworden, dass sich die Mitarbeiter beim Arbeitsamt fur die gesamte Dauer des\nVorruhestandes zu melden haben. Auf die hierbei haufig gestellte Frage, was\npassiere, wenn kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe bestehe, habe er stets\ngeantwortet, dass die Mitarbeiter nach dem Antrag und einer negativen\nBescheidung durch das Arbeitsamt kein Geld mehr vom Arbeitsamt bekamen und\ndass die Beklagte dann 100 % des fruheren Nettobetrages ausgleiche. Insofern\nhabe der Mitarbeiter dann (nach der Meldung und negativen Bescheidung) nichts\nmehr mit dem Arbeitsamt zu tun. Zu keiner Zeit sei mitgeteilt worden, dass von\nvorneherein ein Antrag auf Arbeitslosenhilfe nicht erforderlich sei. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die personlichen Fragen des Klagers in dem Gesprach hatten sich um die\nFrage nach dem Arbeitslosengeld und der Aufstockung durch P. gedreht. Der\nKlager habe sich erkundigt, was passieren wurde, wenn das Arbeitslosengeld\nauslaufe oder reduziert werde. Die Antwort des Personalleiters hierzu sei\ngewesen, dass dann P. die Zahlung entsprechend aufstocke, sodass der Klager\ninsgesamt immer 100 % Nettoaufstockung erhalte. Auch auf die Frage nach\ngesetzlichen Änderungen, die unter Umstanden das Arbeitslosengeld reduzieren\nkonnten, sei die Antwort gewesen, dass P. dann den Differenzbetrag\nentsprechend aufstocken werde. Das weitere Vorgehen sei in der Art und Weise\nbesprochen worden, dass der Klager sich zunachst erstmalig bei der Agentur fur\nArbeit melden musse und dann die darauf folgenden regelmaßigen Termine\nentsprechend einzuhalten habe. Auf die Frage des Klagers nach evtl.\nVermittlungsversuchen seitens der Agentur fur Arbeit habe der Personalleiter\nihm die Information gegeben, dass dies in der Theorie schon vorkommen konne,\nin der Praxis jedoch bei alteren Personen, insbesondere bei Personen alter als\n58 Jahre, wenn uberhaupt nur sehr selten der Fall sei. Falls doch\nVermittlungsversuche unternommen wurden, und der Klager sich nicht kooperativ\nzeige, konne im schlimmsten Fall eine Sperrzeit eintreten. Die finanzielle\nDifferenz wurde allerdings analog der zuvor gestellten Falle von P.\nausgeglichen werden. Die Aussage "insofern hat er dann nichts mehr mit dem\nArbeitsamt zu tun" sei lediglich im Zusammenhang mit den Zahlungen gefallen,\nnicht aber im Rahmen der regularen Meldung bei der Agentur fur Arbeit. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Beklagte habe beim Klager, wie bei anderen Arbeitnehmern in\nvergleichbaren Fallen auch, nach Auslaufen des Arbeitslosengeldes eine\nformlose Mitteilung akzeptiert, ohne einen Nachweis der Arbeitslosmeldung zu\nfordern. Die Beklagte sei hierbei davon ausgegangen, dass die Mitarbeiter\nentsprechend den Bestimmungen der Vorruhestandsregelung weiterhin arbeitslos\ngemeldet seien. Dies habe einerseits den Verabredungen in den\nAuflosungsvereinbarungen entsprochen, andererseits dem vertrauensvollen\ngegenseitigen Umgang der Beklagten und ihrer Mitarbeiter. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Klager sei nach Kenntnis der Beklagten der einzige unter den ca. 100\nTeilnehmern des Vorruhestandsmodells bei der Beklagten, bei dem die\ndurchgehende Meldung beim Arbeitsamt unterblieben sei. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Beklagte ist der Auffassung, nach dem Rentenbescheid der\nBundesversicherungsanstalt fur Angestellte sei der fur den Klager mogliche,\nspatere Bezug der gesetzlichen Altersrente auf die unterbliebene durchgehende\nMeldung bei der Agentur fur Arbeit als arbeitslos zuruckzufuhren. Dieses\nVersaumnis beruhe nicht auf einer unterbliebenen oder unzureichenden\nInformation des Klagers uber die Voraussetzungen des Vorruhestandsmodells.\nEiner daruber hinaus gehenden Aufklarung des Klagers habe es insoweit nicht\nbedurft, als sich seine Verpflichtung zur Arbeitslosmeldung bereits aus den\nRegelungen des Sozialplanes eindeutig ergebe. Damit sei davon auszugehen, dass\ndem Klager auch die Verpflichtung zur Arbeitslosmeldung bekannt gewesen sei. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die ausreichende Information des Klagers ergebe sich auch aus einem\nSchreiben des Arbeitsamts H. anlasslich des Auslaufens des\nArbeitslosengeldanspruches des Klagers, in welchem der Klager darauf\nhingewiesen geworden sei, fur die weitere Beantragung von Arbeitslosenhilfe\ndas Merkblatt 1 fur Arbeitslose zur Berucksichtigung von Zeiten der\nArbeitslosigkeit in der Rentenversicherung zu beachten sei. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Der Klager konne den Aufstockungsbetrag auch nicht aus den Bestimmungen des\nSozialplanes bis zum nunmehr fruhest moglichen Rentenbeginn mit Ablauf des 63.\nLebensjahres beanspruchen, da die Aufstockungszahlung gemaß § 4 Ziff. 3 d des\nSozialplans langstens bis zu dem Zeitpunkt gewahrt werde, ab dem der\nMitarbeiter fruhest moglich Altersruhegeld aus der gesetzlichen\nRentenversicherung beziehen konne. Als fruhest moglicher Renteneintritt\nbezeichne der Sozialplan in § 4 Nr. 5 das 60. Lebensjahr. Der in der\nVorruhestandsvereinbarung vereinbarte Termin des fruhest moglichen\nRenteneintritts sei zu unterscheiden von dem tatsachlich moglichen\nRenteneintritt. Die Vereinbarung habe eine Verpflichtung des Klagers\nenthalten, alle seinerseits notwendigen Schritte zu unternehmen, um seinen\nRenteneintritt zum fruhest moglichen Zeitpunkt (hier: 60. Lebensjahr) zu\nermoglichen. Eine Verschiebung des fruhest moglichen Zeitpunkts auf den nachst\nmoglichen Zeitpunkt sei den Regelungen nicht zu entnehmen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Klage ist begrundet. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Der Klager hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von\nSchadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB und § 249 Abs. 1\nBGB in Hohe des entgangenen und der Hohe nach unstreitigen monatlichen\nRentenbetrages von jeweils 1.287,43 EUR fur die Monate Februar 2007 bis\nNovember 2007, da von der Beklagten eine ihr obliegende Aufklarungspflicht\ngegenuber dem Klager nicht erfullt wurde. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| **1.** Schlagt der dem Arbeitnehmer eine bestimmte Form der Beendigung des\nArbeitsverhaltnisses vor und macht er dabei Angaben uber die\nversorgungsrechtlichen Folgen einer derartigen Arbeitgeber Vorgehensweise, so\nmussen diese Angaben richtig sein, andernfalls verletzt der Arbeitgeber seine\nNebenpflichten aus dem Arbeitsverhaltnis (BAG 12. Dezember 2002 - 8 AZR 497/01\n- AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 25). \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Daruber hinaus mussen die Angaben unter Umstanden auch so vollstandig sein,\ndass fur den Arbeitnehmer keine neuen Gefahrenquellen entstehen. Anerkannt\nist, dass fur den Arbeitgeber Aufklarungs- und Informationspflichten uber die\narbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen eines Aufhebungsvertrages\ngrundsatzlich bestehen konnen. Inhalt und Umfang dieser Pflichten sind unter\nAbwagung der beiderseitigen Interessen und Moglichkeiten nach Treu und Glauben\n(§ 242 BGB) und unter Berucksichtigung samtlicher Umstande des Einzelfalles zu\nbestimmen (BAG Urteil vom 13. November 1996, Az: 10 AZR 340/96, NZA 1997,\n390-393 (Leitsatz 1 und Grunde; BAG 13. November 1984 - 3 AZR 255/84 - BAGE\n47, 169, 175). Die erkennbaren Informationsbedurfnisse des Arbeitnehmers\neinerseits und die Beratungsmoglichkeiten des Arbeitgebers andererseits sind\nstets zu beachten (vgl. ua. BAG 13. Dezember 1988 - 3 AZR 322/87 - AP Nr. 23\nBetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen, zu 1 a der Grunde). Bei der Beendigung\neines Arbeitsverhaltnisses konnen von einem Arbeitgeber besondere Hinweise auf\ndie arbeits- und sozialrechtlichen Folgen der Beendigung erwartet werden, wenn\nder Arbeitgeber erkennen muss, dass der Arbeitnehmer weiterer Informationen\nbedarf und er selbst die Auskunfte unschwer erteilen oder beschaffen kann (BAG\nUrteil vom 13. Dezember 1988 - 3 AZR 322/87 - AP Nr. 23 zu § 1 BetrAVG\nZusatzversorgungskassen). Zwar muss sich der Arbeitnehmer vor Abschluss eines\nAufhebungsvertrages regelmaßig selbst uber die Folgen der Beendigung seines\nArbeitsverhaltnisses Klarheit verschaffen (BAG, Urteil vom 21. Februar 2002,\nAz: 2 AZR 749/00, BB 2002, 2335-2339 (red. Leitsatz 1-2 und Grunde):. Den\nArbeitgeber treffen aber jedenfalls dann erhohte Hinweis- und\nAufklarungspflichten, wenn er im betrieblichen Interesse den Abschluss eines\nAufhebungsvertrages vorschlagt und dadurch den Eindruck erweckt, er werde bei\nder vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhaltnisses auch die Interessen des\nArbeitnehmers wahren und ihn nicht ohne ausreichende Aufklarung erheblichen\nRisiken fur den Bestand seines Arbeitsverhaltnisses aussetzen (vgl. BAG 17.\nOktober 2000 - 3 AZR 605/99 - AP BGB § 611 Fursorgepflicht Nr. 116 = EzA BGB §\n611 Fursorgepflicht Nr. 59; 3. Juli 1990 - 3 AZR 382/89 - AP BetrAVG § 1 Nr.\n24 = EzA BGB § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 7 zu Versorgungsrisiken). \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| **a.** Maßgebend fur den Rentenanspruch des Klagers waren nachfolgende\nRechtsnormen: \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| **§ 33 Rentenarten** \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| **(1)** Renten werden geleistet wegen Alters, wegen verminderter\nErwerbsfahigkeit oder wegen Todes. \n--- \n| 42 \n--- \n| **(2)** Renten wegen Alters sind \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. Regelaltersrente, \n--- \n| 2\\. Altersrente fur langjahrig Versicherte, \n--- \n| 3\\. Altersrente fur schwerbehinderte Menschen, \n--- \n| 4\\. Altersrente fur langjahrig unter Tage beschaftigte Bergleute sowie nach\nden Vorschriften des Funften Kapitels \n--- \n| 5\\. Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit, \n--- \n| 6\\. Altersrente fur Frauen. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| **(3)** Renten wegen verminderter Erwerbsfahigkeit sind \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, \n--- \n| 2\\. Rente wegen voller Erwerbsminderung, \n--- \n| 3\\. Rente fur Bergleute sowie nach den Vorschriften des Funften Kapitels \n--- \n| 4\\. Rente wegen Berufsunfahigkeit, \n--- \n| 5\\. Rente wegen Erwerbsunfahigkeit. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| **(4)** Renten wegen Todes sind \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. kleine Witwenrente oder Witwerrente, \n--- \n| 2\\. große Witwenrente oder Witwerrente, \n--- \n| 3\\. Erziehungsrente, \n--- \n| 4\\. Waisenrente. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| **(5)** Renten nach den Vorschriften des Funften Kapitels sind auch die\nKnappschaftsausgleichsleistung, Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei\nBerufsunfahigkeit und Witwenrente und Witwerrente an vor dem 1. Juli 1977\ngeschiedene Ehegatten. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| **§ 237 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit** \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| **(1)** Versicherte haben Anspruch auf Altersrente, wenn sie \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, \n--- \n| 2\\. das 60. Lebensjahr vollendet haben, \n--- \n| 3\\. entweder \n--- \n| a) bei Beginn der Rente arbeitslos sind und nach Vollendung eines\nLebensalters von 58 Jahren und 6 Monaten insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren\noder Anpassungsgeld fur entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben \n--- \n| oder \n--- \n| b) die Arbeitszeit aufgrund von Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3\nAbs. 1 Nr. 1 des Altersteilzeitgesetzes fur mindestens 24 Kalendermonate\nvermindert haben, \n--- \n| 4\\. in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre\nPflichtbeitrage fur eine versicherte Beschaftigung oder Tatigkeit haben, wobei\nsich der Zeitraum von zehn Jahren um Anrechnungszeiten,\nBerucksichtigungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente aus eigener\nVersicherung, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten\nBeschaftigung oder Tatigkeit sind, verlangert, und \n--- \n| 5\\. die Wartezeit von 15 Jahren erfullt haben. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| **(2)** Anspruch auf diese Altersrente haben auch Versicherte, die \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. wahrend der Arbeitslosigkeit von 52 Wochen nur deshalb der\nArbeitsvermittlung nicht zur Verfugung standen, weil sie nicht arbeitsbereit\nwaren und nicht alle Moglichkeiten nutzten und nutzen wollten, um ihre\nBeschaftigungslosigkeit zu beenden, oder \n--- \n| 2\\. nur deswegen nicht 52 Wochen arbeitslos waren, weil sie im Rahmen einer\nArbeitsgelegenheit mit Entschadigung fur Mehraufwendungen nach dem Zweiten\nBuch eine Tatigkeit von 15 Stunden wochentlich oder mehr ausgeubt haben. \n--- \n| Der Zeitraum von zehn Jahren, in dem acht Jahre Pflichtbeitrage fur eine\nversicherte Beschaftigung oder Tatigkeit vorhanden sein mussen, verlangert\nsich auch um \n--- \n| 1\\. Arbeitslosigkeitszeiten nach Satz 1, \n--- \n| 2\\. Ersatzzeiten, \n--- \n| soweit diese Zeiten nicht auch Pflichtbeitrage fur eine versicherte\nBeschaftigung oder Tatigkeit sind. Vom 1. Januar 2008 an werden\nArbeitslosigkeitszeiten nach Satz 1 nur berucksichtigt, wenn die\nArbeitslosigkeit vor dem 1. Januar 2008 begonnen hat und der Versicherte vor\ndem 2. Januar 1950 geboren ist. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| **(3)** Die Altersgrenze von 60 Jahren wird bei Altersrenten wegen\nArbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit fur Versicherte, die nach dem\n31. Dezember 1936 geboren sind, angehoben. Die vorzeitige Inanspruchnahme\neiner solchen Altersrente ist moglich. Die Anhebung der Altersgrenzen und die\nMoglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrenten bestimmen sich\nnach Anlage 19. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| **(4)** Die Altersgrenze von 60 Jahren bei der Altersrente wegen\nArbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit wird fur Versicherte, die \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. bis zum 14. Februar 1941 geboren sind und \n--- \n| a) am 14. Februar 1996 arbeitslos waren oder Anpassungsgeld fur entlassene\nArbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben oder \n--- \n| b) deren Arbeitsverhaltnis aufgrund einer Kundigung oder Vereinbarung, die\nvor dem 14. Februar 1996 erfolgt ist, nach dem 13. Februar 1996 beendet worden\nist, \n--- \n| 2\\. bis zum 14. Februar 1944 geboren sind und aufgrund einer Maßnahme nach\nArtikel 56 § 2 Buchstabe b des Vertrages uber die Grundung der Europaischen\nGemeinschaft fur Kohle und Stahl (EGKS-V), die vor dem 14. Februar 1996\ngenehmigt worden ist, aus einem Betrieb der Montanindustrie ausgeschieden sind\noder \n--- \n| 3\\. vor dem 1. Januar 1942 geboren sind und 45 Jahre mit Pflichtbeitragen\nfur eine versicherte Beschaftigung oder Tatigkeit haben, wobei § 55 Abs. 2\nnicht fur Zeiten anzuwenden ist, in denen Versicherte wegen des Bezugs von\nArbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Arbeitslosengeld II\nversicherungspflichtig waren, \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| wie folgt angehoben: \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| **§ 58 Anrechnungszeiten** \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| **(1)** Anrechnungszeiten sind Zeiten, in denen Versicherte \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. wegen Krankheit arbeitsunfahig gewesen sind oder Leistungen zur\nmedizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten haben, \n--- \n| 1a. nach dem vollendeten 17. und vor dem vollendeten 25. Lebensjahr\nmindestens einen Kalendermonat krank gewesen sind, soweit die Zeiten nicht mit\nanderen rentenrechtlichen Zeiten belegt sind, \n--- \n| 2\\. wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft wahrend der Schutzfristen nach\ndem Mutterschutzgesetz eine versicherte Beschaftigung oder selbstandige\nTatigkeit nicht ausgeubt haben, \n--- \n| 3\\. wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur fur Arbeit als\nArbeitsuchende gemeldet waren und eine offentlich-rechtliche Leistung bezogen\noder nur wegen des zu berucksichtigenden Einkommens oder Vermogens nicht\nbezogen haben, \n--- \n| 3a. nach dem vollendeten 17. Lebensjahr mindestens einen Kalendermonat bei\neiner deutschen Agentur fur Arbeit als Ausbildungsuchende gemeldet waren,\nsoweit die Zeiten nicht mit anderen rentenrechtlichen Zeiten belegt sind, \n--- \n| 4\\. nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder\nHochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme\nteilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch\nhochstens bis zu acht Jahren, oder \n--- \n| 5\\. eine Rente bezogen haben, soweit diese Zeiten auch als Zurechnungszeit\nin der Rente berucksichtigt waren, und die vor dem Beginn dieser Rente\nliegende Zurechnungszeit. \n--- \n| Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen sind alle beruflichen\nBildungsmaßnahmen, die auf die Aufnahme einer Berufsausbildung vorbereiten\noder der beruflichen Eingliederung dienen, sowie Vorbereitungslehrgange zum\nnachtraglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses und allgemeinbildende Kurse\nzum Abbau von schwerwiegenden beruflichen Bildungsdefiziten. 3Zeiten, in denen\nVersicherte nach Vollendung des 25. Lebensjahres wegen des Bezugs von\nSozialleistungen versicherungspflichtig waren, sind nicht Anrechnungszeiten. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| **(2)** 1Anrechnungszeiten nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 bis 3a liegen\nnur vor, wenn dadurch eine versicherte Beschaftigung oder selbstandige\nTatigkeit oder ein versicherter Wehrdienst oder Zivildienst oder ein\nversichertes Wehrdienstverhaltnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-\nWeiterverwendungsgesetzes unterbrochen ist; dies gilt nicht fur Zeiten nach\nVollendung des 17. und vor Vollendung des 25. Lebensjahres. 2Eine selbstandige\nTatigkeit ist nur dann unterbrochen, wenn sie ohne die Mitarbeit des\nVersicherten nicht weiter ausgeubt werden kann. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| **(3)** Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfahigkeit oder der Ausfuhrung der\nLeistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben\nliegen bei Versicherten, die nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2\nversicherungspflichtig werden konnten, erst nach Ablauf der auf Antrag\nbegrundeten Versicherungspflicht vor. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| **(4)** Anrechnungszeiten liegen bei Beziehern von Arbeitslosengeld,\nArbeitslosengeld II oder Übergangsgeld nicht vor, wenn die Bundesagentur fur\nArbeit oder in den Fallen des § 6a des Zweiten Buches die zugelassenen\nkommunalen Trager fur sie Beitrage an eine Versicherungseinrichtung oder\nVersorgungseinrichtung, an ein Versicherungsunternehmen oder an sie selbst\ngezahlt haben. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| **(4a)** Zeiten der schulischen Ausbildung neben einer versicherten\nBeschaftigung oder Tatigkeit sind nur Anrechnungszeiten wegen schulischer\nAusbildung, wenn der Zeitaufwand fur die schulische Ausbildung unter\nBerucksichtigung des Zeitaufwands fur die Beschaftigung oder Tatigkeit\nuberwiegt. \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| **(5)** Anrechnungszeiten sind nicht fur die Zeit der Leistung einer Rente\nwegen Alters zu berucksichtigen. \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| Danach sollte der Klager gemaß den Regelungen des Sozialplans Rente wegen\nArbeitslosigkeit gemaß § 33 Abs. 2 Nr. 5 SGB VI in Anspruch nehmen. Die\neinzuhaltenden Voraussetzungen sind § 237 SGB VI zu entnehmen. Der Klager\nmusste daher bezogen auf den moglichen Rentenbeginn am 01.02.2007 \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. vor dem 01.01.1952 geboren sein, \n--- \n| 2\\. das 60.Lebensjahr vollendet haben, \n--- \n| 3\\. bei Beginn der Rente arbeitslos sein, \n--- \n| 4\\. nach einem Lebensalter von 58 Jahren und 6 Monaten insgesamt 52 Wochen\nlang arbeitslos gewesen sein, \n--- \n| 5\\. in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre\nPflichtbeitrage fur eine versicherte Beschaftigung oder Tatigkeit haben, wobei\nsich der Zeitraum von zehn Jahren um Anrechnungszeiten,\nBerucksichtigungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente aus eigener\nVersicherung, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten\nBeschaftigung oder Tatigkeit sind, verlangert, und \n--- \n| 6\\. die Wartezeit von 15 Jahren erfullt haben. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| Die Voraussetzungen 1 bis 4 waren unproblematisch gegeben. Unter\nArbeitslosigkeit im Sinne der Nummern 3 und 4 ist lediglich zu verstehen, dass\nder Arbeitnehmer vorubergehend in keinem Beschaftigungsverhaltnis steht und\nkeine selbststandige Tatigkeit oder Tatigkeit als mithelfender\nFamilienangehoriger ausubt oder nur eine kurzzeitige Beschaftigung von unter\n15 Stunden und wenn er eine Beschaftigung unter den ublichen Bedingungen des\nallgemeinen Arbeitsmarkts von mindestens 15 Stunden wochentlich ausuben kann\noder darf und bereit ist, jede ihm zumutbare Beschaftigung aufzunehmen. Eine\nMeldung als arbeitssuchend bei der Agentur fur Arbeit ist im Sinne dieser\nVoraussetzung nicht erforderlich. \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| Nicht erfullte hatte der Klager die Voraussetzung zu 5. Der Klager hatte\nlediglich in der Zeit von Februar 1997 bis einschließlich Januar 2002, d.h.\nfur einen Zeitraum von 5 Jahren Pflichtbeitrage wahrend des Bestands des\nArbeitsverhaltnisses entrichtet. Es war damit bereits zum Zeitpunkt des\nAbschlusses des Aufhebungsvertrages fur die Beklagte erkennbar, dass\nAnspruchsvoraussetzungen fur die in Aussicht gestellte Rente nicht von\nvornherein gegeben waren. Erkennbar war auch, dass dieser Zehnjahreszeitraum\ndurch Anrechnungszeiten verlangert werden konnte. Dies betraf zunachst die\nZeiten, in welchen der Klager Arbeitslosengeld erhielt (gemaß § 58 Abs. 1 Nr.\n3 SGB VI). Fur diesen Zeitraum 01.02.2002 bis 21.03.2004, d.h. fur 25 Monate\nund 21 Tage war daher die Zehnjahresfrist uber Februar 1997 hinaus in die\nVergangenheit zu erstrecken. Da der Klager in dieser Zeit voll erwerbstatig\nwar, erwarb er in gleichem Umfang Beitragszeiten, sodass nunmehr\nBeitragszeiten von 7 Jahren, einem Monat und 21 Tagen vorlagen. Weitere\nAnrechnungszeiten waren hinzugekommen, wenn der Klager sich wegen\nArbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur fur Arbeit als Arbeitsuchende\ngemeldet hatte und nur wegen des zu berucksichtigenden Einkommens oder\nVermogens Leistungen nicht bezogen hatte (gemaß § 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI).\nDiese Situation war bereits zum Zeitpunkt des Aufhebungsvertrages fur die\nBeklagte absehbar. \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| **b.** Die Beklagte hat damit dem Klager im eigenen Interesse einen\nrisikobehafteten Aufhebungsvertrag angeboten. Das Risiko war darin zu sehen,\ndass der Klager zur Aufhebung des Arbeitsvertrages und zur Aufgabe seiner\nVerdienstmoglichkeiten bewogen werden sollte mit dem Versprechen, dass er ab\ndem 60. Lebensjahr vorzeitig Rente in Anspruch nehmen konne, ohne dass die\nVoraussetzungen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages bereits\nvorgelegen haben. Risikolos ware fur den Klager allein die Fortsetzung des\nArbeitsverhaltnisses gewesen bis zum regularen Rentenbeginn. Die Beklagte\nmusste daher den Klager uber alle notwendigen Voraussetzungen die zur\nBewilligung dieser Rente erfullt sein mussten vollstandig und richtig\ninformieren. Dieses Risiko war nicht dem Klager zuzuweisen, insbesondere nicht\ndas Risiko der Vollstandigkeit und Richtigkeit eigener Informationsbemuhungen. \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| **c.** Aufgrund der Gesamtheit des Vortrags der Beklagten in ihren\nSchriftsatzen und im Termin zur mundlichen Verhandlung vor der Kammer gelangte\ndie Kammer gemaß § 287 ZPO zu der Überzeugung, dass die Beklagte zu keinem\nZeitpunkt in vollstandiger und richtiger Weise den Klager uber die\nVoraussetzungen informierte unter denen er Altersrente zum fruhest moglichen\nZeitpunkt, d. h. unter Berucksichtigung der Regelungen des Sozialplans mit\nAblauf des 60. Lebensjahres erhalten konnte. \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| Diese Überzeugung gewann die Kammer aus dem Umstand, dass es der Beklagten\nin ihren Schriftsatzen nicht gelungen ist, auch nur ansatzweise zu begrunden,\nwelche rentenrechtlichen Voraussetzungen beim Klager fehlten. Es wird weder\nein einziger Bezug zu einer der hierfur maßgeblichen Normen hergestellt, noch\nwerden die tatbestandlichen Voraussetzungen dargestellt. Auch im Termin zur\nmundlichen Verhandlung vor der Kammer gelang es den Beklagtenvertretern auf\nFragen des Gerichts nicht darzustellen, aus welcher Anspruchsnorm der Klager\nnach Auffassung der Beklagten mit Ablauf des 60. Lebensjahres Altersrente\nhatte beziehen konnen und welche der nach dieser Anspruchsnorm geregelten\nVoraussetzungen nicht erfullt sind. Nach allgemeiner Lebenserfahrung war\nallerdings davon auszugehen, dass Aufklarung nur dann erfolgt sein konnte,\nwenn der zur Aufklarung verpflichtete uber Wissen bezuglich des aufzuklarenden\nSachverhalts verfugt. Dies war bei der Beklagten nicht Fall. Auch ihre\nAusfuhrungen in den vorgerichtlichen Schreiben an den Klager enthalten\nlediglich stereotype Wiederholungen von Schlagworten des Rentenauskunft, ohne\ndass auch nur im Ansatz erkennbar, ware, dass die fur die Beklagte handelnden\nPersonen auch nur die geringste Vorstellung sich bilden konnten, welcher\nSachverhaltszusammenhang gemeint sein konnte. \n--- \n--- \n| 73 \n--- \n| Eine Information des Klagers vor Abschluss des Aufhebungsvertrages uber\nseine Verpflichtung, sich auch nach Ablauf des Arbeitslosengeldzeitraumes\narbeitslos zu melden, selbst wenn er keinen Anspruch mehr auf Leistungen habe,\ndie Richtigkeit dieses Vortrags zu Gunsten der Beklagten unterstellt,\nbegrundet keine vollstandige Aufklarung, da der konkrete Bezug zu den\nAnspruchsvoraussetzungen der vorzeitigen Rentengewahrung darin gerade nicht\ndargestellt wird. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob dem Klager\nmitgeteilt wird, dass er sich stets arbeitslos zu melden habe oder ob ihm\nerklart wird, in welcher konkreten Weise durch die Arbeitslosmeldung erreicht\nwird, dass die Voraussetzungen fur die Gewahrung der in Aussicht gestellten\nvorzeitigen Rente erst noch geschaffen werden soll. Abgesehen davon ware es,\nwie oben gezeigt, gerade nicht erforderlich gewesen, dass der Klager sich\nwahrend des gesamten Zeitraums arbeitslos meldet, da ihm lediglich\nBeitragszeiten von etwa 11 Monaten fehlen. \n--- \n--- \n| 74 \n--- \n| Auch die Regelungen des Sozialplans lassen vollkommen offen, aus welchen\nGrunden die Arbeitslosmeldung zu erfolgen habe. Naheliegend war lediglich die\nAuslegung dahingehen, dass der Arbeitnehmer nach wie vor arbeitslos sein\nmusse, keiner anderen Tatigkeit nachgehen durfte und grundsatzlich noch dem\ndeutschen Arbeitsmarkt zur Verfugung stehen musse. Ein Zusammenhang mit den\nAnspruchsvoraussetzungen fur die Gewahrung vorzeitiger Rente lasst sich weder\ndem Wortlaut noch aus sonstigen Regelungszusammenhangen entnehmen. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| Vollkommen unerheblich ist es daher, dass mehr oder weniger zufallig die\nRentenvoraussetzungen vom Klager geschaffen worden waren, hatte er, wie im\nSozialplan als Anspruchsvoraussetzung geregelt, sich tatsachlich als\narbeitssuchend nach dem Auslaufen des Arbeitslosengeldbezuges gemeldet. \n--- \n--- \n| 76 \n--- \n| **d.** Eine weitere Aufklarungspflichtverletzung der Beklagten ergibt sich\naus ihrem Stillschweigen nach Mitteilung des Klagers uber die Beendigung des\nArbeitslosengeldbezuges. Im Hinblick auf das Vertragsziel der vorzeitigen\nGewahrung der Altersrente hatte die Beklagte zu diesem Zeitpunkt erkennen\nmussen, dass die weitere Arbeitslosmeldung nicht nur tatbestandliche\nVoraussetzung fur die Gewahrung der Aufstockungsleistung ist, sondern auch fur\ndie Schaffung der Rentenvoraussetzungen. Sie hatte daher nicht untatig bleiben\nund durch kommentarlose Zahlung des erhohten Aufstockungsbetrages den Anschein\nschaffen durfen, dass alles in Ordnung gehe. Sie hatte daher zumindest den\nNachweis der Arbeitslosmeldung fordern mussen. Soweit dem Wortlaut nach in § 4\nAbs. 3 b des Sozialplanes die Notwendigkeit des Nachweises fehlt, durfte es\nsich lediglich um einen redaktioneller Fehler gehandelt haben, da kein\nUnterschied festzustellen ist zu der Aufstockung auf das Arbeitslosengeld nach\n§ 4 Abs. 3a, fur die der Nachweis ausdrucklich gefordert wird. \n--- \n--- \n| 77 \n--- \n| **2.** Die fehlende Aufklarung war fur die fehlende Arbeitslosmeldung durch\nden Klager auch ursachlich, da hier der Grundsatz angenommen werden kann, dass\neine richtig informierte Person sich interessengerecht verhalt (vgl. BAG 17.\nApril 2002 - 5 AZR 89/01 - BAGE 101, 75 mwN). \n--- \n--- \n| 78 \n--- \n| **3.** Keine Bedenken bestehen dagegen, dass sich die Beklagte das\nVerhalten des Personalleiters nach § 278 BGB zurechnen lassen muss. \n--- \n--- \n| 79 \n--- \n| **4.** Ein Mitverschulden des Klagers nach § 254 BGB kommt nicht in\nBetracht. Geht es um einen Schadenersatzanspruch wegen fehlender Erteilung\neiner vollstandigen Auskunft kann sich der Schadiger in aller Regel nicht mit\ndem Einwand entlasten, der Geschadigte habe sich auf die Vollstandigkeit\nseiner Angaben nicht verlassen durfen. Dies widersprache dem Grundsatz vom\nTreu und Glauben (§ 242 BGB), der in § 254 BGB lediglich eine besondere\nAuspragung erhalten hat (BGH 26. September 1997 - V ZR 29/96 - BB 1997, 2553).\nDass hier besondere Umstande vorliegen, ist nicht ersichtlich. Sie ergeben\nsich insbesondere nicht aus den kryptischen Hinweisen im Merkblatt der\nBundesagentur fur Arbeit, die allenfalls vage andeuten, dass eventuell\nRentenvoraussetzung nicht geschaffen werden, sollte keine Arbeitslosmeldung\nvorliegen. Der Klager hatte keine nachvollziehbare Moglichkeit hieraus auf das\nErfordernis der Meldung oder der Notwendigkeit weiterer Auskunfte zu\nschließen. \n--- \n--- \n| 80 \n--- \n| Die Kammer konnte sich nicht von einem Mitverschulden des Klagers dadurch\nuberzeugen, dass er entgegen der eindeutigen Anspruchsvoraussetzung im\nSozialplan sich nicht arbeitslos gemeldet hatte. Das Mitverschulden des\nKlagers erscheint geringfugig insoweit, als die Beklagte trotz des\nVersaumnisses des Klagers und trotz fehlenden Nachweises der Arbeitslosmeldung\ndie Aufstockungsleistung kommentarlos erbrachte, obwohl sie bei Kenntnis der\nRechtslage hatte erkennen mussen, dass der Klager ohne die Arbeitslosmeldung\ndie rechtenrechtlichen Voraussetzungen nicht erfullen wurde. Ware der Vortrag\nder Beklagten zutreffend, dass ihr dies bekannt gewesen sei und dass deswegen\nim Zuge der Verhandlungen uber den Sozialplan der Klager hieruber aufgeklart\nworden sei, ware schlicht nicht mehr zu verstehen, warum die Beklagte dann\nsehenden Auges, dass dem Klager ein Fehler unterlaufen sein konnte,\nkommentarlos die Aufstockungszahlung leistet, ohne einen Nachweis zu fordern.\nDaruber hinaus war das mitwirkende Verschulden des Klagers auch aus Äußerungen\nder Beklagten heraus im Erlauterungsgesprach vor Abschluss des\nAuflosungsvertrages als nur geringfugig und damit nicht mehr ausschlaggebend\nanzusehen, da aufgrund des wechselseitigen Vortrags der Parteien davon\nauszugehen ist, dass in dem Gesprach durch den Personalleiter tatsachlich die\nBehauptung gefallen ist, dass der Klager nach dem Auslaufen des\nArbeitslosengeldes nichts mehr mit der Agentur fur Arbeit zu tun habe.\nUnabhangig davon, in welchem Kontext die Aussage gefallen sein mag, birgt sie\neine erhebliche Gefahr des erheblichen Missverstandnisses, denn es war\nkeineswegs so, wie es nach dem Vortrag der Beklagten den Anschein haben mag,\ndass der Klager sich einmalig und der guten Form wegen bei der Bundesagentur\nfur Arbeit zu melden habe. Vielmehr hatte der Klager weiterhin um die\nrechtenrechtlichen Voraussetzungen schaffen zu konnen der Bundesagentur als\narbeitssuchend zur Verfugung zu stehen. Damit waren beispielsweise auch\nlangere Auslandsaufenthalte ausgeschlossen. Es kann angesichts solcher\nUmstande nicht nachvollzogen werden, vor welchem Hintergrund eine solche\nAusfuhrung ihre Berechtigung gehabt haben soll. \n--- \n--- \n| 81 \n--- \n| Dass alle anderen Arbeitnehmer, die vergleichbare Auflosungsvertrage\ngeschlossen hatten, sich vereinbarungsgemaß durchgangig arbeitslos gemeldet\nhaben, konnte die Kammer aufgrund des Vortrags der Beklagten nicht annehmen.\nEs werden von der Beklagten insoweit weder konkrete Tatsachen vorgetragen,\nnoch lasst sich im Wege eines Beweises des ersten Anscheins aus dem Fehlen\nweiterer Streitigkeiten darauf schließen, da der Klager die\nAnspruchsvoraussetzungen nur knapp verfehlt hat, aufgrund seines Lebensalters\nzum Zeitpunkt der Ausscheidensvereinbarung. Demgegenuber war nicht\nauszuschließen, dass fur die anderen Arbeitnehmer eine vergleichbare\nProblemlage wie beim Klager von vorneherein ausgeschlossen war. \n--- \n--- \n| 82 \n--- \n| **5.** Nach § 249 Satz 1 BGB hat der Schadiger den Zustand herzustellen,\nder bestehen wurde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht\neingetreten ware (haftungsausfullende Kausalitat). Dies sind vorliegend die\nausgefallenen und der Hohe nach unstreitigen monatlichen\nRentenzahlungsbetrage. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 83 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Als\nunterliegende Partei tragt die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits. \n--- \n--- \n| 84 \n--- \n| Die Entscheidung uber den Streitwert beruht dem Grunde nach auf § 61 ArbGG,\nder Hohe nach auf § 3 ZPO. Der Wert wurde in Hohe der Summe der eingeklagten\nZahlungsbetrage bemessen. \n--- \n--- \n| 85 \n--- \n| Die Berufung war nicht gesondert zuzulassen, nachdem Grunde i.S.d. § 64\nAbs. 3 ArbGG, aus denen sie hatte zugelassen werden mussen, nicht ersichtlich\nsind. Unabhangig hiervon kann sich die Zulassigkeit der Berufung fur die\nBeklagte bereits aus § 64 Abs. 2 b ArbGG ergeben. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 86 \n--- \n| Die nachfolgenden Hinweise belehren uber das zulassige Rechtsmittel. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Klage ist begrundet. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Der Klager hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von\nSchadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB und § 249 Abs. 1\nBGB in Hohe des entgangenen und der Hohe nach unstreitigen monatlichen\nRentenbetrages von jeweils 1.287,43 EUR fur die Monate Februar 2007 bis\nNovember 2007, da von der Beklagten eine ihr obliegende Aufklarungspflicht\ngegenuber dem Klager nicht erfullt wurde. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| **1.** Schlagt der dem Arbeitnehmer eine bestimmte Form der Beendigung des\nArbeitsverhaltnisses vor und macht er dabei Angaben uber die\nversorgungsrechtlichen Folgen einer derartigen Arbeitgeber Vorgehensweise, so\nmussen diese Angaben richtig sein, andernfalls verletzt der Arbeitgeber seine\nNebenpflichten aus dem Arbeitsverhaltnis (BAG 12. Dezember 2002 - 8 AZR 497/01\n- AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 25). \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Daruber hinaus mussen die Angaben unter Umstanden auch so vollstandig sein,\ndass fur den Arbeitnehmer keine neuen Gefahrenquellen entstehen. Anerkannt\nist, dass fur den Arbeitgeber Aufklarungs- und Informationspflichten uber die\narbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen eines Aufhebungsvertrages\ngrundsatzlich bestehen konnen. Inhalt und Umfang dieser Pflichten sind unter\nAbwagung der beiderseitigen Interessen und Moglichkeiten nach Treu und Glauben\n(§ 242 BGB) und unter Berucksichtigung samtlicher Umstande des Einzelfalles zu\nbestimmen (BAG Urteil vom 13. November 1996, Az: 10 AZR 340/96, NZA 1997,\n390-393 (Leitsatz 1 und Grunde; BAG 13. November 1984 - 3 AZR 255/84 - BAGE\n47, 169, 175). Die erkennbaren Informationsbedurfnisse des Arbeitnehmers\neinerseits und die Beratungsmoglichkeiten des Arbeitgebers andererseits sind\nstets zu beachten (vgl. ua. BAG 13. Dezember 1988 - 3 AZR 322/87 - AP Nr. 23\nBetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen, zu 1 a der Grunde). Bei der Beendigung\neines Arbeitsverhaltnisses konnen von einem Arbeitgeber besondere Hinweise auf\ndie arbeits- und sozialrechtlichen Folgen der Beendigung erwartet werden, wenn\nder Arbeitgeber erkennen muss, dass der Arbeitnehmer weiterer Informationen\nbedarf und er selbst die Auskunfte unschwer erteilen oder beschaffen kann (BAG\nUrteil vom 13. Dezember 1988 - 3 AZR 322/87 - AP Nr. 23 zu § 1 BetrAVG\nZusatzversorgungskassen). Zwar muss sich der Arbeitnehmer vor Abschluss eines\nAufhebungsvertrages regelmaßig selbst uber die Folgen der Beendigung seines\nArbeitsverhaltnisses Klarheit verschaffen (BAG, Urteil vom 21. Februar 2002,\nAz: 2 AZR 749/00, BB 2002, 2335-2339 (red. Leitsatz 1-2 und Grunde):. Den\nArbeitgeber treffen aber jedenfalls dann erhohte Hinweis- und\nAufklarungspflichten, wenn er im betrieblichen Interesse den Abschluss eines\nAufhebungsvertrages vorschlagt und dadurch den Eindruck erweckt, er werde bei\nder vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhaltnisses auch die Interessen des\nArbeitnehmers wahren und ihn nicht ohne ausreichende Aufklarung erheblichen\nRisiken fur den Bestand seines Arbeitsverhaltnisses aussetzen (vgl. BAG 17.\nOktober 2000 - 3 AZR 605/99 - AP BGB § 611 Fursorgepflicht Nr. 116 = EzA BGB §\n611 Fursorgepflicht Nr. 59; 3. Juli 1990 - 3 AZR 382/89 - AP BetrAVG § 1 Nr.\n24 = EzA BGB § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 7 zu Versorgungsrisiken). \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| **a.** Maßgebend fur den Rentenanspruch des Klagers waren nachfolgende\nRechtsnormen: \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| **§ 33 Rentenarten** \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| **(1)** Renten werden geleistet wegen Alters, wegen verminderter\nErwerbsfahigkeit oder wegen Todes. \n--- \n| 42 \n--- \n| **(2)** Renten wegen Alters sind \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. Regelaltersrente, \n--- \n| 2\\. Altersrente fur langjahrig Versicherte, \n--- \n| 3\\. Altersrente fur schwerbehinderte Menschen, \n--- \n| 4\\. Altersrente fur langjahrig unter Tage beschaftigte Bergleute sowie nach\nden Vorschriften des Funften Kapitels \n--- \n| 5\\. Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit, \n--- \n| 6\\. Altersrente fur Frauen. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| **(3)** Renten wegen verminderter Erwerbsfahigkeit sind \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, \n--- \n| 2\\. Rente wegen voller Erwerbsminderung, \n--- \n| 3\\. Rente fur Bergleute sowie nach den Vorschriften des Funften Kapitels \n--- \n| 4\\. Rente wegen Berufsunfahigkeit, \n--- \n| 5\\. Rente wegen Erwerbsunfahigkeit. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| **(4)** Renten wegen Todes sind \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. kleine Witwenrente oder Witwerrente, \n--- \n| 2\\. große Witwenrente oder Witwerrente, \n--- \n| 3\\. Erziehungsrente, \n--- \n| 4\\. Waisenrente. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| **(5)** Renten nach den Vorschriften des Funften Kapitels sind auch die\nKnappschaftsausgleichsleistung, Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei\nBerufsunfahigkeit und Witwenrente und Witwerrente an vor dem 1. Juli 1977\ngeschiedene Ehegatten. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| **§ 237 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit** \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| **(1)** Versicherte haben Anspruch auf Altersrente, wenn sie \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. vor dem 1. Januar 1952 geboren sind, \n--- \n| 2\\. das 60. Lebensjahr vollendet haben, \n--- \n| 3\\. entweder \n--- \n| a) bei Beginn der Rente arbeitslos sind und nach Vollendung eines\nLebensalters von 58 Jahren und 6 Monaten insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren\noder Anpassungsgeld fur entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben \n--- \n| oder \n--- \n| b) die Arbeitszeit aufgrund von Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3\nAbs. 1 Nr. 1 des Altersteilzeitgesetzes fur mindestens 24 Kalendermonate\nvermindert haben, \n--- \n| 4\\. in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre\nPflichtbeitrage fur eine versicherte Beschaftigung oder Tatigkeit haben, wobei\nsich der Zeitraum von zehn Jahren um Anrechnungszeiten,\nBerucksichtigungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente aus eigener\nVersicherung, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten\nBeschaftigung oder Tatigkeit sind, verlangert, und \n--- \n| 5\\. die Wartezeit von 15 Jahren erfullt haben. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| **(2)** Anspruch auf diese Altersrente haben auch Versicherte, die \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. wahrend der Arbeitslosigkeit von 52 Wochen nur deshalb der\nArbeitsvermittlung nicht zur Verfugung standen, weil sie nicht arbeitsbereit\nwaren und nicht alle Moglichkeiten nutzten und nutzen wollten, um ihre\nBeschaftigungslosigkeit zu beenden, oder \n--- \n| 2\\. nur deswegen nicht 52 Wochen arbeitslos waren, weil sie im Rahmen einer\nArbeitsgelegenheit mit Entschadigung fur Mehraufwendungen nach dem Zweiten\nBuch eine Tatigkeit von 15 Stunden wochentlich oder mehr ausgeubt haben. \n--- \n| Der Zeitraum von zehn Jahren, in dem acht Jahre Pflichtbeitrage fur eine\nversicherte Beschaftigung oder Tatigkeit vorhanden sein mussen, verlangert\nsich auch um \n--- \n| 1\\. Arbeitslosigkeitszeiten nach Satz 1, \n--- \n| 2\\. Ersatzzeiten, \n--- \n| soweit diese Zeiten nicht auch Pflichtbeitrage fur eine versicherte\nBeschaftigung oder Tatigkeit sind. Vom 1. Januar 2008 an werden\nArbeitslosigkeitszeiten nach Satz 1 nur berucksichtigt, wenn die\nArbeitslosigkeit vor dem 1. Januar 2008 begonnen hat und der Versicherte vor\ndem 2. Januar 1950 geboren ist. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| **(3)** Die Altersgrenze von 60 Jahren wird bei Altersrenten wegen\nArbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit fur Versicherte, die nach dem\n31. Dezember 1936 geboren sind, angehoben. Die vorzeitige Inanspruchnahme\neiner solchen Altersrente ist moglich. Die Anhebung der Altersgrenzen und die\nMoglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrenten bestimmen sich\nnach Anlage 19. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| **(4)** Die Altersgrenze von 60 Jahren bei der Altersrente wegen\nArbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit wird fur Versicherte, die \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. bis zum 14. Februar 1941 geboren sind und \n--- \n| a) am 14. Februar 1996 arbeitslos waren oder Anpassungsgeld fur entlassene\nArbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben oder \n--- \n| b) deren Arbeitsverhaltnis aufgrund einer Kundigung oder Vereinbarung, die\nvor dem 14. Februar 1996 erfolgt ist, nach dem 13. Februar 1996 beendet worden\nist, \n--- \n| 2\\. bis zum 14. Februar 1944 geboren sind und aufgrund einer Maßnahme nach\nArtikel 56 § 2 Buchstabe b des Vertrages uber die Grundung der Europaischen\nGemeinschaft fur Kohle und Stahl (EGKS-V), die vor dem 14. Februar 1996\ngenehmigt worden ist, aus einem Betrieb der Montanindustrie ausgeschieden sind\noder \n--- \n| 3\\. vor dem 1. Januar 1942 geboren sind und 45 Jahre mit Pflichtbeitragen\nfur eine versicherte Beschaftigung oder Tatigkeit haben, wobei § 55 Abs. 2\nnicht fur Zeiten anzuwenden ist, in denen Versicherte wegen des Bezugs von\nArbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Arbeitslosengeld II\nversicherungspflichtig waren, \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| wie folgt angehoben: \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| **§ 58 Anrechnungszeiten** \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| **(1)** Anrechnungszeiten sind Zeiten, in denen Versicherte \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. wegen Krankheit arbeitsunfahig gewesen sind oder Leistungen zur\nmedizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten haben, \n--- \n| 1a. nach dem vollendeten 17. und vor dem vollendeten 25. Lebensjahr\nmindestens einen Kalendermonat krank gewesen sind, soweit die Zeiten nicht mit\nanderen rentenrechtlichen Zeiten belegt sind, \n--- \n| 2\\. wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft wahrend der Schutzfristen nach\ndem Mutterschutzgesetz eine versicherte Beschaftigung oder selbstandige\nTatigkeit nicht ausgeubt haben, \n--- \n| 3\\. wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur fur Arbeit als\nArbeitsuchende gemeldet waren und eine offentlich-rechtliche Leistung bezogen\noder nur wegen des zu berucksichtigenden Einkommens oder Vermogens nicht\nbezogen haben, \n--- \n| 3a. nach dem vollendeten 17. Lebensjahr mindestens einen Kalendermonat bei\neiner deutschen Agentur fur Arbeit als Ausbildungsuchende gemeldet waren,\nsoweit die Zeiten nicht mit anderen rentenrechtlichen Zeiten belegt sind, \n--- \n| 4\\. nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder\nHochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme\nteilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch\nhochstens bis zu acht Jahren, oder \n--- \n| 5\\. eine Rente bezogen haben, soweit diese Zeiten auch als Zurechnungszeit\nin der Rente berucksichtigt waren, und die vor dem Beginn dieser Rente\nliegende Zurechnungszeit. \n--- \n| Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen sind alle beruflichen\nBildungsmaßnahmen, die auf die Aufnahme einer Berufsausbildung vorbereiten\noder der beruflichen Eingliederung dienen, sowie Vorbereitungslehrgange zum\nnachtraglichen Erwerb des Hauptschulabschlusses und allgemeinbildende Kurse\nzum Abbau von schwerwiegenden beruflichen Bildungsdefiziten. 3Zeiten, in denen\nVersicherte nach Vollendung des 25. Lebensjahres wegen des Bezugs von\nSozialleistungen versicherungspflichtig waren, sind nicht Anrechnungszeiten. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| **(2)** 1Anrechnungszeiten nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 bis 3a liegen\nnur vor, wenn dadurch eine versicherte Beschaftigung oder selbstandige\nTatigkeit oder ein versicherter Wehrdienst oder Zivildienst oder ein\nversichertes Wehrdienstverhaltnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-\nWeiterverwendungsgesetzes unterbrochen ist; dies gilt nicht fur Zeiten nach\nVollendung des 17. und vor Vollendung des 25. Lebensjahres. 2Eine selbstandige\nTatigkeit ist nur dann unterbrochen, wenn sie ohne die Mitarbeit des\nVersicherten nicht weiter ausgeubt werden kann. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| **(3)** Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfahigkeit oder der Ausfuhrung der\nLeistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben\nliegen bei Versicherten, die nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2\nversicherungspflichtig werden konnten, erst nach Ablauf der auf Antrag\nbegrundeten Versicherungspflicht vor. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| **(4)** Anrechnungszeiten liegen bei Beziehern von Arbeitslosengeld,\nArbeitslosengeld II oder Übergangsgeld nicht vor, wenn die Bundesagentur fur\nArbeit oder in den Fallen des § 6a des Zweiten Buches die zugelassenen\nkommunalen Trager fur sie Beitrage an eine Versicherungseinrichtung oder\nVersorgungseinrichtung, an ein Versicherungsunternehmen oder an sie selbst\ngezahlt haben. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| **(4a)** Zeiten der schulischen Ausbildung neben einer versicherten\nBeschaftigung oder Tatigkeit sind nur Anrechnungszeiten wegen schulischer\nAusbildung, wenn der Zeitaufwand fur die schulische Ausbildung unter\nBerucksichtigung des Zeitaufwands fur die Beschaftigung oder Tatigkeit\nuberwiegt. \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| **(5)** Anrechnungszeiten sind nicht fur die Zeit der Leistung einer Rente\nwegen Alters zu berucksichtigen. \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| Danach sollte der Klager gemaß den Regelungen des Sozialplans Rente wegen\nArbeitslosigkeit gemaß § 33 Abs. 2 Nr. 5 SGB VI in Anspruch nehmen. Die\neinzuhaltenden Voraussetzungen sind § 237 SGB VI zu entnehmen. Der Klager\nmusste daher bezogen auf den moglichen Rentenbeginn am 01.02.2007 \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. vor dem 01.01.1952 geboren sein, \n--- \n| 2\\. das 60.Lebensjahr vollendet haben, \n--- \n| 3\\. bei Beginn der Rente arbeitslos sein, \n--- \n| 4\\. nach einem Lebensalter von 58 Jahren und 6 Monaten insgesamt 52 Wochen\nlang arbeitslos gewesen sein, \n--- \n| 5\\. in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre\nPflichtbeitrage fur eine versicherte Beschaftigung oder Tatigkeit haben, wobei\nsich der Zeitraum von zehn Jahren um Anrechnungszeiten,\nBerucksichtigungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente aus eigener\nVersicherung, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten\nBeschaftigung oder Tatigkeit sind, verlangert, und \n--- \n| 6\\. die Wartezeit von 15 Jahren erfullt haben. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| Die Voraussetzungen 1 bis 4 waren unproblematisch gegeben. Unter\nArbeitslosigkeit im Sinne der Nummern 3 und 4 ist lediglich zu verstehen, dass\nder Arbeitnehmer vorubergehend in keinem Beschaftigungsverhaltnis steht und\nkeine selbststandige Tatigkeit oder Tatigkeit als mithelfender\nFamilienangehoriger ausubt oder nur eine kurzzeitige Beschaftigung von unter\n15 Stunden und wenn er eine Beschaftigung unter den ublichen Bedingungen des\nallgemeinen Arbeitsmarkts von mindestens 15 Stunden wochentlich ausuben kann\noder darf und bereit ist, jede ihm zumutbare Beschaftigung aufzunehmen. Eine\nMeldung als arbeitssuchend bei der Agentur fur Arbeit ist im Sinne dieser\nVoraussetzung nicht erforderlich. \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| Nicht erfullte hatte der Klager die Voraussetzung zu 5. Der Klager hatte\nlediglich in der Zeit von Februar 1997 bis einschließlich Januar 2002, d.h.\nfur einen Zeitraum von 5 Jahren Pflichtbeitrage wahrend des Bestands des\nArbeitsverhaltnisses entrichtet. Es war damit bereits zum Zeitpunkt des\nAbschlusses des Aufhebungsvertrages fur die Beklagte erkennbar, dass\nAnspruchsvoraussetzungen fur die in Aussicht gestellte Rente nicht von\nvornherein gegeben waren. Erkennbar war auch, dass dieser Zehnjahreszeitraum\ndurch Anrechnungszeiten verlangert werden konnte. Dies betraf zunachst die\nZeiten, in welchen der Klager Arbeitslosengeld erhielt (gemaß § 58 Abs. 1 Nr.\n3 SGB VI). Fur diesen Zeitraum 01.02.2002 bis 21.03.2004, d.h. fur 25 Monate\nund 21 Tage war daher die Zehnjahresfrist uber Februar 1997 hinaus in die\nVergangenheit zu erstrecken. Da der Klager in dieser Zeit voll erwerbstatig\nwar, erwarb er in gleichem Umfang Beitragszeiten, sodass nunmehr\nBeitragszeiten von 7 Jahren, einem Monat und 21 Tagen vorlagen. Weitere\nAnrechnungszeiten waren hinzugekommen, wenn der Klager sich wegen\nArbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur fur Arbeit als Arbeitsuchende\ngemeldet hatte und nur wegen des zu berucksichtigenden Einkommens oder\nVermogens Leistungen nicht bezogen hatte (gemaß § 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI).\nDiese Situation war bereits zum Zeitpunkt des Aufhebungsvertrages fur die\nBeklagte absehbar. \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| **b.** Die Beklagte hat damit dem Klager im eigenen Interesse einen\nrisikobehafteten Aufhebungsvertrag angeboten. Das Risiko war darin zu sehen,\ndass der Klager zur Aufhebung des Arbeitsvertrages und zur Aufgabe seiner\nVerdienstmoglichkeiten bewogen werden sollte mit dem Versprechen, dass er ab\ndem 60. Lebensjahr vorzeitig Rente in Anspruch nehmen konne, ohne dass die\nVoraussetzungen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages bereits\nvorgelegen haben. Risikolos ware fur den Klager allein die Fortsetzung des\nArbeitsverhaltnisses gewesen bis zum regularen Rentenbeginn. Die Beklagte\nmusste daher den Klager uber alle notwendigen Voraussetzungen die zur\nBewilligung dieser Rente erfullt sein mussten vollstandig und richtig\ninformieren. Dieses Risiko war nicht dem Klager zuzuweisen, insbesondere nicht\ndas Risiko der Vollstandigkeit und Richtigkeit eigener Informationsbemuhungen. \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| **c.** Aufgrund der Gesamtheit des Vortrags der Beklagten in ihren\nSchriftsatzen und im Termin zur mundlichen Verhandlung vor der Kammer gelangte\ndie Kammer gemaß § 287 ZPO zu der Überzeugung, dass die Beklagte zu keinem\nZeitpunkt in vollstandiger und richtiger Weise den Klager uber die\nVoraussetzungen informierte unter denen er Altersrente zum fruhest moglichen\nZeitpunkt, d. h. unter Berucksichtigung der Regelungen des Sozialplans mit\nAblauf des 60. Lebensjahres erhalten konnte. \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| Diese Überzeugung gewann die Kammer aus dem Umstand, dass es der Beklagten\nin ihren Schriftsatzen nicht gelungen ist, auch nur ansatzweise zu begrunden,\nwelche rentenrechtlichen Voraussetzungen beim Klager fehlten. Es wird weder\nein einziger Bezug zu einer der hierfur maßgeblichen Normen hergestellt, noch\nwerden die tatbestandlichen Voraussetzungen dargestellt. Auch im Termin zur\nmundlichen Verhandlung vor der Kammer gelang es den Beklagtenvertretern auf\nFragen des Gerichts nicht darzustellen, aus welcher Anspruchsnorm der Klager\nnach Auffassung der Beklagten mit Ablauf des 60. Lebensjahres Altersrente\nhatte beziehen konnen und welche der nach dieser Anspruchsnorm geregelten\nVoraussetzungen nicht erfullt sind. Nach allgemeiner Lebenserfahrung war\nallerdings davon auszugehen, dass Aufklarung nur dann erfolgt sein konnte,\nwenn der zur Aufklarung verpflichtete uber Wissen bezuglich des aufzuklarenden\nSachverhalts verfugt. Dies war bei der Beklagten nicht Fall. Auch ihre\nAusfuhrungen in den vorgerichtlichen Schreiben an den Klager enthalten\nlediglich stereotype Wiederholungen von Schlagworten des Rentenauskunft, ohne\ndass auch nur im Ansatz erkennbar, ware, dass die fur die Beklagte handelnden\nPersonen auch nur die geringste Vorstellung sich bilden konnten, welcher\nSachverhaltszusammenhang gemeint sein konnte. \n--- \n--- \n| 73 \n--- \n| Eine Information des Klagers vor Abschluss des Aufhebungsvertrages uber\nseine Verpflichtung, sich auch nach Ablauf des Arbeitslosengeldzeitraumes\narbeitslos zu melden, selbst wenn er keinen Anspruch mehr auf Leistungen habe,\ndie Richtigkeit dieses Vortrags zu Gunsten der Beklagten unterstellt,\nbegrundet keine vollstandige Aufklarung, da der konkrete Bezug zu den\nAnspruchsvoraussetzungen der vorzeitigen Rentengewahrung darin gerade nicht\ndargestellt wird. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob dem Klager\nmitgeteilt wird, dass er sich stets arbeitslos zu melden habe oder ob ihm\nerklart wird, in welcher konkreten Weise durch die Arbeitslosmeldung erreicht\nwird, dass die Voraussetzungen fur die Gewahrung der in Aussicht gestellten\nvorzeitigen Rente erst noch geschaffen werden soll. Abgesehen davon ware es,\nwie oben gezeigt, gerade nicht erforderlich gewesen, dass der Klager sich\nwahrend des gesamten Zeitraums arbeitslos meldet, da ihm lediglich\nBeitragszeiten von etwa 11 Monaten fehlen. \n--- \n--- \n| 74 \n--- \n| Auch die Regelungen des Sozialplans lassen vollkommen offen, aus welchen\nGrunden die Arbeitslosmeldung zu erfolgen habe. Naheliegend war lediglich die\nAuslegung dahingehen, dass der Arbeitnehmer nach wie vor arbeitslos sein\nmusse, keiner anderen Tatigkeit nachgehen durfte und grundsatzlich noch dem\ndeutschen Arbeitsmarkt zur Verfugung stehen musse. Ein Zusammenhang mit den\nAnspruchsvoraussetzungen fur die Gewahrung vorzeitiger Rente lasst sich weder\ndem Wortlaut noch aus sonstigen Regelungszusammenhangen entnehmen. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| Vollkommen unerheblich ist es daher, dass mehr oder weniger zufallig die\nRentenvoraussetzungen vom Klager geschaffen worden waren, hatte er, wie im\nSozialplan als Anspruchsvoraussetzung geregelt, sich tatsachlich als\narbeitssuchend nach dem Auslaufen des Arbeitslosengeldbezuges gemeldet. \n--- \n--- \n| 76 \n--- \n| **d.** Eine weitere Aufklarungspflichtverletzung der Beklagten ergibt sich\naus ihrem Stillschweigen nach Mitteilung des Klagers uber die Beendigung des\nArbeitslosengeldbezuges. Im Hinblick auf das Vertragsziel der vorzeitigen\nGewahrung der Altersrente hatte die Beklagte zu diesem Zeitpunkt erkennen\nmussen, dass die weitere Arbeitslosmeldung nicht nur tatbestandliche\nVoraussetzung fur die Gewahrung der Aufstockungsleistung ist, sondern auch fur\ndie Schaffung der Rentenvoraussetzungen. Sie hatte daher nicht untatig bleiben\nund durch kommentarlose Zahlung des erhohten Aufstockungsbetrages den Anschein\nschaffen durfen, dass alles in Ordnung gehe. Sie hatte daher zumindest den\nNachweis der Arbeitslosmeldung fordern mussen. Soweit dem Wortlaut nach in § 4\nAbs. 3 b des Sozialplanes die Notwendigkeit des Nachweises fehlt, durfte es\nsich lediglich um einen redaktioneller Fehler gehandelt haben, da kein\nUnterschied festzustellen ist zu der Aufstockung auf das Arbeitslosengeld nach\n§ 4 Abs. 3a, fur die der Nachweis ausdrucklich gefordert wird. \n--- \n--- \n| 77 \n--- \n| **2.** Die fehlende Aufklarung war fur die fehlende Arbeitslosmeldung durch\nden Klager auch ursachlich, da hier der Grundsatz angenommen werden kann, dass\neine richtig informierte Person sich interessengerecht verhalt (vgl. BAG 17.\nApril 2002 - 5 AZR 89/01 - BAGE 101, 75 mwN). \n--- \n--- \n| 78 \n--- \n| **3.** Keine Bedenken bestehen dagegen, dass sich die Beklagte das\nVerhalten des Personalleiters nach § 278 BGB zurechnen lassen muss. \n--- \n--- \n| 79 \n--- \n| **4.** Ein Mitverschulden des Klagers nach § 254 BGB kommt nicht in\nBetracht. Geht es um einen Schadenersatzanspruch wegen fehlender Erteilung\neiner vollstandigen Auskunft kann sich der Schadiger in aller Regel nicht mit\ndem Einwand entlasten, der Geschadigte habe sich auf die Vollstandigkeit\nseiner Angaben nicht verlassen durfen. Dies widersprache dem Grundsatz vom\nTreu und Glauben (§ 242 BGB), der in § 254 BGB lediglich eine besondere\nAuspragung erhalten hat (BGH 26. September 1997 - V ZR 29/96 - BB 1997, 2553).\nDass hier besondere Umstande vorliegen, ist nicht ersichtlich. Sie ergeben\nsich insbesondere nicht aus den kryptischen Hinweisen im Merkblatt der\nBundesagentur fur Arbeit, die allenfalls vage andeuten, dass eventuell\nRentenvoraussetzung nicht geschaffen werden, sollte keine Arbeitslosmeldung\nvorliegen. Der Klager hatte keine nachvollziehbare Moglichkeit hieraus auf das\nErfordernis der Meldung oder der Notwendigkeit weiterer Auskunfte zu\nschließen. \n--- \n--- \n| 80 \n--- \n| Die Kammer konnte sich nicht von einem Mitverschulden des Klagers dadurch\nuberzeugen, dass er entgegen der eindeutigen Anspruchsvoraussetzung im\nSozialplan sich nicht arbeitslos gemeldet hatte. Das Mitverschulden des\nKlagers erscheint geringfugig insoweit, als die Beklagte trotz des\nVersaumnisses des Klagers und trotz fehlenden Nachweises der Arbeitslosmeldung\ndie Aufstockungsleistung kommentarlos erbrachte, obwohl sie bei Kenntnis der\nRechtslage hatte erkennen mussen, dass der Klager ohne die Arbeitslosmeldung\ndie rechtenrechtlichen Voraussetzungen nicht erfullen wurde. Ware der Vortrag\nder Beklagten zutreffend, dass ihr dies bekannt gewesen sei und dass deswegen\nim Zuge der Verhandlungen uber den Sozialplan der Klager hieruber aufgeklart\nworden sei, ware schlicht nicht mehr zu verstehen, warum die Beklagte dann\nsehenden Auges, dass dem Klager ein Fehler unterlaufen sein konnte,\nkommentarlos die Aufstockungszahlung leistet, ohne einen Nachweis zu fordern.\nDaruber hinaus war das mitwirkende Verschulden des Klagers auch aus Äußerungen\nder Beklagten heraus im Erlauterungsgesprach vor Abschluss des\nAuflosungsvertrages als nur geringfugig und damit nicht mehr ausschlaggebend\nanzusehen, da aufgrund des wechselseitigen Vortrags der Parteien davon\nauszugehen ist, dass in dem Gesprach durch den Personalleiter tatsachlich die\nBehauptung gefallen ist, dass der Klager nach dem Auslaufen des\nArbeitslosengeldes nichts mehr mit der Agentur fur Arbeit zu tun habe.\nUnabhangig davon, in welchem Kontext die Aussage gefallen sein mag, birgt sie\neine erhebliche Gefahr des erheblichen Missverstandnisses, denn es war\nkeineswegs so, wie es nach dem Vortrag der Beklagten den Anschein haben mag,\ndass der Klager sich einmalig und der guten Form wegen bei der Bundesagentur\nfur Arbeit zu melden habe. Vielmehr hatte der Klager weiterhin um die\nrechtenrechtlichen Voraussetzungen schaffen zu konnen der Bundesagentur als\narbeitssuchend zur Verfugung zu stehen. Damit waren beispielsweise auch\nlangere Auslandsaufenthalte ausgeschlossen. Es kann angesichts solcher\nUmstande nicht nachvollzogen werden, vor welchem Hintergrund eine solche\nAusfuhrung ihre Berechtigung gehabt haben soll. \n--- \n--- \n| 81 \n--- \n| Dass alle anderen Arbeitnehmer, die vergleichbare Auflosungsvertrage\ngeschlossen hatten, sich vereinbarungsgemaß durchgangig arbeitslos gemeldet\nhaben, konnte die Kammer aufgrund des Vortrags der Beklagten nicht annehmen.\nEs werden von der Beklagten insoweit weder konkrete Tatsachen vorgetragen,\nnoch lasst sich im Wege eines Beweises des ersten Anscheins aus dem Fehlen\nweiterer Streitigkeiten darauf schließen, da der Klager die\nAnspruchsvoraussetzungen nur knapp verfehlt hat, aufgrund seines Lebensalters\nzum Zeitpunkt der Ausscheidensvereinbarung. Demgegenuber war nicht\nauszuschließen, dass fur die anderen Arbeitnehmer eine vergleichbare\nProblemlage wie beim Klager von vorneherein ausgeschlossen war. \n--- \n--- \n| 82 \n--- \n| **5.** Nach § 249 Satz 1 BGB hat der Schadiger den Zustand herzustellen,\nder bestehen wurde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht\neingetreten ware (haftungsausfullende Kausalitat). Dies sind vorliegend die\nausgefallenen und der Hohe nach unstreitigen monatlichen\nRentenzahlungsbetrage. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 83 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Als\nunterliegende Partei tragt die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits. \n--- \n--- \n| 84 \n--- \n| Die Entscheidung uber den Streitwert beruht dem Grunde nach auf § 61 ArbGG,\nder Hohe nach auf § 3 ZPO. Der Wert wurde in Hohe der Summe der eingeklagten\nZahlungsbetrage bemessen. \n--- \n--- \n| 85 \n--- \n| Die Berufung war nicht gesondert zuzulassen, nachdem Grunde i.S.d. § 64\nAbs. 3 ArbGG, aus denen sie hatte zugelassen werden mussen, nicht ersichtlich\nsind. Unabhangig hiervon kann sich die Zulassigkeit der Berufung fur die\nBeklagte bereits aus § 64 Abs. 2 b ArbGG ergeben. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 86 \n--- \n| Die nachfolgenden Hinweise belehren uber das zulassige Rechtsmittel. \n---\n\n
89,630
bag-2010-02-16-3-azr-22109
7
Bundesarbeitsgericht
bag
Bundesrepublik Deutschland
Arbeitsgerichtsbarkeit
Bundesgericht
3 AZR 221/09
2010-02-16
2018-11-13 09:30:06
2019-01-17 17:22:55
Urteil
## Tenor\n\n \n\n \n\n \n\n1\\. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln\nvom 12. Februar 2009 - 13 Sa 614/08 - wird zurückgewiesen.\n\n \n\n2\\. Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.\n\n \n\n## Sonstige Literatur\n\n \n\n1\n\n \n\n \n\nDie Parteien haben auf Tatbestand und Entscheidungsgründe verzichtet.\n\n \n\n \n\n | Reinecke | | Zwanziger | | Schlewing | \n---|---|---|---|---|---|--- \n| | Schmidt | | G. Kanzleiter | | \n \n \n\n \n\n
97,097
olgrost-2010-08-10-i-ws-19310
483
Oberlandesgericht Rostock
olgrost
Mecklenburg-Vorpommern
Oberlandesgericht
I Ws 193/10
2010-08-10
2018-11-16 15:30:06
2019-02-12 12:47:22
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Der Beschluss des Landgerichts Schwerin vom 10.06.2010 - 31 KLs 10/10 -\nwird aufgehoben.\n\n \n\n2\\. Das Verfahren wird zur Entscheidung uber den Antrag auf Erlass eines\nStrafbefehls an das Amtsgericht Schwerin zuruckverwiesen.\n\n \n\n3\\. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Angeschuldigten auferlegt.\n\n#### Grunde\n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nDie Staatsanwaltschaft Schwerin hat beim Amtsgericht Schwerin in vorliegender\nSache Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gestellt. Mit der Verfugung _"U.mA.\ndem Landgericht Schwerin uber die StA Schwerin mit der Bitte um Prufung, ob\ndas Verfahren wegen des Umfangs der Sache ubernommen wird"_ vom 16.03.2010 hat\ndas Amtsgericht das Verfahren dem Landgericht Schwerin zugeleitet.\n\n2\n\n \n\nDie Große Strafkammer hat das Verfahren mit angefochtenem Beschluss vom\n10.06.2010 ubernommen und die Eroffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen\nGrunden abgelehnt. Gegen diese ihr am 17.06.2010 zugestellte Entscheidung\nrichtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 22.06.2010,\ndie am selben Tage beim Landgericht eingegangen ist.\n\n \n\n**II.**\n\n3\n\n \n\nDie gemaß § 210 Abs. 2 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist binnen der\nFrist des § 311 Abs. 2 StPO angebracht und mithin zulassig.\n\n4\n\n \n\nSie hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Beschluss war aufzuheben\nund das Verfahren zur Entscheidung uber den Antrag auf Erlass eines\nStrafbefehls an das Amtsgericht Schwerin zuruckzuverweisen.\n\n \n\n1.\n\n5\n\n \n\nDas Landgericht war fur die von ihm getroffene Entscheidung nicht zustandig.\n\n6\n\n \n\nDas Amtsgericht hat das Verfahren wohl in entsprechender Anwendung des § 209\nAbs. 2 StPO, jedoch ohne formlichen Beschluss, der fur sachlich zustandig\nerachteten Großen Strafkammer des Landgerichts vorgelegt. Diese\nVerfahrensweise ist im Strafbefehlsverfahren nach §§ 407 ff. StPO nach\nBewertung des Senates nicht zulassig.\n\n \n\na)\n\n7\n\n \n\nDie Verweisung an ein Gericht hoherer Ordnung gem. § 209 Abs. 2 StPO setzt zum\neinen einen formlichen Beschluss voraus (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 209\nRn. 8).\n\n \n\nb)\n\n8\n\n \n\nZum anderen kann das Landgericht auf der Grundlage eines Strafbefehlsantrages\nkeine (Nicht-) Eroffnungsentscheidung i.S.d. § 204 StPO treffen, denn das\nStrafbefehlsverfahren findet ausschließlich vor dem Amtsgericht statt (vgl. §\n407 Abs. 1 Satz 1 StPO).\n\n9\n\n \n\nBehandelt man - wie vorliegend das Landgericht - den Antrag auf Erlass eines\nStrafbefehls vor dem Hintergrund des § 407 Abs. 1 Satz 4 StPO als "normale"\nAnklageschrift, hat dies die Unvollstandigkeit einer solchen offentlichen\nKlage zur Folge. Denn ihr fehlt das in einem solchen Fall stets erforderliche\nwesentliche Ergebnis der Ermittlungen (§ 200 Abs. 2 Satz 1 StPO).\n\n10\n\n \n\nAußer im Falle des § 200 Abs. 2 Satz 2 StPO, von dem auch nur bei einfacher\nBeweislage im Verfahren vor dem Strafrichter Gebrauch zu machen ist, ist das\nwesentliche Ergebnis der Ermittlungen zur Vorbereitung des rechtlichen Gehors\ndes Angeschuldigten im Sinne der § 201 Abs. 1, § 33 Abs. 3 StPO vor Erlass\neines etwaigen Eroffnungsbeschlusses unerlasslich, da es der Realisierung\neines wesentlichen Beschuldigtenrechts dient (vgl. LG Hamburg, Beschluss vom\n01.10.2003 - 612 Qs 47/03 - zitiert nach juris).\n\n11\n\n \n\nDies muss nach Bewertung des Senats auch dann gelten, wenn - wie vorliegend im\nFalle der Nichteroffnung des Hauptverfahrens - keine Entscheidung zum Nachteil\ndes Angeschuldigten getroffen wird. Denn die Darstellung des wesentlichen\nErgebnisses der Ermittlungen soll neben dem Angeschuldigten und seiner\nVerteidigung auch das Gericht und den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft\nin gedrangter Form uber den Sachstand, die Beweislage und alle sonstigen fur\ndie Entscheidung relevanten, nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens\nerkennbaren Umstande informieren (Lowe-Rosenberg/Stuckenberg, StPO, 26.Aufl.,\n§ 200 Rdnr. 55; KK-StPO/Tolksdorf, 6. Aufl., § 200 Rdnr. 19).\n\n12\n\n \n\nDabei verkennt der Senat nicht, dass auch der Antrag auf Erlass eines\nStrafbefehls in Verbindung mit den Akten die richterliche Überzeugung von der\nStrafbarkeit des Angeschuldigten begrunden kann (Lowe-Rosenberg/Gossel,\na.a.O., § 408 Rndr. 14) und - wie durch die Verteidigung zutreffend ausgefuhrt\n- fur den Strafbefehlsantrag die gleichen Voraussetzungen wie fur die\nEinreichung einer Anklageschrift erfullt sein mussen. Es ist jedoch\nunubersehbar, dass Anklageschriften zur Großen Strafkammer oder zum Strafsenat\nauch unter Außerachtlassung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen\nungleich eingehender und grundlicher abgefasst zu werden pflegen als\nStrafbefehlsantrage. Fur den Regelfall ist deshalb davon auszugehen, dass bei\nsachlicher Zustandigkeit eines hoheren Gerichts als des Amtsgerichts die im\nStrafbefehlsantrag bezeichneten Taten nicht Gegenstand des\nStrafbefehlsverfahrens sein konnen (Lowe-Rosenberg/Gossel, a.a.O.).\n\n13\n\n \n\nSchließlich spricht gegen die Auffassung des Senats auch nicht § 407 Abs. 1\nSatz 4 StPO, der klarstellt, dass im Zulassigkeitsbereich des\nStrafbefehlsverfahrens der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls die Wirkung\nder Erhebung der offentlichen Klage hat. Diese Wirkung kann nicht in der Weise\nverallgemeinert werden und uberall dort eintreten, wo das Gesetz generell eine\nAnklageerhebung voraussetzt (vgl. KMR-StPO/Fezer, § 408 Rdnr. 8).\n\n \n\nc)\n\n14\n\n \n\nWurde daher die Sache von dem Strafrichter oder dem Beschwerdegericht\nlediglich an das von diesem fur zustandig gehaltene hohere Gericht abgegeben\nwerden, so musste dieses Gericht sodann darauf hinwirken, dass die\nStaatsanwaltschaft eine vollstandige, den gesetzlichen Anforderungen genugende\nAnklageschrift vorlegt. Bei der Entscheidung daruber, ob und wie eine Tat\nangeklagt wird, handelt es sich indes um eine originare Aufgabe der\nStaatsanwaltschaft (§170 StPO), in welche das Gericht dann in nicht zulassiger\nWeise eingreifen wurde.\n\n15\n\n \n\nDie Befurchtung des LG Hamburg (a.a.O., Ziff. 12), dass eine derartige\nVorgehensweise - sofern die Staatsanwaltschaft auf Betreiben des Gerichts\ntatsachlich eine Anklageschrift einreicht - auch zur Konsequenz hatte, dass\ndem Gericht sowohl ein - unerledigter - Strafbefehlsantrag, als auch eine -\nweitere - Anklageschrift vorlage, teilt der Senat indes nicht. Naheliegender\nerscheint es in einem solchen Fall, dass die Staatsanwaltschaft dem Gericht\neine "neue" Anklageschrift unter Rucknahme des (bisherigen) Antrages auf\nErlass eines Strafbefehls vorlegt.\n\n \n\n2.\n\n16\n\n \n\nDer angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und zur erneuten Entscheidung\nuber den Strafbefehlsantrag an das Amtsgericht Schwerin zuruckzuverweisen.\nDieses wird, sofern es auch weiterhin die sachliche Zustandigkeit der Großen\nStrafkammer fur gegeben erachten sollte, den Antrag auf Erlass eines\nStrafbefehls (nur) wegen Unzustandigkeit abzulehnen haben.\n\n \n\na)\n\n17\n\n \n\nSoweit davon abweichend in der Literatur (KK-StPO/Fischer, 6. Aufl., § 408\nRdnr. 8; Meyer-Goßner, a.a.O., § 408 Rdnr. 4) die Auffassung vertreten wird,\ndass sich das Gericht im Beschlusswege fur sachlich unzustandig zu erklaren\nhabe, scheidet eine solche Verfahrensweise nach Auffassung des Senats aus. Sie\nhatte ebenfalls zur Folge, dass dem dann als zustandig erachteten Gericht\nwiederum "nur" ein Antrag auf Erlass eines Strafbefehls vorliegen wurde.\nInsoweit verweist der Senat auf seine diesbezuglichen Ausfuhrungen zu Ziff. 1.\n\n \n\nb)\n\n18\n\n \n\nEine (etwaige) Ablehnung des Antrages der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines\nStrafbefehls ausschließlich aus den Grunden seiner sachlichen Unzustandigkeit\nfuhrt nicht zu einer eine erneute Anklage hindernden beschrankten Rechtskraft\n(so aber KK-StPO/Fischer, a.a.O.).\n\n19\n\n \n\n§ 211 StPO, wonach die unanfechtbar abgelehnte offentliche Klage nur aufgrund\nneuer Tatsachen oder Beweismittel wieder aufgenommen werden kann, enthalt eine\nbeschrankte Anwendung des Grundsatzes "ne bis in idem". Sie setzt den\nVerbrauch der Strafklage durch sachliche Erledigung voraus. Eine bloße\nUnzustandigkeitserklarung kann jedoch den Verbrauch der Strafklage nicht\nherbeifuhren (LG Hamburg, a.a O. unter Hinweis auf RGSt 32, 50 ff.). Eine\nsolche Rechtskraft kann lediglich die Ablehnung mangels hinreichenden\nTatverdachts bewirken, nicht jedoch die keine Entscheidung in der Sache\nenthaltende Ablehnung wegen fehlender sachlicher Zustandigkeit. Lehnt der\nStrafrichter einen Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Strafbefehls\nab, weil er sich fur sachlich unzustandig halt, so lehnt er hierdurch nicht\nden Antrag selbst, sondern nur die Entscheidung uber den Antrag ab. Der\nBeschluss ist inhaltlich einer bloßen Unzustandigkeitserklarung sehr ahnlich,\nfuhrt aber nach Bewertung des Senats in der vorliegenden prozessualen\nSituation zu sachgerechteren Ergebnissen.\n\n \n\n**III.**\n\n20\n\n \n\nDie Kostenentscheidung ergibt sich aus entsprechender Anwendung des § 467\nStPO.\n\n \n\n**IV.**\n\n21\n\n \n\nDie Entscheidung des Senats ist unanfechtbar, § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO.\n\n \n\n
100,230
olgrost-2009-10-08-3-u-22408
483
Oberlandesgericht Rostock
olgrost
Mecklenburg-Vorpommern
Oberlandesgericht
3 U 224/08
2009-10-08
2018-11-21 23:30:13
2019-02-11 05:51:55
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stralsund\nvom 25.06.2008 abgeandert und die Klage abgewiesen.\n\n \n\n2\\. Die Klagerin hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz\nzu tragen.\n\n \n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n \n\nDie Klagerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 110\n% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die\nBeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Hohe von 110 % des jeweils zu\nvollstreckenden Betrages leistet.\n\n \n\n4\\. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens betragt bis zu € 380.000,--.\n\n#### Grunde\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDie Klagerin verlangt von der beklagten Gemeinde aus abgetretenem Recht die\nÜbereignung naher bezeichneter Flurstucke in Erfullung eines\nGrundstuckskaufvertrages vom 19.04.1999.\n\n2\n\n \n\nDie beklagte Gemeinde fasste im Jahre 1998 den Entschluss, zur Entwicklung\nihrer Infrastruktur als Badergemeinde den Bau eines Sport- und\nFreizeitzentrums (mit integriertem Hallenbad und Bowlingbahn) zu fordern. Zu\ndiesem Zweck bot sie Interessenten Grundstucke zu einem Vorzugspreis an. Der\nBodenrichtwert betrug im Jahr 1996 DM 200,-/m². Beim Verkauf der Ferienhauser\nerzielte Überschusse sollten die vermutlich zunachst defizitare Betreibung des\nSport- und Freizeitzentrums auffangen.\n\n3\n\n \n\nAm 03.03.1999 fasste der Gemeinderat der beklagten Gemeinde einen Beschluss,\nmit dem sie ihren Burgermeister bevollmachtigte, an die Investorengruppe H./M.\nGbR ein Trennstuck aus den Flurstucken 132 und 170/4 mit einer Große von\ninsgesamt 12.000 m² zur Errichtung eines Sport- und Freizeitzentrums fur 30,-\nDM/je m² zu verkaufen.\n\n4\n\n \n\nAm 09.03.1999 verkaufte der seinerzeitige Burgermeister, handelnd im Namen der\nbeklagten Gemeinde aber ohne deren Vollmacht, mit notariell beurkundetem\nGrundstuckskaufvertrag (UR-Nr. 423/99) die vorgenannten Flurstucke ohne\nAuflassung an die H./M. GbR. Der Vertrag beinhaltete eine aufschiebende\nBedingung folgenden Inhalts:\n\n5\n\n \n\n"Die Gesellschaft burgerlichen Rechts H.-M. GbR beabsichtigt, im Einvernehmen\nmit der Gemeinde D. ein Sport- und Freizeitzentrum in D. zu errichten. [...]\n\n6\n\n \n\nDie Erschienenen ersuchten sodann den Notar um die Beurkundung des\nnachstehenden Grundstuckskaufvertrages ohne Auflassung unter der\naufschiebenden Bedingung, daß\n\n7\n\n \n\na) der Bebauungsplan Nr. 11 der Gemeinde D. bestandskraftig wird,\n\n8\n\n \n\nb) die Baugenehmigung fur das geplante Bauvorhaben (Sport- und Freizeitzentrum\ngemaß dem von der Gemeindevertretung bestatigten Projekt, dessen zeichnerische\nDarstellung als Anlage Bestandteil dieses Vertrages ist, erteilt worden ist,\n\n9\n\n \n\nc) der Antrag auf Bewilligung offentlicher Gelder (Fordermittel) i. H. v.\nmindestens 45 % der forderfahigen Investitionskosten vom Land Mecklenburg-\nVorpommern positiv beschieden worden ist, wobei es dem Kaufer freigestellt\nbleibt, den Bedingungseintritt ersatzweise dadurch zu bewirken, daß er\nschriftlich gegenuber der Gemeinde D. sich bereit erklart, im Umfang der nicht\nzugewiesenen Fordermittel die Differenz aus eigenen Mitteln, wozu auch Kredite\nzu rechnen sind, zu tragen,\n\n10\n\n \n\nd) ein weiterer Grundstuckskaufvertrag uber Teilflachen der Flurstucke xxx\nzwischen den Vertragsbeteiligten dieses heute geschlossenen Kaufvertrages\nzustande kommt, wobei der Kaufpreis DM 162,50 pro m² betragen soll und die\nGesamtflache des Vertragsgegenstandes ca. 14.373 m² betragen soll. Der\nVertragsgegenstand dieses noch abzuschließenden Kaufvertrages ist in der\nAnlage gelb gekennzeichnet. Auf diesen Anlageplan wird verwiesen.\n\n11\n\n \n\nIst auch nur eine der vorstehend unter a) bis d) genannten aufschiebenden\nBedingungen bis zum 31.12.1999 nicht eingetreten, gelten die zur Wirksamkeit\ndieses Vertrages vereinbarten Bedingungen als ausgefallen und der Vertrag wird\nmit Ablauf des 31.12.1999 endgultig unwirksam."\n\n12\n\n \n\nAuf die Bitte des Notars die "beglaubigte Abschrift der UR Nr. 422/99" zu\ngenehmigen, siegelten und unterschrieben der Burgermeister und sein\nStellvertreter eine Genehmigungserklarung am 17.03.1999. Die Erfullung des\nVertrages vom 09.03.1999 ist nicht streitgegenstandlich. Spater wurde die\nH./M. GbR als Eigentumerin der verkauften Flurstucke in das Grundbuch\neingetragen.\n\n13\n\n \n\nDie beklagte Gemeinde als Verkauferin, vertreten durch den Burgermeister "als\nbevollmachtigter Vertreter [...] aufgrund mundlich erteilter Vollmacht" und\ndie H./M. GbR schlossen am 19.04.1999 einen weiteren Grundstuckskaufvertrag\nbetreffend 3 unvermessener Teilflachen der Flurstucke xxx ohne Auflassung. Sie\nvereinbarten einen Preis von 162,50 DM/m². In dem Vertrag heißt es u.a.:\n\n14\n\n \n\n"Die Gesellschaft burgerlichen Rechts H.-M. GbR beabsichtigt, die nachstehend\nin § 1 dieses Vertrages beschriebenen Grundstucke von der Gemeinde D. zu\nerwerben, um auf diesen Grundstucken Ferienhauser, Pensionen, Appartements und\nFerienwohnanlagen sowie Laden zu errichten, wie dies nach den Festsetzungen\ndes Bebauungsplanes 1902 der Gemeinde D. zulassig ist. Hierzu verweisen die\nVertragsbeteiligten die diesem Kaufvertrag als Anlage beigefugten B-Plan-\nEntwurf vom 19.04.1999 (Planskizze).\n\n15\n\n \n\nDie Erschienenen ersuchten sodann den Notar um die Beurkundung des\nnachstehenden Grundstuckskaufvertrages ohne Auflassung unter der\naufschiebenden Bedingung, daß\n\n16\n\n \n\na) der Bebauungsplan Nr. 2 der Gemeinde D. bestandskraftig wird,\n\n17\n\n \n\nb) die Baugenehmigung fur die in Aussicht genommene Bebauung erteilt worden\nist. Die Bebauung ist in dem als Anlage zu dieser Urkunde beigefugten Plan\nskizziert.\n\n18\n\n \n\nc) der Grundstuckskaufvertrag vom 09.03.1999 [...] mit der Verpflichtung zur\nErrichtung eines Sport- und Freizeitzentrums wirksam geworden ist, indem mit\ndem Bau des Sport- und Freizeitzentrum begonnen wurde."\n\n19\n\n \n\nUnter § 10 (Wiederkaufsrecht und Bauverpflichtung) ist u.a. Folgendes\nbestimmt:\n\n20\n\n \n\n"1. Der Kaufer ist nicht berechtigt, mit den Bauarbeiten zu beginnen, bevor\nder Grundstuckskaufvertrag mit der Gemeinde D. vom 09.03.1999 [...] wirksam\ngeworden ist. Die Wirksamkeit dieses Vertrages tritt ein, wenn\n\n \n\n21\n\n \n--- \na) [...] \nb) [...] \nc) [...] \n \n \n\n22\n\n \n\n4\\. Handelt der Kaufer einer in diesem Abschnitt ubernommenen Pflichten oder\nden im Kaufvertrag vom 09.03.1999 [...] begrundeten Pflichten zuwider, ist er\nverpflichtet, das erworbene, noch nicht bebaute Grundstuck ganz oder teilweise\nder Gemeinde D. zuruckzuubertragen.\n\n23\n\n \n\n5\\. Das Wiederkaufsrecht der Gemeinde erlischt fur jeden Bauabschnitt nach\nBaubeginn des auf diesem Grundstuck zu errichtenden Gebaudes, ein\nWiederkaufsrecht kann die Gemeinde nur fur solche Grundstucke ausuben, auf\ndenen die Bebauung noch nicht begonnen hat.\n\n24\n\n \n\n[...]"\n\n25\n\n \n\nDie Vertragsparteien bestimmten in § 18 (Rechtsnachfolger):\n\n26\n\n \n\n"Im Falle der Weiterveraußerung wird der Kaufer die in diesem Vertrag\nbegrundeten Verpflichtungen auf den Erwerber ubertragen und diesen\nverpflichten, einen Rechtsnachfolger in gleicher Weise zu verpflichten."\n\n27\n\n \n\nAm 29.04.1999 wies der Notar die beklagte Gemeinde auf die noch ausstehende\nGenehmigung hin und bat um Unterzeichnung einer vorbereiteten\n"Vollmachtsbestatigung".\n\n28\n\n \n\nDer Gemeinderat der beklagten Gemeinde beschloss am 05.05.1999 Folgendes:\n\n29\n\n \n\n"Die Gemeindevertretung D. beschließt auf ihrer Sitzung am 05.05.1999, an die\nInvestorengruppe H./M. GbR, eine Flache von insgesamt 13.460 m² samtlichst\ngelegen im B-Plan-Gebiet Nr. 2 [...] nach Wertgutachten zu verkaufen.\n\n30\n\n \n\nIm Kaufvertrag ist zu verankern, dass die vorgesehene Bebauung mit\nFerienhausern nur in Abhangigkeit mit dem Baufortschritt am Sport- und\nFreizeitzentrum gestattet ist. Dazu sind drei Bauabschnitte zu bilden.\n\n31\n\n \n\nDer Burgermeister wird bevollmachtigt, einen entsprechenden Kaufvertrag\nabzuschließen."\n\n32\n\n \n\nDer 1. und 2. Stellvertreter des Burgermeisters der beklagten Gemeinde\nunterzeichneten am 23.06.1999 die "Vollmachtsbestatigung" und siegelten diese.\n\n33\n\n \n\nDie Vertragsparteien ließen am 30.09.1999 eine Identitatserklarung betreffend\nden Kaufvertrag vom 19.04.1999 beurkunden. Die Flurstucke xxx wiesen eine\nGesamtgroße von ca. 13.460,59 m² auf.\n\n34\n\n \n\nIn einer am 09.12.1999 notariell beurkundeten Änderung des\nGrundstuckskaufvertrages vom 19.03.1999 (UR 2279/1999) stellten die H./M. GbR\nund die beklagte Gemeinde, diese vertreten durch den Burgermeister Herrn S. K.\naufgrund mundlich erteilter Vollmacht, den Eintritt der Bedingungen zu a) und\nd) fest und vereinbarten hinsichtlich der Bedingungen zu b) und c) eine\nFristverlangerung fur den Eintritt der aufschiebenden Bedingungen bis zum\n30.06.2000. Am 23.12.1999 unterzeichneten Burgermeister und Stellvertreter mit\nSiegel eine "Vollmachtsbestatigung" fur die Fristverlangerung.\n\n35\n\n \n\nSchließlich stimmte der Gemeinderat der beklagten Gemeinde mit Beschluss vom\n09.02.2000 den Änderungswunschen der Kaufer ["Verschmelzung der Bedingungen a)\nund b); aufschiebende Bedingung in c) bleibt erhalten"] fur den Kaufvertrag\nvom 19.04.1999 zu.\n\n36\n\n \n\nAm 22.02.2000 vereinbarten die beklagte Gemeinde, diese vertreten durch den\nBurgermeister ohne Vollmacht, und die H./M. GbR folgende Änderung des\nGrundstuckskaufvertrages vom 19.04.1999 (UR 353/2000):\n\n37\n\n \n\n"Mit Urkunde vom 19.04.1999 [...] wurde zwischen der Gemeinde D., Frau H. und\nHerrn M., handelnd in Gesellschaft burgerlichen Rechts - H./M. GbR, ein\nweiterer Grundstuckskaufvertrag unter aufschiebenden Bedingungen, daß\n\n38\n\n \n\na) der Bebauungsplan Nr. 2 der Gemeinde D. bestandskraftig wird,\n\n39\n\n \n\nb) die Baugenehmigung fur die in Aussicht genommene Bebauung erteilt worden\nist. Die Bebauung ist in dem als Anlage zu dieser Urkunde beigefugten Plan\nskizziert,\n\n40\n\n \n\nc) der Grundstuckskaufvertrag vom 09.03.1999 [...] mit der Verpflichtung zur\nErrichtung eines Sport- und Freizeitzentrums wirksam geworden ist, in dem mit\ndem Bau des Sport- und Freizeitzentrums begonnen wurde,\n\n41\n\n \n\nabgeschlossen.\n\n42\n\n \n\nDie vorgenannten aufschiebenden Bedingungen zu lit. a) und c) sind noch nicht\nerfullt. Die Baugenehmigung ist nach Angabe des Kaufers fur den ersten\nBauabschnitt erteilt worden. Hinsichtlich der weiteren Bauabschnitte steht sie\nnoch aus. Die Erschienenen erklarten sodann:\n\n43\n\n \n\nDie Vertragsbeteiligten sind daruber einig, dass die in der Vorbemerkung zu\nder o. g. Urkunde zu lit. a) vereinbarte aufschiebende Bedingung als\neingetreten gelten soll, wenn die Baugenehmigung bestandskraftig erteilt\nwurde.\n\n44\n\n \n\nWird die Baugenehmigung fur einzelne Bauabschnitte erteilt, so gilt die\nBedingung hinsichtlich dieser Flachen als eingetreten. Die Beteiligten sind\ndaruber einig, daß \\- sobald die Bedingung zu lit. c) ebenfalls eingetreten\nist - dann ein Teilvollzug des Grundstuckskaufvertrages hinsichtlich des dann\nwirksamen Teils erfolgen soll.\n\n45\n\n \n\nDer Verkaufer bestatigt hiermit ausdrucklich, dass im Falle einer\nTeilwirksamkeit des Vertrages von der in der Stammurkunde enthaltenen\nBelastungsvollmacht hinsichtlich der Flache Gebrauch gemacht werden kann, fur\ndie der Vertrag wirksam geworden ist."\n\n46\n\n \n\nAm 02.03.2000 unterzeichneten der Burgermeister der beklagten Gemeinde und\nsein Vertreter unter Beifugung eines Amtssiegels eine Genehmigungserklarung\nfur die beklagte Gemeinde. Die Rechtsaufsichtsbehorde genehmigte die\nKaufvertrage.\n\n47\n\n \n\nDas Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommerns erteilte der H./M. GbR am\n17.03.2000 einen Zuwendungsbescheid uber einen Investitionszuschuss von 49 %\nder Investitionssumme, insgesamt DM 3.124.000,-- fur die Errichtung des Sport-\nund Freizeitzentrums. Wegen des naheren Inhalts im Weiteren wird auf Anlage K\n19 zum Schriftsatz der Klagerin vom 25.03.2004 verwiesen.\n\n48\n\n \n\nDie beklagte Gemeinde bestatigte dem Notar am 05.06.2000, dass die "H. & M. D.\nGbR mbH als Investor des Sport- und Freizeitzentrums D. mit dem Bau desselben\nbegonnen" habe. Auch auf den Flurstucken xxx, also den nicht\nstreitgegenstandlichen, wurde mit Bauarbeiten begonnen.\n\n49\n\n \n\nSchließlich erklarten die Vertragsparteien am 17.10.2000 die Auflassung fur\nandere - vorliegend nicht streitgegenstandliche - Grundstucke aus dem\nKaufvertrag vom 19.04.1999.\n\n50\n\n \n\nAm 02.02.2001 fasste die Gesellschafterversammlung der H./M. GbR den\nBeschluss, dass das Gesellschafsvermogen im Zeitpunkt des Eintritts von naher\ndargelegten Bedingungen Frau H. zuwachse. Die Wirksamkeit des\nGesellschafterbeschlusses sowie eines spater von Frau H. erklarten Verzichts\nauf die Bedingungen ist zwischen den Parteien umstritten. Noch im Jahre 2001 -\nwann genau haben die Parteien nicht mitgeteilt - verstarb Herr M.\n\n51\n\n \n\nDas bauausfuhrende Unternehmen stellte im Sommer 2001 die Bauarbeiten ein.\nUmstritten it, welche Gesellschaft mit der Bauausfuhrung beauftragt worden\nwar. Mit Beschluss vom 01.08.2001 ordnete das AG Stralsund das\nInsolvenzverfahren uber das Vermogen der H. & Co. GmbH an und bestellte\nRechtsanwalt B. zum Insolvenzverwalter. Bereits mit Beschluss vom 16.07.2001\nordnete das Amtsgericht Ribnitz-Damgarten die Zwangsverwaltung uber nicht\nstreitgegenstandliche Grundstucke an. Am 20.09.2001 hob das Amtsgericht diese\nwieder auf, nachdem die Glaubigerin den Antrag zuruckgenommen hatte. Frau H.\nbelastete das Grundstuck mit einer Gesamtgrundschuld in Hohe von mehreren\nMillionen DM; ihre Berechtigung hierzu ist gleichfalls umstritten.\n\n52\n\n \n\nDie beklagte Gemeinde ließ am 06.08.2001 darauf verweisen, dass die\nKaufvertrage unwirksam sein konnten und ferner einen (erneuten) Antrag von\nFrau H. auf Verlangerung der Fertigstellungsfrist zuruckweisen.\n\n53\n\n \n\nFrau H. prasentierte der beklagten Gemeinde am 24.10.2001 einen neuen\nInvestor, wobei sie ankundigte, die jeweiligen Kaufvertrage an andere\njuristische Personen zu ubertragen. Am 02.11.2001 verkaufte Frau H. einzelne\nGrundstucke an die Klagerin weiter. Die Grundstucke aus dem Kaufvertrag vom\n09.03.1999 veraußerte sie an die Sport- und Freizeitzentrum D. GmbH.\nAusweislich der notariellen Urkunde (§ 5) "ubernimmt" die Klagerin samtliche\nvertraglichen Anspruche aus den vorgenannten Kaufvertragen. Am 17.06.2002\nerklarte die Klagerin gegenuber der Sport- und Freizeitzentrum D. GmbH einen\nnotariell beurkundeten Schuldbeitritt hinsichtlich der von ihr im Verhaltnis\nzu Frau H. ubernommenen Pflichten, dies jedoch nur unter der aufschiebenden\nBedingung der Übertragung samtlicher Rechte aus dem Fordermittelbescheid an\ndie Sport- und Freizeitzentrum D. GmbH. Mit Schreiben vom 08.07.2002\nbeantragte die Sport- und Freizeitzentrum D. GmbH sodann die Übertragung aller\nRechte und Pflichten aus dem Zuwendungsbescheid vom 17.03.2000. Mit\nÄnderungsbescheid vom 17.06.2003 schrieb das Wirtschaftsministerium\nMecklenburg-Vorpommerns den Zuwendungsbescheid auf die "Besitzgesellschaft:\nSport- und Freizeitzentrum D. GmbH" und die "Betriebsgesellschaft: SFZ D.\nBetriebsgesellschaft mbH" um und verlangerte den ursprunglich bis 31.12.2001\nvorgegebenen Bewilligungszeitraum bis zum 31.12.2005. Einem Antrag der\nBesitzgesellschaft "Sport- und Freizeitzentrum D. GmbH" auf eine weitere\nVerlangerung bis zum 31.12.2006 entsprach das Landesforderinstitut\nMecklenburg-Vorpommern nicht, was es dieser am 25.10.2005 eroffnete. Nachdem\ndie Klagerin am 14.09.2006 mitgeteilt hatte, dass sie gravierende Änderungen\nan der Vorhabenskonzeption plane und eine kurzfristige Realisierung des\nProjekts nicht moglich sei, widerrief das Landesforderinstitut am 08.11.2006\nden Zuwendungsbescheid.\n\n54\n\n \n\nBereits mit Schreiben vom 20.11.2001, 29.11.2001 und 07.01.2002 wandten sich\nFrau H., die Klagerin bzw. die SFZ GmbH an die beklagte Gemeinde und wiesen\ndarauf hin, dass die Bautatigkeit wegen eines von der Beklagten angestrengten\neinstweiligen Verfugungsverfahren eingestellt worden sei.\n\n55\n\n \n\nAm 15.10.2003 beschloss der Gemeinderat der beklagten Gemeinde vorsorglich den\nRucktritt von den Vertragen, da das Sport- und Freizeitzentrum nicht binnen 24\nMonaten fertig gestellt worden sei. Die beklagte Gemeinde ließ am 17.10.2003\nden Rucktritt gegenuber der Klagerin und ihrem Prozessbevollmachtigten\nerklaren. Ob der Rucktritt wirksam erklart worden ist und eine Berechtigung\nhierzu besteht, ist gleichfalls umstritten.\n\n56\n\n \n\nDie Klagerin hat die Ansicht vertreten, die Vertrage seien nicht (schwebend)\nunwirksam gewesen. Denn entscheidend komme es auf die\n"Außenvertretungsbefugnis" des Burgermeisters der beklagten Gemeinde an.\nGenehmigungsbeschlusse uber die Erklarung vom 17.03.1999 hinaus seien nicht\nerforderlich gewesen. Im Übrigen sei eine Genehmigung in den Beschlussen des\nGemeinderates der beklagten Gemeinde vom 03.03.1999, 05.05.1999, 09.02.2000 zu\nsehen. Jedenfalls durfe sich die beklagte Gemeinde auf eine etwaig fehlende\nGenehmigung nicht berufen, da sie die Vertrage mehrfach gebilligt habe. Die\nbeklagte Gemeinde habe alles unternommen, damit das Projekt nicht\nfertiggestellt werde. Da sie die "Eigentumerstellung" von Frau H. vehement in\nFrage gestellt habe, sei ein Weiterbau nicht zumutbar gewesen. Wegen Änderung\ndes Forderungsbescheides hatten Frau H. wahrend des gesamten Zeitraumes die\nerforderlichen Fordermittel nicht zur Verfugung gestanden. Auch habe der\nGemeinderat der beklagten Gemeinde mit Beschluss vom 08.11.2001 veranlasst,\ndass kein Baurecht fur den 2. und 3. Bauabschnitt der Ferienhausbebauung\ngeschaffen werde. Bisher seien ca. € 1,32 Mio (netto) investiert worden.\n\n57\n\n \n\nDie beklagte Gemeinde hat die Ansicht vertreten, dass die notariellen\nKaufvertrage vom 09.03.1999 und 19.04.1999 keine Wirksamkeit erlangt hatten.\nDenn am 09.03.1999 habe eine § 39 Abs. 2 der Gemeindeordnung Meckelenburg-\nVorpommern (im folgenden GO-MV) entsprechende Vollmacht nicht vorgelegen.\nFolglich ware die Genehmigung gemaß §§ 177 Abs. 1 Satz 2 BGB, 39 Abs. 2 Satz 9\nGO-MV erforderlich gewesen. Auch der Vertrag vom 19.04.1999 sei von der\nGemeindevertretung nicht genehmigt worden; eine "Vollmachtsbestatigung" kenne\ndie GO-MV gar nicht. Die Unterschrift allein des Stellvertreters genuge nicht.\nDie notariellen Vertrage vom 09.03.1999 und vom 19.04.1999 seien zu keinem\nZeitpunkt in ihrer Gemeindevertretung behandelt oder genehmigt worden. In dem\nBeschluss vom 03.03.1999 liege keine Billigung, da der beurkundete\nVertragsinhalt weit uber die in diesem Beschluss enthaltenen Pramissen\nhinausgegangen sei. Nach der wohl fehlerhaften Rechtsbehandlung durch den\nNotar habe sich kein Handlungsbewusstsein fur ein organschaftliches Handeln\nder Gemeindevertretung zur Genehmigung oder Billigung entwickelt; auch ein\nkonkludentes Handeln entfalle. Die Voraussetzungen, unter denen der Vertrag\nals wirksam zu behandeln seien (Existenzgefahrdung oder eine besonders schwere\nTreuepflichtverletzung), lagen nicht vor: Der Vertrag vom 19.04.1999 stelle\nunter lit. c) auf eine aufschiebende Bedingung ab, deren Eintritt unmoglich\nsei, so dass der Vertrag als von Anfang an unwirksam anzusehen sei. Im Übrigen\nsei der Grundstuckskaufvertrag unter der aufschiebenden Bedingung eines\nwirksamen Fordermittelbescheides bzw. des Nachweises der Finanzierung durch\npersonliche Mittel gemaß lit. c) geschlossen, die nicht eingetreten sei: Der\nBescheid beziehe sich auf die GbR, nicht auf Frau H. oder die Klagerin. Die\nZuruckhaltung der Fordermittel bis zum 31.12.2001 beruhe darauf, dass der\nBescheid nicht fur Frau H. gegolten habe. Nach den aufgetretenen\nwirtschaftlichen Schwierigkeiten habe die beklagte Gemeinde unmissverstandlich\nund durchgangig die Auffassung vertreten, dass die Kaufvertrage schwebend\nunwirksam seien, sie jedoch bereit sei, entweder mit dem neuen Investor neue\nVertrage zu adaquaten Bedingungen zu schließen bzw. die Kaufvertrage mit Frau\nH. zu genehmigen, falls die neuen Gesellschaften die vereinbarten\nVertragsbedingungen der Vertrage vom 09.03.1999 und 19.04.1999 rechtswirksam\nund mit den erforderlichen Sicherheiten ubernahmen. Hierauf hatte die Klagerin\nin 2001 eingehen konnen; so ware es - nach Gewahrung der Fordermittel - auch\nzur Vertragsdurchfuhrung gekommen. Die Einstellung der Bautatigkeit bzgl. des\nKaufvertrages vom 19.04.1999 habe unmittelbar mit der Insolvenz der Baufirma\ndes Ehemannes der Grundstuckserwerberin, der H. & Co. GmbH, zusammen gehangen.\nVerzogerungen beim Baufortschritt habe die Erwerberin ausschließlich selbst zu\nvertreten, was aus der angeordneten Zwangsverwaltung und einer ungepruften\nVorauszahlung an das bauausfuhrende Unternehmen folge. Schließlich stehe der\nbeklagten Gemeinde ein Wiederkaufsrecht zu, was zu einer Klageabweisung fuhre.\nDas Recht sei bereits deshalb entstanden, weil die Klagerin das Projekt mit\ngeanderten Planvorstellungen (abweichend zum Kaufvertrag vom 09.03.1999)\nrealisieren wolle.\n\n58\n\n \n\nDurch das der Beklagten am 24.07.2008 zugestellte Urteil vom 25.06.2008, auf\ndas zur naheren Sachdarstellung erganzend Bezug genommen wird, hat das\nLandgericht der Klage stattgegeben.\n\n59\n\n \n\nGegen das Urteil richtet sich die am 22.08.2008 beim Oberlandesgericht\neingelegte und am 07.10.2008 begrundete Berufung der beklagten Gemeinde. Sie\nist der Auffassung, das Landgericht habe ihr das rechtliche Gehor versagt:\nErstmals in der letzten mundlichen Verhandlung habe es den Hinweis erteilt,\ndass von dem Wiederkaufsrecht aufgrund des Zeitablaufs der Bauverpflichtung\ndeshalb kein Gebrauch gemacht werden konne, da die beklagte Gemeinde seit dem\n06.08.2001 Zweifel an der Wirksamkeit der Kaufvertrage geaußert habe und der\nBezug auf den Zeitablauf treuwidrig sei. Gelegenheit zur Stellungnahme sei der\nbeklagten Gemeinde nicht gewahrt worden. Mit Beschluss vom 05.05.1999 sei eine\nGenehmigung des Vertrages vom 19.04.1999 nicht erfolgt. Der Beschluss konne\nangesichts seines klaren Wortlauts nicht entsprechend ausgelegt werden.\nHiergegen spreche, dass sich in dem Vertrag keine Regelung uber 3\nBauabschnitte finde; die differenzierte Kaufpreisfalligkeit fur die\nTeilflachen genuge nicht. In dem Beschluss vom 21.01.2000 liege auch keine\nkonkludente Zustimmung. Diese setze voraus, dass der Genehmigungsberechtigte\nvon der Zustimmungsbedurftigkeit des Rechtsgeschafts gewusst oder mit ihr\ngerechnet habe. Folglich sei es unerheblich, wenn die Parteien - wie\nvorliegend - zunachst rechtsirrig davon ausgegangen seien, das Geschaft sei\nrechtsgultig zustande gekommen. Im Übrigen sei der Vertrag deshalb nicht\nzustande gekommen, weil lit. c) auf eine unmogliche Leistung gerichtet sei.\nAber selbst wenn die Klausel dahin verstanden werden konnte, dass als\nBedingung die Wirksamkeit des Vertrages vom 09.03.1999 und der Beginn der\nBauarbeiten gewollt gewesen sei, sei diese nicht eingetreten: Der Vertrag vom\n09.03.1999 sei nicht wirksam gewesen. Das Landgericht habe sich auch nicht mit\ndem Vortrag zur Ursachlichkeit der Einstellung der Bauarbeiten\nauseinandergesetzt. Lange vor dem Schreiben der beklagten Gemeinde vom\n06.08.2001 sei der Generalunternehmer insolvent gewesen und die\nZwangsverwaltung angeordnet worden. Die Klagerin habe versucht, ein anderes\nBauvorhaben als im Vertrag vom 09.03.1999 umzusetzen, womit die beklagte\nGemeinde nur unter Anpassung der Vertragspreise an den aktuellen\nBodenrichtwert einverstanden gewesen ware.\n\n60\n\n \n\nDie beklage Gemeinde beantragt,\n\n61\n\n \n\nin Abanderung des am 25.06.2008 verkundeten Urteils des Landgerichts\nStralsund, AZ: 6 O 433/03, die Klage abzuweisen.\n\n62\n\n \n\nDie Klagerin beantragt,\n\n63\n\n \n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n64\n\n \n\nDer Abschluss der Kaufvertrage sei allen Gemeindevertretern bestens bekannt\ngewesen. Einwande habe die beklagte Gemeinde nicht erhoben. Die von ihr\nangesprochene Willensbildung sei hinreichend durch die Beschlusse vom\n23.04.1999, 05.05.1999 und 09.02.2000 dokumentiert. Ihr sei zwar nicht\nbekannt, ob dem Gemeinderat die Kaufvertrage vorgelegt worden seien; sie habe\njedoch keine Veranlassung, hieran zu zweifeln. Auch habe die beklagte Gemeinde\ndie Vertrage gebilligt. Die (vorherige) Wirksamkeit des zugrunde liegenden\nKaufvertrages vom 09.03.1999 stehe allein im Schutzinteresse der Kauferin und\nsei fur die Beklagte in diesem Zusammenhang ohne jegliches Interesse. Die\nBautatigkeit sei erst aufgrund der Einwande der beklagten Gemeinde zur\nUnwirksamkeit der Vertrage eingestellt worden. Die Fordermittel hatten nicht\nfristgerecht abgerufen werden konnen, weil die beklagte Gemeinde die\nUnwirksamkeit der Vertrage eingewandt habe. Deshalb sei in der Folge der\nZuwendungsbescheid aufgehoben worden.\n\n65\n\n \n\nDer Senat hat in der mundlichen Verhandlung den informierten Mitarbeiter der\nKlagerin, Herrn P. befragt. Wegen seiner Äußerungen verweist der Senat auf den\nInhalt des Protokolls der mundlichen Verhandlung vom 09.07.2009. Die beklagte\nGemeinde hat mit Schriftsatz vom 31.08.2009 weiter zur Sache vorgetragen. Auf\nihren Schriftsatz wird Bezug genommen.\n\n \n\nII.\n\n66\n\n \n\nDie Berufung ist begrundet. Die Klage ist unbegrundet.\n\n \n\n1.\n\n67\n\n \n\nDie Klagerin hat gegen die beklagte Gemeinde keinen Anspruch auf Auflassung\nder im Vertrag vom 19.04.1999 genannten Grundstucke gemaß der §§ 433 Abs. 1\nSatz 1, 398 BGB.\n\n \n\na.\n\n68\n\n \n\nDer Senat kann die Beantwortung der Frage, ob uberhaupt ursprunglich ein\nAuflassungsanspruch zugunsten der H./M. GbR entstanden und dieser wirksam auf\ndie Klagerin ubertragen worden ist, offen lassen. Dies gilt insbesondere fur\ndie von den Parteien diskutierten Ansichten, ob gemaß § 39 Abs. 2 Satz 9 KV\nM-V die auf den Abschluss des Kaufvertrages gerichtete Willenserklarung des\nBurgermeisters von der Gemeindevertretung hatte genehmigt werden mussen,\ngegebenenfalls es der Beklagten wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz von\nTreu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt ist, sich auf einen Mangel der\nVerpflichtungserklarung zu berufen, alle aufschiebenden Bedingungen\neingetreten sind und Frau H. den Anspruch an die Klagerin wirksam abgetreten\nhat. Fur die weiteren Ausfuhrungen unterstellt der Senat, dass die Klagerin\nInhaberin eines entstandenen Anspruches ist.\n\n \n\nb.\n\n69\n\n \n\nDer Auflassungsanspruch ist infolge Rucktritts nach den Grundsatzen des\nWegfalls der Geschaftsgrundlage (nunmehr geregelt in § 313 BGB) untergegangen.\n\n \n\naa.\n\n70\n\n \n\nDiese Grundsatze sind anwendbar, da eine Regelungslucke feststellbar ist. Die\nhier relevante Fallkonstellation lasst sich weder uber eine erganzende\nVertragsauslegung noch uber das allgemeine Leistungsstorungsrecht losen. Vor\nallem ist den Investoren H./M. GbR bzw. Frau H. die Leistungserbringung\n(Zahlung des Kaufpreises; Errichtung der geplanten Bauwerke) nicht\nnachtraglich unmoglich geworden, was nicht nur zur Befreiung von ihrer\nLeistungspflicht, sondern auch zu einem Erloschen des Anspruches auf die\nGegenleistung gefuhrt hatte (§ 323 Abs. 1 BGB a.F.; jetzt § 326 Abs. 1 Satz 1\nBGB).\n\n \n\n1)\n\n71\n\n \n\nEine Unmoglichkeit wird allerdings auch in den Fallen dauernder\nLeistungshindernisse angenommen, die zu einer generellen Unerfullbarkeit der\nLeistung fuhren. Insbesondere kann eine Leistung durch bloßen Zeitablauf\ndauernd unmoglich werden. Bei absoluten Fixgeschaften begrunden auch nur\nvorubergehende Leistungsstorungen eine dauernde Unmoglichkeit (BGH, Urt. v.\n30.11.1972, VII ZR 239/71, BGHZ 60, 14). Ein zeitweiliges Leistungshindernis\nist einem dauernden dann gleichzusetzen, wenn die Erreichung des\nVertragszwecks durch die zeitweilige Unmoglichkeit so in Frage gestellt wird,\ndass dem Vertragsgegner nach Treu und Glauben unter Abwagung der Belange\nbeider Vertragsteile die Einhaltung des Vertrages bis zum Wegfall des\nLeistungshindernisses und ein weiteres Warten nicht mehr zugemutet werden\nkann. Dies hat zur Folge, dass dem Glaubiger eine Losung vom Vertrag moglich\nist (vgl. OLG Munchen, Urt. v. 13.01.1995, 23 U 4631/94, NJW-RR 1996, 48; OLG\nKarlsruhe, Urt. v. 14.09.2004, 8 U 97/04, NJW 2005, 989; Palandt/Heinrichs,\nBGB, 68. Aufl., § 275 Rn. 11; MunchKomm/Emmerich, 4. Aufl., § 275 Rn. 39 f;\nStaudinger/Lowisch (2001), § 275 Rn. 34 ff.). Dabei ist die Frage, ob ein\nLeistungshindernis zu einer dauernden oder nur vorubergehenden Unmoglichkeit\nfuhrt, zum Zeitpunkt des Eintritts dieses Hindernisses in einer ex post-\nBetrachtung nach dem Kenntnisstand der letzten mundlichen Verhandlung zu\nbeurteilen (BGH, Urt. v. 11.03.1982, VII ZR 357/80, NJW 1982, 1458; Urt. v.\n09.07.1955, VI ZR 108/54, WM 1955, 1346; Urt. v. 30.10.1953, V ZR 76/52, LM Nr\n4 zu § 275 BGB = BB 1953, 1028; KG Berlin, Urt. v. 04.09.1998, 17 U 3053/97,\nVIZ 2000, 677). Auch sind stets die beiderseitigen Interessen der\nVertragspartner abzuwagen (BGH, Urt. v. 23.06.1954, VI ZR 89/53, LM BGB § 323\nAbs. 1 Nr. 3). Es kommt einerseits darauf an, wie weit der Glaubiger ein\nInteresse daran hat, dass die vereinbarte Leistung nachtraglich noch erbracht\nwird, andererseits aber auch darauf, ob dem Schuldner zugemutet werden kann,\nnach Beseitigung des Hindernisses den Vertrag noch zu erfullen. "Praktisch"\nunmoglich ist nicht nur eine denkgesetzlich unausfuhrbare oder infolge\nrechtlicher Hindernisse auf keine Weise zu erbringende Leistung, sondern auch\nschon eine solche, deren Erfullung erhebliche praktische Schwierigkeiten\nentgegenstehen, so dass jeder vernunftige Mensch von einem Erfullungsversuch\nAbstand nahme (BGH, Urt. v. 08.06.1983, VIII ZR 77/82, NJW 1983, 2873; vgl.\nzur Unmoglichkeit bei Leistungshindernissen auch OLG Rostock, Urt. v.\n20.04.2006, 7 U 156/04, unveroffentlicht).\n\n \n\n2)\n\n72\n\n \n\nEin solcher Ausnahmefall, der es rechtfertigt, die vorubergehende\nUnmoglichkeit der endgultigen gleichzusetzen, liegt nicht vor.\n\n73\n\n \n\nEntscheidend ist, dass zum Zeitpunkt des Eintritts der Leistungsstorung im\nSommer 2001 nicht angenommen werden konnte, das Projekt werde sich\nlangerfristig nicht realisieren lassen. Dabei kommt es zunachst auf die\nVerhaltnisse des Vertragspartners der beklagten Gemeinde, Frau H. an. Ob sie\nzum damaligen Zeitpunkt nicht genugend finanzielle Mittel hatte, das Vorhaben\numzusetzen, ist von den Parteien weder dargetan noch sonst ersichtlich. Der\nUmstand, dass ein mit der Bauausfuhrung beauftragtes Unternehmen in Insolvenz\nfiel, genugt fur sich genommen noch nicht. Denn Frau H. hatte die Erfullung\ndes Bauvertrages ablehnen konnen und einem anderen den Auftrag zur\nFertigstellung erteilen konnen. Die Anordnung der Zwangsverwaltung und die\ndamit verbundene Beschlagnahme der Grundstucke betrafen nicht die des\nstreitgegenstandlichen Vertrages. Die Beschlagnahme war auch nicht von langer\nDauer. Unsicherheiten im Hinblick auf die weitere Vertragserfullung, wie etwa\nder Widerruf des Fordermittelbescheides und ein etwaig fehlendes schlussiges\nFinanzierungskonzept, traten erst spater auf. Dies genugt in einer Gesamtschau\nder Ereignisse nicht, um die Realisierung des Projektes fur unmoglich zu\nerachten. Auch letztgenannte Hindernisse sind nicht unuberwindbar. Zwar ist es\nnahe liegend, dass die ursprunglich kalkulierten Kosten (etwa wegen\ngestiegener Preise fur Lohn und Material) nicht mehr auskommlich sind und ein\nerhohter organisatorischer Aufwand fur die Umsetzung des Vorhabens\nerforderlich ist. Denn die Bauarbeiten sind seit nunmehr 8 Jahren\nunterbrochen. Selbst wenn die Bauarbeiten nicht schlicht fortgesetzt werden\nkonnten, ware ein Abriss und ein Neubau moglich. Der Senat sieht nicht\ngenugend Anhaltspunkte dafur, dass Frau H. mit Unterstutzung der Klagerin\nhierzu auf absehbare Zeit nicht in der Lage gewesen ware.\n\n \n\nbb.\n\n74\n\n \n\nDie Geschaftsgrundlage eines Vertrages wird nach der standigen Rechtsprechung\ndes Bundesgerichtshofs gebildet durch die nicht zum eigentlichen\nVertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluss aber zutage getretenen\ngemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder die dem Geschaftsgegner\nerkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen\nVertragspartei von dem Vorhandensein oder dem kunftigen Eintritt bestimmter\nUmstande, auf denen der Geschaftswille der Parteien sich aufbaut (vgl. BGH,\nUrt. v. 15.12.1983, III ZR 226/82, MDR 1984, 648; Urt. v. 29.04.1982, III ZR\n154/80, MDR 1982, 732 m.w.N.). Solche Umstande konnen Tatsachen sein. Das gilt\nselbst fur subjektive Einschatzungen und Befindlichkeiten, wenn sie eine\nGrundlage des Vertrages bilden. So hat die Rechtsprechung etwa das Vorliegen\neines Zerwurfnisses als mogliche Grundlagenstorung bei\nGrundstucksubertragungen gegen Wohnrechtsgewahrung und Versorgungsversprechen\nangesehen (BGH, Urt. v. 23.09.1994, V ZR 113/93, NJW-RR 1995, 77; Urt. v.\n20.03.1981, V ZR 152/79, WM 1981, 657; einschrankend: Urt. v. 19.01.2007, V ZR\n163/06, NJW 2007, 1884). Aber auch eine bestimmte Rechtslage kommt in\nBetracht, so dass Gesetzesanderungen im Rahmen der sonstigen Voraussetzungen\nals Grundlagenstorung einzuordnen sein konnen [BGH, Urt. v. 10.12.1998, III ZR\n241/97, LM BGB § 242 (Bb) Nr. 173 (7/1999)]. Fur eine Berucksichtigung von\nStorungen der Geschaftsgrundlage ist kein Raum, wenn nach der vertraglichen\nRegelung derjenige das Risiko zu tragen hat, der sich auf die Storung beruft.\nDie Aufteilung der vertraglichen Risikospharen (mit der Folge, dass die\nGeschaftsgrundlage nicht als fortgefallen angesehen werden darf) kann sich aus\nder vertragstypischen Regelung durch das dispositive Gesetzesrecht und dem\ndarin zum Ausdruck kommenden Beurteilungsmaßstab ergeben; sie kann aber auch\nausdrucklichen oder stillschweigenden Absprachen der Parteien im Wege der\n(notfalls erganzenden) Auslegung zu entnehmen sein (KG Berlin, Urt. v.\n06.12.2002, 25 U 106/02, KGR Berlin 2003, 200). Sind Storungen der\nGeschaftsgrundlage voraussehbar, ist es grundsatzlich Sache der betroffenen\nVertragspartner, sich gegen die daraus drohenden Nachteile zu sichern. Die\nStorung darf auch nicht auf einem Verschulden oder Tun des Schuldners beruhen\n(BGH, Urt. v. 03.05.1995, XII ZR 29/94, MDR 1995, 712; Urt. v. 11.03.1993, I\nZR 27/91, MDR 1993, 963). Angesichts der uberragenden Bedeutung, die im\nVertragsrecht dem Grundsatz der Vertragstreue zukommt, ist die Berufung auf\neine Erschutterung der Geschaftsgrundlage nur dann zulassig, wenn dies zur\nVermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu\nvereinbarenden und damit der betroffenen Partei nach Treu und Glauben nicht\nzuzumutenden Ergebnisses unabweislich erscheint (BGH, Urt. v. 29.04.1982, III\nZR 154/80, MDR 1982, 732 m.w.N.).\n\n \n\ncc.\n\n75\n\n \n\nAusgehend von den vorstehenden Grundsatzen kann der Senat eine solche\nGeschaftsgrundlage annehmen.\n\n76\n\n \n\nDie Geschaftsgrundlage des streitgegenstandlichen Vertrages war die\nRealisierung der auf allen verkauften Grundstucken geplanten Bauvorhaben in\nmehreren Bauabschnitten im Sinne eines Gesamtkonzeptes innerhalb eines\ngewissen zeitlichen Rahmens (von etwa 3 bis 4 Jahren). Hierdurch, vor allem\naber mit dem Betrieb des Zentrums, wollten die Parteien zur Entwicklung einer\nbesseren Infrastruktur der Beklagten als Badergemeinde einen wichtigen Beitrag\nleisten. Geschaftsgrundlage in diesem Sinne ist aber auch die Erwartung\ngewesen, dass sich das Investitionsvorhaben "Sport- und Freizeitzentrum"\nrealisieren und betriebswirtschaftlich betreiben lasst. Der Vertragszweck war\nfur die Vertragsparteien so selbstverstandlich gewesen, dass sie ihn nicht zum\nVertragsinhalt erhoben haben.\n\n77\n\n \n\nDass die Vertragsparteien diese gemeinsame Vorstellungen ihrem Vertrag\nzugrunde legten, ergibt eine Auslegung ihres Willens, den der Senat unter\nBeachtung der Auslegungsgrundsatze des Bundesgerichtshofes nach den §§ 133,\n157 BGB ermittelt hat. Das Verstandnis des Senats ist zweckorientiert und\ninteressengerecht:\n\n78\n\n \n\nDie Parteien haben die Vertrage vom 09.03.1999 und 19.04.1999 als eine\nwirtschaftliche Einheit betrachtet. Dies wird bereits durch die\nwechselseitigen Bezugnahmen auf den jeweils anderen Vertrag und den Inhalt der\naufschiebenden Bedingungen deutlich. Bereits im 1. Vertrag findet sich in den\nVorbemerkungen lit. c) die Absichtserklarung fur den Abschluss des 2.\nVertrages; die Vertragsparteien erwahnten bereits Kaufgegenstand und\nKaufpreis. In den Vorbemerkungen lit. c) des 2. Vertrages wiederum werden der\n1. Vertrag und das Sport und Freizeitzentrum erwahnt. Ferner sieht der 2.\nVertrag ein Wiederkaufsrecht der beklagten Gemeinde auch fur den Fall vor,\ndass der Kaufer gegen Pflichten aus dem 1. Vertrag zuwider handelt (§ 10\nZiffer 4). Die Parteien des Vertrages sind ubereinstimmend davon ausgegangen,\ndass der Verkauf der Grundstucke im Vertrag vom 19.04.1999 zu einem Preis\nunterhalb des Verkehrswertes einen hoheren Gewinn bei der Verwertung der\naufstehenden Objekte ermoglicht und dieser Gewinn dazu habe dienen sollen,\n(anfanglich auftretende) Verluste bei dem spateren Betrieb des Sport- und\nFreizeitzentrums (mit den konkreten funktionellen und gestalterischen\nMerkmalen) auszugleichen. Die Parteien zogen gerade ins Kalkul, dass das\nZentrum moglicherweise zunachst defizitar betrieben wurde, was sie aber uber\ndie Gestaltung des Vertrages vom 19.04.1999 und die Art der geplanten Objekte\n(mit einer hohen Erloserwartung) auffangen wollten. Alle\nvertragsgegenstandlichen Grundstucke befinden sich in einer hervorragenden\nLage in unmittelbarer Nahe zur Ostsee. Selbst die Klagerin hat die Vertrage im\nSinne einer wirtschaftlichen Einheit, als ein Gesamtkonzept begriffen. Dies\nzeigt sich darin, dass sie am 17.06.2002 gegenuber der Sport- und\nFreizeitzentrum D. GmbH einen notariell beurkundeten Schuldbeitritt fur deren\nPflichten im Verhaltnis zu Frau H. erklart hat, die allein auf dem Vertrag vom\n09.03.1999 beruhen.\n\n \n\ndd.\n\n79\n\n \n\nDiese Geschaftsgrundlage ist entfallen. Das konkrete Investitionsvorhaben als\nGesamtkonzept ist nunmehr als gescheitert anzusehen.\n\n80\n\n \n\nDies ergibt eine Gesamtwurdigung aller zutage getretenen Umstande.\n\n81\n\n \n\nZunachst ist der mittlerweile enorme Zeitablauf zu berucksichtigen. Der\nVertrag wurde vor 10 Jahren geschlossen, ohne dass das Projekt in\nhinreichendem Maße vorangetrieben worden ist. Es ist davon auszugehen, dass\nein Investor noch mehrere Jahre (alleine fur das Sport- und Freizeitzentrum\nca. 2 Jahre) benotigt, um das Gesamtvorhaben zu realisieren. Bereits im Sommer\n2000 hatten die Investoren mit dem Bau des Sport- und Freizeitzentrum\nbegonnen, so dass dieses nach der (ursprunglichen) Vorstellung der\nVertragsparteien bereits im Sommer 2002 hatte fertiggestellt sein mussen. Ob\nzum Zeitpunkt der Einstellung der Bauarbeiten im Sommer 2001 der\nBaufortschritt uberhaupt die Einhaltung des Termins zugelassen hatte, kann\ndabei offen bleiben. In den vergangenen 8 Jahren sind die Arbeiten - bis auf\neine kurzfristige Wiederaufnahme der Tatigkeit durch die neuen Investoren -\nnicht fortgesetzt worden. Bereits aus der Chronologie der Ereignisse folgt,\ndass Ursache des Baustopps im Sommer 2001 die Insolvenz der H. & Co. GmbH und\ndie Anordnung der Zwangsverwaltung uber einzelne Grundstucke gewesen ist.\n\n82\n\n \n\nAngesichts dieses Zeitablaufes ist das Gesamtkonzept, insbesondere aber das\nSport- und Freizeitzentrum mit der geplanten konkreten Nutzung nicht mehr\nzeitgemaß und von der Realitat uberholt worden. Die Wunsche, Bedurfnisse und\nAnspruche potentieller Nutzer durften sich zwischenzeitlich geandert haben und\nwaren - damit das Zentrum uberhaupt betriebswirtschaftlich betrieben werden\nkann - einer Analyse zu unterziehen und konzeptionell zu berucksichtigen.\nDarauf deutet auch der Inhalt der im Bescheid des Landesforderinstituts\nMecklenburg-Vorpommern vom 07.08.2008 in Bezug genommenen Marktstudien und der\nHinweis auf eine geanderte Marktsituation hin. Außerdem scheint aus jetziger\nSicht die Errichtung einer solch großen Anlage mit der geplanten Nutzungsart\nkeinen oder nur wenig Sinn zu machen. Denn in der Nahe wurden zwischenzeitlich\nsogenannte Spaßbader errichtet. Auch in R.-W. befindet sich an der\nStrandpromenade in unmittelbarer Nahe zu einem Hotel ein großes Objekt (mit\nSaunen, Rutschen, Bade- und Schwimmbecken, aber ohne Sportschwimmbereich),\nwelches allerdings relativ kurze Zeit nach seiner Eroffnung und bereits seit\nvielen Jahren nicht betrieben wird. Der Vergleich mit diesen Badern lasst an\nder Rentabilitat des geplanten Vorhabens erhebliche Zweifel aufkommen.\n\n83\n\n \n\nFrau H. als Vertragspartnerin der Beklagten hat offenbar uberhaupt nicht vor,\ndie weiteren Investitionen zu tatigen. Denn sie ließ zwischenzeitlich den\nFordermittelbescheid unter anderem auf die Sport- und Freizeitzentrum D. GmbH\nubertragen. Auf die Verhaltnisse der Klagerin (und der Sport- und\nFreizeitzentrum D. GmbH) kommt es aus schuldrechtlicher Sicht nicht an, denn\nzu einem Wechsel des Vertragspartners, der auch ein Einverstandnis der\nbeklagten Gemeinde voraussetzt, ist es nicht gekommen. Soweit sich Frau H. zur\nErfullung ihrer Pflichten der Klagerin und der Sport- und Freizeitzentrum D.\nGmbH bedient, ist folgendes festzuhalten: Die neuen Investoren wollen - wie\nsie auch gegenuber dem Landesforderinstitut zum Ausdruck brachten - an dem\ngeplanten Raumkonzept wegen der geanderten Marktsituation nicht mehr\nfesthalten, was unter anderem zum Widerruf des Zuwendungsbescheides gefuhrt\nhat. Dies mag zwar im Hinblick auf die auch vom Senat angenommene zeitliche\nÜberholung des Konzepts konsequent sein. Jedoch sind eben nur fur dieses\nkonkrete Konzept Fordermittel zugewiesen worden. Nur unter Maßgabe dieses\nKonzept hat die Kommunalaufsicht der beklagten Gemeine die Vertrage (auch im\nHinblick auf die Kaufpreise) genehmigt.\n\n84\n\n \n\nDass die Klagerin (und die Sport- und Freizeitzentrum D. GmbH) trotz\ngeanderter Marksituation das vereinbarte Konzept umsetzen will (und wollen),\nhalt der Senat fur eher fern liegend: Der Senat hat hierzu einen Vertreter der\nKlagerin informatorisch gemaß § 141 ZPO in der mundlichen Verhandlung\nangehort. Herr P. gab (auch nach Rucksprache mit dem Klagervertreter) zwar an,\ndass die Klagerin "selbstverstandlich" daran festhalte, so wie ursprunglich\nvorgesehen, die Investition durchzufuhren. Das ursprungliche Vorhaben sei\njedoch mittlerweile wirtschaftlich fragwurdig geworden. Die Gemeinde habe\nselbst gesagt, dass sie aus diesem Grunde Sorge habe, es entstunde eine\nweitere Investitionsruine. Deshalb seien die Plane geandert und der Beklagten\nzur Zustimmung vorgelegt worden; eine abschließende Entscheidung stehe noch\naus. Die im Termin mitgeteilte Absichtsbekundung ist nicht glaubhaft; die\nKlagerin hat ein schlussiges Konzept, das auch Finanzierungsfragen unter\nWegfall der Fordermittel behandelt, nicht vorgelegt oder uberhaupt nur\nbehauptet, ein solches erstellt zu haben. Die Fordermittel machten etwa die\nHalfte der ursprunglich kalkulierten Investitionskosten aus. Wie die Sport-\nund Freizeitzentrum D. GmbH die entstandene Finanzierungslucke schließen will,\nist weder ersichtlich noch dargetan. Im Übrigen ist das Konzept - wie die\nKlagerin selbst angibt - wirtschaftlich nicht tragfahig. Welchen Grund sollte\nsie haben, sehenden Auges eine solche Investition zu tatigen.\n\n85\n\n \n\nHatten die Vertragsparteien bereits 1999 gewusst, dass das Vorhaben in seiner\nGesamtheit nicht wie geplant gebaut wird oder sich nicht mehr rentabel\nbetreiben lasst, hatten beide, zumindest aber die beklagte Gemeinde den\nvorliegenden Vertrag zu diesen Bedingungen nicht geschlossen.\n\n \n\nee.\n\n86\n\n \n\nDas verwirklichte Risiko des Scheiterns des Investitionsvorhabens ist\njedenfalls nicht von der beklagten Gemeinde zu tragen. Sie hat dieses Risiko\nnicht vertraglich ubernommen. Die Risikoverwirklichung war auch nicht\nvorhersehbar und beruht weder auf einem Verschulden noch einem Tun der\nBeklagten.\n\n87\n\n \n\nDenn Frau H. bzw. die Klagerin und die Sport- und Freizeitzentrum D. GmbH,\nderer sich Frau H. im Verhaltnis zur Beklagten bedient, mochten das Konzept in\nder bisherigen Planung nicht mehr umsetzen, wie die Äußerungen gegenuber dem\nLandesforderinstitut (vgl. Bescheid vom 07.08.2008) belegen. Denn, so auch\nHerr P., das Vorhaben sei mittlerweile wirtschaftlich fragwurdig geworden.\nSoweit die Parteien Vergleichsgesprache gefuhrt haben, ging es um die\nVerwirklichung eines anderen Konzeptes. Letztlich sind die Zweifel an der\nMachbarkeit und Rentabilitat nicht solche, die allein dem\nVerantwortungsbereich der Beklagten unterfallen. Vielmehr war von Beginn an\nbeiden Parteien an einem erfolgreichen Betrieb des Zentrums und an einer\nnachhaltigen Umsetzung des Gesamtprojekts gelegen.\n\n88\n\n \n\nEntgegen der Behauptung der Klagerin ist die am 06.08.2001 mitgeteilte\nAuffassung der Beklagten, die Vertrage seien nicht wirksam zustande gekommen,\nfur die Einstellung der Bauarbeiten nicht ursachlich gewesen. Denn bereits mit\nBeschluss vom 16.07.2001 ordnete das Amtsgericht Ribnitz-Damgarten die\nZwangsverwaltung uber mehrere Grundstucke an. Infolge der Beschlagnahme der\nGrundstucke (§ 148 Abs. 1 und 2 ZVG), war eine Bauausfuhrung bis zur Aufhebung\nder Anordnung nicht moglich. Im Übrigen hatte die zumindest mittelbar mit der\nBauausfuhrung betraute H. & Co. GmbH erheblich finanzielle Schwierigkeiten, so\ndass am 01.08.2001 das Insolvenzverfahren uber ihr Vermogen eroffnet werden\nmusste. Erst im Oktober 2001 prasentierte Frau H. die neuen Investoren. Es ist\nweder hinreichend dargetan noch ersichtlich, dass die Realisierung des\nBauvorhabens finanziell gesichert war. Noch viel spater, und zwar am\n17.06.2003 - zu einem Zeitpunkt als das Sport- und Freizeitzentrum bereits\nhatte fertig gestellt sein sollen - fasste das zustandige Ministerium einen\nÄnderungsbescheid betreffend die Fordermittel, so dass die hierin genannten\nGesellschaften die Mittel abrufen konnten. Die Verzogerung kann jedenfalls\nrechtlich nicht darauf beruhen, dass die Beklagten die Wirksamkeit der\nKaufvertrage in Zweifel zog und deshalb rechtliche Schritte einleitete.\n\n89\n\n \n\nFrau H. verursachte - aus Sicht der Beklagten durchaus nachvollziehbar - eine\nweitere Verwirrung. Sie bediente sich nunmehr zweier Gesellschaften, die als\nneue Investoren auf-und in Verhandlungen (fur Frau H.) mit der Verkauferin\ntraten. Der Eindruck der Gemeinde, Frau H. wolle die Verbundenheit der\nKaufvertrage durch den Verkauf an zwei Gesellschaften mit beschrankter Haftung\nzerschlagen, ist jedenfalls nicht vollig abwegig.\n\n90\n\n \n\nDas Scheitern des Vorhabens ist angesichts der vorstehenden Ausfuhrungen\nzumindest nicht ausschließlich auf ein Verhalten der Beklagten zuruckzufuhren.\nSoweit die beklagte Gemeinde in der Folge ein einstweiliges\nVerfugungsverfahren (7 O 415/01; OLG Rostock 7 U 7/02) einleitete, liegt\nhierin kein Verschulden. Es ist nicht zu beanstanden, dass sie die offenen\nRechtsfragen klaren lassen wollte. Dem Schreiben von Frau H. vom 20.11.2001\nlasst sich nicht entnehmen, dass die Sport- und Freizeitzentrum D. GmbH die\nBauarbeiten an dem Sport- und Freizeitzentrum fortsetzte. Vielmehr habe diese\nam 05.11.2001 den Bau winterfest gemacht, um drohende Frost- und andere\nWitterungsschaden zu verhindern. Dies lasst sich auch dem Schreiben der Sport-\nund Freizeitzentrum D. GmbH und des Herrn P. als "Vertreter der\nInvestorengruppe" vom 29.12.2001 entnehmen. Mithin hatte diese Gesellschaft\nden Bau an dem Sport- und Freizeitzentrum noch nicht fortgesetzt, so dass das\neinstweilige Verfugungsverfahren fur die Einstellung der Fortfuhrung von\nBauarbeiten nicht kausal gewesen sein kann.\n\n91\n\n \n\nDa die Beklagte ein anerkennungswurdiges Interesse daran hatte, Rechtsfragen\nklaren zu lassen, kommt es auch nicht darauf an, ob die Fordermittel nur\ndeshalb nicht abgerufen werden konnten, weil die Beklagte die Unwirksamkeit\nder Vertrage eingewandt hatte.\n\n \n\nff.\n\n92\n\n \n\nEine Vertragsanpassung durch Vereinbarung eines hoheren Kaufpreises, wie\nbereits außergerichtlich von den Parteien verhandelt, kommt nicht mehr in\nBetracht, da die Klagerin hiermit ausdrucklich nicht einverstanden ist. Seit\n2001 fuhrten die Vertragsparteien immer wieder, aber ergebnislos\nVergleichsgesprache, die auf Vertragsanpassung gerichtet waren. Nunmehr bleibt\nnur noch die Ruckabwicklung des Vertrages, da unter diesen Voraussetzungen den\nParteien ein Festhalten am Vertrag nicht zuzumuten ist.\n\n \n\ngg.\n\n93\n\n \n\nZwar hat die Beklagte den Rucktritt ausdrucklich nur im Hinblick auf die\nÜberschreitung der Bauausfuhrungsfrist erklart und einen Wiederkauf von\nGrundstucken geltend gemacht. Jedoch ist im Klageabweisungsantrag eine\nkonkludente Rucktrittserklarung zu erblicken. Denn sie macht geltend, nicht\nmehr am Vertrag festhalten zu wollen. Diesen Rucktritt kann die beklagte\nGemeinde gemaß § 404 BGB auch der Klagerin entgegen halten.\n\n94\n\n \n\nIm Übrigen ist der Rucktritt auch gegenuber der Vertragspartnerin Frau H.\nerfolgt. Denn die Klagerin ist von ihr bevollmachtigt, eine solche Erklarung\nentgegenzunehmen. In § 5 des Vertrages vom 02.11.2001 haben die Klagerin und\nFrau H. vereinbart, dass samtliche Rechte und Pflichten aus dem Kaufvertrag\nvom 19.04.1999 ubergehen sollten; Frau H. trat alle Anspruche aus dem\nKaufvertrag ab. Eine zweckorientierte und interessengerechte Auslegung ergibt,\ndass der Klagerin eine Vollmacht fur den Empfang von einseitigen\nWillenserklarungen der Beklagten erteilt wurde (§ 164, 167 BGB).\n\n \n\nc.\n\n95\n\n \n\nDem Anspruch der Klagerin stunde im Übrigen der Einwand aus Treu und Glauben\n(§ 242 BGB), Frau H. musse ohnehin den Kaufgegenstand zuruckgewahren,\nentgegen.\n\n \n\naa.\n\n96\n\n \n\nWare man der Ansicht, ein Rucktritt der Beklagten ist noch nicht wirksam\nerklart, steht der Beklagten aber jedenfalls diese Einwendung zu.\n\n \n\nbb.\n\n97\n\n \n\nIm Übrigen hat die beklagte Gemeinde ein Wiederkaufsrecht gemaß § 10 des\nVertrages vom 19.04.1999. Denn Frau H. hat gegen die Pflichten aus dem\nKaufvertrag vom 09.03.1999 verstoßen. Sie hat das Sport- und Freizeitzentrum\nnicht binnen 24 Monaten fertig gestellt und beabsichtigt dies auch nicht mehr.\nEs wird auf die vorstehenden Ausfuhrungen verwiesen. Das Wiederkaufsrecht ist\nhinsichtlich der streitgegenstandlichen Grundstucke nicht gemaß § 10 Ziffer 5\ndes Vertrages erloschen, da diese unbebaut sind. Es ist unschadlich, dass sich\ndas Wiederkaufsrecht nicht auf alle Grundstucke des Vertrages vom 19.04.1999\nbezieht. Die Vertragsparteien haben diesen Fall in § 10 Ziffer 4 bedacht.\n\n \n\n2.\n\n98\n\n \n\nDer Klagerin stehen auch die im Übrigen geltend gemachten Anspruche nicht zu.\nDenn diese setzen das Bestehen des Kaufvertrages bzw. dessen Erfullbarkeit\nvoraus.\n\n \n\n3.\n\n99\n\n \n\nDer Schriftsatz der Beklagten vom 31.08.2009 gibt dem Senat keinen Anlass, die\nmundliche Verhandlung gemaß § 156 ZPO wiederzueroffnen.\n\n \n\n4.\n\n100\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Es liegen\nkeine Grunde im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO vor, die Revision zuzulassen.\n\n \n\n
100,593
lg-kiel-2010-11-19-8-o-7209
1,064
Landgericht Kiel
lg-kiel
Kiel
Schleswig-Holstein
8 O 72/09
2010-11-19
2018-11-22 03:30:19
2019-02-14 05:33:54
Urteil
ECLI:DE:LGKIEL:2010:1119.8O72.09.0A
#### Tenor\n\n \n\n \n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\n \n\n \n\nDie Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n \n\n \n\nDas Urteil ist vorläufig vollstreckbar.\n\n \n\nDie Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110\n% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte\nzuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDie 1990 geborene Klägerin nimmt den Beklagten als plastischen Chirurgen wegen\neiner ihrer Ansicht nach fehlerhaften Operation an der Brust und der\nBehandlung einer eingetretenen Wundinfektion in Anspruch.\n\n \n\n2\n\n \n\nDie Klägerin suchte in Begleitung ihres Vaters kurz vor ihrem achtzehnten\nGeburtstag am 09.04.2008 den Beklagten mit dem Wunsch einer operativen\nStraffung ihrer Brüste auf. Es erfolgte eine Aufklärung über die\nOperationsmöglichkeiten durch den Beklagten. Ausweislich seiner Dokumentation\nriet der Beklagte der Klägerin zu einer Bruststraffung und einer geringfügigen\nReduktion der rechten Brust wegen einer bestehenden Asymmetrie der Brüste.\nNachdem sich die Klägerin zu einer operativen Korrektur ihrer Brüste\nentschlossen hatte, führte der Beklagte am 09.07.2008 in Anwesenheit der\nEltern der Klägerin mit dieser ein Aufklärungsgespräch über die\nOperationsrisiken unter Verwendung eines Perimedbogens. Die Operation selbst\nwurde am 26.08.2008 vorgenommen. Die vorzunehmende Schnittführung wurde zuvor\nauf der Haut aufgezeichnet und mit Fotos dokumentiert. Bei der Operation\nerfolgte, wie zuvor besprochen, eine Straffung beider Brüste durch die\nnarbensparende Lassus/Lejour- Methode sowie eine geringgradige Reduktion der\nrechten Brust. Wegen der Einzelheiten der Operation wird auf den in den\nBehandlungsunterlagen des Beklagten befindlichen Operationsbericht verwiesen.\n\n \n\n3\n\n \n\nDie Kosten der Operation in Höhe von 6.000,-- € wurden von der Klägerin\nbezahlt.\n\n \n\n4\n\n \n\nAm 27.08.2008 wurde die Klägerin aus der Klinik entlassen und erhielt wegen\nder bestehenden postoperativen Schmerzen eine halbe Ampulle Dipidolor. Die\nweitere Wundbehandlung erfolgte zunächst durch den Beklagten, später durch die\nHausärztin Frau Dr. R..\n\n \n\n5\n\n \n\nAm 03.09.2008 stellte sich die Klägerin zum Verbandswechsel bei dem Beklagten\nvor. Die Klebestrips, sogenannte Suture-Strips, wurden durch den Beklagten\nerneuert. Laut der Dokumentation des Beklagten waren leichte Hämatome\nbeidseits erkennbar. Am 08.09.2008 erfolgte ein erneuter Wechsel der\nKlebestrips. In der Behandlungsdokumentation des Beklagten ist das Hämatom als\nrückläufig beschrieben. Für den 10.09.2008 war ursprünglich eine\nFadenentfernung durch den Beklagten geplant. Es entleerte sich bei dem Versuch\nder Fadenentfernung jedoch an beiden Brüsten Hämatomflüssigkeit, so dass der\nBeklagte die Fäden zunächst beließ und die Strips erneuerte.\n\n \n\n6\n\n \n\nAm 15.09.2008 stellte sich die Klägerin erneut bei dem Beklagten wegen einer\neingetretenen Durchfeuchtung des Pflasterverbandes vor. In der Karteikarte\nvermerkte der Beklagte: „Rechte Wunde weitestgehend geschlossen, links am\nkaudalen Wundpol Dehiszenz, 1,5 x 1,5 cm, Sekretion von altem Blut, kein Pus\n(also Eiter), Haut in der Wundumgebung gerötet.“ Der Beklagte führte eine\nWundreinigung mit Octenisept sowie einen Verbandswechsel unter Vornahme einer\nsterilen Kompresse durch. Außerdem bestellte er die Klägerin für den nächsten\nTag wieder ein. Am 16.09.2008 diagnostizierte der Beklagte nun eine\nWundinfektion der linken Brust und verschrieb ein Antibiotikum. Noch am selben\nTag begab sich die Klägerin wegen einer allergischen Reaktion in die\nTagesklinik Dr. B.. Dort wurde ein Abstrich aus der Wunde entnommen, der im\nweiteren Verlauf den Nachweis des Keimes Staphylococcus aureus ergab.\n\n \n\n7\n\n \n\nSowohl am 17.09. als auch am 18.09.2008 suchte die Klägerin den Beklagten zum\nVerbandswechsel auf. Es wurde jeweils die Wunde mit Betaisodona gespült und\nerneut verbunden. Der Beklagte empfahl der Klägerin zur Wundrandadaption eine\nRevisionsoperation vorzunehmen. Dies lehnte die Klägerin jedoch ab.\n\n \n\n8\n\n \n\nNachdem am 19.09.2008 der Beklagte bei einer erneuten Wiedervorstellung der\nKlägerin einen Hautausschlag als vermutlich allergische Reaktion auf das\nAntibiotikum wertete, setzte er dieses ab. Die Wunde wurde weiter mit einer\nWundreinigung und der Entfernung eines Teils der Fäden behandelt. Am\n21.09.2008 erfolgte ein erneuter Verbandswechsel bei dem Beklagten, bei dem er\nerneut der Klägerin die Vornahme einer Revisionsoperation vorschlug. Dieses\nwurde aber weiter von der Klägerin abgelehnt. Weitere Behandlungstermine bei\ndem Beklagten erfolgten am 23.09., 24.09., 27.09. und 30.09.2009. Ab dem\n29.09.2009 wurde die Wundbehandlung durch die Hausärztin der Klägerin Frau Dr.\nR. übernommen. Diese verordnete ein neues Antibiotikum und führte die\nBehandlung bis zur Abheilung der Wunde am 30.10.2008 fort.\n\n \n\n9\n\n \n\nDie Klägerin behauptet, der Beklagte habe sie nicht darüber aufgeklärt, dass\nzur Operationsnachsorge ein spezieller BH getragen werden müsse. Ein solcher\nOperations- BH hätte eigentlich in dem Operationspreis enthalten sein sollen,\nwurde jedoch durch den Beklagten nicht geliefert. Aufgrund des fehlenden\nTragens dieses Spezial- BH´s sei das Operationsergebnis unbefriedigend\ngeblieben. Die Nachbehandlung durch den Beklagten sei fehlerhaft erfolgt.\nInsbesondere rügt die Klägerin die Behandlung mit den Klebestrips. Bei der\nEntfernung dieser Strips seien die Wunden immer wieder aufgerissen worden. Die\nSpülung der Wunde hätte mit Wasser und nicht mit Betaisodona erfolgen müssen.\nAuch sei die von dem Beklagten vorgeschlagene Revisionsoperation wegen der\nEntzündung der Brust nicht möglich gewesen und sei von den Nachbehandlern,\ninsbesondere Dr. P. deshalb abgelehnt worden. Fehlerhaft habe der Beklagte die\nKlägerin vor der Verordnung nicht nach den Allergien wegen Antibiotika\ngefragt.\n\n \n\n10\n\n \n\nAufgrund der fehlerhaften Behandlung des Beklagten sei eine Straffung der\nBrüste nicht erreicht worden. Es sei zu einer erheblichen Narbenbildung und\neiner Asymmetrie der Brüste gekommen. Hierdurch sei die Klägerin psychisch\nbeeinträchtigt. Sie hätte Fehlzeiten in der Schule erlitten und einen dadurch\nbedingten schlechteren Abschluss. Wegen der Schmerzen im Zusammenhang mit der\nWundbehandlung und auch der noch heute bestehenden Beschwerden beim Tragen\nenger Kleidung sowie der wegen des Erscheinungsbildes ihrer Brüste bestehenden\npsychischen Belastungen hält die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von\n5.000,-- € für angemessen. Darüber hinaus begehrt sie die gezahlten\nOperationskosten in Höhe von 6.000,-- € als Schadensersatz.\n\n \n\n11\n\n \n\n**Die Klägerin beantragt,**\n\n \n\n12\n\n \n\n1\\. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 6.000,-- € nebst Zinsen in\nHöhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu\nzahlen.\n\n \n\n13\n\n \n\n2\\. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes\nSchmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird,\nmindestens 5.000,-- € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem\njeweiligen Basiszinssatz auf den zuerkannten Betrag seit Rechtshängigkeit, zu\nzahlen,\n\n \n\n14\n\n \n\n3\\. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche\nmateriellen und immateriellen Schäden, die auf die Operation vom 26.08.2009\nund die unsachgemäße Nachbehandlung zurückzuführen sind, zu ersetzen, soweit\nder Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger übergeht oder übergegangen\nist.\n\n \n\n15\n\n \n\n**Der Beklagte beantragt,**\n\n \n\n16\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n17\n\n \n\nEr behauptet, dass der Vertrag bezüglich der Durchführung der Operation nicht\nmit ihm persönlich sondern mit der Firma K. … GmbH abgeschlossen worden sei.\nDie Lieferung einer speziellen Operations- BH`s sei weder vereinbart noch\ngeboten gewesen. Zur Nachsorge hätte das Tragen eines gut sitzenden Sport-\nBH`s genügt. Dieser sei vorhanden gewesen und wurde von der Klägerin auch bei\nden Wiedervorstellungen bei dem Beklagten getragen. Die Wundversorgung sei\nstandardgemäß erfolgt. Die eingetretene Narbenbildung beruhe auf der\nschicksalhaft eingetretenen Wundinfektion.\n\n \n\n18\n\n \n\nDie Kammer hat zum Vorliegen eines Behandlungsfehlers gemäß Beweisbeschluss\nvom 19.04.2010 ein schriftliches Gutachten des plastischen Chirurgen Dr. K.\neingeholt. Dieses wurde unter dem 05.07.2010 erstattet. Insoweit wird Bezug\ngenommen auf das schriftliche Gutachten (Blatt 104 ff d.A.). Das Gutachten\nwurde im Termin vom 29.10.2010 mündlich erläutert. Insoweit wird verwiesen auf\ndas Sitzungsprotokoll der Verhandlung (Blatt 124 ff d.A.).\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n \n\n19\n\n \n\nDie Klage ist nicht begründet.\n\n \n\n20\n\n \n\nDer Klägerin steht aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegen den Beklagten\nein Anspruch auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz zu, weil sie einen\nBehandlungsfehler des Beklagten weder bei der Vornahme der Operation noch bei\nder anschließenden Wundbehandlung bewiesen hat. Auch liegt kein\nAufklärungsverschulden seitens des Beklagten vor.\n\n \n\n21\n\n \n\nNach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. war die Operation durch den\nBeklagten fehlerfrei durchgeführt worden. Dies folgt zum einen aus dem\nOperationsbericht, zum anderen aus den kurze Zeit nach der Operation\ngefertigten Lichtbildern vom 21. und 23.09.2008. Insbesondere auf den Bildern\nist zu erkennen, dass das ursprüngliche Ergebnis der Operation, nämlich die\nbeabsichtigte Bruststraffung und Beseitigung der geringfügigen Asymmetrie\ndurch eine Verkleinerung der rechten Brust, durch die Operation erreicht\nworden ist. Die hängende abgeflachte Brust ist angehoben und deutlich\ngerundet. Insbesondere war es nicht fehlerhaft, dass der Beklagte auch\nangesichts des jungen Alters der Klägerin die narbensparende Lassus/Lejour-\nMethode bei der Bruststraffung angewendet hat. Hierbei handelt es sich, wie\nder Sachverständige anhand von Skizzen in seinem Gutachten verdeutlicht, um\neine Methode, bei der die Schnittführung um die Brustwarze und im unteren\nBereich der Brust erfolgt und anschließend die Wundränder zur Erreichung des\nStraffungsergebnisses zusammengezogen werden.\n\n \n\n22\n\n \n\nDer Umstand, dass gleichwohl das Ergebnis der Operation, wie insbesondere auf\nden späteren, von der Klägerin eingereichten Bildern erkennbar ist, nicht\nbefriedigend ist, beruht nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht auf\neiner fehlerhaften Behandlung durch den Beklagten sondern auf der\nschicksalhaft eingetretenen Wundinfektion der linken Brust. Gerade bei einer\nBruststraffung, wie sie vorliegend bei der Klägerin vorgenommen worden ist,\nhat eine Wundinfektion die für das Ergebnis der gewünschten Bruststraffung\nnachteilige Folge, dass aufgrund der herbeigeführten Hautspannung die\nWundränder leicht auseinanderklaffen und die eingetretenen Wunddehiszenzen das\nStraffungsergebnis zunichte machen. Der von der Klägerin gerügte Umstand, dass\nvorliegend der Beklagte keinen speziellen Operations- BH geliefert hätte, hat\ndanach keinen Einfluss auf das vorliegende Operationsergebnis. Nach den\nAusführungen des Gutachters Dr. K. ist nämlich bei einer Bruststraffung, wie\nsie hier bei der Klägerin vorgenommen worden ist, das Tragen eines speziellen\nOperations- BH`s nicht geboten. Es genügt zu der gebotenen Ruhigstellung der\nBrust einen gut sitzenden Sport- BH zu tragen. Es war danach weder geboten,\ndass der Beklagte die Klägerin über das Tragen eines speziellen Operations-\nBH`s aufklärte, noch dass die Klägerin zum Erreichen des Operationsergebnisses\neinen Spezial-BH trug. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. hat\nder Arzt lediglich darauf hinzuweisen und im Rahmen der Nachbehandlung zu\nüberprüfen, dass die Patientin einen BH trägt. Eine derartige Aufklärung über\ndas Tragen eines BH`s ist aber unstreitig auch ausweislich des Perimed- Bogens\nerfolgt. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten hat die\nKlägerin auch bei den Nachuntersuchungen nach der Operation stets einen BH\ngetragen, so dass weitere Aufklärungspflichten des Beklagten nach den\nAusführungen des Sachverständigen Dr. K. nicht bestanden.\n\n \n\n23\n\n \n\nDie eingetretene Wundinfektion ist ein typisches Operationsrisiko, über das\ndie Klägerin auch unstreitig aufgeklärt worden ist. Ihr Eintritt lässt noch\nnicht auf das Vorliegen eines Behandlungsfehlers des Beklagten schließen.\n\n \n\n24\n\n \n\nAuch die weitere Behandlung der eingetretenen Wundinfektion durch den\nBeklagten war nach dem Sachverständigen Dr. K. nicht fehlerhaft. Nach den\nAusführungen des Sachverständigen bestand die Möglichkeit die eingetretene\nWundinfektion entweder operativ oder konservativ zu behandeln. Da unstreitig\ndie Klägerin eine operative Wundrevision ablehnte, stand dem Beklagten nur die\nkonservative Behandlung durch Wundspülungen, täglicher Verbandswechsel und\neine gegebenenfalls angeordnete antibiotische Therapie zur Verfügung. Entgegen\nder Ansicht der Kläger war danach durchaus eine Behandlung der Wundinfektion\ndurch eine Operation möglich und vertretbar. Etwas anderes ergibt sich auch\nnicht aus den eingereichten Unterlagen, insbesondere dem Schreiben des Dr. P.\nvom 16.08.2010. Hieraus ist lediglich zu entnehmen, dass eine operative\nNarbenkorrektur erst nach Abheilung der Operationswunde und grundsätzlich\nnicht vor Ablauf von sechs Monaten nach der Operation durchzuführen sei.\nHierbei handelt es sich aber um eine völlig andere Operation, als die von dem\nBeklagten vorgeschlagene Operation zur operativen Behandlung der\nWundinfektion. Bei der operativen Revision ist es Ziel, die durch die\nInfektion auseinanderklaffenden Wundränder wieder zu verschließen und hiermit\nsofort das erzielte Operationsergebnis wiederherzustellen. Dies ist nach den\nim Rahmen der mündlichen Anhörung erfolgten Ausführungen des Dr. K. von der\nVornahme einer Narbenkorrektur, die erst nach einer Abheilung der Wunde\nvorzunehmen ist, zu unterscheiden.\n\n \n\n25\n\n \n\nDie von dem Beklagten vorgenommene konservative Wundbehandlung ist nach dem\nschriftlichen Sachverständigengutachten ordnungsgemäß erfolgt. Insbesondere\nwar es nicht fehlerhaft, dass gerade in der Frühphase und akuten Phase der\nEntzündung die Wunde täglich mit dem milden bakterienabtötenden Mittel\nOctenisept sowie einer stark bakteriziden Salbe, nämlich Betaisodona,\nbehandelt worden ist. Auch war die Verordnung des Antibiotika nicht\nfehlerhaft. Die eingetretene, bis dahin auch der Klägerin nicht bekannte\nAllergie gegen dieses Antibiotika war für den Beklagten nicht vorhersehbar.\nNach Eintritt der Allergie wurde dieses Medikament alsbald abgesetzt. Der\nSachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten lediglich gerügt, dass\nin der Spätphase der Behandlung sowohl der Beklagte, als auch die Hausärztin\nkeine mehrfach tägliche Wundreinigung mit lauwarmen Wasser durchführten.\nHierdurch ist es jedoch nicht zu einer Verzögerung des Krankheitsverlaufs\ngekommen. Denn unstreitig ist die Wunde innerhalb von ca. sechs Wochen und\ndamit im üblichen Zeitabrahmen abgeheilt. Schließlich war es nicht fehlerhaft,\ndass der Beklagte bei dem Verbandwechsel die auseinanderklaffenden Wundränder\nmit Klebestrips verschlossen hat. Da die Klägerin unstreitig einen operativen\nEingriff zum Zusammenführen der Wundränder ablehnte, war die Verwendung von\nKlebestrips die dem Beklagten allein verbliebene Möglichkeit die Wundränder\nzusammenzuführen und so das gewünschte Ergebnis der Bruststraffung möglichst\nbeizubehalten.\n\n \n\n26\n\n \n\nEntgegen dem Einwand der Klägerin in dem Schriftsatz vom 19.08.2010 hat der\nBeklagte auch nicht die Wundinfektion zu spät erkannt. Die Klägerin stellte\nsich nach einer eingetretenen Durchfeuchtung des Pflasterverbandes erstmalig\nam 15.09. bei dem Beklagten vor. Zu diesem Zeitpunkt war ausweislich der nicht\nwiderlegten Behandlungsdokumentation des Beklagten eine Dehiszenz der\nWundränder an der linken Brust feststellbar sowie das Vorliegen einer\ngeröteten Haut in der Wundumgebung. Eiter lag dagegen nicht vor. Bei dieser\nSachlage war die durch den Beklagten eingeleitete Behandlungsmaßnahme, nämlich\neine Wundreinigung mit einem antibakteriellen Medikament, nämlich Octenisept,\nund eine Wiedervorstellung für den nächsten Tag nach den Ausführungen des\nSachverständigen Dr. K. im Termin vor der Kammer sachgerecht. Die Verordnung\neines Antibiotikum war zu diesem Zeitpunkt, in der die Entwicklung hin zu\neiner Wundinfektion noch nicht sicher war, nicht geboten. Bereits einen Tag\nspäter bei der Wiedervorstellung der Klägerin am 16.09.2008 hat der Beklagte\nsodann die Wundinfektion erkannt und nachfolgend nach den Ausführungen des\nSachverständigen richtig behandelt.\n\n \n\n27\n\n \n\nDie Kammer folgt den Ausführungen des Sachverständigen Dr. K., der als\nlangjähriger Chefarzt einer chirurgischen Abteilung über ausgewiesene\nFachkunde über das zu beurteilende Gebiet verfügt. Er hat das Gutachten unter\numfassender Auswertung aller beigezogenen Unterlagen erstattet und anschaulich\nsowie nachvollziehbar erläutert. Der Sorgfältigkeit des Gutachtens steht nicht\nentgegen, dass der Sachverständige die Klägerin nicht erneut untersucht hat.\nDenn für die Beurteilung sowohl der Operation als auch der nachfolgenden\nWundbehandlung kommt es entscheidend auf die damals gegebenen Wundverhältnisse\nund den klinischen Befund des Beklagten an. Dieser ist jedoch durch eine\numfassende Bilddokumentation belegt. Insbesondere bezüglich des Ergebnisses\neiner Straffungsoperation sind maßgeblich die Lichtbilder, die bis zu einem\nhalben Jahr nach der Operation vorgenommen worden sind, da ansonsten die\nanlagebedingten Haut- und Bindegewebsbeschaffenheiten Einfluss auf das\nOperationsergebnis nehmen können.\n\n \n\n28\n\n \n\nNach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.\n\n29\n\n \n\nDie vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils richtet sich nach § 708 Nr. 11,\n711 ZPO.\n\n \n\n
103,030
olgsh-2008-09-03-2-w-19307-2-w-207
1,070
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
olgsh
Schleswig-Holstein
Oberlandesgericht
2 W 193/07, 2 W 207/07
2008-09-03
2018-11-23 10:30:09
2019-02-14 05:48:35
Beschluss
ECLI:DE:OLGSH:2008:0903.2W193.07.0A
#### Tenor\n\n \n\nDer Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.\n\n \n\n \n\nDie sofortige weitere Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf\nErstattung der Dolmetscherauslagen wird als unzulässig verworfen.\n\n \n\n \n\nDie weitere Beschwerde gegen die Ablehnung der Beiordnung eines Dolmetschers\nwird zurückgewiesen.\n\n \n\n \n\nDie Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde trägt die\nBeteiligte. Der Geschäftswert des Verfahrens der sofortigen weiteren\nBeschwerde wird auf 300,00 € festgesetzt.\n\n \n\n#### Gründe\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDer Betroffene ist polnischer Staatsangehöriger. Er ist der deutschen Sprache\nnur eingeschränkt mächtig. Am 29.6.2006 wurde für ihn ein Betreuungsverfahren\neingeleitet. Zur Anhörung wurde vom Gericht ein Dolmetscher hinzugezogen, die\nBetreuung wurde am 9.10.2006 eingerichtet und die Beteiligte zur Betreuerin\nbestellt.\n\n \n\n2\n\n \n\nAm 21.12.2006 hat die Beteiligte die Beiordnung der bisher tätigen\nDolmetscherin zur Besprechung weiterer Fragen mit dem Betroffenen beantragt.\nDas Amtsgericht hat mit Beschluss vom 5.3.2007 den Antrag auf Beiordnung eines\nDolmetschers zurückgewiesen\n\n \n\n3\n\n \n\nAm 12.2.2007 hat sie eine Rechnung der von ihr hinzugezogenen Dolmetscherin\nmit dem Antrag auf Übernahme der Kosten eingereicht, den das Amtsgericht\nebenfalls durch Beschluss vom 5.3.2007 zurückgewiesen hat.\n\n \n\n4\n\n \n\nGegen beide Beschlüsse hat die Beteiligte Beschwerde bzw. sofortige Beschwerde\neingelegt (Blatt 167, 170 d.A.). Das Landgericht hat die Beschwerden durch\nBeschluss vom 27.7.2007 zurückgewiesen und im Beschlusstenor die weitere\nBeschwerde zugelassen.\n\n \n\n5\n\n \n\nDie Beteiligte ist der Auffassung, dass eine gesetzliche Lücke bestehe, die in\nentsprechender Anwendung der §§ 1 Abs. 1, 9 Abs. 3 JVEG, Art. 6 Abs. 3 e, 8\nMRK, 9 Behindertengleichstellungsgesetz sowie unter Berücksichtigung von Art.\n3, 12 GG dahingehend zu füllen sei, dass der Betroffene einen Anspruch auf\nunentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher habe. Auch seien die\nKosten für die Dolmetscherleistungen, deren Erstattung sie begehre, nicht mit\nihrer Pauschalvergütung abgegolten sei. Denn diese beinhalte lediglich eine\nAufwandspauschale in Höhe von 3 € pro Stunde und diene somit nur zum Ersatz\nder alltäglichen geringfügigen Aufwendungen wie z.B. Porto, Kopien und\nTelefon.\n\n \n\n6\n\n \n\nDie Beteiligte hat gegen die Zurückweisung der Beschwerden weitere Beschwerde\neingelegt. Auf den Hinweis des Senats, dass gegen die Zurückweisung der\nsofortigen Beschwerde gegen die Versagung der Kostenerstattung der\nDolmetscherauslagen das zulässige Rechtsmittel die sofortige weitere\nBeschwerde sei, hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Sie\nhat darauf verwiesen, dass im Tenor des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich\ndie „weitere“ (d.h. unbefristete) Beschwerde zugelassen worden sei.\n\n \n\n \n\nII.\n\n7\n\n \n\nDie sofortige weitere Beschwerde gemäß §§ 67a Abs. 5 S. 2, 56g Abs. 5, 27, 29\nAbs. 2 FGG gegen die Versagung der Erstattung der Dolmetscherauslagen ist\nverspätet eingelegt und deshalb als unzulässig zu verwerfen. Der Beteiligten\nbzw. ihrem Verfahrensbevollmächtigten ist der angefochtene Beschluss am 1.8. /\n2.8.2007 zugestellt worden. Das Rechtsmittel ist erst am 28.8.2007 und mithin\nnach Ablauf der Frist eingegangen.\n\n \n\n8\n\n \n\nDer Beteiligten ist die beantragte Wiedereinsetzung gemäß §§ 29 Abs. 4, 22\nAbs. 2 FGG zu versagen. Denn Wiedereinsetzung ist nur zu gewähren, wenn den\nAntragsteller kein Verschulden an der Versäumung der Frist trifft. Er darf die\nnach den Umständen gebotene und nach seinen persönlichen Verhältnissen\nzumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen haben (BayObLG MDR 1984, 1035;\nKeidel/Sternal, FGG, 15. Aufl., § 22 Rn 54 mwN.).\n\n \n\n9\n\n \n\nDie Beteiligte ist Berufsbetreuerin und mithin mit den rechtlichen\nGegebenheiten des Betreuungsverfahrens vertraut. Es kann deshalb von ihr\nerwartet werden, dass sie über hinreichende Kenntnisse auch über das in\nVergütungssachen zulässige Rechtsmittel verfügt (OLG Zweibrücken Rpfleger\n2004, 422; vgl. auch OLG Zweibrücken Rpfleger 2003, 502), zumal jedenfalls bis\nzur Neuordnung der Vergütung von Berufsbetreuern durch das Vormünder- und\nBetreuervergütungsgesetz (VBVG) im Jahre 2005 eine Vielzahl von\nBeschwerdeverfahren gerade in Vergütungssachen geführt wurden. Ggf. ist von\nihr auch zu erwarten, dass sie sich im Bedarfsfall hinreichend fachkundig\nmacht. Darüber hinaus ist die Beteiligte anwaltlich vertreten und muss sich\nein Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen, § 22 Abs. 2\nS. 2 FGG. Insbesondere von einem Rechtsanwalt muss aber erwartet werden, dass\ner über das zulässige Rechtsmittel hinreichend informiert ist (vgl. OLG\nZweibrücken, Rpfleger 2003, aaO.).\n\n \n\n10\n\n \n\nDie Beteiligte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Tenor des\nangefochtenen Beschlusses dahingehend lautet: „Die weitere Beschwerde wird\nzugelassen“, so dass sie davon ausgehen konnte, dass die einfache - nicht\nfristgebundene - Beschwerde das zulässige Rechtsmittel sei. Denn diese\nFormulierung spiegelt lediglich den Wortlaut des § 56g Abs. 5 S. 2 FGG wieder,\nsie eröffnet ausnahmsweise den weiteren Rechtsweg, der in Vergütungssachen in\nder Regel spätestens mit der Entscheidung des Landgerichts beendet ist (§§ 67a\nAbs. 5 S. 2, 56g Abs. 5 S. 1 FGG). Sie stellt keine Rechtsmittelbelehrung dar,\ndie gesetzlich auch nicht vorgeschrieben ist. Selbst wenn man unter\nBerücksichtigung der Entscheidungen des BGH NJW 2002, 2171 und des OLGR Hamm\n2003, 302 die Erforderlichkeit einer Rechtsmittelbelehrung im Falle der\nsofortigen Beschwerde in Erwägung ziehen würde, würde es im Hinblick darauf,\ndass die Beteiligte Berufsbetreuerin und zudem noch anwaltlich vertreten ist,\nan der Ursächlichkeit des Fehlens der Rechtsmittelbelehrung für die\nFristversäumung fehlen (vgl. BGH aaO.; Bassenge, FGG/RPflG, 11. Aufl. § 22 Rn\n19 mwN).\n\n \n\n11\n\n \n\nAuch die von der Beteiligten zitierte Entscheidung BGH MDR 2004, 348 (IX ZR\n36/03) begründet kein anderes Ergebnis. Dort war eine, wenn auch falsche,\nRechtsmittelbelehrung erteilt worden, so dass von Seiten des Gerichts ein\nVertrauenstatbestand geschaffen worden war, der einen jedenfalls\nentschuldbaren Rechtsirrtum hervorrief. Im hier zu entscheidenden Fall wird\ndurch den in den Tenor aufgenommenen Gesetzeswortlaut des § 56g Abs. 5 S. 2\nFGG jedoch - wie oben bereits ausgeführt - lediglich der weitere Rechtsweg\neröffnet. Eine Rechtsmittelbelehrung, die ggf. einen Vertrauenstatbestand\nbegründet hätte, ist darin noch nicht zu sehen.\n\n \n\n \n\nIII.\n\n12\n\n \n\n1\\. Die weitere Beschwerde gegen die Ablehnung der Beiordnung eines\nDolmetschers ist gemäß §§ 27, 22, 19 FGG zulässig.\n\n \n\n13\n\n \n\nDie Ablehnung des Antrags auf Beiordnung eines Dolmetschers zur Verständigung\nzwischen Betreutem und Betreuer im Rahmen der Betreuungstätigkeit stellt eine\nbeschwerdefähige Entscheidung (Verfügung) im Sinne von §§ 27, 19 FGG dar. Denn\nbeschwerdefähige Verfügungen im Sinne von § 19 FGG sind Willensentschließungen\ndes Gerichts mit Außenwirkung gegenüber den Beteiligten, die auf eine\nFeststellung oder Änderung der Sach- oder Rechtslage abzielen (Keidel/Kahl,\naaO., § 19 Rn 2, 4 mwN.; Bassenge, aaO., § 19 Rn 1). die Ablehnung stellt auch\nnicht eine - ggf. unanfechtbare - Zwischenentscheidung im Rahmen des\nBetreuungsverfahrens (vgl. dazu Keidel/Kahl, aaO., § 19 Rn 9ff. mwN.) dar,\ndenn sie betrifft zum einen nicht das gerichtliche Verfahren selbst (im Rahmen\ndessen § 9 FGG die Hinzuziehung eines Dolmetschers regelt), sondern hat allein\nAuswirkungen auf das außergerichtliche Verhältnis zwischen Betroffenem und\nBetreuer. Zum anderen berührt sie mögliche Rechte des Betroffenen und kann\nauch nicht im Rahmen einer Endentscheidung mit angegriffen werden.\n\n \n\n14\n\n \n\n2\\. Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.\n\n \n\n15\n\n \n\nSoweit Beschwerde und weitere Beschwerde dahingehend auszulegen sind, dass die\nBeteiligte die Rechtsmittel für den durch die Ablehnung beschwerten\nBetroffenen einlegt, scheitert die weitere Beschwerde daran, dass die\nangefochtene Entscheidung nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27,\n29 FGG, 546 ZPO).\n\n \n\n16\n\n \n\na. Bereits das Amtsgericht - das Landgericht nimmt auf dessen Ausführungen\nBezug - hat zutreffend ausgeführt, dass dem Betroffenen für den\naußergerichtlichen Verkehr mit seiner Betreuerin ein Recht auf Beiordnung\neines Dolmetschers nicht zustehe. Ein Anspruch darauf folge weder aus den\ngesetzlichen Regelungen des Betreuungsrechts noch aus Art. 6 Abs. 3 e, 8 MRK.\nLetzterer begründe einen Anspruch auf Beiordnung eines Dolmetschers lediglich\nim Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens für den Fall, dass der Betroffene der\nGerichtssprache nicht mächtig sei. - Im vorliegenden Fall soll aber die\nBeiordnung des Dolmetschers allein dem persönlichen Verkehr - außerhalb eines\ngerichtlichen Verfahrens - zwischen Betroffenen und Betreuer dienen.\n\n \n\n17\n\n \n\nb. Die Betreuung ist auch nicht dadurch beschwert und der Betroffene in seinen\nRechten verletzt, dass der Betreuer mangels Dolmetscher nicht hinreichend sich\nmit ihm verständigen kann. Denn die Betreuervergütung beinhaltet auch Kosten\nfür einen hinzuzuziehenden Dolmetscher, so dass dem Betroffenen auch ohne\nBeiordnung (dies hätte die Folge der Anwendbarkeit der §§ 8, 9, 11 JVEG) keine\nNachteile entstehen. Entgegen der Auffassung der Beteiligten liegt insoweit\nkeine planwidrige Regelungslücke vor, die im Wege einer Analogie auszufüllen\nwäre.\n\n \n\n18\n\n \n\n(aa) Das Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 21.4.2005 iVm dem Gesetz über die\nVergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG) vom 21.4.2005 pauschaliert die\nVergütung von Berufsbetreuern, da die vorangegangene Regelung einen\nerheblichen Verfahrensaufwand bei der Prüfung der Vergütungsabrechnungen mit\nsich brachte, ohne dass dies den betroffenen Menschen zugute gekommen war und\nzudem die Kosten der Betreuung ohne Bezug zur Entwicklung der Fallzahlen\nexplosionsartig gestiegen waren. (BT-Drucks. 15/2494 S. 1). Deshalb hat die\nNeuregelung - neben der Stundenpauschalierung - auch den Aufwendungsersatz auf\neinen Betrag von 3 Euro pro Stunde pauschaliert. Dem liegt die Auswertung\neiner Vielzahl abgerechneter Aufwandsentschädigungen während einer\nfünfjährigen Dauer einer Betreuung zu Grunde, die aufzeigt, dass zum einen in\neiner Vielzahl von Fällen bereits von Anfang an die tatsächlich angefallenen\nKosten im niedrigen Bereich lagen und auch in den übrigen Fällen ganz\nüberwiegend im Verlaufe der Zeit deutlich absanken. Nur in wenigen\nAusnahmefällen fielen hohe Kosten über einen längeren Zeitraum an. Vor diesem\nHintergrund hat es das Gesetz als angemessen angesehen, anhand einer\nDurchschnittswertberechnung anhand von Medianwerten den pauschalen Wert für\ndie erstattungsfähigen Auslagen mit 3 Euro zu bewerten (BT-Drucks. 15/2494 S.\n35/36).\n\n \n\n19\n\n \n\nDiese Pauschale beinhaltet entgegen der Auffassung der Beteiligten nicht nur\nFahrtkosten, Telefongebühren und Porto. Denn die Aufzählung in Abs. 1 der\nErläuterungen zu § 1908n BGB in der BT-Drucks. 15/2494, S. 35, auf die die\nBeteiligte verweist, ist nur beispielhaft zu verstehen (s. auch den 3. Absatz,\nS. 35/36). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Ermittlung des\npauschalen Werts ein auf diese Positionen bereinigter\nAufwendungsersatzanspruch zugrunde gelegt worden ist. Dem widersprechen auch\ndie in die Berechnung mit einbezogenen, in einigen Fällen angefallenen hohen\nKosten, die den Schluss darauf zulassen, dass diese Aufwendungen nicht nur\ndurch Fahrtkosten, Telefongebühren und Portokosten bedingt waren. Denn vor\nInkrafttreten von § 4 VBVG waren Berufsbetreuern gemäß §§ 1835, 1908i BGB u.a.\nauch die bei der Betreuung eines Ausländers entstehenden Dolmetscherkosten als\nAufwendungsersatz zu erstatten (vgl. z.B. Palandt/Diederichsen, BGB, 66.\nAuflage, § 1835 Rn. 9; Bauer/Deinert, in HK-BUR, § 1835 Rn 40). Daraus folgt,\ndass gemäß § 4 Abs. 2 VBVG auch im Ausnahmefall anfallende Kosten wie\nDolmetscherkosten mit der Pauschalierung abgegolten werden sollen (vgl. dazu\nauch BGH MDR 2006, 575; Klein/Pammler in: jurisPK-BGB, 3. Aufl., § 1835 Rn\n27ff., 33). - Lediglich für Ersatzansprüche von Berufsbetreuern gemäß § 1835\nAbs. 3 BGB (§ 4 Abs. 2 S. 2 VBVG) und in den Fällen des § 6 VBVG sieht das\nGesetz ausdrücklich Ausnahmeregelungen vor (s. dazu auch BT-Drucks. 15/2494 S.\n36). Auch dies schließt eine planwidrige Lücke als Voraussetzung einer\nAnalogie aus.\n\n \n\n20\n\n \n\n(bb) Aus den vorstehenden Gründen verbietet sich auch die Überlegung der\nBeteiligten, dass die gesetzgeberische Regelung ungewollt unvollständig sei,\nweil durch die abschließende Pauschalierung des Aufwendungsersatzes jedenfalls\nder gesetzgeberische Zweck des VBVG, die Rechtsstellung der Berufsbetreuer zu\nstärken und qualifizierte Betreuer zu gewinnen, indem ihnen ein angemessenes\nEntgelt verschafft werde, nicht erreicht werde.\n\n \n\n21\n\n \n\nDer Hinweis der Beteiligten, dass die fehlende Möglichkeit, Aufwendungsersatz\nfür Dolmetscherkosten zu erlangen, beispielsweise in Ballungsgebieten mit\nhohem Migrantenanteil die Gefahr begründe, dass qualifizierte Betreuer nicht\ngefunden werden, mag ein mit der Pauschalisierung verbundenes Problem\naufzeigen. Es ist jedoch Sache des Gesetzgebers, einer sich abzeichnenden\nnegativen Entwicklung entgegenzuwirken. Zudem dürfte es in solchen Gebieten\ndurchaus Betreuer geben, die über entsprechende Sprachkenntnisse verfügen und\nfür die die Betreuung deshalb nicht mit einem höheren Aufwand verbunden ist.\nSo verfügen beispielsweise auch Sozialbehörden u.ä. in diesen Gebieten über\nentsprechende Mitarbeiter. Auch in strukturschwachen Gebieten, in denen es\nkeine Betreuer mit entsprechenden Sprachkenntnissen gibt, muss eine solche\nBetreuung nicht zwangsläufig dazu führen, dass diese nur mit einem „negativem\nEinkommen“ geführt werden kann. Denn wie auch die dem VBVG zu Grunde liegende\nUntersuchung zeigt, mag zwar am Anfang der Betreuung ein höherer Aufwand\nstehen, der aber in der Regel im Laufe der Jahre deutlich zurückgeht.\nMindereinnahmen können zudem ggf. auch durch andere weniger\naufwendungsintensive Betreuungen aufgefangen wird (s. dazu auch die\nAusführungen des BVerfG zu der vom Gesetzgeber angestrebten Mischkalkulation,\nFamRZ 2007, 622 auf die Vorlage des OLG Braunschweig, FamRZ 2007, 303; LG\nDüsseldorf FamRZ 2007, 2108).\n\n \n\n \n\nIV.\n\n22\n\n \n\nDie Entscheidung über die gerichtlichen Kosten der sofortigen weiteren\nBeschwerde folgt aus § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO. Außergerichtliche Kosten\nanderer Beteiligter im Sinne des § 13a FGG sind nicht entstanden. Eine\nKostenentscheidung bezüglich der weiteren Beschwerde ist nicht erforderlich, §\n131 Abs. 3 KostO.\n\n \n\n
103,779
lg-rostock-2008-11-12-4-o-18908
480
Landgericht Rostock
lg-rostock
Rostock
Mecklenburg-Vorpommern
4 O 189/08
2008-11-12
2018-11-23 16:30:10
2019-02-14 06:15:52
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n \n\n2\\. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.\n\n \n\n3\\. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die\nVollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe\nvon 120 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die\nBeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu\nvollstreckenden Betrages leistet.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Klägerin verlangt Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalles vom\n27.10.2007, für den sie eine Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht\ndurch die Beklagte verantwortlich macht.\n\n2\n\n \n\nIm Oktober 2007 führte die P. GmbH - die Streitverkündete - Straßenbauarbeiten\nan der Straße zwischen D. und S. im Gebiet der beklagten Gemeinde durch; die\nStraße wurde dabei ca. 1 m tief ausgekoffert. Nach der verkehrsrechtlichen\nAnordnung des Landkreises G. vom 09.10.207 (Anlage B 1) war am Abzweig von der\nLandesstraße L 14 das Verkehrsschild "Sackgasse" anzubringen. Ferner waren\ndirekt vor dem Baustellenbereich eine beleuchtete Warnschranke sowie das\nZeichen 250 gemäß § 41 StVO "Verbot für Fahrzeuge aller Art" anzubringen. Der\nZeuge B. kontrollierte am 17.10.2007 die Absicherung der Baustelle, diese\nentsprach der Anordnung des Landkreises G. Der Zeuge B. ist bei der Stadt L.\nangestellt, die geschäftsführende Gemeinde des Amtes L. ist, das wiederum die\nVerwaltung im Gebiet der beklagten Gemeinde führt.\n\n3\n\n \n\nKurz vor dem 27.10.2007 entfernten Mitarbeiter der Streitverkündeten\neigenmächtig die Absicherungseinrichtungen direkt vor der Baustelle. Bei\nAuswahl des Bauunternehmens gab es indes keine Bedenken gegen dessen\nZuverlässigkeit.\n\n4\n\n \n\nDie Klägerin verlangt Schadensersatz wegen eines Unfallereignisses vom\n27.10.2007 gegen 21.15 Uhr. Der Unfall an sich sowie der genaue Hergang sind\nstreitig. Am Fahrzeug der Klägerin entstand jedenfalls ein gutachterlich\nfestgestellter Sachschaden in Höhe von 2.050,- EUR (Anlage K 3). Die\nSachverständigenkosten betrugen 332,93 EUR. Die Klägerin hat ferner die\nErstattung einer Kostenpauschale von 25,- EUR sowie die Erstattung von\nRechtsanwaltskosten in Höhe von 272,87 EUR (1,3-Gebühr gem. RVG) verlangt. Im\nlaufenden Rechtsstreit hat die Streitverkündete sämtliche Forderungen in Höhe\nvon 2.680,80 EUR gezahlt; die Klägerin hat daraufhin den Rechtsstreit für\nerledigt erklärt.\n\n5\n\n \n\nDie Klägerin behauptet, der Zeuge F. sei am 27.10.2007 gegen 21.15 Uhr mit\nihrem Pkw Ford Escort die Verbindungsstraße von Alt D. in Richtung S. entlang\ngefahren und mit dem Fahrzeug in den nicht abgesicherten, ca. 1 m tief\nausgekofferten Straßenbereich gefahren; hierdurch seien die gutachterlich\nfestgestellten Fahrzeugschäden entstanden.\n\n6\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n7\n\n \n\ndie Erledigung der Hauptsache festzustellen.\n\n8\n\n \n\nDie Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen und\nbeantragt,\n\n9\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n10\n\n \n\nDie gemäß §§ 256 Abs. 1, 264 Nr. 3 ZPO zulässige Feststellungsklage ist\nunbegründet. Eine Erledigung der Hauptsache ist durch die Zahlung der\nStreitverkündeten nicht eingetreten, weil die erhobene Zahlungsklage von\nvornherein unbegründet war.\n\n11\n\n \n\n1\\. Der Klägerin stand gegen die beklagte Gemeinde kein Amtshaftungsanspruch\ngemäß § 839 BGB, Art. 34 GG zu.\n\n12\n\n \n\na) Die Beklagte war zum einen nicht passivlegitimiert.\n\n13\n\n \n\nGem. Art. 34 S. 1 GG trifft, wenn ein Amtsträger in Ausübung eines ihm\nanvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende\nAmtspflicht verletzt, die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die\nKörperschaft, in deren Dienst er steht. Nach ständiger Rechtsprechung ist\ndiejenige öffentlich-rechtliche Körperschaft passivlegitimiert, die dem\nAmtsträger das Amt, bei dessen Ausübung er fehlsam gehandelt hat, anvertraut\nhat; es haftet daher im Regelfall die Anstellungskörperschaft (vgl. BGHZ 99,\n326).\n\n14\n\n \n\nDie Erfüllung der Straßenverkehrssicherungspflicht obliegt hier nicht der\namtsangehörigen beklagten Gemeinde, sondern wegen der in § 127 Abs. 1 S. 2 KV\nM-V geregelten gesetzlichen Aufgabendelegation (vgl. hierzu OVG Lüneburg, OVGE\n26, 499; VG Schwerin, Urt. v. 30.5.05 - 3 A 851/02, juris) dem Amt L., einer\nrechtsfähigen Körperschaft des öffentlichen Rechts. Durch §§ 11 - 14 StrWG-MV\nwird lediglich bestimmt, welche Gebietskörperschaft verantwortlich ist, in §§\n127 f. KV M-V ist indes geregelt, wann das Amt für die durch das Fachrecht als\nzuständig bestimmte Gemeinde die Aufgabe wahrnimmt (vgl. Sauthoff/Witting,\nStrWG-MV, Stand 12/06, § 10 Rn. 31). Für Amtspflichtverletzungen bei Erfüllung\nder Straßenverkehrssicherungspflicht im Gebiet amtsangehöriger Gemeinden in\nMecklenburg-Vorpommern haftet wegen der in § 127 Abs. 1 S. 2 KV M-V geregelten\ngesetzlichen Aufgabendelegation deshalb das Amt und nicht die Gemeinde (vgl.\nKammer, Urt. v. 26.04.07 - 4 O 326/06, VersR 2007, 1564 mit zustimmender Anm.\nLühmann, NJ 2007, 422; Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Komm. der KV\nM-V, 3. Aufl., § 127 Rn. 5; Schröter/Willner/Wollenteit/u.a., KV M-V, 17.\nLieferung 7/08, § 127 Anm. 7; [für SH] von Mutius/Rentsch,\nKommunalverfassungsrecht SH, Bd. II, 6. Aufl., § 3 AO Rn. 2 u. 6; a.A. OLG\nRostock, Urt. v. 4.4.08 - 5 U 10/08, OLGR 2008, 459; Urt. v. 24.9.98 - 1 U\n174/97, OLGR 1999, 112).\n\n15\n\n \n\nIm vorliegenden Fall besteht indes die Besonderheit, dass der zuständige\nMitarbeiter des Amtes L., der Zeuge B., bei der Stadt L. angestellt ist, da\ndie Stadt L. die geschäftsführende Gemeinde (§§ 126 Abs. 1 Nr. 1, 148 KV M-V)\ndes Amtes L. ist, sich das Amt L. also des Verwaltungsapparates der Stadt L.\nbedient. Anstellungskörperschaft des vermeintlich fehlsam handelnden Beamten\nist damit die Stadt L., die deshalb allein passivlegitimiert wäre (so auch\nHinweis des OLG Rostock, 1 U 81/07). Einer amtsangehörigen Gemeinde ist die\nEinrichtung eines eigenen Verwaltungsapparates grds. untersagt, wenn sie nicht\nausnahmsweise geschäftsführende Gemeinde des Amtes ist. Beschäftigt aber - wie\nhier die Beklagte - eine amtsangehörige Gemeinde keine hauptamtlichen Beamten\noder Angestellten, kann es insoweit zu keiner Haftungsübernahme gemäß Art. 34\nGG kommen. Die Amtshaftung gemäß § 839 BGB ist im Grundsatz eine persönliche\nHaftung des Beamten, die gemäß Art. 34 GG lediglich auf die\nAnstellungskörperschaft übergeht. Die persönliche Haftung eines Beamten oder\nAngestellten einer amtsangehörigen, nicht geschäftsführenden Gemeinde gemäß §\n839 BGB kann es nicht geben, weil die amtsangehörige Gemeinde keine in Frage\nkommenden Beamten oder Angestellten beschäftigt. Die amtsangehörige Gemeinde\nkann deshalb nur für Amtspflichtverletzungen des ehrenamtlichen Bürgermeisters\noder des ehrenamtlichen Gemeinderates haften.\n\n16\n\n \n\nDie in § 127 Abs. 1 Satz 6 KV M-V geregelte Vertretungsbefugnis des Amtes in\ngerichtlichen Verfahren, an denen die Gemeinde beteiligt ist, und die\numstrittene Frage, ob sich hieraus eine Prozessführungsbefugnis des Amtes für\ndie Gemeinde herleiten lässt (vgl. OLG Rostock, aaO.; OVG Greifswald, LKV\n1995, 252 u. LKV 1999, 515; VG Schwerin, LKV 1999, 516; auch OLG Brandenburg,\nLKV 1998, 327; OLG Schleswig, NVwZ-RR 1992, 167 und OLGR Schleswig 1996, 333),\nhaben mit der nach Art. 34 S. 1 GG zu bestimmenden Passivlegitimation nichts\nzu tun.\n\n17\n\n \n\nb) Amtshaftungsansprüche scheiden zum anderen deshalb aus, weil das Amt L. die\nihm übertragene Straßenverkehrssicherungspflicht nicht verletzt hat.\n\n18\n\n \n\nDie Straßenverkehrssicherungspflicht für die Baustelle wurde unstreitig auf\ndie Streitverkündete übertragen. Im Falle der Delegierung der\nVerkehrssicherungspflicht verbleibt beim ursprünglich\nVerkehrssicherungspflichtigen lediglich eine Auswahl- und Überwachungspflicht,\ndie im vorliegenden Fall jedoch nicht verletzt wurde. Das Amt Laage hat ein\nzuverlässiges Bauunternehmen ausgewählt und eine Erstüberprüfung der Baustelle\nam 17.10.2007 durchgeführt. Bei dieser Überprüfung wurden die Anordnungen des\nLandkreises Güstrow vom 09.10.2007 bezüglich der Absicherung und Beschilderung\nvollumfänglich umgesetzt. Da es sich um eine simple Beschilderung handelte,\nwaren weitere Kontrollen zwischen dem 17.10. und 27.10.2007 nicht\nerforderlich. Für die eigenmächtige Entfernung der beleuchteten Warnschranke\nund der Beschilderung haftet deshalb allein das Bauunternehmen gemäß § 823\nAbs. 1 BGB. Das Bauunternehmen kann mangels verbindlicher Vorgabe insoweit\nauch nicht als Verwaltungshelfer bzw. Werkzeug angesehen werden.\n\n19\n\n \n\n2\\. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.\n\n20\n\n \n\n3\\. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.\n11, 711 ZPO.\n\n
103,886
lagmv-2008-10-23-3-sa-30207
476
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
lagmv
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitsgerichtsbarkeit
3 Sa 302/07
2008-10-23
2018-11-23 17:30:13
2019-02-14 06:17:02
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nI. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 16.10.2007 - 1 Ca 2648/06 -\nwird auf die Berufung der Beklagten teilweise abgeändert.\n\n \n\nDer Tenor wird zur Klarstellung wie folgt neu gefasst.\n\n \n\n1\\. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die\nfristlose Kündigung vom 13.07.2006 nicht aufgelöst worden ist, sondern bis zum\n31.12.2006 fortbestanden hat.\n\n \n\n2\\. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n \n\n3\\. Der Kläger trägt zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3 die Kosten des\nRechtsstreits.\n\n \n\nII. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.\n\n \n\nIII. Der Kläger trägt zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3 die Kosten des\nBerufungsverfahrens.\n\n \n\nIV. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen sowie\nordentlichen Kündigung vom 13.07.2006 und um die Rechtswirksamkeit einer\naußerordentlichen sowie ordentlichen Kündigung vom 08.12.2006.\n\n2\n\n \n\nDer am 22.11.1950 geborene und verheiratete Kläger war seit dem 01.01.1999 bei\nder Beklagten Verkaufsleiter im Werbeaußendienst in der Regionaldirektion\nSchwerin beschäftigt.\n\n3\n\n \n\nAb April 2005 war der Kläger zunächst durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Mit\nBescheid vom 14.03.2006 gewährte die Deutsche Rentenversicherung dem Kläger\neine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 01.11.2005\nbis zum 30.04.2007.\n\n4\n\n \n\nMit Schreiben vom 13.07.2006 (dem Kläger zugegangen am 17.07.2006) kündigte\ndie Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger sowohl außerordentlich als\nauch ordentlich zum 31.12.2006. Unter dem 08.12.2006 sprach die Beklagte eine\nweitere außerordentliche sowie ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses\nmit dem Kläger aus.\n\n5\n\n \n\nDie Beklagte stützt die Kündigungen mit Schreiben vom 13.06.2006 zum einen auf\nden dringenden Verdacht eines Betruges des Klägers zum Nachteil der Beklagten\nund zum anderen - im Wege des nachgeschobenen Kündigungsgrundes - auf eine\nVerletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch den Kläger auf Grund einer\nmanipulativen Beeinflussung eines Mitarbeiters zur Abgabe einer wissentlich\nfalschen Erklärung zum Nachteil der Beklagten.\n\n6\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages wird auf den\nausführlichen Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.\n\n7\n\n \n\nDer Kläger hat beantragt,\n\n8\n\n \n\n1\\. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die\nKündigungen vom 13.07.2006 weder außerordentlich noch ordentlich zum\n31.12.2006 beendet worden ist;\n\n9\n\n \n\n2\\. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch durch die\nKündigung vom 08.12.2006 weder außerordentlich noch ordentlich zum 31.03.2007\nbeendet worden ist.\n\n10\n\n \n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\n11\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n12\n\n \n\nDas Arbeitsgericht Schwerin hat der Klage vollumfänglich stattgegeben und im\nwesentlichen argumentiert, nach dem Vortrag der darlegungs- und\nbeweispflichtigen Beklagten seien keine hinreichenden Anhaltspunkte im Sinne\neines dringenden Tatverdachts des Betruges durch den Kläger zu Lasten der\nBeklagten gegeben. Auch die Veranlassung zur Abgabe der Erklärung vom\n27.06.2006 des Zeugen K. durch den Kläger komme als Kündigungsgrund nicht in\nBetracht. Nach durchgeführter Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer\neben gerade nicht fest, dass die vom Zeugen K. abgegebene Erklärung vom\n27.06.2006 inhaltlich falsch gewesen sei.\n\n13\n\n \n\nGegen diese am 19.10.2007 zugegangene Entscheidung richtet sich die bei dem\nLandesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern am 19.11.2007 eingegangene\nBerufung der Beklagten nebst am 19.12.2007 eingegangener Begründung.\n\n14\n\n \n\nDie Beklagte hält an ihrer erstinstanzlich geäußerten Rechtsauffassung fest.\nEs seien hinreichende Verdachtsmomente im Sinne einer Betrugshandlung durch\nden Kläger zu Lasten der Beklagten vorhanden. So habe der Kläger\nGesundheitsfragen in dem Antrag auf Abschluss einer Berufsunfähigkeits-\nZusatzversicherung wahrheitswidrig beantwortet. Außerdem sei der Antrag auf\nAbschluss der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung auf ein früheres Datum\n(28.03.2005) zurückdatiert worden. In diesem Zusammenhang habe der Kläger den\nNachweis des rechtzeitigen Zugangs des Antrages bei der Beklagten durch\nManipulation eines Telefax-Sendeprotokolls führen wollen.\n\n15\n\n \n\nIm Übrigen seien die Kündigungen mit Schreiben vom 13.07.2006 auch im Sinne\neiner Tatkündigung gerechtfertigt, da der Kläger den Zeugen K. zur Abgabe der\ninhaltlich falschen Erklärung vom 27.06.2006 veranlasst habe, um hierdurch den\nAusgang von zwei Gerichtsverfahren zu seinen Gunsten und zu Lasten der\nBeklagten zu beeinflussen. Da der Kläger diese Pflichtverletzung vor Zugang\nder Kündigungen am 17.07.2006 begangen habe, jedoch der Beklagten erst später\nbekannt geworden sei, sei dieser Kündigungsgrund rechtswirksam nachgeschoben\nworden, zumal die Beklagte diesbezüglich den bei ihr bestehenden Betriebsrat\nebenfalls mit Schreiben vom 05.12.2006 (Blatt 256 bis 259; Band II der Akte)\nformgültig angehört habe.\n\n16\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n17\n\n \n\ndas Urteil des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 16.10.2007, 1 Ca 2648/06,\nabzuändern und die Klage abzuweisen.\n\n18\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n19\n\n \n\ndie Berufung der Beklagten zurückzuweisen.\n\n20\n\n \n\nDer Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das Arbeitsgericht Schwerin\nhabe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass hinreichende Verdachtsmomente im\nSinne eines Betrugsversuches durch den Kläger zu Lasten der Beklagten nicht\ngegeben seien.\n\n21\n\n \n\nAuch sei das Arbeitsgericht Schwerin in der angefochtenen Entscheidung unter\nzutreffender Würdigung der Beweisaufnahme zu dem Schluss gelangt, dass nicht\nfestgestellt werden könne, dass der Kläger den Zeugen K. zur Abgabe einer\nfalschen Erklärung veranlasst habe.\n\n22\n\n \n\nIm Übrigen bleibe die ordnungsgemäße Betriebsanhörung hinsichtlich aller\nstreitgegenständlichen Kündigungen streitig.\n\n23\n\n \n\nIn der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2008 ist Beweis erhoben worden durch\ndie Vernehmung des Zeugen K.. Hinsichtlich des Beweisthemas sowie bezüglich\ndes Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom\n23.10.2008 (Blatt 500 bis 506; Band III der Akte) Bezug genommen.\n\n24\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten im Berufungsrechtszug wird auf die insoweit\nzwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n25\n\n \n\nDie zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.\n\n26\n\n \n\nDas Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die fristgemäße Kündigung mit\nSchreiben vom 13.07.2006 - zugegangen dem Kläger am 17.07.2006 - rechtswirksam\nzum 31.12.2006 aufgelöst worden (I.). Dagegen sind die außerordentlichen\nKündigungen sowohl mit Schreiben vom 13.07.2006 als auch mit Schreiben vom\n08.12.2006 sowie die ordentliche Kündigung mit Schreiben vom 08.12.2006\njeweils rechtsunwirksam (II.). Insoweit ist die Berufung unbegründet.\n\n \n\nI.\n\n27\n\n \n\nDie Berufung der Beklagten ist insoweit begründet, als dass zwischen den\nParteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die am 17.07.2006 zugegangene\nordentliche Kündigung rechtswirksam zum 31.12.2006 beendet worden ist.\n\n28\n\n \n\n1\\. Die ordentliche Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 13.07.2006 ist\nentgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes Schwerin nicht gemäß § 1 Abs. 2\nKSchG sozialwidrig.\n\n29\n\n \n\na) Die Voraussetzungen zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf das\nvorliegende Arbeitsverhältnis sind zwischen den Parteien unstreitig.\n\n30\n\n \n\nb) Gemäß § 1 Abs. 1 KSchG ist eine Kündigung rechtsunwirksam, wenn sie nicht\nsozial gerechtfertigt ist.\n\n31\n\n \n\nGemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist eine ordentliche Kündigung u. a. dann sozial\ngerechtfertigt, wenn sie durch das Verhalten des Arbeitnehmers bedingt ist,\nwobei der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Kündigungsgründe\ndarzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat.\n\n32\n\n \n\nDie Rechtswirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung gemäß §\n1 Abs. 2 KSchG setzt zunächst voraus, dass der Arbeitnehmer durch ein - in der\nRegel - schuldhaftes Verhalten seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt\nhat und dieser Umstand das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt. Zudem ist\nes notwendig, dass für den kündigenden Arbeitgeber eine zumutbare Möglichkeit\nder Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz nicht besteht. Schließlich\nmuss die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider\nVertragsteile billigenswert und angemessen erscheinen (BAG vom 31.05.2007 - 2\nAZR 200/06 -; juris).\n\n33\n\n \n\nIn diesem Zusammenhang gilt auch insoweit das Prognoseprinzip, da eine\nverhaltensbedingte ordentliche Kündigung zur Vermeidung des Risikos weiterer\nPflichtverletzungen dient, so dass sich die vergangene Pflichtverletzung noch\nin der Zukunft belastend auswirken muss. Die notwendige negative Prognose ist\ndann zu bejahen, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der\ndaraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der\nArbeitnehmer werde zukünftig arbeitsvertragliche Pflichten auch nach einer\nKündigungsandrohung erneut oder in ähnlicher Weise verletzen (BAG vom\n31.05.2007, a. a. O.). Deshalb setzt die Rechtswirksamkeit einer\nverhaltensbedingten Kündigung - sei es im sogenannten Leistungsbereich oder im\nsogenannten Vertrauensbereich (BAG vom 10.02.1999, EzA Nr. 47 zu § 15 KSchG) -\ngrundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber das entsprechende Verhalten durch\neine vorangegangene einschlägige Abmahnung formgerecht gerügt hat. Dies gilt\nausnahmsweise dann nicht, wenn die Abmahnung von vornherein nicht\nerfolgversprechend ist (BAG vom 18.05.1994, RzK I 5 i Nr. 93), oder wenn es um\nschwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer\nohne weiteres erkennbar ist und bei dem eine Akzeptanz des Verhaltens aus\nSicht eines verständigen Arbeitgebers offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG\nvom 10.02.1999, a. a. O.) und sich deshalb ausnahmsweise bereits aus der\nschwere der Pflichtverletzung selbst die notwendige negative Prognose im\nHinblick auf das Risiko weiterer Pflichtverletzungen herleiten lässt.\n\n34\n\n \n\nGemessen an den vorbenannten Voraussetzungen erweist sich die streitbefangene\nKündigung nicht als sozialwidrig im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG. Vielmehr ist\ndie Kündigung durch das Verhalten des Klägers bedingt.\n\n35\n\n \n\naa) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des erkennenden\nGerichts fest, dass der Kläger den Zeugen K. zur Abgabe der Erklärung vom\n27.06.2006 veranlasste, obschon er - der Kläger - wusste, dass der Zeuge K. im\nZeitpunkt der Erklärungsabgabe sich überhaupt nicht an die Einzelheiten der\nGeschehensabläufe vom 28.03.2005 erinnern konnte. Der Zeuge K. hat in der\nBerufungsinstanz - soweit hier von Bedeutung - in sich schlüssig und\nnachvollziehbar ausgesagt, dass der Kläger ihn angerufen und in diesem\nZusammenhang gebeten habe, die Erklärung vom 27.06.2006 zu verfassen. Der\nKläger habe ihm diesbezüglich die Inhalte der Erklärung vorgegeben. Er habe\nden Kläger darauf hingewiesen, dass er - der Zeuge - sich nicht daran erinnern\nkönne, was er am 28.03.2005 gemacht habe.\n\n36\n\n \n\nDamit steht nach Ansicht der Kammer fest, dass der Kläger den Zeugen K.\nveranlasste, Tatsachen kraft eigener Wahrnehmung zu bestätigen, an die er sich\nin Wirklichkeit eben gerade nicht erinnern konnte. Damit veranlasste der\nKläger den Zeugen K. zur Abgabe einer unrichtigen Behauptung.\n\n37\n\n \n\nDenn eine Aussage ist nicht erst dann unrichtig, wenn sich positiv\nherausstellt, dass die gemachten Angaben objektiv nicht den tatsächlichen\nGegebenheiten entsprechen. Vielmehr ist von einer Falschaussage bereits dann\nauszugehen, wenn die aussagende Person vorspiegelt, sich an konkrete\nGeschehensabläufe kraft eigener Wahrnehmung erinnern zu können, obwohl\ndiesbezüglich ein Erinnerungsvermögen an eigene Wahrnehmungen gar nicht\nvorhanden ist. Denn in diesem Fall werden - wahrheitswidrig - Tatsachen\nbestätigt, die die aussagende Person in Wirklichkeit in Ermangelung\nentsprechender Erinnerungen an eigene Wahrnehmungen gar nicht bestätigen kann.\n\n38\n\n \n\nEs kommt also - wohl entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes Schwerin in\nder angefochtenen Entscheidung - nicht darauf an, welche Geschehensabläufe\nsich am 28.03.2005 tatsächlich abspielten. Vielmehr ist in der vorliegenden\nFallkonstellation allein maßgeblich, dass der Kläger den Zeugen K. zur\nBestätigung solcher Tatsachen veranlasste, von denen er wusste, dass bei dem\nZeugen K. ein solches Erinnerungsvermögen kraft eigener Wahrnehmung im\nZeitpunkt der Erklärungsabgabe nicht vorhanden war.\n\n39\n\n \n\nDeshalb war im Übrigen auch die nochmalige Vernehmung des erstinstanzlich\nvernommenen Zeugen H. entbehrlich.\n\n40\n\n \n\nHinsichtlich der hier insoweit relevanten Tatsachen unterliegt die\nGlaubwürdigkeit des Zeugen K. bzw. die Glaubwürdigkeit seiner Aussage keinen\ndurchgreifenden Bedenken. Zwar darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der\nZeuge nach wie vor ganz überwiegend nur für die Beklagte tätig ist.\nAndererseits ist zu bedenken, dass die Angaben des Zeugen - soweit hier von\nBedeutung - in sich schlüssig und nachvollziehbar sind und sich - abgesehen\nvon der konkreten Wortwahl - inhaltlich mit den erstinstanzlich gemachten\nAngaben decken. Der Zeuge K. hat seine Angaben darüber hinaus mit eigenen\nWorten und nicht etwa im Sinne eines einstudierten Vortrages wiedergegeben.\nAuch der Umstand, dass der Zeuge auf die beharrlichen Nachfragen des\nKlägervertreters zu den Geschehensabläufen am 28.03.2005 ungenaue und\nteilweise "schwammige" Angaben gemacht hat, spricht nicht gegen die\nGlaubwürdigkeit seiner Aussage, sondern ist zur Überzeugung der Kammer\nvielmehr die logische Konsequenz der zuvor gemachten Angaben.\n\n41\n\n \n\nDenn wenn sich ein Zeuge an bestimmte Tatsachen kraft eigener Wahrnehmung eben\ngerade nicht erinnern kann, dann ist es eine zwangsläufige Folge, dass dieser\nZeuge auf entsprechende Fragestellungen hin unbrauchbare Angaben zu\nGeschehensabläufen macht, an die er sich eben gerade nicht erinnern kann.\n\n42\n\n \n\nIm Ergebnis bleibt damit festzustellen, dass der Kläger massiv seine\narbeitsvertraglichen Verpflichtungen dadurch verletzte, dass er den Zeugen K.\nvor dem Hintergrund des gekündigten bzw. angefochtenen\nLebensversicherungsvertrages mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung und\nmithin zu seinen Gunsten und zu Lasten der Beklagten zur Abgabe einer deshalb\nwahrheitswidrigen Erklärung hinsichtlich der Vorfälle am 28.03.2005\nveranlasste, weil sich der Zeuge K. in Wirklichkeit im Zeitpunkt der\nErklärungsabgabe gar nicht mehr an die Einzelheiten des Tagesablaufes am\n28.03.2005 erinnern konnte.\n\n43\n\n \n\nbb) Der vorstehend im Einzelnen ausgeführte verhaltensbedingte Kündigungsgrund\nist durch die Beklagte hinsichtlich der ordentlichen Kündigung vom 13.07.2006\nauch rechtswirksam nachgeschoben worden.\n\n44\n\n \n\nKündigungsgründe, die dem Kündigenden bei Ausspruch der Kündigung noch nicht\nbekannt waren, können uneingeschränkt nachgeschoben werden, wenn sie bereits\nvor Zugang der Kündigung entstanden sind (BAG vom 06.09.2007 - 2 AZR 264/06 -;\njuris). Im Rahmen einer zunächst ausgesprochenen Verdachtskündigung können\ninsoweit auch Gründe im Sinne einer "Tatkündigung" nachgeschoben werden (BAG\nvom 13.09.1995 - 2 AZR 587/94 -; juris).\n\n45\n\n \n\nGemessen an den benannten Voraussetzungen ist der nachgeschobene\nKündigungsgrund bezogen auf die ordentliche Kündigung mit Schreiben vom\n13.07.2006 berücksichtigungsfähig.\n\n46\n\n \n\nDenn der Beklagten ist der von ihr nachgeschobene Kündigungsgrund im Sinne\neiner manipulativen Beeinflussung eines Mitarbeiters durch den Kläger zur\nAbgabe einer wissentlich falschen Erklärung zum Nachteil der Beklagten\nunstreitig erst nach Kündigungszugang am 17.07.2006 bekannt geworden, während\nder Kündigungssachverhalt selbst zeitlich vor dem benannten Kündigungszugang\nliegt.\n\n47\n\n \n\ncc) Die Möglichkeit einer zumutbaren Weiterbeschäftigung des Klägers auf einem\nanderen freien Arbeitsplatz wird von dem Kläger nicht vorgetragen und ist auch\nunter Berücksichtigung des weiteren Sach- und Streitstandes nicht ersichtlich.\n\n48\n\n \n\ndd) Zudem scheitert die Rechtswirksamkeit der streitbefangenen Kündigung\nvorliegend nach Ansicht der Kammer nicht an einer fehlenden\nKündigungsandrohung.\n\n49\n\n \n\nHinsichtlich der insoweit anzustellenden Zukunftsprognose im Sinne einer\nNegativprognose im Hinblick auf das zu erwartende künftige Verhalten des\nKlägers im Rahmen der Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten\nTätigkeiten ergibt sich nach Auffassung des erkennenden Gerichts vorliegend\nausnahmsweise in Anbetracht der Schwere der Pflichtverletzungen die\nEntbehrlichkeit des Ausspruches einer vorhergehenden Abmahnung. Das Verhalten\ndes Klägers im Zusammenhang mit der Veranlassung des Zeugen K. zur Abgabe\nunrichtiger Angaben ist - wie bereits oben erörtert - als sehr schwerwiegende\nPflichtverletzung zu werten. Darüber hinaus wäre auf Grund der festgestellten\nIntensität der Vorgehensweise des Klägers auch aus Sicht eines verständigen\nArbeitgebers mit dem Ausspruch einer Abmahnung im Rahmen einer\nPrognoseentscheidung nicht mit der notwendigen Sicherheit ein zukünftig\nvertragsgetreues Verhalten des Klägers zu gewährleisten gewesen.\n\n50\n\n \n\nDies gilt umso mehr, als auch aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers\njedenfalls die manipulative Beeinflussung eines anderen Mitarbeiters zur\nAbgabe einer inhaltlich falschen Erklärung zum Nachteil des Arbeitgebers eine\nbeträchtliche Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses darstellt. D. h.,\nauch ein verständiger Arbeitgeber hätte auf Grund der Intensität und der\nwillentlichen Vorgehensweise des Klägers in dem geschilderten Zusammenhang\ndavon ausgehen dürfen, dass der Ausspruch einer Abmahnung nicht mit der\nnotwendigen Sicherheit zu einer vertragsgetreuen Verhaltensweise in der\nZukunft durch den Kläger geführt hätte.\n\n51\n\n \n\nAber auch der Kläger hätte angesichts der von ihm an den Tag gelegten\nVerhaltensweise - auch unter Berücksichtigung der Sichtweise eines\nverständigen Arbeitgebers - nicht darauf vertrauen dürfen, die Beklagte werde\ndiesbezüglich mit einer Konsequenz unterhalb der Schwelle des Ausspruches\neiner fristgemäßen Kündigung reagieren. Der Kläger hätte sich darüber im\nKlaren sein müssen, dass auch bei objektiver Betrachtungsweise bei einem\nderartigen Verhalten insbesondere im Hinblick auf die manipulative\nBeeinflussung eines Mitarbeiters zur Abgabe einer inhaltlich falschen\nErklärung zum Nachteil des Arbeitgebers für eben diesen Arbeitgeber das\nnotwendige Vertrauensverhältnis für die Zukunft gravierend gestört ist.\n\n52\n\n \n\nee) Auch die notwendigerweise durchzuführende Interessenabwägung führt\nvorliegend aus Sicht der Kammer zu keinem anderen Ergebnis. Zwar ist hier zu\nGunsten des Klägers zum einen seine Betriebszugehörigkeit seit dem 01.01.1999\nebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass auf Grund seines Lebensalters\nund möglicherweise eben auch seiner Erkrankung die weitere berufliche\nPerspektive als schwierig einzustufen ist. Zudem darf auf Seiten des\nverheirateten Klägers seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Ehefrau\nnicht unberücksichtigt bleiben.\n\n53\n\n \n\nJedoch ist zu Gunsten der Beklagten zu bedenken, dass der Kläger selbst ohne\njedwede sachliche Veranlassung und insbesondere auch ohne Zutun der Beklagten\ndie schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung herbeigeführt hat.\nWie bereits ausgeführt, hat dieser Umstand zu einer ganz gravierenden\nBeeinträchtigung des notwendigen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Kläger\nund der Beklagten geführt, welches sich auch nach der entsprechenden\nPrognoseentscheidung für die Zukunft nicht mit der notwendigen Sicherheit\nhätte wieder herstellen lassen.\n\n54\n\n \n\nInsgesamt sind mithin die Interessen der Beklagten an einer fristgemäßen\nBeendigung des Arbeitsverhältnisses letztendlich höher zu bewerten, als die\nInteressen des Klägers an dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über die\nKündigungsfrist hinaus.\n\n55\n\n \n\n2\\. Die streitbefangene ordentliche Kündigung mit Schreiben vom 13.07.2006 ist\nnicht nach betriebsverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten rechtsunwirksam.\n\n56\n\n \n\nEs ist anerkannt, dass eine Kündigung rechtswirksam nur dann auf einen\nnachgeschobenen Kündigungsgrund gestützt werden kann, wenn der gegebenenfalls\nbestehende Betriebsrat hinsichtlich des nachgeschobenen Kündigungsgrundes\nordnungsgemäß im Sinne des § 102 BetrVG beteiligt worden ist (BAG vom\n11.04.1985 - 2 AZR 239/84 -; juris).\n\n57\n\n \n\nDie genannten Voraussetzungen sind hier erfüllt.\n\n58\n\n \n\nHinsichtlich des nachgeschobenen Kündigungsgrundes ist der bei der Beklagten\nbestehende Betriebsrat mit Schreiben vom 05.12.2006 nebst der dort näher\nbezeichneten Anlagen (Blatt 256 bis 259, Band II d. A.) angehört worden. Der\nBetriebsrat hat den Erhalt dieser Unterlagen durch Unterschrift unter dem\n05.12.2006 bestätigt und in diesem Zusammenhang auch der erneuten und\nvorsorglichen außerordentlichen sowie ordentlichen Kündigung zugestimmt.\n\n59\n\n \n\nDer Kläger kann sich in diesem Zusammenhang auf eine rechtsfehlerhafte\nBetriebsratsanhörung nicht berufen.\n\n60\n\n \n\nNach zutreffender Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes ist eine Kündigung gemäß\n§ 102 Abs. 1 BetrVG nicht nur dann rechtsunwirksam, wenn der Arbeitgeber ohne\nAnhörung des Betriebsrates gekündigt hat, sondern auch bei nicht\nordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrates. Sinn und Zweck des Verfahrens nach\n§ 102 Abs. 1 BetrVG ist es, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, auf den\nKündigungsentschluss des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen. Dementsprechend hat\nder Arbeitgeber dem Betriebsrat seine Kündigungsabsicht rechtzeitig vorher\nmitzuteilen und ihn dabei so zu informieren, dass er sich über die Person des\nArbeitnehmers und über die Kündigungsgründe für seine Stellungnahme ein\neigenes Bild machen kann. Daher hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat\ninsbesondere deutlich die Kündigungsgründe mitzuteilen, anderenfalls ist nicht\nvon einer wirksamen Anhörung des Betriebsrates auszugehen (BAG vom 16.09.1993\n- AP Nr. 62 zu § 100 BetrVG 1972).\n\n61\n\n \n\nDas Anhörungsschreiben nebst Anlagen vom 05.12.2006 entspricht diesen\nAnforderungen. Neben den erforderlichen Angaben zur Person des Klägers sind\ninsbesondere die nachgeschobenen Kündigungsvorwürfe ausführlich dargestellt\nworden. Dem Betriebsrat ist ebenfalls die Absicht mitgeteilt worden, den\nKündigungsvorwurf hinsichtlich der ordentlichen Kündigung mit Schreiben vom\n13.07.2006 nachzuschieben.\n\n62\n\n \n\nSoweit der Kläger in diesem Zusammenhang die ordnungsgemäße Anhörung des\nBetriebsrates pauschal bestreitet, so ist dieses prozessuale Vorgehen\nunbeachtlich. Trägt eine Partei - wie hier die Beklagte zur\nBetriebsratsanhörung - substantiiert die Einzelheiten vor, so kann sich die\nGegenpartei gemäß § 138 Abs. 2 ZPO nicht auf ein einfaches Bestreiten\nbeschränken. Vielmehr hat die Gegenpartei im Einzelnen und dezidiert\nvorzutragen, welcher konkrete Tatsachenvortrag unrichtig und deshalb\nbestritten werden soll. Diesen Anforderungen wird das lediglich pauschale\nBestreiten durch den Kläger nicht gerecht, so dass der insoweit dezidierte\nSachvortrag der Beklagten als zugestanden gilt (§ 138 Abs. 4 ZPO).\n\n63\n\n \n\n3\\. Da das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auf der\nGrundlage der verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung mit Schreiben vom\n13.07.2006 aus den vorgenannten Gründen rechtswirksam zum 31.12.2006 aufgelöst\nworden ist, kann es dahinstehen, ob die vorbezeichnete ordentliche Kündigung\nmit Schreiben vom 13.07.2006 zusätzlich auch auf eine Verdachtskündigung\ngestützt werden kann.\n\n \n\nII.\n\n64\n\n \n\nDie fristlosen Kündigungen mit den Schreiben vom 13.07.2006 und vom 08.12.2006\nsowie die ordentliche Kündigung mit Schreiben vom 08.12.2006 sind jeweils\nrechtsunwirksam. Insoweit ist die Berufung nicht begründet.\n\n65\n\n \n\n1\\. Die außerordentliche Kündigung mit Schreiben vom 13.07.2006 ist gemessen\nan den Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB rechtsunwirksam.\n\n66\n\n \n\nDanach kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer\nKündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer\ndem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und\nunter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des\nDienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der\nvereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.\n\n67\n\n \n\na) Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass die unter Punkt I. 1. festgestellte\nPflichtverletzung durch den Kläger grundsätzlich geeignet ist, einen wichtigen\nKündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Ebenso tritt die\nKammer der Rechtsauffassung der Beklagten bei, dass es sich dabei um eine\nderart schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, dass ausnahmsweise von der\nEntbehrlichkeit einer vorhergehenden Kündigungsandrohung ausgegangen werden\nkann.\n\n68\n\n \n\nb) Gleichwohl ist die Kammer im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung\nzu dem Ergebnis gelangt, dass trotz der Schwere der festgestellten\nVertragsverletzung hier ausnahmsweise die Interessen des Arbeitnehmers an\neiner fristgerechten Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Interessen der\nBeklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegen.\n\n69\n\n \n\nInsoweit ist anerkannt, dass die unwiderrufliche Freistellung von der\nArbeitspflicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist als einer der maßgebenden\nGesichtspunkte bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist (BAG vom\n05.04.2001 - 2 AZR 217/00 -; juris). Dies gilt selbstverständlich auch - wie\nhier - für ein bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ruhendes Arbeitsverhältnis\n(BAG vom 17.02.1982 - 2 AZR 663/79 -; juris).\n\n70\n\n \n\nGerade vor dem Hintergrund der vorzunehmenden Negativprognose kann sich\nnämlich in den vorgenannten Fallkonstellationen die Zumutbarkeit der\nFortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist\nergeben, wenn mangels eines Beschäftigungsanspruches des Arbeitnehmers und\neiner Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers weitere entsprechende\nBelastungen des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist\nausgeschlossen erscheinen (BAG vom 05.04.2001, a. a. O.). Andererseits ist im\nRahmen der durchzuführenden Interessenabwägung auf seiten des kündigenden\nArbeitgebers zu berücksichtigen, ob er gegebenenfalls bis zum Ablauf der\nKündigungsfrist zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet ist (BAG vom\n05.04.2001, a. a. O.).\n\n71\n\n \n\nUnter Berücksichtigung der vorbenannten Grundsätze ist die Kammer zu der\nAuffassung gelangt, dass die Interessen des Klägers an einer fristgerechten\nBeendigung des Arbeitsverhältnisses trotz der festgestellten Schwere der\nVertragsverletzung überwiegen. Denn zwischen den Parteien ist unstreitig, dass\nder Kläger von November 2005 bis April 2007 - und mithin auch für die Dauer\nder Kündigungsfrist - eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bezog. In\ndiesem Zeitraum ruhte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis\nund mithin auch die wechselseitigen Hauptleistungspflichten und insbesondere\nauf seiten der Beklagten die Pflicht zur Vergütung des Klägers. Sonstige\nwirtschaftliche Belastungen der Beklagten auf der Grundlage des ehemals\nzwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses sind für den genannten\nZeitraum der Kündigungsfrist (Juli 2006 bis Dezember 2006) nach dem Vortrag\nder Parteien ebenfalls nicht ersichtlich. Dies gilt unter Berücksichtigung des\nSach- und Streitstandes ebenso hinsichtlich des Umstandes der\nWiederholungsgefahr.\n\n72\n\n \n\nUnter Zugrundelegung der vorstehenden Abwägungsgrundlagen hat die Kammer\nvorliegend mithin ausnahmsweise das Abwarten der Kündigungsfrist für die\nBeklagte als zumutbar erachtet.\n\n73\n\n \n\nc) Die vorstehenden Erwägungen gelten im Übrigen auch hinsichtlich der\nangesprochenen Verdachtskündigung, selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten\ndas Vorliegen ausreichender und dringender Verdachtsmomente als gegeben\nunterstellt.\n\n74\n\n \n\n2\\. Sowohl die außerordentliche Kündigung als auch die ordentliche Kündigung\njeweils mit Schreiben vom 08.12.2006 sind bereits deshalb rechtsunwirksam,\nweil der angezogene Kündigungsgrund - manipulative Beeinflussung eines\nMitarbeiters zur Abgabe falscher Angaben zu Lasten der Beklagten - insoweit\nals verbraucht anzusehen ist, als dieser Kündigungsgrund rechtswirksam der\nordentlichen Kündigung vom 13.07.2006 nachgeschoben worden ist.\n\n \n\nIII.\n\n75\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 62 Abs. 1 Satz 1 ZPO.\n\n76\n\n \n\nRevisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich (§ 72 Abs. 2 ArbGG).\n\n
103,915
vg-schwerin-2008-09-19-6-a-6608
490
Verwaltungsgericht Schwerin
vg-schwerin
Schwerin
Mecklenburg-Vorpommern
Verwaltungsgerichtsbarkeit
6 A 66/08
2008-09-19
2018-11-23 17:30:17
2019-02-14 06:18:45
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\n \n\nDer Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.\n\n \n\nDas Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die\nVollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des\nvollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher\nHöhe Sicherheit leistet.\n\n \n\nDie Berufung wird zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDer klagende Landkreis wendet sich gegen einen Leistungsbescheid des\nBeklagten, mit dem dieser bezogen auf das Haushaltsjahr 2005 die Zahlung von\nSchullastenausgleich forderte.\n\n2\n\n \n\nAus seinem Gebiet besuchten am 1. Januar 2005 94 Schüler und am 1. September\n2005 95 Schüler die Landesschule für Blinde und Sehbehinderte in N.. Diese\nsteht seit 1998 in Trägerschaft des Landes und hat eine landesweite\nZuständigkeit; das Land übernahm sie entsprechend der Anordnung in § 132 des\nSchulgesetzes vom 15. Mai 1996 (GVOBl. M-V Seite 205) - SchulG M-V 1996 - aus\nder Trägerschaft des ....\n\n3\n\n \n\nMit Bescheid vom 30. November 2007, dem Kläger zugegangen am 10. Dezember\n2007, setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger für das Jahr 2005 einen\nSchulkostenbeitrag von 68.380,96 EUR fest, dessen Berechnung er in einer\nAnlage erläuterte. Unter nachrichtlicher Wiedergabe einer auf das Jahr 2004\nbezogenen "Überzahlung" des Klägers von 25.354,20 EUR (deren Rückzahlung nebst\nweiteren Beträgen der Kläger von der Landesschule im Verfahren 6 A 1681/07\nbegehrt) forderte der Beklagte ferner den Kläger zur Zahlung von\n(verbleibenden) 43.026,76 EUR auf.\n\n4\n\n \n\nHiergegen richtet sich die Klage vom 9. Januar 2008. Der Kläger macht die\nUnwirksamkeit der der Beitragserhebung zugrunde liegenden Rechtsvorschriften\ngeltend und beantragt,\n\n5\n\n \n\nden Bescheid vom 30. November 2007 aufzuheben.\n\n6\n\n \n\nDer Beklagte beantragt\n\n7\n\n \n\nKlageabweisung\n\n8\n\n \n\nund verteidigt seinen Bescheid mit Rechtsausführungen.\n\n9\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst\nAnlagen, auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung und auf den vom\nBeklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n10\n\n \n\nDie Klage ist unbegründet und daher abzuweisen.\n\n11\n\n \n\nDenn der angegriffene Bescheid unterliegt nicht der beantragten gerichtlichen\nAufhebung gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -,\nda er den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.\n\n12\n\n \n\nRechtsgrundlage der Festsetzung und Anforderung des Schulkostenbeitrags ist §\n115 Abs. 2 Satz 4 und 5 des Schulgesetzes vom 13. Februar 2006 - SchulG M-V -\n(GVOBl. M-V Seite 41).\n\n13\n\n \n\nHiernach kann das Land, wenn es Schulen in seine Trägerschaft übernommen hat,\nden Schulkostenbeitrag von den Landkreisen und kreisfreien Städten erheben, in\ndenen die Schüler ihren Wohnsitz, soweit ein solcher nicht besteht, ihren\ngewöhnlichen Aufenthalt haben; bei in einem Internat oder Wohnheim\nuntergebrachten Schülern besteht der Anspruch auf Schulkostenbeitrag gegen die\nLandkreise oder kreisfreien Städte, in denen die Schüler [zuvor] ihren letzten\nWohnsitz, soweit ein solcher nicht bestand, ihren letzten gewöhnlichen\nAufenthalt hatten.\n\n14\n\n \n\nGegen die Wirksamkeit der Ermächtigung des Landes zur "Erhebung" des\nSchulkostenbeitrags bestehen keine durchgreifenden Zweifel dergestalt, dass\ndie Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage an ein Verfassungsgericht\ngeboten gewesen wäre.\n\n15\n\n \n\nDie Gesetze, mit denen durch eine neue Fassung der Vorschrift mit\nrückwirkender Geltung ab 1. Januar 2000 ausdrücklich die Erhebung des\nSchulkostenbeitrags durch das Land eingeführt wurde, nämlich das neunte Gesetz\nzur Änderung des SchulG M-V 1996 vom 4. Juli 2005 (GVOBl. M-V Seite 297) und,\nwiederholend, das SchulG M-V, erscheinen insoweit jedenfalls für das vom\nangegriffenen Bescheid betroffene Erhebungsjahr 2005 nicht als\nverfassungswidrig.\n\n16\n\n \n\nIn formeller Hinsicht hat die Kammer insbesondere keine durchgreifenden\nZweifel wegen der Ordnungsgemäßheit der auf die Inkraftsetzung eines\nneugefassten § 115 SchulG M-V bezogenen Gesetzgebungsverfahren.\n\n17\n\n \n\nSo wurde das neunte Gesetz zur Änderung des SchulG M-V 1996, in dem erstmals\ndie Neufassung von § 115 enthalten war, jedenfalls insoweit entsprechend den\nverfassungsrechtlichen Vorgaben im Landtag beraten. Zwar fand sich die\nÄnderung von § 115 SchulG M-V 1996 nicht im von den seinerzeitigen\nKoalitionsfraktionen eingebrachten Entwurf des Änderungsgesetzes (Landtags-\nDrucksache 4/1405) und wurde im Plenum weder bei der ersten Lesung am 17.\nNovember 2004 noch bei der abschließenden zweiten Lesung am 22. Juni 2005\nangesprochen (Plenarprotokolle der 4. Wahlperiode, Seiten 2715 - 2734 und 3507\n- 3523). Gleichwohl wurde den verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen an\neine parlamentarische Beratung formell genügt. Die Neufassung von § 115 SchulG\nM-V 1996 wurde durch einen Änderungsantrag - wiederum der Koalitionsfraktionen\n- direkt in die Behandlung der Gesetzesvorlage in den Ausschüssen des Landtags\neingeführt, als deren Ergebnis schon der die Gesetzesänderungen vornehmende\nArt. 1 des Entwurfs allein von 13 auf 42 Positionen anwuchs. Vor und nach\ndiesem Änderungsantrag fanden öffentliche Anhörungen des federführenden\nBildungsausschusses statt, und bei der zweiten Anhörung am 7. April 2005 nahm\nder seinerzeitige Geschäftsführer des Landkreistages ablehnend zu der "nach\nwie vor vorgesehenen und trotz entgegenstehender Rechtsprechung jetzt noch\neinmal betonte[n] Pflicht zum Schullastenausgleich für Schulen in Trägerschaft\ndes Landes" Stellung. Der Sinn der Änderung wurde der Ausschussmehrheit\nausweislich ihrer Beschlussempfehlung (Landtags-Drucksache 4/ 1760; die\nAusschussdrucksachen und -protokolle der nichtöffentlichen Sitzungen stehen\ndem Gericht nicht zur Verfügung) dahingehend vermittelt, dass eine Hinzufügung\nvon Regelungen in § 115 SchulG M-V 1996 als "Klarstellung" geboten sei, "da\ndie Anspruchsberechtigung des Landes als Schulträger und die\nAnspruchsverpflichtung der Landkreise und kreisfreien Städte angezweifelt\n[werde]" (Seite 71), und dies mit Rückwirkung, "um noch streitige Zahlfälle zu\nerfassen" (Seite 73). Ausdrücklich Bezug genommen wurde wegen des\n"Anzweifelns" auf das während des Gesetzgebungsverfahrens ergangene Urteil des\nVerwaltungsgerichts Greifswald vom 29. November 2004 - 4 A 202/01 -. Dass die\nNeufassung von § 115 SchulG M-V 1996 bei den Erörterungen in den Ausschüssen\ninhaltlich offenbar eine recht untergeordnete Rolle spielte und im Plenum\nkeine Erwähnung fand, ist verständlich angesichts der zitierten\nVoreinschätzung als bloße rechtstechnische Klarstellung und im Hinblick auf\ndie in der Vorlage und den Änderungsanträgen enthaltenen weiteren, in weitaus\ngrößerem Umfang politischen Streitstoff auf Landesebene bergenden\nschulrechtlichen Änderungsvorhaben; Verfassungsrecht verletzt eine\nabschnittsweise eher oberflächliche Erörterung von Gesetzesvorhaben im Landtag\nallein jedoch nicht. Aus der in Art. 55 Abs. 2 der Landesverfassung - LVerf\nM-V - vorgeschriebenen Notwendigkeit, einem Gesetzesbeschluss eine Grundsatz-\nund eine Einzelberatung vorausgehen zu lassen, folgt vor diesem Hintergrund\nauch nach den Maßstäben des Urteils des Landesverfassungsgerichts - LVerfG -\nvom 7. Juli 2005 - LVerfG 8/04 - (Landes- und Kommunalverwaltung - LKV - 2006,\nSeite 26 ff.) kein Verfahrensverstoß. Denn eine Identität von Gesetzentwurf\nund Gesetzesbeschluss verlangt die Verfassung nicht, sondern der Entwurf kann\nwährend des Gesetzgebungsverfahrens Änderungen erfahren; nur soweit diese\nsubstantiell sind, gar Tendenzen zu einer "Denaturierung" der ursprünglichen\nInitiative aufweisen, bedarf es auch ihrer grundsätzlichen Eingangsberatung\n(Pestalozza, Neue Justiz 2006, Seite 1 [4]). Hieran fehlte es jedenfalls bei\nder Änderung von § 115 SchulG M-V 1996. Ein Gesetzgebungsvorhaben, das\nursprünglich auf die Änderung des SchulG M-V 1996 in mehreren\nÄnderungsbefehlen mit dem Ziel struktureller Umstellungen und\nÜbergangsregelungen bei den einzelnen Schularten und von deren Durchsetzung\nabzielte, wurde durch den § 115 SchulG M-V 1996 betreffenden Änderungsantrag\num die als vergleichsweise geringfügig erscheinende "Klarstellung" zu einer\nspeziellen Finanzierungsfrage ergänzt. Der Wille zur gesetzlichen\n"Klarstellung" des (wohl) schon Vorgegebenen und die Notwendigkeit einer\npolitischen Grundsatzberatung sind schon kaum miteinander zu vereinbaren; denn\ndie - notfalls durch eine "rechtstechnische Reparatur" zu bewirkende -\nNotwendigkeit klarer gesetzlicher Regelungen dürfte unbestreitbar sein. Wenn\ndann auch noch die Gelegenheit einer bereits fortgeschrittenen Behandlung des\nThemenbereichs "Schulrecht" genutzt wurde, um auf eine aktuelle Entwicklung\nder Rechtsprechung zu einer zum übergeordneten Thema und zum zu ändernden\nGesetz gehörenden Detailfrage "klarstellend" zu reagieren (was - trotz dem\nseinerzeit laufenden Berufungszulassungsverfahren beim Oberverwaltungsgericht\n- als geboten erschien), so wurde der von der Gesetzesinitiative vorgegebene\nBeratungs- und Regelungsspielraum nicht verlassen (vgl. zu den angewandten\nMaßstäben auch Pestalozza, a. a. O. Seite 5, und Gröpl, LKV 2004, Seite 438\n[440]; das vom Landesverfassungsgericht auch zu prüfen gewesene, speziell für\nHaushaltsgesetze geltende Bepackungsverbot nach Art. 61 Abs. 4 Satz 1 LVerf\nM-V war bei dieser Gesetzesvorlage ohnehin ohne Bedeutung). Wie es sich\ninsoweit mit den zahlreichen anderen Änderungen im Verlaufe des\nGesetzgebungsverfahrens verhielt, bedarf dagegen im Streitfall keiner\nEntscheidung.\n\n18\n\n \n\nDer Entwurf zum neuen Schulgesetz vom 13. Februar 2006 enthielt § 115 in der\nheutigen Fassung von Anfang an (vgl. Landtags-Drucksache 4/1910). Er wurde in\nerster und zweiter Lesung im Landtagsplenum und dazwischen in der Zeit vom 1.\nDezember 2005 bis 12. Januar 2006 in vier ständigen Ausschüssen beraten. Diese\nsahen von einer öffentlichen Anhörung ab. Dies und die Besonderheit, dass der\nRegierungsentwurf zum größten Teil der Vorschriften keine Begründung enthielt\n(eine Entwurfsversion mit vollständiger Einzelbegründung ist jetzt nicht mehr\nin der Landtags-EDV nachgewiesen und war auch nicht Gegenstand des dort\ndokumentierten Beratungsgangs), beruhte wesentlich darauf, dass kurzfristig\nanstelle der eigentlich vorgesehenen Neubekanntmachung des SchulG M-V 1996,\ndie das neunte Änderungsgesetz hierzu in seinem Artikel 3 vorgesehen hatte,\nwegen der zwischenzeitlichen Obsoleszenz des Änderungsstands durch die zehnte\nÄnderung im Haushaltsbegleitgesetz 2005 vom 6. Oktober 2005 (GVOBl. M-V Seite\n510), das auch keine Neubekanntmachungsermächtigung enthielt, und wegen der\nüber den Gegenstand der Normenkontrolle hinausweisenden Ausführungen des\nLandesverfassungsgerichts im o. a. Urteil die vollständige Ersetzung des\nSchulG M-V 1996 durch ein neues, alle bisherigen Änderungsinitiativen seit\n1999 umsetzendes Gesetz der damaligen Regierungskoalition angeraten erschien.\nDie vom Landesverfassungsgericht geforderte Einbeziehung von Opposition und\nÖffentlichkeit in den Gesetzgebungsprozess durch den verfassungsmäßigen\nBeratungsgang wurde umgesetzt, wenngleich die voraussehbaren\nAbstimmungsergebnisse sowie eine aus den Materialien ablesbare gewisse\nErmüdung der erneut mit den politischen Streitpunkten der jüngeren Zeit\nbefassten Abgeordneten (etwa Polzin und Fiedler-Wilhelm bei der zweiten\nLesung, Plenarprotokolle Seite 4096 f.) die Erörterung "verschlankte" und\nweitgehend auf die Frage der Notwendigkeit eines neuen Gesetzes beschränkte\n(s. die Beschlussempfehlung in Landtags-Drucksache 4/2071). Den formellen\nverfassungsrechtlichen Mindestanforderungen an den Beratungsgang ist\ngleichwohl genüge getan; der Landtag wurde über den Sinn der wenigen\nÄnderungen zur vorherigen Endfassung, etwa die auch § 115 berührende Ersetzung\nder verunglückten Inkrafttretensregelung aus dem neunten Änderungsgesetz im\nneuen § 144 Abs. 1, im Einzelnen informiert, insoweit diesmal dahingehend,\ndass "mit dem geänderten § 115 [...] rückwirkend verdeutlicht [werde], von wem\ndas Land als Schulträger den Schulkostenbeitrag fordern [könne]" und wiederum\nohne Anreiz zu größeren Diskussionen.\n\n19\n\n \n\nAuch materiell-verfassungsrechtliche Bedenken greifen nicht durch.\n\n20\n\n \n\nZunächst stellt die Änderung von § 115 SchulG M-V, auch soweit sie rückwirkend\neingeführt wurde, eine unter Gleichheitsgesichtspunkten unverfängliche\n"Reparatur"-Maßnahme mit über die einzelnen seinerzeit anhängigen "Zahlfälle"\nhinausgehender, in die Zukunft weisender Geltung dar.\n\n21\n\n \n\nDen Verstoß gegen Grundsätze der Landesverfassung über die Verteilung von\nAufgaben und Geldmitteln zwischen Land und kommunalen Gebietskörperschaften,\nder von Seiten der im Streitfall und in zahlreichen Parallelsachen klagenden\nLandkreise geltend gemacht wird, kann die Kammer nicht erkennen.\n\n22\n\n \n\nFinanzverfassungsrechtliche Vorgaben des Bundesrechts sind, insbesondere für\ndie Situation des Streitfalls, nicht ersichtlich.\n\n23\n\n \n\nDas vielfach zitierte finanzverfassungsrechtliche Konnexitätsprinzip der\nLandesverfassung ist in Art. 72 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 LVerf M-V\nausgeformt; es soll die Gemeinden und Landkreise vor der Überbürdung neuer\nAufgaben ohne Zuweisung der hierfür erforderlichen Mittel schützen. Im\nStreitfall ist der Regelungsbereich dieser Vorgabe nicht berührt. Denn mit der\nÜbernahme der Trägerschaft für die in § 132 SchulG M-V 1996 bezeichneten\nSchulen, so auch der Landesschule Neuklo-ster, durch das Land war eben gerade\nkeine Aufgabenmehrung auf kommunaler Ebene verbunden, sondern der umgekehrte\nVorgang. Hierfür finden sich in der Landesverfassung keine den\ngesetzgeberischen Gestaltungsspielraum begrenzenden Vorgaben.\n\n24\n\n \n\nAuch der Umstand, dass die Schulträgerschaft in § 102 Abs. 1 SchulG M-V den\nGemeinden, Landkreisen und kreisfreien Städten als Pflichtaufgabe des eigenen\nWirkungskreises zugewiesen ist, lässt keine Schlüsse auf die Unzulässigkeit\ndes gewählten Finanzierungsmodus für die in Trägerschaft des Landes\nbefindlichen Schulen zu; § 115 SchulG M-V steht als Entscheidung desselben\nGesetzgebers gleichrangig neben dieser Vorschrift. Einen allgemeinen\nGrundsatz, dass innerhalb des Landes Mecklenburg-Vorpommern und seiner\nUntergliederungen die Aufgabenverantwortung immer mit einer abschließenden\nFinanzierungsverantwortung einhergehen müsse, kann die Kammer der insoweit für\netwaige Bindungen des Gesetzgebers einzig in Betracht kommenden\nLandesverfassung indessen nicht entnehmen.\n\n25\n\n \n\nDie Kammer kann gleichfalls nicht feststellen, dass die Finanzierungsregelung\nfür die Landesschulen unter Verstoß gegen die Garantie der kommunalen\nSelbstverwaltung in Art. 72 Abs. 1 LVerf M-V oder "den Geist" der die\ngemeindliche Finanzausstattung und -hoheit regelnden Verfassungsvorschriften\nin Art. 73 und 74 LVerf M-V getroffen worden wäre. Eine den jeweiligen\nKernbereich der verfassungsrechtlichen Gewährleistungen berührende Gefährdung\nder finanziellen Handlungsfähigkeit ist nicht ersichtlich (vgl. auch das\nUrteil des LVerfG vom 18. Dezember 2003 - LVerfG 13/02 -, LKV 2004, Seite 175\nf. zu entsprechenden Darlegungslasten der betroffenen Kommunen und zu\nEinschätzungsspielräumen des Gesetzgebers im Zusammenhang mit dem\nFinanzausgleich). In diesem Zusammenhang ist insbesondere erwähnenswert, dass\nnicht erst die Übernahme der nunmehrigen Landesschulen in die Trägerschaft des\nLandes die Pflicht der Landkreise begründete, Schullastenausgleich zu zahlen,\nsoweit sie nicht Träger der von Schülern aus ihrem Gebiet besuchten Schulen\nwaren. Bereits § 115 Abs. 1 Satz 1 SchulG M-V 1996 sollte nach der\nRegierungsbegründung (Landtags-Drucksache 2/ 1185, Seite 159) eine Abkehr von\nder früheren Nicht-Erhebung von Schullastenausgleich zwischen Landkreisen und\nkreisfreien Städten darstellen und die Anspruchsentstehung mit dem Begriff des\n"auswärtigen", nämlich nicht im Gebiet des Schulträgers "wohnenden" Schülers\nverknüpfen. War hiernach der Abfluss von Schulausgleichsmitteln bei den\nLandkreisen schon früher angelegt, so kommt es auf die mit der Übernahme der\nSchulen durch das Land erfolgte "Umlenkung" der Mittel vor der Verfassung\nnicht an; die früheren kommunalen Träger der in Landesträgerschaft\nübernommenen Schulen selbst dürften gar - jedenfalls zunächst - erheblich\nentlastet worden sein, da sie nunmehr von Anfang an nur entsprechend der Zahl\nihnen zuzurechnender Schüler in Form von Beitragszahlungen Kosten tragen\nsollen.\n\n26\n\n \n\nDass mit der "Erhebung" von Schullastenausgleich, die nach der erklärten\nAbsicht des Gesetzgebers (vgl. die Begründung zu § 115 in der\nBeschlussempfehlung zur neunten Änderung des SchulG M-V 1996, Landtags-\nDrucksache 4/1760, Seite 71) im Bescheidswege zulässig sein sollte, die\nErmächtigung zu einseitigem hoheitlichem Handeln und damit die Begründung\neines "Über-/Unterordnungsverhältnisses" verbunden ist, erscheint\nverfassungsrechtlich ebenfalls bedenkenfrei. Dem Gesetzgeber stand es zu, über\nden bereits geregelten Bereich, etwa der Kommunalaufsicht, hinaus die\n"Verwaltungsaktsbefugnis" des Landes auf weitere Bereiche zu erstrecken - auch\nwenn hiermit eine Verlagerung des Prozessrisikos auf die herangezogenen\nKommunen verbunden ist; das Vorhandensein eines\n"Über-/Unterordnungsverhältnisses" ist in der Beziehung zwischen dem Land und\nden Kommunen weder in positiver noch in negativer Hinsicht\nverfassungsrechtlich vorgezeichnet, sondern allein das Ergebnis gesetzlicher\nGestaltung.\n\n27\n\n \n\nZu Unrecht rügt schließlich der Kläger in diesem und in anderen das Jahr 2005\nbetreffenden Verfahren, ebenso wie es in Parallelfällen weitere Landkreise\ntun, dass § 115 SchulG M-V in der gegenwärtigen Fassung Rückwirkung verliehen\nwurde. Dies erscheint jedenfalls insoweit unbedenklich, als im Streitfall\ndurch die Rückwirkung das gesamte Jahr 2005 von der Neuregelung erfasst wird\nund nicht nur die Zeit ab Verkündung des neunten Gesetzes zur Änderung des\nSchulG M-V 1996 am 13. Juli 2005, ggf. abzüglich der Frist gemäß Art. 58 Abs.\n3 LVerf M-V. Es ist nämlich verfassungsrechtlich nicht schlechthin\nausgeschlossen, Rechtsnormen rückwirkend in Kraft zu setzen, sondern\nanerkanntermaßen zulässig, soweit aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende\nGrenzen eingehalten werden; es kommt entscheidend darauf an, welcher Schutz\neinem Vertrauen des Betroffenen auf den Fortbestand der geltenden\nRechtsordnung im jeweiligen Einzelfall gebührt. Nicht schutzwürdig ist ein\nsolches Vertrauen, soweit im zu prüfenden Zeitpunkt, auf den der Eintritt der\nRechtsfolgen der Rechtsnorm bezogen wird, mit der Regelung gerechnet werden\nmusste, etwa weil ihr bereits der Versuch einer gleichartigen Regelung\nvorausgegangen war (vgl. die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG -\nvom 26. Februar 2003 - 9 CN 2.02 -, bei Buchholz Nr. 42 zu Beiträge [401.9],\nund des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Juni 2005 - 20 A\n3419/03 -, juris Rdnr. 29 ff., sowie die Beschlüsse des BVerwG vom 7. Februar\n1996 - 8 B 13.96 -, bei Buchholz Nr. 36 a. a. O., und allgemein auch des\nOberverwaltungsgerichts für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 13. April 2005\n- 2 L 228/03 -, n. v., jeweils m. w. Nachw. zur Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts). Ähnlich liegt es aber hier.\n\n28\n\n \n\nMindestens der Versuch einer Regelung des dem angegriffenen Bescheid\nzugrundeliegenden Anspruchs dem Grunde nach lag in § 115 Abs. 2 Satz 3 SchulG\nM-V 1996. Zutreffend weist der Beklagte auf die in der Begründung zu § 132\nSchulG M-V 1996 (Landtags-Drucksache 2/1185, Seite 167) dokumentierte, in das\nseinerzeitige Gesetzgebungsverfahren eingeführte Auffassung hin, man regele in\n§ 115 Abs. 2 SchulG M-V 1996 auch den Anspruch des Trägers der Landesschulen\ngegen die "entsendenden" Gebietskörperschaften der Kreisebene. Dass dem die\nBegründung zum Entwurf von § 115 Abs. 2 SchulG M-V 1996 selbst mit der\nsinngemäßen Angabe zu widersprechen scheint, man wolle eine Regelung bezogen\nauf den Schulbesuch über die Landesgrenzen hinweg schaffen, lässt tragfähige\nSchlüsse dagegen nicht zu; der Befund könnte ein Hinweis auf Änderungen im\nGesetzentwurf vor der Einbringung in den Landtag sein, bei denen man eine\nErgänzung der Begründung wegen § 115 Abs. 2 Satz 3 SchulG M-V 1996 vielleicht\nschlicht vergaß. Es ist auch nicht ganz eindeutig der Ansicht des\nVerwaltungsgerichts Greifswald in dessen Urteil vom 29. November 2004 - 4 A\n202/01 - zu folgen, dass - gleichwohl - keine oder nur eine unvollständige,\nnicht praktikable Regelung des besagten Anspruchs erfolgt sei. Schon nach der\nStellung von Satz 3 in der ursprünglichen Fassung von § 115 Abs. 2 SchulG M-V\n1996 lag es fern, hierin nur einen Unterfall der in Satz 2 beschriebenen\nKonstellation zu sehen, dass nämlich ein Schüler aus einem anderen Bundesland\neine Schule in Mecklenburg-Vorpommern besuchte. Satz 3 sollte vielmehr ein\nweiterer ("ferner") neben Satz 1 tretender Fall sein, dass das Land von\n"inländischen" Adressaten etwas sollte "verlangen" dürfen. Wie in Satz 1 wurde\nin Satz 3 des § 115 Abs. 2 SchulG M-V 1996 an Absatz 1 der Vorschrift\nangeknüpft; "den Schulkostenbeitrag" sollte (nunmehr statt des in Absatz 1\nbegünstigten Schulträgers) das Land "verlangen" können. In Absatz 1 wurde zwar\nausdrücklich auf § 103 Abs. 1 [Satz 1] Nr. 1 und 2 SchulG M-V 1996 Bezug\ngenommen, während die Landesschulen in Nr. 5 der Vorschrift gesonderte\nErwähnung fanden. Jedoch könnte den Gesetzgeber die Vorstellung geleitet\nhaben, dass die Landesschulen Förderschulen im Sinne von § 36 Abs. 2 Satz 1\nNr. 2, 3 und 7 SchulG M-V 1996 waren und somit "ursprünglich" unter § 103 Abs.\n1 Satz 1 Nr. 2 SchulG M-V 1996 fielen. Mit dem Übergang der Trägerschaft auf\ndas Land - § 115 Abs. 2 Satz 3 SchulG M-V 1996 verwies u. a. ausdrücklich auf\n§ 132 - sollte dieses in die Anspruchszuständigkeit nach § 115 Abs. 1 Satz 1\nSchulG M-V 1996 "hineinwachsen", wobei die bisherigen Anspruchsgegner\n"erhalten bleiben" sollten; dieses Ergebnis dürfte durch eine ergänzende\nsystematische Auslegung zu gewinnen gewesen sein. Hierbei mag der Gesetzgeber\nwohl das "Restproblem" der Unschärfe des Begriffs "auswärtig" allgemein und\ninsbesondere im Zusammenhang mit dem bisherigen Träger der am selben Ort\nverbliebenen Schule übersehen haben; insoweit kann sich aber eine Analogie\nangeboten haben.\n\n29\n\n \n\nAngesichts der bald nach der Übernahme der Schulträgerschaft im "Auftrag" des\nBeklagten durch die Landesschulen begonnenen zahlreichen Verfahren\nbescheidlicher Erhebung des Schullastenausgleichs und der hierüber geführten\nRechtsstreitigkeiten konnte sich bei den in Anspruch genommenen\nGebietskörperschaften der Kreisebene auch kein Vertrauen dahingehend bilden,\ndass nicht notfalls auch im Wege weiterer Normsetzung den geltend gemachten\nAnsprüchen rechtliche Geltung verschafft werden würde, wenn sich der Streit\nauch zunächst hauptsächlich auf die Tätigkeit der Schulen und auf die Frage\nder Zulässigkeit von Leistungsbescheiden bezog. Insbesondere die genannte\nEntscheidung des Verwaltungsgerichts Greifswald verdeutlichte die dringende\n"Reparaturbedürftigkeit" der normativen Grundlagen, so dass jedenfalls für das\nJahr 2005 rechtsstaatliche Bedenken gegen die teilweise rückwirkende Regelung\ndes Anspruchs nicht bestehen. Denn die Zahlungen - die ursprünglich sogar\nverbreitet in der Annahme der gesetzlich begründeten sofortigen\nVollziehbarkeit der Leistungsbescheide erbracht wurden - waren auch nicht von\nvornherein und nur aufgrund rechtzeitigen Handelns der zahlenden\n"entsendenden" Gebietskörperschaft Dritten anzulasten, auf diese abzuwälzen.\nDie Rückbewirkung der Anspruchs-Regelung "vereitelte" keine Dispositionen etwa\nzur Kreisumlage. Ferner erscheint auch die manchenorts gehegte "kurzlebige"\nHoffnung, nach der Übernahme der Förderschulen durch das Land fürderhin von\nden Kosten für die Beschulung "eigener Schüler" dort verschont zu werden,\njedenfalls für das Jahr 2005 nicht mehr als schützenswert. Zu beachten ist\ninsoweit insbesondere auch, dass die neue Regelung (erstmals) verkündet wurde,\nals der erste vom Beklagten aufgrund der Ermächtigung in § 115 Abs. 4 SchulG\nM-V 1996 in § 1 seiner Schullastenausgleichsverordnung Landesschulen vom 1.\nDezember 1998 - SchLAVOLS M-V - (Mitt.bl. BM M-V Seite 943, mehrfach geändert,\nu. a. in § 1 durch Verordnung vom 7. November 2005, Mitt.bl. BM M-V Seite\n1281) geschaffene "Veranlagungszeitraum" aus dem Jahre 2005, nämlich Januar\nbis Juli 2005, noch aktuell war (wenngleich die Vorschrift auch weiter noch\nvon einer "Erhebung" "zum 1. Mai" handelte, s. dazu noch später).\n\n30\n\n \n\nIn gleicher Weise wie bei der Regelung oder "Klarstellung" des zugrunde\nliegenden Anspruchs führt die Prüfung hinsichtlich der\n"Verwaltungsaktsbefugnis" zum Ergebnis, dass Bedenken jedenfalls für das Jahr\n2005 nicht bestehen; der Beklagte zog für diesen Zeitraum überhaupt erst nach\nInkrafttreten des neuen Rechts bescheidliche Konsequenzen (nachdem eine\ngefestigte Rechtsprechung der erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte des Landes\nzum Fehlen der "Verwaltungsaktsbefugnis" bestand; vgl. nur das Urteil des\nEinzelrichters bei der erkennenden Kammer vom 9. Oktober 2003 - 6 A 833/00 -).\n\n31\n\n \n\nNicht zu entscheiden ist über die Frage der Rückwirkung der Neufassung von §\n115 SchulG M-V bezogen auf das Jahr 2004; insoweit enthält nämlich der\nangegriffene Bescheid keine Regelungen, wie im Termin noch einmal verdeutlicht\nworden ist.\n\n32\n\n \n\nIst hiernach die genannte Rechtsgrundlage für die Erhebung von\nSchulkostenbeiträgen für das Jahr 2005 als Grundlage der rechtlichen Prüfung\nanzusehen, so hat diese das Ergebnis, dass der angegriffene Bescheid nicht\naufgehoben werden kann.\n\n33\n\n \n\nNach § 115 Abs. 2 Satz 4 SchulG M-V und § 1 Abs. 1 SchLAVOLS M-V erhebt das\n"Land" den Schullastenausgleich bzw. kann dies tun. Für den Geschäftsbereich\ndes schulischen Bildungswesens hat das Land u. a. den Beklagten als Behörde (§\n2 Abs. 2 und § 5 Abs. 1 des Landesorganistionsgesetzes vom 14. März 2005 - LOG\nM-V -), der wegen der landesweiten Zuständigkeit der Landesschulen, um deren\nKosten es geht, als zuständig anzusehen ist, wenngleich dies nicht im Sinne\nder Regelanordnung in § 5 Abs. 2 Satz 2 LOG M-V durch Rechtsvorschrift\nbestimmt ist. Eine anderweitige Zuständigkeitszuweisung ist jedenfalls nicht\nersichtlich, insbesondere nicht durch die Schulaufsichtsverordnung vom 17.\nJuni 2005 (Mitt.bl. BM M-V Seite 667), deren durch § 96 Abs. 4 SchulG M-V 1996\nvorgegebener Regelungsbereich nicht betroffen ist.\n\n34\n\n \n\nDas Verfahren des Beklagten orientierte sich kaum an § 1 SchLAVOLS M-V,\nobgleich die Verordnung in Wahrnehmung des Normsetzungsauftrags in § 115 Abs.\n4 SchulG M-V 1996, der auch und gerade das "Verfahren des\nSchullastenausgleichs" betraf, von ihm erlassen wurde. Allerdings ist unklar\nund daher nicht anzunehmen, dass zwingende Vorgaben für den Bescheidserlass\nverletzt wurden. Die in § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 SchLAVOLS M-V festgelegte\nErhebung "zum 1. Mai eines jeden Jahres" bzw. "am 1. Oktober des Jahres"\ndürfte kaum die Obliegenheit zum Erlass von Leistungsbescheiden an genau\ndiesen Tagen oder mit einer auf diese bezogenen Regelung begründet haben; dies\nergibt insbesondere der Blick auf Absatz 2 Satz 1 der Vorschrift. Die\ngenannten Daten mögen eher Relevanz für interne Kassenanordnungen im Sinne von\n§ 70 der Landeshaushaltsordnung - LHO - haben. Die Kammer kann jedenfalls\nnicht erkennen, dass der Beklagte durch das SchulG M-V und sein - punktuelles\n- Verordnungsrecht gehindert gewesen wäre, für das Jahr 2005 von der zeitlich\nobsoleten Erhebung von Schullastenausgleich "als Abschlag" endgültig abzusehen\nund (deutlich) nach Ende der beiden Veranlagungszeiträume jenes Jahres (und\nnach den oder abseits der für den "Ausgleich für Über- oder Unterzahlungen" in\n§ 1 Abs. 2 Satz 2 SchLAVOLS M-V vorgesehenen "Zahlungstermine(n)") sogleich\neine Erhebung nach "Ist-Werten" vorzunehmen. Zum einen der Umstand, dass der\ngenannte "Ausgleich" und zuvor eine Berechnung voraussichtlicher Kosten\nvorgesehen war, zum anderen der Begriff "Abschlag" selbst verdeutlichen, dass\nkeine (vom Gesetzgeber bei der Beratung des neunten Änderungsgesetzes zum\nSchulG M-V 1996 erneut verworfene) Pauschalierung, sondern die - im Gesetz\nauch vorgesehene - Abrechnung des umzulegenden Aufwands nach dessen\ntatsächlicher Höhe Endziel des "Erhebungs"-Verfahrens ist. Soweit im\nStreitfall § 34 Abs. 1 LHO verletzt sein sollte, begründet dies keine\nRechtsverletzung zum Nachteil des Klägers; denn es ist auch keine Grundlage\nfür einen Zinsanspruch ersichtlich.\n\n35\n\n \n\nDie Handlungsform des angegriffenen Verwaltungsakts als solchen entspricht dem\nausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, die Schriftform, die Begründung sowie\ndie Trennung der Regelungen in Festsetzung und Leistungsverlangen dem bei der\nBeitragserhebung im Bescheidswege Üblichen; die Kammer vermisst jedenfalls im\nZusammenhang des Streitfalls keine detaillierteren Ermächtigungsregelungen wie\netwa im Bereich des Kommunalabgabengesetzes mit der Abgabenordnung. Dem\nBescheid beigefügt war die nach § 2 Abs. 2 bis 6 SchLAVOLS M-V erstellte\n"nachvollziehbare Abrechnung" beigefügt; die Kammer nimmt diese Qualifikation\nder Anlage des Bescheids vor angesichts ihrer Gliederung in größtenteils\naussagekräftig benannte Einzelposten und deren Zuordnung zu Vorschriften der\nSchLAVOLS M-V sowie des SchulG M-V. Die Verbindung dieser Aufstellung mit\nBelegen wird von keiner Vorschrift verlangt.\n\n36\n\n \n\nAuch in Bezug auf die Höhe der umgelegten Kosten nach § 115 Abs. 3 Satz 2\nSchulG M-V ist ein Rechtsverstoß nicht erkennbar. Die Umlage auf die einzelnen\nLandkreise ist nachvollziehbar, und es ist nicht erkennbar, dass eine\nPauschalierung bei den für die Beitragsquote maßgeblichen Schülerzahlen\nerfolgt wäre. Die Kammer geht davon aus, dass die Schülerzahlen über die\nbeiden Schulhalbjahre konstant blieben; es braucht daher nicht entschieden zu\nwerden, inwieweit dem Beklagten nach § 115 Abs. 4 SchulG M-V diesbezüglich\neine an die Schülerzahlen vom 1. Januar und 1. September anknüpfende\nPauschalierung gestattet war und ist. Die pauschalierende Zurechnung der\nKosten nach Kopfzahlen ("für die an den Schulen gemeldeten Schüler") und unter\npauschaler Einbeziehung auch der Ferienzeiten (die die Schüler teils im\nInternat, teils, insbesondere bei Schulabschluss oder -wechsel, anderswo\nverbringen dürften) erscheint als nahezu zwingend, nicht nur bei der\nhinsichtlich der Verfahrensgestaltung ambitionierten Massenverwaltung, die der\nBeklagte sich vornahm. Bezogen auf die Einzelposten des umzulegenden Aufwands\nund der abzuziehenden Einnahmen sieht sich die Kammer von näheren\nUntersuchungen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht (etwa zu\n"Geschäftsbedarf", "Postgebühren" sowie "Fernmeldegebühren" und privater\nNutzung von Fernmeldetechnik, "Hausmeisterfonds", "vermischten\nVerwaltungsaufgaben", "div. IT-Material" u. a.) durch die betragsmäßige\nUnauffälligkeit der Posten bei Zugehörigkeit zum Regelungsbereich von § 110\nund § 111 SchulG M-V und durch die pauschale Einschätzung des Klägers, die\nKosten erschienen bei einem Vergleich mit den "eigenen" Förderschulen als\nangemessen, dispensiert.\n\n37\n\n \n\nHiernach muss der angegriffene Bescheid Bestand haben.\n\n38\n\n \n\nDie Kostenentscheidung zu Lasten des unterlegenen Klägers folgt aus § 154 Abs.\n1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708\nNr. 11 und § 711 der Zivilprozessordnung sowie § 167 VwGO.\n\n39\n\n \n\nDie Berufung ist gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der für zahlreiche\nParallelfälle grundsätzlich bedeutsamen Beurteilung zuzulassen, dass die der\nangegriffenen Beitragserhebung zugrunde liegenden Vorschriften wirksam sind.\n\n
104,216
lg-kiel-2008-05-22-15-o-4908
1,064
Landgericht Kiel
lg-kiel
Kiel
Schleswig-Holstein
15 O 49/08
2008-05-22
2018-11-23 22:30:23
2019-02-14 06:37:52
Urteil
ECLI:DE:LGKIEL:2008:0522.15O49.08.0A
#### Tenor\n\n \n\nDer Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.\n\n \n\nDie Nebeninterventionen der Nebenintervenienten zu 1.) bis 6.) werden\nzurückgewiesen.\n\n \n\nDie Kosten der Nebeninterventionen werden den jeweiligen Nebenintervenienten\nauferlegt.\n\n \n\nDie Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.\n\n \n\nDas Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu\nvollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) ist ein\nGemeinschaftsunternehmen der I AG (im Folgenden: I) und der J AG (im\nFolgenden: J). I und J halten jeweils 50 % der Geschäftsanteile der Klägerin.\nBeide Unternehmen stehen mit der Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagte)\nim Wettbewerb.\n\n2\n\n \n\nMit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung will die Klägerin\ndie Ausgabe von 32 Millionen neuer Aktien der Beklagten aus dem genehmigten\nKapital 2005 bei Ausschluss ihrer Bezugsrechte vor der Hauptversammlung 2008\nverhindern. Sie hält den Bezugsrechtsausschluss zum Erwerb der K-Gruppe für\nrechtswidrig und sieht sich in ihren Aktionärsrechten gravierend\nbeeinträchtigt. Die Beklagte dagegen rechtfertigt den Bezugsrechtsausschluss\nbei der Kapitalerhöhung zum Erwerb der K-Gruppe als im Gesellschaftsinteresse\nliegende, notwendige und auch unter Berücksichtigung der Interessen der\nAktionäre verhältnismäßige Entscheidung.\n\n3\n\n \n\nDie Klägerin ist am Grundkapital der Beklagten mit einem Anteil von 24,51 %\nbeteiligt. Weitere 1,04 % der Aktien der Beklagten hält J selbst. Damit\nverfügen die Klägerin und J zusammen über insgesamt 25,55 % der Aktien der\nBeklagten. Gemäß § 21 Abs. 1 WpHG gab J gegenüber der Bundesanstalt für\nFinanzdienstleistungen wie auch gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom\n22.01.2008 eine Stimmrechtsmitteilung ab, in welcher sie ihre aktuellen\nBeteiligungsverhältnisse an der Beklagten unter Berücksichtigung der ihr über\n§ 22 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WpHG zuzurechnenden Anteile der Klägerin mitteilte\n(vgl. Anlage A 1). Die Stimmrechtsmitteilung der I erfolgte mit Schreiben vom\n16.05.2008, in welcher sie bekannt gab, dass ihr mit diesem Tage die\nStimmrechte der J und der Klägerin zuzurechnen seien (vgl. Anlage A 28). Am\nselben Tage hatten J, I und die Klägerin eine Ergänzungsvereinbarung zur\nAufhebung von Stimmrechtsbeschränkungen geschlossen (vgl. Anlage A 30). Die\nStimmrechtsbeschränkungen der I waren zuvor in der notariellen\nÄnderungsvereinbarung vom 29.11.2007 zum Beteiligungsvertrag zwischen der J\nund der I vom 21.09.2007 vereinbart worden (vgl. Vorbemerkung der\nErgänzungsvereinbarung in Anlage A 30).\n\n4\n\n \n\nDie Beklagte ist eines der größeren Internet- und\nTelekommunikationsunternehmen in Deutschland. Sie ist hervorgegangen aus der\nim Jahre 2007 erfolgten Fusion der B.de AG und der L AG. Der Schwerpunkt der\nGeschäftstätigkeit der Beklagten liegt als sogenannter Mobilfunkprovider im\nVertrieb von Mobilfunkverträgen. Daneben bietet die Beklagte auch DSL-Produkte\nam Markt an.\n\n5\n\n \n\nDer Markt der Mobilfunkprovider befindet sich derzeit in einer\nKonsolidierungsphase. Um sich im momentanen Konsolidierungsprozess eine\nbessere Wettbewerbssituation zu sichern, erwarben sowohl J als auch I über die\nKlägerin die oben beschriebene Beteiligung an der Beklagten. Bei einer\nmöglichen Übernahme der Beklagten wäre für J die Mobilfunksparte und für I die\nDSL-Sparte von erheblichem wirtschaftlichen Wert. Bereits im Jahr 2007 führten\ndaher die Beklagte, J und I Gespräche über eine strategische Partnerschaft,\ndie im Dezember 2007 jedoch erfolglos abgebrochen wurden. Im Herbst 2007\nhatten zudem Gespräche der Beklagten mit dem Finanzinvestor M über den Erwerb\nder K-Gruppe von der durch L mehrheitlich kontrollierten K (Netherlands)\nHolding B.V begonnen. Die K-Gruppe besteht im Wesentlichen aus der K AG, der N\nGmbH und der O). Sie verfügte in 2007 über ca. 13,2 Millionen Kunden und war\ndamit die größte Wettbewerberin von I und J.\n\n6\n\n \n\nDurch Ad-hoc-Mitteilung vom 03.04.2008 gaben die Beklagte, J und I bekannt,\nihre Dezember 2007 abgebrochenen Gespräche über eine strategische\nPartnerschaft wieder aufzunehmen. Die Verhandlungen der Beklagten mit M\nsollten parallel fortgeführt werden (vgl. Anlage A 4). Ein konkretes\nÜbernahmeangebot gaben J und I gegenüber der Beklagten im Rahmen dieser\nGespräche jedoch nicht ab.\n\n7\n\n \n\nDie Verhandlungen des Vorstands der Beklagten mit dem Finanzinvestor M\nhingegen führten am 27.04.2008 mit Zustimmung ihres Aufsichtsrates zum\nAbschluss eines Vertrages über den Erwerb der K-Gruppe von der K (Netherlands)\nHolding B.V., in welchem sich die Beklagte u.a. verpflichtete, die nach Abzug\nder liquiden Mittel in Höhe von 1.135 Millionen Euro bestehenden\nFinanzverbindlichkeiten der K-Gruppe zu übernehmen.\n\n8\n\n \n\nNeben der Gewährung eines langfristigen verzinslichen Verkäuferdarlehens über\n132.500.000,00 € sollte der Erwerb der K-Gruppe im wesentlichen dadurch\nfinanziert werden, dass die Beklagte der Verkäuferin 32.000.000 ihrer Aktien\ngewährt, die durch eine Kapitalerhöhung aus genehmigten Kapital geschaffen\nwerden sollten und etwa 24,99% des erhöhten Grundkapitals der Beklagten\ndarstellen würden. Laut § 4 Ziffer 6 der Satzung der Beklagten ist der\nVorstand ermächtigt, unter Zustimmung des Aufsichtsrates bis zum 18. 08. 2010\ndas Grundkapital der Gesellschaft um bis zu 48.030.508,00 € durch Ausgabe von\nAktien gegen Bar- und/oder Sacheinlage zu erhöhen. Darüber hinaus ist der\nVorstand nach § 4 Ziffer 6 d) der Satzung für den Fall, dass eine\nKapitalerhöhung gegen Sacheinlagen zum Erwerb einer Beteiligung eines\nUnternehmens oder eines Unternehmensteils erfolgen soll, ermächtigt, mit\nZustimmung des Aufsichtsrates über den Ausschluss des Bezugsrechts der\nAktionäre zu entscheiden (vgl. Satzung der Beklagten in der Anlage A 6). Am\n27.04.2008, dem Tag des Vertragsabschlusses der Beklagten mit der K\n(Netherlands) Holding B.V., stimmte der Aufsichtsrat der Beklagten neben dem\nErwerb der K-Gruppe auch der beschlossenen Ausnutzung des genehmigten Kapitals\nzur Ausgabe von 32.000.000 neuer Aktien unter Ausschluss der Bezugsrechte der\nAltaktionäre an die Verkäuferin einstimmig zu (vgl. eidesstattliche\nVersicherungen in den Anlagen AG 22 und AG 23). Bei Durchführung der geplanten\nKapitalerhöhung werden die Beteiligungen der Klägerin und J am Grundkapital\nder Beklagten von derzeit 25,55% auf ca. 18,9% absinken (vgl. Anlage A 7).\n\n9\n\n \n\nIm Vertrag über den Erwerb der K-Gruppe trafen die Parteien eine sogenannte\n„Lock up“-Vereinbarung. Diese Halteverpflichtung sieht vor, dass die K\n(Netherlands) Holding B.V. die Aktien der Beklagten, welche sie als\nGegenleistung für die Übertragung der K-Gruppe erhält, zu 100 % bis zur\nordentlichen Hauptversammlung der Beklagten 2008 und mindesten zu 60 % bis zur\nordentlichen Hauptversammlung 2009 hält (vgl. Anlage A 7).\n\n10\n\n \n\nDer Vertrag zum Erwerb der K-Gruppe steht unter dem Vorbehalt der Genehmigung\nder Übernahme durch das Bundeskartellamt, welche zum Zeitpunkt der mündlichen\nVerhandlung noch nicht vorlag.\n\n11\n\n \n\nDie Schlussphase der Verhandlungen und der Vertragsschluss über den Erwerb der\nK-Gruppe am 27.04.2008 fanden zeitlich im Vorfeld der ordentlichen\nHauptversammlung der Beklagten statt. Entgegen deren ursprünglichen Planung,\nwonach die jährliche ordentliche Hauptversammlung am 15.05.2008 im Congress\nCentrum Hamburg stattfinden sollte, wurde dieser Termin aufgegeben und\nzunächst ein möglicher Termin im Juni 2008 (vgl. Anlage A 19), dann ein Termin\nim Juli/ August in Aussicht gestellt (vgl. Anlage A 27). Dem Aufsichtsrat der\nBeklagten waren für die sogenannte Bilanzsitzung vom 02.03.2008 durch den\nVorstand sowohl der Jahresabschluss 2007 als auch die zugehörigen\nPrüfungsberichte vorgelegt worden, jedoch nicht, wie von § 170 Abs. 2 AktG\ngefordert, zugleich ein Gewinnverwendungsvorschlag. Demgemäß äußerte sich der\nBericht des Aufsichtsrates zwar zur Prüfung des Jahresabschlusses und des\nLageberichts, nicht jedoch zu dem noch fehlenden Gewinnverwendungsvorschlag.\nEine Hauptversammlung ist bis zum Ende der mündlichen Verhandlung in dieser\nSache nicht einberufen worden.\n\n12\n\n \n\nDie Klägerin verlangte daraufhin von der Beklagten mit Schreiben vom\n22.04.2008 gemäß § 122 Abs. 1 AktG die Einberufung einer ordentlichen\nHauptversammlung (vgl. Anlage A 9). Die Beklagte verwies in ihrem\nAntwortschreiben vom 30.04.2008 darauf, dass der Durchführung einer\nHauptversammlung erhebliche Gründe entgegenstünden, die Hauptversammlung aber\nunverzüglich einberufen werde, sobald diese Gründe es erlaubten (vgl. Anlage\nAG 36). Daraufhin stellte die Klägerin beim Amtsgericht Kiel einen Antrag auf\nErmächtigung zur Einberufung einer Hauptversammlung nach § 122 Abs. 3 AktG,\nüber welchen bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht\nentschieden worden war (vgl. Anlage AG 37).\n\n13\n\n \n\nAuf Seiten der Beklagten sind dem Rechtsstreit die Nebenintervenienten zu 1.)\nbis 6.) unter Hinweis darauf beigetreten, dass sie Aktionäre der Beklagten\nsind.\n\n14\n\n \n\nDie Klägerin trägt im Wesentlichen vor:\n\n15\n\n \n\nDer Erwerb der K-Gruppe sei zwar wirtschaftlich grundsätzlich sinnvoll, nicht\njedoch zu den vereinbarten Bedingungen, insbesondere sei der Ausschluss der\nBezugsrechte der Aktionäre rechtswidrig und rechtsmissbräuchlich.\n\n16\n\n \n\nDurch den Erwerb der K-Gruppe wolle der Vorstand gezielt auf die\nZusammensetzung des Aktionärskreises Einfluss zu nehmen, ohne dabei die\nInteressen der Aktionärsmehrheit, die der vereinbarten K-Übernahme aufgrund\nder wirtschaftlichen Folgen ablehnend gegenüberstehen würde, zu\nberücksichtigen. Deren Aktienanteile sollten bewusst verwässert werden, um\nihnen die Möglichkeit zu nehmen, auf der nächsten Hauptversammlung die\nVerwaltung der Gesellschaft auszutauschen. Der Vorstand der Beklagten habe\ndurch die konkrete Gestaltung des K-Erwerbs vorrangig im Interesse der eigenen\nMachterhaltung - auch im Hinblick auf die überproportional hohen\nVergütungsansprüche des Vorstandsvorsitzenden - gehandelt. Ein neuer, dem\nVorstand genehmer und aufgrund der Übernahme der hoch verschuldeten K-Gruppe\ndankbarer neuer Großaktionär solle deshalb dem Vorstand zukünftig eine stabile\nAktionärsstruktur verschaffen und ihn vor kritischen Aktionären schützen. Dies\nzeige bereits die Ausgestaltung der „Lock up“-Vereinbarungen, welche nicht wie\nüblich an feste Fristen, sondern an die Termine der Hauptversammlungen 2008\nund 2009 anknüpfen. Diese neue Aktionärsstruktur erhoffe sich der Vorstand der\nBeklagten bereits auf der ordentlichen Hauptversammlung 2008. Daher habe er\ndiese unter bewusstem Verstoß gegen seine aktienrechtlichen Verpflichtungen\naus den §§ 170 ff. AktG und damit rechtswidrig um mehrere Monate verschoben,\num zuvor die geplante Kapitalerhöhung durchführen zu können und die\nAltaktionäre auf diesem Wege vor vollendete Tatsachen zu stellen.\n\n17\n\n \n\nDie Ausnutzung des genehmigten Kapitals unter Ausschluss der Bezugsrechte der\nAlt-aktionäre sei vor diesem Hintergrund missbräuchlich und damit\nrechtswidrig. Die Anforderungen, die der Bundesgerichtshof nach der immer noch\ngültigen Kali + Salz Formel an eine sachliche Rechtfertigung und damit an\neinen rechtmäßigen Ausschluss der Bezugsrechte stelle, seien im vorliegenden\nFall nicht erfüllt. Die Ausnutzung des genehmigten Kapitals liege schon nicht\nim Interesse der Gesellschaft, da der Erwerb der K-Gruppe nicht dem Interesse\nder Aktionärsmehrheit der Beklagten entspräche. Zur Aktionärsmehrheit verweist\ndie Klägerin auf die Anlage A 13. Nach dem Schreiben von XXX hätte sie am\n27.04.2008 die Möglichkeit gehabt, weitere 32,6 % des Aktienkapitals zu nicht\nnäher genannten Bedingungen zu erwerben.\n\n18\n\n \n\nDie Klägerin trägt weiter vor: Darüber hinaus wäre statt der Ausnutzung des\ngenehmigten Kapitals der Erwerb der K-Gruppe auch über eine Barkapitalerhöhung\nohne Bezugsrechtsausschluss finanzierbar gewesen.\n\n19\n\n \n\nEs fehle daher auch an der Erforderlichkeit des Bezugsrechtsausschlusses. Eine\nordentliche Kapitalerhöhung durch Hauptversammlungsbeschluss wäre außerdem\naufgrund der höheren Kontrolldichte gegenüber der Ausnutzung des genehmigten\nKapitals vorrangig gewesen. Letztlich sei der Bezugsrechtsausschluss\nvorliegend auch nicht angemessen. Die Beeinträchtigungen, welche sich aus dem\nBezugsrechtsausschluss für die Aktionäre ergäben, überwögen die angeblichen\nInteressen der Gesellschaft deutlich. Dabei sei bei der Abwägung insbesondere\nzugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass diese als Paketaktionärin bei\nder Durchführung der geplanten Aktienausgabe ihre Sperrminorität verliere.\nEbenso werde das Gewinnstammrecht der Aktionäre in nicht hinnehmbarer Weise\nbeeinträchtigt, da aufgrund der hohen Schuldenlast der K-Gruppe die\nGewinnausschüttung für das Geschäftsjahr 2007 unterbleibe und auch künftig für\nmehrere Jahre nicht mit einer Dividendenzahlung zu rechnen sei.\n\n20\n\n \n\nZur Rechtsansicht der Klägerin wird ergänzend auf die als Anlagen A 21 und A\n22 zur Akte gereichten Rechtsgutachten der Professoren Dr. XXX und Dr. XXX\nBezug genommen.\n\n21\n\n \n\nDie Klägerin rügt die Unzulässigkeit der Nebeninterventionen wegen fehlenden\nrechtlichen Interesses und beantragt,\n\n22\n\n \n\n1\\. der Beklagten bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der\nZuwiderhandlung festzusetzendes Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 €\nund für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, gegenüber dem\nVorstand zu vollstreckende Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder gegenüber\ndem Vorstand zu vollstreckende Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu\nuntersagen, eine im Zuge einer Übernahme der K-Gruppe (im Wesentlichen\nbestehend aus der K AG, der N GmbH und der O) durchzuführende Kapitalerhöhung\ndurch Ausgabe neuer Stückaktien vor Abschluss der ordentlichen\nHauptversammlung 2008 der Beklagten zur Eintragung beim zuständigen\nHandelsregister anzumelden, die neuen Aktien auszugeben und/oder sonstige\nSchritte zur Durchführung der Kapitalerhöhung vorzunehmen.\n\n \n\n23\n\n \n\n2\\. der Beklagten bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der\nZuwiderhandlung festzusetzendes Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00€\nund für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, gegenüber dem\nVorstand zu vollstreckende Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder gegenüber\ndem Vorstand zu vollstreckende Ordnungshaft bis zu sechs Monaten aufzugeben,\neine im Zuge der Übernahme der K-Gruppe bereits beim zuständigen\nHandelsregister erfolgte Anmeldung auf Eintragung einer Kapitalerhöhung durch\nAusgabe neuer Stückaktien zurückzuziehen und nicht neu anzumelden, bis die\nordentliche Hauptversammlung 2008 der Beklagten abgeschlossen ist.\n\n24\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n25\n\n \n\ndie Anträge zurückzuweisen,\n\n26\n\n \n\nhilfsweise den Erlass, höchst hilfsweise die Vollziehung einer einstweiligen\nVerfügung gemäß §§ 935, 936, 921 Satz 2 ZPO von einer durch das Gericht\nangemessen festzusetzenden Sicherheitsleistung der Klägerin in Höhe von\nmindestens 300.000.000,00 € abhängig zu machen.\n\n27\n\n \n\nDie Nebenintervenienten zu 1.) bis 6.)\n\n28\n\n \n\nschließen sich den Anträgen der Beklagten an\n\n29\n\n \n\nund beantragen zudem,\n\n30\n\n \n\nfestzustellen, dass die Klägerin auch die Kosten der Nebenintervenienten zu\ntragen hat,\n\n31\n\n \n\nDie Klägerin beantragt weiterhin,\n\n32\n\n \n\nden Hilfsantrag der Beklagten zurückzuweisen,\n\n33\n\n \n\nDie Beklagte trägt im Wesentlichen vor:\n\n34\n\n \n\nDie Klägerin sei schon nicht antragsbefugt. Die Stimmrechtsmitteilung der I AG\nvom 16.05.2008 sei inhaltlich nicht korrekt und löse daher die Wirkung des §\n28 WpHG aus. Sämtliche Rechte der Klägerin aus den Aktien der Beklagten würden\nmithin ruhen. Die I AG sei im Zeitpunkt der Veröffentlichung der\nStimmrechtsmitteilung kein Mutterunternehmen der Klägerin gewesen. Die\nStimmrechte der Klägerin könnten ihr daher nicht wie in der\nStimmrechtsmitteilung ausgewiesen gem. § 22 Abs. 1 Nr. 1 WpHG zugerechnet\nwerden. Die am 16.05.2008 zwischen der I, J, der Klägerin und P geschlossene\nErgänzungsvereinbarung zur Aufhebung bestehender Stimmrechtsbeschränkungen der\nI bezüglich ihrer Beteiligung an der Klägerin sei wegen Verstoßes gegen § 181\nBGB nichtig. Der Vorstand P der J habe die Vereinbarung sowohl in seiner\nFunktion als Vorstand als auch für sich persönlich unterzeichnet, ohne von dem\nVerbot des § 181 BGB befreit gewesen zu sein. Auch sei die Vereinbarung als\nprivatschriftliche Ergänzung zu einem beurkundeten Vertrag selbst\nbeurkundungspflichtig.\n\n35\n\n \n\nDie Klägerin habe keinen Verfügungsanspruch: Sie habe keinen Anspruch auf\nAbhaltung einer Hauptversammlung ohne den neuen Aktionär, der\nBezugsrechtsausschluss sei nicht rechtswidrig.\n\n36\n\n \n\nDie Ausnutzung des genehmigten Kapitals unter Ausschluss der Bezugsrechte der\nAltaktionäre sei der einzig mögliche Weg gewesen, die K-Gruppe zu erwerben.\nDer hinter der veräußernden Gesellschaft stehende Finanzinvestor M sei\naufgrund der bei einer Barkapitalerhöhung genauso wie bei einer ordentlichen\nKapitalerhöhung drohenden zeitlichen Verzögerungen und dem Risiko der im\nletzten Fall bestehenden möglichen Anfechtungen nicht bereit gewesen, eine\nandere Gestaltung des Erwerbes zu akzeptieren. Zudem habe sich M von der\nteilweisen Bezahlung des Kaufpreises in Aktien versprochen, an dem\nwirtschaftlichen Wachstum der Beklagten über deren Aktienkurs profitieren zu\nkönnen und daher schon zu Anfang der Gespräche eine Erbringung der\nGegenleistung in dieser Form selbst vorgeschlagen. Daher sei auch die\nunbewiesene Behauptung der Klägerin haltlos, die Beklage habe sich mit M einen\nihr genehmen Aktionär gesucht.\n\n37\n\n \n\nDer Erwerb der K-Gruppe sei ein unternehmerisch notwendiger und wirtschaftlich\nsinnvoller Schritt, um dem momentanen Konsolidierungsdruck auf dem Markt\nstandhalten zu können. Nur wer über eine ausreichende Anzahl an Kunden\nverfüge, könne damit seine Einkaufsmacht bei den Netzbetreibern steigern und\nso günstigere Preise bei der Netzmiete erzielen. Mit den Kunden der K-Gruppe\nsteige die Beklagte - unstreitig - zum drittgrößten Mobilfunkanbieter auf.\nZudem seien bei einer Übernahme der K-Gruppe Synergieeffekte in der\nGrößenordnung von etwa 50 Millionen € jährlich zu erwarten. Aus diesem Grunde\nsei auch die Behauptung der Klägerin haltlos, der Erwerb der K-Gruppe\nwiderspreche den Interessen einer Mehrheit der Aktionäre der Beklagten. Aus\ndem von der Klägerin vorgelegten Schreiben von XXX (Anlage A 13) ergebe sich\nim Übrigen lediglich das Interesse bestimmter Aktionäre, ihre Aktien an I zu\nverkaufen. Aus welchen Gründen und unter welchen Bedingungen ein Verkauf der\nAktien erwogen wird, sei jedoch keinesfalls erkennbar. Insbesondere lasse sich\ndaraus nicht auf eine Ablehnung des K-Erwerbs noch auf eine generelle\nAblehnung des amtierenden Vorstandes und Aufsichtsrates der Beklagten\nschließen.\n\n38\n\n \n\nEbenso haltlos und unbewiesen sei der Vorwurf der Klägerin, der Erwerb der\nK-Gruppe diene vorrangig dem Machterhalt sämtlicher Mitglieder der Verwaltung.\nWeder der Vorstand noch der Aufsichtsrat der Beklagten hätten durch die\nTransaktion einen persönlichen Vorteil erlangt (wegen der Einzelheiten wird\ninsoweit auf die Ausführungen unter Ziffer 2 des Schriftsatzes vom 21.05.2008\nverwiesen)..\n\n39\n\n \n\nDie jährliche ordentliche Hauptversammlung der Beklagten sei weder verschoben\nworden, um den Aktionären die Möglichkeit zu nehmen, den Erwerb der K-Gruppe\nzu verhindern, noch um einen Austausch der Verwaltung der Gesellschaft zu\nverhindern. Die Hauptversammlung habe im März 2008 noch nicht einberufen\nwerden können. Denn die Beklagte habe erst mit Abschluss des Vertrages zum\nErwerb der K-Gruppe am 27.04.2008 die notwendige Planungssicherheit erzielt.\nDer Vorstand habe nämlich erst ab diesem Zeitpunkt dem Aufsichtsrat einen\nkonkreten Gewinnverwendungsvorschlag unterbreiten können. Vorher sei nicht\nklar gewesen, ob eventuell ein Teil des Bilanzgewinns als Dividende hätte\nausgeschüttet werden können. Einen nur vorläufigen Gewinnverwendungsbeschluss,\nvon dem der Vorstand ausgehen musste, dass er bei Erwerb der K-Gruppe nicht\nmehr realisierbar sei, habe der Vorstand insbesondere unter dem Gesichtspunkt\neiner vernünftigen Publizität redlicherweise nicht beschließen können. Bereits\neinen Tag nach Abschluss des Kaufvertrages habe der Vorstand daher einen\nVorschlag zur Verwendung des Bilanzgewinns beschlossen, nach dem eine\nDividende nicht ausgezahlt werden solle. Dieser Vorschlag sei nunmehr auch dem\nAufsichtsrat zur Prüfung, Beschlussfassung und Berichtserstattung zugeleitet\nworden. Dieser habe zu diesem Zweck inzwischen auch eine Sitzung am 30.05.2008\nanberaumt. Unmittelbar nach Erhalt des Aufsichtsratsbeschlusses werde der\nVorstand die Hauptversammlung einberufen. Im Übrigen hätten die ordentlichen\nHauptversammlungen der Beklagten und die ihrer Rechtsvorgänger in den letzten\nJahren auch immer im Sommer stattgefunden, ohne dass sich deren Aktionäre\ndaran gestört hätten.\n\n40\n\n \n\nVor diesem Hintergrund sei die Ausnutzung des genehmigten Kapitals unter\nAusschluss der Bezugsrechte sachlich gerechtfertigt und damit rechtmäßig\nerfolgt. Der Bezugsrechtsausschluss liege im Interesse der Gesellschaft, sei\nerforderlich und angemessen gewesen. Insbesondere stelle der Verlust der\nSperrminorität eines Aktionärs keinen besonderen Abwägungsparameter dar. Die\nVerwässerung des Aktienanteils der Klägerin sei eine systemimmanente Folge des\ngerechtfertigten Bezugsrechtsausschluss. Auch sei die gerichtliche\nÜberprüfbarkeit der Ermessensentscheidung des Vorstandes zur Ausnutzung des\ngenehmigten Kapitals nach der Siemens/Nold-Entscheidung des BGH eingeschränkt.\n\n41\n\n \n\nSchließlich stehe der Klägerin auch kein Verfügungsgrund zur Seite. Die\ndrohenden immensen Schäden auf Seiten der Beklagten bei einem Scheitern des\nK-Erwerbs stünden völlig außer Verhältnis zu den Folgen für die Klägerin,\nwelche diese bei der Ablehnung ihres Antrages zu befürchten habe. Allein das\nAusbleiben der erwarteten Synergieeffekte im Falle einer Verzögerung der\nÜbernahme der K-Gruppe könnte Schäden der Beklagten in mehrstelliger\nMillionenhöhe auslösen. Dies wiege die der Klägerin drohende Verwässerung\nihres Aktienanteils nicht auf. Aufgrund dieser Risiken, welche der Erlass der\nbeantragten einstweiligen Verfügung für die Beklagte mit sich bringe,\nrechtfertige sich auch der Hilfsantrag auf Sicherheitsleistung sowohl dem\nGrunde als auch der Höhe nach.\n\n42\n\n \n\nHinsichtlich der Rechtsansichten der Beklagten und als Stellungnahme zu dem\nvon der Klägerin vorgelegten Rechtsgutachten wird auf das als Anlage AG 48\neingereichte Rechtsgutachten des Prof. Dr. XXX Bezug genommen.\n\n43\n\n \n\nDie Nebenintervenientin zu 1.) unterstützt in tatsächlicher und rechtlichter\nHinsicht den Vortrag der Beklagten. Wegen der Argumentation im Einzelnen wird\nauf ihren Schriftsatz vom 21.05.2008 verwiesen.\n\n44\n\n \n\nBezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der\nParteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung\nBezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n45\n\n \n\nDer Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung hat in der Sache keinen\nErfolg.\n\n46\n\n \n\nDie Klägerin ist zwar antragsbefugt (I.). Sie hat jedoch keinen\nVerfügungsanspruch, da die Beklagte durch die am 27.04.2008 beschlossene\nKapitalerhöhung unter Ausschluss der Bezugsrechte der Altaktionäre nicht\nrechtswidrig in die Aktionärsrechte der Klägerin eingreift (II.). Die\nNebeninterventionen der Nebenintervenienten zu 1.) bis 6.) sind mangels\nrechtlichen Interesses der Nebenintervenienten zurückzuweisen (III.). Die\nEntscheidung der Kammer beruht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf\nfolgenden gemäß § 313 Abs. 3 ZPO kurz zusammengefassten Erwägungen.\n\n47\n\n \n\nI. Antragsbefugnis\n\n48\n\n \n\nDie Klägerin ist Aktionärin der Beklagten (1.), ihre Aktionärsrechte ruhen\nnicht gemäß § 28 WpHG (2.). Die Klägerin hat auch ein Rechtschutzinteresse an\neiner sachlichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren (3.).\n\n49\n\n \n\n1\\. Die Klägerin hat ihre Aktionärseigenschaft in der mündlichen Verhandlung\nvom 22.05. 2008 durch Vorlage einer aktuellen und aussagefähigen\nDepotbescheinigung der XXX Bank vom 22.05.2008 nachgewiesen (vgl. zur Eignung\ndes Nachweises Hüffer, AktG, 8. Aufl. (2008), § 245 Rn. 9).\n\n50\n\n \n\n2\\. Gemäß § 28 WpHG bestehen Rechte aus Aktien, die einem Meldepflichtigem\ngehören oder aus denen im Stimmrecht gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 WpHG\nzugerechnet werden, nicht für die Zeit, für welche die Mitteilungspflichten\nnach § 21 Abs. 1 oder 1 a WpHG nicht erfüllt werden. Danach ist im\nvorliegenden Fall ein Ruhen der Aktienrechte der Klägerin nicht eingetreten.\n\n51\n\n \n\na) Bis zum Abschluss der Ergänzungsvereinbarung vom 16.05.2008 (Anlage A 30)\nwurde die Klägerin trotz paritätischer Beteiligung der I und der J, die eine\nwiderlegbare Vermutung der Doppelbeherrschung durch beide Muttergesellschaften\nbegründet (vgl. Bayer in MünchKomm/AktG, 2. Aufl., § 17 Rn. 82 und OLG Hamm AG\n1998, 588) aufgrund der zu Lasten von I vereinbarten Stimmrechtsbeschränkung\naus der Änderungsvereinbarung vom 29.11.2007 allein von J beherrscht (vgl. im\nEinzelnen die Vorbemerkung der Ergänzungsvereinbarung Anlage A 30). Ihrer\nMitteilungspflicht ist J mit der Anzeige vom 22.01.2008 (Anlage A 1)\nnachgekommen. Eine Mitteilungspflicht der I bestand dagegen bis zum 16.05.2008\nnicht.\n\n52\n\n \n\nb) Nach Aufhebung der Stimmrechtsbeschränkung der I am 16.05.2008 wurde die\nKlägerin von beiden paritätisch beteiligten Muttergesellschaften beherrscht.\nIhre damit gemäß §§ 21 Abs. 1, 22 Abs. 1 Nr. 1 WpHG entstandene\nMitteilungspflicht hat I durch die Abgabe der Stimmrechtsmitteilung vom\n16.05.2008 an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) und\ndie Beklagte erfüllt (vgl. Anlage A 28).\n\n53\n\n \n\nc) Die Beklagte bestreitet ohne Erfolg die Wirksamkeit der\nErgänzungsvereinbarung vom 16.01.2008. Es dürfte schon sehr zweifelhaft sein,\nob die Unwirksamkeit dieser Vereinbarung überhaupt mit der Rechtsfolge des §\n28 WpHG verknüpft wäre. Denn ohne eine wirksame Vereinbarung hätte am\n16.05.2008 keine Mitteilungspflicht der I bestanden. Voraussetzung des § 28\nWpHG ist gerade die Verletzung einer solchen Mitteilungspflicht (vgl. Schäfer-\nOpitz Wertpapierhandelsgesetz (1999) § 28 Rn. 5 und Assmann-Opitz WpHG (2003)\n3. Aufl., § 28 Rn. 9). In der genannten Kommentarliteratur wird zwar die Frage\ndiskutiert, ob bei Abgabe einer inhaltlich unvollständigen oder falschen\nMitteilung die Rechtsfolge des § 28 WpHG ausgelöst wird. Dabei wird jedoch\nstets das Bestehen einer Mitteilungspflicht als erstes Tatbestandsmerkmal\nvorausgesetzt.\n\n54\n\n \n\nIm Übrigen hat die Kammer keinerlei Bedenken gegen die Wirksamkeit der\nErgänzungsvereinbarung vom 16.05.2008. Die von der Beklagten mit Schriftsatz\nvom 22.05.2008 bestrittene Freigabe gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB durch das\nBundeskartellamt ist von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung durch ein\nentsprechendes Schreiben des Kartellamtes belegt worden. Daraufhin hat die\nBeklagte nach Einsicht in dieses Schreiben ihr Bestreiten stillschweigend\nfallengelassen. Beide Vorgänge sind im Verhandlungsprotokoll nicht aufgenommen\nworden und werden hiermit nachträglich dokumentiert.\n\n55\n\n \n\nDie Ergänzungsvereinbarung selbst war - im Gegensatz zur Änderungsvereinbarung\nvom 29.11.2007 - nicht beurkundungspflichtig, da sie keine Verfügung über\neinen Gesellschaftsanteil enthält, sondern lediglich eine schuldrechtliche\nVereinbarung über die Ausübung der Stimmrechte. Auch der von der Beklagten\ngerügte Verstoß gegen § 181 BGB durch teilweises Selbstkontrahieren des\nehemaligen Geschäftsführers der Klägerin P bliebe im Ergebnis ohne Folgen, da\nder Vertrag jedenfalls im Übrigen gemäß § 139 BGB wirksam bleibt. Denn\nangesichts seiner Bedeutung für die Parteien ist anzunehmen, dass er auch ohne\ndie betroffene Verpflichtung des P, als Geschäftsführer der Klägerin\nzurückzutreten, was zwischenzeitlich geschehen ist, von den Vertragsparteien\ngeschlossen worden wäre. Im Übrigen würde der Verstoß gegen § 181 BGB nicht\nzur Nichtigkeit der betroffenen Vereinbarung führen, sondern entsprechend §\n177 BGB lediglich zu ihrer schwebenden Unwirksamkeit (vgl. Palandt-Heinrichs,\nBGB (67. Aufl., (§ 2008), § 181 Rn. 15). Durch die Annahme des Rücktritts\ndurch die Klägerin ist der betroffene Vertragsteil damit bereits\nstillschweigend genehmigt worden.\n\n56\n\n \n\n3\\. Die Klägerin hat als Aktionärin der Beklagten das Recht, gegen eine\nMaßnahme der Verwaltung der Beklagten durch eine Unterlassungsklage bzw. im\nWege der einstweiligen Verfügung vorzugehen, wenn sie - wie hier - geltend\nmacht, in ihren Mitgliedschaftsrechten als Aktionärin beeinträchtigt zu\nwerden. Der BGH hat in seinem Grundsatzurteil „Mangusta/Commerzbank II“ (NJW\n2006, 374 ff.) entschieden, dass Aktionären auch nach dem Beschluss der\nHauptversammlung über die Ermächtigung des Vorstands, das Grundkapital aus\ngenehmigtem Kapital unter Ausschluss der Bezugsrechte der Aktionäre zu\nerhöhen, Rechtschutzmöglichkeiten zustehen. Denn eine Kapitalerhöhung aus\ngenehmigtem Kapital mit einem Bezugsrechtsausschluss, die aufgrund einer\nPflichtverletzung der Verwaltung beschlossen wird, kann insbesondere zu einer\nKürzung der Mitverwaltungsrechte und der Vermögensrechte der Aktionäre führen.\nAls Rechtsschutzmöglichkeit wird ausdrücklich die vorbeugende\nUnterlassungsklage des beeinträchtigten Aktionärs genannt. Steht die\nDurchführung der Kapitalerhöhung wie im vorliegenden Fall noch bevor, kann der\nAktionär seine Rechte im Wege einer einstweiligen Verfügung geltend machen\n(vgl. MünchKomm/AktG-Bayer a.a.O. § 203 Rn. 175, Hüffer a.a.O. § 203 Rn. 39\nund OLG Frankfurt AG 2001, 430 f.).\n\n57\n\n \n\nII. Kein Verfügungsanspruch\n\n58\n\n \n\nDie Klägerin kann das von ihr genannte tatsächliche Ziel, eine\nHauptversammlung ohne den neuen Aktionär abzuhalten, nicht auf direktem Wege\nerreichen, da sie sich auf keinen unmittelbaren materiellen Anspruch berufen\nkann. Es ist für die Rechtsform der Aktiengesellschaft charakteristisch und\ngeradezu typisch, dass sich die Aktionärszusammensetzung jederzeit ändern\nkann. Insbesondere bei einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss\nkommt zwangsläufig ein neuer Aktionär dazu, der mit allen Rechten ausgestattet\nan der nächsten Hauptversammlung teilnehmen kann.\n\n59\n\n \n\nDie Durchführung der am 27.04.2008 beschlossenen Kapitalerhöhung unter\nBezugsrechtsausschluss zum Erwerb der K-Gruppe - und damit das Erscheinen\neines neuen Großaktionärs mit einem Anteil von 24,99 % der Aktien - könnte die\nKlägerin deshalb nur verhindern, wenn die beschlossene Kapitalerhöhung unter\nBezugsrechtsausschluss rechtswidrig und somit nichtig wäre. Das ist nach\nAuffassung der Kammer jedoch nicht der Fall. Die Beschlüsse des Vorstandes vom\n27.04.2008 sind rechtmäßig. Sie beruhen auf einer wirksamen Ermächtigung und\nsind formell ordnungsgemäß (1.), sie sind materiell rechtmäßig (2.), sie sind\ninsbesondere nicht ermessensfehlerhaft gefasst worden (3.). Im Einzelnen:\n\n60\n\n \n\n1\\. Die Satzung der Beklagten erhält in § 4 Ziffer 6 die Ermächtigung des\nVorstandes, mit Zustimmung des Aufsichtsrats bis zum 18.08.2010 das\nGrundkapital der Gesellschaft um bis zu € 48.030.508,00 durch Ausgabe von\nAktien gegen Bar- und/oder Sacheinlagen zu erhöhen (genehmigtes Kapital 2005).\n§ 4 Ziffer 6 d) enthält zudem eine Ermächtigung des Vorstands, mit Zustimmung\ndes Aufsichtsrats über den Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre für den\nFall zu entscheiden, dass eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen zum Erwerb\neiner Beteiligung eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils erfolgen\nsoll (vgl. Anlage A 6). Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Bestimmungen\nwerden von der Klägerin nicht erhoben, sie sind auch nicht ersichtlich. Das\nvon einer Hauptversammlung der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschlossene\ngenehmigte Kapital 2005 mit Ermächtigung zum Ausschluss der Bezugsrechte gemäß\n§ 203 Abs. 2 AktG ist im März 2007 in das Handelsregister eingetragen worden.\n\n61\n\n \n\nDie beschlossene Kapitalerhöhung durch Ausgabe von 32 Millionen neuen Aktien\nhält sich im Rahmen der Ermächtigung. Die Voraussetzungen für einen Ausschluss\nder Bezugsrechte sind in § 4 Ziffer 6 d der Satzung klar definiert und\nbetreffen den vorliegenden Fall eines Unternehmenserwerbs. Der Aufsichtsrat\nder Beklagten hat beiden Beschlüssen des Vorstands am 27.04.2008 zugestimmt.\n\n62\n\n \n\n2\\. Der Kapitalerhöhungsbeschluss unter Bezugsrechtsausschluss ist materiell\nrechtmäßig, der Bezugsrechtsausschluss ist sachlich gerechtfertigt. Die\nAusnutzung des genehmigten Kapitals ist - entgegen der Auffassung der Klägerin\n- nicht nachrangig gegenüber einer ordentlichen in der Hauptversammlung\nbeschlossenen Kapitalerhöhung (unten a)). Der Bezugsrechtsausschluss erfüllt\nalle Voraussetzungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu\nseiner sachlichen Rechtfertigung vorliegen müssen (vgl. „Kali + Salz“ BGHZ 71,\n40, 48 f.; „Siemens/Nold“ BGHZ 136, 133 f., 139 sowie MünchKomm/AktG-Bayer,\na.a.O., § 203 Rnn. 111 ff, unten b)).\n\n63\n\n \n\na) Die Ausnutzung des genehmigten Kapitals ist nicht gegenüber der\nordentlichen Kapitalerhöhung subsidiär. Das Rechtsinstitut des genehmigten\nKapitals soll der Aktiengesellschaft die erforderliche Bewegungsfreiheit\ngeben, um sich auf dem Kapitalmarkt bietende Gelegenheiten rasch und flexibel\nausnutzen zu können (vgl. BGHZ 136, 133, 137 - „Siemens/Nold" und BGHZ 164,\n241, 246 f - „Mangusta/Commerzbank II“ = NJW 2006, 271 ff.). Dabei hat der BGH\nausdrücklich darauf hingewiesen, dass insbesondere Unternehmenserweiterungen,\ndie durch einen Unternehmens- oder Beteiligungserwerb gegen Ausgabe von Aktien\nvorgenommen werden, weil die Übertragung von dem Aktienerwerb abhängig gemacht\nwird, in der Regel rasche Entscheidungen verlangen. Auch im vorliegenden Fall\nwar nach Darlegung der Beklagten die Verkäuferin der K-Gruppe von vornherein\ndaran interessiert, dass ein Teil des Kaufpreises in Aktien geleistet wird.\nDie Beklagte hat diesen Vortrag durch die eidesstattliche Versicherung ihres\nFinanzvorstandes XXX vom 21.05.2008 (vgl. Anlage AG 40) und das Schreiben der\nXXX Investmentbank vom 21.05.2008 (Anlage AG 41) glaubhaft gemacht. Zur\nnäheren Begründung des Interesses der Verkäuferin an dem Erwerb einer\nBeteiligung an der Beklagten wird auf die Ausführungen in diesem Schreiben der\nals alleiniger Finanzberater auf Seiten der Verkäuferin tätigen X in der\nAnlage AG 41 Bezug genommen.\n\n64\n\n \n\nb) Nach der sogenannten Kali + Salz Formel des BGH, die auch auf die\nAusnutzung des genehmigten Kapitals zu übertragen ist (vgl. MünchKomm/AktG-\nBayer a.a.O. Rn. 114 und Hüffer a.a.O., § 203 Rn. 95) bedarf der\nBezugsrechtsausschluss einer sachlichen Rechtfertigung, die dann gegeben ist,\nwenn er erstens im gesellschaftlichen Interesse liegt, zweitens geeignet und\nerforderlich und drittens verhältnismäßig in dem Sinne ist, dass bei\nvorzunehmender Abwägung mit den Aktionärsinteressen das Gesellschaftsinteresse\nüberwiegt.\n\n65\n\n \n\nDarlegungspflichtig ist insoweit die Beklagte. Es ist allerdings umstritten,\nob es sich bei dieser Darlegungslast nur um eine sogenannte sekundäre\nDarlegungslast handelt (so der BGH in der Kali + Salz Entscheidung aus dem\nJahre 1978) oder ob die Aktiengesellschaft für die sachliche Rechtfertigung\ndes von ihr beschlossenen Bezugsrechtsausschluss von vornherein darlegungs-\nund beweispflichtig ist (so MünchKomm/AktG Bayer a.a.O. § 203 Rn. 118 m.w.N.,\nServatius Spindler/Stilz, AktG (2007), § 186 Rn. 51 und Hüffer a.a.O., § 186\nRn. 38). Im vorliegenden Fall kann die Frage der Darlegungs- und Beweislast\noffen bleiben, weil die Beklagte die Umstände zur Rechtfertigung des\nBezugsrechtsausschlusses substantiiert vorgetragen und glaubhaft gemacht hat.\nDie Klägerin bewertet die von der Beklagten vorgetragenen Umstände zwar\nanders. Sie ist dem glaubhaft gemachten Vortrag der Beklagten zum Inhalt und\nAblauf der Vertragsverhandlungen, insbesondere den geforderten Voraussetzungen\nzur Gewährleistung der Transaktionssicherheit in tatsächlicher Hinsicht aber\nnicht entgegengetreten.\n\n66\n\n \n\nDie sachliche Rechtfertigung eines Bezugsrechtsausschlusses anhand der\nvorgenannten Kriterien ist eine Rechtsfrage, die im Grundsatz voll umfänglich\nkontrolliert wird (vgl. Spindler/Stilz- Servatius, a.a.O. § 186 Rn. 150).\nSoweit aber unternehmerische Prognosen zu überprüfen sind oder der Kern\nunternehmerischer Entscheidungen betroffen ist, ist die gerichtliche\nÜberprüfbarkeit analog § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG eingeschränkt (sogenannte\nbusiness judgement rule, vgl. Spindler/Stilz-Servatius a.a.O. § 186 Rn. 51).\nDer BGH weist ausdrücklich darauf hin, dass der Vorstand in eigener\nVerantwortung zu prüfen habe, ob aus unternehmerischer Sicht der Ausschluss\ndes Bezugsrechts und nicht nur die Kapitalerhöhung im Interesse der\nGesellschaft liegt (vgl. Siemens/Nold-Entscheidung des BGH a.a.O.). Maßstab\nist daher, ob der Vorstand bei seiner unternehmerischen Entscheidung\nvernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener\nInformationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln (vgl. Spindler/Stilz-\nWamser a.a.O.. § 203 Rn. 85 und Hüffer a.a.O. § 186 Rn. 36).\n\n67\n\n \n\nUnter Beachtung der vorgenannten Grundsätze ist zur sachlichen Rechtfertigung\ndes Bezugsrechtsausschlusses im Einzelnen auszuführen:\n\n68\n\n \n\n(1) Die unternehmerische Entscheidung des Vorstands der Beklagten, die\nK-Gruppe zu erwerben, lag im Gesellschaftsinteresse der Beklagten. Das der\nunternehmerischen Entscheidung der Beklagten zugrunde liegende Konzept ist\nplausibel und für die Kammer ohne weiteres nachvollziehbar. Nach dem Erwerb\nder K-Gruppe wird die Beklagte mit ca. 19.000.000 Teilnehmern und knapp\n5.000.000.000,00 € Jahresumsatz zum drittgrößten Mobilfunkanbieter in der\nBundesrepublik Deutschland. Sie vergrößert ihren Marktanteil und ihre\nMarktmacht damit erheblich. Deshalb dürfte sie künftig nicht nur bessere\nKonditionen beim Einkauf von Netzkapazitäten erhalten sondern auch im übrigen\neine bedeutende Rolle auf dem Mobilfunkmarkt spielen. Daneben erwartet die\nBeklagte durch Synergieeffekte ein Einsparungspotential von jährlich ca.\n50.000.000,00 €. Der Erwerb der K-Gruppe stellt nach der plausiblem\nEinschätzung der Beklagten daher einen wichtigen und entscheidenden Schritt im\nKonsolidierungsprozess auf dem Mobilfunkmarkt dar. Ob sich die Hoffnungen der\nBeklagten erfüllen werden, wird erst die Zukunft zeigen. Die Richtigkeit der\nunternehmerischen Prognose ist nicht Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung.\n\n69\n\n \n\nAuch die Klägerin räumt ein, dass der K-Erwerb grundsätzlich wirtschaftlich\nsinnvoll ist; aus ihrer Sicht allerdings nicht zu den konkret vereinbarten\nBedingungen. Die Einwendungen der Klägerin berühren die Plausibilität des\nunternehmerischen Konzeptes der Beklagten nicht. Die Klägerin beanstandet ohne\nnachvollziehbare Gründe die Höhe des Kaufpreises für den Erwerb der K-Gruppe,\ninsbesondere die Übernahme der Verbindlichkeiten in Höhe von 1.135.000.000,00\n€ im Rahmen des Kaufpreises in Höhe von ca. 1,63 Milliarden Euro. Wie die Höhe\ndes Kaufpreises ermittelt und wie der Kaufpreis dargestellt wird, ist eine\nunternehmerische Entscheidung, die wiederum nur auf Plausibilität überprüfen\nwerden kann. Dazu hat die Beklagte vorgetragen und durch die eidesstattliche\nVersicherung ihres Finanzvorstands XXX vom 14.05.2008 (Anlage AG 24) glaubhaft\ngemacht, dass der Vorstand parallel zu den Verhandlungen über den Erwerb der\nK-Gruppe eine Due Diligence in finanzieller, steuerlicher und rechtlicher\nHinsicht durchgeführt habe und sich von verschiedenen anerkannten Experten im\nHinblick auf die finanziellen, steuerlichen und rechtlichen Aspekte der\nK-Gruppe und der Transaktion beraten lassen habe. Den Wert der zu erwerbenden\nK-Gruppe hätten Vorstand und Aufsichtsrat zudem durch eine international\nrenommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, eine Investmentbank sowie einen\ninternational tätigen, auf Telekommunikations- und Technologieunternehmen\nspezialisierten M & A Berater prüfen lassen. Damit hat die Beklagte zugleich\ndargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Entscheidungen des Vorstands und des\nAufsichtsrats auf der Grundlage ausreichender und sorgfältig ermittelter\nInformationen getroffen worden sind. Auch diese Darlegungen sind ohne weiteres\nplausibel und werden von der Klägerin nicht konkret in Zweifel gezogen.\n\n70\n\n \n\nDie Behauptung der Klägerin, der K-Erwerb läge nicht im Interesse der\nGesellschaft, weil er den Interessen der Mehrheit der Gesellschafter\nwiderspreche, ist unerheblich. Sie basiert auf einer sehr eigenen und von der\nherrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur nicht geteilten\nDefinition des Gesellschaftsinteresses, das in erster Linie durch die\nmutmaßlichen Interessen der Aktionäre bestimmt werden soll.\n\n71\n\n \n\nRichtig ist dagegen Folgendes: Der Bezugsrechtsausschluss liegt im Interesse\nder Aktiengesellschaft, wenn er dazu dient, im Rahmen des\nUnternehmensgegenstandes den Gesellschaftszweck zu fördern (vgl. Hüffer\na.a.O., § 186 Rn. 26, MünchKomm/AktG, Bayer, a.a.O., § 186, Rn. 75). Die\nPartikularinteressen einzelner Aktionäre sind unbeachtlich, sofern sie sich\nnicht mit dem Gesellschaftsinteresse decken (vgl. Spindler/Stilz, Servatius\na.a.O., § 186 Rn. 44). Die Interessen der Klägerin an einer anderen künftigen\nEntwicklung der Beklagten, etwa an der Übernahme der Beklagten und\nAngliederung ihrer wesentlichen Unternehmensarten an ihre eigenen\nGesellschafter sowie ihr Interesse an einer Dividendenausschüttung im Jahre\n2008 können daher bei der Feststellung des gesellschaftlichen Interesses nicht\nberücksichtigt werden, sie sind erst im Rahmen der noch anzustellenden\nVerhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten.\n\n72\n\n \n\nIm Übrigen hat die Klägerin trotz Bestreitens der Beklagten nicht glaubhaft\ngemacht, dass eine Mehrheit der Aktionäre dieselben Interessen vertritt wie\nsie. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass sich aus dem von der\nKlägerin als Anlage A 13 vorgelegten Schreiben von XXX lediglich ergibt, dass\neine Gruppe von Aktionären, die ca. 32,6 % der Aktien der Beklagten halten,\nbereit wäre, zu nicht bekannten Bedingungen ihre Aktien an I zu veräußern.\nDaraus lässt sich weder auf eine Ablehnung des K-Erwerbs durch jene Aktionäre\nschließen noch darauf, dass diese Aktionäre auch die weiteren Interessen der\nKlägerin unterstützen.\n\n73\n\n \n\n(2) Der Bezugsrechtsausschluss war geeignet, den angestrebten Zweck zu\nerreichen, da durch die Ausgabe neuer Aktien an die Verkäuferin der\nK-Kaufpreis zum Teil beglichen werden kann. Er war auch erforderlich, weil es\nim Hinblick auf die Aktionäre der Beklagten kein gleich geeignetes milderes\nMittel gab. Denn die Verkäuferin der K-Gruppe hätte nach den substantiierten\nund glaubhaft gemachten Darlegungen der Beklagten eine Alternativgestaltung\nnicht akzeptiert.\n\n74\n\n \n\nDazu hat die Beklagte vorgetragen und durch die eidesstattliche Versicherung\nihres Finanzvorstands XXX vom 21.05.2008 (vgl. Anlage AG 40) glaubhaft\ngemacht, dass es keine Alternative zur gewählten Transaktionsstruktur gegeben\nhabe. Die Verhandlungen hätten unter erheblichem Zeitdruck gestanden. Deshalb\nsei die Durchführung der Transaktion durch Barkapitalerhöhung mit der damit\nverbundenen zeitlichen Verzögerung und den erheblichen Anfechtungsrisiken\nkeine ernsthafte Option oder Alternative gewesen. Außerdem hätten sich die\nVerkäufer der K-Gruppe nicht darauf eingelassen, den Vertrag auszuhandeln und\nmit dem Abschluss Monate zu warten, bis die Haupt-versammlung darüber\nbeschließt. Die Verkäufer hätten vielmehr größten Wert auf\nTransaktionssicherheit gelegt. Sie hätten es deshalb auch abgelehnt, den\nVertrag zu unterschreiben und unter dem Vorbehalt der Zustimmung des\nAufsichtsrats der Beklagten zu stellen.\n\n75\n\n \n\nDie Beklagte hat ihren Vortrag weiterhin glaubhaft gemacht durch Vorlage eines\nSchreibens der XXX Investmentbank vom 21.05.2008 (vgl. Anlage AG 41), die als\nalleiniger Finanzberater der XXX Holding S.à.r.l, der Muttergesellschaft der\nVerkäuferin tätig gewesen ist. In diesem Schreiben heißt es u.a.: Ein\nVorbehalt, die Transaktion von der ordentlichen Kapitalerhöhung abhängig\nzumachen, sei für die K (Netherlands) Holding B.V. wegen der damit verbundenen\nRisiken ohnehin nicht in Frage gekommen. Für die K (Netherlands) Holding B.V.\nsei es auch nicht in Betracht gekommen, die Transaktion von der vorherigen\nDurchführung einer Barkapitalerhöhung aus genehmigten Kapital durch die B AG\nabhängig zu machen, da dies unkalkulierbare Risiken einer zeitlichen\nVerzögerung oder gar eines Fehlschlagens der Platzierung der neuen Aktien\nbedeutet hätte. Transaktionssicherheit und Geschwindigkeit seien hier\nentscheidend gewesen.\n\n76\n\n \n\nDie Kammer hat keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der XXX\nInvestitionsbank. Sie sind ohne weiteres nachvollziehbar, wirtschaftlich\nvernünftig und in Anbetracht der Bedeutung des Geschäftes eines\nUnternehmenskaufes mit einem Kaufpreis von ca. 1,63 Milliarden Euro ohne Frage\nangemessen, da eine Barkapitalerhöhung ohne Bezugsrechtsausschluss in\nAnbetracht der mit einer Neuemission zwangsläufig verbundenen Unsicherheiten\nund Unwägbarkeiten die verlangte Transaktionssicherheit in keiner Weise hätte\ngewährleisten können. Dazu kam der Wille der Verkäuferseite, sich maßgeblich\nan der Beklagten zu beteiligen.\n\n77\n\n \n\n(3) Der Bezugsrechtsausschluss ist auch verhältnismäßig. Bei der\nvorzunehmenden Abwägung überwiegen die Interessen der Gesellschaft weit\ngegenüber den Interessen der Klägerin. Zur Gewichtung der Interessen der\nBeklagten wird auf die Ausführungen unter II. 2. b) (1) verwiesen. Im Rahmen\nder Abwägung fällt neben dem gravierenden unternehmerischen Interesse der\nBeklagten vor allem ins Gewicht, dass diese Art des Erwerbs, also die\nKapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss außerhalb der Hauptverhandlung,\ndie einzige Möglichkeit war, den Erwerb der Gruppe mit der Verkäuferin zu\nvereinbaren und zu realisieren. Insoweit wird auf die Ausführungen unter II.\n2. b) (2) Bezug genommen. Demgegenüber treten die gegenläufigen Interessen der\nKlägerin eindeutig zurück. Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung des\nK-Erwerbs für die Beklagte kommt dem Verlust der Sperrminorität der Klägerin\nund J von 25,2 % auf ca. 18,9 % im Rahmen der Abwägung kein besonderes Gewicht\nzu. Wie Prof. Dr. XXX in seiner gutachterlichen Stellungnahme zu Recht\nausgeführt hat, wird dem Verlust der Sperrminorität in der Literatur\n(insbesondere von Hüffer) zum Teil eine zu große Bedeutung beigemessen. Die\nUnterschreitung des 25 %-Anteils entwickelt bei der vorzunehmenden Abwägung\nkeine Sperrfunktion, behält aber als solche ihre Bedeutung. Diese relativiert\nsich jedoch insofern, als die Klägerin aufgrund der ihr bekannten\nSatzungsbestimmungen grundsätzlich mit der Ausgabe neuer Aktien unter\nBezugsrechtsausschluss zum Erwerb eines anderen Unternehmens rechnen musste.\nDas dürfte sie auch getan haben, sie ist lediglich durch die Ereignisse Ende\nApril 2008 überrascht worden. Zuvor hätte sie es in der Hand gehabt, die\nBeschlüsse der Beklagten vom 27.04.2008 durch Veröffentlichung eines\noffiziellen Übernahmeangebots gemäß § 33 Abs. 1 WpÜG zu verhindern.\n\n78\n\n \n\n(4) Sachfremde Erwägungen, die die Beschlüsse vom 27.04.2008 als\nermessensfehlerhaft oder gar rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen könnten,\nsind nach Auffassung der Kammer nicht festzustellen.\n\n79\n\n \n\n(a) Gezielte Eingriffe in die Aktionärsstruktur sind nach Auffassung\ngewichtiger Stimmen in der Literatur generell untersagt (vgl. MünchKomm/AktG,\nBayer a.a.O., § 203 Rn. 133 m.w.N.). Ein solcher Eingriff ist jedoch weder\ndargelegt noch ersichtlich. Zweck des K-Kaufs war die nachhaltige\nVerbreiterung der unternehmerischen Basis der Beklagten, eine Maßnahme, die in\nder jetzigen Konsolidierungsphase des Mobilfunkmarktes auch nach Auffassung\nder Klägerin grundsätzlich wirtschaftlich sinnvoll und geboten war. Wie die\nBeklagte dargelegt und glaubhaft gemacht hat, konnte der Kaufvertrag im\nInteresse der Transaktionssicherheit und nach den vorgegebenen Bedingungen der\nVerkäuferin nur wie geschehen vereinbart werden, nämlich unter Ausnutzung des\ngerade für diesen Zweck geschaffenen genehmigten Kapitals 2005 unter\nAusschluss der Bezugsrechte der Aktionäre. Die damit verbundene Veränderung\nder Aktionärsstruktur ist eine notwendige Folge, nicht aber das Motiv des\nK-Kaufes.\n\n80\n\n \n\nDie das eigene Aktionärsinteresse fokussierende Auffassung und Einschätzung\nder Klägerin kann nicht überzeugen. Die insoweit aufgestellte bloße Behauptung\neines gezielten Eingriffs ist nicht mit weiteren Fakten unterlegt und wird von\nder Beklagten bestritten. Sie ist zudem nach mit unstreitigen Gang der\nEreignisse, wie sie nach dem vorläufigen Ende der Übernahmegespräche der\nParteien im Dezember 2007 bis zum Abschluss des K-Kaufs am 27.04.2008\nstattgefunden haben, nicht in Einklang zu bringen.\n\n81\n\n \n\nDie wesentlichen Daten zur Erinnerung: Die Beklagte wollte durch\nIntensivierung der Verhandlungen mit M Anfang des Jahres 2008 die\nMöglichkeiten eines Erwerbs der K-Gruppe ausloten, um ihr Unternehmen für die\nZukunft auf dem sich konsolidierenden Mobilfunkmarkt vorzubereiten und besser\nzu positionieren. Die Klägerin nahm erst nach der Ad-hoc-Mitteilung vom\n26.03.2008 (vgl. Anlage A 20) die Gespräche mit der Beklagten mit dem Ziel\neiner sogenannten strategischen Partnerschaft wieder auf, während die\nKaufvertragsverhandlungen zwischen der Beklagten und M fortgesetzt wurden\n(vgl. Anlage A 4). Das war der Klägerin bekannt, die sich dennoch offenbar\nnicht in der Lage sah, ein offizielles Übernahmeangebot abzugeben und damit\neine Neutralitätspflicht der Beklagten gemäß § 33 Abs. 1 WpÜG begründen. Dann\nentschied sich die Beklagte für den Erwerb der K-Gruppe und gab den\nVertragsschluss und seinen wesentlichen Inhalt, insbesondere die vereinbarten\nGegenleistungen durch Ad-hoc-Mitteilung vom 27.04.2008 bekannt (vgl. Anlage A\n5). Dieser Ablauf lässt keine Anhaltspunkte für einen zielgerichteten Eingriff\nin die Aktionärsstruktur durch die Beklagte erkennen. Das Ziel der\nVerhandlungen des Vorstands der Beklagten lag vielmehr darin, eine anstehende\nwichtige unternehmerische Entscheidung für die Zukunft zu treffen. Die\nBeklagte hat sich für den K-Erwerb entschieden. Die mit der Kapitalerhöhung\nunter Bezugsrechtsausschluss einhergehende Veränderung der Aktionärsstruktur\ndurch das Hinzukommen eines neuen Großaktionärs war eine zwangsläufige Folge\nder einzig möglichen Vereinbarung des K-Erwerbs.\n\n82\n\n \n\n(b) Für einen gezielten Eingriff spricht auch nicht die weitere Argumentation\nder Klägerin. Die Behauptung der Klägerin, es handele sich bei der K-Übernahme\num einen reinen Defensivkauf, den die Verwaltung der Beklagten im\nEigeninteresse getätigt habe, um durch Gewinnung eines neuen angenehmen\nGroßaktionärs ihrer Ablösung in der nächsten Hauptversammlung zuvorzukommen,\nist bestritten und wird durch keinerlei weitere Fakten von der Klägerin\nbelegt. Diese Behauptung ist nach Auffassung der Kammer schon nicht deshalb\nplausibel, weil sie in Anbetracht der unterstellten Bereitschaft des\nvollständigen Vorstands und Aufsichtsrates der Klägerin, seine\nRechtsbefugnisse im Eigeninteresse dergestalt zu missbrauchen, nicht lebensnah\nerscheint. Das Aufsichtsratsmitglied Prof. XXX ist der Behauptung der Klägerin\nin seinem Schreiben vom 21.05.2008 (vgl. Anlage AG 42) glaubhaft und empört\nentgegengetreten. Die Behauptung der Klägerin steht auch in offenbarem\nWiderspruch zu dem oben geschilderten Gang der Ereignisse. Dies wird\ninsbesondere daran deutlich, dass das in der Antragsschrift der Klägerin\nentworfene Szenarium einer Hauptversammlung 2008, in der dem Vorstand das\nVertrauen entzogen wird, Vorstand und Aufsichtsrat nicht entlastet werden, der\nAufsichtsrat auch abberufen und durch den neuen Aufsichtsrat auch der Vorstand\nder Beklagten abberufen werden, bis zum Abschluss des K-Kaufvertrages weder\nthematisiert worden ist, noch vernünftigerweise zu erwarten war. Die Klägerin\nhat schon nicht glaubhaft dargelegt, dass ein solcher Ablauf der\nHauptversammlung 2008 selbst bei unveränderter Aktionärsstruktur ernsthaft zu\nerwarten wäre. Insbesondere begründet die Bereitschaft von 36,2 % der anderen\nAktionäre, ihre Aktien zu nicht bekannten Konditionen an I zu veräußern, keine\nVermutung dafür, dass diese Aktionäre in der nächsten Hauptversammlung die\nInteressen und Anträge der Klägerin unterstützen werden.\n\n83\n\n \n\n(c) Die Vereinbarung von Haltefristen im K-Kaufvertrag, die die Klägerin als\nweiteres Argument für ihre Sicht der Dinge anführt, stellt ebenfalls kein\nIndiz für die behaupteten Machterhaltungsinteressen der Verwaltung der\nBeklagten dar. Die Vereinbarung von Haltefristen ist gerade nach\nStrukturveränderungen einer Aktiengesellschaft sinnvoll und geboten, also\nsachlich begründet. Dabei macht es nach Auffassung der Kammer keinen\nUnterschied, ob insoweit feste Termine vereinbart werden oder wie im\nvorliegenden Fall die Haltefristen an die Zeitpunkte der Hauptversammlungen\n2008 und 2009 gebunden werden.\n\n84\n\n \n\n(d) Ebenso ist die bisher unterbliebene Einberufung der Hauptversammlung 2008\nkein taugliches Indiz dafür, dass die Beklagte die Aktionäre in rechtswidriger\nWeise in der Hauptversammlung vor vollendete Tatsachen stellen will. Die\nUmsetzung des K-Kaufver-trages ist unabhängig von der Hauptversammlung 2008.\n\n85\n\n \n\nIm Rahmen der Durchführung einer Kapitalerhöhung aus genehmigten Kapital ist\neine Zustimmung der Hauptversammlung nach dem Aktiengesetz nicht vorgesehen.\nEs handelt sich vielmehr um eine reine Geschäftsführungsmaßnahme des\nVorstandes mit Zustimmung des Aufsichtsrates (§§ 203, 204 AktG). Nach § 119\nAbs. 2 AktG entscheidet die Hauptversammlung über Fragen der Geschäftsführung\nnur auf Verlangen des Vorstands. Ein solches Verlangen liegt nicht vor.\n\n86\n\n \n\nDie Kammer vermag auch nicht zu erkennen, dass der Vorstand die Einberufung\nder Hauptversammlung 2008 bisher rechtswidrig hinausgezögert hätte. Nach § 175\nAbs. 1 Satz 1 AktG ist die Hauptversammlung nach Eingang des (vollständigen)\nBerichts des Aufsichtsrates einzuberufen. Zu dem Bericht des Aufsichtsrates\ngehört gemäß § 171 Abs. 2 und 4 AktG der Bericht über die Prüfung des\nJahresabschlusses, des Lageberichtes und des Vorschlags des Vorstands für die\nVerwendung des Bilanzgewinns. Der Bericht über die Prüfung des\nGewinnverwendungsvorschlags lag allerdings bis zum Schluss der mündlichen\nVerhandlung noch nicht vor, so dass Voraussetzungen gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1\nAktG bisher nicht erfüllt waren, demgemäß der Aufsichtsrat nicht verpflichtet\nwar, die Hauptversammlung einzuberufen.\n\n87\n\n \n\nDie Klägerin weist allerdings zu Recht darauf hin, dass der Vorstand der\nBeklagten dem Aufsichtsrat über dessen Sitzung am 02.03.2008 entgegen § 170\nAbs. 2 AktG nicht zugleich mit dem Jahresabschluss und dem Lagebericht auch\nden Gewinnverwendungsvorschlag vorgelegt hatte. Hierin liegt jedoch allenfalls\neine Verletzung der Individualrechte der Aufsichtsratsmitglieder, die von\ndiesem ggf. im Klagewege oder durch das Zwangsgeldverfahren gemäß § 407 Abs. 1\nAktG durchgesetzt werden könnten (vgl. MünchKomm/AktG-Bayer a.a.O. §170 Rn\n28). Im Übrigen war die Unterlassung eines Gewinnverwendungsvorschlages bis\nzum 27.04.2008, dem Abschluss des K-Erwerbsertrages sachlich gerechtfertigt,\nda der Vorstand redlicherweise einen Gewinnverwendungsvorschlag von dem\nAusgang der Vertragsverhandlungen und den Erwerb der K-Gruppe abhängig machte.\nDemgemäß hat der Vorstand am 28.04. 2008 dem Aufsichtsrat der Beklagten\nvorgeschlagen, den Bilanzgewinn für 2007 in voller Höhe auf 2008 vorzutragen.\n\n88\n\n \n\nIII. Zurückweisung der Nebenintervention\n\n89\n\n \n\n1\\. Die Rügen der Unzulässigkeit der Nebeninterventionen wegen fehlenden\nrechtlichen Interesses sind entsprechend ihrem Prozessziel, die auf Seiten der\nBeklagten beigetretenen Nebenintervenienten aus dem weiteren Verfahren\nauszuschließen, prozessual als Anträge auf Zurückweisung der Nebenintervention\ngemäß § 71 Abs. 1 ZPO auszulegen. Nach dem Vortrag der vorläufigen\nEinschätzung der Sach- und Rechtslage durch den Vorsitzenden in der mündlichen\nVerhandlung drohte der Klägerin im vorliegenden Verfahren eine zurückweisende\nEntscheidung, die ohne die Rüge der Unzulässigkeit der Nebeninterventionen mit\ndem Ziel ihrer Zurückweisung durch die Kammer eine Kostenentscheidung zu\nLasten der Klägerin gemäß § 101 ZPO zur Folge gehabt hätte.\n\n90\n\n \n\nDie Anträge sind zulässig, da sie von der Klägerin, also dem Gegner der von\nden Nebenintervenienten unterstützten Partei ausgehen. Über die Anträge auf\nZurückweisung der Nebeninterventionen konnte nach der mündlichen Verhandlung,\nan der die Nebenintervenienten teilgenommen haben, zugleich mit dem Endurteil\nentschieden werden (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 71 Rn. 5).\n\n91\n\n \n\nDie Nebeninterventionen der Nebenintervenienten sind zurückzuweisen, weil\nkeiner der Nebenintervenienten ein rechtliches Interesse im Sinne des § 66 ZPO\nan der Unterstützung der Beklagten im vorliegenden Verfahren geltend gemacht\nhat. Ein rechtlichtes Interesse in diesem Sinne ist gegeben, wenn die\nRechtsstellung des Nebenintervenienten durch ein der unterstützten Partei\nungünstiges Urteil rechtlich, d.h. nicht nur rein tatsächlich oder\nwirtschaftlich verschlechtert wird bzw. durch ein günstiges Urteil verbessert\nwird (vgl. Thomas-Putzo, a.a.O., § 66 Rn. 5, Zöller-Vollkommer, ZPO, 20.\nAufl., § 66, Rn. 8 ff). Ein ideelles oder wirtschaftliches Interesse genügt\ndagegen nicht. Ein rechtliches Interesse fehlt z.B. den Aktionären im Prozess\nder Aktiengesellschaft, wenn nicht ein besonderer über den bloßen Aktienbesitz\nhinausgehender Grund vorliegt (vgl. Thomas-Putzo, a.a.O., § 66 Rn. 6).\n\n92\n\n \n\nSo hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht die Möglichkeit einer\nNebenintervention einzelner Aktionäre am von ihrer Aktiengesellschaft als\nAnteilseigner nach Verschmelzung betriebenen Spruchstellenverfahren verneint,\nda die einzelnen Aktionäre nur über ihr Dividendeninteresse mit der\nProzessführung ihrer Gesellschaft verbunden seien (NJW-RR, 2000, 43, 44). In\nseiner Entscheidung vom 24.04.2006 hat der BGH den bloßen Wunsch der\nNebenintervenientin, der Rechtsstreit möge zu Gunsten der unterstützen Partei\nausgehen, weil rechtliche oder tatsächliche Fragen in einer bestimmten Weise\nbeantwortet würden, die eventuell für künftige Prozesse des\nNebenintervenienten relevant sein könnten, lediglich als nicht ausreichendes\ntatsächliches Interesse bezeichnet (ZIP 2006, 1218 ff.).\n\n93\n\n \n\nDie Nebenintervenienten zu 1.) bis 6.) stützen ihr rechtliches Interesse\nausschließlich auf ihre Aktionärsstellung, also allenfalls auf ein\ntatsächliches oder wirtschaftliches Interesse am Obsiegen der Beklagten. Ihre\nRechtsstellung wird durch das vorliegende Verfahren daher in keiner Weise\nberührt, weder verbessert noch verschlechtert.\n\n94\n\n \n\nIV. Nebenentscheidungen\n\n95\n\n \n\nDie Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.\n\n96\n\n \n\nDie Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten\nfolgt aus § 709 ZPO.\n\n \n\n
104,247
fg-schleswig-holsteinisches-2008-05-07-5-k-32204
1,067
Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht
fg-schleswig-holsteinisches
Schleswig-Holsteinisches
Schleswig-Holstein
Finanzgerichtsbarkeit
5 K 322/04
2008-05-07
2018-11-23 22:30:34
2019-02-14 06:40:51
Urteil
ECLI:DE:FGSH:2008:0507.5K322.04.0A
#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten um die Höhe der Absetzung für Abnutzung (AfA) für\neine nach Betriebsaufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes der Klägerin in\ndas Privatvermögen überführte Milchreferenzmenge.\n\n \n\n2\n\n \n\nDie Klägerin erzielte bis zur Aufgabe ihres landwirtschaftlichen Betriebes zum\n1. Dezember 1997 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Zu ihrem\nbetrieblichen Vermögen gehörte auch ein Milchlieferrecht (Milchreferenzmenge)\nin einer Größenordnung von 189.908 kg. Dieses übernahm sie durch die\nBetriebsaufgabe zum 1. Dezember 1997 in ihr Privatvermögen. Im Rahmen der\nspäteren Aufgabegewinnermittlung durch den Beklagten wurde der “Entnahmewert\nMilchquote” unstreitig mit 265.871,00 DM sowie der von dem Grund und Boden\n(Flächen nach § 55 Abs. 1 EStG) abgespaltene “Buchwert Milchquote” mit\n218.866,00 DM angesetzt. Aus diesen Werten ergab sich nach Abzug des für die\nMilchquote abgespaltenen Buchwerts von dem Entnahmewert ein aus dem\nAufgabevorgang resultierender Entnahmegewinn für die Milchreferenzmenge von\n47.005,00 DM, der bei der Einkommensteuerveranlagung der Klägerin für das Jahr\n1997 bei den Einkünften aus Land - und Forstwirtschaft als Teil des\nAufgabegewinns Berücksichtigung fand.\n\n \n\n3\n\n \n\nNach der Betriebsaufgabe verpachtete die Klägerin u. a. die ins Privatvermögen\nentnommene Milchreferenzmenge und gab die daraus erzielten Erlöse im Jahr 1997\n(für den Monat Dezember) sowie in den folgenden Jahren in ihren\nEinkommensteuererklärungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung\nan. Als Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung\nmachte sie in den Jahren 1997(1/12), 1998, 1999, 2000, 2001 und 2002 unter\nanderem eine “AfA Milchquote” in Höhe von 1/10 des Entnahmewertes (26.587,00\nDM bzw. 13.593,79 € im Jahr 2002) geltend. Der Beklagte berücksichtigte diese\ngeltend gemachten Werbungskosten - auch angesichts der zu diesem Zeitpunkt bei\nder Ermittlung des Aufgabegewinns noch nicht gewinnmindernd angesetzten\nabgespaltenen Buchwerts der Milchquote, der erst nach Erlass des BMF-Schreiben\nvom 14.Januar 2003 berücksichtigt wurde - in voller Höhe bei der Ermittlung\nder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Jahre 1997 bis 2001\nerklärungsgemäß (für das Streitjahr 1999 mit Bescheid vom 25. September 2000).\n\n \n\n4\n\n \n\nMit einem auf der Grundlage des § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) ergangenen\nÄnderungsbescheid vom 15. März 2004 änderte der Beklagte nach Erlass eines\nBMF-Schreibens vom 14. Januar 2003 den Einkommensteuerbescheid 1999\ndahingehend, dass bei den Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus\nVermietung und Verpachtung lediglich noch eine “AfA-Milchquote” in Höhe von\n4.701,00 DM berücksichtigt wurde. Zur Begründung gab er an, dass durch die\nBerücksichtigung des Buchwerts bei der Entnahme der Milchquote ein\nverringertes AfA-Volumen entstanden sei, so dass die AfA nur noch 4.701,00 DM\nbetrage. Die Einkommensteuerbescheide 1998 sowie 2000 und 2001 hätten wegen\neingetretener Festsetzungsverjährung bzw. mangels Änderungsmöglichkeit nach\neingetretener Bestandskraft nicht mehr geändert werden können. Bei dem\ngeänderten Einkommensteuerbescheid 1997, bei dem nunmehr auch bei der\nAufgabegewinnermittlung der vom Grund und Boden abgespaltene Buchwert\nBerücksichtigung fand, setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf 0,00 DM\nfest. Im Erstbescheid für den Veranlagungszeitraum 2002 vom 23. März 2004\nberücksichtigte der Beklagte die von der Klägerin als Werbungskosten bei den\nEinkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemachte “AfA-Milchquote”\nnicht. Zur Begründung führte er aus, dass ab dem Veranlagungsjahr 2002 keine\nAfA für die Milchquote mehr gewährt werden könne, da das AfA-Volumen bereits\ndurch die AfA der Vorjahre aufgezehrt sei.\n\n \n\n5\n\n \n\nGegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 1999 vom 15. März 2004 legte die\nKlägerin am 19. März 2004 Einspruch ein. Gegen den Einkommensteuerbescheid\n2002 vom 23. März 2004 legte sie am 24. März 2004 Einspruch ein. Zur\nBegründung machte sie jeweils geltend, die von dem Finanzamt jeweils zu Grunde\ngelegte Bemessungsgrundlage für die AfA sei nicht zutreffend. Nach Abschnitt\n43 (6) Satz 4 EStRL sei Bemessungsgrundlage für die weitere Abschreibung von\nWirtschaftsgütern der Wert, mit dem das Wirtschaftsgut bei Überführung in das\nPrivatvermögen erfasst werde. Es sei auch zu beachten, dass durch die\nBuchwertabspaltung der pauschale Wert des Grund und Bodens nach § 55 EStG\nreduziert worden sei und bei einem späteren Verkauf im Rahmen der Einkünfte\nnach § 23 EStG zusätzliche Überschüsse aufgedeckt und versteuert würden. Die\nim Kommentar von Felsmann unter Fach A 1476 i geäußerte Ansicht sei lediglich\neine Privatmeinung des Kommentators, die weder durch Gesetze noch durch\nVerwaltungsanweisungen gedeckt sei.\n\n \n\n6\n\n \n\nDie Einsprüche der Klägerin wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom\n16. September 2004 als unbegründet zurück. Zwar sei bei Wirtschaftsgütern, die\nder Steuerpflichtige aus seinem Betriebsvermögen in das Privatvermögen\nüberführe, die weitere AfA grundsätzlich nach dem Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4\nEStG) oder dem gemeinen Wert (§ 16 Abs. 3 Satz 5 EStG) zu bemessen. Die\nAnwendung dieser Regelung auf die ins Privatvermögen überführte - dem\nlandwirtschaftlichen Betrieb am 02. April 1984 unentgeltlich zugeteilte und\nauf Flächen nach § 55 EStG entfallende - Milchreferenzmenge würde jedoch zu\neiner unzutreffenden Besteuerung führen. Denn durch den Ansatz des vollen\nEntnahmewerts würde eine Bemessungsgrundlage geschaffen, die in dieser Höhe\ntatsächlich nicht der Besteuerung unterworfen worden sei. Beim unentgeltlich\nzugeteilten Milchlieferrecht sei nämlich zu beachten, dass für einen\nBuchwertabspaltungsbetrag wegen der Herkunft vom nichtabnutzbaren\nWirtschaftsgut “Grund und Boden” und der möglichen Rückführung des\nMilchlieferrechts zum Wirtschaftsgut “Grund und Boden” keine AfA in Betracht\nkomme. Den Ausführungen im Kommentar von Felsmann unter Fach A 1476 i sei\ndaher zuzustimmen.\n\n \n\n7\n\n \n\nDie Klägerin hat am 14. Oktober 2004 Klage erhoben.\n\n \n\n8\n\n \n\nZu deren Begründung trägt sie ergänzend zu ihrem Vortrag im\nEinspruchsverfahren vor: Da bei der Bewertung der Entnahme eines\nWirtschaftsguts grundsätzlich der Teilwert (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG)\nbzw. im Falle der Betriebsaufgabe der gemeine Wert (§ 16 Abs. 3 Satz 7 EStG)\ndie steuerliche Erfassung der stillen Reserven sicherstelle, bildeten diese\nals so genannte fiktive Anschaffungskosten die Bemessungsgrundlage der\nweiteren Abschreibung im Rahmen der Überschusseinkünfte. Hiervon sei nur\nabzuweichen, sofern bei der Überführung in das Privatvermögen die stillen\nReserven des Wirtschaftsguts steuerlich nicht erfasst würden, etwa weil die\nEntnahme erst im nachhinein aufgedeckt werde, jedoch der entsprechende\nVeranlagungszeitraum bestandskräftig sei und nicht mehr nach den Vorschriften\nder Abgabenordnung geändert werden könne. Selbst ein im Rahmen der\nBetriebsaufgabe gewährter Freibetrag gemäß § 16 Abs. 4 EStG habe nach der\nRechtsprechung des BFH keinen Einfluss auf die\nAbschreibungsbemessungsgrundlage des Wirtschaftsguts. Da diese\nAusnahmentatbestände hier nicht einschlägig seien, müsse die AfA nach dem\nEntnahmewert bemessen werden. Durch die Qualifizierung der Entnahme als\nanschaffungsähnlicher Vorgang und deren Bewertung mit dem Teilwert bzw. dem\ngemeinen Wert werde sichergestellt, dass die Entnahme die gleichen\nertragsteuerlichen Folgen auslöse wie die Veräußerung des Wirtschaftsguts an\neinen fremden Dritten. Folgte man dagegen der Auffassung des Beklagten oder\nden Ausführungen von König in Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und\nForstwirte, Abschnitt A Rn 1476 i führe dies zu unterschiedlichen Rechtsfolgen\nin der späteren Behandlung der Milchreferenzmenge beim Entnehmenden und\nErwerbenden. Der Erwerbende könne nämlich das entgeltlich erworbene\nimmaterielle Wirtschaftsgut über 10 Jahre ausgehend von seinen\nAnschaffungskosten linear abschreiben, während dies der Entnehmende nicht\nkönne. Diese unterschiedliche Behandlung finde weder im Gesetz noch in der\nRechtsprechung eine Rechtfertigung. Die Besteuerung der stillen Reserven sei\nauch im Falle der Entnahme gesichert. Sowohl bei der Überführung der\nentgeltlich erworbenen Referenzmenge als auch bei der zugeteilten Milchquote\nwürden im Zeitpunkt der Überführung die stillen Reserven aufgedeckt und\nmüssten versteuert werden.\n\n9\n\n \n\nAuch die Anwendung der Verlustausschlussklausel nach § 55 Abs. 6 EStG sei hier\nnicht gerechtfertigt. Durch den Ansatz von pauschal ermittelten Werten sollten\ndie vor dem 01. Juli 1970 eingetretenen Wertsteigerungen des Grund und Bodens\n**im Betriebsvermögen** steuerlich nicht erfasst werden. Es sei bewusst ein\nWert gewählt worden, der zumeist über dem tatsächlichen Teilwert des Grund und\nBodens gelegen habe. Die Bilanzaufnahme sei zudem als Einlage und damit\nsteuerneutral erfolgt. Die Regelung des § 55 Abs. 6 EStG über das\nBetriebsvermögen hinaus auch auf Wirtschaftsgüter des Privatvermögens\nanzuwenden, überschreite jedoch die Zielsetzung und die Möglichkeiten dieser\nRegelung bei weitem. Nur bei Verlustverkäufen oder Entnahmen sollten Verluste,\ndie durch den Ansatz der hohen Buchwerte entstehen könnten, keine\nBerücksichtigung finden können. § 55 Abs. 6 EStG solle jedoch nur einmal\nangewendet werden, und zwar in dem Zeitpunkt, in dem erstmals die positiven\noder negativen stillen Reserven des Wirtschaftsguts steuerlich erfasst würden.\nNach der Überführung des Grund und Bodens in das Privatvermögen ende die\nAnwendung des § 55 EStG, beispielsweise auch bei nach § 55 bewerteten\nGrundstücken. Dies zeige sich bereits daran, dass, sofern der Steuerpflichtige\ndas entnommene Grundstück innerhalb von 10 Jahren nach der Entnahme mit\nVerlust veräußere, dieser Verlust gemäß § 23 Abs. 3 Satz 8 und 9 EStG zwar nur\nmit Gewinnen aus anderen Veräußerungsgeschäften verrechnet werden dürfe,\njedoch die Verlustberücksichtigung nicht von vornherein gemäß § 55 Abs. 6 EStG\nvollständig ausgeschlossen sei. Es sei nicht ersichtlich, warum für die von\ndem nach § 55 EStG bewerteten Grund und Boden abgespaltene Milchquote hier\nandere steuerliche Folgen gelten sollten.\n\n \n\n10\n\n \n\nSoweit das Bundesfinanzministerium in seinem von dem Beklagten zitierten\nSchreiben vom 28. Februar 2005 auf ein Urteil des BFH vom 16. Oktober 1997\n(BStBl II 1998, S. 185) verweise, so sei dieser Verweis mangels\nVergleichbarkeit des Sachverhalts unzutreffend. Die Darstellung im Schreiben\ndes BMF sei insoweit verkürzend. Soweit im Fall des vom BMF angegebenen\nUrteils des BFH vom 16. Oktober 1997 eine Teilwertabschreibung bei der\nGewinnermittlung des landwirtschaftlichen Betriebs in Form einer Entnahme\nwieder zu korrigieren gewesen sei, sei diese Teilwertabschreibung im Hinblick\nauf die Verlustausschlussklausel des § 55 Abs. 6 EStG nicht erfolgt. Damit sei\nauch die Gewinnkorrektur durch die Entnahme entfallen. Da aber die Höhe der\nsteuerwirksamen Entnahme den Umfang der Werbungskosten bei den Einkünften aus\nVermietung und Verpachtung festlege, hätten insofern auch keine Werbungskosten\nbei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht werden\nkönnen. In diesem Fall seien die Gewinnkorrekturen nach § 55 Abs. 6 EStG aber\nbereits im Bereich des Betriebs - wie auch bei der Milchquote - erfolgt; aus\ndieser Entscheidung des BFH sei jedoch nicht zu schließen, dass § 55 Abs. 6\nEStG unmittelbar auch für in das Privatvermögen überführte Milchreferenzmengen\nund die insoweit zu Grunde zu legende Bemessungsgrundlage für die AfA Geltung\nbeanspruchen könne.\n\n \n\n11\n\n \n\nDem Beklagten könne auch nicht darin gefolgt werden, dass ein zugeteiltes\nMilchlieferrecht seine Qualität als nichtabnutzbares Wirtschaftsgut des\nAnlagevermögens in diesem Fall nicht durch einfache Überführung in das\nPrivatvermögen verlieren dürfe, da bei der Entnahme zu beachten sei, dass der\nSteuerpflichtige in keiner Weise tatsächlichen Aufwand zu tragen habe. Denn es\nsei zu beachten, das gerade nicht die Abschreibung eines Wirtschaftsguts, auf\ndas die Verlustausschlussklausel des § 55 Abs. 6 EStG Anwendung finde, begehrt\nwerde. Durch die Überführung des Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen in\ndas Privatvermögen scheide die Milchreferenzmenge aus dem Regelungsbereich des\n§ 55 EStG aus. Im Übrigen entstehe nach der Rechtsprechung des BFH dem\nSteuerpflichtigen bei der Entnahme eines Wirtschaftsguts in Höhe des Teilwerts\nein Aufwand, der dann im Privatvermögen die Bemessungsgrundlage für die\nAbschreibung im Rahmen der Überschusseinkünfte begründe. Der Steuerpflichtige\nsei aufgrund gesetzlicher Fiktion so zu besteuern, als hätte er das entnommene\nWirtschaftsgut an sich selber veräußert.\n\n \n\n12\n\n \n\nDurch die Abspaltung eines Milchquotenwerts vom bisherigen Buchwert des Grund\nund Bodens trete schließlich auch keine steuerfreie Gewinnverschiebung beim\nVerkauf oder der Entnahme der Milchreferenzmenge ein. Vielmehr sei zu\nbeachten, dass durch die Verringerung des beim Grund und Boden verbleibenden\nBuchwerts es im Falle des Verkaufs oder einer Entnahme dieser Grundstücke zu\nhöheren Gewinnen komme. Es sei jetzt sogar der Fall möglich, dass bei der\nEntnahme bzw. dem Verkauf der Milchreferenzmenge die Ausschlussklausel des §\n55 Abs. 6 EStG zum Tragen komme, hingegen bei einem späteren Verkauf des Grund\nund Bodens ein Gewinn entstehe, da der nach Abspaltung verbleibende Buchwert\ndes Grund und Bodens den Verkaufserlös oder den Teilwert nicht mehr\nübersteige.\n\n \n\n13\n\n \n\nDie Klägerin beantragt, den geänderten Einkommensteuerbescheid 1999 vom 15.\nMärz 2004 und den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 23. März 2004, jeweils in\nGestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. September 2004, dergestalt zu\nändern, dass bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die\nAbschreibung der ins Privatvermögen überführten Milchreferenzmenge über einen\nZeitraum von 10 Jahren, ausgehend von einem “Entnahmewert Milchquote” von\n265.871,00 DM, erfolgt und die Einkommensteuer entsprechend niedriger\nfestgesetzt wird.\n\n \n\n14\n\n \n\nDer Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.\n\n \n\n15\n\n \n\nEr verweist zur Begründung seines Klagabweisungsantrags auf die\nEinspruchsentscheidung und macht - unter Bezugnahme auf ein Schreiben des BMF\nvom 28. Februar 2005 zu dieser Thematik - ergänzend geltend:\n\n \n\n16\n\n \n\nDer Entnahmewert der Milchquote könne nur in den Fällen Bemessungsgrundlage\nfür die AfA sein, in denen ein entgeltlich erworbenes Milchlieferrecht in das\nPrivatvermögen überführt werde. Im Falle eines zugeteilten und abgespaltenen\nMilchlieferrechts seien AfA nicht zulässig (vgl. Rdnr. 28 S. 3 des BMF-\nSchreibens vom 14. Januar 2003), weil ein solches Milchlieferrecht nicht\nabnutzbar sei. An dieser Nichtabnutzbarkeit ändere sich auch nichts durch die\nÜberführung des Milchlieferrechts in das Privatvermögen. Anderenfalls würde\ndie Sonderregelung des § 55 Abs. 6 EStG unterlaufen. In der Beibehaltung der\nNichtabnutzbarkeit nach Überführung in das Privatvermögen liege auch keine\nUngleichbehandlung oder Benachteiligung von Überschusseinkünften im Vergleich\nzu Gewinneinkünften. Denn auch im Bereich der Gewinneinkünfte könne der\nBuchwert des vom Grund und Boden abgespaltenen Milchlieferrechts nicht\nabgeschrieben werden. Hierzu sei auf das Urteil des BFH vom 16. Oktober 1997\n(BStBl II 1998, S. 185) hingewiesen. In diesem habe der BFH entschieden, dass\ndie Verlustausschlussklausel des § 55 Abs. 6 EStG einer Berücksichtigung der\nWertminderung auch als Werbungskosten bei den Überschusseinkünften\nentgegenstehe. Die besondere Problematik des Streitfalls resultiere hier\ndaraus, dass § 55 EStG niemals für abschreibbare Wirtschaftsgüter konzipiert\nworden sei. Es sei indes sicher, dass es nach der Intention des Gesetzgebers\ndurch die Einführung des § 55 EStG nicht zur Entstehung reiner Buchverluste\nkommen sollte. Genau dies wäre jedoch der Fall, wenn eine vom Grund und Boden\nabgespaltene Milchquote plötzlich zu einem abschreibbaren Wirtschaftsgut\nwürde. Hier würden unmittelbar reine Buchverluste entstehen, da der Verpächter\nin keiner Weise tatsächlichen Aufwand zu tragen hätte. Dies sei auch ein\nwesentlicher Unterschied zur Veräußerung an einen anderen Landwirt. Eine\nUngleichbehandlung zwischen Betriebs- und Privatvermögen finde nicht statt. Es\nsolle vielmehr lediglich sichergestellt werden, dass ein zugeteiltes\nMilchlieferrecht seine Qualität als nichtabnutzbares Wirtschaftsgut des\nAnlagevermögens nicht durch einfache Überführung in das Privatvermögen\nverliere. Erst bei einer Zulässigkeit der von der Klägerin angenommenen AfA-\nHöhe käme es zu einer Ungleichbehandlung zwischen dem Verpächter mit\nEinkünften nach § 13 EStG und dem Verpächter mit Einkünften nach § 21 EStG.\nDem Umstand, dass bei der Überführung in das Privatvermögen stille Reserven\naufgedeckt würden, werde insoweit Rechnung getragen, als der Verpächter AfA\nauf der Grundlage des Entnahmegewinns vornehmen könne. Veräußerungen an einen\nanderen Landwirt hätten in diesem speziellen Fall eine andere Qualität, da bei\nder Veräußerung der Quote beim Erwerber tatsächlicher Aufwand entstehe. Damit\nwürde es sich bei ihm nicht nur um reine Buchverluste handeln.\n\n \n\n17\n\n \n\nHinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten\nSchriftsätze der Beteiligten sowie auf die von dem Beklagten übersandten\nSteuervorgänge Bezug genommen.\n\n \n\n#### Entscheidungsgründe\n\n18\n\n \n\nDie Klage ist zulässig und begründet.\n\n19\n\n \n\nDer angefochtene geänderte Einkommensteuerbescheid 1999 vom 15. März 2004\nsowie der Einkommensteuerbescheid 2002 vom 23. März 2004, jeweils in Gestalt\nder Einspruchsentscheidung vom 16. September 2004, sind rechtswidrig und\nverletzen die Klägerin in ihren Rechten, soweit dort die von ihr als\nAbsetzungen für Abnutzung (AfA) für die verpachtete Milchquote im Rahmen der\nEinkünfte aus Vermietung und Verpachtung geltend gemachten Werbungskosten\nnicht (Streitjahr 2002) bzw. nicht in voller Höhe (Streitjahr 1999) anerkannt\nwurden.\n\n20\n\n \n\nZu Unrecht ist der Beklagte davon ausgegangen, dass nach der Überführung des\nMilchlieferrechts der Klägerin vom landwirtschaftlichen Betriebsvermögen in\nderen Privatvermögen im Rahmen der Betriebsaufgabe zum 01. Dezember 1997 als\nBemessungsgrundlage für die AfA bei den Einkünften aus Vermietung und\nVerpachtung lediglich der aus dem Aufgabevorgang resultierende Entnahmegewinn\nbezüglich des Milchlieferrechts in Höhe von 47.005,00 DM anzusetzen sei und\ndemnach im Streitjahr 1999 lediglich eine “AfA-Milchquote” in Höhe von\n4.701,00 DM und im Streitjahr 2002 - im Hinblick auf das bereits aufgezehrte\nAfA-Volumen - keine “AfA-Milchquote” mehr als Werbungskosten zu\nberücksichtigen sei. Vielmehr waren in den Streitjahren - wie von der Klägerin\nauch angesetzt - jeweils 1/10 des gemeinen Werts des Milchlieferrechts im\nAufgabezeitpunkt als AfA im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte aus VuV zu\nberücksichtigen.\n\n \n\n21\n\n \n\n1\\. Die Klägerin erzielte durch die nach Betriebsaufgabe vorgenommene\nVerpachtung des Milchlieferrechts in den Streitjahren Einkünfte aus Vermietung\nund Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Zu den im Rahmen der Einkünfte aus\nVermietung und Verpachtung abziehbaren Werbungskosten gehören gemäß § 9 Abs. 1\nSatz 3 Nr. 7 EStG auch die Absetzungen für Abnutzung (AfA);\nBemessungsgrundlage sind dabei grundsätzlich die Anschaffungs- oder\nHerstellungskosten des jeweiligen abnutzbaren Wirtschaftsguts (§ 7 Abs. 1 Satz\n1 EStG bzw. § 7 Abs. 4 und 5 EStG bei Gebäuden). Wird jedoch - wie vorliegend\n- ein Wirtschaftsgut - sofern es sich um ein abnutzbares Wirtschaftsgut\nhandelt - aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt und sodann\nvermietet oder verpachtet, so ist § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG bzw. - bei Gebäuden -\n§ 7 Abs. 4 bzw. Abs. 5 EStG nicht unmittelbar anwendbar, weil tatsächlich\nkeine Anschaffung stattfindet und demnach Anschaffungs- oder\nHerstellungskosten nicht angesetzt werden können. Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1\nEStG gilt als Veräußerung jedoch auch die Aufgabe eines Gewerbebetriebs.\nAufgrund gesetzlicher Fiktion ist der Steuerpflichtige mithin im Falle einer\nBetriebsaufgabe so zu besteuern, als hätte er das in das Privatvermögen\nüberführte Wirtschaftsgut zum gemeinen Wert an sich selbst veräußert (vgl.\nBFH, Urteil vom 10. Mai 2007 IX R 6/06, HFR 2008, 225; vom 14. Dezember 1999\nIX R 62/96, BFHE 190, 438, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2000, 656). Vor diesem\nHintergrund geht die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) davon\naus, dass es dem Sinn und Zweck der Vorschriften über die AfA entspricht, die\nBemessungsgrundlage für die weiteren AfA eines vom Betriebsvermögen in das\nPrivatvermögen überführten abnutzbaren Wirtschaftsguts grundsätzlich bei\nEntnahme mit dem Teilwert (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) bzw. bei\nBetriebsaufgabe mit dem gemeinen Wert (vgl. § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG in der im\nAufgabezeitpunkt geltenden Fassung) im Zeitpunkt der Überführung anzusetzen,\nmit dem das Wirtschaftsgut bei der Überführung steuerlich erfasst wurde (vgl.\nBFH, Urteil vom 09. August 1983 VIII R 177/80, BFHE 139, 187, BStBl II 1983,\n759, vom 14. Dezember 1999 IX R 62/96, BFHE 190, 483, BStBl II 2000, 656; vom\n10. Mai 2007 IX R 6/06, HFR 2008, 225).\n\n22\n\n \n\nAusgehend hiervon war nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt,\ngrundsätzlich auch der gemeine Wert des im Rahmen der Betriebsaufgabe in das\nPrivatvermögen überführten Milchlieferrechts der Klägerin als\nBemessungsgrundlage für die Absetzung für Abnutzung bei den Einkünften aus VuV\nheranzuziehen. Denn die Fiktion einer Veräußerung bei Betriebsaufgabe nach §\n16 Abs. 3 Satz 1 EStG gilt gemäß § 14 Satz 2 EStG bei der Aufgabe eines\nlandwirtschaftlichen Betriebs entsprechend. Dies bedeutet, dass die im Rahmen\nder Betriebsaufgabe vorgenommene Überführung des Milchlieferrechts in das\nPrivatvermögen als anschaffungsähnlicher Vorgang anzusehen ist (vgl. BFH,\nUrteil vom 09. August 1983 VIII R 177/80, BFHE 139, 187, BStBl II 1983, 759)\nund eine Veräußerung des Milchlieferrechts der Klägerin an sich selbst zum\ngemeinen Wert (vgl. § 14 Satz 2 i. V. m. § 16 Abs. 3 Satz 1 und Satz 4 EStG in\nder im Aufgabezeitpunkt geltenden Fassung) insoweit fingiert wird. Es sind\ndaher grundsätzlich fiktive Anschaffungskosten in der Höhe anzusetzen, in der\nbei der Ermittlung des Aufgabegewinns kraft Gesetzes die stillen Reserven für\ndas im Betriebsvermögen befindliche Wirtschaftsgut “Milchlieferrecht”\naufgelöst wurden (vgl. BFH, Urteil vom 14. Dezember 1999 IX R 62/96, BFHE 190,\n438, BStBl II 2000, 656).\n\n \n\n23\n\n \n\n2\\. Bei dem hier in Rede stehenden Milchlieferrecht handelt es sich auch um\nein abnutzbares Wirtschaftsgut im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG. Das\nMilchlieferrecht stellt nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH ein\nimmaterielles selbstständiges Wirtschaftsgut dar (vgl. BFH, Urteile vom 17.\nMärz 1994, BStBl II 1994, 538; vom 5. März 1998, BStBl II 2003, 54; vom 25.\nNovember 1999, BStBl II 2003, 61; vom 24. August 2000, BStBl II 2003, 64). Ob\nein immaterielles Wirtschaftsgut - wie insbesondere ein Recht - der Abnutzung\ninfolge wirtschaftlichen Werteverzehrs unterliegt, entscheidet sich danach, ob\nseine Nutzung unter rechtlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur\nzeitlich begrenzt verwertbar ist (vgl. BFH, Urteil vom 28. Mai 1998 IV R\n48/97, BStBl II 1998, 775). Ist dies nicht der Fall, ist im Gegensatz zum\nabnutzbaren Recht ein so genanntes “immerwährendes Recht” anzunehmen. Trotz\neiner zeitlichen Begrenzung des eingeräumten Rechts nimmt die Rechtsprechung\njedoch dann keine Abnutzbarkeit an, wenn ein Nutzungsrecht zumindest faktisch\ngarantiert wird (vgl. BFH, Urteil vom 28. Mai 1998 IV R 48/97, BStBl II 1998,\n775, “Belieferungsmöglichkeit eines Zeitschriftengrossisten”). Das ist auch\ndann der Fall, wenn trotz zeitlicher Begrenzung mit immer neuen Verlängerungen\neines Rechts zu rechnen ist (BFH vom 28. Mai 1998 IV R 48/97, BStBl II 1998,\n775; vom 22. Januar 1992 I R 43/91, BFHE 167, 61, BStBl II 1992, 529\n“Güterfernverkehrsgenehmigungen”; Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom\n30. November 2005 3 K 417/02, EFG 2006, 1052, “Zuckerrübenlieferrecht”).\n\n \n\n24\n\n \n\nNach diesen Grundsätzen stellt - wovon auch die Finanzverwaltung zumindest für\nein entgeltlich erworbenes Milchlieferrecht ausgeht (vgl. BMF-Schreiben vom\n14. Januar 2003, BStBl I S. 78 ff. Rz 28) - aus Sicht der Streitjahre 1999 und\n2002 das Milchlieferrecht ein abnutzbares Wirtschaftsgut dar (so allgemein\nauch Wendt in: Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, Kapitel 30 Rz. 18; v.\nSchönberg, DStZ 2001, 145 151; Wienroth, HLBS -Report, Heft 4/2000, S. 6, 13;\na. A. König, in: Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte,\nAbschnitt A Rz. 1476 d; Schmidt/ Seeger, EStG, 27. Aufl., § 13 Rz. 164;\nverneinend für das Zuckerrübenlieferrecht: Niedersächsisches FG, Urteil vom\n30. Dezember 2005 3 K 417/02, EFG 2006, 1052). Es handelt sich bei dem\nMilchlieferrecht nach der insoweit übertragbaren Rechtsprechung des\nBundesfinanzhofs zum Zuckerrübenlieferrecht (vgl. Urteil vom 24. Juni 1999 IV\nR 33/98, BFHE 189, 132, BStBl II 2003, 58) um ein so genanntes Recht von\n“unbestimmter Dauer”, bei dem zwar eine Gewissheit über das Ende, nicht aber\nüber den Zeitpunkt des Wegfalls besteht (vgl. ähnlich für die Tabakquote: FG\nRheinland-Pfalz, Urteil vom 11. April 2006 2 K 2607/04, EFG 2007, 21). Dies\nergibt sich aus den zwar zeitlich begrenzten, bislang jedoch immer wieder\nverlängerten europarechtlichen Verordnungen, die der bis 31. März 2000\ngeltenden nationalen Regelung der Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV) bzw.\nder danach geltenden Zusatzabgabenverordnung (ZusAbgV) bzw.\nMilchabgabenverordnung (MilchAbgV) zu Grunde lagen bzw. liegen. Die\nursprüngliche, die Milchreferenzmenge begründende VO (EWG) Nr. 856/84 des\nRates vom 31. März 1984 (Abl. Nr. L 090 vom 01. April 1984, S.10 ff.) war auf\nfünf aufeinanderfolgende Zwölfmonatszeiträume begrenzt. Diese Regelung, die\nzunächst für weitere fünf Jahre verlängert wurde, wurde von der Verordnung\n(EWG) Nr. 3950/1992 des Rates vom 28. Dezember 1992 (ABl. Nr. L 405 vom 31.\nDezember 1992, S. 1) abgelöst, die auf sieben Jahre begrenzt war. Diese wurde\nihrerseits durch die Verordnung (EG) Nr. 1256/1999 des Rates vom 17. Mai 1999\n(ABl. Nr. L 160 vom 26. Juni 1999, S. 73) für weitere 8 Jahre ab dem 01. April\n2000 verlängert. Damit lag aber auch zum Zeitpunkt der Streitjahre in jedem\nFall eine zeitliche Begrenzung der das Milchlieferrecht begründenden\neuroparechtlichen Vorschriften vor, auch wenn aufgrund möglicher\nVerlängerungen der Regelungen ein definitiver Zeitpunkt des Auslaufens des\nRechts nicht genau bestimmt werden konnte. Die jeweiligen zeitlichen\nBegrenzungen verdeutlichen auch, dass die Milchreferenzmenge als\nvorübergehendes Instrument zur Marktregulierung gedacht war und eines Tages\nentfallen sollte (vgl. v. Schönberg, DStZ 2001, 145, 151). Dies unterscheidet\nhinsichtlich der Frage der Abnutzbarkeit das Milchlieferrecht auch von den\nGüterfernverkehrskonzessionen, bei denen nach der Rechtsprechung des BFH eine\nNichtabnutzbarkeit angenommen wurde (vgl. Urteil vom 4. Dezember 1991 I R\n148/90, BFHE 166, 472, BStBl II 1992, 383; Urteil vom 14. Januar 1993 IV R\n73/91, BFH/NV 1993, 525). Denn im Gegensatz zu den zeitlich begrenzten\nRegelungen im Bereich des Milchmarktes ergingen die einschlägigen Verordnungen\nim Bereich des innergemeinschaftlichen Güterkraftverkehrs als endgültige\nRegelung, so dass die hierzu ergangene Rechtsprechung nicht übertragbar ist\n(vgl. BFH, Urteil vom 24. Juni 1999 IV R 33/98, BFHE 189, 132, BStBl II 2003,\n58). Zum Zeitpunkt des jeweiligen Streitjahres war auch nicht mit immer neuen\nVerlängerungen zu rechnen, so dass von einer faktischen Garantie nicht\nausgegangen werden konnte. Zwar wurde mit der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des\nRates vom 28. Dezember 1992 die ursprüngliche Regelung aus dem Jahr 1984 um\nweitere sieben Jahre verlängert und sodann mit der Verordnung (EG)\nNr.1256/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 noch einmal ab dem 01. April 2000 für\nweitere acht Jahre verlängert. Gleichzeitig heißt es jedoch in Art. 3 der o.\ng. Verordnung (EG) Nr. 1256/1999 des Rates vom 17. Mai 1999, dass der Rat sich\nverpflichte, im Jahr 2003 auf der Grundlage eines Berichts der Kommission eine\nHalbzeitbewertung mit dem Ziel vorzunehmen, die gegenwärtige Quotenregelung\nnach dem Jahr 2006 auslaufen zu lassen. Es war daher zu diesem Zeitpunkt zum\neinen von einem zeitlich begrenzten Recht und zum anderen nicht mit stets\nweiter folgenden Verlängerungen der gesetzlichen Grundlagen des\nWirtschaftsguts “Milchlieferrecht” auszugehen, auch wenn sodann mit der\nVerordnung (EG) Nr. 1788/ 2003 des Rates vom 29. September 2003 (ABl. L 270\nvom 21. Oktober 2003, S. 123) die Quotenregelung noch einmal ab 01. April 2004\nfür elf aufeinanderfolgende Zwölfmonatszeiträume verlängert wurde.\nEntsprechend wird auch von der Finanzverwaltung bei entgeltlich erworbenen\nMilchlieferrechten eine lineare Abschreibung - bezogen auf einen\nAbschreibungszeitraum von 10 Jahren - akzeptiert. Der von der Finanzverwaltung\ninsoweit zu Grunde gelegte und von dem Beklagten im Streitfall - bezogen auf\neine geringere Bemessungsgrundlage - auch angesetzte Abschreibungszeitraum von\n10 Jahren ist vor dem Hintergrund der oben beschriebenen zeitlichen\nBegrenzungen der rechtlichen Grundlagen des streitgegenständlichen\nWirtschaftsguts nicht zu beanstanden.\n\n \n\n25\n\n \n\nEntgegen der Auffassung des Beklagten und des BMF, die bei zugeteilten\nabgespaltenen Milchlieferrechten von einer nicht vorhandenen Abnutzbarkeit\ndieses Wirtschaftsguts ausgehen (vgl. Schriftsatz vom 06 April 2005 sowie\ndarin zitiertes Schreiben des BMF vom 28. Februar 2005 an den Hauptverband der\nlandwirtschaftlichen Buchstellen), kann die Frage der Abnutzbarkeit des\nWirtschaftsgutes jedoch nicht davon abhängen, ob es entgeltlich erworben\nwurde. Die Frage der Abnutzbarkeit des Milchlieferrechts ist vielmehr\nunabhängig von einer etwaigen Entgeltlichkeit seines Erwerbs allein nach den\noben genannten Kriterien für die Abnutzbarkeit eines immateriellen\nWirtschaftsguts zu beurteilen. Insoweit ist die Argumentation des Beklagten\nbereits auch in sich widersprüchlich: Wenn - wie der Beklagte geltend macht -\ndas zugeteilte und abgespaltene Milchlieferrecht nicht abnutzbar sein sollte\nund sich daran - wie er ebenfalls ausführt - auch durch die Überführung ins\nPrivatvermögen nichts ändern sollte, so wäre es aus der Sicht des Beklagten\ninkonsequent - wie vorliegend geschehen -, dennoch grundsätzlich von der\nMöglichkeit der Inanspruchnahme von AfA nach Überführung des Milchlieferrechts\nins Privatvermögen auszugehen, hierfür dann aber lediglich eine geringere\nBemessungsgrundlage (Entnahmegewinn) anzusetzen. Zu unterscheiden von der\nFrage der generellen Abnutzbarkeit des Wirtschaftsguts ist jedoch die Frage,\nob etwa auch im landwirtschaftlichen Betriebsvermögen eine AfA bei den\nzugeteilten und abgespaltenen Milchlieferrechten angesetzt werden kann oder ob\ndem ggf. das Aktivierungsverbot bei nicht entgeltlich erworbenen immateriellen\nWirtschaftsgütern des Anlagevermögens nach § 5 Abs. 2 EStG oder eine analoge\nAnwendung der auch für Teilwertabschreibungen geltenden (vgl. § 55 Abs. 6 Satz\n2 EStG) Verlustausschlussklausel entgegensteht. Dies kann aber im Streitfall\ndahinstehen. Denn jedenfalls führte eine etwaige mangelnde\nAbschreibungsmöglichkeit im Bereich des landwirtschaftlichen Betriebsvermögens\nnicht zu einer fehlenden Abschreibungsmöglichkeit auch bei den\nÜberschusseinkünften nach Überführung des Milchlieferrechts in das\nPrivatvermögen. Die Verlustausschlussklausel des § 55 Abs. 6 EStG findet - wie\nunter 4. näher dargelegt wird - bei der dem Streitfall zu Grunde liegenden\nKonstellation keine Anwendung. Auch ein etwaiges Aktivierungsverbot nach § 5\nAbs. 2 EStG stünde einer Besteuerung der stillen Reserven des\nMilchlieferrechts, der sich in diesem Fall sodann nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG\nergebenden Annahme einer Veräußerungsfiktion bei Betriebsaufgabe und der\ndaraus folgenden Heranziehung des gemeinen Werts des Milchlieferrechts als\nAfA-Bemessungsgrundlage nicht entgegen. Denn ungeachtet eines\nAktivierungsverbots wäre auch ein nicht entgeltlich erworbenes, sondern vom\nSteuerpflichtigen selbst hergestelltes immaterielles Wirtschaftsgut des\nAnlagevermögens bereits als Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut entstanden\nund kann Gegenstand einer Entnahme oder Veräußerung sein (vgl. BFH, Urteil vom\n24. Juni 1999 IV R 33/98, BFHE 189, 132; BStBl II 2003, 58).\n\n \n\n26\n\n \n\n3\\. Es liegt im Streitfall auch kein Ausnahmefall vor, bei dem nach der\nRechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 10. Mai 2007 IX R 6/06, HFR 2008, 225;\nvom 14. Dezember 1999 IX R 62/96, BFHE 190, 438, BStBl II 2000, 656 jeweils\nm.w.N.) - abweichend von dem Grundsatz der Heranziehung des gemeinen Werts als\nBemessungsgrundlage für die AfA nach Betriebsaufgabe - die ursprünglichen\nAnschaffungs- oder Herstellungskosten als Bemessungsgrundlage zu Grunde zu\nlegen sind. So sind nach der o. g. Rechtsprechung bei Überführung eines\nBetriebsgrundstücks in das Privatvermögen als künftige AfA-Bemessungsgrundlage\ndann weiterhin die ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten\nanzusetzen, wenn die stillen Reserven steuerlich nicht erfasst worden sind,\netwa wenn eine Betriebsaufgabe zunächst nicht als solche erkannt worden ist\nund die Veranlagung aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr geändert\nwerden kann oder wenn für das Jahr der Betriebsaufgabe Verjährung eingetreten\nist (vgl. BFH, Urteil vom 10. Mai 2007 IX R 6/06, HFR 2008, 225; vom 14.\nDezember 1999 IX R 62/96, BFHE 190, 438, BStBl II 2000, 656). In derartigen\nFällen können anlässlich der Betriebsaufgabe die Vorschriften über die\nAuflösung der stillen Reserven (§ 16 Abs. 3 EStG) nicht mehr angewendet\nwerden. Wenn aber die gesetzliche Fiktion eines Veräußerungsgeschäfts im\nEinzelfall tatsächlich nicht umgesetzt werden kann, entfällt die\nRechtfertigung für den Ansatz fiktiver Anschaffungskosten als künftige AfA-\nBemessungsgrundlage (vgl. BFH, Urteil vom 14. Dezember 1999 IX R 62/96, BFHE\n190, 438, BStBl II 2000, 656 m.w.N.). Aus denselben Gründen hat der BFH als\nAfA-Bemessungsgrundlage nicht den Teilwert im Zeitpunkt der Entnahme, sondern\ndie ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten herangezogen, wenn\nder Steuerpflichtige eine eigengenutzte, zum land- und forstwirtschaftlichen\nBetriebsvermögen gehörende Wohnung gemäß § 52 Abs. 15 Sätze 6 und 7 EStG in\nder Fassung des Wohnungseigentumsförderungsgesetzes (WohneigFG) vom 15. Mai\n1986 erfolgsneutral aus dem Betriebsvermögen entnommen und anschließend\nvermietet hat (BFH, Urteile vom 10. Mai 2007 IX R 6/06, HFR 2008, 225; vom 03.\nMai 1994 IX R 59/92, BStBl II 1994, 149 und vom 21. Juni 1994 IX R 24/92,\nBFH/NV 1995, 287). Beide Ausnahmefälle liegen hier jedoch nicht vor. Die in\ndem Milchlieferrecht liegenden stillen Reserven sind anlässlich der\nBetriebsaufgabe im Jahr 1997 steuerlich erfasst worden; § 16 Abs. 3 Satz 1\nEStG, der eine Veräußerungsfiktion begründet, fand insoweit Anwendung, so dass\nim Hinblick darauf der Ansatz fiktiver Anschaffungskosten in Höhe des gemeinen\nWerts des Milchlieferrechts als AfA-Bemessungsgrundlage gerechtfertigt ist. Es\nerfolgte auch nicht wie im Falle der zum land- und forstwirtschaftlichen\nBetriebsvermögen gehörenden Wohnung eine erfolgsneutrale Entnahme. Die\nVerlustausschlussklausel des § 55 Abs. 6 EStG schreibt lediglich für den Fall\nvon Verlusten bei Entnahme oder Veräußerung deren Nichtberücksichtigung vor,\nnicht jedoch, wie im vorliegenden Fall, die Nichtbesteuerung entsprechender\nBetriebsaufgabe bzw. Entnahmegewinne.\n\n \n\n27\n\n \n\n4\\. Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich die Notwendigkeit einer\nAbweichung von dem Grundsatz der Heranziehung des gemeinen Werts des\nabnutzbaren Wirtschaftsguts “Milchlieferrecht” als AfA-Bemessungsgrundlage\nnach Betriebsaufgabe auch nicht im Hinblick auf § 55 Abs. 6 EStG in der in den\nStreitjahren geltenden Fassung. Nach dieser Vorschrift sind Verluste, die bei\nder Veräußerung oder Entnahme von Grund und Boden i. S. des § 55 Abs. 1 EStG\nentstehen, bei der Ermittlung des Gewinns in Höhe des Betrages nicht zu\nberücksichtigen, um den der ausschließlich auf den Grund und Boden entfallende\nVeräußerungspreis oder der an dessen Stelle tretende Wert nach Abzug der\nVeräußerungskosten unter dem Zweifachen des Ausgangsbetrages liegt.\nEntsprechendes gilt bei Verlusten durch Teilwertabschreibung nach § 6 Abs. 1\nNr. 2 Satz 2 EStG (vgl. § 55 Abs. 6 Satz 2 EStG). Zwar ist nach der\nRechtsprechung des Bundesfinanzhofs dieses eigentlich nach dem Wortlaut des §\n55 Abs. 6 EStG nur für veräußerten oder entnommenen Grund und Boden geltende\nVerlustabzugsverbot auch entsprechend auf den für die Milchreferenzmenge\nabgespaltenen Buchwert anzuwenden (vgl. BFH, Urteil vom 24. August 2000 IV R\n11/00, BFHE 192, 547, BStBl II 2003, 64). Dieses Verlustabzugsverbot steht\njedoch hier der Heranziehung des gemeinen Werts als Bemessungsgrundlage für\ndie AfA im Rahmen der im Privatvermögen erfolgenden Verpachtung des\nMilchlieferrechts nicht entgegen. Nach dem Zweck des § 55 Abs. 6 EStG ist\ndieser eine konsequente Ergänzung zur pauschalen Wertermittlung des Grund und\nBodens nach § 55 Abs. 1 EStG. Die Verlustausschlussklausel soll verhindern,\ndass es zum Ansatz von Buchverlusten kommt, d. h. von Verlusten, die nicht auf\neine tatsächliche Vermögenseinbuße zurückgehen, sondern auf der möglicherweise\nzu hohen pauschalen Wertermittlung des Grund und Bodens beruhen (vgl. BFH,\nUrteil vom 24. August 2000 IV R 11/00, BFHE 192, 547, BStBl II 2003, 64). Nach\nAuffassung des BFH kann es auch auf den für die Milchreferenzmenge\nabgespaltenen Buchwert, dem die pauschalen Wertansätze zu Grunde lagen,\nzutreffen, dass ein mit diesem zusammenhängender Buchverlust möglicherweise\nnicht auf einer tatsächlichen Vermögenseinbuße beruht (vgl. BFH, Urteil vom\n24. August 2000 IV R 11/00, BFHE 192, 547, BStBl II 2003, 64). Angesichts\ndessen kann der oben beschriebene Zweck der Verlustausschlussklausel daher\nauch insoweit Geltung beanspruchen, als die Vorschrift für das vom pauschal\nbewerteten Grund und Boden abgespaltene Milchlieferrecht entsprechende\nAnwendung findet. Ausgehend von diesem Zweck der Verlustausschlussklausel\nsowie von deren Voraussetzungen ist jedoch nicht ersichtlich, dass auch eine\nentsprechende Anwendung dieser Norm auf die geltend gemachte AfA nach\nÜberführung des immateriellen Wirtschaftsguts “Milchlieferrecht” in das\nPrivatvermögen geboten ist. Dagegen spricht bereits, dass es sich vorliegend\nweder um Verluste aus einer Entnahme oder Veräußerung (vgl. § 55 Abs. 6 Satz 1\nEStG) des abgespaltenen Milchlieferrechts noch um eine Teilwertabschreibung\n(vgl. § 55 Abs. 6 Satz 2 EStG i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG) handelt,\nsondern um Werbungskosten im Bereich der Überschusseinkünfte. § 55 Abs. 6 EStG\nist auch - wie sich aus der gesamten Norm des § 55 EStG, insbesondere aus § 55\nAbs. 1 EStG ergibt - lediglich auf zum Anlagevermögen gehörenden Grund und\nBoden im Bereich der Gewinneinkunftsarten anzuwenden. Entsprechendes muss dann\nauch für die analoge Anwendung des § 55 Abs. 6 EStG auf den für das\nMilchlieferrecht abgespaltenen Buchwert gelten. Eine Anwendung der\nVerlustausschlussklausel im Bereich der hier streitgegenständlichen\nÜberschusseinkünfte sieht die Norm dagegen nicht vor; eine solche Auslegung\nwürde sich auch vom Wortlaut der Vorschrift weit entfernen. Auch der Zweck der\nNorm des § 55 Abs. 6 EStG gebietet eine solche, weit über den Wortlaut\nhinausgehende Anwendung der Vorschrift nicht. Denn die Klägerin macht im\nStreitfall mit dem Ansatz der AfA für das vom Buchwert des Grund und Bodens\nabgespaltene Milchlieferrecht keine im Zusammenhang mit einem möglicherweise\nzu hoch angesetzten pauschalen Buchwert stehende Buchverluste geltend. Die AfA\nrichtete sich nach der hier vertretenen Auffassung vielmehr nach dem gemeinen\nWert des Milchlieferrechts im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe, so dass die\nAnerkennung der geltend gemachten AfA - mangels Zusammenhang mit einem\nmöglicherweise zu hoch angesetzten pauschalen Buchwert und u. U. daraus\nresultierenden, nicht tatsächlichen Vermögenseinbußen entsprechenden Verlusten\n- auch nicht dem Zweck der Verlustausschlussklausel widerspricht. Einen von\ndem Beklagten angenommenen Zweck des § 55 Abs. 6 EStG, generell Buchverluste\nzu verhindern, und zwar unabhängig davon, ob sie auf dem u. U. zu hoch\nangesetzten pauschalen Buchwert basieren oder andere Ursachen haben und\nunabhängig davon, ob sie dem Bereich des Privatvermögens zuzuordnen sind,\nlässt sich der Vorschrift des § 55 Abs. 6 EStG dagegen nicht entnehmen (vgl.\ndazu auch bereits BFH, Urteil vom 24. August 2000 IV R 11/00, BFHE 192, 547,\nBStBl II 2003, 64, wonach bspw. Wertminderungen des pauschal bewerteten Grund\nund Bodens trotz der Verlustausschlussklausel zu berücksichtigen seien, wenn\ndiese eindeutig auf eine rechtliche Verselbstständigung bodengebundener\nBefugnisse zurückzuführen seien). Vor diesem Hintergrund ist auch nicht\nerkennbar, inwiefern - wie der Beklagte unter Bezugnahme auf König in:\nFelsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, Abschnitt A, Rz.1476\ni meint - die Verlustausschlussklausel des § 55 Abs. 6 EStG bei der\nAnerkennung von AfA nach Überführung des Milchlieferrechts in das\nPrivatvermögen unterlaufen werden soll. Anknüpfungspunkt für die AfA-\nBemessungs-grundlage ist hier - wie oben bereits erwähnt - nicht der Buchwert,\nsondern der gemeine Wert. Zudem ist der Anwendungsbereich des § 55 EStG und\nmithin auch der Verlustausschlussklausel des § 55 Abs. 6 EStG auf\nGewinneinkunftsarten beschränkt. Die Tatsache, dass hier der gemeine Wert im\nZeitpunkt der Überführung in das Privatvermögen als Bemessungsgrundlage für\ndie AfA heranzuziehen ist, ist Folge der in § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG bestimmten\nVeräußerungsfiktion bei einer Betriebsaufgabe. Insoweit muss dieser Fall auch\nder Veräußerung des zugeteilten und abgespaltenen Milchlieferrechts an einen\nDritten gleichgesetzt werden, bei dem auch der Beklagte problemlos ein\nabnutzbares Wirtschaftsgut annimmt und die Anschaffungskosten (Kaufpreis) als\nBemessungsgrundlage für die AfA des Erwerbers heranzieht. Ob die Klägerin zu\ndem Zeitpunkt, als ihr das Milchlieferrecht zugeteilt wurde, hierfür\nAnschaffungskosten hatte, ist angesichts der Veräußerungsfiktion bei\nBetriebsaufgabe unerheblich. Im Übrigen ist - entgegen der Annahme des\nBeklagten - nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 24. Juni 1999, IV R\n33/98, BFHE 189, 132, BStBl II 2003, 58 am Ende, dort zum\nZuckerrübenlieferrecht) durchaus von einem Aufwand der Klägerin für das\nMilchlieferrecht, der sich in dem vom pauschal bewerteten Grund und Boden für\ndas zu einem eigenständigen Recht erstarkte Milchlieferrecht abgespaltenen\nBuchwert widerspiegelt, auszugehen. Denn - so der BFH - im Pauschalwert sei\ndie durch die Möglichkeit der Lieferrechte gesteigerte Ertragsfähigkeit des\nGrund und Bodens mitbewertet worden. Bei der Aufgabe oder Veräußerung eines\nBetriebs werde daher gedanklich ein Teil des Pauschalwerts **aufwandsmäßig**\ndurch die steuerpflichtige Veräußerung des zu einem selbstständigen\nWirtschaftsgut erstarkten Lieferrechts verbraucht.\n\n \n\n28\n\n \n\n5\\. Schließlich ergibt sich eine andere Bewertung auch nicht aus dem von dem\nBeklagten zur Stützung seiner Ansicht herangezogenen Urteil des\nBundesfinanzhofs vom 16. Oktober 1997 (IV R 5/97, BStBl II 1998, 185). Soweit\nim Leitsatz dieses Urteils ausgeführt wird, dass die Verlustausschlussklausel\ndes § 55 Abs. 6 EStG der Berücksichtigung der Wertminderung auch als\nWerbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung\nentgegenstehe, so war dies eine aus den Besonderheiten des dort\nstreitgegenständlichen Falls resultierende Folge. Damit wollte das Gericht -\nwie sich im einzelnen aus den Ausführungen in den Entscheidungsgründen ergibt\n- jedoch nicht zum Ausdruck bringen, dass grundsätzlich auch bei den\nEinkünften aus Vermietung und Verpachtung nach Überführung des nach § 55 Abs.\n1 EStG bewerteten Wirtschaftsguts aus dem landwirtschaftlichen\nBetriebsvermögen in das Privatvermögen § 55 Abs. 6 EStG Anwendung finde. In\ndem vom BFH entschiedenen Fall ergaben sich die Folgen der Anwendung der\nVerlustausschlussklausel des § 55 Abs. 6 EStG für die Einkünfte aus Vermietung\nund Verpachtung vielmehr lediglich mittelbar. Im dortigen Streitfall führte\nnämlich die Anwendung der Verlustausschlussklausel des § 55 Abs. 6 EStG dazu,\ndass eine eigentlich erforderliche Teilwertabschreibung nach § 55 Abs. 1 EStG\nbewerteter Flächen des landwirtschaftlichen Betriebsvermögens im Hinblick auf\neine durch Sandausbeute bewirkte Vermögensminderung nicht in Betracht kam.\nDadurch bedingt kam auch keine gewinnerhöhende entsprechende Entnahme in\nBetracht, die im Hinblick auf die außerbetriebliche Veranlassung der\nWertminderung des Grund und Bodens - nämlich zur Erzielung von Einkünften aus\nVermietung und Verpachtung - eigentlich geboten gewesen wäre. Denn - so der\nBFH - nach der gesetzlichen Vorschrift des § 55 Abs. 6 EStG hätte gerade keine\nVerminderung des Betriebsvermögens eintreten können. Da der Umfang der\nWerbungskosten bei den Einkünften aus VuV aber von der Höhe der Entnahme im\nBetriebsvermögen abhänge, konnten demnach auch keine Werbungskosten bei den\nEinkünften aus Vermietung und Verpachtung angesetzt werden. Die Anwendung des\n§ 55 Abs. 6 EStG erfolgte mithin auch im dort entschiedenen Streitfall\nlediglich im Bereich der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, was\nlediglich mittelbar - durch die aufgrund fehlender Entnahme nicht vorhandene\nBemessungsgrundlage für die AfA - zu der Nichtansetzbarkeit von Werbungskosten\nim Bereich der Einkünfte aus VuV führte. Dies ist aber mit dem vorliegenden\nFall nicht vergleichbar. Denn im Streitfall kann aufgrund der zur Anwendung\ngelangenden Veräußerungsfiktion des § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG durchaus auf den\ngemeinen Wert als Bemessungsgrundlage für die AfA abgestellt werden; die nach\nder Rechtsprechung des BFH geforderte entsprechende Anwendbarkeit der\nVerlustausschlussklausel des § 55 Abs. 6 EStG auch für das von pauschal\nbewertetem Grund und Boden abgespaltene Milchlieferrecht bewirkt im Streitfall\nkeinen Wegfall der Bemessungsgrundlage für die AfA im Rahmen der Einkünfte aus\nVuV.\n\n \n\n29\n\n \n\nDie Berechnung des danach jeweils festzusetzenden Betrages konnte der Senat\nauf das Finanzamt übertragen, weil die Ermittlung einen nicht unerheblichen\nAufwand erfordert (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).\n\n \n\n30\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus §§ 143, 135 FGO.\n\n \n\n31\n\n \n\nDie Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151\nAbs. 1 und 3 FGO i.V.m. 708 Nr. 11 und 711 ZPO.\n\n \n\n32\n\n \n\nDie Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung\nder Rechtssache zuzulassen.\n\n \n\n
104,687
vg-schwerin-2008-07-17-8-a-325104
490
Verwaltungsgericht Schwerin
vg-schwerin
Schwerin
Mecklenburg-Vorpommern
Verwaltungsgerichtsbarkeit
8 A 3251/04
2008-07-17
2018-11-24 03:30:19
2019-02-14 06:54:36
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\n \n\nDie Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.\n\n \n\nDas Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte\nhat vor Vollstreckung eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu\nvollstreckenden Betrages zu erbringen.\n\n#### Gründe\n\n1\n\n \n\n**Zum Sachverhalt:**\n\n2\n\n \n\nDie Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag für\ndie Wasserversorgungsanlage des Zweckverbandes Radegast.\n\n3\n\n \n\nSie ist Eigentümerin eines aus einem Flurstück bestehenden Grundstücks. Dieses\nwurde im Laufe des Jahres 1997 an die Trinkwasserversorgungsanlage\nangeschlossen. Nach Angaben der Klägerin war das Grundstück bereits vor 1989\nan eine Trinkwasseranlage angeschlossen.\n\n4\n\n \n\nMit Bescheid vom [...] zog die Beklagte die Klägerin - unter anderem gestützt\nauf die Wasserversorgungssatzung (WVS 2002) vom 29. April 2002 und die\nWasserbeitragssatzung (WBS 2002) vom 29. April 2002 des Zweckverbandes\nRadegast - zu einem Anschlussbeitrag für die Trinkwasserversorgungsanlage in\nHöhe von [...] heran. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens\nhat die Klägerin Klage erhoben, zu deren Begründung u.a. ausführt: Durch einen\nBeschluss der Verbandsversammlung sei die Trinkwassersatzung außer Kraft\ngesetzt worden. Hinsichtlich der Angaben im Kalkulationsgutachten der Fa.\nKUBUS werde bestritten, dass eine exakte Ermittlung des Anteils der Kredite\nfür Altanlagen bezüglich des Bereichs Trinkwasser vorgenommen worden sei. Die\ngenannten Zahlen beruhten lediglich auf Angaben des Zweckverbandes und würden\nbestritten. Zudem seien Schulden der mittlerweile aufgegebenen Gassparte des\nZweckverbandes mit Mitteln aus dem Bereich Trinkwasser beglichen worden. Ihr\nGrundstück sei schon vor 1990 an eine Trinkwasseranlage angeschlossen gewesen,\nweshalb die Heranziehung zum Anschlussbeitrag nicht möglich sei. Dies gelte\nauch, wenn nach einem Neubau ein weiterer Anschluss erfolge. Jedenfalls wäre\nnur der nunmehr angeschlossene Teil des Grundstücks heranzuziehen. Zudem sei\nsie auch deshalb nicht heranzuziehen, weil nach der bisherigen, auf einen\nBeschluss der Verbandsversammlung zurückgehenden Übung des Zweckverbandes,\nGrundstücke, die bereits vor der "Wende" angeschlossen gewesen seien, zu\nBeiträgen nicht herangezogen würden.\n\n5\n\n \n\nDie Beklagte tritt diesem Vorbringen entgegen und führt u. a. aus: Zutreffend\nsei, dass im Geschäftsjahr 2004 Fehlbeträge der Gassparte gegen das\nbilanzielle Eigenkapital der Trinkwassersparte verbucht worden sei. Das\nEigenkapital spiele bei der Kalkulation der Anschlussbeiträge keine Rolle.\nUnzutreffend sei, dass aus politischen Gründe von sog. Altanschließern keine\nBeiträge erhoben würden. Vielmehr werde derzeit die Flächenermittlung im\nBereich Trinkwasser überprüft. Es bestehe daher kein Anspruch auf\nGleichbehandlung. Der Zeitpunkt zur Erhebung des Beitrags könne durch die\nGrundeigentümer nicht beeinflusst werden. Innerhalb des Verjährungszeitraums\nstehe es in ihrem Ermessen, wann die Beiträge zu erheben seien.\n\n6\n\n \n\nWährend des gerichtlichen Verfahrens hat die Verbandsversammlung am 2. Juli\n2008 beschlossen, "den in der Sitzung vom 21.03.2002 gefassten Beschluss über\ndie Beitragssatzung Trinkwasser für von Anfang an ungültig, für null und\nnichtig, zu erklären". Wegen der Einzelheiten wird auf den beglaubigten Auszug\naus der 16. Sitzung der Verbandsversammlung und den diesbezüglichen Antrags\ndes Bürgermeisters der Gemeinde Badow vom 24. Mai 2008 verwiesen. Mit\nSchreiben vom 9. Juli 2008 hat die Beklagte gegen den Beschluss Widerspruch\ngemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern\nerhoben.\n\n7\n\n \n\nDie Klage blieb ohne Erfolg.\n\n8\n\n \n\n**Aus den Entscheidungsgründen:**\n\n9\n\n \n\n[...]\n\n10\n\n \n\nErmächtigungsgrundlage für die Festsetzung der Beiträge ist die Satzung des\nZweckverbandes Radegast über die Erhebung von Beiträgen und Kostenersatz für\ndie Wasserversorgung (Wasserbeitragssatzung) vom 29. April 2002 (WBS 2002).\nDer Beitrag ist für das klägerische Grundstück entsprechend den Vorgaben der\ngenannten Satzung zutreffend festgesetzt worden (dazu nachfolgend 1.). Die\nSatzung ist nach wie vor geltendes Recht, steht mit höherrangigem Recht im\nEinklang und ist daher rechtswirksam (nachfolgend 2.). Auch als\n"Altanschließerin" hat die Klägerin den Beitrag zu zahlen (nachfolgend 3.).\nDies gilt auch, wenn andere "Altanschließer" (bislang) nicht herangezogen\nworden sein sollten (nachfolgend 4.) Der Beitragsanspruch des Zweckverbandes\nRadegast ist auch nicht verjährt (nachfolgend 5.).\n\n11\n\n \n\n1\\. Die Beklagte hat entsprechend den Vorgaben ihrer Wasserbeitragssatzung\n2002 den Beitrag zutreffend festgesetzt.\n\n12\n\n \n\n[...]\n\n13\n\n \n\nb) Unabhängig von der später zu erörternden Altanschließerproblematik war die\nBeklagte auch gehalten, die gesamte Fläche des Grundstücks zu veranlagen.\nMaßgebend ist im (leitungsgebundenen) Beitragsrecht der bürgerlich-rechtliche\nGrundstücksbegriff. Danach ist Grundstück der katastermäßig abgegrenzte Teil\nder Erdoberfläche, der auf einem besonderen oder einem gemeinschaftlichen\nGrundblatt unter einer besonderen Nummer im Verzeichnis der Grundstücke\nerfasst ist (vgl. Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern [OVG M-V] vom\n10. Oktober 2007 - 1 L 256/06 - "Volkswerft", zit. nach juris, Rn. 21 mwN;\nUrt. der Kammer vom 27. Juni 2008 - 8 A 1654/06 -, S. 4; näher Aussprung, in:\nAussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, [Stand: Mai 2007], § 7 Erl. 13.1 mwN.). Da\ndas klägerische Grundstück nach Aktenlage aus einem Flurstück besteht und sich\naus einer Gesamtschau der beitragsrechtlichen Bestimmungen (vgl. §§ 7 Abs. 2\nSatz 1, Abs. 6, § 9 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 und Abs. 4 des Kommunalabgabengesetz\nMecklenburg-Vorpommern [KAG M-V]) ergibt, dass für die Beitragserhebung\nVorteile grundsätzlich für das jeweilige (gesamte) Grundstück maßgebend sind,\nkommt eine beitragsrechtliche Aufteilung des Grundstücks in einen\naltangeschlossenen und einen neuangeschlossenen Teil - wie es der Klägerin\noffenbar vorschwebt - nicht in Betracht.\n\n14\n\n \n\n2\\. Die dem angegriffenen Bescheid zugrundeliegende Wasserbeitragsatzung des\nZweckverbandes Radegast vom 29. April 2002 ist im Ergebnis nicht zu\nbeanstanden. Insbesondere enthält sie die in § 2 Abs. 1 Satz 1 des\nKommunalabgabengesetzes (KAG M-V) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12.\nApril 2005 (GVOBl. S. 146) erforderlichen Mindestbestandteile.\n\n15\n\n \n\na) Die Beitragssatzung ist nicht durch den im Tatbestand wiedergegebenen\nBeschluss der Verbandsversammlung vom 2. Juli 2008 aufgehoben oder sonst außer\nKraft gesetzt worden.\n\n16\n\n \n\naa) Bei dem Erlass von Satzungen handelt es sich um Rechtsetzungen der\nvollziehenden Gewalt (vgl. BVerfG, Urt. v. 14. Juli 1959 - 2 BvF 1/58 - zit.\nnach juris Rn. 39 f.; Urt. v. 9. Mai 1972 - 1 BvR 518/62 - u. a., zit. nach\njuris Rn. 103 mwN; Urt. v. 22. November 1983 - 2 BvL 25/81 -, zit. nach juris\nRn. 30; Meyer, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2002, Rn. 142 mwN). Eine Satzungen ist\nmithin materielles Gesetz. Sie kann nur mit einer weiteren formgerechten\nSatzung als sog. actus contrarius aufgehoben oder geändert werden. Die\nAufhebung der Wasserbeitragssatzung 2002 muss daher nach Maßgabe der §§ 154, 5\nAbs. 4 Satz 6 KV M-V i. V. m. §§ 2 ff. KV-DVO - wie der Erlass der Satzung\nselbst - insbesondere veröffentlicht werden (so auch OVG Schleswig-Holstein,\nBeschl. v. 18. Mai 1999 - 2 L 185/98 - zit. nach juris LS und Rn. 24 ff. mwN;\nGlaser, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung der\nKommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern [KV M-V], 3. Aufl. 2005,\n§ 5 Rn. 3; ferner Nr. 8.1 und Nr. 8.2.1 der Hinweise und Empfehlungen für den\nErlass kommunaler Abgabensatzungen des Innenministeriums Mecklenburg-\nVorpommern vom 31. August 1998 [Amtsbl. M-V S. 1135]). Eine abweichende\nSichtweise widerspräche den sich aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs.\n3 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Grundsätzen der Rechtssicherheit und\nRechtsklarheit (dazu auch BVerfG, Urt. v. 22. November 1983, aaO, Rn. 36). Mit\nden genannten Vorschriften wäre es unvereinbar, die Aufhebung einer\nOrtssatzung durch einfachen Beschluß der Vertretung (Verbandsversammlung) für\nausreichend zu erachten.\n\n17\n\n \n\nDas von der Vertretung (Zweckverbandsversammlung) erlassene Satzungsrecht\nbindet als formgemäß gesetztes autonomes Recht auch das zur Satzungsgebung\nbefugte Organ selbst. Diese Bindung kann nur durch eine Aufhebungssatzung\nüberwunden werden, die den Anforderungen der § 5 KV M-V i. V. m. § 2 ff. KV-\nDVO entspricht. Der kommunale Aufgabenträger und seine Organe sind im Rahmen\nder kommunalen Selbstverwaltung - wie jede Verwaltung - an Gesetz und Recht\ngebunden ist (vgl. Art. 70 Abs. 1 Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern\n[Verf. M-V]; Art. 28 Abs. 2, 20 Abs. 3 GG). Dies schließt die Pflicht zur\nBeachtung auch der Verfahrensvorschriften beim Erlass oder der Aufhebung\n(untergesetzlichen) Satzungsrechts ein. Die Einhaltung dieser\nVerfahrensvorschriften steht nicht zur Disposition des Aufgabenträgers oder\nseiner Organe. Dementsprechend kann ein (politischer) Wille der zuständigen\nOrgane des Zweckverbandes Radegastes, (bisher) bestehendes Satzungsrecht außer\nKraft zu setzen, nur und erst dann rechtliche Geltung beanspruchen, wenn alle\ndafür vorgesehenen verfahrensrechtlichen Erfordernisse erfüllt sind. Daran\nfehlt es hier (vgl. auch OVG Schleswig-Holstein, aaO, Rn. 26 f. mwN).\n\n18\n\n \n\nbb) Zudem handelt es sich bei dem Beschluss vom 2. Juli 2008 um keinen\nSatzungsbeschluss. Vielmehr wird in dessen Tenor nicht die\nWasserbeitragssatzung aufgehoben, sondern der Beschluss über die\nWasserbeitragssatzung aus dem Jahr 2002 für unwirksam erklärt. Im Übrigen ist\nder Beschluss mit Blick auf die Begründung des Bürgermeisters der Gemeinde\nBadow auch unklar, weil es danach um die Aufhebung der Satzung gehen soll,\nweil (künftig) auf ein privatrechtliches System bei der Erhebung der Entgelte\numgestellt werden soll und es daher keiner Beitragssatzung mehr bedürfe. Der -\nallein maßgebende - Tenor verhält sich dazu aber nicht.\n\n19\n\n \n\ncc) Darüber hinaus hat die beklagte Verbandsvorsteherin dem Beschluss nach\nMaßgabe des § 33 Abs. 1 Satz 1 der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern\n(KV M-V) mit der Folge der aufschiebenden Wirkung (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 4 KV\nM-V) widersprochen. Wegen dieser Vollzugshemmung darf der Beschluss deshalb\nderzeit nicht ausgeführt werden (vgl. näher Gentner, in:\nDarsow/Gentner/Glaser/Meyer, KV M-V, § 33 Rn. 8).\n\n20\n\n \n\nb) In materieller Hinsicht ist allerdings darauf hinzuweisen, dass - wie das\nGericht bereits in seinem Urteil vom 21. Mai 2008 - 8 A 2429/05 - (S. 7 ff.)\ndargelegt hat - die Eckgrundstücksregelung innerhalb der\nTiefenbegrenzungsvorschrift des § 5 Abs. 2 d) der nach dem Vorstehenden\nformgültigen Wasserbeitragssatzung 2002 mit dem Vorteilsprinzip des Art. 3\nAbs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar ist. Danach ist bei Grundstücken im\nunbeplanten Innenbereich und im Außenbereich (§§ 34, 35 des Baugesetzbuches\n[BauGB]) die bevorteilte Grundstücksfläche im Sinne des § 5 Abs. 1 WBS 2002\n\n21\n\n \n\n"die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksgrenze und einer im\nAbstand von 40 m dazu verlaufenden Parallelen; liegt das Grundstück an\nmehreren Straßen, so ist die Tiefenbegrenzung von jeder Grundstücksseite, die\neiner Straße zugewandt ist, zu ermitteln; gemeinsame Schnittflächen werden nur\neinmal berücksichtigt".\n\n22\n\n \n\naa) Eine grundsätzliche Regelung, wonach bei Grundstücken, die teilweise im\nunbeplanten Innenbereich und teilweise im Außenbereich liegen, nur die Fläche\nzwischen der jeweiligen Straßengrenze und der in einem Abstand von 40 m dazu\nverlaufenden Parallele berücksichtigt wird, ist rechtlich nicht zu\nbeanstanden. Nach dem vom Beklagten vorgelegten Kartenmaterial zur\nFlächenerfassung, scheint diese pauschalierte Betrachtungsweise den örtlichen\nVerhältnissen im gesamten Verbandsgebiet durchaus zu entsprechen. Insbesondere\nist nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern\ndie Berücksichtigung einer sogenannten übergreifenden Bebauung bei der\nFestlegung der zur Beitragsbemessung heranzuziehenden Grundfläche eines\nGrundstücks rechtlich sogar geboten (vgl. OVG M-V, Urt. v. 2. Juni 2004 - 4 K\n38/02 -, zitiert nach juris, Rn. 110 ff. m. w. N).\n\n23\n\n \n\nbb) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet in diesem Zusammenhang die\nRegelung über die Tiefenbegrenzung bei Grundstücken, die an mehreren Straßen\nliegen (sog. Eckgrundstücksregelung). Danach ist bei Grundstücken, die an\nmehreren Straßen belegen sind, die Tiefenbegrenzung von jeder der Straße\nzugewandten Grundstücksseite über die gesamte Grundstücksbreite anzusetzen. Da\ndie Beitragsbemessung nach Vorteilsgesichtspunkten zu erfolgen hat, wäre eine\nderartige Regelung rechtmäßig, wenn dem Beitragspflichtigen eines solchen\nGrundstücks aufgrund der Belegenheit an mehreren Straßen in jedem Fall ein\nbeitragsrelevanter Vorteil entstehen würde. Dieser Vorteil kann allein in\neiner gegebenenfalls erhöhten baulichen Ausnutzbarkeit des Grundstücks liegen.\nBeitragsrechtlich ist es für den Beitragspflichtigen eines derartigen\n"Eckgrundstücks" nämlich unerheblich, ob er möglicherweise von verschiedenen\nStraßenseiten aus mit einem Trinkwasseranschluss (oder Abwasserkanal) versehen\nwerden kann. Die damit maßgebliche baurechtliche Betrachtungsweise für den\nbeitragsrelevanten Vorteil ergibt jedoch, dass allein die Tatsache der\nBelegenheit des Grundstücks an mehreren Straßen keine erhöhte baurechtliche\nAusnutzbarkeit ergibt. Erst wenn alle anliegenden Straßen dem gegebenenfalls\ndem betreffenden überlangen oder -tiefen Grundstück einen entsprechenden\nBebauungszusammenhang vermitteln, entsteht ein weitergehender Vorteil. Führt\nhingegen eine Straße am Grundstück entlang mit der Folge in den Außenbereich,\ndass der Bebauungszusammenhang im vorderen Bereich des Grundstücks endet, so\nvermittelt die Lage des Grundstücks an der Straße dem Beitragspflichtigen\nkeinen weitergehenden Vorteil bezüglich der Ausnutzbarkeit des Grundstücks.\n\n24\n\n \n\nDass derartige Konstellationen durchaus häufiger vorkommen, lässt sich dem von\nder Kammer in Einsicht genommenen Kartenmaterial des Beklagten zur\nFlächenerfassung unzweifelhaft entnehmen. Zudem muss auf die Kategorie des\nöffentlichen Weges im Sinne des Straßen- und Wegerechts Mecklenburg-Vorpommern\nabgestellt werden. Legt man diese Definition zugrunde, so ist ersichtlich,\ndass immer wieder in Bereichen mit Tiefenbegrenzungsregelung Straßen oder auch\nunbefestigte öffentliche Wege zwischen Grundstücken in den Außenbereich\nführen, also diesen anliegenden Grundstücken keinen weitergehenden\nBebauungszusammenhang und damit keine vergrößerte bauliche Nutzbarkeit\nvermitteln. Aufgrund der Satzungsregelung, die allein auf die Lage des\nGrundstücks an mehreren Straßen abstellt, sind diese Grundstücke dennoch nach\nder Tiefenbegrenzungsregelung des § 5 Abs. 2 d) WBS 2002 mit einer größeren\nBeitragsfläche zu veranschlagen, als benachbarte Grundstücke, die allein an\nder vorderen Straße liegen. Hierfür ist ein unter Vorteilsgesichtspunkten\nsachliches Differenzierungskriterium nicht ersichtlich. Zwar hat ausweislich\ndes Kartenmaterials die Beklagte in derartigen Grundstückssituationen\naugenscheinlich die Eckgrundstücksregelung nicht angewendet. Dies belegt aber\nindiziell lediglich, dass ein derartiges Ergebnis bei Erlass der Regelung auch\nnicht gewollt gewesen ist. Maßgebend ist dennoch der durch Auslegung nicht\nweiter einzuschränkende Wortlaut der Regelung, wonach in derartigen Fällen, d.\nh. einer Belegenheit des Grundstücks an mehreren Straßen, ohne dass diese\nSituation eine zusätzliche Bebaubarkeit des Grundstücks eröffnet, eine\ngegenüber dem Normalfall weitergehende Beitragsveranlagung gebietet.\n\n25\n\n \n\nDa eine Tiefenbegrenzungsregelung als Abweichung vom Buchgrundstücksbegriff\nihre Rechtfertigung allein in dem Gesichtspunkt der notwendigen\nVerwaltungsvereinfachung findet, mag es zweifelhaft erscheinen, ob eine\n"Eckgrundstücksregelung" der vorgenannten Art überhaupt notwendig ist. Wenn\nder Satzungsgeber sich jedoch für eine derartige differenzierende\nBetrachtungsweise entscheidet, die zur Folge hat, dass gerade nicht in\npauschalierter Weise die beitragsfähige Fläche nach metrischen Angaben\nbestimmt werden kann, so darf eine derartige Ausnahmeregelung unter\nVorteilsgesichtspunkten wiederum nur besondere Ausnahmefälle außer Acht\nlassen, die auch unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung bei der\nBetrachtung gerade dieser Grundstückskategorie vernachlässigungswert ist. Dass\ndies vorliegend der Fall wäre, kann jedoch bei Betrachtung des Kartenmaterials\nzur Flächenerfassung nicht festgestellt werden. Es ist in keiner Weise\nerkennbar, dass in der Regel bei Grundstücken, die an mehreren Straßen liegen,\njede dieser Straßen dem Grundstück aufgrund eines Bebauungszusammenhangs eine\nweitergehende bauliche Nutzbarkeit vermittelt. Wenn aber Anhaltspunkte für\neine derartige Pauschalierung nicht gegeben sind und die Ausnahmeregelung\nohnehin dazu führt, dass derartige Eckgrundstücke einer genaueren Betrachtung\nder Beitragsfläche unterzogen werden müssen, so muss unter Vorteils- und\nGleichheitsgesichtspunkten gegebenenfalls eine derartige Regelung so gestaltet\nwerden, dass sie den tatsächlichen zusätzlichen beitragsrelevanten Vorteil\nderartiger Grundstücke in etwa abbildet (so bereits die Kammer im Urt. v. 30.\nJanuar 2008 - 8 A 803/07 -, S. 8 ff. [n. v.]).\n\n26\n\n \n\ncc) Die sich daraus ergebende Nichtigkeit der Eckgrundstücksregelung in § 5\nAbs. 2 d) WBS 2002 führt indessen nicht zur Nichtigkeit der gesamten\nWasserbeitragssatzung. Nach den in § 139 BGB und § 44 Abs. 4 VwVfG M-V\nniedergelegten Rechtsgrundsätzen ist ein Rechtsakt nicht insgesamt unwirksam,\nwenn die Unwirksamkeitsgründe einen abgrenzbaren Teil erfassen und feststeht,\ndass der übrige Rechtsakt gegebenenfalls auch ohne diesen Teil erlassen worden\nwäre. Dies ist bei der hier behandelten Vorschrift anzunehmen. Sie betrifft\nnur die Eckgrundstücke im Verbandsgebiet. Es ist anzunehmen, dass die an sich\nsinnvolle und unter Umständen gebotene Tiefenbegrenzungsregelung auch ohne die\nEckgrundstücksbestimmung erlassen worden wäre.\n\n27\n\n \n\nc) Soweit die Klägerin die Kalkulation des Beitragssatzes beanstandet, ist dem\nnicht zu folgen:\n\n28\n\n \n\naa) Zunächst hat [...] die Beklagte die Kalkulation nach Maßgabe des § 2 Abs.\n3 KAG M-V insoweit berichtigt, soweit Erschließungsverträge in der Kalkulation\nkostenmäßig berücksichtigt worden sind, der Zweckverband diese Anlagen jedoch\nunentgeltlich vom Erschließungsträger übernommen hat. Der nunmehr ermittelte\nhöchstzulässige Beitragssatz liegt mit 1,21 (netto) immer noch über den in § 6\nWBS festgesetzten Beitragssatz von 0,89 Euro. Diese nachträgliche Änderung der\nKalkulation führt gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 KAG M-V weder zur Unwirksamkeit der\nAbgabensatzung noch ist die Vertretungskörperschaft mit ihr zu befassen.\n\n29\n\n \n\nbb) Auch ansonsten sind keine durchgreifenden Zweifel dargelegt worden noch\nsind solche sonst ersichtlich, dass der (höchstzulässige) Beitragssatz\nfehlerhaft kalkuliert worden ist. Dieser ist deshalb eine tragfähige Grundlage\nfür die Ermessensentscheidung der Verbandsversammlung hinsichtlich des\nDeckungsgrades bei der Anlagenfinanzierung durch Beitragserhebung.\n\n30\n\n \n\nDies gilt insbesondere für die Aufwandsseite der Kalkulation. Erhaltene und\nerwartete Zuschüsse sind ausweislich der vorliegenden Kalkulation ebenso\naufwandsmindernd als "Abzugskapital" berücksichtigt worden wie Kostenanteile\nfür die Herstellung der Zentralanlagen des Zweckverbandes Radegast, die auf\ndie Nutzung durch andere Verbände (Trinkwasserversorgungsverband Sude-Schaale\nund Zweckverband Schweriner Umland) entfallen.\n\n31\n\n \n\ncc) Soweit die Klägerin moniert, die Angaben auf Seite [...] des\nKalkulationsberichts der Firma KUBUS bezüglich der Verteilung der Altschulden\nder übernommenen Anlage beruhe auf Angaben des Zweckverbandes, ist nicht zu\nersehen, dass dieser Gesichtspunkt die Kalkulation fehlerhaft machen kann.\nDenn es ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die\nAngaben fehlerhaft mitgeteilt oder übernommen worden sind. Einfaches\nBestreiten der im Gutachten gemachten Angaben genügen nicht.\n\n32\n\n \n\ndd) Mit dem Vortrag, Fehlbeträge der Gassparte seien zu Lasten der\nTrinkwassersparte gegangen und hätten sich auf die Höhe des kalkulierten\nBeitrages ausgewirkt, kann die Klägerin gleichfalls nicht durchdringen:\n\n33\n\n \n\nLaut § 3 Abs. 1 d) der Verbandssatzung war der Zweckverband Radegast\nbeauftragt, die Gassparte "abzuwickeln". Daher mussten bei der endgültigen\nAufgabe der Gassparte dort noch vorhandene Kredite bilanztechnisch\nabschließend erfasst werden. Dies hat zur Übernahme der Restkredite der\nGassparte in Höhe von 605.000 Euro (des "negativen Eigenkapitals") durch die\nTrinkwassersparte im Jahre 2004 (vgl. Prüfungsbericht über Jahresabschluss und\nLagebericht, Geschäftsjahr 2004, S. 35, 39 sowie Gewinn- und Verlustrechnung,\nAnlage VIII, Seite 5) geführt. Die Klägerin verkennt mit ihrer Kritik hieran,\ndass dieser Vorgang nur das Eigenkapital der Trinkwassersparte betrifft, nicht\naber die Kalkulation des Anschlussbeitrages.\n\n34\n\n \n\nGemäß dem in § 8 Abs. 2 KAG 1993 (= § 9 Abs. 2 KAG M-V) niedergelegten\nAufwandsüberschreitungsverbotes ist bei der Kalkulation des Anschlussbeitrages\nfür leitungsgebundene Anlagen der Aufwand nach den tatsächlich entstandenen\nund zu erwartenden Kosten unter Berücksichtigung von Leistungen und Zuschüsse\nDritter zu ermitteln. Nach der Legaldefinition des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V\nsollen Anschlussbeiträge zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung und die\nHerstellung der öffentlichen Einrichtung erhoben werden. Zum Aufwand im\nbeitragsrechtlichen Sinn gehören daher neben dem Aufwand im\nbetriebswirtschaftlichen Sinn, also dem Wert sämtlicher in einem bestimmten\nZeitraum verbrauchter Güter und Dienstleistungen (vgl. Duden - Wirtschaft von\nA - Z, 2. Aufl. 2004, Stichwort: Aufwand, Aufwendungen) auch Investitionen,\nalso die Verwendung finanzieller Mittel zum Erwerb materieller Güter (vgl.\nDuden, aaO, Stichwort: Investition). Mithin sind sämtliche Investitionskosten\nbei der Kalkulation des Anschlussbeitrags zu berücksichtigen (vgl. näher\nQuaas, Kommunales Abgabenrecht, 1998, Rn. 108 ff.; Sensburg/Maslaton,\nAbgabenrecht in der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte 2007, S. 147).\nIndessen waren bei der abgewickelten Gassparte nur noch Restkredite vorhanden\n(vgl. Prüfbericht, S. 35, 39); die Gassparte bestand insoweit nur noch aus\nFremdkapital, das aber nichts mit der Kalkulation des Trinkwasserbeitrags zu\ntun hat. Deshalb kann sich im vorliegenden Fall das Fremdkapital der Gassparte\nnicht in der Kalkulation des Trinkwassers niedergeschlagen haben. Zudem stammt\ndie Umbuchung aus dem Jahr 2004, die Kalkulation indessen aus dem Jahr 2002,\nso dass auch in zeitlicher Hinsicht die Kalkulation nicht mehr betroffen sein\nkann.\n\n35\n\n \n\n3\\. Soweit die Klägerin vorträgt, das Grundstück habe bereits vor der "Wende"\neinen Trinkwasseranschluss besessen, weshalb eine Beitragsheranziehung\ngenerell unzulässig sei, verweist das Gericht zunächst auf die Ausführungen\nder Kammer im Beschluss vom 7. April 2005 - 8 B 206/05 - (S. 8 ff. unter II.\n1e)). Dort hat die Kammer unter Hinweis auf Entscheidungen des\nOberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (u. a. grundlegend: OVG M-V,\nBeschl. v. 21. April 1999 - 1 M 12/99 -, zit. nach juris Rn. 18 ff. sowie Urt.\nv. 13. November 2001 - 4 K 16/00 -, zit. nach juris Rn. 58 ff.; ferner Beschl.\nv. 21. August 2004 - 1 M 181/03 - (n.v.) sowie Urt. v. 2. Juni 2004 - 4 K\n38/02 -, zit. nach juris Rn. 78 m. zahlr. Nachw., ständ. Rechtspr.)\nausführlich dargelegt, dass und weshalb bei der Beitragserhebung aus\nRechtsgründen nicht zwischen Alt- und Neuanschließern differenziert werden\ndarf. Daran wird festgehalten und bedarf zur Vermeidung unnötiger\nWiederholungen auch keiner gesonderten Darstellung mehr.\n\n36\n\n \n\n4\\. Die Klägerin macht weiter geltend, auf Grundlage eines Beschlusses der\nVerbandsversammlung würden bis zur endgültigen Klärung derzeit von sog.\nAltanschließern keine Beiträge erhoben werden. Sie sei die einzige\nAltanschließerin, die entgegen dem genannten Beschluss und damit\ngleichheitswidrig zu Anschlussbeiträgen herangezogen würde. Auch dies führt\ndie Klage nicht zum Erfolg. Dabei muss das Gericht nicht abschließend klären,\nob die Verbandsversammlung des Zweckverbandes Radegast tatsächlich einen\nsolchen Beschluss gefasst hat. Ein solcher Beschluss, sollte er gefasst worden\nsein, dürfte rechtswidrig sein (dazu nachfolgend a), entfaltet nur intern\nWirkung, so dass sich die Klägerin auf ihn nicht berufen könnte (b) und führt\nauch im Übrigen nicht dazu, dass die Veranlagung der Klägerin rechtswidrig\nwäre (c).\n\n37\n\n \n\na) Sollte ein Beschluss der Verbandsversammlung vorliegen, wonach\n"Altanschließer" vorläufig nicht veranlagt werden dürfen, wäre dieser formell\nund materiell rechtswidrig. Die Beitragsveranlagung ist ein Geschäft der\nlaufenden Verwaltung, das gemäß §§ 159 Abs. 5 Satz 3, 38 Abs. 3 Sätze 2 und 3\nKV M-V ausschließlich dem Verbandsvorsteher obliegt. Nach der gesetzlichen\nDefinition zählen hierzu unter anderem gesetzlich gebundene Entscheidungen\n(vgl. Bielenberg, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, KV M-V, § 159 Rn. 7; ferner\nDarsow, aaO, § 38 Rn. 18; Meyer, aaO, § 115 Rn. 8). Da nach der\nBeitragssatzung Wasser 2000 Beiträge bei Vorliegen der dort beschriebenen\nVoraussetzungen zwingend zu erheben sind, also kein Ermessensspielraum gegeben\nist, gehören Entscheidungen über die Beitragserhebung in die ausschließliche\nZuständigkeit des Verbandsvorstehers (deutlich für den Bürgermeister und\nLandrat: Meyer, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2002, Rn. 444; vgl. ferner Rn. 676 für\nden Verbandsvorsteher). Die vorliegenden Beitragssatzung ist ein materielles\nGesetz aus der sich im Übrigen ein Differenzierung zugunsten der\n"Altanschließer" nicht ergibt. Daher wäre ein solcher Beschluss auch in\nmaterieller Hinsicht rechtswidrig. Die Verbandsversammlung ist an den Inhalt\nder Satzung gebunden (vgl. bereits oben unter 2 a) aa)) und kann dessen\nAnwendung nicht durch einfachen Beschluss für eine bestimmte Gruppe von\nBeitragspflichtigen ausschließen. Im Übrigen ist die Frage der\nbeitragsrechtlichen Behandlung von "Altanschließern" rechtlich durch die oben\nzitierte Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern\nabschließend geklärt.\n\n38\n\n \n\nbb) Der Beschluss der Verbandsversammlung bindet gemäß § 159 Abs. 5 Satz 2 KV\nM-V lediglich die beklagte Verbandsvorsteherin intern. Die Klägerin kann sich\ndeshalb mangels Klagebefugnis (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO) nicht darauf berufen,\ndass sie entgegen dem - angeblichen - Beschluss herangezogen worden ist. Der\nBeschluss hat insofern keine drittschützende Wirkung.\n\n39\n\n \n\ncc) Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf den\nGleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) berufen, weil sie - angeblich - die einzige\nsei, die im Verbandsgebiet als "Altanschließerin" herangezogen worden ist.\nArt. 3 Abs. 1 GG gibt dem Einzelnen keinen Anspruch auf eine Gleichbehandlung\nim Unrecht bzw. auf Fehlerwiederholung (dazu allgemein BVerfG, Beschl. v. 17.\nJanuar 1979 - 1 BvL 25/77 - , zit nach juris, Rn. 59; BVerwG, Urt. v. 26.\nFebruar 1993 - 8 C 20/92 - zit nach juris, Rn. 14 mwN). Die Berufung auf\nrechtswidrig behandelte Parallelfälle ist irrelevant, zumal es im vorliegenden\nFall um die Anwendung zwingenden Rechts geht.\n\n40\n\n \n\n5\\. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Beitragsanspruch des\nZweckverbandes Radegastes auch nicht gemäß § 12 KAG 1993 bzw. § 12 Abs. 2 KAG\nM-V in Verbindung mit §§ 169 ff. AO verjährt. Danach galt bzw. gilt eine\nFestsetzungsfrist von vier Jahren. Diese Frist beginnt nach § 170 Abs. 1 AO\nmit Ablauf des Jahres, indem die Abgabe (abstrakt) entstanden ist. Nach § 8\nAbs. 7 Satz 2 KAG 1993 war dies der Zeitpunkt der Anschlussmöglichkeit des\nGrundstücks an die Anlage, frühestens mit Inkrafttreten der ersten\nBeitragssatzung. Die Frist beginnt nach Auffassung des Oberverwaltungsgericht\nMecklenburg-Vorpommern, welcher das Gericht folgt (vgl. Urt. v. 21. Mai 2008 -\n8 A 2429/05 - S. 11), erst mit Inkrafttreten der ersten wirksamen\nBeitragssatzung (vgl. nur OVG M-V, Beschl. v. 27. Januar 2006 - 1 M 60/06 -\nzit. nach juris Rn. 8, weitere Nachweise bei Aussprung, NordÖR 2005, 240 [246\nFn. 43]), nicht hingegen mit der Veröffentlichung einer (Vorgänger-) Satzung\nmit formellem Geltungsanspruch.\n\n41\n\n \n\na) Das Grundstück der Klägerin ist im Laufe des Jahres 1997 an die\nTrinkwasseranlage angeschlossen worden. Damit hätte die Festsetzungsfrist\ngemäß § 170 Abs. 1 1. Alt. AO frühestens zum 1. Januar 1998 zu laufen beginnen\nund am 31. Dezember 2002 enden können. Indessen ist die Wasserbeitragssatzung\n2002 die erste wirksame Satzung des Zweckverbandes Radegast. Das Gericht hat\nin seinem den Beteiligten bekannten Urt. vom 21. Mai 2008 - 8 A 2429/05 - (S.\n12 ff.) unter Berufung den Beschluss vom 4. Mai 2006 - 8 B 773/05 -\nausgeführt, dass die gemäß § 21 am 1. Januar 1999 in Kraft getretene\nBeitragssatzung vom 14. Dezember 1998 schon deshalb nichtig ist, weil die in §\n6 [Beitragsmaßstab] Abs. 3 Buchstabe g) der Satzung enthaltene Privilegierung\nfür die dort genannten - unbebauten oder mit einem Gebäude mit einem\nVollgeschoss mit bis zu zwei Wohneinheiten bebauten, über 800 m² großen -\nGrundstücke weder mit dem in § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG statuierten Vorteilsprinzip\nnoch mit dem Grundsatz der Abgabengerechtigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar\nist. Sie hält sich auch nicht mehr im Rahmen des Ermessens des Satzungsgebers\nbei der Wahl des Abgabenmaßstabs. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz,\ndass bei großen Flächen der beitragsrelevante Vorteil nicht proportional mit\nder Fläche wächst, vielmehr muss unter Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten\ndavon ausgegangen werden, dass jedes Grundstück für jeden Quadratmeter\nGrundfläche in gleicher Weise einen Vorteil von der Einrichtung hat (vgl.\nAussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-\nVorpommern [Stand: Mai 2007], § 7 Erl. 9.1.2).\n\n42\n\n \n\nb) Die Beitragssatzungen aus den Jahren 1996 und 1997 waren wegen der dortigen\nRegelungen in § 3 unwirksam. Danach soll die Beitragspflicht mit dem Abschluss\nder Maßnahme(n) entstehen, die für die Herstellung, (Erneuerung) sowie den\nAus- oder Umbau der Wasserversorgungsanlage oder von Teileinrichtungen\nerforderlich sind und die den Anschluss des Grundstückes an die\nWasserversorgungsanlage ermöglichen. Der mit diesen Regelungen offensichtlich\ngewählte Zeitpunkt der endgültigen Herstellung der Wasserversorgungsanlage\n(Gesamtanlage) dürfte irgendwann in der Zukunft liegen, wenn überhaupt eine\nsolche Anlage je endgültig fertiggestellt ist. Zudem ist diese Regelung mit §\n8 Abs. 7 Satz 2 und 3 KAG 1993, der sowohl für Schmutzwasser- als auch für\nTrinkwasseranschlussbeiträge gilt, unvereinbar. Nach dieser Sondervorschrift\nentstand die sachliche Beitragspflicht - neben dem zusätzlichen Erfordernis\neiner wirksamen Satzung - bereits, sobald das Grundstück an die öffentliche\nEinrichtung angeschlossen werden kann und nicht erst - abweichend von der\nBestimmung in § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG 1993 - mit der Fertigstellung der\nGesamtanlage. Mit der Ausnahmevorschrift des § 8 Abs. 7 Satz 3 KAG 1993,\nwonach die Satzung - datumsmäßig - einen späteren Zeitpunkt bestimmen konnte,\nist nach Auffassung der Kammer keine Ermächtigungsgrundlage für den\nSatzungsgeber geschaffen worden, das Entstehen der sachlichen\nBeitragspflichten abweichend von der grundstücksbezogenen Anschlussmöglichkeit\nfür alle Beitragsfälle von der Fertigstellung der (Gesamt-)Anlage abhängig zu\nmachen und insoweit auf einen ungewissen Zeitpunkt in der Zukunft zu\nverlagern. Dies hätte für die Beitragsverpflichteten die erheblich belastenden\nund ihnen daher nicht zumutbaren Folge, dass das Beitragsverhältnis auf lange\nZeit in der Schwebe gehalten würde (vgl. auch OVG NW, Urteil vom 31. Oktober\n1984 - 2 A 1156/84 -, OVGE 37, 188 [189 ff.]). Im Übrigen verweist das Gericht\nbezüglich der Frage der Festsetzungsverjährung ergänzend auf seinen Beschluss\nvom 7. April 2005 im zugehörigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - 8\nB 205/05 - (S. 12 ff. unter II. 3.).\n\n43\n\n \n\n[...]\n\n
104,881
olgrost-2008-05-30-1-u-3608
483
Oberlandesgericht Rostock
olgrost
Mecklenburg-Vorpommern
Oberlandesgericht
1 U 36/08
2008-05-30
2018-11-24 06:30:22
2019-02-11 05:56:45
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\nDie Berufung der Beklagten gegen das am 15.08.2007 verkundete Urteil des\nLandgerichts Stralsund - Az.: 7 O 115/04 - wird auf ihre Kosten\nzuruckgewiesen.\n\n \n\nStreitwert der Berufung: 6.124.848,07 €.\n\n#### Grunde\n\n \n\n**A.**\n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nGegenstand des Rechtsstreits ist das Begehren der Klager auf Leistung\nruckstandiger Dienstbezuge und die Feststellung der Unwirksamkeit der ihnen\naußerordentlich gekundigten Dienstverhaltnisse. Die Beklagte ihrerseits macht\nim Wege der Widerklage Schadensersatzanspruche wegen von ihr behaupteter\nDienstpflichtverletzungen geltend.\n\n2\n\n \n\nDer Klager zu 1. war seit dem 01.01.1991 als Vorstand bei der Beklagten tatig,\nder Klager zu 2. seit dem 01.05.1993. Der Erstgenannte und die Beklagte\nschlossen unter dem 01.10.2002 einen Vertrag, mit dem der Klager zu 1. fur\neinen Zeitraum von weiteren 2 Jahren bis zum 31.12.2004 als Mitglied des\nVorstandes der Beklagten angestellt wurde. Als Vergutung sollte der Klager zu\n1. gemaß § 5 Abs. 1 des Vertrages jahrlich einen Grundbetrag in Hohe von\n69.024,36 €, eine marktbezogene Zulage in Hohe von 23.265,84 €, eine\nVorstandszulage in Hohe von 17.253,- € und eine Aufwandsentschadigung in Hohe\nvon 8.282,88 € erhalten. Der Klager zu 2. und die Beklagte vereinbarten unter\ndem 09.09.2002 eine Fortsetzung des Vertragsverhaltnisses als Vorstand fur\neinen Zeitraum von weiteren 4 Jahren bis zum 30.04.2007. Zur Vergutung kamen\ndie Parteien uberein, dass dem Klager zu 2. gemaß § 5 Abs. 1 des Vertrages\njahrlich einen Grundbetrag in Hohe von 69.024,36 €, eine marktbezogene Zulage\nin Hohe von 23.265,84 €, eine Vorstandszulage in Hohe von 8.626,56 € und eine\nAufwandsentschadigung in Hohe von 4.141,44 € zustehen sollte. Die Gesamtbezuge\nder Klager waren monatlich im Voraus in 12 Monatsraten zu zahlen.\n\n3\n\n \n\nIm Jahre 2003 (konkret seit dem Monat Marz) prufte der Ostdeutsche Sparkassen-\nund Giroverband den Jahresabschluss der Beklagten fur das Jahr 2002. Mit\nSchreiben vom 27.06.2003 teilte der Verband der Bundesanstalt fur\nFinanzdienstleistungsaufsicht, dem Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern\nsowie der Deutschen Bundesbank (u.a.) mit, dass sich nach dem Zwischenstand\nder Prufung Anmerkungen zur Vermogens-, Finanz- und Ertragslage der Beklagten\nergaben, die i.S.d. § 29 Abs. 3 KWG die Entwicklung der Beklagten wesentlich\nbeeintrachtigen konnten. Durch Schreiben vom 10.07.2003 unterrichtete das\nFinanzministerium Mecklenburg-Vorpommern den Vorstand der Beklagten uber das\nVorliegen einer Anzeige nach § 29 Abs. 3 KWG und forderte diesen zur Abgabe\neiner Stellungnahme bis zum 17.08.2003 auf. Die Klager beantworteten das\nSchreiben am 04.08.2003. In der Verwaltungsratssitzung der Beklagten vom\n18.09.2003 berichtete der Klager zu 1., dass die Prufstelle eine Anzeige nach\n§ 29 Abs. 3 KWG habe erstatten mussen. Zugleich teilte er mit, dass die\nBundesanstalt fur Finanzdienstleistungsaufsicht eine Sonderprufung des\nKreditgeschafts der Beklagten angeordnet habe und der Vorstand der Beklagten\nvon der Deutschen Bundesbank fur den 04.11.2003 zu einem Aufsichtsgesprach\nnach Hamburg geladen worden sei. Im ubrigen erklarte der Klager zu 1., dass\nder Verwaltungsrat - ggf. in einer Sondersitzung - informiert werde, sobald\nweitergehende Erkenntnisse vorlagen.\n\n4\n\n \n\nMit Telefax vom 30.10.2003 erhielt der Vorstand der Beklagten vorab eine\nZusammenfassung der Feststellungen der Sonderprufung . Die Gesamteinschatzung\nder Prufer ging dahin, dass in den kommenden Jahren eine wesentliche\nVerbesserung der Ertragslage der Sparkasse nicht zu erwarten sei und die akute\nExistenzgefahrdung somit fortbestehe. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der\nSonderprufung wurde dem Vorsitzenden des Verwaltungsrates am 20.11.2003\nubermittelt.\n\n5\n\n \n\nAm 04.11.2003 fand in der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Hamburg\nein Treffen statt, an dem neben den Klagern u.a. Vertreter der Bundesbank, der\nBundesanstalt fur Finanzdienstleistungsaufsicht, des Ostdeutschen Sparkassen-\nund Giroverbandes und des Finanzministeriums Mecklenburg-Vorpommern\nteilnahmen. Mit Schreiben vom 13.11.2003 wandte sich das Finanzministerium\nMecklenburg-Vorpommern an den Vorsitzenden des Verwaltungsrates der Beklagten\nund berichtete uber die Ergebnisse der Zusammenkunft. Das Finanzministerium\nteilte insbesondere mit, es sei von allen Teilnehmern des Treffens konstatiert\nworden, dass weiterhin von einer Bestandsgefahrdung der Beklagten i.S.v. § 29\nKWG ausgegangen werden musse. Am 18.11.2003 forderte der Vorsitzende des\nVerwaltungsrates die Klager auf, bis zum 20.11.2003 schriftlich uber das\nAufsichtsgesprach vom 04.11.2003 zu berichten. In einer Tischvorlage vom\n19.11.2003 zur Verwaltungsratssitzung am 20.11.2003 erteilten die Klager den\nerbetenen Bericht. In der Verwaltungsratssitzung selbst erlauterten die Klager\nihren Bericht naher.\n\n6\n\n \n\nIn einer anschließenden (weiteren) Sitzung beschloss der Verwaltungsrat der\nBeklagten am 25.11.2003 den Widerruf der Bestellung der Klager zu 1. und 2. zu\nVorstandsmitgliedern sowie die Kundigung der mit den Klagern geschlossenen\nAnstellungsvertrage. Zugleich wurde der Vorsitzende des Verwaltungsrates\nermachtigt, die Anstellungsvertrage der Klager zu kundigen. Mit Schreiben\njeweils vom 27.11.2003 sprach der Verwaltungsratsvorsitzende namens der\nBeklagten gegenuber den Klagern die fristlose Kundigung ihrer\nAnstellungsvertrage aus wichtigem Grund aus. Zur Begrundung verwies er auf den\nBeschluss des Verwaltungsrates, in dem den Klagern mangelnde Eignung zur\nBewaltigung der Krise einer sanierungsbedurftigen Bank, Verletzungen der\nBerichtspflicht nach § 21 SpkG MV sowie Zweifel an der personlichen Eignung\nund Befahigung vorgeworfen wurden.\n\n7\n\n \n\nDie Klager haben in erster Instanz die Ansicht vertreten, die ausgesprochenen\naußerordentlichen Kundigungen seien bereits deshalb unwirksam, weil ihnen\nkeine Abmahnungen vorausgegangen seien. Des weiteren sei die Frist des § 626\nAbs. 2 BGB nicht eingehalten worden, da dem Verwaltungsrat der Beklagten die\nvermeintlichen Kundigungsgrunde seit langerer Zeit bekannt gewesen seien.\n\n8\n\n \n\nWeiter haben die Klager vorgetragen, den Verwaltungsrat der Beklagten uber\nalle wesentlichen Aspekte der wirtschaftlichen Lage der Beklagten rechtzeitig\nund pflichtgemaß informiert zu haben. Unabhangig davon sei dem Verwaltungsrat\nder Beklagten und insbesondere dessen Vorsitzenden die wirtschaftliche Lage\nder Beklagten stets bestens bekannt gewesen. Am 18.09.2003 habe es im Rahmen\nder Feststellung des Jahresabschlusses 2002 einen gut zweistundigen Vortrag\nder Prufungsstelle gegeben, welcher durch Folien unterlegt gewesen und allen\nMitgliedern des Verwaltungsrates in ausgedruckter Form zur Verfugung gestellt\nworden sei. In diesem an Deutlichkeit der Darstellung nicht zu uberbietenden\nVortrag sei die wirtschaftliche Situation der Beklagten offen und ruckhaltlos\nthematisiert worden. Im ubrigen konne auch den Monate vor Ausspruch der\nKundigung mit der Sparkasse ... gefuhrten Fusionsgesprachen entnommen werden,\ndass sich der Verwaltungsrat der Beklagten sehr wohl daruber im Klaren gewesen\nsei, dass die wirtschaftliche Leistungsfahigkeit der Beklagten eine\nEigenstandigkeit auf mittlere Sicht nicht weiter zugelassen habe.\n\n9\n\n \n\nDer Bericht der Klager uber das Aufsichtsgesprach vom 04.11.2003 in Hamburg\nhabe das Ergebnis dieses Gespraches exakt wiedergegeben. Über den Verlauf der\nUnterredung habe der Klager zu 1. den Verwaltungsratsvorsitzenden der\nBeklagten bereits anlaßlich einer Sitzung des Sparkassenzweckverbandes am\n05.11.2003 informieren wollen. Der Vorsitzende sei jedoch zu dieser Sitzung\nnicht erschienen. Auch zu einer Podiumsdiskussion am nachsten Tag sei er nicht\ngekommen. Am 06.11.2003 habe der Klager zu 1. das Gesprach vom 04.11.2003\naufgearbeitet und Unterlagen vorbereitet, die dann, aufgrund des dazwischen\nliegenden Wochenendes, erst am 10.11.2003 an die Verwaltungsratsmitglieder\nversandt worden seien; sie seien den Mitgliedern des Verwaltungsrats am\n11.11.2003 zugegangen. Am 12.11.2003 habe der Klager zu 1. erstmals\nGelegenheit gehabt, den Verwaltungsratsvorsitzenden direkt uber das Gesprach\nvom 04.11.2003 zu informieren.\n\n10\n\n \n\nDie Beklagte konne den Klagern nicht die alleinige Verantwortung fur die\nwirtschaftliche Lage der Sparkasse zuschieben, sie lasse unberucksichtigt,\ndass sie im Jahre 20002 insgesamt 53 Insolvenzen von zuvor guten und wichtigen\nKunden habe verkraften mussen. Diese Entwicklung habe sich im Jahre 2003\nfortgesetzt. Hinsichtlich der Kreditausfalle in den Jahren 2001 bis 2003 sei\ndarauf hinzuweisen, dass die jeweiligen Kreditengagements zuvor uber einen\nZeitraum von 4 bis 5 Jahren ordentlich gelaufen seien. Auch sei zu\nberucksichtigen, daß der Kreditausschuss der Beklagten wesentliche\nEntscheidungen der Klager ausdrucklich bewilligt habe. Es sei die allgemeine\nwirtschaftliche Talfahrt gewesen, die zu Kreditausfallen und Risikovorsorgen\ndurch Einzelwertberichtigungen gefuhrt hatte. Fur die Verluste im\nWertpapierbereich konnten die Klager außerdem schon deshalb nicht\nverantwortlich gemacht werden, weil die Fondsmanager der Beklagten bzw. der\njeweiligen Aktienfonds uber die Ausrichtung und das weitere Vorgehen der\neinzelnen Investmentfonds entschieden hatten. Pflichtwidrigkeiten auf dem\nGebiet der Personalpolitik seien den Klagern ebensowenig vorzuwerfen. Der\nVerwaltungsrat habe dem Vorstand unterhalb der Ebene betriebsbedingter\nKundigungen freie Hand zur Durchfuhrung personalkostenreduzierender Maßnahmen\ngegeben. Über den Abschluss der Vertrage, mit denen 88 Sparkassenmitarbeitern\nbei gleichzeitiger Arbeitszeit- und Gehaltskurzung eine Beschaftigungsgarantie\nbis zum 31.12.2007 eingeraumt wurde, sei der Vorsitzende des Verwaltungsrates\nvorab informiert worden. Selbst im Falle einer Fusion zweier Sparkassen sei es\nublich, den Mitarbeitern fur mindestens 24 Monate eine Beschaftigungsgarantie\nzu geben. Ein moglicher Personaluberhang konne zudem aus der Gruppe der\nMitarbeiter abgebaut werden, denen gegenuber kein Verzicht auf\nbetriebsbedingte Kundigungen erklart worden sei.\n\n11\n\n \n\nDie Klager haben erstinstanzlich zur erhobenen Widerklage die Rechtsansicht\nvertreten, diese sei unzulassig, da fur die Beklagte deren Vorstand und damit\nein in Prozessen gegen Vorstandsmitglieder unzustandiges Organ gehandelt habe.\nEine Genehmigung der Widerklageerhebung durch den Verwaltungsrat der Beklagten\nsei wirksam nicht erfolgt.\n\n12\n\n \n\nDie Beklagte hat vor dem Landgericht zur Verteidigung gegen die Klage\nbehauptet, die Klager seien zur Erfullung der ihnen ubertragenen Aufgaben als\nVorstand fachlich und personlich nicht mehr geeignet gewesen. Das\nBetriebsergebnis der Beklagten sei seit dem Jahre 2001 negativ gewesen. Der\nKlager zu 1. habe dem Verwaltungsrat der Beklagten den Ernst der Lage\nverschwiegen und diesen selbst dann noch nicht informiert, als nach Auffassung\nder Sparkassenaufsicht eine Bestandsgefahrdung gedroht habe. Bis zum Erhalt\ndes Schreibens des Finanzministeriums vom 13.11.2003 seien weder dem\nVorsitzenden des Verwaltungsrates noch dessen Mitgliedern etwas von einer\nBestandsgefahrdung oder gar einer akuten Gefahrdung bekannt gewesen. Zwar habe\nder Vorsitzende Kenntnis von dem Aufsichtsgesprach in Hamburg gehabt. Ihm sei\njedoch von beiden Klagern erklart worden, dass das Gesprach positiv verlaufen\nsei. Eine akute Bestandsgefahrdung sei mit keinem Wort erwahnt worden. Ein\nHinweis auf eine solche Gefahrensituation finde sich auch nicht in dem Bericht\nder Klager vom 19.11.2003. Der Bericht habe uber den wahren Inhalt des\nGespraches hinweggetauscht.\n\n13\n\n \n\nDie wesentliche Verschlechterung der Ertragslage der Beklagten sei dadurch\nentstanden, dass die Klager nicht die erforderliche Sorgfalt eines\nordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns hatten walten lassen. Insbesondere\nim Bereich des Wertpapiergeschaftes hatten sie die ihnen obliegenden\nSorgfaltspflichten außer Acht gelassen und damit die erheblichen Verluste der\nBeklagten zu vertreten. So hatten sie sich beim Erwerb von Aktien nicht an die\ndurch § 14 Abs. 2 Nr. 1 der Sparkassenverordnung vom 31.01.1997 gezogenen\nGrenzen gehalten. Danach hatten Aktien bis zu 50 % des nach § 10 KWG\nanerkannten haftenden Eigenkapitals erworben werden durfen. Zwar sei die\ngenannte Begrenzung in der seit dem 01.03.2000 geltenden Fassung der\nSparkassenverordnung nicht mehr enthalten. Ein vorsichtiger Kaufmann habe sich\naber weiterhin an diese Grenze zu halten gehabt. Die Klager hatten mit\nmundelsicheren Einlagen Wertpapiergeschafte getatigt, die ein hohes Risiko\nbeinhaltet hatten. Als die Kurse Hochstwerte erreicht hatten, seien die Aktien\nnicht veraußert worden. Als der Kursverfall begonnen habe, seien die Papiere\ndem freien Fall uberlassen worden. Zur Risikominimierung sei es demgegenuber\nublich, dem Fondsmanager vorzugeben, bei welchem Kurswert bei fallenden Kursen\ndie Aktien zu verkaufen seien.\n\n14\n\n \n\nDie Klager hatten die Grunde fur die Verluste in Wertpapiergeschaften\nverschleiert und den Verwaltungsrat nicht vollstandig und richtig informiert\nund somit uber die tatsachliche wirtschaftliche Situation Unklarheit entstehen\nlassen. Sie, die Klager, konnten sich nicht darauf berufen, den Verwaltungsrat\nmit den notwendigen Zahlen versorgt zu haben. Bei den Mitgliedern des\nVerwaltungsrates handele es sich nicht um ausgebildete Bankkaufleute mit dem\nWissen eines Sparkassenvorstandes, sondern in der Regel um berufsfremde\nMitglieder eines Aufsichtsgremiums. Zur Information des Verwaltungsrates uber\ndie schwierige Situation der Beklagten sei deshalb erforderlich gewesen, die\ntatsachliche Situation konkret zu beschreiben. Die Klager hatten die\ntatsachliche Situation aber beschonigt. Von der tatsachlichen Situation und\ndem der Kundigung letztlich zugrundeliegenden Vertrauensbruch der Klager habe\nder Vorsitzende des Verwaltungsrates erst am 14.11.2003 aufgrund des\nSchreibens der Sparkassenaufsicht vom 13.11.2003 Kenntnis erlangt. Der ubrige\nVerwaltungsrat habe hiervon noch wesentlich spater erfahren.\n\n15\n\n \n\nHinsichtlich der mit der Widerklage geltend gemachten Schadensersatzanspruche\nhat die Beklagte behauptet, die Klager hatten im Bereich der Kreditvergabe,\ndes Wertpapiergeschafts und der Personalpolitik Pflichtverletzungen begangen,\naus denen erhebliche Vermogensschaden - in Hohe von insgesamt 18.748.000,00 €\n\\- bei der Beklagten entstanden seien. Die Pflichtwidrigkeiten im Rahmen\neinzelner Kreditengagements hatten Ausfalle i.H.v. insgesamt 6.307.000,- €\nentstehen lassen. Im Wertpapiergeschaft seien von den Klagern Verluste i.H.v.\ninsgesamt 7.779.000,--€ zu vertreten. Der Bericht uber die Prufung des\nJahresabschlusses der Beklagten fur das Jahr 2000 habe per 31.12.2000 eine\nKursreserve in Hohe von 20,9 Mio. € ausgewiesen. Die Untatigkeit der Klager\nangesichts des Einbrechens der Aktienkurse im Jahre 2001 habe dazu gefuhrt,\ndass sich die Kurswertreserve per 31.12.2001auf 9,6 Mio. € verringert habe.\nDies habe die Klager indes nicht veranlasst, die Wertpapiere zu veraußern. Per\n31.12.2002 sei deshalb ein negativer Ergebnisbetrag von 7.779.000,00 €\nbegrundet worden. Ein weiterer Schaden im Umfang von 4.642.000,- € sei von den\nKlagerin durch verfehlte personalpolitische Maßnahmen verursacht worden. Auf\nder Grundlage eines Vorstandsbeschlusses vom 22.08.2003 seien von der Klagerin\nim November 2003 - unstreitig - mit 88 Sparkassenmitarbeitern Vertrage\ngeschlossen worden, die eine Arbeitszeit- und Gehaltskurzung bei\ngleichzeitiger Beschaftigungsgarantie bis zum 31.12.2007 zum Gegenstand\nhatten. Sie hat gemeint, die Klager hatten angesichts der bekannten\nwirtschaftlichen Situation der Beklagten keine so weitreichende\nPersonalbindung bis ins Jahr 2007 eingehen durfen. Bei den als Schadensersatz\ngeltend gemachten 4.642.000,00 € handele es sich um den Betrag, der der\nBeklagten im Rahmen einer Fusion mit der Sparkasse Vorpommern als\nPersonalrestrukturierungskosten wegen des Kundigungsschutzes und des damit\nentstehenden Personaluberhangs angelastet werde.\n\n \n\n**II.**\n\n16\n\n \n\nDas Landgericht hat den beiden Klagern erstinstanzlich Recht gegeben und ihnen\nzuerkannt, dass sie Anspruch auf Zahlung ihrer Dienstbezuge fur den Zeitraum\nDezember 2003 bis Oktober 2004 i.H.v. 110.842,05 € (Klager zu 1.) bzw. i.H.v.\n98.735,89 € (Klager zu 2.) haben; außerdem hat es festgestellt, dass die\nseitens der Beklagten gegenuber den Klagern ausgesprochenen Kundigungen\nunwirksam waren und an dem Fortbestand ihrer jeweiligen Anstellungsvertrage\nbis zum 31.12.2004 (Klager zu 1.) bzw. bis zum 30.04.2007 (Klager zu 2.)\nnichts zu andern vermochten. Weiter ist das Landgericht davon ausgegangen,\ndass die Beklagte verpflichtet ist, den Klagern samtliche Schaden zu ersetzen,\ndie diesen infolge der fristlosen Kundigungen ihrer (jeweiligen)\nDienstverhaltnisse entstanden sind (etwa durch Rufschadigung u.a.m.) oder noch\nkunftig entstehen und dass sie, die Klager, zudem Anspruch auf Versorgung\nentsprechend den Regelungen in ihren Anstellungsvertragen haben. Die im Laufe\ndes erstinstanzlichen Rechtsstreits von der Beklagten erhobene Widerklage\ni.H.v. insgesamt 18.748.000,00 € hat das Landgericht hingegen abgewiesen und\nsamtliche Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Begrundend hat das\nGericht erster Instanz im wesentlichen ausgefuhrt:\n\n17\n\n \n\n**1.** Die Klager seien vertraglich aufgrund eines jeweiligen Dienstvertrages\n(§ 611 Abs. 1 BGB) mit der Beklagten verbunden. Nach den diesbezuglichen\nAnstellungsverhaltnissen stunde ihnen fur die genannten Zeitraume und - ob der\nfestgestellten Unwirksamkeit der ausgesprochenen außerordentlichen Kundigungen\n- auch daruberhinausgehend, d.h. bis zum jeweiligen Ende des\nAnstellungsvertrages, ein Anspruch auf Gewahrung der vereinbarten Vergutung\nzu. Die erfolgten Kundigungen hatten nicht zur Beendigung der\nAnstellungsvertrage gefuhrt, da ein wichtiger Grund (§ 626 Abs. 1 BGB) fur die\nKundigung der Dienstverhaltnisse - ohne Einhaltung einer Kundigungsfrist -\nnicht vorgelegen habe. Eine solcher Grund sei nur anzunehmen, wenn dem\nDienstherrn bei Abwagung aller Umstande die Weiterbeschaftigung des\nDienstverpflichteten bis zum Ablauf der ordentlichen Kundigungsfrist nicht\nzuzumuten sei. Solches habe sich nicht feststellen lassen.\n\n18\n\n \n\nInsbesondere hatten die Klager (als damalige Vorstande) nicht die ihnen\nobliegende Berichtspflicht gegenuber dem Verwaltungsrat (als dem Aufsichts-\nund Kontrollorgan) uber die krisenhafte wirtschaftliche Situation der\nBeklagten im damaligen Zeitpunkt (2003) verletzt. Dem Verwaltungsrat (bzw.\nseinen Mitglieder) seien die fur eine "Bestandsgefahrdung" der Beklagten\nangefuhrten Umstande, die die Klager nach den Behauptungen der Beklagten\n"verschleiert" haben sollen, bereits zuvor bekannt gewesen; dem Verwaltungsrat\nseien insofern auch von den Klagern die zu dieser Wertung notwendigen\nInformationen und Fakten vorgetragen worden. In der Mehrzahl konne den von der\nBeklagten gegen die Klager erhobenen Vorwurfen (zu einer\nDienstpflichtverletzung) ohnehin schon deshalb nicht gefolgt werden, weil den\nKlagern noch bis in das Jahr 2001 hinein Entlastung in ihrer Tatigkeit als\nVorstanden der Beklagten erteilt worden sei. Der fur den Ausspruch einer\naußerordentlichen Kundigung im vorliegenden Fall vorausgesetzte Wegfall der\nfachlichen und personlichen Eignung der Klager konne eben deshalb gerade nicht\nangenommen werden. Denn die Klager seien bei der Beklagten seit 1991 bzw. 1993\nin ihrer jeweiligen Funktion als Vorstand tatig gewesen und hatten die ihnen\nubertragenen Aufgaben ganz offenbar - ob der ihnen erteilten Entlastung in der\nVergangenheit - zur Zufriedenheit der Beklagten erbracht.\n\n19\n\n \n\n**2.** Die Widerklage der Beklagten, gerichtet auf Schadensersatz i.H.v. knapp\n19 Mio. €, bleibe hingegen ohne Erfolg.\n\n20\n\n \n\nEs fehle - so das Landgericht - bereits daran, dass die notwendige\nBevollmachtigung der Prozessbevollmachtigten fur die von ihnen (im laufenden\nRechtsstreit) erhobene Widerklage nicht durch das zustandige\nEntscheidungsorgan - den Verwaltungsrat - in der verlangten Form - durch einen\nVerwaltungsratbeschluss - erteilt worden sei, so dass die Beklagte fur die\nWiderklage im Prozess nicht ordnungsgemaß vertreten worden sei. Der\nVorsitzende des Verwaltungsrates, zur damaligen Zeit der Oberburgermeister der\nHansestadt ..., H. L., habe - entgegen seinem tatsachlichen Auftreten - keine\nEinzelvertretungsmacht zur Erteilung der Vollmacht gehabt und durch den\nVerwaltungsrat sei (damals), wie die Beklagte einraume, ein entsprechender\nBeschluss nicht getroffen worden. In dem von der Beklagten vorgelegten\nBeschluss vom 11.10.2005 konne keine (nachtragliche) Genehmigung der\nProzessfuhrung zur Widerklage erkannt werden.\n\n21\n\n \n\nIm ubrigen - so hat es das Landgericht weiter ausgefuhrt - sei die Widerklage\nnicht nur unzulassig, sondern auch unbegrundet, da die den Klagern\nvorgehaltenen Pflichtverletzungen - a) zu verschiedenen Kreditgewahrungen mit\nungenugender Besicherung, aus denen der Beklagten (durch eingetretene\nAusfalle) ein Schaden von insgesamt etwa 6,3 Mio. € entstanden sein soll, b)\nzu risikobehafteten Wertpapiergeschaften mit einem Schaden von ca. 7,8 Mio. €\nund c) zu verfehlten Personalstrukturierungsmaßnahmen mit einem\nSchadensvolumen von ungefahr 4,65 Mio. € \\- nicht tatsachlich festgestellt\nwerden konnten. Eine Schadensersatzpflicht des Vorstandes (einer Sparkasse\noder Bank) komme immer erst dann in Betracht, wenn die Grenzen, in denen sich\nverantwortliches, am Unternehmenswohl orientiertes und auf sorgfaltiger\nErmittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln\nbewegen muss, deutlich uberschritten wurden, oder die Bereitschaft,\nunternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise uberspannt\nworden sei. Solches lasse sich den Klagern zu keinem einzigen der gegen sie\nerhobenen Vorwurfe vorhalten.\n\n \n\n**III.**\n\n22\n\n \n\nGegen diese Entscheidung gerichtet hat die Beklagte form- und fristgerecht\nBerufung eingelegt und diese auch rechtzeitig begrundet. In der\nBerufungsinstanz verfolgt die Beklagte die Abweisung der Klage weiter. Die\nWiderklage hat sie in ihrem Hauptantrag auf einen Schadensersatzbetrag von\nnunmehr 5,0 Mio. beschrankt, mit dem Hilfsantrag begehrt sie allerdings\nweiterhin die Verurteilung der Klager, Schadensersatz i.H.v. 18.748.000,00 €\nzu leisten.\n\n23\n\n \n\nZudem hat die Beklagte und Widerklagerin der Rechtsanwaltssozietat L. & S.,\nals ihren erstinstanzlich tatig gewordenen Prozessbevollmachtigten, sowie\nderen Gesellschaftern, der Rechtsanwaltin M. L. und dem Rechtsanwalt H. S.,\npersonlich den Streit verkundet, verbunden mit der Aufforderung, dem\nRechtsstreit auf Seiten der Beklagten beizutreten. Zur Begrundung ist\nausgefuhrt worden, fur den Fall, dass der Senat aus den von ihm angekundigten\nGrunden (dazu unter B.I.1.u.2.) die Berufung zuruckweise, stunden der\nBeklagten Regressanspruche gegen die Streitverkundeten - wegen der im\nZusammenhang mit der in erster Instanz erhobenen Widerklage entstandenen\nKosten - zu.\n\n24\n\n \n\nVon einem Beitritt zum Rechtsstreit haben die Streitverkundeten bis zum Erlass\ndieser Entscheidung Abstand gehalten.\n\n25\n\n \n\nZur Erganzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten\nParteischriftsatze nebst Anlagen sowie auf den Akteninhalt im ubrigen\nausdrucklich Bezug genommen.\n\n \n\n**B.**\n\n \n\n**I.**\n\n26\n\n \n\n**1.** Die Berufung war gemaß § 522 Abs. 2 ZPO zuruckzuweisen. Sie hat keine\nAussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).\n\n27\n\n \n\nDas Landgericht hat der Klage im Ergebnis richtig stattgegeben und die\nWiderklage zutreffend als unzulassig abgewiesen. Das Vorbringen zur Berufung\nfuhrt zu keiner anderen Beurteilung.\n\n28\n\n \n\n**2.** Mit Verfugung vom 20.02.2008 sind zu den fehlenden Erfolgsaussichten\ndes Rechtsmittels nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO folgende Hinweise erteilt\nworden:\n\n29\n\n \n\n"1. Die Berufung kann nur darauf gestutzt werden, dass das angefochtene Urteil\nauf einer Rechtsverletzung beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden\nTatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Da Beides nicht ersichtlich\nist, wird das Urteil voraussichtlich den Berufungsangriffen standhalten.\n\n30\n\n \n\nDer Senat folgt den uberwiegend zutreffenden Ausfuhrungen des Landgerichts in\nder angefochtenen Entscheidung und nimmt hierauf zur Vermeidung von\nWiederholungen Bezug.\n\n \n\n**A.**\n\n31\n\n \n\nDas Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begrundung die Unwirksamkeit\nder außerordentlichen Kundigungen der Beklagten vom 27.11.2003 gegenuber den\nKlagern festgestellt. Die zu 1. bis 8. des Urteilstenors ausgesprochene\nVerurteilung der Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden.\n\n \n\n**I.**\n\n32\n\n \n\nDie Klager behaupten, sie hatten dem (damaligen) Verwaltungsratsvorsitzenden\nder Beklagten, Herrn Oberburgermeister H. L., bei der von ihm betriebenen\nPrivatisierung der Sparkasse Hansestadt ... (im folgenden: SHS) im Wege\ngestanden. Durch die Kundigungen hatten sie aus der Sparkasse entfernt werden\nsollen. Die zur Begrundung der außerordentlichen Kundigung durch die Beklagte\nvorgebrachten Grunde seien konstruiert und unzutreffend.\n\n33\n\n \n\nDemgegenuber behauptet die Beklagte, die Klager hatten die dramatische Krise\nder SHS im Jahre 2003 gegenuber dem Verwaltungsrat verschleiert und diesen\ninsbesondere nicht zutreffend uber den Inhalt des Aufsichtsgesprachs vom\n04.11.2003 informiert. In dem Gesprach seien die Aufsichtsbehorden von einer\nakuten Bestandsgefahrdung der SHS ausgegangen.\n\n \n\n**II.**\n\n34\n\n \n\nDie außerordentlichen Kundigungen rechtfertigende Tatsachen liegen nicht vor.\n\n35\n\n \n\n**1.** Die Behauptung der Beklagten, die Klager hatten bewusst die\nexistenzgefahrdende Lage der SHS im Jahre 2003 verschleiert, ist nicht\nrichtig. Wie vom Landgericht zutreffend erkannt, war dem Verwaltungsrat\njedenfalls spatestens ab Anfang 2003 die schwierige, wenn nicht schon\nexistenzgefahrdende wirtschaftliche Situation der SHS bekannt. Hierauf deuten\ndie bereits zu diesem Zeitpunkt angestellten Fusionsuberlegungen, insbesondere\ndie Fusionsgesprache mit der Sparkasse R., aber auch die ganz erheblich\neingetretenen Verluste im Wertpapier- und Kreditgeschaft hin.\n\n36\n\n \n\nEin umfassender Einblick in die Vorgange Anfang 2003 ist dem Senat jedoch\ninsbesondere durch das Verhalten der Beklagten verwehrt. Diese tragt fur ihre\nBehauptung einer unzureichenden Informierung des Verwaltungsrates, die\nBeweislast. Zudem steht es in ihrem Interesse, bezuglich der mit der\nWiderklage erhobenen Schadensersatzanspruche durch ihren Sachvortrag dem Senat\nzumindest ein so vollstandiges Bild zu vermitteln, dass darauf eine\nVerurteilung gestutzt werden konnte. Gleichwohl hat die Beklagte, trotz\nwiederholter Antrage der Klager, nicht umfanglich die zur Beurteilung der im\nVerfahren anstehenden Fragen erforderlichen Unterlagen vorgelegt. Dies bezieht\nsich insbesondere auf die Protokolle der Sitzungen des Kreditausschusses, der\nVerwaltungsratssitzungen und des Anlageausschusses. Unabhangig von der Frage,\nob die Beklagte zur Vorlage dieser Unterlagen verpflichtet ist, haben die\nKlager sich mehrfach zu der von ihnen behaupteten ordnungsgemaßen Informierung\ndes Verwaltungsrates auf diese Unterlagen bezogen. Es hatte deshalb nahe\ngelegen, diese Behauptung der Klager durch Vorlage der Unterlagen zu\nentkraften.\n\n37\n\n \n\nLetztendlich kann fur die Kundigung die Vorlage weiterer Unterlagen\ndahinstehen, weil sich jedenfalls aus dem Protokoll der 57.\nVerwaltungsratssitzung vom 19.06.2003 und 58. Verwaltungsratssitzung vom\n18.09.2003 eine hinreichende Aufklarung uber die wirtschaftliche Situation der\nBeklagten ergibt. Der Senat nimmt zunachst Bezug auf den Wortlaut der beiden\nProtokolle. Zum Protokoll der 57. Verwaltungsratssitzung ist anzumerken, dass\ndarin in aller Deutlichkeit das schlechte wirtschaftliche Ergebnis der\nBeklagten dargestellt wird. Zudem wird der Verwaltungsrat uber die Risikolage\nim Wertpapiergeschaft und die Risikosituation im Kreditgeschaft informiert.\nDies gilt ebenfalls fur den Bericht zur aktuellen Entwicklung im\nFirmenkundengeschaft. Als Ergebnis und weitere Information zur Lage der\nBeklagten wird zudem ausgefuhrt, der Vorstand erwarte eine Sonderprufung der\nBundesanstalt fur Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). In kaum zu\nuberbietender Deutlichkeit ergibt sich die Nachhaltigkeit der Krisensituation\nder Beklagten aber aus dem Protokoll der 58. Verwaltungsratssitzung. Dort\nheißt es auszugsweise auf Bl. 3/4 des Protokolls:\n\n38\n\n \n\n"Als Auswirkungen des immensen Bewertungsbedarfes aus dem Wertpapier- und\nKreditgeschaft im Jahr 2002 mussten wir bekanntlich im großeren Umfang\nReserven heben. Das fuhrte dazu, dass unsere Prufungsstelle pflichtgemaß eine\nAnzeige nach § 29 Abs. 3 KWG wegen der Besorgnis einer Beeintrachtigung der\nkunftigen Entwicklung unseres Hauses an die Bundesanstalt fur\nFinanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erstatten musste.\n\n39\n\n \n\nDurchschriften der Anzeige gingen an die Deutsche Bundesbank, die\nSparkassenaufsicht und den Stutzungsfond des OSGV. Von allen Empfangern der\nAnzeige gibt es zwischenzeitlich unterschiedliche Reaktionen. Die BaFin hat\neine Sonderprufung nach § 44 Abs. 1 Satz 2 KWG des Kreditgeschaftes - unserer\ndreißig großten Engagements - angeordnet und mit der Prufung die\nWirtschaftsprufungsgesellschaft D. beauftragt. Die Prufung hat am 15.\nSeptember 2003 begonnen; Ende Oktober soll der Prufungsbericht vorliegen.\n\n40\n\n \n\nDie deutsche Bundesbank hat uns fur den 04. November 2003 zu einem\nAufsichtsgesprach nach Hamburg eingeladen. Vorab erhielten wir einen\nFragenkatalog, dessen Beantwortung durch Aufgabenteilung grundlich vorbereitet\nwird.\n\n41\n\n \n\nDie Sparkassenaufsicht erbat am 10. Juli 2003 zusatzliche Informationen zu\neinigen im Schreiben benannten Sachverhalten. In unserem Antwortschreiben vom\n04. August 2003 haben wir diese Informationen gegeben.\n\n42\n\n \n\nDer Stutzungsfond, vertreten durch den Prasidenten und den Geschaftsfuhrer\nunseres Verbandes, will gleichfalls mit dem Verwaltungsratvorsitzenden und dem\nVorstand ein Gesprach fuhren. Das Gesprach sollte am 14. Oktober 2003 in\nStralsund stattfinden. Es muss allerdings wegen terminlicher Überschneidungen\nzwischen dem Oberburgermeister (Vorsitzender des Verwaltungsrates) und dem\nVerband neu terminiert werden.\n\n43\n\n \n\nDie Koordination und Vorbereitung zu den genannten Aktivitaten sind außerst\nzeitaufwendig. Die investierte Zeit fehlt uns am Markt, das heißt fur das fur\nuns existentielle Geschaft. Über die Ergebnisse werden wir berichten.\n\n44\n\n \n\nSicher ist, dass ein erneuter Bewertungsbedarf im Kreditgeschaft 2003 in der\nGroßenordnung des Jahres 2002 von 9.948 TEUR zu einem Verbrauch auch unserer\nletzten noch i. H. v. 5.140 TEUR bestehenden Reserven fuhren wurde. Das hatte\nzudem zur Folge, dass der externe Druck sich ins unertragliche steigern und\nggf. auch zu personellen Konsequenzen fuhren konnte. Das gilt es zu\nvermeiden."\n\n45\n\n \n\nNach dem Inhalt dieser Verwaltungsratssitzung, der durch das Protokoll\nfestgehalten ist, war fur den Verwaltungsrat eine existenzgefahrdende\nSituation des Kreditinstitutes feststellbar. Insoweit ist zusatzlich auf den\nWortlaut des § 29 Abs. 3 KWG hinzuweisen. Danach wird als Grund fur die\nhiernach vorzunehmende Anzeige, neben weiteren Tatbestanden, ausdrucklich\nangegeben, dass eine solche Anzeige zu erfolgen habe, wenn Tatsachen bekannt\nwerden, welche den Bestand des Institutes gefahrden. Die Kenntnis der\nvorgetragenen Tatsachen, ggf. im Zusammenhang mit dem Wortlaut der Bestimmung\ndes § 29 Abs. 3 KWG, mussten deshalb den Verwaltungsrat auf eine\nBestandsgefahrdung schließen lassen.\n\n46\n\n \n\nDie Auffassung der Beklagten, trotz dieser Informationen habe sich fur den\nVerwaltungsrat kein zutreffendes Bild, insbesondere auf eine\nBestandsgefahrdung schließen lassendes, vermittelt, verkennt offenbar die\nAnforderungen, die an die Sachkunde eines Verwaltungsratsmitgliedes einer\nSparkasse und seine Kompetenz zur Ausfullung der dem Verwaltungsrat\nubertragenen Aufgaben zu stellen sind. Die Übernahme eines\nVerwaltungsratsmandates setzt Sachkunde voraus. Die Sachkunde entspricht der\neines ordentlichen und gewissenhaften Überwachers in einem Kreditinstitut\neigener Pragung. Notwendig sind dafur allgemeine wirtschaftliche Erfahrungen,\nGrundkenntnisse der Sparkassengeschafte samt deren Risiken und des allgemeinen\nOrganisationsablaufs, ferner allgemeine Kenntnisse des Sparkassen- und\nBankaufsichtsrechts (vgl. Schlierbach, Das Sparkassenrecht in der\nBundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., Seite 181). Die\nVerwaltungsratsmitglieder mussen diejenigen Mindestkenntnisse und -fahigkeiten\nbesitzen oder sich aneignen, die notwendig sind, "um alle normalerweise\nanfallenden Geschaftsvorgange ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht\nbeurteilen zu konnen" (BGHZ 85, 293, 295 f. [fur den Aufsichtsrat einer AG]).\nDie Einschaltung von Außenstehenden, etwa als standige Berater zur Erledigung\nvon Vorbereitungsarbeiten fur Verwaltungsratssitzungen, ist unzulassig.\nDarunter wurde nicht nur die Vertraulichkeit, sondern auch das Prinzip der\nEigenverantwortlichkeit leiden. Allerdings konnen von einem\nVerwaltungsratsmitglied nicht auf allen Gebieten Spezialkenntnisse verlangt\nwerden. Es ist dann Sache des Verwaltungsrats, in konkreten Einzelfallen\nexterne Sachkunde einzuholen. Die Sachkunde muss so weit reichen, dass das\nMitglied imstande ist, die vorgelegten Unterlagen zu verstehen, ggf.\nErganzungen zu erfordern, um aufgrund dieser Informationen die Situation der\nSparkasse, die Vorstandsarbeit und die Entscheidungsgegenstande zu beurteilen.\nJedes Verwaltungsratsmitglied ist fur die selbststandige Erledigung der\nÜberwachungs- und Entscheidungsaufgaben verantwortlich. Es haftet nach\nobjektiven Maßstaben fur die ordnungsgemaße Erfullung dieser Aufgaben. Eine\nDifferenzierung der Verantwortlichkeit nach Herkunft oder Vorerfahrung\n(Kommunalvertreter, Personalvertreter, Neuwahl usw.) findet nicht statt. Das\nMitglied des Verwaltungsrats kann sich somit weder auf mangelnde Sachkunde\nnoch auf unzureichende Information berufen, jedenfalls wenn der\nInformationsmangel erkennbar und behebbar ist (vgl. Reinfrid Fischer,\nInformationsrechte fur das Verwaltungsratmitglied und Vertraulichkeitsgebot\nbei Sparkassen, ZIP 2004, Seite 2169 - 2177). Ausgehend von diesen an ein\nVerwaltungsratmitglied zu stellenden Anforderungen hat der Senat keine\nZweifel, dass wegen der auf der 57. und 58. Verwaltungsratssitzung\nhervorgetretenen Informationen fur den Verwaltungsrat die prekare existenz-\nund bestandsgefahrdende Situation der SHS erkennbar war bzw. erkennbar sein\nmusste; mit der gegenteiligen Annahme bringt die Beklagte zum Ausdruck, dass\nsie sich fahrlassig dem entsprechenden Wissen um die "Krise" verschlossen hat.\n\n47\n\n \n\nSoweit die Beklagte zur Begrundung ihrer Berufung vortragt, die SHS habe\nerstmals durch das Schreiben des Finanzministeriums M-V vom 13.11.2003 an den\nVorsitzenden des Verwaltungsrates davon erfahren, dass die Aufsichtsbehorde\nvon einer akuten Bestandsgefahrdung der SHS ausgegangen sei, war dieser\nSchluss der Aufsichtsbehorde nach den dem Verwaltungsrat zuganglichen\nInformationen zu erwarten. Der Vorwurf, dass deshalb das Gesprach des\nVorstandes mit dem Verwaltungsratsvorsitzenden am 12.11.2003 deutlich zu spat\nerfolgt sei, ist unter Berucksichtigung der vom Landgericht zum zeitlichen\nAblauf nach dem 04.11.2003 ausgefuhrten Vorgange und unter Berucksichtigung\ndes Umstandes, dass die Klager davon ausgehen konnten, den Verwaltungsrat uber\neine mogliche Bestandsgefahrdung - bereits zuvor - ausreichend informiert zu\nhaben, nicht haltbar. Die Beklagte kapriziert sich in ihrer Begrundung im\nWesentlichen immer wieder auf die Benutzung des Wortes "Bestandsgefahrdung".\nDies ist nur eine begriffliche Umschreibung der Lage, die aus den erkennbaren\nTatsachen hervortrat. Der Gesprachstermin vom 04.11.2003 hat zudem keine\nunmittelbaren, aus den bekannten Tatsachen nicht herleitbaren Konsequenzen fur\ndie SHS gehabt. Es ist auch nicht richtig, dass nur bei unverzuglicher\nInformation durch die Klager die SHS von sich aus Kontakt mit dem\nFinanzministerium M-V aufnehmen und etwaige aufsichtsrechtliche Maßnahmen\nfruhzeitig hatte verhindern oder zumindest hatte beeinflussen konnen. Nach der\n58. Verwaltungsratssitzung lagen die Tatsachen auf dem Tisch, auch war dem\nVerwaltungsrat bekannt, dass ein Gesprach mit dem BaFin fur den 04.11.2003\nvereinbart war. Aus der Informierung diverser Aufsichtsstellen musste zudem\ndem Verwaltungsrat bewusst sein, dass aufsichtsrechtliche Maßnahmen drohen\nkonnten. Er hatte ggf. bereits im Anschluss an die 58. Verwaltungsratssitzung\nMaßnahmen ergreifen konnen, um aufsichtsrechtlichen Weisungen vorzubeugen.\nSoweit die Beklagte den Klagern in diesem Zusammenhang vorwirft, sie hatten\naus ihrer Vorstandstatigkeit genau erkannt, in welch dramatische Krisenlage\nsich die SHS befand, kann dieser Vorhalt im Wesentlichen auch gegenuber dem\nVerwaltungsrat gemacht werden.\n\n48\n\n \n\nIm Übrigen wird zur Unbegrundetheit der erklarten Kundigungen und zur\nVermeidung von Wiederholungen auf die weiteren Ausfuhrungen im angefochtenen\nUrteil verwiesen.\n\n \n\n**III.**\n\n49\n\n \n\nHinsichtlich der Feststellungen zu den Vergutungs- und\nSchadensersatzanspruchen der Klager folgt der Senat nicht der Auffassung der\nBeklagten, diese konne hierfur nicht in Verantwortung genommen werden. Dass\nbei den Klagern weitere Schaden, z. B. in Form von Zinsaufwendungen, u.a. fur\nBurgschaften, zu vergegenwartigen sein werden, liegt auf der Hand. Der Senat\ngeht auch davon aus, dass fur die Beklagte bei ordnungsgemaßer Prufung\nerkennbar war, dass fur die außerordentlichen Kundigungen keine tragfahigen\nGrundlagen bestanden.\n\n \n\n**B.**\n\n50\n\n \n\nDas Landgericht hat ebenfalls die Unzulassigkeit von Widerklage und\nHilfswiderklage richtig erkannt.\n\n51\n\n \n\n**1.** Gemaß § 8 SpkG MV wird die Sparkasse gegenuber dem Vorstand durch den\nVerwaltungsrat vertreten, fur den der Vorsitzende handelt. Die\nVertretungskompetenz ist damit dem Verwaltungsrat zugewiesen. Fur die\nWirksamkeit der Vertretung kommt es in erster Linie auf den Willen des\nVerwaltungsrates an. Der Verwaltungsrat ist ein Kollegialorgan. Seine\nWillensbildung erfolgt in einem Kollegialakt, dem Beschluss. Der Beschluss ist\ndie besondere Form, in der nach naherer formaler Verfahrensregelung im Wege\nder Abstimmung die bindende Willensbildung des Organs erfolgt. Mit ihm wird\ndie Sparkasse intern gebunden. Seine Ausfuhrung ist in der Regel eine\nAngelegenheit der laufenden Geschaftsfuhrung des Vorstandes (oder ggf. des\nVerwaltungsratsvorsitzenden). Keine Beschlusse sind bloße Meinungsaußerungen\noder Meinungsbildungen einzelner Organmitglieder, aber auch solche der\nGesamtheit der Mitglieder, wenn das Ergebnis nicht in den zuvor dargelegten\nFormen vom erklarten Willen der Gesamtheit getragen wird, die Sparkasse mit\ndem Ziel der Ausfuhrung zu binden. Es ist eine Angelegenheit des Vorsitzenden,\ninsoweit in Zweifelsfallen rechtzeitig fur Klarheit und entsprechende\nProtokollierung zu sorgen (Schlierbach, a.a.O., Seite 193).\n\n52\n\n \n\n**2.** Unstreitig hat jedenfalls wahrend des gesamten erstinstanzlichen\nVerfahrens ein Beschluss des Verwaltungsrates uber die Erhebung der Widerklage\nnicht vorgelegen. Insoweit hat der Oberburgermeister der Hansestadt S., H. L.,\n(damaliger) Vorsitzender des Verwaltungsrates der SHS, bei seiner Anhorung in\nder mundlichen Verhandlung am 10.05.2006 ausdrucklich erklart: "Einen\nBeschluss des Verwaltungsrates uber die Erhebung einer Widerklage hat es nicht\ngegeben." Dieses Verhalten erscheint vor dem Hintergrund prozessualer\nSorgfalt, insbesondere im Hinblick auf Kostenrisiken, bemerkenswert.\n\n53\n\n \n\nSoweit sich die Beklagte auf den Beschluss vom 11.10.2005 zur Begrundung einer\nBevollmachtigung bezieht, folgt der Senat den Ausfuhrungen des Landgerichts\nhierzu. Die Beklagte hat mit der Berufung vorgetragen, um den letzten Zweifel\nan einem Einverstandnis des Verwaltungsrats mit der Erhebung der Widerklage zu\nbeseitigen, habe der Verwaltungsrat der Beklagten bei seiner Sitzung am\n14.09.2007 uber die Genehmigung der Erhebung der Widerklage und der\nHilfswiderklage ausdrucklich Beschluss gefasst.\n\n54\n\n \n\nMit Schriftsatz vom 13.12.2007 hat die Beklagte sodann den die Widerklage und\nHilfswiderklage genehmigenden Beschluss ihres Verwaltungsrates vom 14.09.2007\nvorgelegt. An der Unzulassigkeit der Klage vermag diese Entscheidung indessen\nnichts mehr zu andern. Denn die Genehmigung der Prozessfuhrung kann nur bis\nzum Schluss der mundlichen Verhandlung erfolgen, aufgrund derer ein wegen\nfehlender Vollmacht des Vertreters ein die Klage bzw. Widerklage\nzuruckweisendes Urteil ergeht. Eine genehmigende Nachreichung der Vollmacht\nfur die Klage/Widerklage ist deshalb in der Rechtsmittelinstanz nicht mehr\nmoglich, wenn die Vorinstanz diese wegen des Mangels zu Recht als unzulassig\nabgewiesen hat (vgl. Zoller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 89 Rn. 11). Zwar\nmacht das Landgericht im angefochtenen Urteil auch Ausfuhrungen zur\nmateriellen Rechtslage. Dabei handelt es sich aber um weitere hilfsweise\nangestellte Überlegungen, mit denen das Landgericht ersichtlich dem\numfangreichen Vortrag der Parteien zur Rechtslage hat genugen wollen und ihm\neinen gerichtlichen Standpunkt gegenubergestellt hat. An der Abweisung der\nWiderklage/Hilfswiderklage als unzulassig andert das nichts.\n\n \n\n**C.**\n\n55\n\n \n\nDie Widerklage ist zudem nicht begrundet. Das Landgericht hat zutreffend\nfestgestellt, die Beklagte habe gegenuber den Klagern keinen Anspruch auf\nZahlung eines Betrages i. H. v. 18.748.000,00 EUR aus § 17 Abs. 1 des\nKreditwesengesetzes (KWG), § 20 Abs. 3 SpkG MV bzw. aus positiver\nVertragsverletzung (PVV) oder § 280 Abs. 1 BGB n.F.. Die von der Beklagten\nhiergegen erhobenen Einwande greifen allesamt im Ergebnis nicht durch.\n\n56\n\n \n\n**1.** Die Ausfuhrung des Landgerichts zu einer Haftung gemaß § 17 Abs. 1 KWG\nteilt der Senat. Dessen Voraussetzungen sind offensichtlich nicht gegeben.\n\n57\n\n \n\n**2.** Einschlagig fur die Haftung der Beklagten ist die Bestimmung des § 20\nAbs. 3 SpkG MV, wonach ordentliche und stellvertretende Mitglieder des\nVorstands gemaß § 19 Abs. 1 Satz 2 SpkG MV, die ihre Pflichten verletzen, der\nSparkasse zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner\nverpflichtet sind. Ob daneben die Regelungen der positiven Vertragsverletzung\nbzw. § 280 Abs. 1 BGB n.F. heranzuziehen sind, kann offen bleiben.\n\n58\n\n \n\n**a)** Ein Schadensersatzanspruch gemaß § 20 Abs. 3 SpkG MV, ebenso auf\nsonstiger Grundlage, ist gemaß § 26 Abs. 3 Satz 3 SpkG MV ausgeschlossen. Nach\ndieser Bestimmung beschließt der Verwaltungsrat uber die Entlastung des\nVorstandes. Eine Entlastung ist dabei nur zulassig, wenn die\nSparkassenaufsichtsbehorde bestatigt hat, die Jahresabschlussprufung habe\nkeine erheblichen Verstoße ergeben, und alle wesentlichen\nPrufungsfeststellungen erledigt sind. Der Vorstand der Beklagten ist fur die\nJahre bis einschließlich 2001 entsprechend dieser Vorschrift, insbesondere\nnach Bestatigung durch die Sparkassenaufsichtsbehorde, jeweils entlastet\nworden. Die Einwendung der Beklagten, die Entlastung gemaß § 26 Abs. 3 SpkG MV\nentfalte keine Verzichtswirkung, teilt der Senat nicht.\n\n59\n\n \n\n**aa)** Zum einen hat die Entlastung von Vorstanden allgemein die Billigung\nder Verwaltung, vergangenheitsbezogen auf das abgelaufene Geschaftsjahr, sowie\neine Vertrauensgrundlage fur die kunftige Verwaltung zum Gegenstand. Zum\nanderen knupft an den mit der Mitteilung des Entlastungsbeschlusses\ngeschaffenen Vertrauenstatbestand im BGB-Vereinsrecht, im GmbH-Recht und dem\nGenossenschaftsrecht konkret das Erloschen der allen Mitgliedern bekannten und\nnach dem Rechenschaftsbericht erkennbaren Schadensersatz- und\nBereicherungsanspruche des Vereins bzw. der Gesellschaft gegen den Vorstand an\n(Munchner Kommentar-Reuter, BGB, 4. Aufl. 2001, § 27 Rn. 42). Hingegen\nnormiert § 120 Abs. 2 Satz 2 AktG ausdrucklich, dass die Entlastung des\nVorstandes und des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft (AG) durch die\nHauptversammlung keinen Verzicht auf Ersatzanspruche der Gesellschaft enthalt.\nEin Verzicht auf Ersatzanspruche der Gesellschaft kommt bei der AG lediglich\nunter den eingeschrankten Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG in\nBetracht. Indessen machen die Entstehungsgeschichte des § 120 AktG sowie der\nUmstand, dass bei in anderen Rechtsformen organisierten Gesellschaften die\nEntlastung des Vorstands regelmaßig den Verzicht auf Anspruche gegen den\nVorstand umfasst, deutlich, dass § 120 Abs. 2 Satz 2 AktG eine ausschließlich\nauf die Aktiengesellschaft beschrankte Ausnahmeregelung darstellt, die nicht\nauf andere Gesellschaftsformen ubertragbar ist.\n\n60\n\n \n\n**bb)** Unbeschadet des Umstandes, dass Sparkassen Anstalten des offentlichen\nRechts sind und im Kommunalrecht einer Entlastung grundsatzlich keine\nVerzichtswirkung beigemessen wird, sind fur die Frage, welche Wirkung die\nEntlastung eines Sparkassenvorstandes hat, die zivilrechtlichen Grundsatze\nmaßgebend.\n\n61\n\n \n\nEntscheidend dafur, ob Zivilrecht oder offentliches Recht Anwendung findet,\nist die Natur des zugrunde liegenden Rechtsverhaltnisses. Das\nBeschaftigungsverhaltnis zwischen Sparkassenvorstand und Sparkasse ist\nzivilrechtlich ausgestaltet. Im Hinblick auf die Haftung von\nSparkassenvorstanden im Innenverhaltnis ist zwischen dem Bestellungs- und dem\nAnstellungsverhaltnis zu differenzieren. Unter "Bestellung" (vgl. § 19 SpkG\nMV) wird in Anlehnung an die entsprechende Terminologie des allgemeinen\nKapitalgesellschaftsrechts der Rechtsakt bezeichnet, mit dem die\nMitgliedschaft im kollegial verfassten Sparkassenvorstand verliehen und damit\norganschaftliche Vertretungsmacht ubertragen wird. Im Unterschied hierzu\nbezeichnet "Anstellung" (vgl. § 20 SpkG MV) die Regelung der personlichen\nRechtsstellung der bestellten Vorstandsmitglieder durch Anstellungsvertrag fur\ndie Dauer ihrer Bestellung. Dabei ist das Anstellungsverhaltnis der Geltung\ndes Privatrechts unterstellt. Dies folgt, sofern nicht schon ausdrucklich\ngeregelt (z.B. Art. 12 Abs. 2 Satz 2 SpkG Bayern), vor allem aus der\ngesetzlichen Bezeichnung entsprechender Dienstvertrage als\n"Anstellungsvertrage" und deren Regelungsgegenstand, namlich der\nprivatautonomen Vereinbarung eines freien Dienstverhaltnisses. So ist auch bei\nden Dienstvertragen der Klager verfahren worden. Dafur wird beispielhaft auf\nden Dienstvertrag des Klagers zu 1. verwiesen. Soweit die Berufung sich zur\nBegrundung ihrer Auffassung auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom\n12.12.1988 (NJW 1989, 1151, 1152) bezieht, lasst sich die dort angefuhrte\nBegrundung wegen der zivilrechtlichen Ausgestaltung des\nAnstellungsverhaltnisses auf eine Sparkasse nicht ubertragen. Zudem ist der\nAbschluss von Kreditgeschaften keine hoheitliche Aufgabe der Sparkasse.\n\n62\n\n \n\n**cc)** Die Entlastung gemaß § 26 Abs. 3 Satz 3 SpkG hat daher grundsatzlich\nVerzichtswirkung (vgl. Kurt Kiethe, Die zivil- und strafrechtliche Haftung von\nVorstandsmitgliedern einer Sparkasse fur riskante Kreditgeschafte, BKR 2005,\nSeite 177 ff.; Reinfrid Fischer, Entlastung des Sparkassenvorstandes und\nBestatigung der Sparkassenaufsichtsbehorde, WM 2007, 1005 - 1012;\nKlupfel/Gaberdiel/Gnamm/Hoppel, Kommentar zum Sparkassengesetz Baden-\nWurttemberg, 7. Aufl., Seite 270; Schlierbach, Das Sparkassenrecht in der\nBundesrepublik, 5. Aufl. 2003, Seite 271; Berger, Niedersachsisches\nSparkassengesetz, 2. Aufl. 2006, § 23 Rn. 21 ff.). Die Verzichtswirkung der\nEntlastung bezieht sich allerdings nur auf Schadensersatzanspruche, die\naufgrund des Prufungsberichts zum Jahresabschluss oder aus anderen Tatsachen\nmindestens erkennbar waren (vgl. Berger, a.a.O., § 23 Rn. 22; Reinfrid\nFischer, a.a.O., Seite 1005; Schlierbach, a.a.O., Seite 271).\n\n63\n\n \n\n**b)** Aufgrund der durch den Vorstand bis einschließlich 2001 erteilten\nEntlastungen sind Schadensersatzanspruche der Beklagten jedenfalls gegenuber\nden Klagern zumindest aus den Kreditengagements "B.", "H.", "I..", "M." und\n"M.." von vornherein ausgeschlossen, weil samtliche Entscheidungen der Klager\nim Rahmen dieser Engagements in Zeitraumen getroffen wurden, fur die eine\nEntlastung erteilt wurde. Auch die wesentlichen Kreditentscheidungen der\nKlager im Engagement "S.", die zu einer nicht durch entsprechende Sicherheiten\nabgedeckten Kreditvergabe von ca. 1,8 Mio. EUR gefuhrt haben, lagen im Jahre\n2000. Indessen bedarf das Kreditengagement "K." sowie die kurzzeitige\nVerlangerung einer bestehenden Kontokorrentlinie und die Genehmigung einer\nzusatzlichen Kreditlinie uber 200.000,00 EUR betreffend das Kreditengagement\n"S." weiterer - im Ergebnis Schadensersatzanspruche verneinender -\nBetrachtungen.\n\n64\n\n \n\n**aa)** Die zuvorderst genannten Kreditengagements betreffend war bei\nordnungsgemaßer Amtswaltung des Verwaltungsrates fur diesen zumindest\nerkennbar, dass die genannten Sachverhalte Schadensersatzanspruche zugunsten\nder Beklagten hatten begrunden konnen. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass nach\nden nicht erheblich bestrittenen Behauptungen der Klager die Kreditengagements\nim Kreditausschuss behandelt worden sein sollen. Der Kreditausschuss besteht\naus dem Vorsitzenden des Verwaltungsrates als Vorsitzendem und mindestens\nzwei, hochstens jedoch der Halfte der weiteren Mitglieder des Verwaltungsrates\n(vgl. § 17 SpkG MV). Weitere Erkenntnismoglichkeiten durften daher fur den\nVerwaltungsrat bzw. Verwaltungsratsvorsitzenden unschwer aus den Sitzungen der\nKreditausschusse zu entnehmen gewesen sein.\n\n65\n\n \n\n**bb)** Ob sich der Verwaltungsrat bzw. die Beklagte diese Kenntnisse\nzurechnen lassen muss, bedarf zunachst nicht der Beurteilung. Bereits aus den\nvon der Beklagten zusammenfassend aufgefuhrten Tatsachen und Unterlagen\nergeben sich hinreichende Umstande, die auf eine Pflichtverletzung der Klager\nschließen lassen konnten. Denn aus den Prufberichten war jeweils erkennbar,\ndass die Kredite keinen normalen Verlauf genommen hatten, sondern ihnen ein\nerhebliches Risikopotential zugemessen wurde. Hierauf hatte man aufgrund der\nAusfuhrungen zu den Besicherungen oder den Hinweisen auf einen Ausfall der\nKredite schließen mussen. Dies ergabe sich jedenfalls, wenn man die Auffassung\nder Beklagten als richtig unterstellte, den Klagern musste insofern ein\nSchadensersatz begrundendes Fehlverhalten vorgeworfen werden.\n\n66\n\n \n\n**cc)** Die Überlegungen des Senats zur Entlastung vereinnahmen insofern den\nVortrag der Beklagten. Ob Schadensersatzanspruche uberhaupt schlussig\nvorgetragen sind, ist jedoch erst im Weiteren zu beurteilen. Im Übrigen\nverfugt der Senat nicht uber die Erkenntnisse, die sich nach den Angaben der\nKlager aus den das jeweilige Kreditengagement betreffenden Kreditunterlagen,\nProtokollen der Kreditausschusssitzungen, Prufberichten oder Protokollen der\nVerwaltungsratssitzungen ergeben sollen. Der Senat vermag daher zumindest\nnicht festzustellen, dass die Hinweise, die sich bereits aus den abgereichten\nAuszugen aus den Prufberichten ergeben, vor dem Hintergrund der\nKreditunterlagen und weiteren Unterlagen sich als nicht stichhaltig erweisen\nmussten.\n\n \n\n**D.**\n\n67\n\n \n\nDer Senat folgt dem angefochtenen Urteil im Ergebnis auch insoweit, als das\nLandgericht eine schlussige Darlegung von Schadensersatzanspruchen nicht\ngesehen hat.\n\n68\n\n \n\n**1.** Die Darlegungs- und Beweislast fur eine Schadensersatzhaftung des\nVorstandes obliegt, entgegen der Auffassung der Beklagten, der Sparkasse.\n\n69\n\n \n\n**a)** Die Sparkassengesetze der Lander kennen keine dem § 93 Abs. 2 Satz 2\nAktG entsprechende Anordnung einer Beweislastumkehr. Dies gilt auch fur das\nSparkassengesetz MV. Deshalb hat nach allgemeinen Regeln die Sparkasse\ndarzulegen und ggf. zu beweisen, dass das in Anspruch genommene\nVorstandsmitglied einen Schaden verursacht hat, und zwar durch ein\nschuldhaftes Verhalten, das der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften\nGeschaftsleiters nicht genugt (vgl. § 20 Abs. 2 SpkG MV).\n\n70\n\n \n\n**b)** Eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG scheidet bereits\ndeshalb aus, weil es an einer fur einen Analogieschluss vorausgesetzten\nplanwidrigen Regelungslucke in den Sparkassengesetzen der Lander fehlt. Das\nBestehen einer Regelungslucke kann nicht allein aus dem Umstand hergeleitet\nwerden, dass die Sparkassengesetze der Lander eine entsprechende Regelung\nnicht enthalten, vielmehr ist das Fehlen einer bestimmten, nach dem\nRegelungsplan oder dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes zu erwartenden Regelung\nvorausgesetzt. Insofern ist beachtlich, dass neben dem Aktiengesetz lediglich\ndas Genossenschaftsgesetz mit § 34 Abs. 2 Satz 2 eine entsprechende Regelung\nkennt, wahrend fur die Haftung der Geschaftsleiter anderer Gesellschaften eine\nBeweislastumkehr nicht normiert ist. Es kann daher nicht zweifelhaft sein,\ndass der jeweilige (Landes-) Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet hat, eine\nentsprechende Regelung zu schaffen.\n\n71\n\n \n\nDaruber hinaus fehlt es auch an der fur eine analoge Anwendung weiter\nvorausgesetzten vergleichbaren Interessenlage zwischen dem gesetzlich nicht\ngeregelten und dem gesetzlich geregelten Fall. Zwischen einer Sparkasse als\nAnstalt des offentlichen Rechts und einer AG bestehen tiefgreifende\nUnterschiede. Die Sparkassen erfullen nach den Normen der Sparkassengesetze\nder Lander Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge. Demgegenuber ist Ziel\nprivatwirtschaftlichen Handelns, als auch Ziel der privatrechtlich als AG\norganisierten Kreditinstitute, die Gewinnerzielung und Gewinnoptimierung (vgl.\nKurt Kiethe, a.a.O., Seite 177, 182). Diese Auffassung ist jedoch insoweit\neinzuschranken, als dass letztendlich entscheidend die besonderen Umstande des\njeweils zu beurteilenden Falles zu berucksichtigen sein durften. Der Senat\nsetzt sich deshalb auch nicht in Widerspruch zu den Grundsatzen des\nBundesgerichtshofs zur Beweislastverteilung im Rahmen einer Haftung gemaß § 43\nAbs. 2 GmbHG (vgl. Baumbauch/Hueck-Zollner/Noack, GmbHG, 2006, § 43 Rn. 38).\n\n72\n\n \n\nZutreffend ist es zur Überzeugung des Senats deshalb, die Darlegungs- und\nBeweislast an den dem Geschaftsfuhrer oder Vorstand vorgeworfenen Verhalten zu\norientieren. Besteht die Pflichtverletzung in dem Vorwurf unternehmerischer\nFehlentscheidungen bzw. in dem Überschreiten des unternehmerischen\nErmessensspielraums, wie hier bei den Kreditengagements aber auch den\nEntscheidungen im Wertpapiergeschaft und dem Personalkonzept, wird die\nGesellschaft bzw. Sparkasse Umstande fur angebliche\nSorgfaltspflichtsverletzungen des Geschaftsfuhrers in der Regel naher\n(substantiierter) vorzutragen und ggf. zu beweisen haben (vgl. Baumbach/Hueck-\nZollner/Noack, GmbHG, 2006, § 43 Rn. 40). Dieselben Erwagungen zur Darlegungs-\nund Beweislast gelten fur die bereits oben erorterte Entlastung gemaß § 26\nAbs. 3 Satz 3 SpkG MV.\n\n73\n\n \n\n**2.** Die Berufung verweist zu Recht darauf, dass sich das Landgericht (wohl)\nnicht im gebotenen Umfange mit den Anforderungen, die an ein pflichtgemaßes\nbzw. pflichtwidriges Verhalten des Vorstandes im Rahmen von Kreditgewahrungen\nzu stellen sind, auseinandergesetzt hat. Indessen kam es nach der vom\nLandgericht verfochtenen Auffassung hierauf auch entscheidend nicht mehr an.\n\n74\n\n \n\n**a)** Die Beklagte stellt in diesem Zusammenhang auch grundsatzlich\nzutreffend auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - u. a. die\nARAG/Garmenbeck-Entscheidung - ab. Indessen folgt der Senat der Beklagten\nnicht in der Stringenz, in der sie diese Grundsatze auf eine Sparkasse\nubertragen mochte. Der Bundesgerichtshof fordert fur die Eingehung des mit der\nKreditvergabe verbundenen Risikos eine kaufmannisch sinnvolle\nInteressenabwagung unter Berucksichtigung der in der Branche anerkannten\nErkenntnis- und Erfahrungssatze, was fur Kreditinstitute u. a. beinhalte, dass\nKredite nur gegen ubliche Sicherheiten vergeben werden durfen (BGH WM 2002,\n220 - 223).\n\n75\n\n \n\n**b)** Allerdings kann nicht allgemein und losgelost vom Einzelfall beurteilt\nwerden, welche Sicherheiten ublich sind. So ist ein moglichst hoher Grad der\nSicherung der Ausfallrisiken erstrebenswert, jedoch im Einzelfall nicht immer\nrealisierbar. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf mittelstandische\nUnternehmen, ebenfalls fur Familienunternehmen, denen die offentlich-\nrechtlichen Sparkassen aufgrund ihres besonderen offentlich-rechtlichen\nAuftrags Geld- und insbesondere kreditwirtschaftliche Leistungen\nsicherzustellen haben. Fur diese Unternehmen, die uberwiegend in der\nRechtsform der GmbH oder der GmbH & Co.KG betrieben werden, werden als\nSicherheiten in der Praxis regelmaßig Burgschaften der Gesellschafter oder\nsonstige Sicherheiten aus deren Privatvermogen fur die Kredite der\nGesellschaft gestellt, zum Teil wird von den Sparkassen hierauf in\nEinzelfallen unter Hinweis auf einwandfreie wirtschaftliche Verhaltnisse und\neine positive Prognose der kunftigen wirtschaftlichen Entwicklung sowie eine\nlangjahrige Geschaftsbeziehung verzichtet. Die Eingehung entsprechender\nKreditrisiken durch Sparkassen ohne bzw. ohne vollstandige Besicherung des\nRisikos kann sich daher gerade im Hinblick auf die Geschaftsfelder von\nSparkassen als ublich und auf den in der Branche anerkannten Erkenntnissen und\nErfahrungssatzen beruhend erweisen (Kurt Kiethe, a.a.O., S. 180 f.).\n\n76\n\n \n\n**c)** Eine Schadensersatzhaftung des Vorstandes gegenuber der Sparkasse kommt\ndeshalb nur dann in Betracht, wenn dieser gegen die vorstehend im Hinblick auf\neine Kreditvergabe konkretisierten Sorgfaltspflichten verstoßen hat. Dies ist\njedenfalls der Fall, wenn der Vorstand entweder gegen zwingende gesetzliche\nVorschriften verstoßt oder eine Entscheidungsgrundlage nicht oder nicht mit\nder gebotenen Sorgfalt ermittelt hat. Im Übrigen ist fur die rechtliche\nBewertung einer Kreditvergabe als sorgfaltswidrig beachtlich, dass in der\nRechtsprechung und Literatur den Geschaftsleitern ein Handlungsspielraum im\nSinne eines unternehmerischen Ermessens zugebilligt wird, innerhalb dessen\nGrenzen die Entscheidung, ein riskantes Geschaft einzugehen, rechtlich als\nnicht pflichtwidrig zu qualifizieren ist. Dies wird auch ausdrucklich von der\nsogenannten ARAG/Garmenbeck-Entscheidung anerkannt (BGH WM 2002, 220 - 223).\nDer Gewahrung eines Kredites muss deshalb eine nach den vorgenannten\nGrundsatzen aus geschaftlicher Sorgfalt heraus ordnungsgemaße Risikoprognose\nzugrunde liegen. Dabei kann nicht schematisch stets ein besonderer Umfang der\nBesicherung als allein sorgfaltsgemaßes Verhalten gefordert sein. Vielmehr\nsind die jeweiligen Einzelumstande zu berucksichtigen, wie auch die besonderen\nZiele und Aufgaben, die den Sparkassen per Gesetz ubertragen sind. Eine\nRisikoprognose ist deshalb auch nicht allein deshalb pflichtwidrig, weil sie\nsich im nachhinein als falsch erweist. Zwar werden nur zutreffende\nRisikoprognosen dem Unternehmensinteresse der betroffenen Sparkasse gerecht,\njedoch kann selbst ein ordentlicher und gewissenhafter Geschaftsleiter diesen\nIdealzustand niemals gewahrleisten. Es ist selbstverstandlich, dass ein\nSparkassenvorstand keine absolute Sicherheit uber zukunftige Entwicklungen\ngewinnen kann.\n\n77\n\n \n\n**d)** In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, ob der Verwaltungsrat\nder Sparkasse zur Risikobegrenzung und als Leitlinie fur den Vorstand\nGeschaftsanweisungen fur diesen, aber auch den Kreditausschuss, erlassen hat\n(vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 5. SpkG MV). Denn Kreditentscheidungen, die solchen\nGeschaftsanweisungen entgegenstunden, durften sich dann als pflichtwidrig\ndarstellen. Entscheidend fur die Beurteilung der Pflichtwidrigkeit des\nVerhaltens eines Vorstandes sind deshalb die den Kreditvergaben zugrunde\nliegenden Unterlagen, aber auch die diesbetreffenden Entscheidungen des\nKreditausschusses und des Verwaltungsrates.\n\n78\n\n \n\n**e)** Nach diesen - vorstehend genannten - Maßstaben geurteilt, stellt sich\nunter Berucksichtigung der von den Klagern zu ihrer Verteidigung vorgebrachten\nTatsachen zu den einzelnen Kreditengagements, insbesondere den Grunden ihrer\nRisikoprognosen, aber auch des Hinweises darauf, dass neben dem Vorstand der\nKreditausschuss bzw. der Verwaltungsrat oder der Verwaltungsratsvorsitzende\nKenntnis von den einzelnen Kreditengagements gehabt habe, der Vortrag der\nBeklagten fur den Senat nicht als hinreichend dar, um einen Pflichtenverstoß\nder Klager festzustellen.\n\n79\n\n \n\n**aa)** Auch insofern sind die von den Klagern benannten, sich nicht in ihrer\nHand befindlichen Unterlagen, von der Beklagten nicht vorgelegt worden. Dafur\nmag sie Grunde haben, diese vermogen jedoch die Anforderungen an einen\nsubstantiierten Sachvortrag nicht herabzusetzen. Aufgrund der vom Senat\nangenommenen Entlastung stellen sich die als nicht hinreichend erachteten\nDarlegungen zu den behaupteten Pflichtverletzungen als weitere Begrundung zur\nVerneinung der Schadensersatzanspruche dar.\n\n80\n\n \n\n**bb)** Anders ist die Rechtslage bezuglich des Kreditengagements "K.", wofur\naufgrund der relativ geringen Kredithohe und der Darstellungen der Beklagten\nzur Person und Geschaftsbeziehung nach den vorgenannten Kriterien einen\nSchadensersatzanspruch nicht in Betracht kommt.\n\n81\n\n \n\n**cc)** Hinsichtlich des Kreditengagements "S." tritt der Senat der Begrundung\ndes Landgerichts bei. Zudem ist zu berucksichtigen, dass die maßgeblichen\nEntscheidungen dieses Kreditengagement im wesentlichen Zeitraumen zuzuordnen\nsind, fur die eine Entlastung erteilt worden ist. Die Fortfuhrung des jeweils\ndurch die Entlastungen bestatigten Geschaftes stellt sich deshalb hier im\nErgebnis nicht als pflichtwidrig dar.\n\n82\n\n \n\n**3.** Ein bisher von den Parteien noch nicht erorterter, die Haftung der\nKlager ggf. herabsetzender bzw. vollig zum Ausschluss bringender Gesichtspunkt\nist die Minderung der Ersatzpflicht durch ein Mitverschulden der Sparkasse\nbzw. des dem Vorstand vorgesetzten Verwaltungsrates.\n\n83\n\n \n\n**a)** Der Verwaltungsrat der Sparkasse bestimmt gemaß § 8 Abs. 1 SpkG MV die\nRichtlinien der Geschaftspolitik und uberwacht die Geschaftsfuhrung. Fur die\nGmbH ist anerkannt, dass das Verschulden der Gesellschafterversammlung oder\nanderer weisungsberechtigter Organe Anlass zur Haftungsminderung uber § 254\nBGB geben kann (vgl. Baumbach/Hueck-Zollner/Noack, a.a.O., § 43 Rn. 45). Diese\nGrundsatze durften auch im Verhaltnis Vorstand und Verwaltungsrat Gultigkeit\nbeanspruchen konnen. Danach kommt in Betracht, dass eine Haftungsmilderung,\nwenn nicht sogar eine Entlassung aus der Haftung, in Erwagung zu ziehen ist,\nwenn der Vorstand in Billigung oder im Zusammenwirken mit dem Verwaltungsrat\nder Sparkasse, damit ggf. auch in Kenntnis des Tragers (denn der Vorsitzende\ndes Verwaltungsrates ist gemaß § 10 SpkG MV gleichzeitig der Leiter der\nVerwaltung) die Sparkasse schadigende Entscheidungen bzw. Kreditvergaben\ngetroffen hat.\n\n84\n\n \n\n**b)** Damit einher geht die Verteidigung der Klager, die unter Verweis auf\ndie jeweiligen Verwaltungsratsbeschlusse bzw. Entscheidungen des\nKreditausschusses behaupten, der Verwaltungsrat sei immer uber alle den\nKlagern vorgehaltenen Kreditentscheidungen hinreichend informiert gewesen.\nDiese Behauptung konnte durch die Beklagte wohl nur durch Vorlage der von den\nKlagern in Bezug genommenen Unterlagen ausgeraumt werden. Ob insofern eine\nVorlagepflicht der Beklagten besteht, durfte in diesem Zusammenhang nicht\nerheblich sein. Letztendlich durfte deshalb, selbst wenn den gesamten\nvorherigen Ausfuhrungen des Senats nicht gefolgt wurde, eine\nAlleinverantwortlichkeit der Klager nur vor dem Hintergrund eines zutreffend\nzu entwickelnden Eindrucks des Senats uber die Entscheidungsvorgange und die\nBeteiligten bei den Kreditentscheidungen der Sparkasse Hansestadt ...\ndarzustellen sein. Soweit es hierbei um die Zurechnung von Kenntnissen geht,\nware eine entsprechende Anwendung des § 28 Abs. 2 BGB bzw. § 78 Abs. 2 AktG zu\nerwagen.\n\n85\n\n \n\n**4.** Die Beklagte hat im Verfahren erster Instanz begehrt, die Klager wegen\nVerlusten im Wertpapiergeschaft zu Schadensersatz i.H. von 7.779.000,00 EUR zu\nverurteilen.\n\n86\n\n \n\n**a)** Von den Klagern seien im Wertpapiergeschaft in dieser Hohe Verluste zu\nvertreten. Der Bericht uber die Prufung des Jahresabschlusses der Beklagten\nfur das Jahr 2000 habe per 31.12.2000 eine Kursreserve i. H. v. 20,9 Mio. EUR\nausgewiesen. Die Untatigkeit der Klager angesichts des Einbrechens der\nAktienkurse im Jahre 2001 habe dazu gefuhrt, dass sich die Kurswertreserve per\n31.12.2001 auf 9,6 Mio. EUR verringert habe. Dies habe die Klager nicht\nveranlasst, die Wertpapiere zu veraußern. Per 31.12.2002 sei deshalb ein\nnegativer Ergebnisbetrag von 7.779.000,00 EUR entstanden. Über den gesamten\nEigenbestand an Wertpapieren der Sparkasse sei im Geschaftsjahr 2002 laut\neiner Aufzahlung vom 02.01.2003 ein negativer Ergebnisbetrag i. H. v.\n7.799.000,00 EUR erwirtschaftet worden. Der uberwiegende Teil dieser Verluste\nresultiere aus zwei der drei Spezialfonds.\n\n87\n\n \n\n**b)** Die Beklagte hat im Berufungsverfahren gegenuber diesem Vortrag ihre\nSchadensdarstellung und Berechnung geandert. Nunmehr tragt sie im Rahmen des\nvon ihr auf 5 Mio. EUR begrenzten Schadensersatzanspruches vor:\n\n88\n\n \n\n**aa)** Im Fonds N. sei im Jahre 2001 ein Verlust von 5.023.952,00 EUR\neingetreten. Diese negative Entwicklung habe sich im Jahre 2002 fortgesetzt.\nZum 30.08.2002 sei ein weiterer Verlust von 5.365.659,00 EUR hinzugetreten.\nBei den D...FONDS und Direktinvestments sei im Jahre 2002 ebenfalls ein\nVerlust von 4.575.598,00 EUR entstanden. Neben diesen Engagements habe die\nSparkasse weitere Verluste aus anderen Aktienanlagen gehabt. Allein mit dem\nVerkauf ihrer Beteiligungen an den Aktienfonds A., ...-Fonds und ...\nImmobilienfonds im Laufe des Jahres 2002 seien weitere Verluste von 5 Mio. EUR\neingetreten. Insgesamt habe die SHS - gemessen an den Kurswerten der\nerworbenen und veraußerten Beteiligungen - aus ihren Aktienanlagen im Rahmen\nder Beteiligung am D. und der Beteiligung am N. aus den "unmittelbaren"\nAktiengeschaften und aus den Beteiligungen an den Fonds ..., D., A., D., D.\nund D. im Zeitraum vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2002 Vermogenseinbußen i. H.\nv. mehr als 10 Mio. EUR erlitten.\n\n89\n\n \n\n**bb)** Statt des erstinstanzlich begehrten Ersatzes des bis zum 31.12.2002\neingetretenen negativen Ergebnisbetrages werden mit der Berufung nunmehr\neinzelne Schadensersatzpositionen jeweils fur die Fonds vorgetragen und\noffenbar alternativ geltend gemacht.\n\n90\n\n \n\n**cc)** Eine in dieser geanderten Schadensberechnung zu erkennende\nKlageanderung (vgl. allgemein Zoller/Greger, a.a.O., § 263 Rn. 2 u. 7 m.w.N.)\nist - ohne dass es hierzu (noch) auf eine Stellungnahme der Klager ankame -\ngemaß § 533 ZPO unzulassig, denn sie wirkt nicht sachdienlich (§ 533 Nr. 1, 2.\nAlt. ZPO). Zudem ist der Sachvortrag im Berufungsverfahren neu. Eine Zulassung\ngemaß §§ 529, 531 ZPO kommt nicht in Betracht. Der Vortrag zu den\nSchadenspositionen ist zudem im Hinblick auf den Vortrag erster Instanz\nwiderspruchlich und daher nicht beachtlich. Erstinstanzlich ist ein negativer\nErgebnisbetrag zum 31.12.2002 von 7.799.000,00 EUR vorgetragen. Die dazu\naufgemachte Berechnung lasst sich nicht in Übereinstimmung mit den nunmehr\nvorgebrachten Schadensbetragen bringen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der\nEinzelpositionen als auch in Bezug auf den mit der Berufung fur den Zeitraum\nvom 01.01.2001 bis zum 31.12.2002 vorgetragenen Gesamtvermogensverlust von\nmehr als 10 Mio. EUR.\n\n91\n\n \n\n**c)** Das Landgericht hat zudem richtig darauf hingewiesen, dass die bis\neinschließlich 2001 erklarte Entlastung gemaß § 26 Abs. 3 SpkG MV dem\nSchadensersatzbegehren entgegensteht. Auch fur das Wertpapiergeschaft ist\nfestzustellen, dass aus den fur den Verwaltungsrat einsehbaren Unterlagen,\ninsbesondere Prufungsberichten und Erklarungen des Vorstandes zum\nWertpapiergeschaft die Verluste erkennbar waren. Aufgrund der im erheblichen\nUmfange eingetretenen Verluste hatte fur den Verwaltungsrat Anlass bestanden,\ndie Grunde dafur zu hinterfragen. Dies lag fur ein den dargestellten\nQualifikationen entsprechendes Verwaltungsratmitglied auf der Hand.\n\n92\n\n \n\nDer Senat vermag auch in diesem Punkt nicht zu einem anderen Schluss zu\nkommen, weil ebenso diesbetreffend die Beklagte ihren Sachvortrag nicht durch\nVorlage der von den Klagern im Einzelnen bezeichneten Unterlagen, insbesondere\nder Protokolle der Verwaltungsratssitzungen ab dem Jahr 2000 sowie der\nProtokolle der Anlageausschusssitzungen, weiter konkretisiert hat. Dies gilt\nunabhangig von einer Verpflichtung der Beklagten zur Vorlage.\n\n93\n\n \n\n**d)** Der Senat halt den Schadensersatzanspruch aber auch im Übrigen fur\nnicht begrundet.\n\n94\n\n \n\n**aa)** Die Beklagte hat in der Berufung ausdrucklich erklart, sie werfe den\nKlagern nicht vor, Wertpapiere nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt ver- oder\ngekauft zu haben. Vielmehr behauptet sie, dass diese im Bereich der\nWertpapiergeschafte der SHS Risiken eingegangen seien, ohne zugleich\nangemessene Maßnahmen zur Risikosteuerung und Risikominimierung zu treffen, so\ndass das von den Klagern zu gewahrleistende Risikomanagementsystem fur die\neingegangenen Risiken ganzlich ungeeignet gewesen sei. Das dadurch geschaffene\nRisiko habe sich in dem vorgetragenen Schaden realisiert.\n\n95\n\n \n\n**bb)** Es ist sicherlich richtig, dass insbesondere im Wertpapiergeschaft die\nRisiken und Entwicklungen ausreichend beobachtet werden mussen. Eine andere\nFrage ist es aber, wie umfassend eine solche Risikobeobachtung und Bewertung\ninstitutionalisiert, formalisiert und ausgestaltet sein muss. Hier geht es im\nWesentlichen um drei Aktienfonds. Anzunehmen ist, dass deren Kursentwicklung\nbei der SHS, bei der es sich um eine kleine Sparkasse handelte, noch im Rahmen\nder laufenden Geschafte ausreichend beobachtet werden konnte.\n\n96\n\n \n\n**cc)** Im Übrigen ist es der jeweiligen Geschaftspolitik anheim gegeben, uber\ndie konkret einzugehenden Risiken zu befinden. Dass die Eingehung der Risiken\nim Jahre 2001, 2002 unvertretbar gewesen waren, ergibt sich nicht zwingend aus\nden entstandenen Verlusten. Denn die Entwicklung von Aktienkursen kann - wie\nallgemein bekannt ist - ganz erheblichen Schwankungen unterliegen.\n\n97\n\n \n\nSoweit die Beklagte vortragt, der N. habe zum Stichtag 30.08.2002 einen Wert\nvon 34.082.427,00 EUR gehabt, wobei dann der Wert zum 31.12.2002 wieder auf\n34.435.910,00 EUR angestiegen sei, erschließt sich dem Senat nicht, warum\ndarin ein Beleg fur die schadensmindernde Wirkung eines anderen\nRisikomanagements gesehen werden musste. Daraus ergibt sich vielmehr, dass der\nzunachst eingetretene Kursverlust sich durch ein spateres Ansteigen der Kurse\nwieder vermindert hat. Deutlich macht der Vortrag ein Dilemma. Werden\nWertpapiere zur Minimierung des Risikos verkauft, so ist trotzdem nicht\nausgeschlossen, dass sich bei nachtraglicher Betrachtung ergibt, dass der\nZeitpunkt aufgrund wieder ansteigender Kurse ungunstig gewahlt war.\n\n98\n\n \n\n**dd)** Insgesamt erachtet der Senat unter Berucksichtigung des uberschaubaren\nUmfangs des Wertpapiergeschaftes die Einwande der Beklagten insoweit fur nicht\nausreichend. Auch in diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass\n(ggf.) das Risiko eindammende Geschaftsanweisungen fur den Vorstand und den\nKreditausschuss (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 5 SpkG MV) nicht vorgelegen haben. Da die\nKlager sich auch gegenuber diesem Schadensvorwurf damit verteidigen, der\nVerwaltungsrat und der Anlageausschuss seien uber alle Wertpapiergeschafte\ninformiert gewesen, gelten die obigen Ausfuhrungen zu einer Kenntnis dieser\nOrgane entsprechend. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass im Rahmen\nder Wertpapiergeschafte die Klager uber Kenntnisse verfugt hatten, die die\neingegangenen Engagements als mit einem unvertretbaren Risiko verbunden\nerschienen ließen. In diesem Zusammenhang ist auch die im\nentscheidungserheblichen Zeitraum eingetretene Rezession an den Borsen zu\nberucksichtigen. Viele Anleger hatten seinerzeit - wie dem Senat\ngerichtsbekannt ist - ganz erhebliche Verluste hinzunehmen.\n\n \n\n**E.**\n\n99\n\n \n\nDer von der Beklagten wegen des Beschlusses der Klager uber die\nArbeitszeitverkurzung und den Kundigungsverzicht der Mitarbeiter der SHS\nbehauptete Schaden von 4.642.000,00 EUR ist im Ergebnis in Übereinstimmung mit\ndem angefochtenen Urteil nicht begrundet.\n\n100\n\n \n\n**1.** Der Verwaltungsrat ist jedenfalls in der Sondersitzung am 25.11.2003\nvollumfanglich uber das Konzept freiwilliger Arbeitszeitverkurzung in Kenntnis\ngesetzt worden. Dem Konzept der Klager ist in dieser Sitzung im Ergebnis nicht\nwidersprochen worden. Es wurde lediglich der Beschluss gefasst, zu prufen, ob\ndiese Option erneut angeboten wird. Zum Zeitpunkt 25.11.2003 waren bislang 53\nVertrage unterschrieben. Den Abschluss der danach noch abgeschlossenen 35\nVertrage hat der Verwaltungsrat nicht verhindert. Auch wenn insofern\nUnklarheit zwischen dem Verwaltungsrat und dem Vorstand daruber bestanden\nhaben sollte, ob es sich bei der Maßnahme um eine Aufgabe des Verwaltungsrates\ngemaß § 8 Abs. 3 Nr. 2 SpkG MV handelt, hatte der Verwaltungsrat, soweit er\neine weitere Durchfuhrung des Konzeptes hatte verhindern wollen, die dafur\ngeeigneten Maßnahmen treffen konnen. Der Einwand der Beklagten, in der\nVerwaltungsratssitzung sei nur deshalb nicht gegen die Durchfuhrung dieses\nModells gestimmt worden, weil der Klager zu 2. den - in der Sitzung am\n25.11.2003 nicht juristisch beratenen - Verwaltungsrat uber das tatsachlich\nbestehende Zustimmungserfordernis getauscht habe, greift nicht. Sich ggf.\nausreichende juristische Kenntnis zu verschaffen liegt in der originaren\nVerantwortung der Verwaltungsratsmitglieder. Die Behauptung, hier habe eine\nbewusste Tauschung durch den Klager zu 2. vorgelegen, ist nicht haltbar. Dass\nuber die Bedeutung der Kompetenzzuweisung in § 8 Abs. 3 Nr. 2 SpkG MV\nunterschiedliche Auffassungen bestehen konnen, belegt bereits die Entscheidung\ndes Landgerichts, in der drei Berufsrichter die Regelung im Sinne der Klager\nausgelegt haben. Sollte ein diesbetreffendes Missverstandnis vorgelegen haben,\ndurfte den Klagern deshalb jedenfalls kein Verschulden vorzuhalten sein.\n\n101\n\n \n\n**2.** Im Übrigen beruht die Schadensberechnung der Beklagten auf vielen\nUnbekannten und Unterstellungen. Als Schadensersatzbetrag hat die Beklagten\ndenjenigen Betrag beziffert, der im Rahmen einer Fusion mit der Sparkasse V.\nals Personalrestrukturierungskosten der Beklagten wegen des gewahrten\nKundigungsschutzes und des damit entstandenen Personaluberhanges angelastet\nwerde. Das erscheint dem Senat weder hinreichend nachvollziehbar noch\nausreichend konkret. Es hatte einer Darlegung bzgl. jedes einzelnen\nArbeitsverhaltnisses bedurft, wann dieses hatte vorzeitig beendet werden\nkonnen und dass eine Beendigung zu dem Zeitpunkt auch stattgefunden hatte.\nDabei ware zu berucksichtigen gewesen, dass eventuell durch\narbeitsgerichtliche Verfahren eine kurzfristige Beendigung der\nArbeitsverhaltnisse nicht moglich gewesen ware. Gleichfalls mussten die eine\nKundigung sozial aber auch fachlich und betriebswirtschaftlich\nrechtfertigenden Grunde erkennbar sein.\n\n102\n\n \n\n**3.** Schließlich verweist der Senat zur Berechnung des Schadens auf den von\nden Beklagten vorgelegten Bericht uber die Sonderprufung im Auftrag des\nVerwaltungsrates der Sparkasse der Hansestadt ... . Unter dem Gliederungspunkt\n3.4.5. hinsichtlich der Auswirkung der Maßnahme des Personalkonzeptes vor dem\nHintergrund der geplanten Fusion mit der Sparkasse V. kommt das Gutachten zu\ndem Ergebnis, dass ausweislich einer Aufstellung der Sparkasse zur Ermittlung\ndes Personalaufwandes fur die Fusion mit der Sparkasse V. fur die Finanzierung\nvon Abfindungen, Altersteilzeit sowie sonstige fusionsbedingte\nPersonalaufwendungen Restrukturierungsruckstellungen der Sparkasse i. H. v.\n5.237.000,00 EUR kalkuliert worden seien. Eine konkrete Bezifferung des\nisoliert auf die personalpolitischen Maßnahmen des Jahres 2003 entfallenden\nSchadens konne allerdings von der Wirtschaftsprufungsgesellschaft anhand der\nzur Verfugung gestellten Unterlagen nicht vorgenommen werden.\n\n103\n\n \n\nDer Bericht zeigt damit zum einen Widerspruche zur Berechnung der Beklagten\nauf, macht aber auch die generelle Unzulanglichkeit der von ihr angestellten\nÜberlegungen deutlich. Die Klager haben im Jahre 2003 aufgrund der aktuell\ndefizitaren Situation der SHS eine aus ihrer Sicht unmittelbar zu einer\nEinsparung fuhrende Maßnahme uber ihr Arbeitszeitkonzept durchgefuhrt. Dadurch\nsind unstreitig erhebliche Kostenreduzierungen eingetreten. Dass die\nDurchfuhrung dieses Konzeptes sich gemessen an den Pflichten eines Vorstandes\nals so unvertretbar darstellte, dass es als Schadensersatz begrundenden\nVerhaltens zu bewerten ware, ist deshalb ebenfalls nicht erkennbar.\n\n104\n\n \n\nIm Übrigen hatte auch an dieser Stelle der Vortrag der Klager, vom\nVerwaltungsrat unterhalb betriebsbedingter Kundigungen freie Hand zur\nReduzierung der Personalkosten erhalten zu haben, von der Beklagten durch\nVorlage der Verwaltungsratsprotokolle ausgeraumt werden konnen. Aufgrund der\nbereits getroffenen Feststellungen kann diese Frage jedoch unbeantwortet\nbleiben.\n\n \n\n**F.**\n\n105\n\n \n\nDie Beklagte hat im Berufungsverfahren ihren Widerklageantrag gegenuber der\nersten Instanz geandert. Sie begehrt nunmehr nach ihrem Antrag zu 4. "nur\nnoch" eine Verurteilung der Klager als Gesamtschuldner zu einem Betrag von 5\nMio. EUR. Hilfsweise wird der erstinstanzlich als Hauptwiderklageantrag\nerhobene Betrag von 18.748.000,00 EUR geltend gemacht.\n\n106\n\n \n\n**1.** Insofern wird die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Antragstellung\nnicht geeignet ist, die Prozesskosten generell auf einen Betrag von 5 Mio. EUR\nzum Hauptwiderklageantrag zu begrenzen. Zwar wird formal lediglich ein\nSchadensersatzanspruch von 5 Mio. EUR begehrt. Die in einer Abstufung\nalternativ hierfur herangezogenen Schadensersatzpositionen (verdeckte\nHilfsantrage) ergeben aber insgesamt den Betrag von 18.748.000,00 EUR, der\nauch in erster Instanz begehrt wurde und im Berufungsverfahren mit dem\nHilfsantrag begehrt wird. Lediglich ein Zuspruch zu vorrangig erhobenen\nSchadensersatzpositionen konnte zu einer Streitwertreduzierung fuhren. Der\nSenat sieht sich aufgrund des sehr hohen Streitwertes zu diesem Hinweis\ngehalten, damit die Beklagte die (weiteren) kostenrechtlichen Folgen ihrer\n(weiteren) Prozessfuhrung uberdenken moge; sie soll wenigstens Gelegenheit\ndazu erhalten.\n\n107\n\n \n\n**2.** Erganzend ist noch auf einen weiteren fur den Streitwert wesentlichen\nUmstand hinzuweisen:\n\n108\n\n \n\nMit der Berufung werden zur Schadensersatzposition "Wertpapierhandel" im\nUnterschied zum erstinstanzlichen Verfahren in einer Stufenfolge mehrere\nSchadensersatzanspruche aus den jeweiligen Fonds erhoben. Dabei handelt es\nsich um die Betrage von 5.023.952,00 EUR, 5.365.659,00 EUR, 4.575.589,00 EUR\nund 5.000.000,00 EUR. Der sich daraus ergebende Gesamtbetrag von 19.965.209,00\nEUR konnte unter Berucksichtigung eines erstinstanzlich insoweit vorgebrachten\nSchadensbetrages von 7.799.000,00 EUR zu einer weiteren Erhohung des\nStreitwertes um 12.166.209,00 EUR fuhren. Unter Berucksichtigung des\nerstinstanzlich festgesetzten Streitwertes von 19.872.848,07 EUR ergabe sich\ndadurch ein Streitwert fur das Berufungsverfahren von 32.039.057,07 EUR.\nDieser Betrag fande eine Begrenzung auf 30 Mio. EUR fur die Gerichtskosten\ndurch § 39 Abs. 2 GKG und die Anwaltskosten uber § 22 RVG."\n\n109\n\n \n\n**3.** Die zu diesen Hinweisen vorgelegte Stellungnahme der Beklagten vermag\ndie geaußerte vorlaufige Rechtsauffassung nicht (mehr) zu erschuttern.\n\n110\n\n \n\n**a)** Die Ausfuhrungen des Senates zur Begrundetheit der Klage werden mit der\nStellungnahme nicht konkret angegriffen. Selbst unter Berucksichtigung der\nabweichenden Ansicht der Beklagten, die die ausgesprochenen Kundigungen\n(weiterhin) fur wirksam erachtet und dafur auf ihren bisherigen Vortrag\nverweist, sind mithin keine (zusatzlichen) Argumente ersichtlich, die zu einer\nÄnderung der vom Senat im Hinweisschreiben vertretenen Auffassung fuhren\nmussten.\n\n111\n\n \n\n**b)** Die Widerklage ist auch unter Beachtung der erganzenden Ausfuhrungen\nder Beklagten in ihrer Stellungnahme - wie bereits vom Landgericht im Ergebnis\nrichtig beurteilt - unzulassig. Der damalige Verwaltungsratsvorsitzende der\nBeklagten, der Oberburgermeister der Hansestadt ... H. L., konnte - entgegen\nder Rechtsansicht der Beklagten - ohne legitimierenden\nVerwaltungsratsbeschluss die (seinerzeitige) Prozessbevollmachtigte der\nBeklagten nicht mit der Erhebung der Widerklage bevollmachtigten (aa); das\nvollmachtlose Handeln des Verwaltungsratsvorsitzenden ist außerdem nicht -\nwiederum anders, als es die Beklagte versteht - in prozessual wirksamer Weise\nnachtraglich genehmigt worden (bb).\n\n112\n\n \n\n**aa)** Nach der Bestimmung des § 8 Abs. 6 Sparkassengesetz M-V wird die\nSparkasse gegenuber dem Vorstand durch den Verwaltungsrat vertreten. Der\nLandesgesetzgeber Mecklenburg-Vorpommern hat damit im Unterschied zu anderen\nBundeslandern die Vertretung der Sparkasse gegenuber dem Vorstand nicht in die\nHande des Verwaltungsratsvorsitzenden (vgl. z.B. § 14 Abs. 1 Satz 3\nSparkassengesetz Rheinland-Pfalz), sondern des Verwaltungsrates als oberstem\nOrgan der Sparkasse gelegt. Dem Vorsitzenden des Verwaltungsrates wird auch\nkeine generelle Vollmacht zur Vertretung des Verwaltungsrates eingeraumt (so\naber z.B. § 12 Abs. 5 Niedersachsisches Sparkassengesetz). Der Vorsitzende des\nVerwaltungsrates der Sparkasse in Mecklenburg-Vorpommern ist deshalb lediglich\nbefugt, fur den Verwaltungsrat, aber nicht anstatt dessen zu handeln. Dies\nfolgt insbesondere auch aus einer Parallelitat der Vorschrift zur Regelung des\n§ 112 AktG.\n\n113\n\n \n\n**(1)** Vorganger des Sparkassengesetzes M-V war das Sparkassengesetz der DDR\nvom 29. Juni 1990 (GVBL I, S. 567). Danach wurde die Sparkasse regelmaßig\ndurch den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Es fehlte eine\nRegelung, wie die Vertretung der Sparkasse gegenuber den Vorstandsmitgliedern\nvorzunehmen sei. In der Rechtsprechung wurde deshalb insoweit eine gesetzliche\nRegelungslucke angenommen, die uber eine entsprechende Anwendung des § 112\nAktG zu schließen sei (vgl. BAG, Urteil vom 20.08.1998, Az.: 2 AZR 12/98,\nzitiert nach juris). Ebenso wurde eine Regelungslucke mit der Folge der\nAnwendung der Bestimmungen des § 112 AktG festgestellt fur die Vertretung der\nGenossenschaft im Prozess gegen ein ehemaliges oder gegenwartiges\nVorstandsmitglied (BGHZ 130, 108-115). Offenbar hat das Sparkassengesetz M-V,\nwelches das Sparkassengesetz der DDR außer Kraft gesetzt hat (vgl. § 33\nSparkassengesetz M-V), diese Regelungslucke durch die mit § 112 AktG im\nwesentlichen ubereinstimmende Bestimmung des § 8 Abs. 6 Sparkassengesetz M-V\nausgefullt (vgl. BAG, a.a.O., Tz. 23).\n\n114\n\n \n\n**(2)** Die Interessenlage beider Vorschriften ist gleich: es soll die\nunbefangene Wahrung der Belange der Sparkasse bzw. Gesellschaft sichergestellt\nwerden. Dahinter steht die Besorgnis, dass der Vorstand als regelmaßiges\nVertretungsorgan die erforderliche Unvoreingenommenheit nicht aufbringt, wenn\neinzelne seiner Mitglieder an dem jeweiligen Rechtsverhaltnis selbst beteiligt\nsind (vgl. ganz h.M., z.B. BGHZ 103, 213, 216; BGH, NJW 1989, 2055, 2056; BGHZ\n130, 108, 111f.; Huffer, Aktiengesetz, 7. Auflage, § 112 Rn. 1 m.w.N.). Im\nAktienrecht ist weiter anerkannt, dass bereits aus Grunden der Praktikabilitat\neine Vertretung des Aufsichtsrates als Organ moglich sein muss. Grundsatzlich\nmuss aber der Aufsichtsrat bei der Aktivvertretung uber die Vornahme des\nGeschaftes befinden. Bei der Übertragung der Vertretung auf einzelne\nAufsichtsratsmitglieder, oder generell den Vorsitzenden (z. B. durch Satzung),\nkann dieser deshalb nur als Erklarungs- und nicht Willensvertreter tatig\nwerden (vgl. BGHZ 12, 327, 334ff.; Huffer, a.a.O., § 112 Rn. 5 m.w.N.).\nAnsonsten wurde die dem Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat aufgegebene\nWillensbildung unterlaufen, wenn diese durch die Aufsichtsratsmitglieder oder\nden Vorsitzenden gebildet werden durfte.\n\n115\n\n \n\n**(3)** Es besteht keine Veranlassung, von diesen Grundsatzen im Hinblick auf\ndie Bestimmungen des § 8 Abs. 6 Sparkassengesetz M-V, im Wesentlichen wortlich\nubereinstimmend mit § 112 AktG, abzuweichen. Mit der Anordnung, dass der\nVorsitzende fur den Verwaltungsrat handelt, ist ihm lediglich generell (wie\nz.B. durch Satzung einer Aktiengesellschaft) die Vollmacht erteilt worden, den\ndurch den Verwaltungsrat gebildeten Willen zu erklaren und umzusetzen. Soweit\ndie Beklagte demgegenuber einwendet, der Verwaltungsratsvorsitzende wurde\ndamit zum Boten des Verwaltungsrates gemacht, wird das der angestellten\nrechtlichen Beurteilung des Senates nicht gerecht. Der\nAufsichtsratsvorsitzende der Sparkasse unterliegt nicht strengeren\nEinschrankungen seiner Vertretungsmacht als dies im Aktienrecht fur einen\ngenerell bevollmachtigten Aufsichtsratsvorsitzenden anerkannt ist.\n\n116\n\n \n\n**(4)** Der im Kommunalrecht anerkannte Grundsatz der strikten Unterscheidung\nzwischen interner Willensbildung und externer Vertretungsbefugnis findet\nvorliegend keine Anwendung (vgl. BGH WM 1997, 2410-2412). Im Unterschied zu\nden Selbstverwaltungsorganen der Gemeinden, z.B. Burgermeister und\nGemeindevertretung, werden dem Verwaltungsratsvorsitzenden im Sparkassengesetz\nM-V nicht im vergleichbaren Umfange Aufgaben zugewiesen. Insbesondere ist er\nnicht generell Vertreter der Sparkasse oder des Verwaltungsrates. Es besteht\nauch keine dem Gemeinderecht vergleichbare Aufgabenverteilung zwischen\ngleichberechtigten Organen mit jeweils eigenen Zustandigkeiten. Anders als bei\nder Gemeindeordnung lasst sich deshalb auch nicht feststellen, dass die\ngesetzliche Aufgabenverteilung an dem das Vertretungsrecht beherrschenden\nAbstraktionsgrundsatz orientiert ware (vgl. BGH WM 1997, 2410-2412). Die\nRegelung entspricht vielmehr den fur die Bestimmung des § 112 AktG anerkannten\nGrundsatzen der Übertragung der Vertretungsmacht.\n\n117\n\n \n\n**bb)** Der Mangel in der Vertretungsmacht fuhrt zur Unzulassigkeit der\n(Wider-)Klage (vgl. Huffer, a.a.O., § 112 Rn. 8). Dieser Mangel ist nicht\ndurch rechtzeitige Genehmigung behoben worden.\n\n118\n\n \n\n**(1)** Der Verwaltungsratsbeschluss vom 11.10.2005 enthalt keine - auch nicht\nkonkludente - Genehmigung der Erhebung der Widerklage uber einen Betrag von\n18.748.000,00 EUR (vgl. Streitwertbeschluss GA 1719-1722); das hat schon das\nLandgericht eingehend und zutreffend begrundet. Die Beklagte fehlinterpretiert\ninsoweit die von ihr in Bezug genommenen Urteile des Bundesgerichtshofs (NJW\n1998, 384; 1999, 3263f.).\n\n119\n\n \n\nDanach wird gerade keine konkludente Beschlussfassung des Aufsichtsrates bzw.\nVerwaltungsrates zugelassen; vielmehr mussen diese Organe ihre Beschlusse\nausdrucklich fassen. Zwar ist eine stillschweigende oder konkludente\nZustimmung oder Meinungsaußerung des Aufsichts- bzw. Verwaltungsrates moglich,\nsie hat aber nicht die Rechtswirkung eines Beschlusses. Die Rechtslage ist\ndann so, als wenn kein Beschluss gefasst worden ware, weil die wesentlichen\nModalitaten der Beschlussfassung (Beschlussfahigkeit, Stimmenverhaltnisse,\nalso Zustimmung, Ablehnung und Stimmenthaltungen) bei nur konkludentem Handeln\nnicht festgestellt werden konnen (allgem. Meinung, siehe BGHZ 10, 187, 194;\n41, 282, 286; BGH, NJW 1989, 1928, 1929; Huffer, a.a.O., § 108 Rn. 4). Moglich\nbleibt es hingegen, einen ordnungsgemaß gefassten Beschluss dahingehend\nauszulegen, ob diesem eine den Wortlaut ubersteigende Bedeutung zukommt und\ndarin ein konkludentes Handeln zu erkennen (vgl. dazu BGH, NJW 1989, 1928,\n1929; Huffer, a.a.O., § 108 Rn. 4 a.E.).\n\n120\n\n \n\nEine solche Interpretation hat das Landgericht bezuglich des seitens der\nBeklagten vorgelegten Beschlusses vom 11.10.2005 angestellt und ist dabei zu\ndem uberzeugenden Schluss gelangt, dass darin keine Genehmigung der Widerklage\nzu erkennen ist. Der Senat halt deshalb daran fest, dass mit der Begrundung\nund Auslegung des Gerichts erster Instanz dem Verwaltungsratsbeschluss vom\n11.10.2005 nicht die von der Beklagten begehrte Rechtsfolge zu entnehmen ist.\n\n121\n\n \n\n**(2)** Eine Genehmigung in der Berufungsinstanz - durch Beschluss des\nVerwaltungsrates vom 14.09.2007 - war prozessual wirksam nicht mehr moglich.\nDenn die Genehmigung der Prozessfuhrung kann nur bis zum Schluss der\nmundlichen Verhandlung erfolgen, aufgrund derer ein wegen fehlender Vollmacht\ndes Vertreters ein die Klage bzw. Widerklage zuruckweisendes Urteil ergeht.\nEine genehmigende Nachreichung der Vollmacht fur die Klage / Widerklage ist\ndeshalb in der Rechtsmittelinstanz nicht mehr moglich, wenn die Vorinstanz\ndiese wegen des Mangels zu Recht als unzulassig abgewiesen hatte (vgl.\nZoller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 89 Rn. 11; Stein/Jonas/Borg, ZPO, 22.\nAufl., § 89 Rn. 13; Munchener Kommentar zur ZPO/von Mettenheim, 2. Aufl., § 90\nRn. 20 f., BGHZ 91, 111-117; Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, OLGR\nBremen 2006, 60-65; Oberlandesgericht Rostock, OLGR Rostock 1998, 466-468;\n2000, 455-456).\n\n122\n\n \n\n**(i)** Zu dieser Rechtsfrage hat der Gemeinsame Senat der obersten\nGerichtshofe des Bundes in seiner Grundsatzentscheidung vom 17.04.1984 - Az.:\nGmS-OGB 2/83 - im Einzelnen ausgefuhrt (vgl. BGHZ 91, 111-117, zitiert nach\njuris, Tz. 12ff.):\n\n123\n\n \n\n"Die Prozessvollmacht ermachtigt zu allen den Prozess betreffenden\nProzesshandlungen. Ein vom Vertreter ohne Vollmacht eingelegtes Rechtsmittel\nist als unzulassig zu verwerfen, ebenso wie eine ohne Vollmacht eingereichte\nKlage (Anm.: hier die Widerklage) als unzulassig abzuweisen ist. Unabhangig\ndavon, ob der Mangel der Vollmacht von Amts wegen oder nur auf Ruge des\nGegners hin (§ 88 Abs. 1 ZPO) (Anm.: die hier angebracht worden ist) zu\nberucksichtigen ist, ist eine ohne Vollmacht vorgenommene Prozesshandlung\nunzulassig. Die prozessrechtliche Bevollmachtigung kann nur durch eine\nschriftliche Vollmacht nachgewiesen werden, die zu den Gerichtsakten abzugeben\nist (§ 80 Abs. 1 ZPO). Das Gericht kann zwar einen vollmachtlosen Vertreter\nzur Prozessfuhrung einstweilen zulassen (§ 89 Abs. 1 ZPO), hat ihm dann aber\neine Frist zur Beibringung der Vollmacht zu bestimmen. Nach Ablauf der\ngesetzten Frist ist der vollmachtlose Vertreter durch besonderen Beschluss\noder in den Grunden des Urteils zuruckzuweisen.\n\n124\n\n \n\nDer Mangel der Vollmacht bei Einlegung eines Rechtsmittel (oder bei Erhebung\nder [Wider-] Klage, Erganzung: hier) kann durch Genehmigung des Vertretenen,\ndie auch in der Erteilung der Prozessvollmacht liegen kann, mit ruckwirkender\nKraft geheilt werden, soweit noch nicht ein das Rechtsmittel (bzw. die\n[Wider-] Klage, Zusatz: hier) als unzulassig verwerfendes Prozessurteil\nvorliegt (§ 89 Abs. 2 ZPO; dazu RGZ 161, 350, 351; BGHZ 10, 147 ... BGH Urteil\nvom 19. September 1967 - VI ZR 82/66 = NJW 1967, 2304).\n\n \n\n(...)\n\n125\n\n \n\nWird dagegen eine Bevollmachtigung fur die Zeit nach Erlass des ein\nRechtsmittel als unzulassig verwerfendes Prozessurteil mit nachtraglicher\nGenehmigung der bisherigen Prozessfuhrung, die in dieser Bevollmachtigung\ngesehen werden kann, durch schriftliche Vollmacht nachgewiesen, kann der\nMangel der Vollmacht nicht mehr behoben werden (BAGE 17, 32 = NJW 1965; 1041\n... ). Eine solche Bevollmachtigung kann nur noch fur die Zukunft wirken. Die\ndarin enthaltene nachtragliche Genehmigung kann keine Wirkung mehr fur die\nVergangenheit entfalten. Solange ein Prozessurteil in der Berufungsinstanz\n(bzw. zur [Wider-] Klageerhebung in erster Instanz, Anm.: hier) nicht ergangen\nist, ist das Rechtsmittel (bzw. die Widerklage, Anm.: hier), das ohne\nVollmacht eingelegt worden ist, schwebend unwirksam (s. BFHE 90, 280, 281),\nweil das Gericht den vollmachtlosen Vertreter einstweilen zulassen und der\nVertretene die bisherige Prozessfuhrung genehmigen und damit wirksam machen\nkann. Das Gesetz verfolgt auch bei der Regelung der Vertretung ohne\nVertretungsmacht die Absicht, eine durch das Fehlen der Genehmigung des\nVertretenen eingetretene Unklarheit zu einem bestimmten Zeitpunkt enden zu\nlassen (§ 177 Abs. 2 BGB). Setzt das Berufungsgericht (bzw. das Gericht erster\nInstanz: Erganzung hier) eine Frist zur Beibringung der schriftlichen\nVollmacht und wird diese Vollmacht bis zum Schluss der letzten mundlichen\nTatsachenverhandlung nicht beigebracht, so wird die schwebende Unwirksamkeit\ndes Rechtsmittels (bzw. der [Wider-] Klage: Zusatz hier) mit dem Erlass des\nProzessurteils beendet. Der vollmachtlose Vertreter ist dann zuruckgewiesen\nworden. Das Rechtsmittel (hier: die Widerklage) ist endgultig unzulassig. Eine\nnunmehr in der Revisionsinstanz (vorliegend der Berufungsinstanz, Anm.: hier)\nerteilte Genehmigung kann nicht mehr zur Zulassigkeit des Rechtsmittels\nfuhren, weil mit dem Erlass des Prozessurteils in der Berufungsinstanz (hier\nder ersten Instanz, Ausfuhrung: hier) eine genehmigungsfahige Grundlage nicht\nmehr besteht. Da der Vertreter die Prozesshandlung ohne Vollmacht vorgenommen\nhat und sie nun mit Vollmacht nicht mehr vornehmen kann, wurde jetzt eine\nnachtragliche Genehmigung nicht den Mangel der Vollmacht beseitigen, sondern\nnur dem richtigen Prozessurteil die Grundlage entziehen (s. BAG a.a.O.).\n\n \n\n(...)\n\n126\n\n \n\nAuch erfordern Rechtsklarheit und Rechtssicherheit fur den Gegner der\nvollmachtlos vertretenen Partei, dass nicht durch nachtragliche Genehmigung\neinem prozessual zu Recht ergangenem Urteil die Grundlage entzogen wird. Der\nEinzelfallgerechtigkeit wird durch die Fristsetzung und durch die einstweilige\nZulassung Genuge getan."\n\n127\n\n \n\n**(ii)** Diese in der hochstrichterlichen Rechtsprechung und der Literatur\nallgemein anerkannten Grundsatze finden auch im vorliegenden Fall Anwendung.\nZwischen den Parteien war hier erstinstanzlich - anders als in der von der\nBeklagten in Bezug genommenen Entscheidung (BGH, NJW 1999, 3763ff.), die der\nhiesigen Fallkonstellation nicht entgegensteht, weil darin die Differenzierung\nzwischen einer unentdeckten Unzulassigkeit und einer Abweisung der Klage als\nunzulassig (anders als hier) nicht relevant erschien - die ordnungsgemaße\nVertretung der Beklagten streitig und wurde ausdrucklich gerugt (§ 88 Abs. 1\nZPO), so dass das Gericht erster Instanz zur Prufung der Vollmacht gehalten\nwar (vgl. Zoller/Vollkommer, a.a.O., § 88 Rn. 2 m.w.N.). Denn bereits in der\nStellungnahme zur Widerklage haben die Klager ausdrucklich auf deren\nUnzulassigkeit hingewiesen. Mit Schriftsatz vom 23.03.2005 hat sodann der\n(seinerzeitige) Prozessbevollmachtigte der Klager beantragt, die\nProzessbevollmachtigten der Beklagten binnen zu setzender Frist aufzufordern,\ndie Bevollmachtigung fur die Erhebung der Widerklage durch Vorlage einer\nschriftlichen Vollmacht nachzuweisen. Hierzu hat die Kammer den\nProzessbevollmachtigten der Beklagten ausweislich der Verfugung vom 30.03.2005\neine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen gesetzt. Darin liegt eine\nFristsetzung gemaß § 89 Abs. 1 Satz 2 ZPO (dazu allgemein Zoller/Vollkommer,\na.a.O., § 89 Rn. 5 m.w.N.). Der Prozessbevollmachtigte der Beklagten war\nhiernach gehalten entweder innerhalb der Frist Grunde darzulegen, die die\nAuffassung der Klager zur fehlenden Vollmacht zu widerlegen hatten geeignet\nsein konnen, oder aber die Vollmacht fristgerecht vorzulegen, um nicht\nanderenfalls die Abweisung der Widerklage als unzulassig und die Verurteilung\nin die Kosten (§ 89 Abs. 1 Satz 3 ZPO) gegen sich selbst zu riskieren (vgl.\nZoller/Vollkommer, a.a.O., § 89 Rn. 8 m.w.N.).\n\n128\n\n \n\nGenau in diesem Sinne ist die Verfugung zur Fristsetzung von den vormaligen\nProzessbevollmachtigten der Beklagten auch verstanden worden. Denn sie haben\nmit Schriftsatz vom 15.04.2005 - mithin innerhalb der bestimmten Frist - das\nOriginal einer Prozessvollmacht vorgelegt. Diese Vollmacht ist unterzeichnet\nvom Vorsitzenden des Verwaltungsrates sowie von einem Vorstandsmitglied und\neinem stellvertretenden Vorstandsmitglied. Damit fehlt es an der Unterschrift\naller Mitglieder des Verwaltungsrates oder der Beifugung eines dies\nbetreffenden Beschlusses.\n\n129\n\n \n\nDementsprechend hat der Prozessbevollmachtigte der Klager in der mundlichen\nVerhandlung vom 13.07.2005 erneut gerugt, dass es an einer Bevollmachtigung\ndes Vorstandsvorsitzenden durch den Verwaltungsrat - zur Erteilung der\nProzessvollmacht - fehle. Der damalige Prozessbevollmachtigte der Beklagten,\nRechtsanwalt H. S., hat unter Bezugnahme auf § 8 Abs. 6 und § 10 SpkG M-V eine\ngegenteilige Auffassung vertreten. Das Vorliegen einer ordnungsgemaßen\nVollmacht ist auch im weiteren Verlauf des Prozesses streitig geblieben. So\nist erneut in der mundlichen Verhandlung vom 10.05.2006 vom Landgericht auf\ndie Rechtsfrage einer ordnungsgemaßen Bevollmachtigung eingegangen worden. Das\nGericht hat den (vormaligen) Verwaltungsratsvorsitzenden, Herrn\nOberburgermeister H. L., zur Frage einer Bevollmachtigung angehort; dieser hat\nbekundet, einen Beschluss des Verwaltungsrates uber die Erhebung einer\nWiderklage habe es nicht gegeben. Der Beklagtenvertreter hat daraufhin\nerganzend ausgefuhrt, der jetzige Verwaltungsrat der Sparkasse Vorpommern habe\ndie Widerklage/Drittwiderklage genehmigt. Hierzu hat der\nProzessbevollmachtigte der Beklagten das Schreiben des Vorstandes der\nSparkasse V. vom 14.11.2005 und das Protokoll eines Gespraches vom 10.11.2005\nvorgelegt. Sodann hat das Gericht mit den Parteien die Erforderlichkeit der\nVorlage eines Beschlusses des Verwaltungsrates zur Verfolgung von Anspruchen\ngegen ehemalige Vorstandsmitglieder erortert. Dabei ist insbesondere auf die\nRechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Genossenschaftsrecht hingewiesen\nworden.\n\n130\n\n \n\nTrotz dieser vielfaltigsten Hinweise hat der damalige Prozessvertreter der\nBeklagten, Rechtsanwalt H. S., daran festgehalten (und zwar offenbar\n[angesichts der ihm und der Beklagten wiederholt erteilten\n"Rechtsbelehrungen"] in Verkennung der wirklichen Rechtslage), dass sich aus\nden von ihm vorgelegten Unterlagen eine ausreichende Bevollmachtigung ergabe.\nDas Landgericht war unter diesen Umstanden nicht gehalten, dem\nProzessbevollmachtigten der Beklagten erneut eine Frist zur Vorlage einer\nVollmacht zu setzen. Der Anwalt der Beklagten hat sich vielmehr in dieser\nprozessentscheidenden Frage zur Legitimierung der Widerklage allein auf seine\nrechtliche (im Ergebnis fehlerhafte) Beurteilung der dem Gericht zur\nLegitimierung seiner Vollmacht zugereichten Unterlagen gestutzt. Ein\nordnungsgemaßer Verwaltungsratsbeschluss, der zum Nachweis der berechtigten\nProzessfuhrung tatsachlich einen Nachweis hatte liefern konnen, wurde trotz\nder umfangreichen Erorterungen und Hinweise des Landgerichts nicht zur\nGerichtsakte gereicht.\n\n131\n\n \n\n**(3)** Die Erhebung der Widerklage ist ebensowenig gemaß §§ 81, 83 ZPO\nlegitimiert.\n\n132\n\n \n\n**(i)** Nach der hochstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. u.a. BGHZ 130,\n108ff.; 131, 102 f.; BGH, NJW 1997, 2324; BAG, Urteil vom 20.08.1998, 2 AZR\n12/98, zitiert nach juris) ist eine erhobene Klage, wenn der Beklagte nicht\nnach Vorschrift der Gesetze vertreten ist, wobei der Klager fur eine\nordnungsgemaße Klageerhebung als verantwortlich angesehen wird, als unzulassig\nabzuweisen.\n\n133\n\n \n\n**(ii)** Richtigerweise hatte das Landgericht deshalb nicht nur die\nWiderklage, sondern auch die erhobene Klage als unzulassig abweisen mussen.\nIndes hat das Landgericht diesen Gesichtspunkt offenbar ubersehen. Entgegen\nder Auffassung der Beklagten kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass\ninsofern unstreitig eine ordnungsgemaße Bevollmachtigung vorgelegen hat. Das\nRechtsproblem ist schlicht erstinstanzlich nicht ins Auge genommen worden,\nalso "unentdeckt" geblieben (vgl. dazu Zoller/Vollkommer, a.a.O., § 89 Rn.\n11).\n\n134\n\n \n\n**(iii)** Die Rechtsfolge dieses Versaumnisses fur das Berufungsverfahren ist\nindessen nicht darin angelegt, dass dadurch die Widerklage zulassig wurde.\nVielmehr hat die mit Beschluss vom 14.09.2007 erteilte Genehmigung der\nWiderklage, die konkludent auch ein Einverstandnis mit der Prozessfuhrung zur\nKlageverteidigung enthalt, dazu gefuhrt, dass das erstinstanzlich dem Erfolg\nder Klage entgegenstehende Hindernis, deren Unzulassigkeit, im\nBerufungsverfahren beseitigt worden ist. Da die Klage nicht - anders wie zur\nWiderklage - als unzulassig abgewiesen wurde, ist eine nachtragliche\nGenehmigung in der Berufung moglich (siehe dazu Zoller/Vollkommer, a.a.O.,\nm.w.N. a.d.Rspr.; im ubrigen siehe schon oben).\n\n135\n\n \n\n**(4)** Der Genehmigungswirkung lediglich bezogen auf die Klageerwiderung\nsteht nicht entgegen, dass grundsatzlich die Heilung fehlender Vollmacht durch\nGenehmigung die gesamte Prozessfuhrung des vollmachtlosen Vertreters erfasst.\nEs ist danach regelmaßig nicht moglich, einzelne Prozesshandlungen zu\ngenehmigen, andere aber von der Genehmigung auszunehmen (vgl.\nZoller/Vollkommer, a.a.O., § 89 Rn. 10 m.w.N.).\n\n136\n\n \n\n**(i)** Insoweit sind indessen Einschrankungen anerkannt. So erfasst die\nGenehmigung nicht den Rechtsmittelverzicht des vollmachtlosen Vertreters, von\ndem die Partei keine Kenntnis hatte. Daruber hinaus wird angenommen, dass eine\nGenehmigung, die den verfahrensbeendigenden Akt, z.B. einen Vergleich oder\neinen Rechtsmittelverzicht, trotz Kenntnis ausnimmt, zulassig ist. Denn die\nvollmachtlos vertretene Partei wurde ansonsten gezwungen, die Genehmigung\ninsgesamt zu verweigern (Munchener Kommentar zur ZPO/von Mettenheim, a.a.O. §\n90 Rn. 21; Zoller/Vollkommer, a.a.O., § 89 Rn. 10).\n\n137\n\n \n\n**(ii)** Nicht anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn es auf der einen\nSeite um eine vollmachtlose Verteidigung gegen eine Klage, auf der anderen\nSeite um die Erhebung einer Widerklage geht. Denn die vollmachtlose Partei\nwurde anderenfalls dazu angehalten, die Genehmigung einer aus ihrer Sicht\nvollmachtlosen, aber im ubrigen ordnungsgemaßen Prozessvertretung bezuglich\nder Klageerwiderung deshalb nicht vorzunehmen, weil die ohne ihre Vollmacht\nerhobene Widerklage ansonsten ebenso, mit den entsprechenden Kostenfolgen,\nwirksam wurde. Im ubrigen spricht fur diese Auffassung die grundsatzliche\nprozessrechtliche Unabhangigkeit von Klage und Widerklage.\n\n138\n\n \n\n**(iii)** Auch der schon vorstehend hervorgehobene Gesichtspunkt der\nRechtsklarheit und -sicherheit fur die Gegenpartei (hier also die Klager) der\nvollmachtlos vertretenen Partei (der Beklagten) begrundet ein solches\nAuslegungsergebnis. Denn dem prozessual rechtmaßig - zu Gunsten der Klager -\nergangenen Prozessurteil des Landgerichts uber die Unzulassigkeit der\nWiderklage wurde nunmehr die Grundlage entzogen, wenn sie im\nBerufungsrechtszug durch den Senat zu genehmigen ware. Die dazu ihr gegebene\nChance hat die Beklagte (bzw. ihre vormalige Prozessvertretung) - wie\nausfuhrlich dargestellt - in erster Instanz vertan und sie (bzw. ihre\nVertreter) hat (bzw. haben) von daher auch die Konsequenzen fur dieses\nprozessual fehlerhafte Verhalten in materiell-rechtlicher und\nkostenrechtlicher Hinsicht zu tragen.\n\n139\n\n \n\n**(5)** Eine Verurteilung des vollmachtlosen Vertreters, der\nRechtsanwaltssozietat L. & S., zu den Prozesskosten, wie sie § 89 Abs. 1 Satz\n3 ZPO grundsatzlich als moglich vorsieht, wie sie jedoch vom Landgericht nicht\nvorgenommen worden ist, kommt im Berufungsverfahren nicht (mehr) in Betracht.\nDas ist unabhangig von der Frage, ob diese Regelung fur die\nRechtsmittelinstanz uberhaupt anwendbar ist (vgl. dazu BAG NJW 2006, 461-463).\n\n140\n\n \n\n**(i)** Nach § 89 Abs. 1 Satz 3 ZPO ist jemand, der als Bevollmachtigter ohne\nBeibringung einer Vollmacht einstweilen zur Prozessfuhrung zugelassen wurde,\nzum Ersatz der dem Gegner infolge der Zulassung erwachsenen Kosten zu\nverurteilen, wenn er bis zum Erlass eines Endurteils die Genehmigung der\nProzessfuhrung nicht beigebracht hat.\n\n141\n\n \n\n**(ii)** Die Bestimmung setzt voraus, dass ein vollmachtloser Vertreter vom\nGericht vorlaufig zur Prozessfuhrung zugelassen wird. Das ist vorliegend nicht\nder Fall gewesen. Weitere tatbestandliche Voraussetzung der Vorschrift ist\nzudem, dass das vollmachtlose Handeln des Prozessbevollmachtigten nicht im\nNachhinein genehmigt worden ist (vgl. § 89 Abs. 2 ZPO). Das ist hier jedoch\ndurch den Beschluss des Verwaltungsrates vom 14.09.2007 - zumindest in Teilen\n- geschehen. Dieser Beschluss ist grundsatzlich materiell-rechtlich wirksam,\nauch wenn mit ihm die prozessrechtlich erstrebte Rechtsfolge, die Genehmigung\nder Widerklage, nicht mehr erreichbar war.\n\n142\n\n \n\n**(iii)** Aufgrund des Beschlusses ist die Legitimation der jetzigen\nProzessbevollmachtigten der Beklagten zur Erhebung der Berufung und der\nDurchfuhrung des Berufungsverfahrens nicht in Zweifel zu ziehen. Mit dem\nBeschluss ist aber auch ausdrucklich die Prozessfuhrung der\nProzessbevollmachtigten erster Instanz gerechtfertigt worden, indes wirksam\nallein in Bezug auf die Verteidigung zur Klage. Die damit gegebene materielle\nBerechtigung der vormaligen Prozessbevollmachtigten der Beklagten steht einer\nAnwendung des § 89 ZPO nach Genehmigung der Prozessfuhrung im\nBerufungsverfahren entgegen.\n\n143\n\n \n\n**c)** Eines Eingehens auf die ubrigen Beanstandungen der Beklagten gegen die\nim Hinweisschreiben verfochtene Auffassung des Senats, insbesondere zur\nEntlastung des Vorstandes, der Begrundetheit der Schadensersatzanspruche und\nder vom Senat diskutierten Schadensminderung, bedarf es nicht. Der Senat hat\ndie entgegenstehende Argumentation der Beklagten zur Kenntnis genommen. Da die\nWiderklage jedoch auch im Berufungsverfahren - bereits - als unzulassig\nabzuweisen war, ist eine weitergehende Auseinandersetzung mit der materiellen\nRechtslage zur Unbegrundetheit der Widerklage nicht geboten.\n\n144\n\n \n\n**4.** Der vorliegende Rechtsstreit ist nicht von grundsatzlicher Bedeutung.\nZur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen\nRechtsprechung ist ein Urteil des Berufungsgerichtes nicht erforderlich (§ 522\nAbs. 1 Satz 1, 2 und 3 ZPO). Zwar sieht die Beklagte eine grundsatzliche\nBedeutung des Rechtsstreits darin, dass eine Vielzahl von Rechtsfragen im\nZusammenhang mit der Haftung der Organmitglieder einer Sparkasse und den\nRechtswirkungen der Entlastung des Vorstandes zur Beurteilung durch den Senat\nstunden. Diese Fragen konnen indes wegen der Unzulassigkeit der Widerklage im\nErgebnis unbeantwortet bleiben; der Senat hat sie im Hinweisschreiben (s.o.)\nvorsorglich nur deshalb behandelt, weil zu diesem Zeitpunkt noch keine\nabschließende Meinung daruber zu begrunden war, ob es bei der Verwerfung der\nWiderklage wegen ihrer Unzulassigkeit verbleibt. Diese nunmehr begrundete\nendgultige Entscheidung erfordert weder aus Grunden der Rechtsfortbildung noch\nzur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Urteil des\nBerufungsgerichts, weil die insofern behandelten Rechtsfragen - wie\ndargestellt - hochstrichterlich geklart sind.\n\n \n\n**II.**\n\n145\n\n \n\nDie Kostenentscheidung ergeht gemaß § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des\nStreitwertes fur das Berufungsverfahren hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 47, 48\nGKG, § 3 ZPO. Aufgrund der Unzulassigkeit der Widerklage kommt eine Erhohung\ndes Streitwertes uber eine Anrechnung der hilfsweise erhobenen alternativen\nKlagepositionen - wohl auch im Kosteninteresse der Beklagten - nicht in\nBetracht. Der Wert des Berufungsverfahrens ist stattdessen zu bemessen nach\ndem Wert der beantragten Klagabweisung, den der Senat entsprechend dem\nStreitwertbeschluss des Landgerichts Stralsund vom 27.09.2007 festsetzt auf\n1.124.848,07 EUR, und zusatzlich nach dem Wert der im Berufungsverfahren nur\nnoch zur Beurteilung stehenden Widerklage i.H.v. 5.000.000,00 EUR. Das ergibt\neinen Gesamtbetrag von 6.124.848,07 EUR.\n\n
104,883
ag-rostock-2008-05-23-54-c-1607
467
Amtsgericht Rostock
ag-rostock
Rostock
Mecklenburg-Vorpommern
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
54 C 16/07
2008-05-23
2018-11-24 06:30:22
2019-02-14 07:03:34
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n \n\n1\\. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern als Gesamtgläubigern Auskunft\nüber Namen und aktuelle Anschriften aller Miteigentümer der\nGesamtwohnungseigentümergemeinschaft K.-straße/A.-straße, die in der\nEigentümerliste per 30.06.2007 aufgeführt wurden, zu erteilen.\n\n \n\n \n\n2\\. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n \n\n \n\n3\\. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n \n\n \n\n4\\. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 800,00 € vorläufig\nvollstreckbar.\n\n \n\n \n\n5\\. Der Streitwert wird auf 1.500,00 € festgesetzt.\n\n \n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten um Auskunftserteilung.\n\n \n\n2\n\n \n\nDie Kläger sind Mitglieder der Eigentümergemeinschaft K.-straße/A.-straße in\nR.; der Beklagte ist Verwalter der Gemeinschaft.\n\n \n\n3\n\n \n\nDie Kläger, die ihrerseits einen Rechtsstreit gegen die finanzierende\nBausparkasse "B." anderen Orts führen, begehrten mit anwaltlichem Schreiben\nvom 10.04.2007, wegen dessen Einzelheiten auf Anlage K 2 (Bl. 6 d. A.) Bezug\ngenommen wird, die Übermittlung der Eigentümerliste mit den aktuellen\nEinzelanschriften der Mitglieder der Eigentümergemeinschaft. Nach ablehnender\nReaktion des Beklagten vom 17.04.2007, wegen dessen Einzelheiten auf K 3 (Bl.\n7 d. A.) Bezug genommen wird, forderte der klägerische Prozessbevollmächtigte\nmit Schreiben vom 15.06.2007, wegen dessen Einzelheiten auf Anlage K 4 (Bl. 8\nd. A.) Bezug genommen wird, Auskunftserteilung bis zum 30.06.2007 unter\ngleichzeitiger Geltendmachung einer nach einem Gegenstandswert von 1.500,00 €\nbemessenen Geschäftsgebühr nebst Post- und Telekommunikationsentgelten und 19%\nUmsatzsteuer in Höhe von 273,72 €.\n\n \n\n4\n\n \n\nDie Kläger sind der Auffassung, der Beklagte sei verpflichtet, Auskunft über\ndie aktuelle Zusammensetzung der in der Eigentümerliste geführten Eigentümer\nmit aktuellen Namen und Adressen zu übermitteln. Er macht anstelle der bereits\nvorgenannten Geschäftsgebühr eine nunmehr nach einem Gegenstandswert von\n9.450,00 € bemessene Geschäftsgebühr in Höhe von 945,34 € geltend.\n\n \n\n5\n\n \n\nDie Kläger beantragen\n\n \n\n6\n\n \n\n1\\. den Beklagten zu verurteilen, an sie Auskunft über Namen und aktuelle\nAnschriften aller Miteigentümer der Gesamtwohnungseigentümergemeinschaft\nK.-straße/A.-straße, die in der Eigentümerliste geführt werden, zu erteilen;\n\n \n\n7\n\n \n\n2\\. den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger 945,34 € nebst Zinsen in Höhe\nvon 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 223,72 €\nseit 01.07.2007 und darüber hinaus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.\n\n \n\n8\n\n \n\nDer Beklagte beantragt\n\n \n\n9\n\n \n\nKlagabweisung.\n\n \n\n10\n\n \n\nEr ist der Auffassung, zur Auskunft nicht verpflichtet zu sein. Dies sei nur\nbei einem berechtigten Interesse der Fall, was hier nicht vorliege. Im Übrigen\nhätten die auf der Eigentümerversammlung am 22.07.2006 befragten anwesenden\nEigentümer erklärt, dass ohne Geltendmachung eines berechtigten Interesses\nAuskunft nicht zu erteilen sei. Dies sei durch Mitglieder des\nVerwaltungsbeirates bekräftigt worden. Insoweit werde wegen der Einzelheiten\nauf Anlagen B 1 und B 2 Bezug genommen.\n\n \n\n11\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst\nAnlagen sowie das Protokoll über die öffentliche Sitzung vom 29.04.2008\nverwiesen.\n\n \n\n#### Entscheidungsgründe\n\n12\n\n \n\nDie Klage ist zulässig.\n\n \n\n13\n\n \n\nDer in Ermangelung der Bezeichnung eines Stichtages, zu dem die\nEigentümerliste zu erstellen ist, nicht hinreichend bestimmte Klageantrag ist\nauslegungsfähig. Die Kläger fordern eine "aktuelle" Anschriftenliste. Das\nGericht hat, da verzugsbegründend der Beklagte mit identischem Wortlaut zur\nÜbermittlung einer derartigen Liste aufgefordert wurde, als Stichtag den\n30.06.2007 gewählt.\n\n \n\n14\n\n \n\nDer Antrag Ziffer 1 ist begründet.\n\n \n\n15\n\n \n\nZu den Verwalterpflichten gemäß §§ 20, 27 WEG i.V. mit dem Verwaltervertrag (§\n666 BGB) gehört es, einzelnen Wohnungseigentümern auf Verlangen darüber\nAuskunft zu geben, wer außer ihnen noch zur Wohnungseigentümergemeinschaft\ngehört, wobei wiederum das Vorhalten und Aktualisieren dieser Eigentümerliste\nzum Aufgabenbereich eines Verwalters gehört. Eines darüber hinaus von dem\nBeklagten für erforderlich gehaltenen berechtigten Interesses bedarf es nicht\n(vgl. Saarländisches Oberlandesgericht vom 29.08.2006, ZMR 2007, 141). Diese\nVoraussetzung wäre gegebenenfalls dann einschlägig, wenn es an einer\nvertraglichen Sonderbeziehung des Auskunftsbegehrenden fehlen würde, etwa wenn\nein x-beliebiger Dritter Auskunft gegenüber dem Verwalter verlangt. Diese\nSituation wurde offensichtlich auch auf der Eigentümerversammlung am\n22.07.2006 diskutiert. In dem Schreiben der Vorsitzenden des\nVerwaltungsbeirates vom 31.08.2006 (Anlage B 2; Bl. 31 d. A.) wird ausgeführt,\ndass hinsichtlich der "Problematik bezüglich der Nachfrage mehrerer\nRechtsanwaltsbüros oder ähnlicher Interessenten" ..." einhellig die Auffassung\nvertreten werde, dass die Adressen nicht irgendwo in Deutschland oder der Welt\nherumschwirren sollten". Damit steht in keinerlei Zusammenhang das Begehren\neines Mitgliedes der Eigentümergemeinschaft bezüglich ihrer Zusammensetzung.\n\n \n\n16\n\n \n\nEin Schadenersatzanspruch im Hinblick auf die an hiesiger Kostenfestsetzung\nnicht teilhabender Rechtsanwaltsgebühr (Antrag Ziff. 2) besteht unter keinem\nrechtlichen Gesichtspunkt. Voraussetzung eines derartigen\nSchadenersatzanspruches wäre es - neben der zumindest vorzutragenden\nBegleichung der Honorarnote -, dass der Beklagte sich zum Zeitpunkt der\nInanspruchnahme der Prozessbevollmächtigten der Kläger in Verzug befunden\nhätte. Daran mangelt es.\n\n \n\n17\n\n \n\nMit dem Auskunftsbegehren ist der Beklagte mit Schreiben der klägerischen\nProzessbevollmächtigten vom 15.06.2007 in Verzug gesetzt. Erst mit diesem\nSchreiben wurde eine Frist (30.06.2007) zur Vornahme der begehrten Handlung\ngesetzt. Vorheriger Verzugsbeginn ist nicht ersichtlich. Insbesondere liegt in\nder Ablehnung des Beklagten vom 17.04.2007 noch keine ernsthafte und\nendgültige Erfüllungsverweigerung. Zudem ergibt sich aus dem klägerischen\nSchreiben vom 10.04.2007 (Anlage K 2; Bl. 6 d. A.), dass die klägerischen\nProzessbevollmächtigten bereits zu diesem Zeitpunkt von den Klägern beauftragt\nwaren, die Miteigentümer zu ermitteln, was wiederum im klägerischen Schreiben\nvom 15.06.2007 dadurch verdeutlicht wird, dass auf eine bereits abgereichte\nVollmacht Bezug genommen wird.\n\n \n\n18\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Das Gericht hat dabei das Interesse\nder Kläger an der Auskunftserteilung mit 1.500,00 € geschätzt. Dem liegt\nzugrunde, dass zur Erlangung der Auskunft durch Einsichtnahme in die\nGrundbuchblätter und Ermittlung der Anschriften ca. 20,00 € pro Wohneinheit\nhätten aufgewendet werden müssen, so dass ich bei 70 Wohneinheiten ein\nStreitwert von bis zu 1.500,00 € ergibt. Wegen der Klageabweisung hatte eine\nKostenquotelung nicht zu erfolgen. Die Geltendmachung der Nebenforderung ist\nnicht streitwerterhöhend.\n\n \n\n19\n\n \n\nDie Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.\n\n
105,276
bfh-2011-08-17-x-b-22510
6
Bundesfinanzhof
bfh
Bundesrepublik Deutschland
Bundesgericht
X B 225/10
2011-08-17
2018-11-24 10:30:06
2019-01-18 00:15:34
Beschluss
## Gründe\n\n1\n\n \n\nDie Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) hat keinen Erfolg.\n\n \n\n2\n\n \n\n1\\. Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist\ndie Revision zuzulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung\neine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert.\n\n \n\n3\n\n \n\na) Dies trifft insbesondere dann zu, wenn das Finanzgericht (FG) mit einem das\nangegriffene Urteil tragenden und entscheidungserheblichen abstrakten\nRechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz einer anderen\nGerichtsentscheidung abgewichen ist. Das angefochtene FG-Urteil und die\n(vorgeblichen) Divergenzentscheidungen müssen dabei dieselbe Rechtsfrage\nbetreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein\n(Senatsbeschluss vom 17. März 2010 X B 51/09, BFH/NV 2010, 1291). Keine\nAbweichung in diesem Sinne liegt vor, wenn das FG erkennbar von den in der\nRechtsprechung des BFH entwickelten und auch den (mutmaßlichen)\nDivergenzentscheidungen zugrunde liegenden Rechtsgrundsätzen ausgeht, diese\naber (möglicherweise) fehlerhaft auf die Besonderheiten des Streitfalls\nangewendet hat (Senatsbeschluss vom 13. Januar 2010 X B 113/09, BFH/NV 2010,\n600). Denn nicht schon die Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils im\nEinzelfall, sondern nur die Abweichung im Grundsätzlichen rechtfertigt\nprinzipiell die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2\nFGO. Bloße Subsumtionsfehler sind hingegen im Zulassungsverfahren\ngrundsätzlich unbeachtlich (Senatsbeschluss in BFH/NV 2010, 600).\n\n \n\n4\n\n \n\nb) Nach diesen Maßstäben kommt im vorliegenden Fall eine Zulassung der\nRevision wegen Divergenz nicht in Betracht. Entgegen der vom Kläger\nvertretenen Auffassung vermag der beschließende Senat nicht zu erkennen, dass\ndas FG mit dem angefochtenen Urteil von dem BFH-Urteil vom 17. Dezember 2009\nIII R 101/06 (BFHE 228, 65, BStBl II 2010, 541) abgewichen sein soll. In\nÜbereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung --insbesondere dem\nBeschluss des Großen Senats des BFH vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98 (BFHE 197,\n240, BStBl II 2002, 291)-- ging das FG im Streitfall davon aus, dass der Drei-\nObjekt-Grenze im Hinblick auf die Annahme einer von Beginn der Tätigkeit an\nbestehenden bedingten Veräußerungsabsicht nur Indizwirkung zukommt. Auch bei\nder Veräußerung von weniger als vier Objekten ließen besondere Umstände auf\neine gewerbliche Tätigkeit schließen. Andererseits sei trotz Überschreitens\nder Drei-Objekt-Grenze ein gewerblicher Grundstückshandel dann nicht\nanzunehmen, wenn eindeutige Anhaltspunkte gegen eine von Anfang an bestehende\nVeräußerungsabsicht sprechen würden. Entsprechend der höchstrichterlichen\nRechtsprechung (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20. Februar 2003 III R 10/01, BFHE\n201, 515, BStBl II 2003, 510) hat das FG zudem darauf abgestellt, dass\npersönliche oder finanzielle Beweggründe der Veräußerung von Immobilien für\ndie Zuordnung zum gewerblichen Bereich oder der Vermögensverwaltung\ngrundsätzlich unerheblich seien. Deshalb könnten die Beweisanzeichen für eine\nvon Anfang an bestehende Veräußerungsabsicht im jeweiligen Einzelfall nur\ndurch objektive Umstände widerlegt werden. In Übereinstimmung mit dem\nvermeintlichen Divergenzurteil in BFHE 228, 65, BStBl II 2010, 541 hat das FG\nausgeführt, die durch das Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze indizierte\ninnere Tatsache der bedingten Veräußerungsabsicht im Zeitpunkt des Erwerbs\noder der Errichtung werde vornehmlich durch Gestaltungen des Steuerpflichtigen\nwiderlegt, die eine spätere Veräußerung wesentlich erschwerten oder\nunwirtschaftlich machten. Das FG kam im angefochtenen Urteil angesichts der\nvertraglichen Regelung in den Gesellschaftsverträgen der GbR, insbesondere der\nTatsache, dass eine Veräußerung der Gesellschaftsanteile an fremde Dritte\nnicht ausgeschlossen war, sondern nur ein Vorkaufsrecht der verbleibenden\nGesellschaft ausgelöst hat, zu dem Ergebnis, dass der Kläger keine von Beginn\nan vorliegenden Umstände oder Gestaltungen getroffen hatte, die eine\nVeräußerung objektiv wesentlich erschwert oder diese unwirtschaftlich gemacht\nhätten. Selbst wenn das FG das Verhältnis der Regelung in § 4 Abs. 5 Buchst. g\nzu den §§ 10 bis 12 der Gesellschaftsverträge (Formalien der verschiedenen\nMöglichkeiten des Ausscheidens eines Gesellschafters) verkannt haben sollte,\nwäre hierin keine Abweichung im Grundsätzlichen, sondern allenfalls eine nicht\nzur Zulassung der Revision führende unzutreffende Rechtsanwendung zu sehen.\n\n \n\n5\n\n \n\n2\\. Der vom Kläger gerügte gravierende Rechtsanwendungsfehler des FG liegt\nnicht vor.\n\n \n\n6\n\n \n\na) Auch besonders schwerwiegende Fehler des FG bei der Auslegung revisiblen\nRechts, die geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen,\nermöglichen die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. In diesem\nSinne greifbar gesetzwidrig ist eine Entscheidung dann, wenn sie objektiv\nwillkürlich und unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (z.B. BFH-\nBeschlüsse vom 1. Juli 2009 I B 231/08, nicht veröffentlicht, juris; vom 1.\nSeptember 2008 IV B 4/08, BFH/NV 2009, 35, m.w.N.).\n\n \n\n7\n\n \n\nb) Der Kläger ist der Auffassung, das FG habe § 4 Abs. 5 Buchst. g der GbR-\nVerträge, wonach eine Veräußerung der GbR-Anteile nicht möglich gewesen sei,\nnicht ausgelegt und sei deshalb zum falschen Ergebnis gekommen. Seine\nEntscheidung sei nicht nachvollziehbar. Mit diesem Vorbringen wendet sich der\nKläger gegen die Vertragsauslegung durch das FG im Einzelfall. Derartige\nAngriffe können die Revisionszulassung grundsätzlich nicht rechtfertigen (vgl.\nBFH-Beschlüsse vom 27. April 2007 VIII B 250/05, BFH/NV 2007, 1675, und vom\n29. April 2008 IX B 15/08, BFH/NV 2008, 1350). Von einem sog. qualifizierten\noder gravierenden Rechtsanwendungsfehler ist im Streitfall schon deshalb nicht\nauszugehen, weil das FG --anders als das Berufungsgericht in dem dem Beschluss\ndes Bundesgerichtshofs vom 7. Oktober 2004 V ZR 328/03 (Neue Juristische\nWochenschrift 2005, 153) zugrunde liegenden Streitfall-- seine Entscheidung\nbegründet hat. Es hat die GbR-Verträge ausgelegt und den §§ 10 bis 12 die\nentscheidende Bedeutung beigemessen. Selbst wenn diese Vertragsauslegung\nunzutreffend sein sollte, wäre der Fehler des FG nicht von solchem Gewicht,\ndass das Vertrauen in die Rechtsprechung beschädigt werden könnte.\n\n \n\n8\n\n \n\n3\\. Der Kläger rügt weiter, das Gericht habe seine Sachaufklärungspflicht\nverletzt, weil es nur allgemeine Ausführungen zur Nachhaltigkeit gemacht, aber\nkeine Feststellungen dazu getroffen habe, ob ein einmaliger Verkaufsentschluss\nvorgelegen habe und dieser nur in verschiedenen Verträgen umgesetzt worden\nsei.\n\n \n\n9\n\n \n\nDieser Vortrag rechtfertigt schon deshalb nicht die Aufhebung des FG-Urteils,\nweil auch bei einem einmaligen Verkaufsentschluss, dessen Umsetzung --wie im\nStreitfall-- mehrere Veräußerungshandlungen erfordert, wegen der notwendigen\nWiederholung des Veräußerungsgeschäfts von einer nachhaltigen Betätigung\nauszugehen ist (BFH-Urteil vom 30. Juni 1993 XI R 38, 39/91, BFH/NV 1994, 20,\nm.w.N.; BFH-Beschluss vom 4. Juli 2002 IV B 44/02, BFH/NV 2002, 1559).\n\n
105,981
ovgmv-2008-03-27-1-m-20407
484
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
ovgmv
Mecklenburg-Vorpommern
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 M 204/07
2008-03-27
2018-11-24 16:30:08
2019-02-26 18:49:07
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\nAuf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des\nVerwaltungsgerichts Greifswald vom 23. November 2007 - 4 B 1723/07 - unter\nZiffer 1. des Tenors wie folgt geändert:\n\n \n\nDie aufschiebende Wirkung des Widerspruches des Antragstellers gegen die\nAnordnung des Antragsgegners über die Entziehung der Fahrerlaubnis vom 10.\nOktober 2007 wird wiederhergestellt.\n\n \n\nDer Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.\n\n \n\nDer Antragsgegner trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.\n\n \n\nDer Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,- Euro festgesetzt.\n\n \n\nDer Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald unter Ziffer 2. des\nBeschlusses vom 23. November 2007 - 4 B 1723/07 - wird von Amts wegen wie\nfolgt geändert:\n\n \n\nDer Streitwert wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.\n\n#### Gründe\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDer Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.\n\n2\n\n \n\nDer Antragsgegner entzog dem Antragsteller mit Bescheid vom 21. März 1995 die\nFahrerlaubnis der Klassen 1, 2, 3, 4 und 5, da für ihn im\nVerkehrszentralregister 25 Punkte, zumeist wegen Überschreiten der\nhöchstzulässigen Geschwindigkeit, eingetragen waren. Nach einem im\nZusammenhang mit einer erneut beantragten Erteilung der Fahrerlaubnis\nerstellten Gutachten des TÜV ... vom 28. November 1995 konnten weitere\nVerstöße gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen noch nicht mit hinreichender\nWahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Aufgrund Strafbefehls wegen Fahrens\nohne Fahrerlaubnis vom 5. März 1996 erhielt der Antragsteller u.a. eine Sperre\nfür die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis. Mit Urteil vom 23. Mai 1996 wurde\ner wegen fahrlässigen Fahrens ohne Pflichtversicherungsschutz sowie wegen\nvorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr und wegen Widerstandes gegen\nVollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung verurteilt. Mit weiterem\nUrteil vom 5. September 1996 erhielt er wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine\nFreiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.\n\n3\n\n \n\nNachdem der Antragsteller erneut die Erteilung einer Fahrerlaubnis beantragt\nhatte, kam das medizinisch-psychologische Gutachten des TÜV ... vom 4.\nSeptember 1997 zu dem Schluss, dass im Falle des Antragstellers zukünftig\nverkehrsrechtliche Fehlverhaltensweisen noch nicht ausgeschlossen werden\nkönnten. Nach einem weiteren medizinisch-psychologischen Gutachten des TÜV ...\nvom 28. September 1998 war weiterhin zu erwarten, dass der Antragsteller auch\nzukünftig erheblich gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde. Am\n23. Juni 2000 erging gegen den Antragsteller u.a. wegen Führens eines\nKraftfahrzeuges mit einem Blutalkoholgehalt von 2,14 Promille (Tattag\n13.11.1999) ein Strafbefehl, der am 13. Juli 2000 rechtskräftig wurde. Nach\ndem medizinisch-psychologischen Gutachten des TÜV ... vom 7. November 2001\nmusste demgegenüber zukünftig nicht mit Fahrten im Zustand alkoholischer\nBeeinflussung gerechnet werden. Der Antragsteller habe sich intensiv und\nselbstkritisch mit der vorliegenden Eignungsproblematik auseinandergesetzt.\nDer Antragsgegner erteilte dem Antragsteller im Dezember 2001 die\nFahrerlaubnis für die Klassen B, M und L und im März 2002 die Fahrerlaubnis\nfür die Klassen C und E.\n\n4\n\n \n\nMit Kurzbrief vom 30. Mai 2007 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt dem\nAntragsgegner mit, dass der Führerschein des Antragstellers in Polen\neinbehalten worden sei. Dem Kurzbrief beigefügt waren drei Schreiben\npolnischer Stellen in polnischer Sprache.\n\n5\n\n \n\nDer Antragsgegner forderte den Antragsteller mit Schreiben vom 25. Juni 2007\nauf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zum Nachweis seiner Fahreignung\nvorzulegen. Es sei aufgrund einer Mitteilung des Kraftfahrtbundesamtes bekannt\ngeworden, dass er in Polen im Jahre 2007 ein Kraftfahrzeug unter Einwirkung\nvon Alkohol im Straßenverkehr mit einem Atemalkoholgehalt von 0,60 Promille\ngeführt habe. Der Antragsteller nahm dahin Stellung, dass die Richtigkeit\neines in Polen festgestellten Alkoholeinflusses nicht feststehe. Eine\nrechtskräftige Verurteilung liege diesbezüglich nicht vor. Wiederholte\nZuwiderhandlungen im Straßenverkehr könnten daher nicht festgestellt werden.\nTaten vor der letzten Begutachtung vom 7. November 2001 könnten nicht\nberücksichtigt werden.\n\n6\n\n \n\nDer Antragsgegner entzog dem Antragsteller mit Bescheid vom 10. Oktober 2007\nauf der Grundlage der §§ 11 Abs. 8 und 46 Abs. 1 und 5 FeV, § 3 Abs. 1 StVG\ndie Fahrerlaubnis für sämtliche Klassen, drohte bei Nichtbefolgung ein\nZwangsgeld von 250,- Euro sowie unmittelbaren Zwang an und ordnete gem. § 80\nAbs. 2 Nr. 4 die sofortige Vollziehbarkeit an. Der Antragsteller erhob\nWiderspruch, über den noch nicht entschieden ist. Er begründete den\nWiderspruch im Wesentlichen damit, dass die Feststellungen der polnischen\nBehörden über seine fragliche Alkoholisierung nicht verwertbar seien. Er sei\nam 20. April 2007 in Begleitung eines Herrn K... auf dem Stettiner Automarkt\ngewesen, den er fünf Minuten, nachdem er anderthalb Flaschen Bier (0,33l)\ngetrunken habe, mit K... in einem Kraftfahrzeug verlassen habe. Unmittelbar\nnach Verlassen des Geländes sei er von der Polizei auf das dortige Revier\nmitgenommen worden, wo eine mit einem antiquierten Gerät durchgeführte\nAtemalkoholmessung den Wert von 0,58 Promille, eine weitere Messung den Wert\nvon 0,54 Promille ergeben habe. Er habe jedoch lediglich eine solch\ngeringfügige Menge Bier getrunken, dass sein Atemalkoholwert unter dem für\neine Ordnungswidrigkeit nach § 24 a Abs. 1 StVG maßgeblichen Wert von 0,25\nPromille hätte liegen müssen. Die gemessenen höheren Werte seien darauf\nzurückzuführen, dass das Trinkende unmittelbar vor der Messung gelegen habe\nund damit wegen Nichteinhaltung der 20-minütigen Wartezeit verfälscht seien.\nDie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes an die Ordnungsgemäßheit\ndes Messverfahrens zu stellenden Anforderungen seien vorliegend nicht erfüllt.\nEs sei nicht ersichtlich, dass das eingesetzte Gerät eine Bauartzulassung\ngehabt habe, noch, dass es geeicht gewesen sei, noch, dass das Messverfahren\nordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Auch die fünf-minütige Wartezeit bei\neiner Doppelmessung sei nicht eingehalten worden. Nach diesen Umständen habe\nder Antragsgegner die Angaben der polnischen Behörden nicht ungeprüft\nübernehmen dürfen. Schließlich sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung\nrechtswidrig. Eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des\nbesonderen öffentlichen Interesses für die Notwendigkeit, die sofortige\nVollziehung anzuordnen, fehle. Ein dahingehendes erhebliches öffentliches\nInteresse sei nicht belegt worden. Der Antragsgegner setze sich insbesondere\nnicht damit auseinander, dass der Antragsteller seit 1999 acht Jahre lang im\nStraßenverkehr alkoholunauffällig gewesen sei. Auch die Androhung des\nZwangsgeldes und des unmittelbaren Zwanges seien rechtswidrig.\n\n7\n\n \n\nDer Antragsteller beantragte am 17. Oktober 2007 mit gleichlautender\nBegründung die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Der Antragsgegner trat\ndem entgegen. Der Antragsteller sei aufgrund seiner Alkoholfahrt in Polen nach\nWiedererteilung der Fahrerlaubnis erneut aufgefallen. Nicht entscheidend sei,\nwie hoch die Alkoholkonzentration zum Tatzeitpunkt gewesen sei. Der Grund für\ndie Anordnung der Fahreignungsüberprüfung liege ausschließlich darin, dass er\nmehrfach unter Einwirkung von Alkohol auffällig geworden sei. Ausweislich des\nSchreibens der polnischen Behörde, das von einem der polnischen Sprache\nmächtigen Mitarbeiter der Antragsgegnerin übersetzt worden sei, sei eine "BAK"\nvon 0,6 Promille festgestellt worden. Da der Antragsteller zugegeben habe,\nunmittelbar vor Verlassen des Automarktes Bier getrunken zu haben, stehe fest,\ndass er unter Alkoholeinfluss am Straßenverkehr teilgenommen habe. Die\nfrüheren Trunkenheitsfahrten des Antragstellers seien verwertbar.\n\n8\n\n \n\nDas Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers,\n\n9\n\n \n\ndie aufschiebende Wirkung seines Widerspruches gegen die Verfügung des\nAntragsgegners vom 10. Oktober 2007 wiederherzustellen,\n\n10\n\n \n\nmit Beschluss vom 23. November 2007 abgelehnt.\n\n11\n\n \n\nDer Antragsgegner habe die Trunkenheitsfahrt des Antragstellers in Polen bei\nder Gutachtenanforderung berücksichtigen dürfen. Die "Blutalkoholkonzentration\nvon 0,6 mg/l" sei seitens der polnischen Behörden offiziell mitgeteilt worden.\nDavon habe der Antragsgegner ausgehen müssen. Wenn der Antragsteller die\nRichtigkeit der Ergebnisse der Atemalkoholmessung durch die polnische Polizei\nbezweifele, sei es an ihm, durch Rechtsmittel in Polen die Überprüfung zu\nveranlassen und die Fehlerhaftigkeit der Messung feststellen zu lassen. Dass\ner derartige Schritte eingeleitet habe, habe der Antragsteller nicht\nvorgetragen. Zweifel daran, dass der Antragsteller in Polen eine verwertbare\nZuwiderhandlung im Straßenverkehr begangen habe, lägen nicht vor. Eine\nZuwiderhandlung setze nach § 24a Abs. 1 StVG nur eine Atemluftkonzentration\nvon 0,25 mg/l voraus. Das Erreichen dieses Wertes erscheine selbst bei\nBerücksichtigung der behaupteten Messfehler keineswegs als ausgeschlossen. Der\nAntragsteller habe selbst eingeräumt, unmittelbar vor Fahrtantritt noch\nanderthalb Flaschen Bier getrunken zu haben. Dies zeige, dass er weiterhin,\nobwohl ihm bereits einmal die Fahrerlaubnis wegen Fahrens unter\nAlkoholeinfluss entzogen worden sei, nicht zwischen dem Genuss von Alkohol und\ndem Führen eines Kraftfahrzeuges trennen könne. Auf behauptete\nMessungenauigkeiten komme es insoweit nicht an. Die Anordnung der sofortigen\nVollziehung sei hinreichend im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO begründet. Bei der\nEntziehung der Fahrerlaubnis ergäben sich die Gründe für die Notwendigkeit der\nAnordnung der sofortigen Vollziehung regelmäßig aus den Gründen, die die\nEntscheidung im Hinblick auf die Entziehung der Fahrerlaubnis trügen. Weitere\nGründe müsse die Straßenverkehrsbehörde nicht anführen.\n\n12\n\n \n\nDer Antragsteller hat am 5. Dezember 2007 Beschwerde erhoben und diese\nzugleich begründet. Über sein Widerspruchsvorbringen hinaus trägt er vor, es\nsei nicht zulässig, die Mitteilung der polnischen Behörden ohne Weiteres der\nGutachtenanordnung zugrundezulegen. Der Antragsgegner hätte sich von einem\nordnungsgemäßen Messvorgang in Polen überzeugen müssen, wie es bei einer in\nDeutschland erfolgten Messung gängige Praxis sei. Eine Entscheidung der\npolnischen Behörden, gegen die er sich hätte zur Wehr setzen können, gäbe es\nnicht. Jedenfalls sei bislang keine Bekanntgabe, geschweige denn Zustellung\neiner solchen Entscheidung erfolgt. Der Entziehung der Fahrerlaubnis stehe\nauch § 3 Abs. 4 StVG entgegen. Aus dieser Vorschrift ergebe sich, dass die\nFahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren keine Tatsachen\nzugrundelegen dürfe, die zum Nachteil des Fahrerlaubnisinhabers von der\nstrafgerichtlichen-/Bußgeldentscheidung abwichen. Dies müsse auch dann gelten,\nwenn das entsprechende Verfahren noch nicht beendet sei. Wenn in Deutschland\nein Straf- oder Bußgeldverfahren noch nicht abgeurteilt sei und sich der\nFahrerlaubnisinhaber gegen den Messvorgang wehre, könne die\nFahrerlaubnisbehörde hier keine vorgreiflichen Entscheidungen treffen. Wenn\nein solches Verfahren in Polen noch nicht abgeschlossen sei, müsse gleiches\ngelten. Der Antragsteller hat zu den Geschehnissen am 20. April 2007 in\nSzcecin eine eidesstattliche Versicherung des Herrn K... vorgelegt.\n\n13\n\n \n\nDer Antragsgegner hat auf Aufforderung des Senates mit Schriftsatz vom 11.\nMärz 2008 eine Übersetzung der im verwaltungsbehördlichen Verfahren\nvorgelegten, in polnischer Sprache abgefassten Dokumente vorgelegt. Danach\nläuft gegen den Antragsteller bei der Bezirksstaatsanwaltschaft Szcecin ein\nErmittlungsverfahren (1 Ds 1571/07) wegen des "Vorwurfes einer Straftat gemäß\nArtikel 178a § 1 Strafgesetzbuch, Fahren in betrunkenem Zustand - das heißt\n0,60 Milligramm pro Liter Atemluft". Mit Beschluss vom 20. April 2007 hat nach\nder vorgelegten Übersetzung die Staatsanwaltschaft bei dem Amtsgericht\nSzcecin-Prawobrzeze den Führerschein des Antragstellers eingezogen.\n\n \n\nII.\n\n14\n\n \n\nDie zulässige Beschwerde ist begründet.\n\n15\n\n \n\nDie den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügende Beschwerde des\nAntragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23. November\n2007, die mit am 5. Dezember 2007 eingegangenem Schriftsatz fristgemäß (§ 147\nAbs. 1 Satz 1 VwGO) erhoben und zugleich fristgerecht gem. § 146 Abs. 4 Satz 1\nVwGO begründet worden ist, hat Erfolg.\n\n16\n\n \n\nDie Beschwerde richtet sich nach Maßgabe ihrer Begründung gegen die\nSachentscheidung zu Ziffer1. des angegriffenen Beschlusses.\n\n17\n\n \n\nIm Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Gegenstand der\ngerichtlichen Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den\nangefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts an Hand derjenigen Gründe\nnachzuprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt.\n\n18\n\n \n\nAus den vom Antragsteller dargelegten Gründen ergeben sich durchgreifende\nZweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung,\nderzufolge sich der angegriffene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig\ndarstelle. Nach Auffassung des Senats ist der Ausgang des\nRechtsbehelfsverfahrens bzw. die Frage der Rechtmäßigkeit der angefochtenen\nEntziehung der Fahrerlaubnis offen, so dass die Erfolgsaussichten des\nRechtsbehelfs in der Hauptsache für die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren\nvorzunehmende Interessenabwägung keine ausschlaggebende Bedeutung gewinnen\nkönnen. Die Abwägung des privaten Aussetzungsinteresses und des öffentlichen\nVollziehungsinteresses im Übrigen, auf die es folglich entscheidend ankommt,\ngeht zu Gunsten des Antragstellers aus; das private Interesse des\nAntragstellers an der weiteren Möglichkeit zum Gebrauch seiner Fahrerlaubnis\nbis zur Hauptsacheentscheidung überwiegt derzeit das öffentliche Interesse an\nder sofortigen Vollziehbarkeit der Fahrerlaubnisentziehung.\n\n19\n\n \n\nNach § 3 Abs. 1 StVG, §§ 46 Abs. 1 und 3, § 13 Nr. 2 b, § 11 Abs. 8 FeV hat\ndie Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber der Fahrerlaubnis die Fahrerlaubnis zu\nentziehen, wenn er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist.\nDavon darf die Behörde ausgehen, wenn der Betroffene im Falle wiederholter\nZuwiderhandlungen im Straßenverkehr ein von ihm verlangtes medizinisch-\npsychologisches Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Ob diese\nVoraussetzungen vorliegen, insbesondere ob der Antragsgegner den Antragsteller\nzulässigerweise aufgrund der Mitteilung der polnischen Behörden über eine am\n20. April 2007 begangene Trunkenheitsfahrt zur Beibringung eines medizinisch-\npsychologischen Gutachtens über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen\naufgefordert hat (vgl. dazu allg. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39.\nAuflage, §11 FeV, Rn. 24 m.w.N.), erscheint bei im Eilverfahren allein\ngebotener summarischer Betrachtung als offen.\n\n20\n\n \n\n1\\. Entgegen der Ansicht des Antragstellers hat der Antragsgegner das\nbesondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides im Sinne des\n§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ausreichend schriftlich begründet. Die Gründe lassen\nnoch in nachvollziehbarer Weise individuelle Erwägungen erkennen, die den\nAntragsgegner dazu veranlasst haben, von der Anordnungsmöglichkeit Gebrauch zu\nmachen. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verpflichtet die Behörde, mit einer auf den\nkonkreten Fall abgestellten und nicht lediglich "formelhaften" schriftlichen\nBegründung das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung\ndarzulegen. In diesem Zusammenhang muss berücksichtigt werden, dass sich im\nBereich des Sicherheitsrechts das besondere Interesse an der sofortigen\nVollziehung häufig gerade aus den Gesichtspunkten ergibt, die für den Erlass\ndes Verwaltungsaktes selbst maßgebend waren. Hier hat der Antragsgegner in der\nVollzugsanordnung eine nicht hinnehmbare Gefährdung der Allgemeinheit\nangenommen und auf die Gefahr von Unfällen abgestellt, die von ungeeigneten\nKraftfahrern ausgeht, und dieses öffentliche Interesse gegenüber dem privaten\nInteresse des Antragstellers, bis zum Abschluss eines Rechtmittelverfahrens im\nBesitz der Fahrerlaubnis zu bleiben, als vorrangig bewertet. Dies reicht zur\nRechtfertigung einer Vollziehungsanordnung aus (vgl. Senatsbeschluss,\n13.03.2003 - 1 M 28/03 -; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger\nRechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Auflage, Rn. 1463).\n\n21\n\n \n\n2\\. Bedenken an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entziehungsverfügung\nergeben sich - entgegen der Auffassung des Antragstellers - nicht schon vor\ndem Hintergrund von § 3 Abs. 3 und 4 StVG. Danach darf die\nFahrerlaubnisbehörde dann, wenn gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis ein\nStrafverfahren anhängig ist, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis in\nBetracht kommt, den Sachverhalt, der Gegenstand des Strafverfahrens ist, in\neinem Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis nicht berücksichtigen. Will\ndie Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt\nberücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren\ngegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, so kann sie zu dessen\nNachteil vom Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich auf die\nFeststellung des Sachverhaltes oder die Beurteilung der Schuldfrage oder der\nEignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht. Hiernach fehlt der\nFahrerlaubnisbehörde vom Beginn einer strafverfolgungsbehördlichen\nUntersuchung an bis zu dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens, in\ndem ebenfalls eine Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht kommt, die\nBefugnis zur (verwaltungsbehördlichen) Entscheidung über die Entziehung der\nFahrerlaubnis (vgl. BVerwG, 15.07.1988 - 7 C 46/87 -, NJW 1989, 116; OVG\nKoblenz, 10.05.2006 - 10 B 10371/06 -, NJW 2006, 2714; Hentschel, a.a.O., § 3\nStVG, Rn. 16).\n\n22\n\n \n\nVorliegend ist zwar in Polen ausweislich des Schreibens der\nBezirksstaatsanwaltschaft Szcecin vom 16. Mai 2007 gegen den Antragsteller das\nErmittlungsverfahren mit dem Aktenzeichen 1 Ds 1571/07 wegen einer Straftat\ngemäß Artikel 178a § 1 Strafgesetzbuch (Fahrens in betrunkenem Zustand)\neröffnet worden. Die zuvor genannten Bestimmungen über einen Ausschluss einer\nEntziehung der Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde während der Dauer\ndes Strafverfahrens sind jedoch auf das in Polen eingeleitete\nErmittlungsverfahren nicht anwendbar. Das folgt aus dem Sinn von § 3 Abs. 3\nund 4 StVG. Zweck dieser Vorschriften ist es zu verhindern, dass derselbe\neiner Eignungsbeurteilung zugrunde liegende Sachverhalt (durch\nFahrerlaubnisbehörde und Strafgericht) unterschiedlich bewertet wird; der\nBeurteilung durch den Strafrichter ist der Vorrang eingeräumt. Damit wird\nneben der Verhinderung überflüssiger und aufwendiger Doppelprüfungen die\nGefahr widersprechender Entscheidungen ausgeschaltet. Denn bei Anwendung von §\n69 StGB nimmt der Strafrichter der Sache nach die Ordnungsaufgabe der\nFahrerlaubnisbehörde wahr. Seine Befugnis zur Entziehung der Fahrerlaubnis ist\nmit dieser Ordnungsaufgabe deckungsgleich (BVerwG, 15.07.1988, a.a.O.;\n11.01.1988 - 7 B 242.87 -, NZV 1988, 37; BGH, 27.04.2005 - GSSt 2/04 -, NJW\n2005, 1957, 1958).\n\n23\n\n \n\nEin derartiger Widerspruch verschiedener staatlicher Entscheidungen kommt von\nvornherein nicht in Betracht, wenn der Fahrerlaubnisinhaber - wie hier - wegen\neiner Trunkenheitsfahrt im Ausland verfolgt wird. Denn eine Entziehung der von\neiner deutschen Behörde erteilten Fahrerlaubnis durch eine polnische Stelle\nist rechtlich nicht möglich, da anderenfalls der polnische Staat in fremde\n(deutsche) Hoheitsrechte eingreifen würde. Aus dem entsprechenden Grunde ist\nfür eine Entziehung durch das deutsche Gericht in § 69b StGB bestimmt, dass\ndie Entziehung der im Ausland erteilten Fahrerlaubnis, auf Grund deren der\nTäter im Inland Kraftfahrzeuge führen darf, ohne dass ihm von einer deutschen\nBehörde eine Fahrerlaubnis erteilt worden ist, nur die Wirkung einer\nAberkennung des Rechts hat, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu\nmachen. Entsprechend sieht § 3 Abs. 1 Satz 2 StVG vor, dass die\nordnungsbehördliche Entziehung bei einer ausländischen Fahrerlaubnis ebenfalls\nnur die Wirkung einer Aberkennung des Rechts hat, von der Fahrerlaubnis im\nInland Gebrauch zu machen (vgl. dazu Hentschel, a.a.O., § 69a StGB, Rn. 1; OLG\nSaarbrücken, 19.07.2000 - Ss 25/2000 -, Blutalkohol 2003, 153ff).\nVoraussetzung für die Anwendung von § 3 Abs. 3 StVG ist demnach die\nAnhängigkeit eines Strafverfahrens, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis\nallein nach der von den deutschen Gerichten anzuwendenden Bestimmung des § 69\nStGB in Betracht kommt.\n\n24\n\n \n\n3\\. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht auszuräumende Zweifel\nan der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Fahrerlaubnisentziehung bestehen\njedoch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Aufforderung des Antragsgegners vom\n25. Juni 2007 zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens.\nHier stellt sich die ohne weitere Aufklärung des Sachverhaltes nicht zu\nbeantwortende Frage, ob im Falle des Antragstellers die für die Anforderung\ndes Gutachtens in § 13 Nr. 2b FeV bestimmte Voraussetzung wiederholter\nZuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss erfüllt ist. Dies\nsetzte voraus, dass der Antragsteller am 20. April 2007 in Polen eine\nZuwiderhandlung im Sinne von § 13 Nr. 2b FeV begangen hat. Dies ist nach dem\nderzeitigen Erkenntnisstand - anders als das Verwaltungsgericht in seinem\nangefochtenen Beschluss meint - nicht hinreichend aufgeklärt.\n\n25\n\n \n\nWiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr sind anzunehmen, wenn der\nFahrerlaubnisinhaber mindestens zwei Mal gegen Vorschriften verstoßen hat,\nwobei Zuwiderhandlungen nicht nur im Falle von Straftaten anzunehmen sind,\nsondern auch bei Verstößen gegen Ordnungswidrigkeitenbestimmungen im Sinne von\n§ 24a StVG (Hentschel, a.a.O., Rn. 4 zu § 13 FeV). Berücksichtigungsfähig ist\nein Fehlverhalten in zeitlicher Hinsicht allein nach Maßgabe der gesetzlichen\nTilgungs- und Verwertungsbestimmungen, wobei solche gesetzlich festgelegten\nFristen nicht unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz relativiert\nwerden können (BVerwG, 09.06.2005 - 3 C 21.04 -, DVBl. 2005, 1333ff.; vgl.\nauch BayVGH, 22.03.2007 - 11 CS 06.1634 -, juris, Rn. 21). Danach war die mit\nam 13. Juli 2000 rechtskräftig gewordenem Strafbefehl u.a. nach § 316 StGB\ngeahndete, von dem Antragsteller begangene Tat gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3\nStVG für die Frage der Gutachtenanordnung verwertbar. Auf die diesbezüglichen\nzutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts wird gem. § 122 Abs. 2 Satz3\nVwGO Bezug genommen.\n\n26\n\n \n\nZuwiderhandlungen im Sinne von § 13 Nr. 2b FeV können grundsätzlich auch\nAuslandstaten wie eine Trunkenheitsfahrt in Polen sein. § 13 Nr. 2b FeV\nschreibt zwingend vor, dass bei wiederholten Alkoholverstößen die Eignung des\nBetroffenen aufgrund eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu\nüberprüfen ist (vgl. VGH Mannheim, 24.09.2001 - 10 S 182/01 -, NZV 2002,\n149f). Die Regelung ist Spezialvorschrift gegenüber dem Punktesystem nach § 4\nStVG (so die Amtliche Begründung zu § 13 FeV, BR-Drucksache 443/98, S. 260). §\n13 Nr. 2b FeV dient damit ebenso wie § 4 StVG dem Schutz vor Gefahren, die von\nwiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßenden Fahrzeugführern ausgehen.\nWenn das Gesetz aus der Begehung wiederholter Verkehrsverstöße unter\nAlkoholeinfluss auf die Gefährlichkeit solcher Verkehrsteilnehmer für die\nRechtsgüter der anderen Teilnehmer am Straßenverkehr folgert, schließt das\nauch Verkehrsverstöße im Ausland ein. Es ist kein Grund ersichtlich, warum\nnicht Trunkenheitsfahrten im Ausland in gleicher Weise den Schluss auf die\nGefährlichkeit des Führerscheininhabers zulassen sollten wie Verstöße im\nGeltungsbereich des Straßenverkehrsgesetzes, wenn der Verkehrsverstoß im\nAusland die Tatbestandsmerkmale einer entsprechenden Straftat oder\nOrdnungswidrigkeit nach deutschem Recht erfüllt. Anderenfalls könnte die\nFahrerlaubnisbehörde Tatsachen, die auf eine mögliche Ungeeignetheit des\nBetroffenen hinweisen, nicht verwerten (vgl. VG München, 02.03.2005 - M 6a K\n02.5934 -, BayVBl. 2005, 731, 732; VG Ansbach, 07.08.2007 - AN 10 S 07.01938\n-, juris; VG Augsburg, 27.11.2001 - Au 3 S 01.1522 -, Blutalkohol 2003, 264ff;\nHentschel, a.a.O., § 13 FeV, Rn. 4).\n\n27\n\n \n\nVoraussetzung für eine Verwertbarkeit einer im Ausland begangenen\nZuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften unter Alkoholeinfluss ist jedoch,\ndass diese in gleichem Maße hinreichend nachgewiesen ist, wie dies bei einer\nentsprechenden Zuwiderhandlung im Inland gefordert werden müsste. Für\nMessungen von Alkohol in der Atemluft nach § 24a StVG gilt, dass diese\nunmittelbar, d.h. ohne weitere Berechnung von Abschlägen, verwertet werden\nkönnen, wenn sie auf Grund eines Verfahrens gewonnen sind, das den\ngesetzlichen Vorgaben entspricht. Das schließt u.a. eine Bauartzulassung der\nzur amtlichen Überwachung im Straßenverkehr eingesetzten Atemalkoholmessgeräte\ndurch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, deren halbjährliche Eichung\nsowie die Feststellung des Zeitpunktes der Messung, einer bestimmten\nWartezeit, des Atemvolumens, der Atemzeit und der Atemtemperatur ein\n(grundlegend BGH, 03.04.2001 - 4 StR 507/00 -, NZV 2001, 267ff; zu den\nAnforderungen an das Messgerät und das einzuhaltende Verfahren sowie zur\nBegründung von § 24a StGB ausführlich und m. zahlreichen Nachweisen z.B.\nIffland/Hentschel, Sind nach dem Stand der Forschung Atemalkoholmessungen\ngerichtsverwertbar?, NZV 1999, 489 ff; Iffland, Wartezeit bei\nAtemalkoholmessungen und notwendige Angaben im Messprotokoll aus\nsachverständiger Sicht, NZV 2004, 433ff). So sind etwa alle Messungen mit\neinem sogenannten Alkohol-Vortestgerät, wie es früher von der Polizei\nverwendet worden ist, um zu ermitteln, ob eine Blutuntersuchung geboten ist,\nfür die Frage des Vorliegens einer Tat nach § 24a StVG ungeeignet. Liegt nur\neine Messung mit einem solchen Vortestgerät vor, ist das Messergebnis auch\ndann für forensische Zwecke unverwertbar, wenn die gemessenen Werte weit über\nden in § 24a StVG festgelegten Grenzwerten liegen (Iffland/Hentschel, a.a.O.,\nS. 495).\n\n28\n\n \n\nDer Senat weist zur Vermeidung von Missverständnissen darauf hin, dass eine\nfahrerlaubnisrechtliche Verwertung von im Ausland gewonnenen\nAtemalkoholmessergebnissen auch dann in Betracht kommen dürfte, wenn die\ndortigen Messgeräte und das dortige Messverfahren nicht genau den für die\ndeutschen Behörden geltenden Bestimmungen entsprechen sollten. Zur Überzeugung\ndes Senates ist davon auszugehen, dass Alkoholmessungen auch im europäischen\nAusland grundsätzlich in aussagekräftiger Weise unter Beachtung bestimmter\nVerfahrensregeln durchgeführt werden. Wenn ein streitiges Messergebnis\ndemgemäß gewonnen worden ist, so kann ihm nicht von vornherein jegliche\nAussagekraft für das Maß der fraglichen Alkoholbeeinflussung im\nFahrerlaubnisentziehungsverfahren abgesprochen werden. Wenn derartige Werte\nnicht gänzlich entsprechend den in Deutschland geltenden Vorschriften\nermittelt worden sein sollten, kann sich etwa die Frage stellen, ob nicht\njedenfalls erhebliche Überschreitungen bestimmter Grenzwerte nach einer dem\nausländischen Standard entsprechenden Messung als Nachweis für die\nZuwiderhandlung ausreichen können. In Betracht kommen könnte auch - sollte das\nausländische Messverfahren mit größeren Unsicherheiten als das deutsche\nbehaftet sein - die Anwendung eines Sicherheitsabschlages. Ein solcher könnte\ndann jedenfalls zum Nachweis erheblicher Alkoholbeeinflussungen geeignet sein.\n\n29\n\n \n\nVorliegend hat der Antragsgegner den Antragsteller zur Beibringung des\nmedizinisch-psychologischen Gutachtens allein auf der Grundlage in polnischer\nSprache verfasster Schriftstücke verpflichtet, deren Übersetzung erst auf\nVeranlassung des Gerichtes im Beschwerdeverfahren vorgelegt worden ist. Damit\nhat der Antragsgegner unabhängig von der Frage eines ausreichenden Nachweises\nder Atemalkoholkonzentration zunächst gegen § 23 Abs. 1 VwVfG verstoßen,\nwonach die Akten in deutscher Sprache und selbstverständlich vollständig,\nnachvollziehbar und einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich zu führen sind\n(s. nur Clausen in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage, § 23, Rn. 23, § 10,\nRn. 13). Nach der nunmehr vorliegenden Übersetzung der Schriftstücke fehlen\njedoch auch weiterhin jegliche Angaben über den Vorgang der Messung, die Art\ndes Messgerätes, die Einhaltung von Warte- und Kontrollzeiten oder über die an\nder Messung beteiligten Polizeibediensteten. Insbesondere ein Messprotokoll\nfehlt. Dem Antragsgegner vorgelegt worden sind lediglich die oben unter I.\ngenannte staatsanwaltliche Entscheidung über die Einziehung des Führerscheins\nund ein an das Kraftfahrt-Bundesamt gerichtetes Schreiben der\nBezirksstaatsanwaltschaft Szcecin vom 16. Mai 2007. Allein in diesem Schreiben\nist - ohne nähere Erläuterung - ein Messwert von 0,60 Milligramm pro Liter\nAtemluft genannt.\n\n30\n\n \n\nDamit kann dieser Messwert jedenfalls nicht im Sinne der oben genannten\nRechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, 03.04.2001, a.a.O.) als Nachweis\neines Ordnungswidrigkeitentatbestandes unmittelbar verwertet werden. Es ist\naber auch im Übrigen nicht mit hinreichender Sicherheit aufgeklärt, ob der\nAntragsteller tatsächlich am 20. April 2007 in Polen ein Kraftfahrzeug mit\neiner den in § 24a StVG festgeschriebenen Grenzwert überschreitenden\nAtemalkoholkonzentration geführt hat. Er ist jedenfalls der Annahme des\nAntragsgegners, dass dies der Fall gewesen sei, mit verschiedenen, nicht ohne\nWeiteres zu widerlegenden tatsächlichen Behauptungen entgegengetreten. So\nerscheint es nicht als ausgeschlossen, dass sich Art, Alter, Zustand und\nAnwendung des verwendeten Testgerätes auf das Messergebnis in einem für den\nAntragsteller ungünstigen Sinne ausgewirkt haben können. Der Senat verkennt\ndabei nicht, dass der von den polnischen Behörden mitgeteilte Wert von 0,60\nmg/l Atemluft eine ganz erhebliche Überschreitung des in § 24a StVG für eine\nOrdnungswidrigkeit bereits ausreichenden Grenzwertes darstellt und der\nMesswert von den polnischen Behörden offiziell mitgeteilt worden ist. Das\nreicht jedoch, anders als dies das Verwaltungsgericht sieht, nicht aus. Da\nsämtliche Angaben, die nähere Auskunft über die Zuverlässigkeit dieses Wertes,\netwa die entsprechende Messpraxis, die eingesetzten Geräte, die Dokumentation\nder gewonnenen Ergebnisse etc. geben könnten, fehlen, ist die Richtigkeit des\nMesswertes weder im behördlichen Verfahren überprüfbar gewesen noch nunmehr im\ngerichtlichen Verfahren überprüfbar. Alleinige Grundlage für die Annahme einer\nZuwiderhandlung i. S. v. § 13 Nr. 2b FeV kann er damit nicht sein. Eine\nBindung der Fahrerlaubnisbehörde an die Mitteilung eines durch nichts\nuntersetzten Atemalkoholwertes besteht jedenfalls nicht.\n\n31\n\n \n\nDarauf, dass der Antragsteller nach eigenen Angaben kurz vor Fahrtantritt\njedenfalls anderthalb Flaschen Bier zu sich genommen haben will, kommt es für\ndie Frage der rechtmäßigen Anordnung, das fragliche Gutachten beizubringen,\nentgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes nicht an. Auch wenn dieses\nVerhalten wohl zeigt, dass der Antragsteller zwischen Alkoholgenuss und Führen\neines Kraftfahrzeuges nicht trennen kann, obwohl ihm bereits einmal die\nFahrerlaubnis wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss entzogen worden ist, reicht\ndas nach § 13 Nr. 2b FeV, auf den der Antragsgegner die Gutachtenanordnung\ngestützt hat, nicht aus. Danach ist allein entscheidend die Frage wiederholter\nZuwiderhandlungen. Diese kann nach dem oben Gesagten nicht mit hinreichender\nSicherheit beantwortet werden. Von einem Alkoholmissbrauch, auf den die\nGutachtenanordnung nach § 13 Nr. 2 FeV ebenfalls gestützt werden kann, dürfte\nbei dem eingeräumten Bierkonsum jedenfalls noch nicht auszugehen sein (vgl.\ndazu Hentschel, a.a.O., § 13 FeV, Rn. 4).\n\n32\n\n \n\nIst der Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens im vorliegenden Fall hinsichtlich\nder angesprochenen Geschehnisse am 20. April 2007 in Polen damit offen,\ngelangt der Senat im Rahmen der im Übrigen vorzunehmenden Interessenabwägung\nzu dem Ergebnis, dass derzeit das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das\nöffentliche Vollziehungsinteresse gerade noch überwiegt. Die Gefahren einer\nTeilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr bis zur abschließenden Klärung\nder Rechtmäßigkeit der Entziehungsanordnung in einem Hauptsacheverfahren\nerscheinen im Ergebnis nicht so gewichtig, dass das Interesse des\nAntragstellers an einer Ausnutzung seiner Fahrerlaubnis bis zu diesem\nZeitpunkt hinter dem öffentlichen Vollziehungsinteresse, das auf den Schutz\ninsbesondere der körperlichen Unversehrtheit und des Lebens anderer\nVerkehrsteilnehmer und des Antragstellers selbst ausgerichtet ist,\nzurückstehen müsste.\n\n33\n\n \n\nZu Gunsten des Antragstellers ist zu berücksichtigen, dass er - abgesehen von\ndem in Rede stehenden Vorfall - nach Aktenlage seit Neuerteilung seiner\nFahrerlaubnis im Dezember 2001 bzw. März 2002, mithin seit etwa 5 Jahren im\nStraßenverkehr wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss nicht mehr negativ in\nErscheinung getreten ist. Dem Antragsgegner bzw. der Widerspruchsbehörde ist\nes zudem möglich, die Einschätzung, der Antragsteller habe mit seiner\nTrunkenheitsfahrt in Polen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24a Abs.\n1 StVG erfüllt, umgehend durch nähere Aufklärung bei den zuständigen\npolnischen Stellen hinreichend zu untermauern. Der Senat hat schon in anderen\nvergleichbaren Fällen (Beschluss vom 19.12.2006 - 1 M 142/06 -, juris) darauf\nhingewiesen, dass das behördliche Aufklärungsinstrumentarium dadurch ergänzt\nwird, dass der Antragsgegner im Ergebnis seiner Aufklärungsmaßnahmen bei\nErfüllung der dortigen Voraussetzungen einen Abänderungsantrag gemäß § 80 Abs.\n7 VwGO stellen kann.\n\n34\n\n \n\nDer Senat weist darüber hinaus darauf hin, dass eine aufgrund etwaiger\nweiterer Verstöße des Antragstellers gegen straßenverkehrsrechtliche\nVorschriften, insbesondere solcher unter alkoholischer Beeinflussung,\nneuerlich vorzunehmende Interessenabwägung durchaus zu Lasten des\nAntragstellers ausfallen könnte. Es kann nicht darüber hinweggesehen werden,\ndass der Antragsteller entgegen den verschiedenen gutachterlichen Prognosen\nüber sein Verhalten im Straßenverkehr auch nach Erteilung seiner Fahrerlaubnis\nim Jahre 2001/2002 wiederholt Zuwiderhandlungen, insbesondere wegen zu\nschnellen Fahrens, begangen und dadurch auch einen Unfall verursacht hat. Er\nhat sich zudem durch seinen eingestandenen Alkoholkonsum in Polen in\nWiderspruch zu der von ihm im Rahmen seiner Exploration zum Gutachten des TÜV\nNord vom 07. November 2001 behaupteten Verhaltsänderung gesetzt, die\nmaßgeblich war für die seinerzeitige positive Prognose des Gutachtens. Der\nAntragsteller hat in dieser Exploration eine abstinente Lebensweise behauptet;\ndie Beibehaltung dieser "strikt alkoholfreien Lebensweise" haben die Gutachter\ndem Antragsteller auch empfohlen. Damit ist die Frage aufgeworfen, ob der\nAntragsteller sein früheres Verhalten, das immerhin zu einer Kfz-Fahrt mit\neinem Blutalkoholgehalt von 2,14 Promille geführt hat, tatsächlich geändert\nhat. Diese Frage könnte bei einer neuerlichen Interessenabwägung durchaus zu\nLasten des Antragstellers zu verneinen sein.\n\n35\n\n \n\nDie Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.\n\n36\n\n \n\nDie Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53\nAbs. 3 Nr. 2 GKG. Dem Antragsteller ist die Fahrerlaubnis u. a. für die\nKlassen B und CE entzogen worden. Nach Punkt 46. des Streitwertkataloges für\ndie Verwaltungsgerichtsbarkeit in der am 7./8. Juli 2004 beschlossenen\nFassung, dem der Senat im Fahrerlaubnisrecht grundsätzlich folgt, ist dafür\ninsgesamt der dreifache Auffangwert anzusetzen und für das Verfahren des\neinstweiligen Rechtsschutzes um die Hälfte auf 7.500,- Euro zu reduzieren.\nDementsprechend war die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung zu ändern (§ 63\nAbs. 3 Satz 1 GKG).\n\n37\n\n \n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5\ni.V.m. § 66 Abs. 3 Satz3 GKG).\n\n
108,085
arbg-rostock-2007-06-26-1-ga-1307
472
Arbeitsgericht Rostock
arbg-rostock
Rostock
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitsgerichtsbarkeit
1 Ga 13/07
2007-06-26
2018-11-25 20:30:15
2019-02-14 08:05:30
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n \n\n**1\\. Der Beklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgeben, es zu\nunterlassen, der Klägerin vom 01.07.2007 bis zum 30.11.2007 als Arbeitsort die\nFiliale 867 in Hamburg zuzuweisen.**\n\n \n\n**2\\. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.**\n\n \n\n**3\\. Der Streitwert beträgt € 1.046,-.**\n\n \n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Klägerin wendet sich gegen eine Versetzung von Rostock nach Hamburg.\n\n \n\n2\n\n \n\nDie Beklagte stellte die am 17.10.1970 geborene Klägerin zum 09.05.1994 als\nVerkäuferin ein. Die Klägerin bezog zuletzt eine monatliche Bruttovergütung\nvon € 1.046,- bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden. Sie ist\nverheiratet und einer Person gegenüber unterhaltspflichtig.\n\n \n\n3\n\n \n\nIm Änderungsvertrag zum 01.01.1997 3 vereinbarten die Parteien unter „§ 1\nArbeitstätigkeit und Arbeitsort“, dass die Klägerin in der P.....-Filiale\nRostock beschäftigt wird. Dort ist des Weiteren festgelegt:\n\n \n\n4\n\n \n\n„...\n\n5\n\n \n\nDer Schwerpunkt der Tätigkeit liegt im Verkauf. Die Arbeitnehmerin\nverpflichtet sich, alle ihr übertragenen Arbeiten sorgfältig und gewissenhaft\nauszuführen, nach Bedarf auch andere Arbeiten zu übernehmen und sich\ngegebenenfalls in eine andere, in zumutbarer Entfernung befindlichen Filiale\n(50 km-Bereich) versetzen zu lassen.\n\n6\n\n \n\n...“\n\n7\n\n \n\nMit Schreiben vom 01.06.2007 4 versetzte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung\nzum 01.07.2007 von der Filiale 278 in Rostock, Kröpeliner Straße, zur Filiale\n867 in Hamburg, Hannoversche Straße (Phoenix-Center). Zugleich kündigte die\nBeklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich zum 30.11.2007 und bot der Klägerin\neine Weiterbeschäftigung als Verkaufskraft in Hamburg zu ansonsten\nunveränderten Bedingungen an. Die Wirksamkeit der Änderungskündigung ist\nGegenstand eines weiteren Rechtsstreits zwischen den Parteien (Arbeitsgericht\nRostock - 1 Ca 1007/07 -).\n\n \n\n \n\n8\n\n \n\nDie Klägerin meint, dass sie nicht verpflichtet sei, in Hamburg zu arbeiten.\nDie arbeitsvertragliche Regelung sei eindeutig und abschließend. Angesichts\neiner wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden und einer Entfernung von ca.\n200 km sei ihr die Tätigkeit in Hamburg nicht zumutbar.\n\n \n\n9\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n \n\n10\n\n \n\nder Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, es zu\nunterlassen, ihr vom 01.07.2007 bis zum 30.11.2007 als Arbeitsort die Filiale\n867 in Hamburg zuzuweisen.\n\n \n\n11\n\n \n\nDie Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Das Direktionsrecht sei in\nörtlicher Hinsicht nicht auf einen 50 km-Radius beschränkt. Diese\nEntfernungsangabe habe lediglich Bedeutung für die Erstattung der mit einer\nVersetzung verbundenen Kosten. Die Filiale 278 sei angesichts eines\nerheblichen Kunden- und Umsatzrückgangs stark überbesetzt. Das zeige sich auch\nan den aufgelaufenen Minusstunden. Eine Versetzung in eine näher gelegene\nFiliale sei nicht möglich gewesen. Im Übrigen sei eine einstweilige Verfügung\nnicht notwendig, da die Klägerin keine unwiederbringlichen Nachteile erleide.\nEiner unwirksamen Versetzung müsse sie nicht nachkommen; etwaige\narbeitsrechtliche Maßnahmen der Beklagten könne sie im Hauptsacheverfahren\nüberprüfen lassen. Abgesehen davon nehme die einstweilige Verfügung die\nHauptsache vorweg.\n\n \n\n12\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die\nSchriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle verwiesen.\n\n \n\n#### Entscheidungsgründe\n\n13\n\n \n\nDie Klage ist zulässig und begründet.\n\n \n\n14\n\n \n\nNach § 940 ZPO, § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG kann das Gericht eine einstweilige\nVerfügung zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf\nein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, sofern diese Regelung, insbesondere\nbei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig\nerscheint. Der Verfügungsanspruch und der -grund sind glaubhaft zu machen (§\n920 Abs. 2, § 936 ZPO).\n\n \n\n \n\n1.\n\n \n\n15\n\n \n\nStreitigkeiten über die Ausübung des Direktionsrechts können den Erlass einer\neinstweiligen Verfügung rechtfertigen (LAG Sachsen, Urteil vom 08.03.1996 - 3\nSa 77/96 - NZA-RR 1997, 4; LAG Hessen, Urteil vom 05.12.2002 - 5 SaGa 1623/02\n-; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.10.2003 - 6 Sa 871/03 -; LAG\nBrandenburg, Urteil vom 08.12.2004 - 4 Sa 435/04 -).\n\n \n\n16\n\n \n\nDer Arbeitnehmer hat aus dem Arbeitsvertrag i. V. m. § 106 GewO einen Anspruch\ndarauf, dass der Arbeitgeber vertragswidrige Weisungen unterlässt. Der\nArbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nur insoweit\nbestimmen, als diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag,\nBestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder\ngesetzliche Vorschriften festgelegt sind (§ 106 Satz 1 GewO). Das\nDirektionsrecht gestattet dem Arbeitgeber, durch einseitige,\nempfangsbedürftige Willenserklärung die vertraglichen Leistungspflichten zu\nkonkretisieren. Zwar kann sich der Arbeitnehmer einer rechtswidrigen Weisung\nentziehen, indem er ihr nicht nachkommt; das ändert aber nichts an der Pflicht\ndes Arbeitgebers, sich rechtmäßig zu verhalten und derartige Weisungen zu\nunterlassen. Der Arbeitgeber ist nach § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, auf die\nRechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils Rücksicht zu nehmen. Bei\neinem Arbeitsverhältnis handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis, weshalb\ndie Parteien in besonderer Weise gehalten sind, die Durchführung des Vertrages\nnicht zu stören und die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu\nerhalten.\n\n \n\n17\n\n \n\nDie Weisung der Beklagten an die Klägerin, die Arbeitsleistung ab dem\n02.07.2007 in der Filiale Hamburg zu erbringen, verstößt gegen die\narbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Die Parteien haben unter der Überschrift\n„...Arbeitsort“ die Versetzung auf eine zumutbare Entfernung, nämlich einen\nBereich von 50 km, beschränkt. Dass es sich lediglich um eine\nReisekostenregelung handelt, lässt sich weder dem Wortlaut noch aus dem\nZusammenhang mit anderen vertraglichen Bestimmungen entnehmen. Hamburg liegt\nweit außerhalb des 50 km-Radius von Rostock; die Entfernung beträgt ca. 190\nStraßenkilometer.\n\n \n\n \n\n2.\n\n \n\n18\n\n \n\nEs bedarf der einstweiligen Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile.\nDas gilt unabhängig davon, ob die Klägerin die Arbeit in Hamburg aufnimmt oder\nnicht. Im ersten Fall führt der erforderliche Zeitaufwand für die An- und\nAbreise zur Arbeitsstelle zu einer erheblichen Belastung, da die Klägerin bei\nBenutzung eines PKW etwa 2 Stunden für die einfache Strecke benötigt. Für\ndiesen Zeitaufwand erhält sie keine Entschädigung. Des Weiteren ist ihre\nfamiliäre Situation zu berücksichtigten. Tritt die Klägerin hingegen die\nArbeit in Hamburg nicht an, muss sie damit rechnen, wegen beharrlicher\nArbeitsverweigerung abgemahnt und daraufhin fristlos gekündigt zu werden.\nDamit entfallen kurzfristig die monatlichen Lohnzahlungen, was den\nLebensunterhalt erheblich einschränkt. Zusätzlich besteht die Gefahr, dass die\nAgentur für Arbeit eine Sperrzeit verhängt und zeitweise kein Arbeitslosengeld\nan die Klägerin zahlt.\n\n \n\n19\n\n \n\nDass die einstweilige Verfügung die Hauptsache teilweise vorwegnimmt, steht\nihrem Erlass nicht entgegen (vgl. z. B. LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom\n01.03.2007 - 4 SaGa 1/07 -; Hessisches LAG, Urteil vom 20.11.2006 - 19 SaGa\n1832/06). Da die Weisung der Beklagten offensichtlich gegen die\narbeitsvertragliche Versetzungsregelung verstößt, sind Nachteile auf Seiten\nder Beklagten durch die einstweilige Verfügung nicht zu erwarten.\n\n \n\n \n\n20\n\n \n\nDie Kostenentscheidung ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 ZPO.\nDie Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG.\n\n \n\n \n\n \n\n \n\n \n\n
108,880
lg-flensburg-2006-06-07-1-t-3206
1,062
Landgericht Flensburg
lg-flensburg
Flensburg
Schleswig-Holstein
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
1 T 32/06
2006-06-07
2018-11-26 04:30:15
2019-02-14 08:40:22
Beschluss
ECLI:DE:LGFLENS:2006:0607.1T32.06.0A
#### Tenor\n\n \n\nAuf die Beschwerde des Klägers wird der Streitwertbeschluss des Amtsgerichts\nFlensburg vom 24.04.2006 geändert und anderweitig auf 3.260,00 € festgesetzt.\n\n#### Gründe\n\n1\n\n \n\nDie Streitwertbeschwerde des Klägers hat Erfolg.\n\n2\n\n \n\nDer Streitwert beträgt hinsichtlich des Räumungsanspruchs gemäß § 41 Abs. 2\nSatz 1 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 und 2 GKG 2.640,00 € und erhöht sich\nhinsichtlich des Zahlungsantrages um 640,00 € auf insgesamt 3.260,00 €.\n\n3\n\n \n\nNach den vorgenannten Vorschriften bestimmt sich der Streitwert bei einer\nRäumungsklage nach dem auf die streitige Zeit entfallenden Entgelt oder dem\ngeringeren einjährigen Entgelt. Streitige Zeit ist dabei der Zeitraum,\nhinsichtlich dessen der Kläger oder der Beklagte das Bestehen eines\nNutzungsverhältnisses (Miete) behauptet oder bestreitet. Es kommt darauf an,\nwas der Kläger oder der Beklagte zum Beginn und zum Ende des\nNutzungsverhältnisses vortragen. Nur wenn nach ihren insoweit\nübereinstimmenden Erklärungen das Nutzungsverhältnis weniger als ein Jahr\ndauert, ist der kürzere Zeitraum der Entgeltberechnung zugrundezulegen. Geben\ndie Parteien keine Erklärung ab, ist immer das Jahresentgelt als Streitwert zu\nnehmen. Keinesfalls kommt es für den Streitwert auf die Zeit vom Eingang der\nKlage bis zum nächst zulässigen Kündigungstermin an. Die streitige Zeit kann\nauch nicht die Dauer des Rechtsstreits sein, welche sich ohnehin niemals\nabschätzen lässt (Meyer, GKG, 6. Auflage, 2004, § 41 Rdnr. 12 und 13; Hartmann\nKostengesetze, 36. Auflage, § 41 Rdn. 25, jeweils m. w. N.).\n\n4\n\n \n\nHier ist vom Kläger Räumung wegen der Kündigung eines zeitlich unbefristeten\nMietverhältnisses verlangt und vom Beklagten geltend gemacht worden, die\nKündigung sei unberechtigt gewesen und das Vertragsverhältnis laufe auf\nunbestimmte Zeit weiter. Demgemäß ist geltend gemacht worden, dass das\nMietverhältnis auch noch länger als ein Jahr andauere, sodass für die\nStreitwertbemessung der geringere Jahresbetrag maßgeblich ist.\n\n5\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.\n\n \n\n
109,376
ovgsh-2005-12-23-2-lb-3105
1,066
Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
ovgsh
Schleswig-Holstein
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 LB 31/05
2005-12-23
2018-11-26 08:30:19
2019-01-17 11:34:41
Beschluss
ECLI:DE:OVGSH:2005:1223.2LB31.05.0A
#### Tenor\n\n \n\nAuf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen\nVerwaltungsgerichts - Einzelrichter der 14. Kammer - vom 01. Februar 2005\ngeandert und die Klage abgewiesen.\n\n \n\nDer Klager tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n \n\nDas Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorlaufig vollstreckbar.\n\n \n\nDem Klager wird nachgelassen, die vorlaufige Vollstreckung durch\nSicherheitsleistung in Hohe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht\ndie Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Hohe leistet.\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n \n\nDer Streitwert fur das Berufungsverfahren wird auf 1.080,81 Euro festgesetzt.\n\n#### Grunde\n\n1\n\n \n\nI. Der Klager wendet sich gegen die Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer fur\ndie Jahre 2003 und 2004.\n\n2\n\n \n\nDer Klager war seit 1986 zusammen mit seiner Ehefrau Miteigentumer, seit deren\nTode im Juli 2002 bis Ende 2003 Alleineigentumer und seitdem\nNießbrauchberechtigter einer Doppelhaushalfte auf dem Grundstuck ... im\nStadtgebiet der Beklagten. Daneben waren der Klager und seine Ehefrau Inhaber\neiner weiteren Wohnung in ... (...).\n\n3\n\n \n\nDie Doppelhaushalfte ist im maßgeblichen Zeitraum vom Klager selbst bewohnt\naber auch uber eine Vermittlungsagentur an wechselnde Feriengaste vermietet\nworden.\n\n4\n\n \n\nBis Oktober 1997 waren der Klager und seine Ehefrau in ... mit Nebenwohnsitz,\nab dem 11. Oktober 1997 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Nach dem Tode der Ehefrau\nwurde im Melderegister der Stadt ... mit Wirkung vom 09. August 2002 eine\nStatusanderung vorgenommen und nunmehr die Wohnung in ... als Hauptwohnung und\ndie in ... als Nebenwohnung gefuhrt. Das Melderegister der Beklagten wurde\nebenfalls dementsprechend geandert.\n\n5\n\n \n\nMit Bescheid vom 01. April 2004 zog die Beklagte den Klager zu einer\nZweitwohnungssteuer fur die Jahre 2003 (Juli bis Dezember) und fur das Jahr\n2004 (Januar bis Dezember) zu einer Vorauszahlung auf die Zweitwohnungssteuer\nin Hohe von insgesamt 1.080,81 Euro heran. Hiergegen erhob der Klager\nWiderspruch. Es sei fur ihn unverstandlich als Bewohner der Stadt ... zur\nZweitwohnungssteuer herangezogen zu werden. In der Vergangenheit sei ihm keine\nZweitwohnungssteuer in Rechnung gestellt worden. Dem Widerspruch fugte der\nKlager u.a. einen Aufhebungsbescheid fur das Jahr 1998 bei.\n\n6\n\n \n\nDer Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2004\nzuruck. Zur Begrundung fuhrte er im Wesentlichen aus, dass nach der Ummeldung\nbei der Meldebehorde im August 2002 nunmehr sich die Hauptwohnung des Klagers\nin ... befinde.\n\n7\n\n \n\nDer Klager hat am 16. Juni 2004 Klage erhoben und geltend gemacht, er sei mit\nHauptwohnsitz im Gebiet der Beklagten gemeldet. Er habe sich zu keinem\nZeitpunkt in ... mit Hauptwohnsitz angemeldet bzw. bei der Beklagten\nabgemeldet. An der angeblichen Erklarung der Wohnung im Gebiet der Beklagten\nzur Nebenwohnung habe er nicht mitgewirkt. Er sei im September 2002 nicht bei\nder Meldebehorde in ... gewesen und habe dort keine Statusanderungen\nabgegeben. Vielmehr habe die Beklagte von sich aus im Oktober 2002 der Stadt\n... mitgeteilt, dass er seine Hauptwohnung mit Wirkung vom 09. August 2002 zur\nNebenwohnung erklart habe. Er habe von der Statusanderung nichts gewusst. Sein\nHaus werde zwar an Feriengaste vermietet, allerdings hochstens in der Zeit vom\n01. Mai bis 01. September eines Jahres. Das Haus habe zwei Eingange. Bei\nVermietung stunden drei der zwei Raume im Souterrain zur Verfugung, die die\nGaste nicht betreten konnten. Des weiteren werde dann die Zweitwohnung in ...\nmehr frequentiert.\n\n8\n\n \n\nDer Klager hat beantragt,\n\n9\n\n \n\nden Bescheid der Beklagten vom 01.04.2004 in der Form des\nWiderspruchsbescheides vom 17.05.2004 aufzuheben, soweit die Klage im Hinblick\nauf die Festsetzung einer Jahreskurabgabe nicht zuruckgenommen wurde.\n\n10\n\n \n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\n11\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n12\n\n \n\nSie hat erwidert: Die Wohnung des Klagers in ... sei melderechtlich bis zum\n07. Juni 2004 Hauptwohnung des Klagers gewesen. Die Wohnung im Gebiet der\nBeklagten sei uber ein gewerbliches Mietvermittlungsunternehmen an wechselnde\nUrlaubsgaste vermietet worden. Wahrend der vermietungsfreien Zeiten habe der\nKlager sich auch zeitweise selbst in der Wohnung aufgehalten. Er sei seit dem\n17. Dezember 1984 mit einer Wohnung im Gebiet der Beklagten gemeldet. Vom 15.\nDezember 2000 bis 10. September 2002 sei er mit Hauptwohnung im Melderegister\nder Beklagten eingetragen gewesen. Am 26. September 2002 sei von ihm eine\nWohnungsstatusanderung erklart worden. Die Wohnung im Gebiet der Beklagten\nsollte mit Wirkung vom 10. September 2002 Nebenwohnung und die Wohnung in ...\nHauptwohnung sein. Danach sei der Klager im Melderegister von ... mit\nHauptwohnung in ... und mit Nebenwohnung in ... eingetragen worden. Die\nEintragung im Melderegister der Beklagten sei, das ergebe sich aus den\nComputer-Abdrucken, auf eine Mitteilung aus ... erfolgt. Anders sei der Ablauf\nnicht zu erklaren. Am 08. Juni 2004 habe der Klager der Meldebehorde der\nBeklagten eine Änderung erklart. Mehrere Versuche, den Klager in seiner\nWohnung im Gebiet der Beklagten anzutreffen, seien erfolglos geblieben.\n\n13\n\n \n\nDas Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide durch Urteil vom 01.\nFebruar 2005, soweit die Klage nicht zuruckgenommen wurde, aufgehoben und zur\nBegrundung im Wesentlichen ausgefuhrt:\n\n14\n\n \n\nZwar habe der melderechtliche Status grundsatzlich fur das\nZweitwohnungssteuerrecht Tatbestandswirkung. Der vorliegende Fall sei aber so\naußergewohnlich gelagert, dass diese Tatbestandswirkung des Melderechts im\nvorliegenden Einzelfall nicht greifen konne. Fur das Gericht stelle sich der\nSachverhalt so dar, dass im Melderegister der Beklagten intern eine\nUmschreibung von Haupt- auf Nebenwohnung vorgenommen worden sei, ohne dass die\nVoraussetzung einer entsprechenden Erklarung des Klagers vorgelegen habe.\nJedenfalls konne eine solche nicht nachgewiesen werden. Damit sei diese\nUmschreibung ungeachtet ihrer Rechtsnatur - Realakt oder Verwaltungsakt -\nrechtswidrig. Hinzu komme, dass der Klager von der Umschreibung nicht\ninformiert worden sei. Jedenfalls sei das Gegenteil nicht feststellbar. Er\nhabe daher zunachst keine Maßnahmen gegen die neue Situation ergreifen konnen.\nNachdem er durch die Zweitwohnungssteuererhebung davon Kenntnis erhalten habe,\nhabe er sich binnen kurzem wieder mit Hauptwohnung bei der Beklagten\nangemeldet.\n\n15\n\n \n\nDas Urteil wurde dem Beklagten am 09. Februar 2005 zugestellt.\n\n16\n\n \n\nDer Senat hat auf Antrag der Beklagten, eingegangen am 07. Marz 2005 und\nbegrundet am 11. April 2005 (Montag), die Berufung mit Beschluss vom 15. Juni\n2005 (der Beklagten zugestellt am 21. Juni 2005) zugelassen.\n\n17\n\n \n\nMit der am 21. Juli 2005 bei Gericht eingegangenen Berufungsbegrundung macht\ndie Beklagte geltend: Der Klager sei mit Wirkung ab dem 09. August 2002 in ...\nmit Nebenwohnsitz und in ... mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen. Dem beim\nMeldeamt der Beklagten gestellten Antrag, den Statuswechsel per 09. August\n2002 wieder ruckgangig zu machen und auch kunftig die ... Wohnung als\nHauptwohnung einzutragen, sei (zunachst) nur insoweit entsprochen worden, als\nam 08. Juni 2004 in ihrem Melderegister der Status der Wohnung in ... als\nHauptwohnung eingetragen worden sei. Demgegenuber sei die Stadt ... dem auch\ndort gestellten Antrag auf Ruckgangigmachung des Statuswechsels per 09. August\n2002 nachgekommen. Nachdem der Klager im Juli 2004 erneut geheiratet habe,\nhabe er im November 2004 die Aufgabe der Hauptwohnung in ... erklart und als\nneue Hauptwohnung die Wohnung seiner Ehefrau in ... (...) angegeben. Weiterhin\nsei zwischenzeitlich eine Berichtigung des Melderegisters gemaß § 8 LMG\nerfolgt und nunmehr die Wohnung in ... in ihrem Melderegister auch fur die\nZeit vom 08. Juni 2004 bis 14. November 2004 als Nebenwohnung und die Wohnung\nin ... als Hauptwohnung von Amts wegen eingetragen. Eine Reaktion des Klagers\nsei hierauf nicht erfolgt.\n\n18\n\n \n\nDas verwaltungsgerichtliche Urteil halte einer rechtlichen Überprufung nicht\nstand. Die dort vertretene Auffassung, es konne zweitwohnungssteuerrechtlich\ndie Frage der Neben- bzw. Hauptwohnungseigenschaft abweichend vom\nMelderegister beantwortet werden, sei - zum einen - unvereinbar mit der\ngesetzlichen Pflicht der Meldebehorde von Amts wegen die Richtigkeit der\nRegistereintragung zu uberprufen (§ 8 Abs. 3 LMG) und bei tatsachlicher\nUnrichtigkeit die Eintragung zu korrigieren (§ 8 Abs. 1 LMG) und widerstreite\n- zum anderen - dem Prinzip der Steuergerechtigkeit.\n\n19\n\n \n\nDer im Melderecht der Stadt ... wieder ab 09. August 2002 eingetragene\nMeldestatus der ... Wohnung als Hauptwohnung konne die Tatbestandswirkung des\n... Melderegisters nicht beseitigen, weil die Beklagte nur dem Meldegesetz des\nLandes Schleswig-Holstein und nicht dem des Landes Nordrhein-Westfalen\nunterliege.\n\n20\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n21\n\n \n\ndas angefochtene Urteil zu andern und die Klage abzuweisen.\n\n22\n\n \n\nDer Klager hat keinen Antrag gestellt.\n\n23\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des ubrigen Vorbringens\nder Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsatze sowie die\nVerwaltungsvorgange der Beklagten, die Gegenstand der Beratung waren, Bezug\ngenommen.\n\n24\n\n \n\nII. Der Senat halt die Berufung einstimmig fur begrundet und eine mundliche\nVerhandlung nicht fur erforderlich. Über die Berufung kann daher gemaß § 130 a\nVwGO durch Beschluss entschieden werden. Die Beteiligten sind hierzu gehort\nworden.\n\n25\n\n \n\nDie angefochtenen Bescheide sind rechtmaßig. Die Doppelhaushalfte auf dem\nGrundstuck ..., deren Alleineigentumer bzw. Nießbraucher der Klager im\nErhebungszeitraum war, ist eine Zweitwohnung im Sinne der\nZweitwohnungssteuersatzung der Beklagten.\n\n26\n\n \n\nNach standiger Rechsprechung des Senats (siehe z.B. Urt. des Senats v.\n20.03.2002 - 2 L 136/00 -) hat die Eintragung in das Melderegister Bedeutung\nfur die Unterscheidung von Haupt- und Nebenwohnung. Verfugt ein\nWohnungsinhaber - wie der Klager - uber mehrere Wohnungen im Geltungsbereich\ndes Melderechtsrahmengesetzes, so ist eine Wohnung seine Hauptwohnung (§ 12\nAbs. 1 Satz 1 MRRG) und jede weitere Wohnung Nebenwohnung (§ 12 Abs. 3 MRRG).\nDer ubereinstimmende Wille von Bundes- und Landesgesetzgeber war es,\nunmittelbar Schlussfolgerungen aus dem im Melderecht festgeschriebenen\nobjektiven Hauptwohnungsbegriff auf bestehende Rechte und Pflichten des der\nMeldepflicht unterworfenen Burgers zu ziehen (Schleswig-Holsteinischer\nLandtag, 10. Wahlperiode, 13. Sitzung, S. 632, 633). Dieser Zusammenhang\nzwischen Melderecht und Zweitwohnungssteuer war dem Landesgesetzgeber bewusst\n(Schleswig-Holsteinischer Landtag, a.a.O., S. 642). Deshalb kann die im\nMelderegister bezeichnete Hauptwohnung nicht Zweitwohnung im Sinne des\nZweitwohnungssteuerrechts sein und ist es der abgabenerhebenden Korperschaft\nverwehrt, eine vom Melderecht abweichende Bestimmung der Hauptwohnung\nvorzunehmen (OVG Schleswig, Urt. v. 25.06.1991 - 2 L 58/91 -, SchlHA 1992,\n80).\n\n27\n\n \n\nNach dem Melderegister der Beklagten war die Wohnung des Klagers in ... im\nErhebungszeitraum 2003 und 2004 eine Nebenwohnung. Dies gilt auch fur den\nZeitraum vom 08. Juni 2004 bis November 2004. Zwar war auf den Antrag des\nKlagers die Wohnung in ... fur diesen Zeitraum im Melderegister der Beklagten\nzunachst als Hauptwohnung eingetragen, das Melderegister ist jedoch gemaß § 8\nLMG von Amts wegen berichtigt worden, so dass nunmehr das Melderegister der\nBeklagten einer Heranziehung des Klagers zur Zweitwohnungssteuer fur die\nErhebungszeitraume 2003 und 2004 nicht mehr entgegensteht.\n\n28\n\n \n\nUnerheblich ist, ob die Eintragung in das Melderegister auf Angaben des\nWohnungsinhabers oder auf einer Berichtigung von Amts wegen beruht. Ist die\nEintragung ins Melderegister in Folge einer „Berichtigung" von Amts wegen\nunrichtig, weil die Meldebehorde verkannt hat, welche von mehreren Wohnungen\ndie vorwiegend genutzte Wohnung im Sinne des Melderechts ist (§ 12 Abs. 2 Satz\n1 MRRG, § 14 Abs. 2 Satz 1 LMG), obliegt es dem Wohnungsinhaber in einem\nmelderechtlichen Verfahren fur die Richtigkeit der Eintragung Sorge zu tragen,\nggf. auch durch Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes. Solange dies\nnicht geschieht, ist in einem Verwaltungsrechtsstreit uber die Erhebung von\nZweitwohnungssteuern von der Tatbestandswirkung des Melderegisters auszugehen.\n\n29\n\n \n\nMaßgeblich fur die Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer ist das Melderegister\nder abgabenerhebenden Korperschaft.\n\n30\n\n \n\nDie Frage, wo ein Wohnungsinhaber seine Hauptwohnung hat und damit Einwohner\neiner bestimmten Gemeinde ist, kann nur aus Sicht der jeweiligen Gemeinde\nbeurteilt werden. Keine Gemeinde ist berechtigt, einer anderen Gemeinde durch\nEintragung in ihr Melderegister einen Einwohner aufzudrangen. Fur das\nZweitwohnungssteuerrecht ist unerheblich, wo der Zweitwohnungsinhaber\naußerhalb des Gebietes der abgabenerhebenden Korperschaft seine Hauptwohnung\nhat. Entscheidend ist allein, dass die Wohnung im Erhebungsgebiet eine\nZweitwohnung ist. Deshalb ist auch in den Fallen sich widersprechender\nEintragungen in verschiedenen Melderegistern der Wohnungsinhaber gehalten, auf\ndie Richtigkeit der Eintragungen hinzuwirken, wenn er Nachteile abwenden will,\ndie - wie z.B. der Erhebung einer Zweitwohnungssteuer - von der Frage des\nHauptwohnsitzes abhangig sind.\n\n31\n\n \n\nIm Übrigen ist die Eintragung der Wohnung des Klagers in ... fur den\nmaßgeblichen Zeitraum als Nebenwohnung aller Wahrscheinlichkeit nach auch\nmelderechtlich zutreffend. Die Wohnung wurde vom Klager im maßgeblichen\nZeitraum uber eine Vermittlungsagentur zur Vermietung an Feriengaste\nangeboten. Eine Ferienwohnung ist typischerweise eine Nebenwohnung. Dass ein\nWohnungsinhaber seine Wohnung an Feriengaste vermietet und sich lediglich\nvorubergehend in Vermietungszeiten in einer von ihm ebenfalls vorgehaltenen\nNebenwohnung oder Behelfswohnung aufhalt, durfte die absolute Ausnahme sein.\nGegen die Annahme eines solchen Ausnahmefalls spricht, dass der Klager seinen\nBeruf als Generalvertreter einer Versicherung von seinem Hauptwohnsitz in ...\naus ausubte. Schließlich ist der Klager in der Wohnung in ... von Mitarbeitern\nder Beklagten - auch wahrend vermietungsfreier Zeiten - wiederholt nicht\nangetroffen worden.\n\n32\n\n \n\nWeitere Bedenken hinsichtlich der Rechtmaßigkeit des streitgegenstandlichen\nZweitwohnungssteuerbescheides sind vom Klager nicht vorgetragen worden und fur\nden Senat auch nicht ersichtlich.\n\n33\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711\nZPO.\n\n34\n\n \n\nDie Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.\n\n35\n\n \n\nDie Revision war nicht zuzulassen, da Grunde hierfur (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht\nersichtlich sind.\n\n \n\n
111,917
bfh-2010-09-08-viii-r-110
6
Bundesfinanzhof
bfh
Bundesrepublik Deutschland
Bundesgericht
VIII R 1/10
2010-09-08
2018-11-27 07:30:06
2019-01-18 15:27:48
Urteil
## Tatbestand\n\n1\n\n \n\nI. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen veranlagte Eheleute.\nDer Kläger war Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die im\nJuni 2005 wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht worden ist. Er\nhatte die Beteiligung im Privatvermögen gehalten. Zugunsten der GmbH hatte\nsich der Kläger verbürgt. 2003 wurde er aus der Bürgschaft in Anspruch\ngenommen und nahm deshalb im November 2003 ein Bankdarlehen über 320.000 €\nauf. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erhöhte den im\nJahr 2003 berücksichtigten Verlust aus der Auflösung der Gesellschaft\nentsprechend.\n\n \n\n2\n\n \n\nIn ihrer Einkommensteuererklärung für 2006 erklärten die Kläger auf das\nDarlehen geleistete Zinsen von 14.164,89 € als nachträgliche Einkünfte gemäß §\n17 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das FA lehnte den Abzug der\nSchuldzinsen ab, da die Einkunftsquelle bereits 2003 fortgefallen sei.\n\n \n\n3\n\n \n\nEinspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG)\nist in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2010, 851 veröffentlicht. Mit\nder Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.\n\n \n\n4\n\n \n\nSie beantragen,\n\n \n\nunter Aufhebung des Urteils des FG Hamburg vom 14. Dezember 2009 und der\nEinspruchsentscheidung des FA vom 17. Dezember 2008 den\nEinkommensteuerbescheid für 2006 vom 22. September 2008 dahingehend zu ändern,\ndass bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen ein Verlust in Höhe\nvon 14.165 € anerkannt wird.\n\n \n\n5\n\n \n\nDas FA beantragt,\n\n \n\ndie Revision zurückzuweisen.\n\n \n\n## Entscheidungsgründe\n\n6\n\n \n\nII. 1. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung\nund zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und\nEntscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).\n\n \n\n7\n\n \n\na) Das Begehren der Kläger ist dahin auszulegen, dass sie nicht die\nBerücksichtigung eines Verlusts, sondern den Ansatz weiterer Werbungskosten\nbei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 14.165 € geltend machen.\n\n \n\n8\n\n \n\nb) Schuldzinsen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen\nBeteiligung i.S. von § 17 EStG, die auf Zeiträume nach Veräußerung der\nBeteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen, können ab dem\nVeranlagungszeitraum 1999 grundsätzlich wie nachträgliche Betriebsausgaben als\nWerbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden (vgl.\nSenatsurteile vom 16. März 2010 VIII R 20/08, BFHE 229, 151, BStBl II 2010,\n787, VIII R 36/07, BFH/NV 2010, 1795). Seine gegenteilige Rechtsprechung hat\nder Senat damit aufgegeben.\n\n \n\n9\n\n \n\nc) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall grundsätzlich vor. Das zur\nRefinanzierung der Bürgschaftsinanspruchnahme vom Kläger aufgenommene Darlehen\nhat die Anschaffungskosten der Beteiligung des Klägers an der GmbH erhöht. Die\ndarauf entfallenden Zinsen kann der Kläger deshalb auch nach Löschung der GmbH\nim Handelsregister als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus\nKapitalvermögen abziehen, soweit die Verbindlichkeiten nicht durch den\nVeräußerungspreis und die Verwertung von zurückbehaltenen aktiven\nWirtschaftsgütern hätten getilgt werden können.\n\n \n\n10\n\n \n\nd) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil ist\ndeshalb aufzuheben.\n\n \n\n11\n\n \n\ne) Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden. Das FG hat von seinem\nStandpunkt aus zu Recht keine Feststellungen zur Höhe der Schuldzinsen\ngetroffen. Dies wird es ebenso nachzuholen haben wie die Prüfung, ob die\nVerbindlichkeiten durch die Verwertung zurückbehaltener aktiver\nWirtschaftsgüter (teilweise) hätten getilgt werden können.\n\n \n\n12\n\n \n\n2\\. Rein vorsorglich weist der Senat noch auf Folgendes hin:\n\n \n\n \n\nSollten in dem vom Kläger geltend gemachten Abzugsbetrag auch Tilgungsanteile\nenthalten sein, müssten diese herausgerechnet werden. Die Darlehen haben\nbereits den Aufgabeverlust erhöht und können nicht noch einmal steuerlich\nwirksam werden. Die danach grundsätzlich berücksichtigungsfähigen Zinsen\nkönnen wegen § 3c Abs. 2 EStG im Streitjahr nur zur Hälfte abgezogen werden.\n\n
119,092
ag-magdeburg-2010-05-12-140-c-232309
1,001
Amtsgericht Magdeburg
ag-magdeburg
Magdeburg
Sachsen-Anhalt
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
140 C 2323/09
2010-05-12
2018-12-27 19:37:19
2019-01-17 11:40:17
Urteil
ECLI:DE:AGMAGDE:2010:0512.140C2323.09.0A
#### Tenor\n\n \n\n1.) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin 4.128,58 € zzgl. Zinsen in\nHohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit dem 28.03.2009 zu\nzahlen.\n\n \n\n2.) Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.\n\n \n\nDas Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 120 % des zu\nvollstreckenden Betrages vorlaufig vollstreckbar.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Klagerin begehrt von dem Beklagten die Zahlung von insgesamt 4.128,58 €.\n\n2\n\n \n\nDie Klagerin nimmt den Beklagten wegen unerlaubten Anbietens eines\nurheberrechtlich geschutzten Werkes im Internet im Rahmen der Nutzung eines so\ngenannten Peer-to-Peer-Netzwerkes auf Zahlung von Rechtsanwaltsgebuhren in\nHohe von 853,00 € sowie auf Zahlung von Schadensersatz in Hohe von 3.275,58 €\nin Anspruch.\n\n3\n\n \n\nDie Klagerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und\nVerwertungsrechte des Produkts „Brockhaus Enzyklopadie multimedial".\n\n4\n\n \n\nDie Klagerin beauftragte die Firma L. AG mit der Feststellung, Erfassung und\nSpeicherung der IP-Adressen nebst Timestamp von Anbietern des fraglichen\nProdukts bzw. Teilen hiervon in einschlagigen Internettauschborsen. Die Firma\nL. AG uberwachte im Auftrage der Klagerin uber einen langeren Zeitraum hinweg\nalle einschlagigen Internettauschborsen. Hierbei handelt es sich um so\ngenannte Peer-to-Peer-Netzwerke. Alle Computer der Nutzer sind hierbei uber\neine bestimmte Software in einem eigenen Netzwerk miteinander verbunden. Um an\ndem Netzwerk teilnehmen zu konnen, ist es erforderlich, eine entsprechende\nSoftware, welche im Internet kostenlos angeboten wird, herunterzuladen und zu\ninstallieren sowie sich selbst zu registrieren und einen Benutzernamen\nanzugeben. Jeder Nutzer der Internettauschborse bietet sodann darin allen\nanderen Nutzern Einblick in einen gewissen Teil seiner Festplatte.\n\n5\n\n \n\nAm 19.09.2007 um 07:43 Uhr und 17 Sekunden Mitteleuropaischer Sommerzeit wurde\nmit Hilfe der Software der Firma L. AG ein Nutzer mit der IP-Adresse 8...\nerfasst, welcher genau zu diesem Zeitpunkt die Datei „Der Brockhaus\nmultimedial 2006 DVD", eine funktionsfahige Version des streitgegenstandlichen\nProdukts mit einer Große von 4374.59 MB, anderen Nutzern der\nInternettauschborse unter Verwendung des Programms UT 1.6.1.0 zum Download\nanbot. Wegen dieser Urheberrechtsverletzung stellte die Kanzlei des\nProzessbevollmachtigten der Klagerin am 20.09.2007 Strafanzeige wegen\nunerlaubter Verwertung urheberrechtlich geschutzter Werke gemaß § 106 Abs. 1\nUrhG bei der Staatsanwaltschaft Magdeburg. Aufgrund dieser Anzeige ging die\nStaatsanwaltschaft Magdeburg mit einem Auskunftsersuchen auf den\nInternetserviceprovider des Beklagten zu. Der Internetserviceprovider\ninformierte die Staatsanwaltschaft anschließend daruber, dass die fragliche\nIP-Adresse zu dem besagten Zeitpunkt dem Beklagten zugeteilt war.\n\n6\n\n \n\nMit Abmahnschreiben vom 13.03.2009 machte der Prozessbevollmachtigte der\nKlagerin den Beklagten auf sein rechtwidriges Verhalten aufmerksam.\nGleichzeitig forderte der Prozessbevollmachtigte der Klagerin den Beklagten\nzur Abgabe einer strafbewahrten Unterlassungserklarung sowie zur Zahlung der\nKosten fur die Bearbeitung der Abmahnung und der Unterlassungserklarung in\nHohe von 853,00 € nebst Schadensersatz in Hohe von 3.275,58 € unter\nFristsetzung bis zum 27.03.2009 auf. Der Beklagte gab unter dem 24.03.2009\neine modifizierte Unterlassungserklarung ab. Die Klagerin akzeptierte diese\nUnterlassungserklarung. Eine Zahlung des Beklagten erfolgte nicht.\nAnschließend stellten die Prozessbevollmachtigten der Klagerin am 21.04.2009\neinen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides uber die Rechtsanwaltsgebuhren in\nHohe von 853,00 € sowie uber den Schadensersatz in Hohe von 3.275,58 €.\n\n7\n\n \n\nDie Klagerin ist der Ansicht, der Beklagte sei ihr zur Zahlung der geltend\ngemachten Rechtsanwaltsgebuhren sowie zu Schadensersatz verpflichtet.\n\n8\n\n \n\nDie Klagerin beantragt,\n\n9\n\n \n\nden Beklagten zu verurteilen, an die Klagerin 4.128,58 € zzgl. Zinsen in Hohe\nvon 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit dem 28.03.2009 zu zahlen.\n\n10\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n11\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n12\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die\nzwischen den Parteien gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen Bezug genommen.\n\n13\n\n \n\nDas Verfahren der Staatsanwaltschaft Magdeburg 631 JS 3673/08 war Gegenstand\nder mundlichen Verhandlung.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n14\n\n \n\nDie zulassige Klage ist in vollem Umfange begrundet.\n\n15\n\n \n\nDie Klagerin kann von dem Beklagten die Zahlung der geltend gemachten\nRechtsanwaltskosten in Hohe von 853,00 € gemaß §§ 683, 670 BGB verlangen.\nGemaß § 683 S 1 BGB kann der Geschaftsfuhrer wie ein Beauftragter Ersatz\nseiner Aufwendungen verlangen, wenn die Übernahme der Geschaftsfuhrung dem\nInteresse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschaftsherren\nentspricht. Unstreitig hat der Beklagte das streitgegenstandliche Werk anderen\nNutzern zum Download angeboten und hierdurch die der Klagerin ausschließlich\nzustehenden Urheberrechte gemaß §§ 106 Abs 1, 19a UrhG verletzt. Die dem\nBeklagten ubersandte Abmahnung stand somit zumindest auch im Interesse des\nBeklagten und damit in seinem mutmaßlichen Willen, da der Beklagte hierdurch\nauf sein rechtswidriges Verhalten hingewiesen und die Klagerin im Falle der\nAbgabe der strafbewahrten Unterlassungserklarung bereit war, darauf zu\nverzichten, den ihr zustehenden Unterlassungsanspruch gerichtlich geltend zu\nmachen. Im vorliegenden konnte durch die Abgabe der modifizierten\nUnterlassungserklarung durch den Beklagten auf ein gerichtliches Verfahren\ndiesbezuglich vermieden werden. Zudem war es aus Sicht der Klagerin auch\nerforderlich, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, § 670 BGB. Ausreichende\nAnhaltspunkte dafur, dass die Klagerin selbst uber eine ausreichende Sachkunde\nund die Moglichkeiten einer zweckgemaßen Verfolgung solcher Verstoße verfugt,\nsind nicht ersichtlich.\n\n16\n\n \n\nBedenken gegen die Hohe der geltend gemachten Rechtsanwaltsgebuhren bestehen\nnicht. Insbesondere ist die Zugrundelegung eines Streitwertes in Hohe von\n30.000,00 € im Hinblick auf die gemaß § 3 ZPO zu schatzende Beeintrachtigung\nder Klagerin nicht zu beanstanden.\n\n17\n\n \n\nDie Klagerin kann weiterhin von dem Beklagten die Zahlung von Schadensersatz\nin Hohe von 3.275,58 € gemaß § 97 Urhebergesetz verlangen. Unstreitig bot der\nBeklagte das streitbefangene Produkt zum Download im Internet an und verletzte\nsomit das der Klagerin zustehende Urheberrecht. Hierbei handelte der Beklagte\nauch zumindest fahrlassig. Umstande, die die Widerrechtlichkeit seines\nVerhaltens in Frage stellen konnten, sind nicht ersichtlich. Entsprechen ist\nder Beklagte der Klagerin zum Ersatz des aus der Urheberrechtsverletzung\nentstehenden Schadens verpflichtet., § 97 Abs 2 UrhG.\n\n18\n\n \n\nDie Klagerin hat ihren Schadensersatzanspruch der Hohe nach gemaß § 97 Abs 2\nS3 UrhG auf der Grundlage der Lizenzanalogie berechnet. Soweit die Klagerin im\nvorliegenden den doppelten Verkaufspreis des Produkts ihrer\nSchadensersatzberechnung zu Grunde legt, ist dies nicht zu beanstanden. Dabei\nwar zu berucksichtigen, das das streitgegenstandliche Produkt durch die\nTeilnahme an einem Peer-to-Peer-Netzwerk einem unbegrenzten Personenkreis\nzuganglich gemacht wird.\n\n19\n\n \n\nDie Nebenforderungen finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 280 ff, 291 BGB.\n\n20\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.\n\n21\n\n \n\nDie Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit findet ihre\nRechtsgrundlage in § 709 ZPO.\n\n \n\n
119,256
lsgst-2010-03-23-l-5-as-5810-b
1,021
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
lsgst
Sachsen-Anhalt
Sozialgerichtsbarkeit
L 5 AS 58/10 B
2010-03-23
2018-12-27 19:38:57
2019-01-17 11:40:25
Beschluss
ECLI:DE:LSGST:2010:0323.L5AS58.10B.0A
#### Tenor\n\n \n\nDie Beschwerde wird als unzulassig verworfen.\n\n \n\nKosten sind nicht zu erstatten.\n\n \n\n#### Grunde\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDie Klager und Beschwerdefuhrer wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen die\nAblehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe fur ein von ihnen betriebenes\nKlageverfahren beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG).\n\n2\n\n \n\nDie Klager bezogen als Bedarfsgemeinschaft von der ARGE SGB II Landkreis\nWittenberg erganzende Leistungen der Grundsicherung fur Arbeitsuchende nach\ndem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 4. April 2008\nwurden ihnen Leistungen iHv 64,30 EUR fur den Monat Januar 2008 gewahrt. Mit\nWiderspruchsbescheid vom 2. Dezember 2008 wies die ARGE SGB II Landkreis\nWittenberg den dagegen von den Klagern eingelegten Widerspruch zuruck.\n\n3\n\n \n\nAm 5. Januar 2009 haben die Klager bei dem SG Klage erhoben und die Gewahrung\nhoherer Leistungen fur Januar 2008 begehrt.\n\n4\n\n \n\nIm Erorterungstermin am 14. Mai 2009 haben die Klager die Gewahrung von\nProzesskostenhilfe (PKH) beantragt und eine Erklarung uber die personlichen\nund wirtschaftlichen Verhaltnisse vorgelegt. Der Klager zu 2. hat sogleich\nseinen PKH-Antrag wieder zuruckgenommen. Sodann haben die Klager einen\nVergleich geschlossen, der das Klageverfahren beendet hat. Darin hat sich die\nBeklagte bereit erklart, die Halfte der außergerichtlichen Kosten der Klager\nzu tragen.\n\n5\n\n \n\nMit Schreiben vom 8. Juni 2009 hat das SG erstmals Belege zum PKH-Antrag\nangefordert. Nachdem diese am 4. September 2009 teilweise vorgelegt worden\nsind, hat das SG mit Schreiben vom 8. September 2009 die noch fehlenden Belege\nsowie die Vorlage weiterer Unterlagen erbeten. Nachdem eine unter dem 22.\nOktober 2009 verfasste Erinnerung unbeachtet geblieben ist, hat das SG mit\nSchreiben vom 19. No-vember 2009 unter Setzung einer Frist gemaß § 118 Abs. 2\nSatz 4 Zivilprozessordnung (ZPO) zum 11. Dezember 2009 erneut die fehlenden\nBelege angefordert.\n\n6\n\n \n\nMit Beschluss vom 28. Januar 2010 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von\nPKH abgelehnt und zur Begrundung ausgefuhrt, die Klager hatten ihre\ntatsachlichen Angaben nicht gemaß § 118 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht, obwohl\nsie mehrfach sowie unter Fristsetzung und Hinweis auf § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO\ndazu aufgefordert worden seien. Das SG hat auf die Unanfechtbarkeit dieses\nBeschlusses gemaß § 172 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen.\nDer Beschluss ist am 29. Januar 2010 an die Beteiligten versandt worden.\n\n7\n\n \n\nAm 29. Januar 2010 sind bei dem SG weitere PKH-Unterlagen, die mit Schreiben\nvom 26. Januar 2010 versandt worden sind, eingegangen.\n\n8\n\n \n\nAm 8. Februar 2010 haben die Klager Beschwerde gegen den PKH-Beschluss\neingelegt und ausgefuhrt, sie hatten bereits am 26. Januar 2010 die weiteren\nBelege eingereicht. Es sei wohl zu einer "Überschneidung" gekommen.\n\n9\n\n \n\nAuf den Hinweis der Berichterstatterin vom 26. Februar 2010 auf die\nUnzulassigkeit der Beschwerde gemaß § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG haben die Klager\nnicht reagiert.\n\n10\n\n \n\nSie beantragen sinngemaß,\n\n11\n\n \n\nden Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 26. Januar 2010 aufzuheben\nund ihnen fur das Klageverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter\nBeiordnung von Rechtsanwalt S. aus W. zu gewahren.\n\n12\n\n \n\nDie Beklagte hat sich zum Beschwerdeverfahren nicht geaußert.\n\n13\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die\nGerichtsakte und das Prozesskostenhilfebeiheft, die Gegenstand der\nEntscheidungsfindung des Senats waren, erganzend Bezug genommen.\n\n \n\nII.\n\n14\n\n \n\nDie Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 26. Januar 2010 ist unzulassig\nund daher zu verwerfen.\n\n15\n\n \n\nZunachst war das Rubrum zu korrigieren. Da der Klager zu 2. seinen PKH-Antrag\nzuruckgenommen hatte, betrifft ihn die PKH-Entscheidung des SG nicht. Er ist\nauch nicht Beschwerdefuhrer.\n\n16\n\n \n\nDie Zulassigkeit des Rechtsmittels der Beschwerde gegen die Ablehnung von\nAntragen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe richtet sich nach § 73a Abs. 1\nSatz 1 SGG iVm § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Nach der standigen Rechtsprechung des\nSenats (vgl. Beschluss vom 20. Februar 2009, Az.: L 5 B 305/08 AS und L 5 B\n304/08 AS, juris; ebenso: 2. Senat des LSG, Beschluss vom 8. April 2009, Az.:\nL 2 B 264/08 AS) sind diese Regelungen durch das Gesetz zur Änderung des\nSozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. Marz 2008\n(BGBl. I S. 444) mit Wirkung vom 1. April 2008 durch Einfuhrung von § 172 Abs.\n3 Ziff. 2 SGG modifiziert worden.\n\n17\n\n \n\nBis zum 31. Marz 2008 war gemaß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs. 2 Satz\n2 ZPO die Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH grundsatzlich statthaft, es\nsei denn, der maßgebliche Beschwerdewert wurde nicht uberschritten. Seit dem\n1. April 2008 ist mit der Einfuhrung von § 172 Abs. 3 Ziff. 2 SGG die\nBeschwerde gegen die Ablehnung von PKH - unabhangig vom Wert des\nBeschwerdewertes - nunmehr "zusatzlich" und damit immer dann ausgeschlossen,\nwenn das Gericht ausschließlich die personlichen und wirtschaftlichen\nVoraussetzungen verneint (so auch: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.\nJuli 2008, Az.: L 12 B 18/07 AL, RN 25, juris).\n\n18\n\n \n\nAuch die Ablehnung der Gewahrung von PKH nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §\n118 Abs. 2 Satz 4 ZPO unterfallt dieser Regelung. Mit der Einfuhrung des § 172\nAbs. 3 Ziff. 2 SGG hat der Gesetzgeber eine Entlastung der\nLandessozialgerichte bezweckt und die Beschwerdemoglichkeit bei\nProzesskostenhilfeentscheidungen nur noch vorgesehen, wenn das SG die\nErfolgsaussichten in der Hauptsache verneint hat. Die Unzulassigkeit der\nBeschwerde in Fallen der Ablehnung nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO ergibt sich\ndaraus, dass der Gesetzgeber die Beschwerdemoglichkeit bei fehlender\nBedurftigkeit ausgeschlossen hat. Es ware widerspruchlich, die Beschwerde bei\nfehlender Vorlage der Erklarung uber die personlichen und wirtschaftlichen\nVerhaltnisse als zulassig anzusehen. Dies wurde bedeuten, dass Klagern, die\neine Prufung ihrer wirtschaftlichen Verhaltnisse durch das Nicht-Einreichen\nvon notwendigen Unterlagen vereiteln, ein weiterer Rechtsschutz zugebilligt\nwurde als solchen, die ihre Unterlagen zur Prufung zur Verfugung stellen (vgl.\nLSG Sachsen, Beschluss vom 6. August 2009, Az.: L 3 AS 375/09 B PKH, zitiert\nnach juris; LSG Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 13. Januar 2009, Az.: L 11 KR\n5759/08 PKH-B, zitiert nach juris; Bay. LSG, Beschluss vom 1. Oktober 2009,\nAz.: L 16 AS 490/09 B PKH, zitiert nach juris).\n\n19\n\n \n\nVorliegend hat das SG, wie sich aus dem Beschluss ergibt, uber die\nErfolgsaussichten der Hauptsache nicht entschieden. Es hat die\nProzesskostenhilfe lediglich abgelehnt, weil die Klager die angeforderten\nBelege zu der Erklarung uber die personlichen und wirtschaftlichen\nVerhaltnisse nicht vorgelegt haben und dadurch eine Prufung ihrer\nwirtschaftlichen Verhaltnisse wegen der fehlenden Glaubhaftmachung gemaß § 118\nAbs. 2 Satz 4 ZPO nicht moglich war. Es fehlt daher an der fur die\nZulassigkeit der Beschwerde notwendigen Prufung der Erfolgsaussicht der Klage.\n\n20\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.\n\n21\n\n \n\nDer Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).\n\n \n\n
123,620
lagrlp-2010-12-02-11-sa-48410
899
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
lagrlp
Rheinland-Pfalz
Arbeitsgerichtsbarkeit
11 Sa 484/10
2010-12-02
2018-12-28 11:38:23
2019-01-17 11:44:31
Urteil
ECLI:DE:LAGRLP:2010:1202.11SA484.10.0A
#### Tenor\n\n \n\n \n\nDie Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen\nvom 02.07.2010, AZ: 7 Ca 477/10, wird kostenpflichtig zuruckgewiesen.\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten uber die Berechnung einer Sozialplanabfindung.\n\n \n\n2\n\n \n\nDie Klagerin war vom 22.06.1987 bis zum 31.12.2009 bei der Beklagten\nbeschaftigt. Am 08.07.2009 schlossen die Klagerin, die Beklagte und das\nZentrum fur Arbeit und Bildung F. gGmbH einen 3-seitigen Vertrag, der u.a. die\nAufhebung des Arbeitsverhaltnisses zwischen den Parteien zum 31.12.2009 vorsah\nsowie die befristete "Einstellung" bis zum 31.12.2010 durch die Z.. Weiterhin\nenthalt der Vertrag einen Hinweis auf Leistungen nach dem Sozialplan vom\n18.09.2008 durch die Beklagte.\n\n \n\n3\n\n \n\nDer zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat vereinbarte Sozialplan vom\n18.09.2008 (Bl. 3 ff. d. A.) lautet auszugsweise wie folgt:\n\n \n\n4\n\n \n--- \n"**3.3. Wechsel der Mitarbeiterinnen** \n(…) \nMitarbeiterInnen, die in die T wechseln, erhalten eine Abfindung, die sich\nnach den Regelungen in § 4 richtet \n(…) \n**4\\. Abfindungsregelung bei Verlust des Arbeitsplatzes** \n(…) \n**4.1. Grundbetrag** \n4.1.1. Abfindung fur MitarbeiterInnen bis zum 55. Lebensjahr \nDer Grundbetrag berechnet sich bei MitarbeiterInnen, die zum Zeitpunkt des\nAusscheidens nicht alter sind als 55 Jahre nach der Formel \nLebensalter x Betriebszugehorigkeit x Bruttomonatsgehalt \n40 x 12 \nLebensalter ist die Zahl der vollendeten Lebensmonate dividiert durch 12. \nBetriebszugehorigkeit ist die Zahl der vollendeten\nBetriebszugehorigkeitsmonate (einschließlich Wehrdienst, Ausbildungs-, Pflege-\nund Elternzeiten). \nStichtag fur die Berechnung von Lebensalter und Betriebszugehorigkeit ist das\nDatum des Ausscheidens. \nBruttomonatsverdienst ist die gesamte effektive Bruttovergutung gleich welcher\nBezeichnung im Gesamtjahr dem Datum des Ausscheidens vorangegangenen vollen\nKalenderjahr dividiert durch 12. Sollten MitarbeiterInnen in diesem\nKalenderjahr keinen durchgangigen Vergutungsanspruch gehabt haben, so ist der\ndem Ausscheidungsjahr vorangegangene Verdienst eines Kalenderjahres analog als\nfiktive Berechnung vorzunehmen. Bruttomonatsverdienste unter 2.780,- € werden\nzur Ermittlung des Grundbetrages auf 2.780,- € angehoben. \n(….)". \n \n \n\n5\n\n \n\nDie Bruttojahresvergutung der Klagerin betrug im Jahr 2008 € 40.863,44, im\nJahr 2009 € 41.916,19.\n\n \n\n6\n\n \n\nBei der Berechnung der Grundabfindungszahlung legte die Beklagte den\nJahresbruttoverdienst des Jahres 2008 zu Grunde und zahlte an die Klagerin\neine Grundabfindung in Hohe von 90.812,43 € brutto aus.\n\n \n\n7\n\n \n\nDie Klagerin errechnet auf der Basis des Bruttojahresverdienstes fur das Jahr\n2009 einen Grundabfindungsanspruch von 93.152,02 € und begehrt mit\nvorliegender Klage die Zahlung der rechnerisch unstreitigen Differenz.\n\n \n\n8\n\n \n\nVon einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestands und des\nerstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemaß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und\nauf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom\n02.07.2010 (dort Seiten 2 bis 5, Bl. 67 bis 70 d. A.) Bezug genommen.\n\n \n\n9\n\n \n\nDie Klagerin hat beantragt,\n\n10\n\n \n\n**die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.339,59 € brutto nebst Zinsen in Hohe\nvon 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit dem 24.03.2010 zu zahlen.**\n\n \n\n11\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n12\n\n \n\n**die Klage abzuweisen.**\n\n \n\n13\n\n \n\nDas Arbeitsgericht Ludwigshafen hat der Klage durch Urteil vom 02.07.2010 in\nvollem Umfang stattgegeben. Zur Begrundung hat es im Wesentlichen ausgefuhrt,\nbei der Ermittlung des maßgeblichen Bruttomonatsverdienstes sei auf die im\nGesamtjahr 2009 erzielte Bruttojahresvergutung der Klagerin abzustellen. Dies\nergebe die Auslegung der in Ziffer 4.1.1. des Sozialplans getroffenen\nRegelung. Der bloße Wortlaut der Regelung - ohne Heranziehung weiterer\nAuslegungsgrundsatze - lasse durchaus eine Interpretation im Sinne der\nKlagerin als auch im Sinne der Beklagten zu. Das Auslegungsergebnis ergebe\nsich jedoch aus Sinn und Zweck der Regelung. Die getroffene Regelung solle\ngewahrleisten, dass das fur die Hohe der Abfindung maßgebliche\nBruttomonatsentgelt der Arbeitnehmer sachgerecht, praktikabel und zeitnah\nanhand der Bruttojahresvergutung im letzten "vollen Kalenderjahr" ermittelt\nwerde, das samtliche Vergutungsanspruche gleich welcher Bezeichnung erfasse\nund berucksichtige. Entgegen der Ansicht der Beklagten sprachen auch die von\nihr vorgelegten Regelungen in vorangegangenen Sozialplanen nicht fur sondern\nvielmehr gegen die von der Beklagten vertretene Auslegung. Die in Ziffer\n4.1.1. des Sozialplans vom 23.06.2004 getroffene Regelung stelle auf die\ngesamte effektive Bruttovergutung "im letzten kompletten Kalenderjahr" ab und\nhatte damit im Streitfall ebenfalls zur Maßgeblichkeit des Kalenderjahrs 2009\nals dem letzten kompletten Kalenderjahr gefuhrt, da die Klagerin erst mit\nAblauf des Jahres 2009 aus dem Arbeitsverhaltnis der Parteien ausgeschieden\nsei.\n\n \n\n14\n\n \n\nDie Beklagte, der die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 12.08.2010\nzugestellt worden ist, hat am 07.09.2010 Berufung zum Landesarbeitsgericht\nRheinland-Pfalz eingelegt und diese mit am 11.10.2010 eingegangenem\nSchriftsatz begrundet.\n\n \n\n15\n\n \n\nDie Beklagte macht nach Maßgabe ihrer Berufungsbegrundung vom 08.10.2010, auf\ndie erganzend Bezug genommen wird (Bl. 93 ff. d. A.) zur Begrundung ihrer\nBerufung im Wesentlichen geltend,\n\n \n\n16\n\n \n\ndie Betriebsparteien hatten mit der Formulierung "dem Datum des Ausscheidens\nvorangegangen vollen Kalenderjahr" eine vom Wortlaut her eindeutige Regelung\ngetroffen, die durch die Erfahrungen mehrerer vorangegangener Sozialplane und\nabrechnungstechnische Erfordernisse gepragt gewesen sei. Es habe ein\nerhebliches Interesse aller Beteiligten (Betriebsparteien und gekundigte\nArbeitnehmer) daran bestanden, bereits im Zeitpunkt des Kundigungszugangs mit\neiner in aller Regel recht lange laufenden (meist 6-monatigen) Kundigungsfrist\nverlassliche Angaben uber die Hohe der im Ausscheidenszeitpunkt falligen\nSozialplanabfindung zu haben.\n\n \n\n17\n\n \n\nDie maßgebliche Gesamtjahresbruttovergutung stehe erst nach erfolgter\nAbrechnung des Monats Dezember 2009 (im Januar 2010) fest. Dies sei ursachlich\ngewesen fur das gemeinsame Verstandnis der Betriebsparteien in entsprechenden\nRegelungen vorangegangener Sozialplane. Der Sozialplan vom 19.08.1999 stelle\nausdrucklich auf ein bestimmtes Kalenderjahr (das Gesamtjahr 1998) als\nmaßgeblichen Bezugszeitraum ab. Dies sei von den Betriebsparteien aufgrund der\ngemachten Erfahrung (dass namlich ein Sozialplan auch noch in nachfolgenden\nJahren zur Anwendung gelangen konnen soll) dahingehend abgeandert worden, dass\nFormulierungen ohne konkrete Jahreszahl gewahlt worden seien. Die von den\nBetriebsparteien damit verbundene Intention, namlich klare,\nabrechnungstechnisch komplett vollzogene Bemessungsgrundlagen fur die\nErrechnung der Sozialplanabfindung zu erhalten, ziehe sich durch die\nVereinbarungen wie ein roter Faden. In Abstimmung der Betriebsparteien sei die\nper Notiz/Hausmitteilung vom 26.06.2000 dokumentierte generelle Festschreibung\ndes dem Vertragsabschluss vorangegangenen Jahres als Berechnungsgrundlage\nerfolgt. Diese Formulierung sei in den Sozialplan 2004 dahingehend ubernommen\nworden, dass das letzte, komplette Kalenderjahr zu Grunde gelegt wurde. In der\nPraxis sei durch die Handhabung sichergestellt worden, dass zum Zeitpunkt der\nPersonalabrechnung des letzten (Austritts-) Monats, in dem die Abfindung mit\nverrechnet werde, die genaue Abfindungssumme mit Sicherheit und gepruft zur\nVerfugung stehe.\n\n \n\n18\n\n \n\nSie beantragt,\n\n19\n\n \n\n**unter Ab anderung des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts\nLudwigshafen vom 02.07.2010, AZ. 7 Ca 477/10, die Klage abzuweisen.**\n\n \n\n20\n\n \n\nDie Klagerin beantragt,\n\n21\n\n \n\n**die Berufung zur uckzuweisen.**\n\n \n\n22\n\n \n\nSie tragt zweitinstanzlich vor, bereits nach dem eindeutigen Wortlaut des\nSozialplans ergebe sich die fur die Grundabfindung maßgebliche\nBerechnungsgrundlage mit dem Bruttoverdienst des Jahres 2009. Aufgrund des\n3-seitigen Vertrags sei die Klagerin bis zum 31.12.2009, 24:00 Uhr\nArbeitnehmerin der Beklagten gewesen und das Ausscheiden konne schon\nbegrifflich erst hiernach liegen. Damit sei das Jahr 2009 das dem Ausscheiden\nder Klagerin vorangegangene volle Kalenderjahr. Das abrechnungstechnische\nArgument der Beklagten sei nicht nachvollziehbar, da mit Ablauf des Dezember\n2009 die Abrechnungsgrundlagen vorgelegen hatten.\n\n \n\n23\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die\nzwischen den Parteien gewechselten Schriftsatze Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n \n\n \n\n**I.**\n\n24\n\n \n\nDie nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemaß §§ 66 Abs. 1,\n64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und\nbegrundet worden. Sie ist somit zulassig.\n\n \n\n \n\n**II.**\n\n25\n\n \n\nIn der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Die Klagerin hat gegenuber\nder Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der Abfindungsdifferenz, die sich\ndaraus ergibt, dass bei der Berechnung der Sozialplanabfindung nach Ziffer\n4.1.1. des Sozialplans vom 18.09.2008 fur das anzusetzende Bruttomonatsgehalt\nnicht die Bruttojahresvergutung der Klagerin aus dem Jahr 2008, sondern\ndiejenige aus dem Jahr 2009 zu Grunde gelegt worden ist. Dies hat das\nArbeitsgericht im Ergebnis und in der Begrundung zutreffend festgestellt. Die\nBerufungskammer folgt den ausfuhrlichen und sorgfaltig dargestellten\nEntscheidungsgrunden des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies hiermit\nausdrucklich gemaß § 69 Abs. 2 ArbGG fest.\n\n \n\n26\n\n \n\nDies gilt zunachst fur die zutreffend wiedergegebenen Grundsatze der standigen\nRechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fur die Auslegung von Sozialplanen\nals Betriebsvereinbarungen besonderer Art, die wegen ihrer aus §§ 77 Abs. 4\nSatz 1, 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG folgenden normativen Wirkung wie Gesetze\nauszulegen sind. (BAG vom 26.08.2008 - 1 AZR 349/07 - AP Nr. 195 zu § 112\nBetrVG 1972; BAG vom 13.03.2007 - 1 AZR 262/06 - NZA 2008, 190 ff.). Von einer\nwiederholenden Darstellung wird abgesehen.\n\n \n\n27\n\n \n\n**1.** Auszugehen ist dementsprechend zunachst vom Wortlaut und dem durch ihn\nvermittelten Wortsinn.\n\n \n\n28\n\n \n\nNach Ziffer 4.1.1. des Sozialplans vom 18.09.2008 ist Bruttomonatsverdienst\n"die gesamte effektive Bruttovergutung gleich welcher Bezeichnung im\nGesamtjahr dem Datum des Ausscheidens vorangegangenen vollen Kalenderjahres\ndividiert durch 12". Mit dieser Formulierung sollte der Referenzzeitraum\nabstrakt formuliert werden.\n\n29\n\n \n\nKeine Schwierigkeiten wirft die Bestimmung eines vollen Kalenderjahres auf,\ndas mithin die Zeitspanne zwischen dem 01.01. eines Jahres um 00:00 Uhr bis\nzum 31.12. desselben Jahres, 24:00 Uhr beschreibt. Demgegenuber handelt es\nsich bei dem Ausscheiden nicht um einen Prozess, der sich uber eine Zeitspanne\nerstreckt, sondern um die punktuelle Beendigung des Rechtsverhaltnisses, die\nsich, wie auch von den Parteien des Rechtsstreits angenommen, um 24:00 Uhr des\nletzten Tages des Arbeitsverhaltnisses vollzieht.\n\n \n\n30\n\n \n\nBetrachtet man einerseits die Zeitspanne, die durch das Kalenderjahr angegeben\nwird und die mit dem Zeitpunkt 31.12., 24:00 Uhr endet, und andererseits den\nZeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhaltnis, so liegt es begrifflich\nbereits nahe, bei dem Zusammenfallen des die Zeitspanne beendeten Zeitpunkts\nmit dem Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhaltnis von dem dem\nAusscheiden "vorangegangenen vollen Kalenderjahr" zu sprechen. Maßgeblich ware\ndanach bei einem Ausscheiden am 31.12.2009, 24:00 Uhr, als Referenzzeitraum\nfur die Abfindungsberechnung das Kalenderjahr 2009.\n\n \n\n31\n\n \n\nDem arbeitsgerichtlichen Urteil ist allerdings ebenso wie der Beklagten\ninsoweit zuzustimmen, als der Wortlaut auch die Auslegung dahingehend zulasst,\ndass mit dem dem Datum des Ausscheidens vorangegangenen vollen Kalenderjahr\ndas Vorjahr bezeichnet wird, da das Jahr, das mit dem 31.12., 24:00 Uhr endet,\ndiesen Zeitpunkt einschließt. Diese vom Wortlaut her ebenfalls eroffnete\nAuslegungsvariante hatte zum Ergebnis, dass Referenzzeitraum das Kalenderjahr\n2008 ware.\n\n \n\n32\n\n \n\n**2.** Lasst der Wortlaut mithin beide Ergebnisse zu, so ergibt sich jedoch\nbei Heranziehung der weiteren Auslegungsmethoden ein Auslegungsergebnis.\n\n \n\n33\n\n \n\nDie Berufungskammer stimmt dem Arbeitsgericht auch insoweit zu, dass Sinn und\nZweck der Regelung, die im Sozialplan hinreichend deutlich zum Ausdruck\nkommen, zur Zugrundelegung des Jahres 2009 fur die Abfindungsberechnung\nfuhren.\n\n \n\n34\n\n \n\nDie Festlegung der abstrakten Regelung des Referenzzeitraums ist erkennbar von\ndem Willen der Betriebspartner getragen, einerseits einen dem\nAusscheidenszeitpunkt moglichst naheliegenden Zeitraum zu wahlen, andererseits\nden fur den Einkommensverlust reprasentativen Gesamtzeitraum eines vollen\nJahres zu Grunde zu legen und dabei Abrechnungsschwierigkeiten dadurch zu\nbegegnen, dass es sich um ein abgeschlossenes Kalenderjahr handeln muss.\n\n \n\n35\n\n \n\nDieser Zielsetzung wird durch das Verstandnis Rechnung getragen, dass bei\neinem Zusammentreffen des Ausscheidenszeitpunkts mit dem Zeitpunkt, der ein\nvolles Kalenderjahr begrenzt, dieses Kalenderjahr maßgeblich sein soll. Denn\nder Abrechnungszeitraum ist damit ebenfalls vollstandig und es kann mit der\nAbrechnung des letzten Monatsentgelts auch das gesamte Jahr fur die Berechnung\nder Abfindungshohe zu Grunde gelegt werden.\n\n \n\n36\n\n \n\nDemgegenuber uberzeugt das Argument der Beklagten nicht, die Regelung habe\nbezweckt, dass bereits bei dem Monate zuvor vereinbarten oder einseitig\nherbeigefuhrten Ausscheiden die Abfindung berechenbar sein sollte, denn der\nSozialplan knupft nach seinem klaren Wortlaut gerade nicht an den Zeitpunkt\ndes Kundigungszugangs oder der Beendigungsvereinbarung an. Vielmehr lasst die\nwortlautorientierte Auslegung als Zasur lediglich 2 Moglichkeiten zu. Dies\nsind der 31.12., 24:00 Uhr und der 01.01. - theoretisch - 00:00 Uhr. Zwischen\ndiesen beiden Moglichkeiten besteht kein besonderes, zweckorientiertes\nInteresse der Betriebsparteien daran, letztere Variante zu Grunde zu legen,\nauch wenn man die praktisch eher relevanten Beendigungszeitpunkte 24 Uhr des\n15. oder 31. Januar betrachtet. Der abrechnungstechnische Vorteil ist zu\nvernachlassigen, da er im reinen Zeitgewinn besteht, sich hinsichtlich des\nVorliegens der Abrechnungsgrundlagen aber keine Änderungen ergeben.\n\n37\n\n \n\nDem Sinn der Regelung, der wie von den Parteien zutreffend und in\nÜbereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (a.a.O.\n26.08.2008) angegeben, dadurch gekennzeichnet ist, dass aufgrund der\nZwecksetzung von Sozialplanabfindungen, die mit dem Verlust des Arbeitsplatzes\nfur die Arbeitnehmer verbundenen wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder\nabzufedern, dieser Verlust zuverlassiger durch einen dem Ausscheiden naheren\nReferenzzeitraum fur die maßgeblichen Einkommensverhaltnisse beschrieben wird,\nist zu entnehmen , dass bei der Auslegung aus Grunden der Aktualitat daher im\nZweifel der nahere und nicht der langer zuruckliegende Bezugszeitraum\nmaßgeblich sein soll. Auch Grunde der Praktikabilitat im Rahmen der Abrechnung\nsind nicht geeignet, die von der Beklagten angenommene Zasur zu rechtfertigen.\n\n \n\n38\n\n \n\n**3.** Das von der Beklagten angenommene "gemeinsame Verstandnis der\nBetriebsparteien", das in den Regelungen fruherer Sozialplane zum Ausdruck\ngekommen sei, fuhrt nicht zu einem anderen Auslegungsergebnis.\n\n \n\n39\n\n \n\nDer Sozialplan vom 19.08.1999 benennt ein bestimmtes durch die Jahreszahl\nangegebenes Kalenderjahr als Referenzzeitraum.\n\n \n\n40\n\n \n\nDie Abwandlung dieser Regelung durch erganzende Notiz vom 26.06.2009 und damit\ndie Einfuhrung einer abstrakten Regelung kennzeichnet schon das Bestreben der\nBetriebspartner, bei der fortdauernden Anwendung dieses Sozialplans einen\naktuelleren Referenzzeitraum zu bestimmen, als er durch die Ursprungsregelung\nmit dem einmalig festgeschriebenen Gesamtjahr 1998 gegeben war. Im Übrigen\nenthielt diese Regelung mit dem Zeitpunkt der "Vertragsschließung" einen\nanderen Bezugszeitpunkt als die darauffolgenden Sozialplane, die an das\nAusscheiden anknupften.\n\n \n\n41\n\n \n\nDie in Ziffer 4.1.1. des Sozialplans vom 23.06.2004 getroffene Regelung stellt\nauf die gesamte effektive Bruttovergutung "im letzten kompletten Kalenderjahr"\nab. Dem Arbeitsgericht ist zuzustimmen, dass hierunter dem Wortlaut\nentsprechend ebenfalls das Jahr zu fassen ware, das mit dem Zeitpunkt des\nAusscheidens abschließt, da das Jahr zu diesem Zeitpunkt komplettiert wird.\n\n \n\n42\n\n \n\nWeder lasst sich hieraus, wie die Beklagte meint, ein abweichendes Verstandnis\nder Betriebspartner entnehmen, noch fuhrt etwa die abgewandelte Formulierung\nin dem nunmehr maßgeblichen Sozialplan vom 18.09.2008 zu einer anderweitigen\nAuslegung, da - wie bereits oben ausfuhrt - die Verschiebung der Zasur vom\n31.12., 24:00 Uhr auf den 01.01. des Folgejahres weder vom Wortlaut zwingend\nvorgegeben ist noch Sinn und Zweck der Regelung entspricht.\n\n \n\n43\n\n \n\nDie Klagerin hat deshalb einen rechnerisch unstreitigen Anspruch auf eine\nGesamtgrundabfindung in Hohe von 93.152,02 € brutto und einen nach teilweiser\nErfullung verbleibenden Differenzanspruch in Hohe von 2.339,59 €, der mit dem\ngesetzlichen Zinssatz zu verzinsen ist.\n\n \n\n \n\n**III.**\n\n44\n\n \n\nDaher war das die Berufung mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO zuruckzuweisen.\n\n \n\n45\n\n \n\nDie Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien von § 72 ArbGG nicht\nzuzulassen.\n\n
128,047
olgsl-2003-10-29-5-u-26503-5-u-265
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
5 U 265/03; 5 U 265/03 - 30
2003-10-29
2019-01-07 09:28:23
2019-02-12 14:04:45
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrucken\nvom 1. April 2003 - 14 O 159/02 - wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Beklagte tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen,\ndie Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe von 115 % des\nvollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klagerin vor der\nZwangsvollstreckung in gleicher Hohe Sicherheit leistet.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n5\\. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 46.016,27 Euro\nfestgesetzt.\n\n## Gründe\n\nI.\n\nDie Klagerin nimmt die Beklagte als Bezugsberechtigte zweier Unfalltod-\nZusatzversicherungen auf das Leben ihres Ehemannes in Anspruch.\n\nDer Ehemann unterhielt bei der Beklagten zwei Kapitallebensversicherungen mit\neingeschlossenen Unfalltod-Zusatzversicherungen, die fur den Unfalltod des\nVersicherten eine Versicherungsleistung von 40.903,35 EUR (Versicherungsnummer\n...) und 5.112,92 EUR (Versicherungsnummer ...) vorsahen.\n\nDen Unfalltod-Zusatzversicherungen lagen die Bedingungen fur die erweiterte\nUnfalltod-Zusatzversicherung (im Folgenden: eUZB; Bl. 24 d.A.) zu Grunde.\n\nZugleich hatten die Klagerin und ihr Ehemann von der Beklagten ein Darlehen\nerhalten, zu dessen Tilgung sie am 2.4.1987 alle Rechte aus der\nLebensversicherung mit einer Versicherungssumme von 80.000 DM an die Beklagte\nabtraten.\n\nAm 1.3.2001 verungluckte der Versicherungsnehmer todlich. Er hatte mit seinem\nMotorroller die Straße befahren und wurde morgens gegen 5.30 Uhr tot auf dem\nGehweg aufgefunden. Sein Korper wies auf der linken Seite Verletzungen auf;\nder Motorroller lag ebenfalls umgesturzt auf dem Gehweg. Hinweise fur ein\nFremdverschulden oder eine Selbsttotung fanden sich nicht. Auch ergaben sich\nkeine Anzeichen fur Alkoholkonsum des Versicherungsnehmers.\n\nZum 1.3.2001 betrug die Darlehensschuld bei der Beklagten 120.000 DM, weshalb\ndie Beklagte die nach dem Tod des Versicherungsnehmers fallig gewordene\nLeistung aus der Lebensversicherung Nr. ... in Hohe von 101.500 DM auf die\nDarlehensschuld umbuchte und den Rest mit Zinsruckstanden ab dem 1.1.2001\nverrechnete. Als Restschuld verblieb ein Betrag von 18.500 DM.\n\nDie Klagerin hat behauptet, der Tod des Versicherungsnehmers sei durch einen\nUnfall verursacht worden. Aufgrund der Spuren sei davon auszugehen, dass der\nVersicherungsnehmer im linksseitigen Fahrbahnbereich die Kontrolle uber sein\nFahrzeug verloren habe und nach links auf den Gehweg gesturzt sei. Das\nSturzgeschehen habe sich eindeutig zu Lebzeiten des Versicherungsnehmers\nereignet.\n\nDie Klagerin hat beantragt,\n\n1\\. die Beklagte zu verurteilen, aus den Leistungen unter der\nLebensversicherung Nr. ... von insgesamt 40.903,35 EUR einen Betrag in Hohe\nvon 9.458,90 Euro auf die noch offenstehende Darlehensschuld des\nDarlehensvertrages zu verrechnen und den restlichen Betrag in Hohe von\n31.444,45 EUR an die Klagerin auszuzahlen;\n\n2\\. die Beklagte zu verurteilen, an die Klagerin 5.112,92 EUR aus den\nLeistungen der Lebensversicherung Nr. ... zu zahlen.\n\nDie Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.\n\nDie Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Tod des Versicherungsnehmers\nsei nicht durch ein Unfallereignis, sondern vielmehr durch eine Erkrankung des\nBeklagten verursacht worden.\n\nDas Landgericht hat der Klage im Umfang der gestellten Antrage stattgegeben\nund hierzu ausgefuhrt:\n\nDer Klagerin stehe der geltend gemachte Anspruch in voller Hohe zu. Der\nVersicherungsnehmer sei infolge eines Unfalles im Sinne von § 2 Abs. 1 eUZB\nverstorben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass\nder Versicherungsnehmer die Kontrolle uber sein Fahrzeug verloren habe und auf\ndem Gehweg gesturzt sei. Aufgrund der Feststellungen des Sachverstandigen\nstehe fest, dass der Versicherungsnehmer zu diesem Zeitpunkt noch gelebt habe\nund durch den Sturz Einblutungen und Korperschaden erlitten habe., Es komme es\nfur den Unfallbegriff nicht darauf an, aus welchen Grunden der\nVersicherungsnehmer die Herrschaft uber sein Fahrzeug verloren habe Auch sei\nder zu dem Ergebnis gekommen, dass die durch den Sturz entstandenen\nVerletzungen im Brustkorbbereich, die zu einem chronischen Sauerstoffmangel im\nBrustkorbbereich gefuhrt haben mussten, fur den Eintritt des Todes ursachlich\ngewesen seien. Dem stehe nicht entgegen, dass auch die krankheitsbedingt\nvorhandenen Organveranderungen mitursachlich fur den Eintritt des Todes\ngewesen sein mogen. Insbesondere habe die Beklagte nicht nachweisen konnen,\ndass der Versicherungsnehmer den Unfall infolge einer auf Krankheit beruhenden\nBewusstseinsstorung erlitten habe. Schließlich sei die Leistungspflicht auch\nnicht gem. § 4 eUZB eingeschrankt, da der Anteil der bestehenden\nVorerkrankungen an dem Todeseintritt nach Auffassung des Sachverstandigen mit\n50 Prozent zu bewerten sei. Auf Tatbestand und Entscheidungsgrunde der\nlandgerichtlichen Entscheidung wird Bezug genommen.\n\nDem tritt die Berufung entgegen. Sie vertritt die Auffassung, das Landgericht\nhabe die Beweislast verkannt und insbesondere nicht berucksichtigt, dass die\nKlagerin zwar nicht die Ursache des Unfalles beweisen musse, aber die volle\nBeweislast dafur trage, dass ein Unfallereignis stattgefunden habe und dass\ndas Unfallereignis fur die Gesundheitsschadigung und den Tod des Versicherten\nkausal geworden sei. Mithin habe es der Klagerin oblegen, den Beweis dafur zu\nerbringen, dass eine andere Todesursache auszuschließen sei. Im ubrigen sei zu\nberucksichtigen, dass der Sachverstandige den Anteil der Vorerkrankungen und\nder erlittenen Verletzungen an dem Todeseintritt mit 50 Prozent bewertet habe.\nDie Berufung vertritt weiterhin die Auffassung, das Landgericht habe den\nAusschluss des § 3 lit. c eUZB verfahrensfehlerhaft verneint. Denn das\nLandgericht habe dem Widerspruch nachgehen mussen, der darin bestehe, dass der\nSachverstandige den Anteil der Vorerkrankungen gegenuber der Versicherung in\neiner Stellungnahme vom 6.12.2001 mit 80 Prozent angegeben habe. Auch habe das\nLandgericht die von der Beklagten eingewandte Bewusstseinsstorung zu Unrecht\nverneint.\n\nDie Beklagte beantragt,\n\ndas Urteil des Landgerichts Saarbrucken vom 1.4.2003 - 14 O 159/02 -\naufzuheben und die Klage abzuweisen.\n\nDie Klagerin beantragt,\n\ndie Berufung der Beklagten zuruckzuweisen.\n\nDie Klagerin verteidigt das angefochtene Urteil.\n\nII.\n\nA. Die gem. § 511 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO statthafte, form- und fristgerecht\neingelegte Berufung (§§ 517, 519, 520 ZPO) ist nicht begrundet. Der Klagerin\nsteht die vereinbarte, der Hohe nach unstreitige Unfalltod-\nZusatzversicherungssumme zu, da der Versicherte durch einen Unfall i.S. der\nVersicherungsbedingungen aus dem Leben schied.\n\n1\\. Zunachst steht aufgrund der Feststellungen des Landgerichts fur das\nBerufungsverfahren mit Bindungswirkung (§ 529 ZPO) fest, dass der Versicherte\neinen bedingungsgemaßen Unfall erlitten hat.\n\na) Gem. § 2 Ziff. 1 eUZB liegt ein Unfall vor, wenn der Versicherte durch ein\nplotzlich von außen auf seinen Korper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine\nGesundheitsschadigung erleidet. Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen, da\nsich der Versicherte durch seinen Sturz auf den Gehweg zahlreiche Verletzungen\nim Brustkorbbereich zuzog.\n\nb) Allerdings muss ein Unfall dem Versicherten wahrend der Wirksamkeit des\nVertrages zugestoßen sein. Daran wurde es fehlen, wenn der Ehemann der\nKlagerin schon vor seinem Sturz gestorben ware. Nach Feststellungen des\nLandgerichts, die sich nachvollziehbar und ohne Rechtsfehler auf die\nFeststellungen des Sachverstandigen stutzen, hat der Versicherte aber noch\nnach seinem Aufprall auf den Gehweg gelebt. Überzeugend und von der Berufung\nunangegriffen weist der Sachverstandige darauf hin, dass die Einblutungen im\nBereich der festgestellten Verletzungen nicht aufgetreten waren, wenn der Tod\nbereits vor dem Sturz eingetreten ware.\n\nc) Entgegen der Auffassung der Berufung steht es der Annahme eines von außen\nauf den Korper des Versicherten einwirkenden Ereignisses nicht entgegen, dass\nder Versicherte nach den Feststellungen des Landgerichts moglicherweise\ninfolge einer inneren organischen Ursache - etwa aufgrund eines Herzversagens\n- zu Fall gekommen ist. Denn mit der Einschrankung, wonach das zur\nGesundheitsbeeintrachtigung fuhrende Ereignis von außen auf den Korper\neinwirken muss, soll der Versicherungsschutz ersichtlich nur solchen\nGesundheitsbeeintrachtigungen vorenthalten werden, die unmittelbar und\nausschließlich auf einem inneren, organischen Vorgang beruhen. Demgegenuber\nstellt eine Gesundheitsbeeintrachtigung, die der Versicherte durch einen\nZusammenprall seines Korpers mit einer Sache erleidet, geradezu den typischen\nFall eines von außen wirkenden Ereignisses dar (Grimm, Unfallversicherung, 3.\nAufl. § 1 Rdn. 28).\n\nNur dieses Verstandnis wird dem systematischen Zusammenhang der\nVersicherungsbedingungen gerecht: Wahrend § 2 eUZB die vom Versicherungsnehmer\nzu beweisenden Voraussetzungen des Versicherungsfalles beschreibt, werden die\nAusschusse vom Versicherungsschutz, deren tatsachliche Voraussetzungen der\nVersicherer zu beweisen hat, in § 3 eUZB geregelt. Der Ausschluss des § 3 lit.\nc) eUZB erfasst den von der Beklagten behaupteten Sachverhalt: Demnach sind\nvon der Versicherung solche Unfalle ausgeschlossen, die durch Geistes- oder\nBewusstseinsstorungen verursacht worden sind. Es erschiene widerspruchlich,\ndie Voraussetzungen des Ausschlusses bereits bei der Prufung des\nVersicherungsfalles zu berucksichtigen, da auf diese Weise die bei\nVersicherungsausschlussen abweichend geregelte Beweislastverteilung zum\nNachteil des Versicherungsnehmers unterlaufen werden wurde. Mithin erleidet\nein Versicherter, der noch zu Lebzeiten infolge eines Sturzes in seiner\nGesundheit beeintrachtigt wurde, einen bedingungsgemaßen Unfall auch dann,\nwenn der Sturz durch eine korperinterne vorausgehende\nGesundheitsbeeintrachtigung verursacht worden ist (BGHZ 23, 76, 80; OLG Hamm,\nr+s 2003, 31; LG Berlin r+s 2003, 76; Prolss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 1 AUB\n88 Rdn. 6; vgl. auch OLG Frankfurt NVersZ 2002, 558).\n\nd) Schließlich steht es der Plotzlichkeit des Unfallereignisses nicht\nentgegen, dass der Tod des Versicherten moglicherweise erst Stunden nach dem\nSturz eingetreten sein mag. Wie sich mit Deutlichkeit aus § 1 eUZB ergibt,\nbezieht sich die Anspruchsvoraussetzung der plotzlichen Gesundheitsschadigung\nnicht auf den Todeseintritt: Nach der Leistungsbeschreibung ist der\nVersicherungsfall in der Unfalltod-Zusatzversicherung auch dann eingetreten,\nwenn der Tod des Versicherten bis zum Ablauf eines Jahres nach der\nunfallbedingten primaren Gesundheitsbeeintrachtigung eintritt.\n\n2\\. Auch die Kausalitat des Unfallereignisses, Gesundheitsschadigung und\nTodeseintritt hat das Landgericht verfahrensfehlerfrei festgestellt.\nAnhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachenfeststellung\nwecken, sind nicht ersichtlich (§ 529 ZPO).\n\na) Die Kausalitat ist nach den Grundsatzen der Adaquanztheorie zu bestimmen\n(Grimm, aaO, § 1 Rdn. 49). Danach ist ein Unfallereignis fur den Eintritt der\nGesundheitsschadigung und den Tod kausal, wenn es im allgemeinen und nicht nur\nunter besonders eigenartigen und ganz unwahrscheinlichen, nach dem\nregelmaßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umstanden geeignet\nist, solche Folgen auszulosen. Entgegen der Auffassung der Berufung setzt der\nNachweis der Kausalitat nicht voraus, dass der Tod "allein" durch das\nUnfallereignis verursacht wurde. Vielmehr reicht es aus, wenn das\nUnfallereignis im Zusammenspiel mit anderen Faktoren mitursachlich fur den Tod\ndes Versicherten geworden ist, solange ausgeschlossen werden kann, dass der\nTod auch ohne Unfallereignis eingetreten ware (Grimm, aaO, § 1 Rdn. 50;\nProlss/Martin, aaO., § 1 AUB 88, Rdn. 21). Auch dieses Verstandnis ergibt sich\nunmittelbar aus der Systematik der eUZB, die in § 4 eUZB eine ausdruckliche\nRegelung daruber enthalten, in welchem Umfang sich die Leistungspflicht\nmindert, wenn neben dem Unfall Krankheiten oder Gebrechen den Tod\nherbeigefuhrt haben. Diese Regelung ware obsolet, wenn der Versicherungsschutz\nbei einer Mitwirkung der genannten Umstande von vornherein ausgeschlossen\nware. Davon, dass das Unfallereignis den Tod des Versicherten zumindest\nmitverursacht hat, ist nach den Feststellungen des Landgerichts auszugehen.\n\nb) Das Landgericht stutzt sich auf die Ausfuhrungen des Sachverstandigen, der\nim Rahmen seiner Anhorung ausgefuhrt hat, dass nach dem Sturz drei Ursachen\nden Tod herbeigefuhrt hatten: Zu den bereits vorhandenen Organveranderungen\nseien die durch den Sturz entstandenen Verletzungen im Brustkorbbereich und\nein Unterkuhlungsfaktor hinzugekommen. Vor allem die sturzbedingten\nVerletzungen im Brustkorbbereich hatten zu einer unzureichenden Beluftung und\ndamit zu einem chronischen Sauerstoffmangel gefuhrt. Dass der Sachverstandige\nden sturzbedingten Verletzungen ein besonderes Gewicht fur den Eintritt des\nTodes beigemessen hat, zeigt sich daruber hinaus in seiner Einschatzung, er\nkonne nicht ausschließen, dass selbst ein Gesunder mit den Verletzungen des\nVersicherten gestorben ware. Weder im schriftlichen Gutachten noch im Rahmen\nseiner Anhorung finden sich nach den Maßstaben der praktischen Vernunft\nhinreichend manifeste Anhaltspunkte dafur, dass der Tod des Klagers auch dann\neingetreten ware, wenn sich der Versicherte infolge des Sturzes keinerlei\nVerletzungen zugezogen hatte. Damit bestatigte der Sachverstandige mit einer\nnach Maßgabe des § 287 ZPO zum Beweis erforderlichen Sicherheit (zum\nBeweismaß: BGH, Urt. v. 23.9.1992 - IV ZR 157/91, NJW 1993, 201; Urt. v.\n17.10.2001 - IV ZR 205/00, NJW-RR 2001, 166, 167; OLG Hamm, r + s 2003, 31)\ndar, dass die Vorerkrankungen nur im Zusammenspiel mit den unfallbedingten\nVerletzungen zum Tode fuhrten.\n\nInsbesondere legt die Berufungsbegrundung nicht dar, dass der Versicherte auch\nohne die sturzbedingten Brustkorbverletzungen gestorben ware. Soweit die\nBerufung wiederholt darauf abstellt, dass ein von innen kommendes Ereignis\nUrsache des Sturzes gewesen sein mag, ist ein solcher Sachvortrag auch bei der\nPrufung des Kausalzusammenhang unerheblich, da die Ursachlichkeit der\nunfallbedingten Gesundheitsbeeintrachtigung fur den Todeseintritt nicht davon\nabhangt, ob der Sturz durch eine primare innere Gesundheitsbeeintrachtigung\nverursacht wurde.\n\n3\\. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht die vom Versicherer zu beweisenden\nVoraussetzungen eines Ausschlusses nach § 3 lit. c eUZB verneint.\n\na) Nach dieser Vertragsbestimmung sind solche Unfalle von der Versicherung\nausgeschlossen, die durch eine Geistes- oder Bewusstseinsstorung verursacht\nworden sind. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde ein solcher\nSachverhalt nicht bewiesen werden. Diese Feststellungen halten den Angriffen\nder Berufung stand.\n\nb) Das Landgericht hat sich zunachst mit den Ausfuhrungen des Sachverstandigen\nauseinander gesetzt, der im Rahmen seiner Anhorung dargelegt hat, es konne\nsein, dass der Versicherte infolge einer Herzrhythmusstorung oder einer\nunzureichenden Funktion des Herzens kurzfristig nicht im Stande gewesen sei,\ndas Fahrzeug zu beherrschen, und dass es dadurch zum Sturz gekommen sei.\nMithin hat der Sachverstandige einen auf einer Bewusstseinsstorung beruhenden\nUnfallverlauf nicht mit einer durch objektive Befunde erharteten,\nwissenschaftlichen Methoden standhaltenden Sicherheit festgestellt, sondern\nlediglich als mehr oder weniger wahrscheinlich in Betracht gezogen. Weiterhin\nhat das Landgericht die Ergebnisse des im Ermittlungsverfahren erstatteten\nSpurensicherungsgutachtens des Sachverstandigen Dipl.-Ing. einbezogen, der\neine Fahrbahnglatte als Ursache des Unfalls fur moglich gehalten hat.\nSchließlich weist das Landgericht mit Recht darauf hin, dass bei der gegebenen\nSachlage auch ein Fahrfehler des Versicherten nicht ausgeschlossen werden\nkonne.\n\nDemgegenuber verhilft der Hinweis auf das schriftliche\nSachverstandigengutachten des Gerichtsmediziners der Berufung nicht zum\nErfolg, da die schriftlichen Ausfuhrungen des Sachverstandigen, aufgrund der\nObduktionsbefunde komme die Herz-Lungen-Erkrankung des Versicherten als\nUrsache fur das Sturzgeschehen in Betracht, nach den Erlauterungen des\nSachverstandigen im Rahmen der mundlichen Verhandlung keineswegs so verstanden\nwerden konnen, dass der Sachverstandige den bezeichneten Kausalverlauf als\nbewiesen erachtet hat. Zusammenfassend lasst die Bewertung des Landgerichts\nkeinen Rechtsfehler erkennen, da der sichere Beweis nach anerkannten\nRechtsgrundsatzen erst dann erbracht ist, wenn der zu beweisende Umstand mit\neiner allen vernunftigen Zweifeln Einheit gebietenden Sicherheit feststeht.\n\n4\\. Schließlich ist dem Berufungsangriff kein Erfolg beschieden, das\nLandgericht sei bei der Prufung des Ausschlusses nach § 4 eUZB\nverfahrensfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Krankheit des Versicherten\nnicht mit mehr als 50 Prozent an der Herbeifuhrung des Todes mitgewirkt habe.\n\nDas Landgericht stutzt sich bei der Bestimmung der Verursachungsbeitrage auf\ndie Ausfuhrungen des Sachverstandigen, der im Rahmen seiner mundlichen\nErlauterungen dargelegt hat, er wurde den Anteil der Vorerkrankungen am\nTodeseintritt mit 50 Prozent bewerten. Dem tritt die Berufung mit der\nVerfahrensruge (§ 286 ZPO) entgegen, das Landgericht hatte dem Widerspruch\nnachgehen mussen, wonach der Sachverstandige in einem - nicht zu den Akten\ngelangten - Schreiben vom 6. Dezember 2001 gegenuber der Versicherung den\nAnteil der Vorerkrankungen mit 80 Prozent angegeben habe.\n\nDieser Vorwurf der unzureichenden Aufklarung trifft nicht zu. Denn das\nLandgericht hat den Sachverstandigen im Rahmen seiner mundlichen Anhorung auf\nseine fruhere Stellungnahme gegenuber der Versicherung angesprochen. Hierauf\nhat der Sachverstandige erlauternd dargelegt, er sei nur deshalb zu einem\nAnteil von 80 Prozent gelangt, weil er "dabei auch die Frage der\nUnfallursachlichkeit mitberucksichtigt habe". Diese Ausfuhrungen des\nSachverstandigen sind vernunftigerweise nur so verstehen, dass der\nSachverstandige in seiner Stellungnahme gegenuber der Versicherung die\nVorerkrankungen des Versicherten gewissermaßen zweimal berucksichtigt hat: Da\nder Sachverstandige davon ausging, dass der Sturz selbst mit einer gewissen\nWahrscheinlichkeit auf die Vorerkrankungen zuruckzufuhren sei, haben sich die\nVorerkrankungen unter diesem Blickwinkel auch in den sturzbedingten\nPrimarverletzungen manifestiert. Mithin hat der Sachverstandige bei dieser\nBetrachtungsweise auch die massiven Verletzungen des Brustkorbbereichs mit\neiner gewissen Prozentzahl den Vorerkrankungen zugerechnet. Diese\nBerechnungsweise verbietet sich, wenn man im Rahmen der Prufung des\nAusschlusses nach § 4 eUZB zugunsten des Versicherungsnehmers (zur Beweislast:\nGrimm, aaO, § 8 Rdn. 7) davon ausgehen muss, dass die Ursache fur den Sturz\nals solche nicht mit einer zum Beweis ausreichenden Sicherheit geklart werden\nkann.\n\nB. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO; die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die\nRevision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsatzliche\nBedeutung besitzt und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer\neinheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht\nerfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).\n\n
128,059
olgsl-2003-11-26-3-w-26003-3-w-260
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
3 W 260/03; 3 W 260/03 - 8
2003-11-26
2019-01-07 09:28:32
2019-02-12 14:04:47
Beschluss
## Tenor\n\nUnter Abanderung des angefochtenen Beschlusses wird dem Klager im Wege der\nProzesskostenhilfe fur die erste Instanz Rechtsanwaltin beigeordnet.\n\n## Gründe\n\nI. Das Landgericht hat dem Klager, der wegen eines Verkehrsunfalls vom\n18.1.1993 Anspruche auf Zahlung von 20% des im angeblich unfallbedingt\nentstandenen Verdienstausfalls geltend macht, mit Beschluss vom 29.10.2002 fur\ndie erste Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt, beigeordnet.\n\nIn der mundlichen Verhandlung vom 24.2.2003 haben die Parteien einen Vergleich\ngeschlossen, wobei fur den (im Termin anwesenden) Klager ein Widerrufsrecht\nbis zum 14.3.2003 vereinbart wurde. Rechtsanwalt hat den Vergleich "auf\nausdrucklichen Wunsch des Klagers" fristgerecht widerrufen; mit Schriftsatz\nvom 19.3.2003 hat er beantragt, seine Beiordnung aufzuheben, weil "angesichts\nder Vorgange in der mundlichen Verhandlung ... und der Tatsache, dass auf\nausdruckliche Anweisung des Klagers der Vergleich zu widerrufen war", die\nnotwendige Vertrauensbasis zwischen ihm und dem Klager zumindest erheblich\nbeeintrachtigt und gestort sei; durch den Vergleichswiderruf stehe auch zu\nbefurchten, dass zukunftig noch weitere umfangreiche Tatigkeiten in dem\nRechtsstreit entfaltet werden mussten (Bl. 291 f.). Auf Anfrage des\nLandgerichts hat der Anwalt weiter mitgeteilt, der Klager habe auf der\nRuckfahrt von Saarbrucken zwei Stunden lang kein einziges Wort mit ihm\ngewechselt; die Erlauterung der Sach- und Rechtslage sowie der Grunde und der\nVorzuge des Vergleichs habe der Klager mit der Anweisung beantwortet, den\nVergleich zu widerrufen; auf ein Schreiben habe er nicht reagiert,\nTelefonanrufe seien erfolglos gewesen; zuletzt habe der Klager ein\nTelefongesprach abgebrochen; auch in der Vergangenheit sei es mehrfach zu\nStorungen des Vertrauensverhaltnisses gekommen (Schriftsatz vom 4.4.2003, Bl.\n304 ff.).\n\nDas Landgericht hat Rechtsanwalt mit Beschluss vom 30.4.2003 (Bl. 313)\nentpflichtet. Den Antrag des Klagers vom 19.5.2003, ihm einen (anderen) Anwalt\nbeizuordnen, hat das Landgericht ebenso zuruckgewiesen (Bl. 319 ff.) wie den\nAntrag vom 22.9.2003 auf Bestellung eines Notanwalts (Bl. 354 f.). Daraufhin\nhat sich fur den Klager die Rechtsanwaltin gemeldet und ihre Beiordnung\nbeantragt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht auch diesen\nAntrag zuruckgewiesen (Bl. 377 f.). Dagegen richtet sich die sofortige\nBeschwerde des Klagers.\n\nII. Die gemaß § 127 ZPO zulassige Beschwerde, der das Landgericht nicht\nabgeholfen hat, ist begrundet. Die angegriffene Entscheidung verletzt den\nKlager in seinem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem\nRechtsstaatsprinzip.\n\nArt. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatprinzip gebietet eine\nweitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei\nder Verwirklichung des Rechtsschutzes. Der Staat muss deshalb den Zugang zu\nden Gerichten jedermann in gleicher Weise eroffnen (BVerfG in st. Rspr., vgl.\nz.B. BVerfG NJW-RR 2003, 1216). Dem hat das Landgericht Rechnung getragen,\nindem es dem unbemittelten Klager Prozesskostenhilfe bewilligt hat. Es hat\nindessen den Klager in seinen Rechten verletzt, weil es die Beiordnung der\nRechtsanwaltin abgelehnt hat.\n\n1\\. Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat das Landgericht zum\nAusdruck gebracht, dass es die Rechtsverfolgung des Klagers fur hinreichend\nerfolgversprechend und nicht mutwillig halt. Damit ist dem Klager nach § 121\nAbs. 1 ZPO ein Anwalt beizuordnen, weil er vor dem Landgericht selbst nicht\npostulationsfahig ist. Da § 121 ZPO die Verpflichtung zur Beiordnung eines\nAnwalts nicht auf eine einmalige Beiordnung beschrankt, ist das Gericht\ngrundsatzlich verpflichtet, im Anwaltsprozess eine standige anwaltliche\nVertretung der unbemittelten Partei zu gewahrleisten, also einen anderen\n(weiteren) Anwalt beizuordnen, wenn das Mandatsverhaltnis zu dem zunachst\nbeigeordneten Anwalt - aus welchen Grunden auch immer - endet. Nur so kann der\nUnbemittelte seinen Rechtsschutzanspruch wie ein Bemittelter durchsetzen (vgl.\nBVerfGE 35, 348, 354 f.; BVerfGE 78, 104, 117 f.; OLG Frankfurt MDR FamRZ\n1990, 765, 766; Baumbach - Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 121 Rn. 21).\n\n2\\. Allerdings stellen Rechtsprechung und Literatur fur den Fall, dass das\nVertragsverhaltnis zu dem zunachst beigeordneten Anwalt gelost worden ist,\neine Interessenabwagung an, bei der neben den - auf der Hand liegenden -\nInteressen des Unbemittelten an der Beiordnung eines weiteren Anwalts die\nInteressen des Fiskus berucksichtigt werden. Die Interessen der Staatskasse\ngehen dahin zu vermeiden, dass zusatzlich zu den Kosten des ersten Anwalts\nweitere Kosten (fur den zweiten Anwalt) anfallen (Musielak - Fischer, ZPO, 3.\nAufl., § 121 Rn. 26; Pfalzisches OLG JurBuro 1994, 749, 750). Im Hinblick\ndarauf wird die Auffassung vertreten, dass die Interessen der Staatskasse\nVorrang haben und nur dann hinter den Interessen der bedurftigen Partei\nzuruckzutreten haben, die Beiordnung eines anderen Anwalts also nur in\nBetracht kommt, wenn der bisher beigeordnete Anwalt auf eine Vergutung aus der\nStaatskasse verzichtet bzw. der neu beigeordnete Anwalt sich die dem fruheren\nAnwalt gewahrte Vergutung auf seinen Vergutungsanspruch anrechnen lassen will\n(vgl. Pfalzisches OLG, a.a.O.; OLG Nurnberg MDR 2003, 713) oder wenn die\nbedurftige Partei den Anwaltswechsel nicht hat vermeiden konnen oder wenn sie\ndas Mandatsverhaltnis zu dem zunachst beigeordneten Anwalt aus Grunden beendet\nhat, die auch eine nicht bedurftige Partei dazu veranlasst hatten (Musielak -\nFischer, a.a.O., m.w.N.). Ein Vorrang der fiskalischen Interessen soll dagegen\nbestehen, wenn die bedurftige Partei selbst durch sachlich nicht\ngerechtfertigtes und mutwilliges Verhalten das Mandatsende verursacht, weil in\ndiesem Fall der Grundsatz des Rechtsmissbrauchs eingreife (BGH NJW - RR 1992,\n189 m.w.N.; Zoller - Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 121 Rn. 24; Musielak -\nFischer, a.a.O.).\n\n3\\. Ob diesen Grundsatzen im Hinblick auf die Fursorgepflicht des Staates\nsozial Schwachen gegenuber uneingeschrankt zu folgen ist, ob sie insbesondere\nauch dann Anwendung finden, wenn - wie im vorliegenden Fall - nicht die\nbedurftige Partei, sondern der beigeordnete Anwalt nach Aufhebung seiner\nBeiordnung das Mandatsverhaltnis kundigt (vgl. dazu auch Pfalzisches OLG,\na.a.O.), kann offen bleiben. Denn vorliegend liegt ein Fall des\nRechtsmissbrauchs nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass das von\nRechtsanwalt geschilderte Verhalten des Klagers sachlich nicht gerechtfertigt\ngewesen ware. Erst Recht lasst sich das Verhalten des Klagers nicht als\nmutwillig ansehen.\n\nDer Klager hat Rechtsanwalt angewiesen, den Vergleich vom 24.2.2003 zu\nwiderrufen. Damit hat er von seinem vereinbarten Widerrufsrecht Gebrauch\ngemacht. Da jede Partei das Recht auf wirkungsvollen Rechtsschutz und damit\nauf ein auf Richtigkeitsgewahr ausgerichtetes Verfahren hat, das grundsatzlich\neine umfassende tatsachliche und rechtliche Prufung des Streitgegenstandes\numfasst und durch eine gerichtliche Entscheidung beendet wird, ist dem Klager\nwegen dieser Anweisung keinerlei Vorwurf zu machen. Gleiches gilt fur den\nUmstand, dass sich der Klager weiteren Diskussionen uber die Sach- und\nRechtslage sowie uber die (angeblichen) Vorzuge einer vergleichsweisen\nRegelung verschlossen hat: Der Klager hat ein Recht darauf, dass das Gericht\neine Entscheidung trifft. Die - ausdrucklich im Vergleich vorbehaltene -\nEntschließung des Klagers, den Vergleich zu widerrufen, hatte auch\nRechtsanwalt zu akzeptieren.\n\n4\\. Soweit das Landgericht darauf abgestellt hat, dass der Klager durch seine\nÄußerungen in dem Schreiben vom 29.4.2003 (Bl. 311 f.) den beigeordneten\nRechtsanwalt unsubstantiiert angeschuldigt habe (Beschluss vom 23.5.2003, Bl.\n319 ff., auf den der angefochtene Beschluss Bezug nimmt) und hieraus\nhergeleitet hat, dass die Beiordnung eines anderen Anwalts auch deshalb nicht\nin Betracht komme, ist darauf hinzuweisen, dass das genannte Schreiben das\nVertrauensverhaltnis zu dem beigeordneten Anwalt nicht zerstort haben kann.\nDas Schreiben, das erst am 30.4.2003 - am Tag der Entpflichtung des\nRechtsanwalts - eingegangen ist, ist dem (bereits entpflichteten) Rechtsanwalt\nnicht zugeleitet worden. Mit unberechtigten Anschuldigungen seitens des\nKlagers hat Rechtsanwalt die behauptete Storung des Vertrauensverhaltnisses\ndementsprechend auch nicht begrundet.\n\n
128,165
olgsl-2004-05-18-4-u-101-entsch
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
4 U 1/01 (Entsch)
2004-05-18
2019-01-07 09:29:31
2019-02-12 14:05:03
Urteil
## Tenor\n\nI. Auf die Berufung des Klagers wird das am 19.03.2001 verkundete Urteil des\nLandgerichts Saarbrucken (9 O 154/97) abgeandert und wie folgt neu gefasst:\n\n> > „1\\. Die Bescheide des vom 24.01.1997 (Az.: DI/2 - BEG -) und vom\n> 27.01.1997 (Az.: DI/2 - BEG -) werden aufgehoben.\n\n> > 2\\. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Klager fur die Zeit vom\n> 01.01.1988 bis zum 31.05.2004 einen Betrag von 41.603,23 EUR zu zahlen.\n\n> > 3\\. Die dem Klager ab dem 01.06.2004 zustehende Versorgungsrente wegen\n> Schadens an Korper und Gesundheit wird auf monatlich 999,-- EUR festgesetzt.\n> Das beklagte Land wird verurteilt, an den Klager ab dem 01.06.2004 monatlich\n> im Voraus 999,-- EUR zu zahlen."\n\nII. Die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits tragt das beklagte Land.\n\nIII. Dieses Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Das beklagte Land darf die\nZwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Hohe von\n115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht\nder Klager vor der Vollstreckung Sicherheit in Hohe von 115 % des jeweils zu\nvollstreckenden Betrages leistet.\n\n## Gründe\n\nDer am 09.12.1921 geborene Klager ist rentenberechtigt nach dem\nBundesentschadigungsgesetz.\n\nAm 21.05.1964 schlossen er und das beklagte Land einen Vergleich (Bl. 42 der\nHauptakte des - Reg. Nr.), in dem es unter anderem heißt:\n\n> > „1\\. Das Landesentschadigungsamt des S. erkennt bei dem Antragsteller\n> spondylotische Veranderungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsaule mit\n> maßiger Bewegungseinschrankung im Sinne einer abgrenzbaren Verschlimmerung\n> als Verfolgungsleiden mit einer verfolgungsbedingten Minderung der\n> Erwerbsfahigkeit von 25 % ab 1.2.1941 an.\n\n> > ...\n\n> > 4\\. Ab dem 1.6.1964 besteht Anspruch auf eine monatlich vorauszahlbare\n> Rente.\n\n> > ...\n\n> > 9\\. Durch diesen Vergleich sind alle Anspruche des Antragstellers wegen\n> Schadens an Korper und Gesundheit abgegolten."\n\nUnter dem 31.10.1995 (Bl. 191 der Rentenakte des -) stellte der Klager einen\nVerschlimmerungsantrag mit anschließendem Antrag vom 02.04.1996 auf\nAnerkennung eines psychischen Spatschadens (Bl. 206 der Rentenakte). Das\nbeklagte Land lehnte die Antrage mit Bescheiden vom 24.1.1997 (Bl. 262 der\nRentenakte) und 27.01.1997 (Bl. 267 der Rentenakte) ab. Zur Begrundung des\nBescheids vom 24.01.1997 ist ausgefuhrt, die neu errechnete Rente weiche von\nder festgesetzten Rente nicht um mindestens 30 % ab, so dass veranderte\nVerhaltnisse im Sinne des § 35 Abs. 2 BEG nicht gegeben seien. Zur Begrundung\ndes Bescheids vom 27.1.1997 ist ausgefuhrt, durch den Vergleich vom 21.05.1964\nseien alle Anspruche des Klagers abgegolten, so dass ein verfolgungsbedingter\n(psychischer) Spatschaden nicht anerkannt werden konne.\n\nGegen die Ablehnungsbescheide hat der Klager unter dem 21.4.1997 Klage\nerhoben.\n\nEr hat behauptet, er habe in Deutschland drei Jahre lang die ersten\nantijudischen Verfolgungsmaßnahmen und Ausgrenzungen erleben mussen und sei\ndanach - unstreitig - mit seinem Vater zunachst nach Frankreich und dann nach\nIsrael ausgewandert. Auf Grund dieser Vorgange leide er unter einer\nEntwurzelungsneurose, die sich erst im Pensionsalter durch das Wegfallen der\ndurch die Arbeitstatigkeit aufrechterhaltenen Verdrangungsmechanismen\nmanifestiert habe. Seine seelischen Storungen hatten etwas vor seiner\nPensionierung angefangen, als er nicht mehr voll gearbeitet habe und sich\nintrusive Gedanken an seine Kindheit, die turbulenten Jahre der\nnationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen und die darauf folgende Flucht\nins Ungewisse eingestellt hatten. Er habe begonnen, Trauer zu verspuren und\nunter Albtraumen zu leiden. Als anlasslich des Golfkrieges 1991 Scud-Raketen\nin seiner Umgebung eingeschlagen seien und wieder eine massive Bedrohung\njudischen Lebens eingetreten sei, hatten sich seine traumatischen Erfahrungen\nmit intensiverer Starke reaktiviert.\n\nDer Klager hat weiter behauptet, bei dem durch Vergleich anerkannten Leiden\nsei eine Verschlimmerung eingetreten, die das beklagte Land ungeachtet des\nGutachtens des orthopadischen Vertrauensarztes, Dr. F., der eine\nverfolgungsbedingte MdE von 40% ab 1991 vorgeschlagen habe, mit einer\nverfolgungsbedingten MdE von 35% unzureichend berucksichtigt habe (Bl. 3 d.\nA.). Er hat die Auffassung vertreten, mit dem Vergleich vom 21.5.1964 seien\nnur die bis zu diesem Zeitpunkt geltend gemachten Anspruche abgegolten worden.\nWeitergehende Anspruche, insbesondere Anspruche wegen eines damals noch nicht\nvorhandenen Spatschadens, seien damit nicht ausgeschlossen (Bl. 3 u. 12 d.\nA.).\n\nDer Klager hat beantragt,\n\n> > das beklagte Land zu verurteilen, ihm sowohl wegen psychischen\n> Spatschadens als auch wegen Leidensverschlimmerung weitergehende\n> Wiedergutmachung zu gewahren, und zwar auf der Grundlage einer Gesamt-vMdE\n> von 40% ab 1987/1988 und auf Grund des ab 1991 verschlimmerten\n> orthopadischen Leidens und der Weiterverschlimmerung auf 40% der psychischen\n> Symptomatik auf der Grundlage einer Gesamt-vMdE von 50% ab 1991, spatestens\n> ab 1993.\n\nDas beklagte Land hat beantragt,\n\n> > die Klage abzuweisen.\n\nEs hat die Auffassung vertreten, mit dem Vergleich vom 21.05.1964 seien auch\nAnspruche des Klagers fur die Zukunft abgegolten worden (Bl. 9 d. A.). Der\nKlager sei im Saargebiet keinen Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des § 2 BEG\nausgesetzt gewesen. Das Saargebiet habe bis zum 28.02.1935 unter der\nVerwaltung des Volkerbundes gestanden. Vom 01.03.1935 bis zum 29.02.1936 habe\ndie Garantieerklarung gegolten, welche die Reichsregierung am 02.06. und\n03./04.12.1934 gegenuber dem Volkerbund abgegeben habe. Das Reichsministerium\nund das preußische Ministerium des Innern hatten eine Weisung an alle\nDienststellen des Reiches und der Lander erlassen, die Garantieabkommen fur\nverbindlich zu erklaren. Etwaige Ausgrenzungen von Mitschulern nach dem\n01.03.1935 bis zur Auswanderung 1936 seien keine Verfolgungsmaßnahmen im Sinne\ndes § 2 BEG (Bl. 116 f d. A.). Der Klager habe im Mantelantrag vom 12.07.1955\nnur den Schaden in der Ausbildung angemeldet und die Frage nach der Anmeldung\nanderer Einzelanspruche verneint (Bl. 9 d. A.). Nachdem der Ausbildungsschaden\nmit Bescheid vom 16.01.1962 anerkannt worden sei, sei das\nEntschadigungsverfahren mit Unanfechtbarkeit dieses Bescheids am 20.07.1962\nabgeschlossen gewesen (Bl. 9 f d. A.). Obgleich das Nachschieben von\nEinzelanspruchen des Klagers damit ausgeschlossen gewesen sei (Bl. 9 f d. A.),\nseien ihm mit dem Vergleich Entschadigungsanspruche bewilligt worden (Bl. 10\nd. A.). Die Gesamt-vMdE sei unter Berucksichtigung beider Leiden nach dem\nGrundsatz der Gesamtschau auf 40% festzusetzen, da das psychische\nÜberlebenssyndrom als solches nach den deutschen Anhaltspunkten fur die\nGutachtertatigkeit bei leichteren psychischen Storungen verbunden mit einer\nvegetativen Symptomatik mit 0 bis 10% und bei starker behindernden Storungen\nmit wesentlicher Einschrankung der Erlebnis- und Gestaltungstatigkeit mit 20\nbis 40% zu bewerten sei.\n\nDas Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 19.3.2001 abgewiesen. Es hat\nausgefuhrt, dem Klager stehe kein Anspruch auf Neufestsetzung der ihm\nzugebilligten Rente wegen Eintritts einer Verschlimmerung oder eines\nSpatschadens zu. Das beklagte Land habe den Antrag wegen einer\nLeidensverschlimmerung mit Bescheid vom 24.01.1997 im Ergebnis zu Recht\nzuruckgewiesen. Die Anspruche wegen der geltend gemachten Verschlimmerung\nseien bereits durch den Vergleich vom 21.05.1964 abgegolten. Das ergebe eine\nAuslegung des abgeschlossenen Vergleichs. Durch den Vergleichsabschluss nicht\nausgeschlossen seien dagegen Anspruche des Klagers wegen psychischer\nSpatschaden. Da diese Schaden erst Jahrzehnte nach Abschluss des Vergleichs\neingetreten seien, sei die Moglichkeit einer derartigen Beeintrachtigung von\nden Parteien im Jahr 1964 offensichtlich nicht in Betracht gezogen worden. Ein\nSpatschaden im Sinne einer Änderung der tatsachlichen Verhaltnisse sei\nallerdings erst ab 01.01.1995 feststellbar. Das ergebe sich aus dem Gutachten\ndes Sachverstandigen Dr. W. Den Ausfuhrungen des Sachverstandigen Dr. W., der\neinen psychischen Spatschaden bereits ab Januar 1988 bejaht habe, sei nicht zu\nfolgen. Insgesamt ergebe sich damit eine vMdE von 40% ab 01.01.1988. Damit\nwerde sowohl der bereits bestehenden Beeintrachtigung durch spondylotische\nVeranderungen als auch dem Spatschaden Rechnung getragen, der vergleichbar\neiner Neurose oder einen abnormen Personlichkeitsentwicklung als starker\nbehindernde Storung zu qualifizieren sei. Die Klage konne daher keinen Erfolg\nhaben, da die Rente des Klagers, der das 68. Lebensjahr vollendet habe, nur\ndann neu festzusetzen sei, wenn die aufgrund der veranderten Verhaltnisse\nerrechnete Rente jeweils um mindestens 30% von der festgesetzten Rente\nabweiche. Daran fehle es hier.\n\nDas Urteil vom 19.3.2001 wurde dem Klager am 27.3.2001 zugestellt. Der Klager,\nder seinen Wohnsitz in Israel hat, hat dagegen am 29.8.2001 Berufung eingelegt\nund das Rechtsmittel am 11.9.2001 begrundet.\n\nDer Klager behauptet, seit dem Jahr 1988 habe eine Verschlimmerung\nstattgefunden. Dies werde durch die Ausfuhrungen des behandelnden Arztes Dr.\nT. sowie durch die Bescheinigung einer Poliklinik vom August 1995 belegt, in\nwelcher es heiße, dass in den letzten 6 bis 7 Jahren eine Verschlimmerung des\nseelischen und psychischen Zustandes eingesetzt habe. Es sei daher nicht\nnachvollziehbar, dass - entsprechend der Ausfuhrungen des Sachverstandigen Dr.\nW. - eine Verschlimmerung erst im Jahre 1995 eingesetzt haben solle (Bl. 155\nd. A.). Der psychische Spatschaden sei daher nicht erst ab 1995 zu bewerten.\nDer Verschlimmerungszeitpunkt 1995 sei willkurlich gewahlt und daher nicht\nstichhaltig bzw. nachvollziehbar (Bl. 156 d. A.).\n\nDer Klager beantragt,\n\n> > das beklagte Land zu verurteilen, in Aufhebung des erstinstanzlichen\n> Urteils und unter Aufhebung der Bescheide vom 24. und 27.01.1997 (Az.: DI/2\n> - BEG -) dem Klager sowohl wegen psychischen Spatschadens als auch wegen\n> Leidensverschlimmerung weitergehende Wiedergutmachung zu gewahren, und zwar\n> auf der Grundlage einer Gesamt-vMdE von 40 v. H. ab 1987/1988 und auf Grund\n> des ab 1991 verschlimmerten orthopadischen Leidens und der\n> Weiterverschlimmerung auf 40 v. H. der psychischen Symptomatik auf der\n> Grundlage einer Gesamt-vMdE von 50 v. H. ab 1991, spatestens ab 1993.\n\nDas beklagte Land beantragt,\n\n> > die Berufung zuruckzuweisen.\n\nDas beklagte Land behauptet, der Verschlimmerungszeitpunkt im Jahr 1995 sei\nlogisch und nachvollziehbar (Bl. 160 d. A.). Das Land ist der Auffassung,\nprivatarztliche Bescheinigungen seien nicht zu berucksichtigen, da Grundlage\nder Bewilligung oder Neufestsetzung allein das Gutachten eines neutralen\nSachverstandigen sei (Bl. 160 d. A.).\n\nHinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrages im Einzelnen sowie des\nErgebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf die gewechselten\nSchriftsatze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom\n16.03.1998 (Bl. 24 d. A.) und vom 19.02.2001 (Bl. 135 d. A.), die\nschriftlichen Gutachten der Sachverstandigen Dr. W. vom 27.08.1999 (Bl. 62 d.\nA.) und vom 22.09.2000 (Bl. 109 d. A.), Dr. M. P. vom 04.03.2003 (Bl. 214 d.\nA.), Dr. med. D. G. vom 09.08.2003 (Bl. 221 d. A.) und Dr. W. vom 10.04.2000\n(Bl. 91 d. A.), vom 06.11.2000 (Bl. 121 d. A.) und vom 27.10.2003 (Bl. 245 d.\nA.) sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 19.03.2001 (Bl. 138 d. A.) Bezug\ngenommen.\n\nDie Berufung ist zulassig, insbesondere innerhalb der Frist des § 218 Abs. 2\nSatz 2 des Bundesgesetzes zur Entschadigung fur Opfer der\nnationalsozialistischen Verfolgung (Bundesentschadigungsgesetz - BEG -) vom\n18. September 1953 (BGBl. I S. 1387) in der Fassung vom 29. Juni 1956 (BGBl. I\nS. 559), zuletzt geandert durch die Siebente Zustandigkeitsanpassungs-\nVerordnung vom 29. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2785, 2802), eingelegt.\n\nDie Berufung ist auch begrundet.\n\nDie Klage ist zulassig gemaß § 210 Abs. 1 BEG. Die Klage ist gegen einen\nBescheid der Entschadigungsbehorde statthaft, durch den ein Antrag des\nVerfolgten auf Neufestsetzung gemaß § 206 BEG zuruckgewiesen wird (vgl.\nBlessin/Giessler, aaO., § 206 BEG, Anm. V.). Die 6-monatige Klagefrist des §\n210 Abs. 2 BEG ist vorliegend eingehalten.\n\nEin bezifferter Klageantrag ist abweichend von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht\nerforderlich. Vielmehr reicht es aus, wenn der Klager auf Abanderung oder\nAufhebung des Bescheides klagt und ersichtlich ist, in welchem Umfang der\nBescheid angegriffen wird und was mit der Klage erreicht werden soll (vgl.\nBGH, RzW 1957, 163 f u. 203; 1958, 145; 1959, 88 f; 1963, 470 f Nr. 34 und Nr.\n35; Blessin/Ehrig/Wilden, Bundesentschadigungsgesetze, Munchen und Berlin,\n1957, § 212 BEG, Rdnr. 2; Blessin/Giessler, Bundesentschadigungsschlussgesetz,\nKommentar zu der Neufassung des Bundesentschadigungsgesetzes, Munchen und\nBerlin, 1967, § 210 BEG, Anm. IV. 2.; Brunn/Hebenstreit,\nBundesentschadigungsgesetz, Berlin, 1965, § 210 BEG, Rdnr. 12). Der Klager\nmuss allerdings durch seine Klageschrift in Verbindung mit den Akten erkennen\nlassen, aus welchen Grunden und in welchem Umfang er den Bescheid der\nEntschadigungsbehorde angreift (vgl. BGH, RzW 1963, 423; Blessin/Giessler,\naaO., § 210 BEG, Anm. IV. 2.; Brunn/Hebenstreit, aaO., § 210 BEG, Rdnr. 12).\nVorliegend hat der Klager beantragt, das beklagte Land zu verurteilen, seine\nRente auf der Grundlage einer verfolgungsbedingten Gesamt-Minderung der\nErwerbsfahigkeit (Gesamt-vMdE) von 40 % ab 1987/1988 und von 50 % ab 1991,\nspatestens aber ab 1993, neu, d. h. hoher, zu berechnen. Dadurch hat er dem\nAntragserfordernis Genuge getan (vgl. Blessin/Ehrig/Wilden, aaO., § 212 BEG,\nRdnr. 2).\n\nDie Klage ist auch begrundet, denn der Klager hat im beantragten Umfang einen\nAnspruch auf Neufestsetzung seiner Rente gemaß § 35 Abs. 1 und 2 BEG i. V. m.\n§ 206 Abs. 1 und 2 BEG.\n\n§ 206 BEG ist Verfahrensvorschrift, die durch Artikel VIII Abs. 1 Satz 3 BEG-\nSchlG unberuhrt bleibt, so dass Neufestsetzungen auch noch nach Ablauf der in\nArtikel VIII BEG-SchlG genannten Fristen vorgenommen werden konnen. Bezuglich\nder materiellen Voraussetzungen fur die Änderung des Festsetzungsbescheides\nist auf § 35 BEG abzustellen (vgl. Blessin/Giessler, aaO., § 206 BEG, Anm. I.\nu. § 35 BEG, Anm. I. 1.; Brunn/Hebenstreit, aaO., § 206 BEG, Rdnr. 1).\n\n1\\. Bei dem Klager handelt es sich um einen Verfolgten i. S. d. § 1 Abs. 1\nBEG. Ihm steht daher ein Entschadigungsanspruch aus § 3 BEG zu. Das beklagte\nLand kann nicht mit Erfolg geltend machen, der Klager sei im damaligen\nSaargebiet bis zu seiner Auswanderung keinen Verfolgungsmaßnahmen gemaß § 2\nBEG ausgesetzt gewesen. Durch den Vergleich vom 21.05.1964 wurde namlich\nebenso wie zuvor durch Bescheid des Landesentschadigungsamtes des S. vom\n16.02.1962 (Bl. 32 ff (insbes. Bl. 33) der Hauptakte Reg.-Nr. des Landesamtes)\nanerkannt, dass der Klager ein durch den Nationalsozialismus Verfolgter i. S.\nd. § 1 BEG ist. Hieran sind die Entschadigungsorgane im Verfahren der\nNeufestsetzung gemaß §§ 206, 35 BEG gebunden (vgl. OLG Dusseldorf, RzW 1961,\n474 f).\n\n2\\. Die Rente des Klagers stellt eine noch laufende wiederkehrende Leistung\ndar, so dass der Anwendungsbereich der §§ 35, 206 BEG grundsatzlich eroffnet\nist (vgl. OLG Celle, RzW 1956, 274; OLG Munchen, RzW 1962, 89;\nBlessin/Giessler, aaO., § 206 BEG, Anm. II. 1. u. § 35 BEG, Anm. II. 1.;\nBrunn/Hebenstreit, aaO., § 206 BEG, Rdnr. 3).\n\n3\\. Anspruche des Klagers sind auch nicht durch den Vergleich vom 21.05.1964\nausgeschlossen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf kunftige Verschlimmerungen\ndes damals bereits bestehenden Leidens (spondylotische Veranderungen im\nBereich der Hals- und Lendenwirbelsaule mit maßiger Bewegungseinschrankung im\nSinne einer abgrenzbaren Verschlimmerung als Verfolgungsleiden mit einer\nverfolgungsbedingten Minderung der Erwerbsfahigkeit von 25 % ab dem\n01.02.1941) als auch bezuglich der vom Klager geltend gemachten, erst spater\naufgetretenen psychischen Erkrankung (Spatschaden).\n\nIm Falle eines Vergleichs ist § 206 Abs. 1 BEG uber Abs. 2 der Vorschrift\nanwendbar. Da es vorliegend um einen Vergleich geht, in dem wiederkehrende\nLeistungen vereinbart worden sind, kann es dahinstehen, ob § 206 BEG nur in\ndiesem Fall (so BGH, RzW 1965, 365 f Nr. 20; Blessin/Giessler, aaO., § 206\nBEG, Anm. III.) oder auch bei sonstigen Leistungen anwendbar ist (so BGH, MDR\n1979, 750; wohl auch Brunn/Hebenstreit, aaO., § 206 BEG, Rdnr. 9). Eine\nAnpassung ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn es sich um einen Abfindungs-\noder Abgeltungsvergleich handelt, d. h. wenn der Vergleich eine Regelung\nbeinhaltet, wonach das streitige Rechtsverhaltnis endgultig erledigt werden\nsoll und der Verfolgte somit auf kunftig entstehende Anspruche oder\nAnspruchsteile verzichtet. In diesem Fall ist eine nachtragliche andernde\nRegelung nicht zulassig (§ 206 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 BEG - vgl. BGH,\nRzW 1965, 365 f Nr. 20; BGH, MDR 1979, 750; Blessin/Giessler, aaO., § 206 BEG,\nAnm. III.). Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung des Vergleichs zu\nermitteln, wobei sowohl der Vergleichswortlaut als auch sonstige Umstande im\nZusammenhang mit dem Vergleichsschluss zu berucksichtigen sind (vgl. BGH, MDR\n1979, 750).\n\nEine derartige endgultige Regelung ist in dem streitgegenstandlichen Vergleich\nvom 21.05.1964 nicht enthalten. In Ziffer 9. des Vergleichs (Bl. 42 der\nHauptakte des - Reg.-Nr.) heißt es zwar: „Durch diesen Vergleich sind alle\nAnspruche des Antragstellers wegen Schadens an Korper oder Gesundheit\nabgegolten." Dies bedeutet jedoch nur, dass die in diesem Vergleich als zum\ndamaligen Zeitpunkt bestehend vorausgesetzten Anspruche abgegolten sein\nsollten, nicht aber auch jedwede zukunftige Anspruche auf Grund einer\nVerschlimmerung der verfolgungsbedingten Erkrankung oder des Auftretens\nweiterer verfolgungsbedingter Leiden.\n\nAus den sonstigen Umstanden ergibt sich namlich, dass die Parteien keine\nderart weitgehende Regelung treffen wollten. Dem Vergleich vom 21.05.1964 ist\nein mit „Hinweise: (B)" uberschriebenes Merkblatt per Heftklammer fest\nbeigeheftet (Bl. 44 der Hauptakte des - Reg.-Nr.). Auf dessen Vorderseite\nunten heißt es „Neufestsetzung der Rente bei wesentlicher Änderung der\nVerhaltnisse". Sodann folgt ein Absatz, in dem unter Bezugnahme auf § 35 BEG\ndarauf hingewiesen wird, dass auf Grund einer wesentlichen Veranderung der\nVerhaltnisse, die dazu fuhrt, dass die neu errechnete Rente um mindestens 10 %\nvon der festgesetzten abweicht, die Entschadigungsstelle die Rente neu\nfestzusetzen hat. Auf der Ruckseite oben wird dann darauf hingewiesen, dass\ndie Neufestsetzung vom Ersten des Monats, der dem Monat folgt, in dem die\nVerhaltnisse sich geandert haben, erfolgt. Über die Neufestsetzung oder deren\nAblehnung entscheide die Entschadigungsbehorde durch Bescheid. Der Verfolgte\nsei verpflichtet, sich im Februar 1967 einer Nachuntersuchung zu unterziehen.\nDies kann nur dahingehend verstanden werden, dass die Berucksichtigung\nspaterer Verschlimmerungen im Wege des § 35 BEG nicht ausgeschlossen, sondern\nim Wege der nach dieser Vorschrift vorgesehenen Anpassungsmoglichkeit\nzugunsten des Klagers erfolgen sollte. Durch die Beifugung des entsprechenden\nHinweisblattes wurde die entsprechende Klausel Vertragsbestandteil, zumal das\nHinweisblatt nicht nur allgemein gehaltene Belehrungen enthalt, sondern auch\neine konkrete Verpflichtung des Klagers begrundete, sich im Februar 1967 einer\nNachuntersuchung zu unterziehen. Eine solche Nachuntersuchung ist aber nur\ndann sinnvoll, wenn diese je nach Ergebnis zu einer Änderung der bestehenden\nRegelung fuhren kann.\n\nDaruber hinaus stellt der Umstand, dass die zukunftige Entwicklung der\nErkrankung des Klagers im Jahre 1964 noch nicht abschließend beurteilt werden\nkonnte, den nach dem Vergleich als feststehend zugrunde gelegten Sachverhalt\ndar, also die tatsachliche Vergleichsgrundlage i. S. d. § 779 Abs. 1 BGB. In\ndem zur Vorbereitung der Entscheidung der Entschadigungsbehorde eingeholten\nGutachten des Reg.-Medizinalrats z. A. D. vom 12.02.1964 (Bl. 23 der B-Akte\ndes (eingeheftet in die Hauptakte des beklagten Landes) wird namlich im\nletzten Abschnitt (Ruckseite) ausgefuhrt, dass im Moment noch nicht gesagt\nwerden konne, ob es sich bei dem Antragsteller um Dauerschaden handle. Daher\nsei in jedem Fall im Februar 1967 eine Nachuntersuchung im Rahmen einer\nambulanten facharztlichen Durchuntersuchung durch einen Fachorthopaden\nerforderlich, der erneut Stellung nehmen moge zur Gesamt- und\nverfolgungsbedingten MdE. Es folge dann eine erneute abschließende\namtsarztliche Stellungnahme zu der Gesamt- und verfolgungsbedingten MdE.\nDerartige tatsachliche Feststellungen in einem vor dem Vergleichsschluss\neingeholten Gutachten sind aber fur die Auslegung des Vergleichs maßgeblich,\ndenn sie bilden dessen tatsachliche Grundlage (vgl. Blessin/Ehrig/Wilden,\naaO., § 206 BEG, Rdnr. 8). Dies gilt im vorliegenden Fall bereits deshalb,\nweil genau diese vom Gutachter vorgeschlagene Nachuntersuchung zum Gegenstand\ndes dem Vergleich beigefugten Merkblatts gemacht wurde.\n\nErst recht ergibt sich aus dem Gesagten, dass erst nachtraglich eingetretene\nverfolgungsbedingte Leiden wie der streitgegenstandliche psychische\nSpatschaden, deren Art und Umfang zum damaligen Zeitpunkt noch uberhaupt nicht\nvorausgesehen werden konnten, durch den Vergleich ebenfalls nicht abgegolten\nwerden sollten, denn insoweit war die Unsicherheit der kunftigen Entwicklung,\nwelche Bestandteil der Vergleichsgrundlage war, noch starker als bezuglich der\nbereits bestehenden spondylotischen Erkrankung.\n\nUnerheblich ist es somit, ob der Vergleich vom 21.05.1964 kulanzhalber\nabgeschlossen wurde, obgleich der Klager seinen Antrag nach dem Abschluss des\nEntschadigungsverfahrens in unzulassiger Weise nachgeschoben hatte und daher\neigentlich uber den bereits anerkannten Ausbildungsschaden keinen weiteren\nAnspruch auf Entschadigung mehr geltend machen konnte. Dies kann deshalb\ndahinstehen, weil hieraus nach dem klaren und eindeutigen Inhalt des eventuell\nvor diesem Hintergrund geschlossenen Vergleichs nicht gefolgert werden kann,\ndass weitergehende Anspruche wegen veranderter Verhaltnisse in der Zukunft\ngenerell ausgeschlossen sein sollten. Dies hatte vielmehr klar und eindeutig\nzum Ausdruck gebracht werden mussen, was durch die Regelung in Ziffer 9 des\nVergleichs nicht geschehen ist. Diese kann als isolierte Vereinbarung der\nAbgeltung bereits bestehender Anspruche ausgelegt werden und ist, wie oben\nausgefuhrt, auch so auszulegen.\n\n4\\. Aus den durch das Landgericht sowie den Senat eingeholten medizinischen\nGutachten ergibt sich, dass gemaß § 35 Abs. 1 u. 2 BEG eine wesentliche und\ndamit zu einer Neufestsetzung fuhrende Änderung der der Bemessung der Rente\nzugrunde gelegten Verhaltnisse gegeben ist.\n\na) Zur Feststellung des Umstandes, dass eine Änderung der Verhaltnisse\nvorliegt, sind die zur Zeit der fruheren Entscheidung bestehenden Verhaltnisse\nmit den derzeitigen Verhaltnissen zu vergleichen, wobei bei Urteilen auf die\nletzte mundliche Verhandlung und bei Behordenentscheidungen auf den Zeitpunkt\ndes Abschlusses der Ermittlungen abzustellen ist (vgl. BGH, RzW 1960, 286; RzW\n1965, 356; OLG Dusseldorf, RzW 1961, 474 f; OLG Munchen, RzW 1961, 498 (499\nf); Blessin/Giessler, aaO., § 206 BEG, Anm. II. 2. a) u. § 35 BEG, Anm. II.\n2.; Brunn/Hebenstreit, aaO., § 206 BEG, Rdnr. 6). Lediglich eine objektiv\neingetretene Änderung der bei der fruheren Entscheidung tatsachlich\nbestehenden Verhaltnisse rechtfertigt hierbei eine Abanderung, nicht aber eine\nandere Beurteilung der gleichbleibend bestehenden Verhaltnisse (vgl. BGH, RzW\n1960, 286; RzW 1965, 516 (517); Blessin/Ehrig/Wilden, aaO., § 206 BEG, Rdnr.\n3; Blessin/Giessler, aaO., § 206 BEG, Anm. II. 2. b); Brunn/Hebenstreit, aaO.,\n§ 206 BEG, Rdnr. 5 u. § 35 BEG, Rdnr. 1). Die nunmehr geanderten Verhaltnisse\nmussen daruber hinaus fur die ursprungliche Entscheidung maßgeblich gewesen\nsein (vgl. BGH, RzW 1965, 356; Blessin/Ehrig/Wilden, aaO., § 206 BEG, Rdnr. 5;\nBlessin/Giessler, aaO., § 206 BEG, Anm. II. 4.). Wesentlich ist eine Änderung\ndann, wenn sie eine Neuentscheidung notwendig macht, was von jeweiligen\nUmstanden des Einzelfalls abhangt (vgl. BGH, RzW 1965, 450 (451);\nBlessin/Ehrig/Wilden, aaO., § 206 BEG, Rdnr. 4; Blessin/Giessler, aaO., § 206\nBEG, Anm. 5.).\n\nb) Die materiellen Voraussetzungen, unter denen eine Neuentscheidung notwendig\nist, bestimmt im Falle einer Rente wegen eines Gesundheitsschadens § 35 BEG\n(vgl. BGH, RzW 1973, 173 (174); Blessin/Ehrig/Wilden, aaO., § 35 BEG, Rdnr. 1;\nBlessin/Giessler, aaO., § 35 BEG, Anm. I. 1.; Brunn/Hebenstreit, aaO., § 35\nBEG, Rdnr. 1; Zorn, in: Das Deutsche Bundesrecht, 557. Lieferung, Mai 1986, V\nF 50, S. 103 ff, Zu § 206 BEG, S. 185). Insbesondere ergibt sich aus der\nVorschrift, wann die Änderung welcher tatsachlichen Verhaltnisse wesentlich\nist (vgl. Blessin/Giessler, aaO., § 206 BEG, Anm. 5.; Brunn/Hebenstreit, aaO.,\n§ 206 BEG, Rdnr. 8). Wesentlich ist regelmaßig die Änderung einer\nausschließlich verfolgungsbedingt entstanden Erwerbsminderung (vMdE) (vgl.\nBGH, RzW 1972, 346 (347 f); RzW 1975, 234 (235 f); 1980, 158;\nBlessin/Ehrig/Wilden, aaO., § 35 BEG, Rdnr. 2 u. § 206 BEG, Rdnr. 3;\nBlessin/Giessler, aaO., § 35 BEG, Anm. II. 3. a) aa); Zorn, aaO., Zu § 35 BEG,\nS. 120 u. Zu § 206 BEG, S. 185). Soweit die ursprunglich festgestellte vMdE\ndurch die Verfolgung lediglich verschlimmert oder durch die Verfolgung - neben\nanderen Ursachen - wesentlich mitverursacht wurde, ist zu prufen, ob und\ninwieweit eine Verschlimmerung Schadigungsfolge ist oder ob andere, von den\nschadigenden Einflussen unabhangige Umstande fur die Verschlimmerung\nverantwortlich sind (vgl. BGH, RzW 1965, 516 (517); Blessin/Giessler, aaO., §\n35 BEG, Anm. II. 3. a) aa)).\n\nc) Eine Erhohung der vMdE kommt sowohl bei der Verschlimmerung eines als\nverfolgungsbedingt anerkannten Leidens als auch beim Hinzutreten weiterer\nLeiden in Betracht (vgl. BGH, RzW 1975, 234 (235 f); 1980, 158; Zorn, aaO., Zu\n§ 206 BEG, S. 185). Umgekehrt stellt es auch bei außerlich unverandertem\nLeidenszustand eine wesentliche Änderung (Verringerung) der vMdE dar, wenn an\nStelle der Verfolgungseinflusse verfolgungsunabhangige Ursachen treten, auf\nGrund deren die Beschwerden fortbestehen (vgl. BGH, RzW 1962, 309 f; 1965, 425\n(426); Blessin/Giessler, aaO., § 35 BEG, Anm. II. 3. a) bb);\nBrunn/Hebenstreit, aaO., § 35 BEG, Rdnr. 3). Bei verfolgungsbedingten\npsychischen Storungen sind fur die Beurteilung des zeitlichen Abklingens der\nVerfolgungserlebnisse die Schwere und Dauer der Verfolgung sowie die\nwirtschaftlichen und sonstigen Auswirkungen der Verfolgung im Ausland zu\nberucksichtigen (vgl. BGH, RzW 1965, 425 (426); OLG Hamburg, RzW 1966, 282 f;\nBlessin/Giessler, aaO., § 35 BEG, Anm. II. 3. a) bb); Brunn/Hebenstreit, aaO.,\n§ 35 BEG, Rdnr. 3). Eine Verringerung der verfolgungsbedingten\nErwerbsminderung bewirkt regelmaßig auch das spatere Auftreten\nverfolgungsunabhangiger Leiden (vgl. BGH, RzW 1961, 67 (68); 1962, 129 (130);\nBlessin/Giessler, aaO., § 35 BEG, Anm. II. 3. a) bb); Brunn/Hebenstreit, aaO.,\n§ 34 BEG, Rdnr. 1).\n\nIm vorliegenden Fall sind wesentliche Veranderungen der vMdE zum einen auf\nGrund der Verschlimmerung des verfolgungsbedingten Wirbelsaulenleidens (aa)\nund zum anderen durch das Auftreten einer psychischen Erkrankung (bb) gegeben.\n\naa) Die Verschlimmerung der Wirbelsaulenerkrankung des Klagers steht dem\nGrunde nach in einem Zusammenhang mit der Verfolgung. Ist namlich ein Leiden\nals verfolgungsbedingt anerkannt, so kann die Anerkennung einer\nVerschlimmerung desselben nicht mit der Begrundung versagt werden, das Leiden\nstehe mit der Verfolgung in Wahrheit gar nicht in Zusammenhang (vgl. BGH, RzW\n1976, 97 f; Zorn, aaO., Zu § 206 BEG, S. 185). Es ist lediglich noch zu\nprufen, in welchem Umfang gerade auch die Verschlimmerung auf die Verfolgung\nzuruckzufuhren ist bzw. in welchem Umfang sonstige - verfolgungsunabhangige -\nUrsachen zu dieser beigetragen haben. Aus den vom Landgericht sowie dem Senat\neingeholten arztlichen Gutachten ergibt sich, dass seit dem Jahr 1988\nbezuglich der Wirbelsaulenerkrankung eine vMdE von 25 % und eine vMdE von 40 %\nab dem Jahr 1991 bestanden hat.\n\nAnhaltspunkte dafur, dass die Ausfuhrungen der Gutachter nicht mit den im\nRahmen des § 33 BEG entsprechend anwendbaren Grundsatzen des § 30 BVG\neinschließlich der Verwaltungsvorschriften zu § 30 BVG und der Anhaltspunkte\nfur die arztliche Gutachtertatigkeit im Versorgungswesen (vgl. BGH, RzW 1957,\n121; RzW 1961, 69; RzW 1964, 310 Nr. 23; RzW 1965, 363 (364);\nBlessin/Giessler, aaO., § 33 BEG Anm. I. 1.) vereinbar sind, hat das beklagte\nLand nicht konkret vorgetragen, sondern lediglich pauschal behauptet.\nDerartige Anhaltspunkte sind im Übrigen auch fur den Senat nicht erkennbar.\nDie Ausfuhrungen der Sachverstandigen zeigen vielmehr, dass sie die insoweit\nbestehenden Grundsatze ebenso beachtet haben wie die Vorgaben im\nHinweisbeschluss vom 30.07.2002 und im Beweisbeschluss vom 02.09.2002.\n\naaa) Der Orthopade Dr. F. hat in seinem facharztlichen Gutachten vom\n30.06.1996 (Bl. 34 der B-Akte des Landesamtes - in Hauptakte eingeheftet = Bl.\n239 der Rentenakte des Landesamtes (Band II)) und in seinem\nErganzungsgutachten vom 08.11.1996 (Bl. 38 der B-Akte = Bl. 256 der\nRentenakte) festgestellt, dass sich die Beschwerden des Klagers im Rucken in\nden vorausgegangenen 5 Jahren verschlimmert hatten. Im Stehen fehle die\nLendenlordose. Die Beweglichkeit der Halswirbelsaule nach vorne sei stark\neingeschrankt, nach hinten und seitlich sei sie vollig steif. Die\nLendenwirbelsaule sei nach beiden Seiten steif und nach vorne und hinten\nwesentlich eingeschrankt. Der Zustand der Wirbelsaule habe sich seit den\nfruheren Begutachtungen stark verschlechtert. Die Zunahme der MdE erscheine\nteilweise altersbedingt, teilweise aber durch den Verfolgungsschaden\nerklarbar. Die vMdE betrage seit 5 Jahren 40 %, die Gesamt-MdE zum\nUntersuchungszeitpunkt 65 % (Bl. 34 u. 38 der B-Akte des Landesamtes). Das\nFortschreiten der Symptome trete auf Grund der Spondylose fruher auf und nehme\nstarkere Formen an, als wenn es sich um normale altersbedingte Veranderungen\nhandeln wurde (Bl. 38 der B-Akte des Landesamtes)\n\nbbb) Übereinstimmend hiermit kommt der Sachverstandige Dr. P. in seinem\nGutachten vom 04.03.2003 (Bl. 214 d. A.) zu dem Ergebnis, dass bei dem Klager\neine Verschlimmerung der bereits bestehenden Spondylosis deformans eingetreten\nsei, die zum Teil als verfolgungsbedingt einzustufen sei. Die vMdE betrage\nseit 1991 40 %. Weitere Verschlimmerungen auf Grund von Alterserscheinungen\nmussten bei der Berechnung der Gesamt-MdE gesondert berucksichtigt werden (Bl.\n218 d. A.).\n\nDer Sachverstandige hat die vorhandenen arztlichen Unterlagen ausgewertet und\nden Klager auch personlich untersucht (Bl. 214 d. A.). Er hat dabei\nfestgestellt, dass der Klager an Klopf- und Druckschmerzen sowohl im Bereich\nder HWS als auch der BWS und der LWS leidet und die Beweglichkeit der\nWirbelsaule auf allen Ebenen eingeschrankt ist (Bl. 215 d. A.). Die\nRontgenaufnahmen haben schwere Verengungen diverser Bandscheiben,\nOsteophytenbildung sowie eine Osteoporose ergeben (Bl. 216 d. A.).\n\nDaruber hinaus hat der Sachverstandige die Entwicklung des Klagers seit seiner\nEinreise in das damalige Palastina im Jahre 1936 berucksichtigt und auf\nanschauliche Weise zu den Untersuchungsbefunden in Beziehung gesetzt. Der\nKlager musste bereits mit 15 Jahren schwere korperliche Arbeiten verrichten,\nnamlich Feldarbeiten, Mitarbeit beim Hausbau, Plantagenarbeiten (Aufgraben von\nWassertellern um Baume), Ausheben von Schutzengraben und Transport von\nKanonenmunition etc. (Bl. 214 f und 216 d. A.). Danach arbeitete er als\nLastwagenfahrer, wobei er auch schwere Gegenstande heben musste (Bl. 215 d.\nA.). Hierdurch sind bei ihm nach den Ermittlungen des Gutachters Nacken- und\nRuckenschmerzen entstanden, welche sich im Laufe der Zeit verschlimmert haben\n(Bl. 215 u. 216 d. A.).\n\nAusgehend von diesen Angaben des Klagers sowie den vorliegenden\nUntersuchungsbefunden hat der Sachverstandige eine seit 1991 bestehende vMdE\nvon 40 % ermittelt (Bl. 216 d. A.). In der wissenschaftlichen Literatur fanden\nsich zwar keine prazisen Aussagen, in welchem Umfang die fur die Erkrankung\nursachlichen Beeintrachtigungen im zweiten Lebensjahrzehnt einerseits und die\naltersbedingte Entwicklung andererseits zu einer derartigen Verschlimmerung\nbeitragen (Bl. 217 d. A.). Die Spondylosis deformans stelle eine Erkrankung\ndar, welche in aller Regel durch degenerative Prozesse wahrend des Alterns\nhervorgerufen werde und etwa im dritten Lebensjahrzehnt beginne (Bl. 218 d.\nA.). Jedoch zeige die Erfahrung mit Verfolgungsopfern, dass sich die\nSpondylosis bei diesen fruher bilde, namlich mit etwa 20 Jahren, und auch\nspater ungebremst verlaufe. Alterserscheinungen kamen zwar zu den Folgen der\nVerfolgung hinzu, ersetzten jedoch nicht die dynamische Spatentwicklung der\nBandscheibenschaden und der Spondylosis deformans (Bl. 218 d. A.).\n\nccc) Von einer Gesamt-MdE von 50 % und einem verfolgungsbedingten Anteil von\n35 % geht die beratende Ärztin Dr. Z. in ihrer Stellungnahme vom 02.02.1997\n(Bl. 260 der Rentenakte des Landesamtes (Band II)) aus. Die\nverfolgungsunabhangige psychische Erkrankung des Klagers wirke sich nicht\nnachteilig auf das Verfolgungsleiden aus, so dass die vMdE 40 % betrage.\n\nddd) Somit aber steht nach den genannten Gutachten zur Überzeugung des Senats\nfest, dass die Verschlimmerung des Wirbelsaulenleidens mit der Verfolgung in\nZusammenhang steht. Auch wenn man berucksichtigt, dass altersbedingte\ndegenerative Ursachen ebenfalls eine gewisse Rolle bei der Verursachung des\nBeschwerdebildes gespielt haben mogen, wurde doch die heutige Erkrankung in\nganz erheblichem Maße gerade durch die in jungen Jahren, also zu einer Zeit,\nin der das Skelett des Klagers noch im Wachsen begriffen war, auftretenden\nstarken Belastungen hervorgerufen. Der Sachverstandige Dr. F. geht dabei von\neinem Zusammenwirken beider Ursachen aus und gelangt zu einer\nverfolgungsbedingt erhohten vMdE von 40 %. Als Begrundung fuhrt er an, dass\ndas Fortschreiten der Symptomatik infolge der verfolgungsbedingten Spondylose\nschneller und starker erfolge als bei rein altersbedingter Degeneration. Dies\nwird durch die Feststellungen des Sachverstandigen Dr. P. bestatigt. Der Senat\nhat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Feststellungen zu zweifeln.\n\nccc) Dieser Überzeugung stehen auch die Stellungnahmen des von dem beklagten\nLand eingeschalteten Beratungsarztes (Arzt fur Psychiatrie und Psychotherapie)\nDr. W. (Krankenhaus W. nicht entgegen.\n\nDieser hat - auf Grund des Akteninhalts und ohne eigene Untersuchung des\nKlagers - in seinem schriftlichen beratungsarztlichen Gutachten vom 10.04.2000\n(Bl. 91 d. A.) und in seiner erganzenden Stellungnahme vom 06.11.2000 (Bl. 121\nd. A.) die Auffassung vertreten, dass die Verschlimmerung des\nspondylarthrotischen Wirbelsaulenleidens ausschließlich auf einen normalen\naltersbedingt fortschreitenden und verfolgungsunabhangigen degenerativen\nProzess zuruckzufuhren sei. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass die\nschwere korperliche Arbeit nach der Flucht nach Palastina nicht die alleinige\nUrsache fur die Ursprungserkrankung gebildet habe, sondern dass damals bereits\nein degenerativer Prozess bestanden habe, der lediglich richtungsweisend durch\ndie Verfolgung verschlimmert worden sei (Bl. 95 d. A.). Daher sei nicht von\neiner Veranderung des anerkannten Verfolgungsschadens auszugehen. Auf Grund\nder Gesamtschau musse man sogar auf Grund der anderweitigen Erkrankungen und\ndem Überwiegen verfolgungsunabhangiger Storungen dem verfolgungsbedingten\nLeiden weniger Raum geben (Bl. 95 f d. A.). Der Sachverstandige Dr. F.\nverkenne diesen Zusammenhang und erhohe daher pauschal die vMdE angesichts\neines ganz offensichtlich uberwiegenden verfolgungsunabhangigen\nVerschlimmerungsprozesses (Bl. 122 d. A.).\n\nIn seinem von dem beklagten Land im Berufungsverfahren zur Akte gereichten\nweiteren Gutachten vom 27.10.2003 (Bl. 245 d. A.) hat der Sachverstandige\ndargelegt, der Verfolgungsschaden habe lediglich einen abgrenzbaren Einfluss\nauf einen ansonsten verfolgungsunabhangigen, degenerativen Prozess und konne\nsich daher nicht verschlimmern. Durch Fortschreiten der degenerativen Prozesse\nkonne allenfalls der verfolgungsbedingte Einfluss prozentual geringer werden\n(Bl. 246 d. A.). Daher sei die Schlussfolgerung des Sachverstandigen Dr. P.,\ndie Verschlimmerung des spondylarthrotischen Leidens sei verfolgungsbedingt,\nnicht nachvollziehbar. Die Feststellungen des Sachverstandigen konnten\nlediglich die Gesamt-MdE betreffen (Bl. 246 d. A.). Ansonsten stunden die\nverfolgungsunabhangigen Einflusse ganz im Vordergrund (Bl. 246 d. A.).\n\nDiese Auffassung des Sachverstandigen Dr. W. ist jedoch zum einen nicht\nnachvollziehbar begrundet. Es leuchtet insbesondere nicht ein, warum der\nUmstand, dass durch die Verfolgung eine Vorerkrankung der Wirbelsaule\nverstarkt wurde, dazu fuhren soll, dass die spateren Verschlimmerungen nicht\nverfolgungs-, sondern allein altersbedingt sind. Wie oben dargelegt, ist im\nFalle der Verschlimmerung eines Leidens, welches darauf beruht, dass eine\nVorerkrankung durch die Verfolgung verstarkt wurde, gerade im Einzelfall zu\nprufen, mit welchem Anteil sich hierbei die Verfolgung ausgewirkt hat. Dass\nder verfolgungsunabhangige Verschlimmerungsprozess ganz offensichtlich\nuberwiege, kann im Übrigen nicht nachvollzogen werden. Auch ist auf Grund der\nvorliegenden Befunde weder ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Verfolgung, d.\nh. als der Klager 15 Jahre alt war, bereits ein degenerativer Prozess\nvorhanden war, noch, dass durch spatere altersbedingte Prozesse der Anteil des\nverfolgungsbedingten Leidens an der Gesamterkrankung zuruckgegangen ist. Die\nGutachter Dr. F. und Dr. P. haben vielmehr klargestellt, dass neben den\nverfolgungsbedingten Ursachen zwar solche degenerativer Art hinzugetreten\nsind, dass sich daneben aber gleichwohl auch der durch die Verfolgung bedingte\nAnteil an der Gesamterkrankung erhoht hat.\n\nZum anderen hat Dr. W. seine beiden Stellungnahmen allein auf Grund der\nAktenlage und ohne eigene Untersuchung des Klagers erstellt. Schon von daher\nsind seine Feststellungen nicht geeignet, die auf eigenen Untersuchungen\nberuhenden Erkenntnisse der ubrigen Sachverstandigen in Zweifel zu ziehen. Es\nhandelt sich insoweit lediglich um hypothetische Betrachtungen, denen\nkeinerlei selbst erhobene konkrete Anknupfungstatsachen zugrunde liegen.\n\nbb) Auch bezuglich des psychischen Spatschadens ist der Senat auf Grund der\nBeweisaufnahme davon uberzeugt, dass dieser verfolgungsbedingt entstanden ist\nund ab Januar 1988 zu einer vMdE von 25 % und ab Januar 1991 zu einer solchen\nvon 40 % gefuhrt hat. Dies ergibt sich auch insoweit aus den vom Landgericht\nund dem Senat eingeholten Sachverstandigengutachten:\n\naaa) Der vom Landgericht beauftragte psychiatrische Sachverstandige Dr. W. hat\nden Klager im Jahre 1999 untersucht und ist in seinem schriftlichen Gutachten\nvom 27.08.1999 (Bl. 62 d. A.) und seinem Erganzungsgutachten vom 22.09.2000\n(Bl. 109 d. A.) zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Klager ein\nverfolgungsbedingter psychischer Spatschaden besteht, welcher klinisch\nmaßgebend Anfang 1988 aufgetreten sei. Der seelische Zustand des Klagers habe\nsich unmittelbar nach und auch infolge seines gesetzlich vorgeschriebenen\nEintritts in den Ruhestand im Dezember 1987 verschlimmert. Der Klager leide an\neiner chronisch-reaktiven Depression, welche einen klassischen\nverfolgungsbedingten Spatschaden darstelle. Die Diagnose habe eine\nerlebnisreaktive chronifizierte Verlustdepression, Verangstigung, chronisches\nTrauern um die „gluckliche Vergangenheit vor der NS-Zeit" und eingeschranktes\nDasein mit restriktiv-depressiver Charakterabwehr ergeben. Es sei typisch fur\nÜberlebende von Verfolgungsmaßnahmen, dass ihre berufliche Tatigkeit als\nAngestellte eine wichtige Rolle als Verarbeitungsform der verfolgungsbedingten\nseelischen Belastungen spiele. Die Pensionierung habe daher oft einen\nnegativen Einfluss. Daher sei auf Grund der sozial-arbeitsanamnestischen\nAngaben der Anfang des Jahres 1988 als Zeitpunkt des maßgebend zum Ausdruck\nkommenden psychischen Spatschadens anzunehmen. Die massive seelische\nTraumatisierung durch den Scud-Raketenbeschuss wahrend des Golfkrieges 1991\nhabe eine weitergehende zusatzliche angstliche Verunsicherung mit Verscharfung\nder depressiven verfolgungsbezogenen Thematik zur Folge gehabt. Fast\ngleichzeitig seien somatisch und neurovegetativ mitbedingte Erkrankungen\naufgetreten (Colitis ulcerosa, Verscharfung des ischamischen Herzleidens). Die\ndurch den psychischen Spatschaden verursachte vMdE betrage daher ab Januar\n1988 25 % und ab Januar 1991 40 % (Bl. 67 d. A.). Die psychische Erkrankung\nhabe sich auch nicht ab 1988 erst allmahlich entwickelt. Insoweit sei zu\nberucksichtigen, dass der Klager ausweislich der fruher eingeholten Gutachten\nbereits ab 1954 unter erheblichen psychischen Problemen, insbesondere\nAngstzustanden gelitten habe, die er aber bis zum Zeitpunkt der gesetzlich\nfestgelegten Pensionierung habe durchhalten mussen. Es handle sich daher nicht\num eine plotzliche Dekompensation zum Zeitpunkt der Pensionierung, sondern um\neine schließlich maßgebend klinisch-leistungsmaßig zum Ausdruck kommende,\nseelische Dekompensation ab 1988 (Bl. 111 d. A.).\n\nbbb) Dieses Ergebnis wird durch das Attest der Frau Dr. H. vom 15.08.1995\ngestutzt, wonach die Verschlimmerung des seelischen und physischen Zustands in\nden letzten 6 - 7 Jahren einsetzte (Bl. 35 der B-Akte des Landesamtes - in\nHauptakte eingeheftet).\n\nccc) Des Weiteren hat die Sachverstandige Dr. G. in ihrem Gutachten vom\n09.08.2003 (Bl. 221 d. A.) festgestellt, dass bei dem Klager ein\nverfolgungsbedingter psychischer Spatschaden im Sinne einer erlebnisreaktiven\nStorung mit angstneurotischen und depressiven Symptomen bei einer sensitiven\nGrundpersonlichkeit mit obsessiven Zugen vorhanden sei, deren Anfang im Jahre\n1988 liege (Bl. 231 d. A.). Diese sei nach seiner Pensionierung im Jahre 1987\nentstanden und habe seine Funktionsfahigkeit im taglichen Leben mit 25 %\nbeeintrachtigt. Durch die Ereignisse des ersten Golfkrieges sei es mit\nWahrscheinlichkeit zu einer Verschlimmerung des somatischen und\npsychosomatischen Zustandes gekommen, so dass zwischen den Jahren 1991 und\n1993 - der genaue Zeitpunkt sei schwer zu bestimmen - eine vMdE von 40 % und\nseit Marz 2002 eine solche von 45 % bestanden habe. Die Gesamt-MdE habe seit\ndiesem Zeitpunkt 80 % uberschritten (Bl. 231 d. A.).\n\nDie Sachverstandige hat diese Feststellungen auf Grund einer Untersuchung\nsowie der Schilderung des Lebenswegs des Klagers gewonnen. Der Klager sei bis\nzu seinem zwolften Lebensjahr in Geborgenheit und materieller Sicherheit\naufgewachsen, habe christliche Freunde gehabt und keine Anfeindung in\nNachbarschaft und Schule erlitten. Nach der Machtubernahme der Nazis im S.\n1935 habe sich dies schlagartig geandert. Seine Freunde seien zu Feinden\ngeworden und er sei aus der Schule ausgeschlossen worden. Hinzu sei das\nerzwungene Verlassen des Heimatlandes und eine totale Entwurzelung gekommen.\nIm neuen Land, Palastina, sei es zu Eingliederungsproblemen gekommen (Bl. 224\nu. 229 d. A.). Der Klager habe seine Bildungsplane (Abitur und Studium) nicht\nrealisieren konnen und stattdessen schwere Arbeit verrichten mussen (Bl. 224\nu. 229 d. A.). Die spater von ihm ausgeubte Arbeit als Buchhalter sei zwar\nnicht befriedigend gewesen, jedoch habe sie ihm die Moglichkeit gegeben, seine\nFamilie materiell zu versorgen, und seinem Leben einen Rahmen und eine\nAblenkung von sich selbst gegeben (Bl. 224 u. 230 d. A.). Da er daneben keine\nFreizeitaktivitaten und mitmenschlichen Beziehungen gehabt habe, habe die\nerzwungene Pensionierung im Jahre 1987 fur ihn einen großen Verlust bedeutet.\nEr habe wegen seiner obsessiven Personlichkeit mit seiner freien Zeit nicht zu\nRecht kommen konnen und uber sein Leben und seine verlorene Bildung zu grubeln\nangefangen (Bl. 230 d. A.). Seit Anfang 1988 sei der psychische Spatschaden im\nSinne der erlebnisreaktiven Storung mit angstneurotischer und depressiver\nStorung manifest geworden. Seine Funktionsfahigkeit im taglichen Leben und die\nLebensqualitat seien herabgesetzt worden. Infolge hinzukommender\nStresssituationen sei stufenweise eine weitere Verschlimmerung eingetreten.\nDies sei insbesondere im Januar 1991 infolge aktueller Lebensbedrohung durch\ndie Scud-Raketen gegen die Zivilbevolkerung der Fall gewesen (Bl. 230 d. A.).\nDasselbe gelte fur seine Herzkrankheit mit By-Pass-Operation im Jahr 1993 und\nden Tod seines ihm besonders nahe stehenden Bruders (Bl. 230 d. A.).\n\nDer Klager leide auf Grund dieser Erkrankung an Schlafstorungen, sei meistens\nbedruckt und versinke in Gedanken uber sein Leben. Er gruble insbesondere\ndaruber nach, wie dieses ohne die Nazis und die erzwungene Ausreise verlaufen\nware (Bl. 225 d. A.). Auf Grund aktueller Bedrohungen durch Terrorismus und\nNeonazismus habe er daruber hinaus Sorgen bezuglich eines eventuell drohenden\nneuen Holocausts (Bl. 227 d. A.). Er klage daruber hinaus uber Appetitmangel,\nSchwache und Nervositat (Bl. 225 d. A.).\n\nddd) Auch diese gutachterlichen Feststellungen begrunden fur den Senat die\nvolle Überzeugung einer verfolgungsbedingten Verursachung psychischer\nBeschwerden, welche sich im Laufe der Zeit durch weitere Ereignisse\nverschlechtert hat. Insbesondere hat die Sachverstandige Dr. G. anschaulich\nund nachvollziehbar dargelegt, dass der durch die nationalsozialistische\nVerfolgung entstandene Bruch im Lebensweg des Klagers zu einem starken\nVerlustgefuhl gefuhrt hat. Ebenfalls gut nachvollziehbar ist, dass sich der\nKlager bis zu seiner Pensionierung mittels Konzentration auf seine Arbeit\nweitgehend davor bewahren konnte, zu grubeln und in depressive Gedanken zu\ngeraten, dass dieser Halt jedoch durch die Pensionierung schlagartig\nweggefallen ist und - mangels anderweitiger Interessen, etwa im\nFreizeitbereich - hierdurch die von den Sachverstandigen geschilderte\npsychische Storung entstanden ist. Schließlich ist es auch nachvollziehbar,\ndass der Beschuss Israels im Golfkrieg 1991 zu einer weiteren Verschlimmerung\ngefuhrt hat, weil der Klager sich erneut einer lebensbedrohlichen Situation\ngegenuber gesehen hat und daruber hinaus Befurchtungen bezuglich neuer\nweltweiter Verfolgung judischer Menschen entstanden sind. Gerade auf Grund\ndieser letztgenannten Befurchtung wird deutlich, dass es sich bei den die\nKrankheit verstarkenden Ereignissen von 1991 nicht um isolierte,\nverfolgungsunabhangige Ursachen gehandelt hat, sondern dass diese mit der\nVerfolgung wahrend der NS-Zeit in einem inneren Zusammenhang stehen und daher\nin dem von den Gutachtern attestierten Umfang als eine Verstarkung des\nverfolgungsbedingten Leidens gewertet werden mussen.\n\nDaher hat der Senat keine Zweifel daran, dass die Schlussfolgerungen der\nSachverstandigen zutreffen.\n\neee) Auch hieran andern die Ausfuhrungen des Beratungsarztes Dr. W. nichts.\n\nDieser hat in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 10.04.2000 (Bl. 91 d. A.)\nauf Grund des Akteninhalts einschließlich fruher eingeholter Gutachten zu dem\nGutachten Dr. W. Stellung genommen, ohne allerdings den Klager personlich zu\nuntersuchen (Bl. 92 d. A.). Dr. W. kommt zu dem Ergebnis, dass das Attest Dr.\nT. (Bl. 35 der B-Akte des Landesamtes - in Hauptakte eingeheftet und Bl. 221\nder Rentenakte des Landesamtes (Band II)) und das Gutachten Dr. W. relativ\ntypische, jedoch milde ausgepragte psychische Beschwerden beschrieben, wie sie\nbei einem psychischen Überlebendensyndrom gefunden wurden. Es sei auch\nuberzeugend, dass die psychischen Beschwerden sich erst seit der Pensionierung\nallmahlich entwickelt hatten, da ab diesem Zeitpunkt die beruflichen\nBewaltigungs- und Abwehrmoglichkeiten entfallen seien. Auch sei der Klager\ndurch die kriegerischen Vorgange in Israel weiter verunsichert worden (Bl. 96\nu. 123 d. A.). Obgleich davon auszugehen sei, dass sich ab 1988 allmahlich ein\npsychischer Spatschaden aufgebaut und entwickelt habe, sei es jedoch nicht\nwahrscheinlich, dass bereits 1988 eine schwerwiegende Dekompensation plotzlich\neingesetzt habe und dadurch bereits zu diesem Zeitpunkt eine rentenrelevante\nSchadenshohe erreicht worden sei (Bl. 96 d. A.). Die Erkenntnisse von Dr. T.\nund Dr. W. sprachen fur einen allmahlichen Aufbauprozess. Die psychischen\nBeschwerden hatten sich nach der Pensionierung erst langsam entwickelt und\nseien nicht ruckartig aufgetreten, was sich auch daraus ergebe, dass es nicht\nschon damals zu einer entsprechenden arztlichen Intervention gekommen sei (Bl.\n96 u. 124 f d. A.). Fur bereits 1954 bestehende psychische Schaden gebe es in\nden Akten einschließlich der Ausgangsbegutachtung von 1964 keine Anhaltspunkte\n(Bl. 125 d. A.). Daher sei aktuell lediglich eine Storungsebene von ca. 25 bis\n30 % vMdE erreicht, wobei auch das fortgeschrittene Alter und die\naufgetretenen Herzkreislaufstorungen zu berucksichtigen seien (Bl. 97 u. 123\nd. A.). Wenn man die vMdE-Hohen in der Gesamtschau unter Einschluss des\nWirbelsaulenleidens wurdige, ergebe sich eine aktuelle Gesamt-MdE von 70 %.\nDem verfolgungsbedingten Leidensanteil sei dann unter Einschluss des jetzt\nanzunehmenden psychischen Spatschadens nicht mehr als 40 % zuzuordnen, da das\nverfolgungsbedingte Ruckenleiden eher etwas zurucktrete und sich gleichzeitig\nallmahlich der psychische Spatschaden aufbaue (Bl. 97 d. A.). Unter\nBerucksichtigung der Herzoperation von 1993 sei erst ab Januar 1995 die\nnachste Rentenstufe von 40 % erreicht worden. Die danach weiter\nfortschreitende Verschlechterung der Gesundheitslage sei den\nverfolgungsunabhangigen Storungsbereichen zuzuordnen. Die Gesamt-MdE belaufe\nsich ab Januar 1995 auf 60 % und ab Januar 1999 auf 70 % (Bl. 97 f u. 124 d.\nA.).\n\nIn seinem von dem beklagten Land im Berufungsverfahren vorgelegten Gutachten\nvom 27.10.2003 (Bl. 245 d. A.) fuhrt der Vertrauensarzt Dr. W. weiter aus,\ndass keine Anknupfungstatsachen dafur vorlagen, dass bei dem Klager kurz nach\nder Pensionierung plotzlich ein ausgepragtes psychisches Storungsbild\nentstanden sei. Vielmehr deuteten die Untersuchungsergebnisse auf einen\nallmahlichen Prozess einer psychischen Veranderung und Symptomentwicklung hin\n(Bl. 247 d. A.). Man konne daher 1988 von einer vMdE von 5 - 10 % ausgehen und\num das Jahr 1995 von einer solchen von 25 - 30 % (Bl. 247 d. A.). In der\nGesamtschau ergebe sich - wegen des rucklaufigen verfolgungsbedingten Anteil\nam Wirbelsaulenleiden eine Gesamt-vMdE von 40 % (Bl. 247 f d. A.). Die\nsubjektiven Mitteilungen des Klagers bei der Untersuchung durch Dr. G. seien\nnicht durch objektive Befunde belegt (Bl. 248 d. A.). Auch hatten sich keine\nVeranderungen im geschilderten Leidensbild und der Behandlung gegenuber der\nfruheren Untersuchung ergeben (Bl. 249 d. A.). Ferner sei der subjektive\nLeidensdruck uberwiegend durch verfolgungsunabhangige Faktoren, namlich die\nsonstigen Erkrankungen und die Alterung, zuruckzufuhren (Bl. 249 d. A.).\n\nDr. W. geht also zwar mit den Gutachtern Dr. W. und Dr. G. davon aus, dass bei\ndem Klager eine psychische Erkrankung vorhanden ist, die zumindest teilweise\nverfolgungsbedingt hervorgerufen wurde. Jedoch gelangen die Sachverstandigen\nzu unterschiedlichen Ergebnissen bezuglich des Zeitpunkts des Eintritts des\npsychischen Spatschadens und des Anteils der verfolgungsbedingten Ursachen.\nDiese Feststellungen trifft Dr. W. aber wiederum ohne jegliche eigene\nUntersuchung des Klagers. Daher kann zwar nicht davon ausgegangen werden, dass\ndas Gutachten Dr. G. auf unzureichenden Anknupfungstatsachen beruht. Jedoch\nwurden die Stellungnahmen des Beratungsarztes Dr. W. ihrerseits ganzlich ohne\nselbst erhobene Anknupfungstatsachen abgegeben und konnen daher auch\nhinsichtlich der psychischen Erkrankung lediglich als Hypothesen gewertet\nwerden. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafur, dass die Angaben des Klagers\ngegenuber den Gutachtern rein subjektiv und nicht mit der objektiven Situation\nubereinstimmend waren. Auch die Annahme des Dr. W., die Symptomatik habe sich\nnach der Pensionierung erst allmahlich entwickelt und sei dann erst etwa 1995\nmanifest geworden, entbehrt jeglicher Grundlage und ist im Übrigen auch in\nkeiner Weise uberzeugend. Vielmehr ist es nachvollziehbar, dass der Klager\nnach seiner Pensionierung plotzlich jeglichen Halt verloren hat und in einen\npsychischen Abgrund gefallen ist, in dem ihn unvermittelt die verdrangten\nErinnerungen an die NS-Zeit gequalt haben mit der Folge, dass unvermittelt\neine psychische Storung eingetreten ist.\n\nd) Auf Grund der gutachterlichen Feststellungen bezuglich der einzelnen\nKrankheiten steht schließlich mit hinreichender Sicherheit fest, dass sich aus\nden einzelnen durch die Verfolgung (mit)verursachten Leiden des Klagers\n(Wirbelsaulenerkrankung und psychischer Spatschaden) eine Gesamt-vMdE von 50 %\nab Januar 1988 und von 80 % ab Januar 1991 ergibt.\n\nSofern ein einheitlicher Schaden (z. B. eine einzelne Krankheit) teils durch\nverfolgungsbedingte, teils durch verfolgungsunabhangige Umstande verursacht\nworden ist oder sofern verschiedene Schaden (z. B. mehrere Krankheiten)\nvorliegen, von denen einzelne auf der Verfolgung, andere auf\nverfolgungsunabhangigen Umstanden beruhen, berechnet sich die\nverfolgungsbedingte Minderung der Erwerbsfahigkeit nach § 34 BEG (vgl.\nBlessin/Giessler, aaO., § 34 BEG, Anm. I. 1. a)). Wird die Erwerbsfahigkeit\nsowohl durch verfolgungsbedingte als auch durch verfolgungsunabhangige Leiden\nherabgesetzt, so ist zunachst die Gesamtminderung der Erwerbsfahigkeit zu\nermitteln und anschließend festzustellen, in welchem Grad die Erwerbsminderung\nauf der Verfolgung beruht (vgl. BGH, RzW 1961, 67 (68); 1962, 129 (130); 1964,\n523 (524); 1965, 28 (29); Blessin/Giessler, aaO., § 34 BEG, Anm. II. 2. a);\nBrunn/Hebenstreit, aaO., § 34 BEG, Rdnr. 1; Zorn, Erlauterungen zum\nBundesentschadigungsgesetz, aaO., Zu § 34 BEG, S. 120). Hierbei ist zu\nberucksichtigen, dass sich ein spateres Leiden auf die Erwerbsfahigkeit einer\nbereits gesundheitsgeschadigten Person starker auswirkt als bei einem\nGesunden, so dass vom Gesamtgrad der Erwerbsminderung nicht die\nverfolgungsbedingten Beeintrachtigungen einfach abgezogen werden konnen (vgl.\nBGH, RzW 1961, 67 (68); Blessin/Giessler, aaO., § 34 BEG, Anm. II. 2. a);\nBrunn/Hebenstreit, aaO., § 34 BEG, Rdnr. 1; Zorn, aaO., Zu § 34 BEG, S. 120).\n\nIm vorliegenden Fall ist hierbei fur die Anwendung der sog. Lohmullersche\nFormel (vgl. hierzu BGH, RzW 1962, 129 (130); OLG Munchen, RzW 1956, 309 f;\nOLG Karlsruhe, RzW 1957, 280 (281); Blessin/Giessler, aaO., § 34 BEG, Anm. II.\n2. a); im Einzelnen: Blessin/Ehrig/Wilden, aaO., § 34 BEG, Rdnr. 2) kein Raum.\nDenn diese ist dann nicht anwendbar, wenn der Verfolgte bei Eintritt des\nVerfolgungsschadens noch voll erwerbsfahig war (vgl. Blessin/Ehrig/Wilden,\naaO., § 34 BEG, Rdnr. 3). Letzteres war vorliegend der Fall, denn der Klager\nwar beim erstmaligen Eintritt des Verfolgungsschadens in Gestalt des\nBandscheibenleidens noch voll erwerbsfahig. Anhaltspunkte fur\nverfolgungsunabhangige Vorschaden sind nicht gegeben.\n\nDer Umfang des Schadens ist daher nach §§ 209 Abs. 1, 191 Abs. 2 BEG i. V. m.\n§ 287 ZPO zu schatzen (vgl. BGH, RzW 1960, 505 (506); 1961, 67 (68);\nBlessin/Giessler, aaO., § 34 BEG, Anm. II. 2. a); Brunn/Hebenstreit, aaO., §\n34 BEG, Rdnr. 1). Hierbei ist eine Gesamtbetrachtung des Leidenszustands des\nBetroffenen anzustellen, d. h. aus der Gesamteinwirkung aller Einzelleiden auf\nden Gesundheitszustand ist nach den Umstanden des Einzelfalls - ggf. im Wege\nder Schatzung gemaß § 191 Abs. 2 BEG i. V. m. § 287 ZPO - zu ermitteln, wie\nhoch sich die maßgebliche verfolgungsbedingte MdE belauft, die der zu\ngewahrenden Entschadigung zugrunde zu legen ist (vgl. BGH, RzW 1961, 67 Nr.\n22; Brunn/Giessler/Klee/Maier/Weiss, Das Bundesentschadigungsgesetz, Munchen\n1981, S. 223; ahnlich BverfG, NJW 1995, 3049 (3050)). Sofern sich verschiedene\nverfolgungsbedingte Leiden gegenseitig beeinflussen, kann die Gesamt-vMdE im\nEinzelfall hoher oder niedriger liegen als die Summe der fur die einzelnen\nLeiden festgelegten Erwerbsminderung (vgl. BGH, RzW 1966, 267 Nr. 18;\nBrunn/Giessler/Klee/Maier/Weiss, aaO., S. 224). Ob eine derartige\nWechselwirkung besteht, ist von der Art der Leiden und ihrer gegenseitigen\nBeeinflussung sowie von der Bedeutung abhangig, die dem einzelnen Leidensbild\nim Rahmen der Gesamtleistungsfahigkeit zukommt (vgl.\nBrunn/Giessler/Klee/Maier/Weiss, aaO., S. 224).\n\nIm vorliegenden Fall fuhrt die Schadensschatzung gemaß § 287 ZPO dazu, dass\ndie vMdE der Wirbelsaulenerkrankung und des psychischen Spatschadens zu\naddieren sind. Dies ergibt sich daraus, dass sich diese beiden Leiden nicht\ngegenseitig beeinflussen. Bei der Wirbelsaulenerkrankung handelt es sich um\nein rein korperliches Leiden, welches zu Schmerzen fuhrt und die\nBewegungsfahigkeit einschrankt. Die psychische Erkrankung fuhrt dagegen dazu,\ndass der Klager bedruckt ist, schlecht schlafen kann und auch ansonsten in\nseinem psychischen Befinden beeintrachtigt ist. Zwar konnen auch korperliche\nSchmerzen zu einer Herabsetzung des psychischen Befindens fuhren. Jedoch nimmt\ndies bei dem Klager ausweislich der gutachterlichen Feststellungen einen\nallenfalls ganz untergeordneten Anteil an der psychischen\nGesamtbeeintrachtigung ein, denn die psychischen Leiden resultieren in erster\nLinie daraus, dass der Klager das Gefuhl hat, sein Lebensweg sei durch die NS-\nDiktatur nachteilig verandert worden, indem ihm insbesondere sowohl sein\nFreundeskreis und sein vertrautes Umfeld als auch jegliche Bildungschancen\ngenommen worden seien. Hingegen ist nicht ersichtlich, dass gerade das\nverfolgungsbedingte Ruckenleiden fur die psychischen Beeintrachtigungen\nmitursachlich ist.\n\nDaher besteht bei dem Klager seit Januar 1988 eine Gesamt-vMdE von 50 % und\nseit Januar 1991 eine solche von 80 %. Da der Klager jedoch nur Neufestsetzung\nausgehend von 40 % ab 1988 und von 50 % ab 1991 begehrt, sind auch nur diese\nBeeintrachtigungsgrade der Rentenneufestsetzung zugrunde zu legen, da gemaß §\n209 Abs. 1 BEG die Vorschrift des § 308 ZPO Anwendung findet (vgl.\nBlessin/Giessler, aaO., § 209 BEG, Anm. 14. e)).\n\n5\\. Hat der Verfolgte - wie der Klager - das 68. Lebensjahr vollendet, so kann\ndie Rente nach der Neuregelung des § 35 Abs. 2 BEG durch das\nBundesentschadigungsschlussgesetz, die das „Versteinern" der Rente ermoglichen\nsollte, nur abgeandert werden, wenn die errechnete Rente um mindestens 30 %\nvon der festgesetzten Rente abweicht. Um dies festzustellen, sind die gesamten\nfur die Rentenbemessung maßgebenden (gunstigen wie ungunstigen) Änderungen der\nVerhaltnisse zu uberprufen (vgl. BGH, RzW 1973, 173 (174); NJW 1995, 1295;\nBGHR BEG § 35 Abs. 2 Rentenerhohung 2; BGH-Report 2001, 372 ff;\nBlessin/Giessler, aaO., § 35 BEG, Anm. II. 5. b); Brunn/Hebenstreit, aaO., §\n35 BEG, Rdnr. 7; Zorn, aaO., Zu § 206 BEG, S. 185). Anders als nach Abs. 1 der\nVorschrift kommt es aber nicht auf die wahrend des gesamten Zeitraums von der\nfruheren Rentenfestsetzung bis zur Neuentscheidung eingetretenen Änderungen\nan, sondern nur auf den Vergleich der Verhaltnisse vor der letzten Änderung\nmit den derzeitigen Verhaltnissen, d. h. entscheidend ist nur das Ausmaß der\nletzten Änderung, nicht die Summe mehrerer Änderungen in der Zeit, die seit\nder fruheren Rentenfestsetzung verstrichen ist (vgl. Blessin/Giessler, aaO., §\n35 BEG, Anm. 5. b); Brunn-Hebenstreit, aaO., § 35 BEG, Rdnr. 7).\n\nDa die letzte Änderung der Gesamt-vMdE zum 01.01.1991 erfolgt ist, sind die\nVerhaltnisse vor dieser Änderung mit der durch sie eingetretenen neuen\nRentenbemessung zu vergleichen. Am 01.01.1991 hat der Klager gemaß Bescheid\nvom 10.08.1990 (Bl. 158 der Rentenakte des Landesamtes) ausgehend von einer\nvMdE von 25 % eine (Mindest)Rente in Hohe von 580,-- DM bezogen. Er macht ab\ndiesem Zeitpunkt eine Neufestsetzung unter Zugrundelegung einer Gesamt-vMdE\nvon 50 % geltend. Bei einer Beeintrachtigung der Erwerbsfahigkeit von 50 %\nbetragt die Rente gemaß § 31 Abs. 6 BEG mindestens 25 % und hochstens 50 % des\nDiensteinkommens, das dem Verfolgten bei der Einreihung in eine vergleichbare\nBeamtengruppe nach seinem Lebensalter am 01.05.1949 zugestanden hatte. Der\nmittlere Satz betragt somit 37,5 %. Hinzu kommen Zuschlage von jeweils 5 % fur\ndie Unterhaltsverpflichtung zugunsten der Ehefrau und wegen der allgemeinen\nMdE von 80 %, so dass sich insgesamt 47,5 % ergeben. Unter Berucksichtigung\nder vom Landesamt errechneten Abzuge von insgesamt 27,5 % (Bl. 176 der\nRentenakte des Landesamtes) wurden also 20 % verbleiben. Zugrunde zu legen ist\ndaher der Mindestsatz von 25 %. Bei einem im Jahre 1991 zugrunde zu legenden\nmonatlichen Beamtendiensteinkommen von 3.116,-- DM (Bl. 177 der Rentenakte des\nLandesamtes) ergabe dies einen monatlichen Betrag von 779,-- DM. Die\nMindestbetrage belaufen sich gemaß § 21a der 2. DV zum BEG bei einer vMdE von\n50 % vom 01.01.1990 bis zum 28.02.1991 auf monatlich 865,-- DM und vom\n01.03.1991 bis zum 30.04.1992 auf monatlich 915,-- DM. Der Mindestbetrag von\n580,-- DM bei einer 25-%-igen vMdE wird also ab dem 01.01.1991 bei\nZugrundelegung einer vMdE von 50 % um 49 %, mithin mehr als um 30 %\nuberschritten. Ähnliches gilt auch fur alle Folgejahre.\n\nDaher ist vorliegend eine Neufestsetzung der Entschadigungsrente geboten.\n\n6\\. Im Falle einer Rentenerhohung ist die Rente gemaß § 21 Abs. 1 der 2. DV\nzum BEG ruckwirkend vom Ersten des Monats an neu festzusetzen, in dem sich die\nVerhaltnisse geandert haben. Dem Verfolgten ist fur diesen Zeitraum\nNachzahlung zu leisten (vgl. Blessin/Ehrig/Wilden, aaO., § 35 BEG, Rdnr. 4;\nBlessin/Giessler, aaO., § 35 BEG, Anm. III. 2. a)). Das zusprechende Urteil\nlautet auf Zahlung eines bestimmten Entschadigungsbetrages. Eine Aufhebung des\nangefochtenen Bescheides unter Zuruckverweisung an die Entschadigungsbehorde\nist unzulassig (vgl. BGH, RzW 1961, 412 f; 1965, 468 f; OLG Koblenz, RzW 1963,\n283; Blessin/Giessler, aaO., § 210, Anm. IV. 4.; Brunn/Hebenstreit, aaO., §\n209 BEG, Rdnr. 8).\n\nIm vorliegenden Fall ergeben sich daher folgende Nachzahlungsbetrage:\n\nDer Klager hat in den Jahren 1988 bis 2004 auf der Grundlage einer\n25-prozentigen vMdE folgende Rentenzahlungen erhalten: \n \n--- \n\\- 01.01.1988 (und vorher schon seit 01.08.1987) bis 29.02.1988 monatlich\n535,-- DM (Bl. 104 u. 115 der Hauptakte des Landesamtes u. Bl. 153 der\nRentenakte des Landesamtes) = 2 * 535,-- DM = 1.070,-- DM \n\\- 01.03.1988 bis 31.12.1988 monatlich 548,-- DM (Bl. 153 der Rentenakte des\nLandesamtes) = 10 * 548,-- DM = 5.480,-- DM \n\\- 01.01.1989 bis 30.06.1989 monatlich 556,-- DM (Bl. 153 der Rentenakte des\nLandesamtes) = 6 * 556,-- DM = 3.336,-- DM \n\\- 01.01.1990 bis 28.02.1991 monatlich 580,-- DM (Bl. 158 der Rentenakte des\nLandesamtes) - war zunachst auf monatlich 566,-- DM festgesetzt worden (Bl.\n153 der Rentenakte des Landesamtes) = 2 * 580,-- DM = 1.160,-- DM \n\\- 01.03.1991 bis 30.04.1992 monatlich 614,-- DM (Bl. 139 u. 172 der\nRentenakte des Landesamtes und Bl. 115 der Hauptakte des Landesamtes) = 14 *\n614,-- DM = 8.596,-- DM \n\\- 01.05.1992 bis 30.04.1993 monatlich 672,-- DM (Bl. 181 der Rentenakte des\nLandesamtes) = 12 * 672,-- DM = 8.064,-- DM \n\\- 01.05.1993 bis 30.09.1994 monatlich 682,-- DM (Bl. 182 und 246 der\nRentenakte des Landesamtes) = 17 * 682,-- DM = 11.594,-- DM \n\\- 01.10.1994 bis 31.03.1995 monatlich 696,-- DM (Bl. 246 der Rentenakte des\nLandesamtes) = 6 * 696,-- DM = 4.176,-- DM \n\\- 01.04.1995 bis 28.02.1997 monatlich 718,-- DM (Bl. 246 u. 271 der\nRentenakte des Landesamtes) = 23 * 718,-- DM = 16.514,-- DM \n\\- 01.03.1997 bis 31.12.1997 monatlich 732,-- DM (Bl. 271 u. 271a der\nRentenakte des Landesamtes) = 10 * 732--DM = 7.320,-- DM \n\\- 01.01.1998 bis 28.02.1999 monatlich 739,-- DM (Bl. 271a u. 271b der\nRentenakte des Landesamtes) 14 * 739,-- DM = 10.346,-- DM \n\\- 01.03.1999 bis 31.12.2000 monatlich 760,-- DM (Bl. 271b u. 300 der\nRentenakte des Landesamtes) = 22 * 760,-- DM =16.720,-- DM \n\\- 01.01.2001 bis 31.12.2001 monatlich 774,-- DM (Bl. 300 der Rentenakte des\nLandesamtes) = 12 * 774,-- DM = 9.288,-- DM \n\\- 01.01.2002 bis 31.05.2004 monatlich 404,-- EUR (Bl. 311 der Rentenakte des\nLandesamtes) = 29 * 404,-- EUR = 11.716,-- EUR \nInsgesamt ergibt hieraus eine Summe von 103.664,-- DM = 53.002,56,-- EUR +\n11.716,-- EUR = 64.718,56 EUR . \n \nAuf Grund der von dem Klager geltend gemachten 40-prozentigen vMdE seit 1988\nund einer 50-prozentigen vMdE seit 1991 hatten ihm jedoch insgesamt Zahlungen\nvon 106.321,79 EUR zugestanden. Die von dem beklagten Land im\nstreitgegenstandlichen Zeitraum von den Einkommensverhaltnissen des Klagers\nausgehenden Berechnungen der jeweiligen Rentenhohe haben ergeben, dass die\nsich hieraus ergebenden Rentenhohen jeweils unterhalb der Mindestrente lagen\nund daher ausnahmslos die Mindestrenten festzusetzen waren. Zu keinem anderen\nErgebnis gelangt man, wenn man jeweils den hoheren Grad der Gesamt-vMdE\nzugrunde legt (vgl. etwa die Berechnung fur die Zeit ab 01.01.1991 oben unter\n5.). Dies folgt daraus, dass sich auf Grund der zugrunde zu legenden mittleren\nSatze keine Steigerungen ergeben, die zu einem uber den Mindestsatzen gemaß §\n21a der 2. DV zum BEG liegenden Rentenniveau fuhrten. Daher kann die\nNeufestsetzung vorliegend ebenfalls in Hohe der nunmehr einschlagigen\nMindestrenten erfolgen. Es ergeben sich somit folgende Betrage:\n\nAusgehend von einer Gesamt-vMdE von 40 %: \n \n--- \n01.01.1988 bis 29.02.1988 monatlich 667,-- DM = 2 * 667,-- DM = 1.334,-- DM \n01.03.1988 bis 31.12.1988 monatlich 683,-- DM = 10 * 683,-- DM = 6.830,-- DM \n01.01.1989 bis 31.12.1989 monatlich 693,-- DM = 12 * 693,-- DM = 8.316,-- DM \n01.01.1990 bis 31.12.1990 monatlich 723,-- DM = 12 * 723,-- DM = 8.676,-- DM \n \nAusgehend von einer Gesamt-vMdE von 50 %: \n \n--- \n01.01.1991 bis 28.02.1991 monatlich 865,-- DM = 2 * 865,-- DM = 1.730,-- DM \n01.03.1991 bis 30.04.1992 monatlich 915,-- DM = 14 * 915,-- DM = 12.810,-- DM \n01.05.1992 bis 30.04.1993 monatlich 1.002,-- DM = 12 * 1.002,-- DM = 12.024,--\nDM \n01.05.1993 bis 30.09.1994 monatlich 1.017,-- DM = 17 * 1.017,-- DM = 17.289,--\nDM \n01.10.1994 bis 31.03.1995 monatlich 1.037,-- DM = 6 * 1.037,-- DM = 6.222,--\nDM \n01.04.1995 bis 28.02.1997 monatlich 1.070,-- DM = 23 * 1.070,-- DM = 24.610,--\nDM \n01.03.1997 bis 31.12.1997 monatlich 1.090,-- DM = 10 * 1.090,-- DM = 10.900,--\nDM \n01.01.1998 bis 28.02.1999 monatlich 1.100,-- DM = 14 * 1.100,-- DM = 15.400,--\nDM \n01.03.1999 bis 31.12.2000 monatlich 1.132,-- DM = 10 * 1.132,-- DM = 11.320,--\nDM \n01.01.2001 bis 31.12.2001 monatlich 1.152,-- DM = 12 * 1.152,-- DM = 13.824,--\nDM \n01.01.2002 bis 31.05.2004 monatlich 999,-- EUR = 29 * 999,-- EUR = 28.971,--\nEUR \n \nDer Klager hatte also im streitgegenstandlichen Zeitraum einen Anspruch auf\nZahlung von insgesamt 151.285,-- DM = 77.350,79 EUR + 28.971,-- EUR =\n106.321,79 EUR gehabt.\n\nZwischen den beiden Gesamtbetragen ergibt sich also folgende Differenz:\n106.321,79 EUR - 64.718,56 EUR = ** 41.603,23 EUR ** . Diese stellt den vom\nbeklagten Land nachzuzahlenden Betrag dar.\n\nDaruber hinaus ist das beklagte Land unter Neufestsetzung der Versorgungsrente\nauf diesen Betrag zu verurteilen, an den Klager ab dem 01.06.2004 monatlich im\nVoraus 999,-- EUR zu zahlen.\n\nDas Verfahren ist gemaß § 225 Abs. 1 BEG gebuhren- und auslagenfrei. Die\nEntscheidung uber die außergerichtlichen Kosten folgt aus § 209 Abs. 1 BEG i.\nV. m. §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO (vgl. Blessin/Ehrig/Wilden, aaO., § 225 BEG,\nRdnr. 1; Blessin/Giessler, aaO., § 225 BEG, Anm. I. und § 209 BEG, Anm. VII.\n5.). Danach fallen die außergerichtlichen Kosten regelmaßig gemaß § 209 Abs. 1\nBEG i. V. m. §§ 91 - 97 ZPO der unterlegenen Partei zur Last (vgl.\nBlessin/Ehrig/Wilden, aaO., § 225 BEG, Rdnr. 1; Brunn/Hebenstreit, aaO., § 225\nBEG, Rdnr. 1).\n\nDie Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 209 Abs. 1\nBEG i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. § 713 ZPO ist nicht anwendbar, da die\nVoraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet,\nnicht fur jede der Parteien unzweifelhaft nicht gegeben sind. Dies folgt\ndaraus, dass der Senat zwar die Revision nicht gemaß § 219 Abs. 1 BEG\nzugelassen hat, dass jedoch der Klager - unabhangig vom Streitwert - gemaß §\n220 Abs. 1 Satz 1 BEG gegen die Nichtzulassung der Revision sofortige\nBeschwerde einlegen kann, welche gemaß § 220 Abs. 2 BEG die Rechtskraft des\nUrteils hemmt.\n\nDie Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 219 Abs. 2 BEG\nnicht gegeben sind. Weder hat die Rechtssache grundsatzliche Bedeutung (§ 219\nAbs. 2 Nr. 1 BEG) noch weicht das Urteil von einer Entscheidung des\nBundesgerichtshofs ab und beruht auf einer solchen Abweichung (§ 219 Abs. 2\nNr. 2 BEG) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer\neinheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 219\nAbs. 2 Nr. 3 BEG) noch ist streitig, ob das Land, gegen das der Anspruch auf\nEntschadigung gerichtet ist, zu Recht als zustandig in Anspruch genommen ist\n(§ 219 Abs. 2 Nr. 4 BEG).\n\nDer Streitwert fur das Berufungsverfahren betragt 13.000,-- EUR. Der\nStreitwert wiederkehrender Leistungen bemisst sich gemaß § 225 Abs. 3 BEG i.\nV. m. § 13 Abs. 3 GKG i. d. F. vom 26.07.1957, der dem heutigen § 17 Abs. 2\nGKG entspricht, auf den funffachen Betrag des einjahrigen Bezugs, wenn nicht\nder Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist (vgl. BGHR BEG § 225\nAbs. 3 Streitwert 1 (vgl. anliegenden JURIS-Ausdruck); Blessin/Giessler, aaO.,\n§ 225 BEG, Anm. III. 1.; Brunn/Hebenstreit, aaO., § 225 BEG, Rdnr. 6).\nAuszugehen ist von dem streitigen Monatsbetrag (vgl. OLG Celle, RzW 1964, 89;\nOLG Koln, RzW 1965, 142; Blessin/Giessler, aaO., § 225 BEG, Anm. III. 1.).\nRentenruckstande werden entgegen § 13 Abs. 5 GKG a. F. nicht besonders\nangesetzt (vgl. BGH, RzW 1958, 371 (372); KG, RzW 1960, 237 (239); BGHR BEG §\n225 Abs. 3 Streitwert 1 (vgl. JURIS-Ausdruck); Brunn/Hebenstreit, aaO., § 225\nBEG, Rdnr. 7).\n\nDa der Klager vorliegend fur die Zeit zwischen 1988 und Anfang 2004, also fur\nca. 16 Jahre einen Mehrbetrag von insgesamt 41.603,23 EUR geltend gemacht hat,\nist es gerechtfertigt, den hiervon ausgehend einen mittleren funfjahrigen\nBetrag zu berechnen. Dieser belauft sich auf ungefahr 41.603,23 EUR ./.16 * 5\n= 13.001,-- EUR, also gerundet 13.000,-- EUR.\n\n
128,261
lsgsl-2004-10-27-l-2-u-8101
936
Landessozialgericht für das Saarland
lsgsl
Saarland
Sozialgerichtsbarkeit
L 2 U 81/01
2004-10-27
2019-01-07 09:30:29
2019-02-12 12:10:27
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung der Klagerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts fur\ndas Saarland vom 25.04.2001 wird zuruckgewiesen.\n\nDie Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\nDie Beteiligten streiten um die Anerkennung von Berufskrankheiten nach den\nNrn. 1102, 1303 und 2402 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).\n\nDie Klagerin ist die Witwe und Sonderrechtsnachfolgerin des 1932 geborenen und\nam 19.05.2001 verstorbenen R. M. (im Folgenden: M.). Dieser war bei der D. H.\nAG vom 01.10.1947 bis 30.11.1950 als Rohrinstallationslehrling, vom 01.12.1950\nbis 27.07.1954 als Rohrinstallateur, vom 28.07.1954 bis 14.03.1956 als Flammer\nim Blockwerk und vom 15.03.1956 bis 30.04.1971 als Schlosser in der Mess- und\nRegelabteilung beschaftigt. Vom 01.05.1971 bis 31.01.1987 war M. als\nHaustechniker im St. E.-Krankenhaus in S. tatig. Wegen zweier Schlaganfalle\nbezog M. ab Januar 1987 Erwerbsunfahigkeitsrente und ab 1992 Altersrente.\n\nIm April 1996 wurde ein leukamisches B-Zell-Lymphom von niederem\nMalignitatsgrad im Sinne einer chronisch-lymphatischen Leukamie (Stadium III\nnach Rai; im Folgenden CLL genannt) festgestellt. Nachdem M. vom 17. bis 25.02\nund 05.06. bis 10.06.1998 stationar im C.-Krankenhaus L. behandelt worden war,\nerfolgte von dort am 10.07.1998 eine arztliche Anzeige uber eine\nBerufskrankheit.\n\nAnlasslich eines Hausbesuchs durch einen BK-Sonderbeauftragten beantragte M.\nam 22.07.1998 Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Er gab an,\ninsbesondere von 1963 bis 1968 mit der Wartung der Messanlage fur die\nTemperatur- und Dickenmessung des Walzgutes verantwortlich gewesen zu sein.\nDie Messung sei mittels des radioaktiven Mediums Kobalt 60 erfolgt. Zur\nMessung sei die Bleikammer, in der sich der Kobalt-60-Kern befunden habe,\naufgefahren worden, sodass die Kobaltstrahlen frei hatten austreten konnen.\nAuch bei Storungen sei er radioaktiver Strahlung ausgesetzt gewesen.\nAnlasslich eines Vorfalls sei im amerikanischen Strahleninstitut in La. eine\nStrahlenbelastungsmessung durchgefuhrt worden; die Untersuchung habe ergeben,\ndass seine Strahlenbelastung bei weit uber 200 Millirontgen gelegen habe.\nSoweit ihm bekannt sei, seien zwei weitere Arbeitskollegen an Leukamie\nverstorben. Er habe auch Kontakt zu Quecksilber gehabt. Er habe Messgerate,\nwelche mit einer Quecksilber-Messskala ausgestattet gewesen seien, reinigen\nmussen. Dabei sei meistens Quecksilber uber die Hand gelaufen. Die\nfreiwerdenden Dampfe seien ungeschutzt eingeatmet worden. Auch zu Benzol habe\ner Kontakt gehabt. In den Nachkriegsjahren seien die Benzolleitungen, welche\nvom Hochofen gekommen seien, komplett erneuert worden. Dabei seien auch die\nFilter und Kuhler ausgetauscht worden. Es seien auch regelmaßig Reparaturen\nund Wartungen an diesem Rohrsystem von ihm durchgefuhrt worden. Im Rahmen\nseiner Tatigkeit in der Mess- und Regelabteilung seien Wartungen an Geraten\ndurchgefuhrt worden, welche mit Teer beschmutzt gewesen seien. Hier sei zum\nReinigen dieser Gerate Benzol verwandt worden. Auch seien nach diesen Arbeiten\ndie Hande mit Benzol gereinigt worden. Wahrend dieser Zeit habe jedoch kein\ntaglicher Kontakt zu Benzol bestanden.\n\nDie D. H. AG bestatigten am 24.08.1998 die Gefahrdung durch ionisierende\nStrahlung. Eine Gefahrdung durch Quecksilber sowie durch Benzol wurde dagegen\nverneint. Nach einer Arbeitgeberauskunft der St. E.-Klinik S. vom 31.07.1998\nbestand im Zeitraum 01.05.1971 bis 09.03.1986 eine Gefahrdung durch\nQuecksilber.\n\nDie Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte bei und holte zwei\nStellungnahmen (vom 02.11.1998 und vom 14.01.1999) ihres technischen\nAufsichtsdienstes (TAD) sowie ein Gutachten des Direktors der radiologischen\nKlinik -Abteilung fur Nuklearmedizin- der Universitatskliniken Saa. Prof. Dr.\nDr. K. (eingegangen bei der Beklagten am 26.03.1999) ein. Dieser kam zu dem\nErgebnis, dass es keinen Hinweis gebe, dass Non-Hodgkin-Lymphome, insbesondere\nsolche niedriger Malignitat, vermehrt durch Bestrahlung mit ionisierender\nStrahlung induziert werden konnten. Dem folgend fuhrte der Arbeitsmediziner\nDr. H. in seinem gewerbearztlichen Gutachten nach § 4 BKV vom 19.04.1999 aus,\ndass eine Anerkennung des angezeigten Leidens als Berufskrankheit nach Nr.\n2402 nicht empfohlen werden konne.\n\nMit Bescheid vom 21.06.1999 teilte die Beklagte mit, dass die chronisch-\nlymphatische Leukamie nicht als Berufskrankheit nach der Anlage zur BKV\nanerkannt werde und kein Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen\nUnfallversicherung bestehe. Zur Begrundung wurde im Wesentlichen ausgefuhrt,\nder Klager habe wahrend seiner Beschaftigungszeit in der Warmestelle\nregelmaßigen Umgang mit Quecksilber gehabt. Allerdings habe die\nExpositionshohe gegenuber Quecksilber unterhalb der zulassigen Grenzwerte\ngelegen. Somit lagen bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen fur eine\nBerufskrankheit nach der Nr. 1102 nicht vor, da das Einatmen großerer Mengen\nQuecksilberdampfe oder auch eine orale Aufnahme von Quecksilberverbindungen\nbei der Tatigkeit nicht habe nachgewiesen werden konnen. Zusatzlich sei noch\nein eventueller Umgang mit Benzol gepruft worden. Nach der erganzenden\nStellungnahme des TAD habe ein Umgang mit Benzol schon aus\nverfahrenstechnischen Grunden ausgeschlossen werden konnen. Benzol habe\nlediglich bis Anfang der 70er-Jahre zur Verfugung gestanden und sei nur in\nseltenen Fallen fur hartnackige Schmutzentfernung verwendet worden. Eine\nBelastung in kritischer Hohe durch Benzol konne somit ausgeschlossen werden.\nDaher lagen die Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach Nr. 1303 nicht vor.\nAuch eine Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr. 2402 der Anlage zur\nBKV (Erkrankungen durch ionisierende Strahlen) konne nicht erfolgen, da die\nStrahlenexposition nach allen verfugbaren Erkenntnissen nicht fur die\nErkrankung ursachlich gewesen sei.\n\nIn dem dagegen erhobenen Widerspruch wies M. darauf hin, dass er nicht nur\neiner hohen Quecksilber-, Benzol- und Strahlenbelastung ausgesetzt gewesen\nsei, sondern auch mit Asbest habe arbeiten mussen, sodass zu uberprufen sei,\nob seine Erkrankung sowie die in jungster Zeit aufgetretene Lungenerkrankung\neventuell auf eine Asbestose zuruckzufuhren seien. Hinzu komme, dass er uber\nJahre hinweg bei seiner Tatigkeit Schwefeldampfen ausgesetzt gewesen sei.\n\nMit Widerspruchsbescheid vom 17.11.1999 wies die Beklagte den Widerspruch\nzuruck. Zur Begrundung wurde im Wesentlichen ausgefuhrt, dass weder eine\nionisierende Strahlung noch eine hohe Quecksilberbelastung eine CLL\nverursachen konne. Eine relevante Benzolbelastung sei nicht anzunehmen bzw.\naus verfahrenstechnischen Grunden ausgeschlossen. Da mit dem angefochtenen\nBescheid vom 21.06.1999 nicht uber das Vorliegen einer asbest- bzw.\nschwefeldampfbedingten Erkrankung entschieden worden sei, ware der Widerspruch\ninsoweit als unzulassig zuruckzuweisen. Im Übrigen bestehe nach den\nderzeitigen arbeitsmedizinischen Erkenntnissen kein Zusammenhang zwischen der\nBluterkrankung und einer - noch zu quantifizierenden- Asbestbelastung.\nSchwefelkohlenstoff (BK-Nr. 1305) sei in erster Linie ein Nervengift, welches\nbei einer akuten Vergiftung als Narkotikum wirke und nach einer langzeitigen\nEinwirkung beispielsweise Polyneuropathien und Encephalopathien verursachen\nkonne. Ob in den "Schwefeldampfen" Schwefelkohlenstoff enthalten gewesen sei\nund in welchem Umfang M. gegenuber diesem Stoff exponiert gewesen sei, konne\nzur Zeit nicht beurteilt werden. Unter Berucksichtigung der vorgenannten\nkohlenstoffinduzierten Erkrankungen erscheine es jedoch ebenfalls zumindest\nfraglich, ob die Blutkrebserkrankung ggf. als Folge der Einwirkung von\n"Schwefeldampfen" anzusehen sei.\n\nDie am 16.12.1999 erhobene Klage hat das Sozialgericht fur das Saarland (SG)\nnach Einholung eines Gutachtens des Direktors der Klinik fur Radioonkologie\n-Abteilung fur medizinische Physik- des Universitatsklinikums T. Prof. Dr. N.\nvom 06.03.2001 mit Gerichtsbescheid vom 25.04.2001 abgewiesen. In den Grunden\nhat es ausgefuhrt, soweit die Beklagte eine Berufskrankheit nach den Nrn. 1102\n(Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen) und 1303\n(Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder durch Styrol) abgelehnt habe,\nsei dieses nicht zu beanstanden, da insoweit bereits die arbeitstechnischen\nVoraussetzungen nicht vorlagen. M. sei wahrend seiner beruflichen Tatigkeit\nkeinen Einflussen in hinreichendem Maße ausgesetzt gewesen, die geeignet\ngewesen seien, eine Berufskrankheit nach den Nrn. 1102 bzw. 1303 der Anlage\nzur BKV zu verursachen. Die bei M. bestehende Leukamieerkrankung sei aber auch\nnicht auf ionisierende Strahlungen zuruckzufuhren. Die Anerkennung einer\nBerufskrankheit nach Nr. 2402 der Anlage zur BKV komme somit ebenfalls nicht\nin Betracht. Der bereits im Verwaltungsverfahren gehorte Sachverstandige Prof.\nDr. Dr. K. habe in seinem Gutachten vom 26.03.1999 dargelegt, dass es keine\nHinweise dafur gebe, dass die berufliche Tatigkeit zumindest eine wesentliche\nTeilursache der vorliegenden Erkrankung sei. Vielmehr ergebe sich, dass die\nStrahlenexposition nach allen verfugbaren Erkenntnissen nicht fur die\nErkrankung des Klagers ursachlich sei. Diese Auffassung werde auch durch den\ngerichtlichen Sachverstandigen Prof. Dr. N. in dem Gutachten vom 06.03.2001\nbestatigt. Auch er habe ausgefuhrt, dass es keine Hinweise fur ein\nstrahlungsassoziiertes Auftreten der CLL gebe. Nach neuesten Untersuchungen\nwerde diese vielmehr mit molekularbiologischen Besonderheiten der CLL-Zellen\nim Vergleich zu anderen Leukamieformen in Verbindung gebracht. Dabei weise\nProf. Dr. N. auch darauf hin, dass die Tatsache, dass sich aus der\neinschlagigen, auch neueren wissenschaftlichen Literatur ein\nstrahleninduziertes Auftreten der CLL nicht belegen lasse, nicht im\nWiderspruch zu den beiden in den Akten des SG beigefugten Entscheidungen\nzweier Landessozialgerichte (LSG) stehe. In dem vor dem Bayerischen LSG\nverhandelten Fall sei bei dem Klager ein lymphoplasmozytisches Immunozytom\ndiagnostiziert worden, was unstrittig strahleninduziert auftreten konne. Im\nzweiten Fall, der vom LSG Nordrhein-Westfalen entschieden worden sei, sei es\num eine Leukamiemischform aus CLL und Immunozytom gegangen. Auch hier habe in\nÜbereinstimmung mit dem Stand der Wissenschaft die Strahlenexposition\nursachlicher Ausloser der Erkrankung sein konnen. Diese Voraussetzungen lagen\nbei M. jedoch nicht vor, da es sich bei ihm eindeutig um eine CLL handele.\n\nGegen den ihm am 09.05.2001 zugestellten Gerichtsbescheid hat M. am 28.05.2001\nBerufung eingelegt. Nach seinem Tod im Mai 2001 fuhrt die Klagerin das\nVerfahren als seine Sonderrechtsnachfolgerin fort. Sie weist erneut darauf\nhin, dass mehrere Arbeitskollegen ihres verstorbenen Ehemannes an der gleichen\nErkrankung verstorben seien.\n\nDie Klagerin beantragt,\n\n1\\. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts fur das Saarland vom 25.04.2001\nund den Bescheid der Beklagten vom 21.06.1999 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 17.11.1999 aufzuheben,\n\n2\\. die Beklagte zu verurteilen, bei dem verstorbenen R. M. eine\nBerufskrankheit nach den Nrn. 1102, 1303 und 2402 der Anlage zur BKV\nanzuerkennen und Entschadigungsleistungen nach Maßgabe der gesetzlichen\nBestimmungen zu gewahren.\n\nDie Beklagte beantragt,\n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\nSie verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid.\n\nDer Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens nach § 109\nSozialgerichtsgesetz (SGG) bei Prof. Dr. F.-B., einer erganzenden\nStellungnahme von Prof. Dr. Dr. N. sowie eines Gutachtens von Prof. Dr. P.\nHinsichtlich des Ergebnisses wird auf die schriftlichen Gutachten vom\n19.12.2002 und 13.06.2003 sowie auf die schriftliche Stellungnahme vom\n11.04.2003 verwiesen.\n\nWegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den\nInhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten;\nder Inhalt der Beiakte war Gegenstand der mundlichen Verhandlung.\n\n## Entscheidungsgründe\n\nDie Berufung ist zulassig, aber unbegrundet. Zu Recht hat das SG die Klage\nabgewiesen. Eine Berufskrankheit nach den Nrn. 1102, 1303 und 2402 der Anlage\nzur BKV lag bei M. nicht vor. Dies steht zur Überzeugung des Senats nach dem\nErgebnis der Beweisaufnahme fest.\n\nUnter Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 SGB VII Krankheiten zu verstehen,\ndie die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates\nals Berufskrankheiten bezeichnet und die die Versicherten infolge einer den\nVersicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begrundenden Tatigkeit\nerleiden.\n\nEine Berufskrankheit nach der Nr. 2402 der Anlage zur BKV (Erkrankungen durch\nionisierende Strahlen) liegt nicht vor.\n\nBei M. wurde im April 1996 die Diagnose einer chronisch-lymphatischen Leukamie\n(CLL), damals Stadium I nach Rai, gestellt. 1998 wurde die Diagnose mittels\nKnochenmarkhistologie bestatigt. Die CLL ist ein leukamisches Non-Hodgkin-\nLymphom der B-Zellreihe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur\nÜberzeugung des Senats fest, dass die CLL anders als akute lymphatische, akute\nmyeloische und chronische myeloische Leukamie nicht strahleninduziert ist.\n\nDer Sachverstandige Prof. Dr. F.-B. vertritt allerdings die Auffassung, dass\nauch die CLL durch ionisierende Strahlen verursacht werden kann. In seinem\ngemaß § 109 SGG eingeholten Gutachten fuhrt er aus, Non-Hodgkin-Lymphome (NHL)\nseien eindeutig strahleninduzierbar. Beim B-Zelltyp gehe man davon aus, dass\ndie Tumorbildung durch eine einzelne maligne veranderte Zelle -einen\nB-Lymphozyten- initiiert werde. Dieser gleiche Entstehungsmechanismus und die\nTatsache, dass bei allen Formen der B-NHL erkennbare Chromosomenaberrationen\nin den Lymphozyten als Indikator fur eine auch durch Strahlen erzeugbare\nMutation auftraten, erlaubten es nicht, bei der B-CLL eine Unempfindlichkeit\ngegenuber ionisierender Strahlung anzunehmen. Die zur Verwirrung beitragende\nTatsache, dass die CLL fruher nicht als Strahlenfolge bekannt geworden sei,\nhange unter anderem damit zusammen, dass diese Art Erkrankung selten auftrete,\ndie Latenzzeiten sehr lang seien und die CLL wegen der niedrigen Malignitat\nauch fruher mit langen Überlebenszeiten einher gegangen und daher haufig nicht\nals Todesursache registriert worden sei. Mehrere große menschliche Kollektive,\naus denen die Strahlenforschung ihre Erkenntnisse gezogen habe - die\nÜberlebenden der Atombombenabwurfe auf Hiroshima und Nagasaki sowie Kollektive\nnach medizinischer Strahlentherapie zur Behandlung von M. Bechterew und wegen\ngynakologischer Erkrankungen - seien jedoch bezuglich der Krebsmortalitat\nuntersucht worden. Auch andere maligne Lymphome seien lange nicht als Folge\nvon Strahleneffekten beachtet worden, obwohl sie schon fruh in direktem\nZusammenhang, quasi als Folge von beruflicher Strahlenexposition - aber\ndennoch nach relativ geringer Strahlendosis -, registriert worden seien.\n\nDemgegenuber hat der Sachverstandige Prof. Dr. N. in seinem Gutachten vom\n06.03.2001 ausgefuhrt, eine von ihm durchgefuhrte ausfuhrliche\nLiteraturrecherche unter besonderer Berucksichtigung des Berichts BEIR V, der\nden Stand der Wissenschaft zur Frage strahleninduzierter Leukamien bis zum\nJahr 1990 wiedergebe, habe keine Hinweise auf ein strahlungsassoziiertes\nAuftreten der CLL ergeben. Nach neuesten Untersuchungen werde dies mit\nmolekularbiologischen Besonderheiten der CLL-Zellen im Vergleich zu anderen\nLeukamieformen in Verbindung gebracht. Die Durchsicht der Arbeiten zum Problem\nder strahleninduzierten Leukamien, die nach dem BEIR V-Report von 1990\nerschienen seien, bestatigten die Aussage des BEIR-Report V. Dies gelte auch\nfur eine Reihe neuer Untersuchungen unter Betroffenen der Kernreaktorexplosion\nvon Tschernobyl. Hier hatten sich im Grunde die gleichen Ergebnisse\nhinsichtlich strahleninduzierter Tumorerkrankungen ergeben wie bei den\nUntersuchungen an Überlebenden der Atombombenabwurfe in Japan. In seiner\nerganzenden Stellungnahme vom 11.04.2003 hat der Sachverstandige darauf\nhingewiesen, es gebe auch in neuesten Arbeiten bis ins Jahr 2002 keine\ngesicherten Erkenntnisse, dass die B-CLL durch ionisierende Strahlen induziert\nwerden konne.\n\nDiese Einschatzung wird bestatigt durch das Gutachten des Sachverstandigen\nProf. Dr. P. In diesem wurde ausgefuhrt, in vielen zum Teil sehr umfangreichen\nUntersuchungen mit hoheren Fallzahlen werde die CLL nicht als eigene Entitat\nberucksichtigt und mit Zahlen belegt oder sie werde explizit bei den\nBerechnungen herausgenommen. Prof. Dr. P. hat insbesondere Bezug genommen auf\nneuere Untersuchungen zum Risiko der Induktion einer CLL durch ionisierende\nStrahlen (im Einzelnen: Folgen der Radioaktivitat durch Atombombenexplosion\nuber Hiroshima und Nagasaki (Zeeb, 1998); Folgen der Atombombenversuche in\nEngland (Muirhead, CR 2003); Uranproduktion in Springfields (McGeoghegan,\n2000); Nuklearer Mayak Komplex (Shinikova, 2003); gesundheitliche Folgen bei\nHelfern nach Explosion des Kernkraftwerkes Tschernobyl (Konogorov, 2000);\nStrahlentherapie bei Kindern (Paulino, 2000); Überlebende in Japan nach\nAtombomben/Strahlentherapie bei malignen und benignen Erkrankungen (Little MP,\n1999); Radiologen und Angestellte in radiologischen Abteilungen in den USA\n(Mohan, 2003); Therapiestudie bei CLL-Patienten nach Reaktorunfall in\nTschernobyl (Klymenko, 2003)). Bei keiner dieser Untersuchungen konnte ein\nverstarktes Auftreten der CLL festgestellt werden. Dementsprechend kam Prof.\nDr. P. zu dem Ergebnis, dass es keine Evidenz gebe, dass die bei M.\ndiagnostizierte B-CLL durch eine erhohte Belastung mit ionisierenden Strahlen\nverursacht worden sei.\n\nNach diesem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat zu der Überzeugung\ngelangt, dass bei M. keine Berufskrankheit nach Nr. 2402 der Anlage zur BKV\nbestand. Der Senat schließt sich insoweit der Einschatzung der\nSachverstandigen Prof. Dr. N. und Prof. Dr. P. an. Die abweichende Auffassung\ndes Sachverstandigen Prof. Dr. F.-B. vermag nicht zu uberzeugen. Sein\nGutachten leidet darunter, dass der Sachverstandige die gesicherten\nErkenntnisse uber die Strahleninduzierbarkeit einzelner NHL (z. B.\nlymphoplasmozytisches Immunozytom) auf die CLL ubertragt, ohne dass dafur\nstatistische Inzidenzdaten vorliegen. Dies ist auch der Grund dafur, dass der\nSachverstandige Prof. Dr. F.-B. zu Unrecht annimmt, dass die Entscheidungen\nder Landessozialgerichte Nordrhein-Westfalen und Bayern seine Auffassung\nstutzten. In dem vor dem bayerischen Landessozialgericht (Urteil vom\n05.12.1984 - L 2/KN 14/77 U) verhandelten Fall war - wie das SG bereits\nzutreffend ausgefuhrt hat - ein lymphoplasmozytisches Immunozytom\ndiagnostiziert worden, was unstrittig strahleninduziert auftreten kann. Im\nzweiten Fall, der vom LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 05.12.1991 - L 1 U\n45/87) entschieden wurde, ging es um eine Leukamiemischform aus CLL und\nImmunozytom. Auch hier konnte in Übereinstimmung mit dem Stand der\nWissenschaft die Strahlenexposition ursachlicher Ausloser der Erkrankung\ngewesen sein.\n\nDie Gutachten der Sachverstandigen Prof. Dr. N. und Prof. Dr. P. sind dagegen\nfrei von Widerspruchen und uberzeugend. Der Senat hat keine Bedenken, den\nAusfuhrungen dieser Sachverstandigen zu folgen, zumal auch Übereinstimmung mit\ndem im Verwaltungsverfahren von der Beklagten eingeholten Gutachten von Prof.\nDr. Dr. K. besteht. Auch dieser hatte bereits darauf hingewiesen, dass die CLL\nnicht strahleninduziert ist. Ebenso fuhren Schonberger-Mehrtens-Valentin\n(Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, S. 1017 und 1024) aus,\ndass nach Anwendung ionisierender Strahlen uber vermehrtes Auftreten von\nLymphomen berichtet werde; eine Radiogenese bei allen Non-Hodgkin-Lymphomen\nsei allerdings nicht gesichert. Vor allem gelte dies fur die chronisch-\nlymphatische Leukamie, die wohl nicht durch ionisierende Strahlung induziert\nwerde. Auf Seite 1024 heißt es, dass die Ursache der CLL unklar sei; eine\nVerursachung durch ionisierende Strahlen sei nicht bekannt.\n\nDa aufgrund der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats feststeht, dass die\nCLL nicht strahleninduziert ist, ist es unerheblich, woran die Arbeitskollegen\ndes M. gestorben sind.\n\nBei M. lag auch keine Berufskrankheit nach Nr.1303 der Anlage zur BKV\n(Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder durch Styrol) vor. Insoweit\nfehlt es, wie das SG zu Recht festgestellt hat, bereits an den\narbeitstechnischen Voraussetzungen. Nach Schonberger-Mehrtens-Valentin (a. a.\nO., S. 1016) mussen Expositionsbedingungen mit langjahriger, chronischer\nberuflicher Benzolbelastung vorliegen. Daran fehlt es hier.\n\nDer TAD der Beklagten hat in seiner Stellungnahme vom 14.01.1999 dazu\nausgefuhrt, M. sei nach seiner Ausbildung als Rohrschlosser und\nRohrinstallateur von Dezember bis Juli 1954 im Instandhaltungsbereich tatig\nund im Hochofenbereich mit Rohrverlegearbeiten beschaftigt gewesen. Die\nMontage und Demontage von Gichtgas- und Heißwindleitungen sowie der damit\nverbundenen Filter- und Kuhlanlagen hatten den Arbeitsschwerpunkt gebildet.\nDabei waren Brenn- und Schweißarbeiten sowie umfangreiche Montage- und\nTransportarbeiten angefallen. Im vorgenannten Arbeitsumfeld sei M. uberwiegend\ngegenuber Brenn- und Schweißrauchen sowie in geringem Maße uber den Verlauf\neinzelner Schichten gegenuber Gichtgasen ausgesetzt gewesen. Eine Exposition\ngegenuber Benzol konne aus verfahrenstechnischen Grunden ausgeschlossen\nwerden. Weiterhin seien in einem Telefonat mit M. die fruheren Arbeitsplatze\nin der Warmestelle gezielt hinterfragt worden. Das Reinigen der Messskalen sei\nmit Papier und Putzwolle erfolgt, um die Glaswandungen von\nQuecksilberverunreinigungen zu befreien. Benzol habe M. bis Anfang der 70-er\nJahre sicherlich zur Verfugung gestanden, habe aber nur in seltenen Fallen\nVerwendung gefunden, wenn hartnackige Teer- oder Ölverschmutzungen zu\nentfernen gewesen seien. In einem ausfuhrlichen Gesprach habe M. vorgenannte\nArbeits- und Gefahrstoffe uberhaupt nicht erwahnt. Eine Belastung in\nkritischer Hohe durch Benzol konne somit ausgeschlossen werden.\n\nDies entspricht im Wesentlichen auch den Angaben, die M. anlasslich des\nHausbesuchs durch einen BK-Sonderbeauftragten am 22.07.1998 gemacht hatte.\nDort gab M. an, es habe kein taglicher Kontakt zu Benzol wahrend seiner Zeit\nin der Mess- und Regelabteilung bestanden und Benzol sei lediglich beim\nReinigen der teerverschmutzten Gerate benutzt worden. Auch die D. Huttenwerke\nAG verneinte in ihrer Auskunft vom 24.08.1998 eine Gefahrdung durch Benzol\noder benzolhaltige Stoffe. Vor diesem Hintergrund besteht keine Veranlassung,\nder Anregung des Sachverstandigen Prof. Dr. F.-B. zu folgen und die Menge des\nverdunsteten Benzols, die der ehemalige Arbeitgeber des M. nachkaufen musste,\nzu ermitteln.\n\nLetztlich bestand bei M. auch keine Berufskrankheit nach Nr. 1102 der Anlage\nzur BKV (Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen). Die CLL, an\nder M. erkrankt war, zahlt nicht zu den Erkrankungen, die durch Quecksilber\noder seine Verbindungen verursacht werden (vgl. Mehrhoff-Muhr,\nUnfallbegutachtung, 10. Auflage 1999, S. 197 f.; Pschyrembel, Klinisches\nWorterbuch, 259. Auflage, 2002, Stichwort "Quecksilbervergiftung").\n\nNach alledem war die Berufung der Klagerin zuruckzuweisen.\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.\n\nGrunde fur die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.\n\n## Gründe\n\nDie Berufung ist zulassig, aber unbegrundet. Zu Recht hat das SG die Klage\nabgewiesen. Eine Berufskrankheit nach den Nrn. 1102, 1303 und 2402 der Anlage\nzur BKV lag bei M. nicht vor. Dies steht zur Überzeugung des Senats nach dem\nErgebnis der Beweisaufnahme fest.\n\nUnter Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 SGB VII Krankheiten zu verstehen,\ndie die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates\nals Berufskrankheiten bezeichnet und die die Versicherten infolge einer den\nVersicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begrundenden Tatigkeit\nerleiden.\n\nEine Berufskrankheit nach der Nr. 2402 der Anlage zur BKV (Erkrankungen durch\nionisierende Strahlen) liegt nicht vor.\n\nBei M. wurde im April 1996 die Diagnose einer chronisch-lymphatischen Leukamie\n(CLL), damals Stadium I nach Rai, gestellt. 1998 wurde die Diagnose mittels\nKnochenmarkhistologie bestatigt. Die CLL ist ein leukamisches Non-Hodgkin-\nLymphom der B-Zellreihe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur\nÜberzeugung des Senats fest, dass die CLL anders als akute lymphatische, akute\nmyeloische und chronische myeloische Leukamie nicht strahleninduziert ist.\n\nDer Sachverstandige Prof. Dr. F.-B. vertritt allerdings die Auffassung, dass\nauch die CLL durch ionisierende Strahlen verursacht werden kann. In seinem\ngemaß § 109 SGG eingeholten Gutachten fuhrt er aus, Non-Hodgkin-Lymphome (NHL)\nseien eindeutig strahleninduzierbar. Beim B-Zelltyp gehe man davon aus, dass\ndie Tumorbildung durch eine einzelne maligne veranderte Zelle -einen\nB-Lymphozyten- initiiert werde. Dieser gleiche Entstehungsmechanismus und die\nTatsache, dass bei allen Formen der B-NHL erkennbare Chromosomenaberrationen\nin den Lymphozyten als Indikator fur eine auch durch Strahlen erzeugbare\nMutation auftraten, erlaubten es nicht, bei der B-CLL eine Unempfindlichkeit\ngegenuber ionisierender Strahlung anzunehmen. Die zur Verwirrung beitragende\nTatsache, dass die CLL fruher nicht als Strahlenfolge bekannt geworden sei,\nhange unter anderem damit zusammen, dass diese Art Erkrankung selten auftrete,\ndie Latenzzeiten sehr lang seien und die CLL wegen der niedrigen Malignitat\nauch fruher mit langen Überlebenszeiten einher gegangen und daher haufig nicht\nals Todesursache registriert worden sei. Mehrere große menschliche Kollektive,\naus denen die Strahlenforschung ihre Erkenntnisse gezogen habe - die\nÜberlebenden der Atombombenabwurfe auf Hiroshima und Nagasaki sowie Kollektive\nnach medizinischer Strahlentherapie zur Behandlung von M. Bechterew und wegen\ngynakologischer Erkrankungen - seien jedoch bezuglich der Krebsmortalitat\nuntersucht worden. Auch andere maligne Lymphome seien lange nicht als Folge\nvon Strahleneffekten beachtet worden, obwohl sie schon fruh in direktem\nZusammenhang, quasi als Folge von beruflicher Strahlenexposition - aber\ndennoch nach relativ geringer Strahlendosis -, registriert worden seien.\n\nDemgegenuber hat der Sachverstandige Prof. Dr. N. in seinem Gutachten vom\n06.03.2001 ausgefuhrt, eine von ihm durchgefuhrte ausfuhrliche\nLiteraturrecherche unter besonderer Berucksichtigung des Berichts BEIR V, der\nden Stand der Wissenschaft zur Frage strahleninduzierter Leukamien bis zum\nJahr 1990 wiedergebe, habe keine Hinweise auf ein strahlungsassoziiertes\nAuftreten der CLL ergeben. Nach neuesten Untersuchungen werde dies mit\nmolekularbiologischen Besonderheiten der CLL-Zellen im Vergleich zu anderen\nLeukamieformen in Verbindung gebracht. Die Durchsicht der Arbeiten zum Problem\nder strahleninduzierten Leukamien, die nach dem BEIR V-Report von 1990\nerschienen seien, bestatigten die Aussage des BEIR-Report V. Dies gelte auch\nfur eine Reihe neuer Untersuchungen unter Betroffenen der Kernreaktorexplosion\nvon Tschernobyl. Hier hatten sich im Grunde die gleichen Ergebnisse\nhinsichtlich strahleninduzierter Tumorerkrankungen ergeben wie bei den\nUntersuchungen an Überlebenden der Atombombenabwurfe in Japan. In seiner\nerganzenden Stellungnahme vom 11.04.2003 hat der Sachverstandige darauf\nhingewiesen, es gebe auch in neuesten Arbeiten bis ins Jahr 2002 keine\ngesicherten Erkenntnisse, dass die B-CLL durch ionisierende Strahlen induziert\nwerden konne.\n\nDiese Einschatzung wird bestatigt durch das Gutachten des Sachverstandigen\nProf. Dr. P. In diesem wurde ausgefuhrt, in vielen zum Teil sehr umfangreichen\nUntersuchungen mit hoheren Fallzahlen werde die CLL nicht als eigene Entitat\nberucksichtigt und mit Zahlen belegt oder sie werde explizit bei den\nBerechnungen herausgenommen. Prof. Dr. P. hat insbesondere Bezug genommen auf\nneuere Untersuchungen zum Risiko der Induktion einer CLL durch ionisierende\nStrahlen (im Einzelnen: Folgen der Radioaktivitat durch Atombombenexplosion\nuber Hiroshima und Nagasaki (Zeeb, 1998); Folgen der Atombombenversuche in\nEngland (Muirhead, CR 2003); Uranproduktion in Springfields (McGeoghegan,\n2000); Nuklearer Mayak Komplex (Shinikova, 2003); gesundheitliche Folgen bei\nHelfern nach Explosion des Kernkraftwerkes Tschernobyl (Konogorov, 2000);\nStrahlentherapie bei Kindern (Paulino, 2000); Überlebende in Japan nach\nAtombomben/Strahlentherapie bei malignen und benignen Erkrankungen (Little MP,\n1999); Radiologen und Angestellte in radiologischen Abteilungen in den USA\n(Mohan, 2003); Therapiestudie bei CLL-Patienten nach Reaktorunfall in\nTschernobyl (Klymenko, 2003)). Bei keiner dieser Untersuchungen konnte ein\nverstarktes Auftreten der CLL festgestellt werden. Dementsprechend kam Prof.\nDr. P. zu dem Ergebnis, dass es keine Evidenz gebe, dass die bei M.\ndiagnostizierte B-CLL durch eine erhohte Belastung mit ionisierenden Strahlen\nverursacht worden sei.\n\nNach diesem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat zu der Überzeugung\ngelangt, dass bei M. keine Berufskrankheit nach Nr. 2402 der Anlage zur BKV\nbestand. Der Senat schließt sich insoweit der Einschatzung der\nSachverstandigen Prof. Dr. N. und Prof. Dr. P. an. Die abweichende Auffassung\ndes Sachverstandigen Prof. Dr. F.-B. vermag nicht zu uberzeugen. Sein\nGutachten leidet darunter, dass der Sachverstandige die gesicherten\nErkenntnisse uber die Strahleninduzierbarkeit einzelner NHL (z. B.\nlymphoplasmozytisches Immunozytom) auf die CLL ubertragt, ohne dass dafur\nstatistische Inzidenzdaten vorliegen. Dies ist auch der Grund dafur, dass der\nSachverstandige Prof. Dr. F.-B. zu Unrecht annimmt, dass die Entscheidungen\nder Landessozialgerichte Nordrhein-Westfalen und Bayern seine Auffassung\nstutzten. In dem vor dem bayerischen Landessozialgericht (Urteil vom\n05.12.1984 - L 2/KN 14/77 U) verhandelten Fall war - wie das SG bereits\nzutreffend ausgefuhrt hat - ein lymphoplasmozytisches Immunozytom\ndiagnostiziert worden, was unstrittig strahleninduziert auftreten kann. Im\nzweiten Fall, der vom LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 05.12.1991 - L 1 U\n45/87) entschieden wurde, ging es um eine Leukamiemischform aus CLL und\nImmunozytom. Auch hier konnte in Übereinstimmung mit dem Stand der\nWissenschaft die Strahlenexposition ursachlicher Ausloser der Erkrankung\ngewesen sein.\n\nDie Gutachten der Sachverstandigen Prof. Dr. N. und Prof. Dr. P. sind dagegen\nfrei von Widerspruchen und uberzeugend. Der Senat hat keine Bedenken, den\nAusfuhrungen dieser Sachverstandigen zu folgen, zumal auch Übereinstimmung mit\ndem im Verwaltungsverfahren von der Beklagten eingeholten Gutachten von Prof.\nDr. Dr. K. besteht. Auch dieser hatte bereits darauf hingewiesen, dass die CLL\nnicht strahleninduziert ist. Ebenso fuhren Schonberger-Mehrtens-Valentin\n(Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, S. 1017 und 1024) aus,\ndass nach Anwendung ionisierender Strahlen uber vermehrtes Auftreten von\nLymphomen berichtet werde; eine Radiogenese bei allen Non-Hodgkin-Lymphomen\nsei allerdings nicht gesichert. Vor allem gelte dies fur die chronisch-\nlymphatische Leukamie, die wohl nicht durch ionisierende Strahlung induziert\nwerde. Auf Seite 1024 heißt es, dass die Ursache der CLL unklar sei; eine\nVerursachung durch ionisierende Strahlen sei nicht bekannt.\n\nDa aufgrund der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats feststeht, dass die\nCLL nicht strahleninduziert ist, ist es unerheblich, woran die Arbeitskollegen\ndes M. gestorben sind.\n\nBei M. lag auch keine Berufskrankheit nach Nr.1303 der Anlage zur BKV\n(Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder durch Styrol) vor. Insoweit\nfehlt es, wie das SG zu Recht festgestellt hat, bereits an den\narbeitstechnischen Voraussetzungen. Nach Schonberger-Mehrtens-Valentin (a. a.\nO., S. 1016) mussen Expositionsbedingungen mit langjahriger, chronischer\nberuflicher Benzolbelastung vorliegen. Daran fehlt es hier.\n\nDer TAD der Beklagten hat in seiner Stellungnahme vom 14.01.1999 dazu\nausgefuhrt, M. sei nach seiner Ausbildung als Rohrschlosser und\nRohrinstallateur von Dezember bis Juli 1954 im Instandhaltungsbereich tatig\nund im Hochofenbereich mit Rohrverlegearbeiten beschaftigt gewesen. Die\nMontage und Demontage von Gichtgas- und Heißwindleitungen sowie der damit\nverbundenen Filter- und Kuhlanlagen hatten den Arbeitsschwerpunkt gebildet.\nDabei waren Brenn- und Schweißarbeiten sowie umfangreiche Montage- und\nTransportarbeiten angefallen. Im vorgenannten Arbeitsumfeld sei M. uberwiegend\ngegenuber Brenn- und Schweißrauchen sowie in geringem Maße uber den Verlauf\neinzelner Schichten gegenuber Gichtgasen ausgesetzt gewesen. Eine Exposition\ngegenuber Benzol konne aus verfahrenstechnischen Grunden ausgeschlossen\nwerden. Weiterhin seien in einem Telefonat mit M. die fruheren Arbeitsplatze\nin der Warmestelle gezielt hinterfragt worden. Das Reinigen der Messskalen sei\nmit Papier und Putzwolle erfolgt, um die Glaswandungen von\nQuecksilberverunreinigungen zu befreien. Benzol habe M. bis Anfang der 70-er\nJahre sicherlich zur Verfugung gestanden, habe aber nur in seltenen Fallen\nVerwendung gefunden, wenn hartnackige Teer- oder Ölverschmutzungen zu\nentfernen gewesen seien. In einem ausfuhrlichen Gesprach habe M. vorgenannte\nArbeits- und Gefahrstoffe uberhaupt nicht erwahnt. Eine Belastung in\nkritischer Hohe durch Benzol konne somit ausgeschlossen werden.\n\nDies entspricht im Wesentlichen auch den Angaben, die M. anlasslich des\nHausbesuchs durch einen BK-Sonderbeauftragten am 22.07.1998 gemacht hatte.\nDort gab M. an, es habe kein taglicher Kontakt zu Benzol wahrend seiner Zeit\nin der Mess- und Regelabteilung bestanden und Benzol sei lediglich beim\nReinigen der teerverschmutzten Gerate benutzt worden. Auch die D. Huttenwerke\nAG verneinte in ihrer Auskunft vom 24.08.1998 eine Gefahrdung durch Benzol\noder benzolhaltige Stoffe. Vor diesem Hintergrund besteht keine Veranlassung,\nder Anregung des Sachverstandigen Prof. Dr. F.-B. zu folgen und die Menge des\nverdunsteten Benzols, die der ehemalige Arbeitgeber des M. nachkaufen musste,\nzu ermitteln.\n\nLetztlich bestand bei M. auch keine Berufskrankheit nach Nr. 1102 der Anlage\nzur BKV (Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen). Die CLL, an\nder M. erkrankt war, zahlt nicht zu den Erkrankungen, die durch Quecksilber\noder seine Verbindungen verursacht werden (vgl. Mehrhoff-Muhr,\nUnfallbegutachtung, 10. Auflage 1999, S. 197 f.; Pschyrembel, Klinisches\nWorterbuch, 259. Auflage, 2002, Stichwort "Quecksilbervergiftung").\n\nNach alledem war die Berufung der Klagerin zuruckzuweisen.\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.\n\nGrunde fur die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.\n\n
128,412
olgsl-2005-07-19-4-u-20804-92
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
4 U 208/04 - 92
2005-07-19
2019-01-07 09:32:17
2019-02-12 12:10:53
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung des Beklagten wird das Grundurteil des Landgerichts\nSaarbrucken vom 5. Marz 2004 - 9 O 137/03 - aufgehoben.\n\nDie Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch uber die Kosten\ndes Berufungsverfahrens, an das Landgericht zuruckverwiesen.\n\n2\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n**I.**\n\nIm vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Klager den beklagten Rechtsanwalt unter\ndem rechtlichen Gesichtspunkt der Schlechterfullung eines Anwaltsvertrages auf\nSchadensersatz in Anspruch.\n\nDer Klager beauftragte die Firma G. und T. T. I. (im Folgenden: Unternehmer)\nmit der Anlegung eines Schwimmteiches im Garten seines Hausanwesens. Wahrend\nder Arbeitsdurchfuhrung kam es zu Kontroversen, da der Klager mit der Qualitat\nund dem zeitlichen Voranschreiten der Arbeiten unzufrieden war.\n\nIm April 2001 beauftragte der Klager den Beklagten mit der Wahrnehmung seiner\nrechtlichen Interessen. Der Beklagten bestellte sich mit Schreiben vom\n9.4.2001 (Bl. 11 d. A.). Das an den Unternehmer gerichtete Schreiben tragt\nauszugsweise folgenden Wortlaut:\n\n> > „Vereinbart war, ... dass Ihr Gewerk zum 1.4.2001 fertig gestellt sein\n> sollte. Zunachst ist darauf hinzuweisen, dass Sie nicht in der Lage waren,\n> Ihren vertraglichen Verpflichtungen, namlich das Gewerk bis zum 1.4.2001\n> fertig zu stellen, nachzukommen. Mein Mandant hat Ihnen gegenuber auch sehr\n> viel Nachsicht walten lassen und Sie standig aufgefordert, die Arbeiten\n> zugig fortzufuhren, damit der Teich zum 1.4.2001 fertig gestellt werden\n> kann. Wie gesagt, diese Leistungsverpflichtung haben Sie nicht erfullt. Da\n> mein Mandant andererseits Ihnen gegenuber bereits erhebliche Vorleistungen\n> erbracht hat, mochte er, zumindest derzeit, nicht ein anderes Unternehmen\n> einschalten. Ich gebe Ihnen hiermit Gelegenheit, Ihre vertraglichen\n> Verpflichtungen zur Herstellung des Schwimmteichs bis zum 10. Mai 2001 zu\n> erfullen. Sollten Sie bis dorthin die vertraglichen Verpflichtungen nicht\n> erfullt haben, werden Sie mit Schadensersatzanspruchen zu rechnen haben.\n> Insbesondere werden Sie die an Sie bereits geleisteten Zahlungen\n> zuruckzuerstatten haben."\n\nIn einem weiteren Schreiben vom 19.4.2001 (Bl. 16 d. A.) wandte sich der\nBeklagte an die Rechtsvertreter des Unternehmers. Auszugsweise lautet das\nSchreiben wie folgt:\n\n> > „Obwohl Ihr Mandant ... nicht unerheblich in Verzug ist, ist mein Mandant\n> nach wie vor bereit, die Leistung Ihres Mandanten dann zu akzeptieren, wenn\n> Sie bis spatestens 10.5.2001 vertragsgemaß erstellt ist... Sollte bis zu\n> diesem Zeitpunkt allerdings Ihr Mandant seine Leistung nicht erbracht haben,\n> musste zu meinem Bedauern die Angelegenheit gerichtlich ausgefochten\n> werden."\n\nAm 10.5.2001 waren die Arbeiten nicht zur Zufriedenheit des Klagers fertig\ngestellt. Dennoch kam der Klager mit dem Unternehmer uberein, dass weitere\nArbeiten nicht mehr vorgenommenen werden sollten. Mit Schreiben vom 14.5.2001\nforderte der Beklagte den Unternehmer zur Zahlung der bereits erhaltenen\nGelder (24.508,40 DM) auf und wies darauf hin, dass der Klager gezwungen sei,\nein Drittunternehmen mit der Herstellung des Werks zu beauftragen.\n\nIm beigezogenen Verfahren 14 O 200/01 des Landgerichts Saarbrucken hat der\nBeklagte fur den Klager Klage auf Ruckzahlung des Werklohns sowie auf\nFeststellung erhoben, dass der Unternehmer verpflichtet ist, dem Klager\nsamtliche Aufwendungen und Schaden zu ersetzen, die durch die Beseitigung des\nvom Beklagten mangelhaft angelegten Teiches entstunden. Die Klage blieb in\nzwei Instanzen ohne Erfolg, da die Voraussetzungen fur einen\nSchadensersatzanspruch wegen der fehlenden Ablehnungsandrohung nicht gegeben\nwaren (Urt. des VII. Senats vom 17.9.2002; BA Bl. 137 ff.). Im dortigen\nBerufungsrechtszug hat der Klager dem Beklagten den Streit verkundet.\n\nDer Klager hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe seine Pflichten aus\ndem Anwaltsvertrag dadurch verletzt, dass er es versaumt habe, in seinem\nSchreiben vom 9.4.2001 eine Ablehnungsandrohung auszusprechen. Er hat\nbehauptet, der Beklagte habe erklart, dass der Klager nach Ablauf der\ngesetzten Frist zum 10.5.2001 den Unternehmer von der Baustelle verweisen, die\nbereits gezahlten Betrage zuruckverlangen und eine Drittfirma auf Kosten des\nUnternehmens beauftragen konne. Am 10.5.2001 habe der Klager gegenuber dem\nUnternehmer die Unterschrift unter eine Abnahme verweigert, was dieser mit den\nWorten: „dann sehen wir uns vor Gericht", quittiert habe.\n\nDer Klager hat behauptet, durch die Pflichtverletzung des Beklagten sei ihm\nein Schaden in Hohe von 36.125,27 Euro entstanden. Im Einzelnen begehrt der\nKlager zunachst die Erstattung der Anwalts- und Gerichtsgebuhren des\nVorprozesses sowie die Erstattung des Werklohns der Firma K., die nach dem\nVortrag des Klagers mit der Mangelbeseitigung und der Fertigstellung der\nArbeiten beauftragt worden sei. Weiterhin begehrt der Klager den Ausgleich\neigener Aufwendungen, die der Klager zum Zwecke der Schadensminderung\nveranlasst haben will, sowie die Ruckzahlung von uberzahltem Werklohn.\n\nDem ist der Beklagte entgegengetreten. Der Beklagte hat vorgetragen, seine\nAufgabe habe lediglich darin bestanden, auf den Unternehmer Druck auszuuben.\nVon daher habe er auch im Hinblick auf die bereits geleisteten Betrage von\neiner Ablehnungsandrohung bewusst abgesehen. Er habe den Klager nachhaltig\nangehalten, nicht zu kundigen. Dabei sei ausdrucklich hervorgehoben worden,\ndass er alleine die nach dem 10.5.2001 bestehende Rechts- und Tatsachenlage zu\nbeurteilen habe. Über den herkommlichen Mechanismus\nRuge/Nachbesserungsaufforderung/Ablehnungsandrohung/Schadensersatz habe er den\nKlager belehrt. Der Klager habe ohne Rucksprache mit ihm den Werkvertrag\ngekundigt.\n\nDas Landgericht hat die Klage im angefochtenen Grundurteil dem Grunde nach fur\ngerechtfertigt erklart. Es hat hierzu ausgefuhrt: Der Beklagte sei dem Klager\ngegenuber zum Schadensersatz wegen einer positiven Vertragsverletzung des\nAnwaltsvertrags verpflichtet, da er es verabsaumt habe, die Frist zum\n10.5.2001 mit einer Ablehnungsandrohung zu versehen. In jedem Fall ware er\ngehalten gewesen, den Klager eingehend uber die aus der fehlenden\nAblehnungsandrohung resultierenden Risiken aufzuklaren. Nach dem Ergebnis der\nBeweisaufnahme konne nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte dem\nKlager unmissverstandlich klar gemacht habe, mit Ablauf der Frist weder\nkundigen noch Nachfolgeunternehmen beauftragen zu konnen.\n\nHiergegen wendet sich die Berufung des Beklagten, mit der er die Abweisung der\nKlage erstrebt.\n\nDer Beklagte vertritt die Auffassung, die Aufklarungspflicht eines\nRechtsanwaltes gehe nicht so weit, dass er seinen Mandanten zu uberwachen\nhabe. Der Beklagte habe sicher sein durfen, dass der Klager bis zum 10.5.2001\nwie vereinbart abwarten wurde. Zudem habe keinerlei Zeitdruck bestanden,\nunmittelbar nach Ablauf der Frist zu kundigen.\n\nDem Klager stunden keine Schadensersatzanspruche zu, da der Vorprozess falsch\nentschieden worden sei. Der Beklagte sei aufgrund der Interventionswirkung\nnicht an das Ergebnis des Vorprozesses gebunden, da er im Falle eines\nBeitrittes seine Rechtsverteidigung zumindest darauf hatte ausrichten mussen,\ndass ein Werkvertrag bestanden habe. Weiterhin sei zu berucksichtigen, dass\nder Werkvertrag in jedem Fall wegen Verkurzung der Mehrwertsteuer sittenwidrig\nund damit nichtig sei. Schließlich rugt der Beklagte, der Klager sei auch in\nder Berufungsinstanz nicht ordnungsgemaß vertreten, da die Sozietat der\nProzessbevollmachtigten des Klagers im Vorprozess die Interessen des\nUnternehmers vertreten hatte.\n\nDer Beklagte beantragt,\n\n> > unter Abanderung des erstinstanzlichen Urteils vom 5.3.2004 die Klage\n> abzuweisen; hilfsweise den Rechtsstreit unter Aufhebung der angefochtenen\n> Entscheidung an das Landgericht zuruckzuverweisen.\n\nDer Klager beantragt,\n\n> > die Berufung zuruckzuweisen.\n\nDer Klager verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt die\nAuffassung der Beklagte durfe sich bereits aus prozessualen Grunden nicht\ndarauf berufen, dass zwischen dem Klager und dem Unternehmer wegen Dissenses\nkein Werkvertrag vorgelegen habe. Ein solcher Sachvortrag sei neu.\nHinsichtlich des Vorwurfs des Parteiverrats tragt der Klager vor, dass die\nInteressen des Unternehmers im Vorprozess ausschließlich von Rechtsanwalt J.\nK. wahrgenommen worden seien, nicht hingegen von der Rechtsanwaltin M.\nBezuglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den\nInhalt der gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen, hinsichtlich des\nErgebnisses der mundlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der mundlichen\nVerhandlung (Bl. 288 ff. d. A.) Bezug genommen. Weiter wird auf die\ntatsachlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.\n\n**II.**\n\nA. Die Berufung ist zulassig. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten\nbestehen gegen die Wirksamkeit der Prozessvollmacht der\nProzessbevollmachtigten des Klagers keine durchgreifenden Bedenken:\n\n1\\. Zwar finden die Vorschrift des Burgerlichen Rechts, die das der\nProzessvollmacht zugrunde liegende Rechtsverhaltnis im Innenverhaltnis\nzwischen Rechtsanwalt und Mandant regeln, auf die Wirksamkeit der\nProzessvollmacht im Regelfall keine Anwendung (statt aller: Stein/Jonas/Borg,\nZPO, 22. Aufl., § 80 Rdnr. 5; BGH, Urt. v. 18.11.2003 - XI ZR 332/02, NJW\n2004, 844). Jedoch gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos. Vielmehr ist es in\nder Rechtsprechung anerkannt, dass insbesondere ein Verstoß gegen das\nRechtsberatungsgesetz (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG) i. V. m. § 134 BGB auch die\nProzessvollmacht erfasst. Denn der durch das Verbotsgesetz vermittelte Schutz\nware nicht zu erreichen, wenn der Prozessbevollmachtigte trotz Nichtigkeit des\nGrundverhaltnisses die Rechtsmacht besaße, durch Prozesshandlungen den Schaden\nzu vertiefen, den das Schutzgesetz abwenden will (BGHZ 154, 283, 286, Urt. v.\n22.10.2003 - IV ZR 398/02, NJW 2004, 59; Zoller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., §\n80 Rdnr. 2). Dieser Rechtsgedanke ist auf den in Frage stehenden Verstoß gegen\ndas strafbewehrte Verbot des Parteiverrats zu ubertragen: Die durch das\nStrafgesetz vermittelte Schutzfunktion liefe ins Leere, wenn der Mandant die\nProzessfuhrung des Rechtsanwalts, der in strafbarer Weise gegen das Verbot der\ngleichzeitigen Wahrnehmung widerstreitender Interessen zuwiderhandelt, auf der\nprozessualen Ebene hinnehmen musste.\n\n2\\. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten liegen jedoch die\nVoraussetzungen des strafbaren Parteiverrats nicht vor:\n\nDer Straftatbestand des § 356 Abs. 1 StGB ist erfullt, wenn ein Anwalt in\nderselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig\ndient. Es kann dahinstehen, ob der Streitstoff des vorliegenden Verfahrens mit\ndem Streitstoff des Vorprozesses identisch ist, weshalb es sich im Sinne des §\n356 StGB beim Vorprozess und dem vorliegenden Verfahren um dieselbe\nRechtssache handeln mag (vgl. hierzu Schonke/Schroder/Cramer, StGB, 26. Aufl.,\n§ 356 Rdnr. 12; Trondle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 356 Rdnr. 5). Denn § 356\nStGB setzt weiter voraus, dass in beiden Fallen die gleichen Parteien\nvertreten sein mussen. Daran fehlt es:\n\nDas Buro der Prozessbevollmachtigten des Klagers hat im Vorprozess nicht die\nInteressen des hiesigen Beklagten wahrgenommen, sondern die Interessen des am\nvorliegenden Verfahren unbeteiligten Unternehmers vertreten. Kein anderes\nRechtsverstandnis legt die vom Beklagten zit. Entscheidung des\nBundesgerichtshofs (BGHSt 34, 190, 191 ff.) nahe. Denn im dort entschiedenen\nFall lag das inkriminierte Verhalten darin, dass der Rechtsanwalt den ihm\nanvertrauten Verfahrensstoff bei einem anderen Auftragsverhaltnis verwendet\nhat, indem er dem nunmehrigen Gegner seines fruheren Auftraggebers seinen Rat\noder Beistand gewahrte (vgl. auch BGHSt 18, 192, 193 f.). Übertragen auf den\nvorliegend zu entscheidenden Sachverhalt ware der Straftatbestand dann\nerfullt, wenn die Prozessbevollmachtigte des Klagers in einem Prozess gegen\nden Unternehmer Kenntnisse verwertet, die ihr aus dem Vorprozess von ihrem\ndamaligen Mandanten anvertraut wurden.\n\nIn jedem Fall scheitert die Verwirklichung des Straftatbestandes daran, dass\neine Interessenwahrnehmung der Prozessbevollmachtigten des Klagers nicht\npflichtwidrig geschieht. Eine Pflichtwidrigkeit der gleichzeitigen\nInteressenwahrnehmung ist nur dann gegeben, wenn die Interessenwahrnehmung in\nder zweiten Rechtssache den Interessen des ersten Mandanten zuwiderliefe,\nindem der Rechtsanwalt nunmehr den entgegengesetzten Rechtsstandpunkt vertritt\n(Schonke/Schroder/Cramer, aaO. § 356 Rdnr. 17; Trondle/Fischer, StGB, 51.\nAufl., § 356 Rdnr. 7). Dieser Vorwurf trifft die Prozessbevollmachtigte des\nKlagers nicht, da der streitgegenstandliche Haftungsprozess nur dann Aussicht\nauf Erfolg verspricht, wenn der Klager die materielle Richtigkeit der im\nVorprozess ergangenen Entscheidung anerkennt: Der Klager leitet seine\nAnspruche daraus her, dass das richtige Prozessergebnis auf einer fehlerhaften\nanwaltlichen Dienstleistung beruht.\n\n3\\. Es kann offen bleiben, ob die Verletzung berufsrechtlicher Regelungen\nunterhalb der Schwelle der § 356 Abs. 1 StGB zur Nichtigkeit der\nProzessvollmacht fuhrt (dagegen: OLG Hamm, VRS 107, 194) und in welchem Umfang\nsich ein eventueller Interessenkonflikt auf die gesamte Sozietat aller zur\ngemeinsamen Berufsausubung verbundenen Rechtsanwalte in der Sozietat der\nProzessbevollmachtigten des Klagers erstreckt. Im Ergebnis ist die\nProzessvertretung des Klagers im vorliegenden Prozess auch am Maßstab des §\n43a Abs. 4 BRAO nicht zu beanstanden. Nach dieser Vorschrift darf ein\nRechtsanwalt keine widerstreitenden Interessen vertreten. In Anbetracht des\nUmstandes, dass der Vorprozess inzwischen rechtskraftig beendet wurde, ist\neine aktuelle Gefahrdung der Interessen des Unternehmers nicht erkennbar.\nSchließlich ist die Gefahr eines sich in Anlehnung an Ziff. 3.2.3 BORA\nergebenden Interessenkonflikts nicht hinreichend konkret: Es ist nicht\nersichtlich, dass der Prozessbevollmachtigten des Klagers die Kenntnis der\nAngelegenheit ihres fruheren Mandanten dem neuen Mandanten zu einem\nungerechtfertigten Vorteil gereichen wurde, indem sie ihre erfolgreiche\nProzessfuhrung auf dem Klager nicht zugangliche Informationen stutzt, die dem\nfruheren Prozessbevollmachtigten des Unternehmers im Vertrauen auf die\nanwaltliche Verschwiegenheitspflicht von dem Unternehmer im Vorprozess\nanvertraut worden sind.\n\nB. Die Berufung ist in der Sache begrundet. Zwar hat der Beklagte seine\nanwaltlichen Pflichten verletzt (1). Dennoch war der Erlass eines Grundurteils\nnicht statthaft, da bislang nicht mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass\ndem Klager aus der Pflichtverletzung in irgendeiner Hohe ein Schaden\nentstanden ist (2). Soweit die Berufung die Abweisung der Klage erstrebt, war\ndem Rechtsmittel kein Erfolg beschieden (3).\n\n1\\. Mit zutreffenden Erwagungen ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt,\ndass der Beklagte die ihm obliegenden Pflichten aus dem Anwaltsvertrag\nverletzt hat.\n\na) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dem der Senat folgt, muss\nein Anwalt bei der Erfullung seiner Pflichten den sichersten Weg wahlen, der\nden Interessen seines Mandanten auf sachgerechte und zweckmaßige Weise dient.\nDer beratende Rechtsanwalt ist - ausgehend von einer sachgerechten Ermittlung\nder Interessen seines Mandanten - zur allgemeinen, umfassenden und moglichst\nerschopfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet. Stehen mehrere Wege\noffen, um das angestrebte Ziel zu erreichen, so ist der Rechtsanwalt gehalten,\ndie unterschiedlichen Wege und die damit verbundenen Risiken und Nachteile in\neiner verstandlichen Weise aufzuzeigen, damit der Mandant alle vorhersehbaren\nGefahren, die einer erfolgversprechenden Verfolgung seiner Interessen\nentgegenstehen, vermeiden kann (vgl. BGH, Urt. v. 29.4.1993 - IX ZR 101/02,\nNJW 1993, 2045, 2046; Urt. v. 28.6.1990 - IX ZR 209/89, NJW-RR 1990, 1241;\nkrit. Borgmann/Haug, Anwaltshaftung, 3. Aufl., S. 135 ff.).\n\nb) Wendet man diese Rechtsgrundsatze an, so spricht einiges dafur, die\nPflichtwidrigkeit des Beklagten bereits darin zu erblicken, dass der Beklagte\ndavon Abstand genommen hat, die Fristsetzung mit einer Ablehnungsandrohung zu\nverbinden. Denn nach dem ubereinstimmenden Vortrag des Beklagten und des\nKlagers in der mundlichen Verhandlung vom 5.2.2004 ging es dem Klager\nzumindest bei der ersten Kontaktaufnahme erkennbar darum, das\nVertragsverhaltnis zum Unternehmer aufzulosen (Vortrag des Klagers: „Es\nstimmt, dass ich aufgebracht war im ersten Gesprach und auch gefragt habe, ob\nman die Firma rausschmeißen konne; Bl. 193 d. A."). Der Beklagte musste den\nKlager ausdrucklich unter Hinweis darauf zuruckhalten, dass „es nicht so\neinfach sei, die Firma rauszuschmeißen. Es musse immer zunachst Gelegenheit\nzur Nachbesserung gegeben werden." (Bl. 192 d. A.). Ausgehend von dieser\nInteressenlage bei der Mandatserteilung wird nicht plausibel, weshalb der\nBeklagte in der weiteren Besprechung vom 9.4.2001, in deren Verlauf das\nSchreiben vom 9.4.2001 entworfen wurde, den Eindruck gewinnen konnte, dass es\nnunmehr darum gegangen sei, „ordentlich Druck zu machen" und der Klager die\nHoffnung besessen habe, die Arbeiten mit dem Unternehmer zu Ende zu bringen.\n\nIn jedem Fall hatte der Beklagte das Risiko erkennen mussen, dass der Klager\ndas Schreiben, welches eine Fristsetzung zum 10.5.2001 enthielt, in Anbetracht\nder Vorgesprache anlasslich der Mandatserteilung missverstehen wurde: Weil der\nBeklagte anlasslich der Mandatserteilung ausdrucklich darauf hingewiesen\nhatte, dass eine Kundigung des Werkvertrags ohne Fristsetzung zur\nNachbesserung nicht moglich sei, lag die Gefahr nicht fern, dass der Klager\ndie Kundigungsvoraussetzungen nach Ablauf der Frist zum 10.5.2001 ohne\nweiteres fur gegeben erachten wurde.\n\nDieses bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt erkennbare Risiko hatte der\nBeklagte nur dadurch ausraumen konnen, dass er den Klager im Rahmen der\nBesprechung von 9.4.2001 nachhaltig uber die rechtlichen Konsequenzen einer\nunterbliebenen Ablehnungsandrohung aufgeklart hatte. Eine solche Aufklarung\nhatte es verlangt, dem Klager unmissverstandlich vor Augen zu fuhren, dass der\ngewahlte rechtliche Weg nicht unmittelbar zur Auflosung des Werkvertrags\nfuhren konnte, sondern zunachst ausschließlich dem Ziel diente, den\nUnternehmer zur Erfullung anzuhalten. Die Belehrung durfte sich nicht auf die\nDarstellung des abstrakten rechtlichen Schemas der werkvertraglichen\nGewahrleistungsanspruche beschranken, sondern musste bezogen auf den konkreten\nFall die Belehrung enthalten, dass eine wirksame Kundigung des Werkvertrags\naus rechtlichen Grunden nach Ablauf der Frist noch nicht ausgesprochen werden\nkonnte. Der Beklagte hatte mithin konkret aufzeigen mussen, dass das vom\nKlager anlasslich der Mandatserteilung primar verfolgte Ziel, den Werkvertrag\nzu kundigen, erst nach einer weiteren zeitlichen Verzogerung hatte\nverwirklicht werde konnen.\n\nDies ist nicht in der gebotenen Weise geschehen. Mit Recht stutzt das\nLandgericht seine Feststellungen hinsichtlich der unterbliebenen hinreichenden\nAufklarung darauf, dass der Beklagte in seiner personlichen Anhorung eine\nexplizite Belehrung uber das Risiko der fehlenden Ablehnungsandrohung nicht\nbestatigt hat. Auch schriftsatzlich findet sich kein Sachvortrag, der den\nRuckschluss auf eine den Anforderungen einer umfassenden Aufklarung erlaubt:\nZwar hat der Beklagtenvertreter im Schriftsatz vom 13.6.2003 vorgetragen, der\nKlager sei vom Beklagten nachhaltig angehalten worden, nicht zu kundigen; der\nBeklagte habe im Bearbeitungsschema Mangelruge - Nachfristsetzung -\nAblehnungsandrohung bleiben wollen (Bl. 79, 80, 82 d. A.). Aus dem Sachvortrag\nergibt sich nicht, bei welcher konkreten Gelegenheit der Beklagte den Klager\nvor dem Ausspruch einer Kundigung gewarnt haben will. Bei wortlichem\nVerstandnis ist dem Vortrag nicht zu entnehmen, dass der Beklagte das im\nSchriftsatz angesprochene Bearbeitungsschema dem Klager in abstrakter Form\nerlautert hat. In jedem Fall fehlt die gebotene Verbindung zu den spezifischen\nGefahren der im Schreiben vom 9.4.2001 unterlassenen Ablehnungsandrohung.\n\n2\\. Dennoch rugt die Berufung mit Recht, dass auf der Grundlage der bisherigen\nFeststellungen des Landgerichts kein Grundurteil erlassen werden durfte. Ein\nGrundurteil darf nur dann ergehen, wenn die Klageforderung mit hoher\nWahrscheinlichkeit in irgendeiner Hohe besteht (BGHZ 126, 217, 219; 111, 125,\n133; 97, 97, 109; Zoller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 304 Rdnr. 6;\nBaumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 304 Rdnr. 2;\nThomas/Putzo/Reichold, a.a.O., § 304 Rdnr. 6). Dieser Schluss ist noch nicht\nerlaubt: In der angefochtenen Entscheidung fehlen begrundete Feststellungen\nzur Schadenswahrscheinlichkeit. Auch der Senat ist auf der Grundlage der\nbisherigen Feststellungen zu einer abschließenden Beurteilung der\nSchadenswahrscheinlichkeit außerstande.\n\na) Mit einem Großteil der geltend gemachten Schadenspositionen erstrebt der\nKlager, so gestellt zu werden, wie er stunde, wenn er den Vorprozess gewonnen\nhatte.\n\naa) Nach den allgemeinen Kausalitatserwagungen ist danach zu fragen, ob die\nnunmehr als Schaden geltend gemachten Kosten ohne Pflichtverstoß vermieden\nworden waren. Die ordnungsgemaße Aufgabenerledigung hatte es verlangt,\nvorsorglich eine Ablehnungsandrohung auszusprechen oder den Klager in der\ngebotenen Nachhaltigkeit auf die Risiken einer unterlassenen\nAblehnungsandrohung hinzuweisen. Mithin wurde die Pflichtverletzung des\nKlagers fur die geltend gemachten Schadenspositionen dann kausal, wenn der\nKlager den Vorprozess bei der Formulierung einer ordnungsgemaßen\nAblehnungsandrohung mit hoher Wahrscheinlichkeit gewonnen hatte.\n\nbb) Davon kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht\nausgegangen werden. Denn die Ablehnungsandrohung war fur den positiven Ausgang\ndes Vorprozesses eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung.\nZwischen den Parteien des Vorprozesses bestand namlich Streit, ob die Arbeiten\ndes Unternehmers tatsachlich mangelhaft waren. Da zur Mangelhaftigkeit der\nWerkleistung bislang Feststellungen fehlen, ist nicht mit hoher\nWahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass der Prozess fur den Klager einen\npositiven Ausgang genommen hatte. Die Moglichkeit, dass die Klage trotz einer\nordnungsgemaßen Ablehnungsandrohung zur Ganze abgewiesen worden ware, ist\nnicht ausgeschlossen.\n\nb) Auch auf den Kostenerstattungsanspruch kann das Grundurteil nicht gestutzt\nwerden. Zwar steht zunachst fest, dass die Aufwendungen fur die\nRechtsverfolgung im Vorprozess in keinem Falle zum Erfolg fuhren konnten, da\nes an einer notwendigen Bedingung fur einen positiven Ausgang des Prozesses\nfehlte. Dennoch kann die Erstattungsfahigkeit der Prozesskosten im Rahmen der\nAnwaltshaftung nicht losgelost von den Erfolgsaussichten des ohne\nSorgfaltsverstoß gefuhrten Rechtsstreits beantwortet werden. Denn die\nAnwaltshaftung kann den Mandanten bei der gebotenen wertenden\nBetrachtungsweise nicht von denjenigen Risiken befreien, die der Mandant auch\nbei einer sorgfaltigen Leistung des Rechtsanwalts hatte tragen mussen.\n\n3\\. Entgegen der Auffassung der Berufung unterliegt die Klage nicht deshalb\nder Abweisung, weil die geltend gemachten Schadenspositionen dem Klager auf\nder Grundlage der fur das Berufungsverfahren maßgeblichen Feststellungen auch\nim Fall einer erfolgten Ablehnungsandrohung nicht zugestanden hatten.\n\na) So scheiden die im Vorprozess geltend gemachten Anspruche nicht schon\ndeshalb aus, weil dem Werkvertrag wegen Verkurzung der Mehrwertsteuer die\nRechtswirksamkeit vorzuenthalten ist: Zwar ist die Nichtigkeit des Vertrages\ndann in Betracht zu ziehen, wenn die Parteien nur auf der Grundlage des um die\nMehrwertsteuer verminderten Werklohns zur Auftragserteilung bereit gewesen\nwaren (vgl. BGH, Urteil vom 2.7.2003 - XII ZR 74/01, NJW 2003, 2742). Diesem\nEinwand ist das Landgericht bislang mit Recht nicht nachgegangen. Denn die zum\nTeil verwirrenden Zahlenangaben im Schriftsatz vom 24.6.2003 (Bl. 120 ff. d.\nA.) beweisen keineswegs mit hinreichender Sicherheit, dass die Parteien die\nMehrwertsteuer sparen wollten. Soweit die Berufung in der Berufungsbegrundung\nerstmals einen Zeugenbeweis antritt (Bl. 264 d. A.), fehlt es an den\nVoraussetzungen des § 531 ZPO.\n\nb) Schließlich scheitern Schadensersatzanspruche nicht daran, dass der\nWerkvertrag wegen Dissenses nicht zu Stande kam.\n\nEin Dissens liegt nur dann vor, wenn sich die beiderseitigen\nVertragserklarungen auch nach der Auslegung nicht decken. Einen solchen\nSachverhalt tragt der Beklagte nicht vor:\n\nDurch die Unterschrift des Klagers unter das Auftragsformular des Unternehmers\nvom 2.1.2001 wurde ein wirksamer Werkvertrag nach Maßgabe des schriftlich\nformulierten Inhalts geschlossen. Dieser Werkvertrag wurde - so der\nSachvortrag der Berufung - moglicherweise spater einvernehmlich modifiziert.\nIn diesem Falle bildete die geanderte inhaltliche Grundlage den Gegenstand der\nwirksamen vertraglichen Vereinbarung. Sofern diese nachvertragliche Änderung\nwegen eines Einigungsmangels nicht zu Stande gekommen sein sollte, hat die\nursprungliche Vereinbarung Bestand. Überdies wurde ein eventueller Dissens\nuber die Hohe des zu zahlenden Werklohns den Vertragsschluss nicht hindern:\nDie Regelung des § 632 Abs. 1, Abs. 2 BGB zeigt, dass die Vereinbarung eines\nbestimmten Werklohns nicht zu den Essentialia eines Werkvertrages gehort. Ist\ndie Herstellung eines Werks den Umstanden nach nur gegen eine Vergutung zu\nerwarten, so gilt die Vergutung, deren Hohe sich nach § 632 Abs. 2 BGB\nbemisst, als stillschweigend vereinbart. Auch ein eventueller Dissens uber den\nUmfang der geschuldeten Werkleistung ware unschadlich, da zumindest\nhinsichtlich des zweifelsfreien Leistungsinhalts ein wirksamer Werkvertrag zu\nStande gekommen ware.\n\nC. Nach alledem hat die angefochtene Entscheidung auf der Grundlage der fur\ndas Berufungsverfahren maßgeblichen Feststellungen keinen Bestand. Auf den\nAntrag des Beklagten war die Sache gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 ZPO zur\nneuen Verhandlung und Entscheidung, auch uber die Kosten des\nBerufungsverfahrens, an das Berufungsgericht zuruckzuverweisen.\n\nIm wiedereroffneten Rechtszug wird das Landgericht Gelegenheit haben, die\nausstehenden Feststellungen zu Berechtigung und Hohe der geltend gemachten\nSchadenspositionen nachzuholen. Soweit das Landgericht die Erfolgsaussichten\ndes Vorprozesses zu beurteilen hat, ist dem Beklagten aufgrund der\nInterventionswirkung des § 68 ZPO der Einwand verwehrt, dass der Vorprozess\ndeshalb falsch entschieden worden sei, weil dem Klager die Rechte des § 634\nBGB a.F. auch ohne Ablehnungsandrohung zugestanden hatten. Insoweit ist der\nBeklagte an das Ergebnis des Vorprozesses gebunden: Nachdem der damalige\nProzessbevollmachtigte des Klagers auf die Entbehrlichkeit der\nNachfristsetzung in der Berufungsbegrundung ausdrucklich hingewiesen hat (BA\nBl. 97), ist nicht zu erkennen, weshalb sich der Klager mit einem vertieften\nSachvortrag zur Entbehrlichkeit einer Nachfristsetzung im Widerspruch zum\nVortrag der Hauptpartei gesetzt hatte.\n\nDie Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsatzliche\nBedeutung besitzt und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer\neinheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht\nerfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).\n\n
128,473
olgsl-2005-10-05-2-wf-1305
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
2 WF 13/05
2005-10-05
2019-01-07 09:32:43
2019-02-12 12:11:02
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Auf die als sofortige Beschwerde zu behandelnde Beschwerde des Klagers\nwird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarlouis vom 28\nApril 2005 - 20 F 111/05 - teilweise dahingehend abgeandert, dass die zusammen\nmit der Beiordnung von Rechtsanwaltin angeordnete Einschrankung „zu den\nBedingungen eines ortsansassigen Rechtsanwalts" entfallt.\n\n2\\. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.\n\n## Gründe\n\n**I.**\n\nDer in wohnende Klager reichte mit Schriftsatz vom 17. Februar 2005 beim\nFamiliengericht eine Klage, die auf Abanderung eines am 1. Juli 2003\nabgeschlossenen Unterhaltsvergleichs gerichtet war ein, und bat gleichzeitig\num die Bewilligung von Prozesskostenhilfe „fur die beabsichtigten Antrage". In\ndem angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das\nFamiliengericht dem Klager ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm\nRechtsanwaltin in „zu den Bedingungen eines ortsansassigen Rechtsanwalts"\nbeigeordnet. Hiergegen wendet sich der Klager mit seiner Beschwerde, mit der\ner erreichen will, dass die Beiordnung zu den Bedingungen eines am Wohnort des\nKlagers ansassigen Rechtsanwalts erfolgt. Das Familiengericht hat die\nBeschwerde als sofortige Beschwerde angesehen und dieser nicht abgeholfen.\n\n**II.**\n\nDie gemaß § 127 Abs. 2 ZPO zulassige Beschwerde ist begrundet.\n\nNach § 121 ZPO war dem Klager vorliegend ein Rechtsanwalt beizuordnen. Dass\ndie grundsatzlichen Voraussetzungen fur die Beiordnung hier vorgelegen haben,\nunterliegt keinem Zweifel. Entgegen der Auffassung des Familiengerichts\ngenugte es jedoch nicht, einen am Prozessgericht nicht zugelassenen\nRechtsanwalt nur unter der Bedingung beizuordnen, dass dadurch weitere Kosten\nnicht entstehen, denn nach § 121 Abs. 4 ZPO kann der Partei auf ihren Antrag,\nsofern besondere Umstande dies erfordern, zusatzlich ein sog. Verkehrsanwalt\nbeigeordnet werden; statt dessen kommt auch die Beiordnung eines am Wohnort\nder Partei ansassigen Prozessbevollmachtigten in Betracht, dem dann auch\netwaige zusatzliche Reisekosten zu erstatten sind.\n\nNach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, FamRZ 2004, 1362), der\nsich der Senat anschließt, ist zunachst davon auszugehen, dass im Rahmen der\nbewilligten Prozesskostenhilfe nach § 121 Abs. 1 und 3 ZPO in der Regel ein\nbei dem Prozessgericht niedergelassener Rechtsanwalt beizuordnen ist und ein\nnicht bei dem Prozessgericht niedergelassener Rechtsanwalt nur dann\nbeigeordnet werden kann, wenn dadurch keine weiteren Kosten entstehen.\n\nHiervon macht jedoch § 121 Abs. 4 ZPO insofern eine Ausnahme, als ein weiterer\nRechtsanwalt zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem\nersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem\nProzessbevollmachtigten beigeordnet werden kann, wenn besondere Umstande dies\nerfordern. Denn wenn der Partei - wie es dem Regelfall des § 121 Abs. 1 und 3\nZPO entspricht - ein Rechtsanwalt am Ort des Prozessgerichts beigeordnet\nwurde, kann es in besonders gelagerten Einzelfallen erforderlich sein, ihr\neinen zusatzlichen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung eines auswartigen Termins zur\nBeweisaufnahme (§ 362 ZPO) oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem\nHauptbevollmachtigten beizuordnen. Wurde hingegen ein nicht am Ort des\nProzessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt als Hauptbevollmachtigter\nbeigeordnet, besteht kein Bedarf fur die Beiordnung eines weiteren\nVerkehrsanwalts; dafur ist der auswartige Rechtsanwalt aber grundsatzlich\nberechtigt, seine Reisekosten nach § 46 RVG abzurechnen (vgl. BGH, a.a.O. ;\nOLG Koblenz, NJW-RR 2002, 420, OLGR Frankfurt 2002, 340 und KGR 2004, 17; a.A.\nOLGR Naumburg 2001, 486).\n\nOrdnet das Gericht der Partei im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe\nausnahmsweise einen nicht in seinem Bezirk niedergelassenen Rechtsanwalt bei,\nund sieht es von der Beiordnung eines weiteren Verkehrsanwalts nach § 121 Abs.\n4 ZPO ab, kann es dem Prozessbevollmachtigten deswegen nicht stets durch die\nbeschrankte Beiordnung „zu den Bedingungen eines ortsansassigen Rechtsanwalts"\nzugleich die Moglichkeit der Erstattung von Reisekosten nach § 46 RVG nehmen.\nEine solche Beiordnung ist vielmehr nur dann moglich, wenn auch sonst\nlediglich Kosten eines am Prozessgericht niedergelassenen Rechtsanwalts\nentstehen konnten, weil „besondere Umstande" im Sinne von § 121 Abs. 4 ZPO\nnicht vorliegen. Bei der Entscheidung uber die Beiordnung eines nicht am\nProzessgericht niedergelassenen Rechtsanwalts hat das Gericht also immer auch\nzu prufen, ob die Voraussetzungen des § 121 Abs. 4 ZPO erfullt sind. Nur wenn\ndieses nicht der Fall ist, darf es einen von der Partei nach § 121 Abs. 1 ZPO\ngewahlten auswartigen Prozessbevollmachtigten „zu den Bedingungen eines\nortsansassigen Rechtsanwalts" mit der Folge, dass eine Erstattung von\nReisekosten im Allgemeinen entfallt, beiordnen (vgl. BGH, a.a.O. ).\n\nBei der Prufung, ob die Beiordnung eines weiteren Verkehrsanwalts nach § 121\nAbs. 4 ZPO wegen besonderer Umstande erforderlich ware, ist auf die\nrechtlichen und tatsachlichen Schwierigkeiten des Rechtsstreits und die\nsubjektiven Fahigkeiten der Parteien abzustellen (Zoller/Philippi, ZPO, 25.\nAufl., § 121, Rdn. 18). Solche besonderen Umstande konnen etwa dann vorliegen,\nwenn die Partei schreibungewandt ist und ihr auch eine Informationsreise zu\nihrem Rechtsanwalt am Sitz des Prozessgerichts nicht zugemutet werden kann\n(OLG Naumburg FamRZ 2003, 107; OLG Zweibrucken FamRZ 2002, 107). Gleiches ist\nder Fall, wenn der Partei eine schriftliche Information wegen des Umfangs, der\nSchwierigkeit oder der Bedeutung der Sache nicht zuzumuten ist und eine\nmundliche Information unverhaltnismaßigen Aufwand verursachen wurde (OLG\nBrandenburg FamRZ 2002, 107 und FamRZ 2001, 1533). Dabei ist im Rahmen der\nverfassungsgemaßen Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der besonderen\nUmstande eine zusatzliche Beiordnung nach § 121 Abs. 4 ZPO auch dann geboten,\nwenn die Kosten des weiter beizuordnenden Rechtsanwalts die sonst entstehenden\nReisekosten des nicht am Prozessgericht zugelassenen Hauptbevollmachtigten\nnicht wesentlich ubersteigen. Im Rahmen der durch Art. 3 Abs. 1 GG in\nVerbindung mit dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip gebotenen weitgehenden\nAngleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der\nVerwirklichung ihres Rechtsschutzes (BVerfG, NJW 2004, 1789) ist bei der\nAuslegung auch die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Erstattung\nder Kosten fur Verkehrsanwalte zu beachten. Danach ist im Falle der\nBevollmachtigung eines Rechtsanwalts am Sitz des Gerichts auch die Zuziehung\neines am Wohn- oder Geschaftsort der auswartigen Partei ansassigen\nVerkehrsanwalts regelmaßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder\nRechtsverteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. ZPO\nanzusehen (BGH, a.a.O. ; BGH, FamRZ 2003, 441, BGH-Report 2004, 70, 71; NJW-RR\n2004, 430; BGH-Report 2004, 637; BB 2004, 1023).\n\nUnter Berucksichtigung dieser Grundsatze konnte der Klager hier nicht darauf\nverwiesen werden, aus Grunden der Kostenersparnis einen am Gerichtsort\nansassigen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen\nund andernfalls etwaige Mehrkosten selbst zu tragen. Denn der vorliegende\nUnterhaltsrechtsstreit ist jedenfalls aus der Sicht einer nicht fachkundigen\nPartei so gelagert, dass grundsatzlich das Bedurfnis anzuerkennen ist, dass\ndie Angelegenheit personlich mit dem Rechtsanwalt erortert wird;\nGesichtspunkte, die im Streitfall eine andere Bewertung rechtfertigen konnten,\nsind nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass unter den gegebenen Umstanden auch\nnicht von vornherein absehbar war, dass im Laufe des Rechtsstreits nicht noch\nweitere personliche Beratungsgesprache notwendig werden wurden, so dass die\nBeauftragung eines Rechtsanwalts am Ort des Prozessgerichts - jedenfalls unter\nBerucksichtigung des Kenntnisstandes der Partei zu Beginn des Prozesses - auch\nnicht zu evident niedrigeren Kosten gefuhrt hatte, wobei die - fiktiven -\nFahrtkosten der Partei insoweit nicht außer Betracht gelassen werden durfen.\nDa letztlich die hier in Rede stehenden Reisekosten der\nProzessbevollmachtigten des Klagers in Anbetracht der Entfernung zwischen dem\nGerichtsort und dem Sitz der Kanzlei bei einem allein fur die Klage auf 3.048\nEUR festgesetzten Streitwert geringer bzw. jedenfalls nicht wesentlich hoher\nsind, als die Kosten der alternativ in Betracht kommenden Beiordnung eines\nVerkehrsanwalts (vgl. BGH, FamRZ 2004, 1362), kann die vom Familiengericht -\ninsoweit entgegen dem ausdrucklichen Antrag des Klagers - angeordnete\nEinschrankung der Beiordnung keinen Bestand haben. Dem entsprechend war der\nangefochtene Beschluss abzuandern.\n\nDer Kostenausspruch beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.\n\nDie Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine\ngrundsatzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung\neiner einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des\nRechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§ 574 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2\nZPO).\n\n
128,711
ovgsl-2006-05-18-2-n-305
938
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes
ovgsl
Saarland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 N 3/05
2006-05-18
2019-01-07 09:34:51
2019-02-12 12:11:40
Urteil
## Tenor\n\nDer Antrag wird zuruckgewiesen.\n\nDie Kosten des Verfahrens tragt die Antragstellerin.\n\nDas Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorlaufig vollstreckbar.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\nDie Antragstellerin wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen die\nAusweisung eines Vorranggebiets fur Windenergie „H" in B-H durch den neu\ngefassten Teilabschnitt „Umwelt (Vorsorge fur Flachennutzung, Umweltschutz und\nInfrastruktur)" des Landesentwicklungsplans aus dem Jahre 2004 (LEP Umwelt\n2004). Das Gebiet liegt nordlich der Ortslage von H an der Grenze zur\nNachbargemeinde L. Die Antragstellerin ist Eigentumerin des mit ihrem Wohnhaus\nbebauten, nach ihren Angaben „nur ca. 520 m" entfernten Anwesens Nr. 11 an der\nR Straße. Diese verlauft ostlich des Vorranggebiets und verbindet H mit der\nOrtslage von R (L).\n\nLandesplanerische Aussagen in Gestalt von Vorranggebieten fur Windenergie\nwurden im Saarland erstmals im Jahre 1999 mit der Sechsten Änderung des alten\nLandesentwicklungsplans Umwelt (vgl. die Bekanntmachung des\nLandesentwicklungsplans Umwelt (Flachenvorsorge fur Freiraumfunktionen,\nIndustrie und Gewerbe) vom 18.12.1979, Amtsblatt 1980, 345, der sich in der\nUrsprungsfassung - historisch bedingt - im Abschnitt „Errichtung von\nEnergieanlagen" (Ziffern 184 bis 190) zentral mit kohle- und gasgebundenen\nEnergiegewinnungsanlagen beschaftigte und hinsichtlich „umweltfreundlicher\nEnergien lediglich eine „Prufungsvorgabe" enthielt (Ziffer 187)) getroffen. Im\nJahr 2001 leitete das zustandige Ministerium die Fortschreibung des\nLandesentwicklungsplans Umwelt ein. Dessen streitgegenstandlicher Fassung aus\ndem Jahre 2004 gingen mehrere Entwurfe voraus. Bei der Erarbeitung des 3.\nÄnderungsentwurfs (Grundlage war nach dem Akteninhalt ein nicht bei den\nUnterlagen befindlicher „2\\. Entwurf vom Juni 2002") wurde unter dem Aspekt\nder Windenergienutzung die Moglichkeit der Erweiterung bis dahin in Aussicht\ngenommener Vorranggebiete untersucht (vgl. dazu den Aktenvermerk der Abteilung\nC (MfU) vom 23.7.2002 (Ordner II)). Unter dem 18.12.2002 legte die\nFachabteilung fur Naturschutz beim Ministerium fur Umwelt Unterlagen vor, die\nverschiedene Gebiete ausweisen, in denen unter dem Aspekt des Vogelschutzes\ndie Darstellung von Vorranggebieten fur die Nutzung der Windenergie entweder\ngenerell ausgeschlossen (sog. „Tabugebiete") oder nur nach Erstellung\nstandortbezogener avifaunistischer Einzelgutachten („Konfliktgebiete")\nvorgenommen werden sollte (vgl. dazu im einzelnen das Schreiben der Abteilung\nD (MfU) vom 18.12.2002 (Ordner II) mit anliegendem Kartenmaterial). Nach\nAnlegung weiterer Ausschlusskriterien wurde eine Übersichtskarte erarbeitet,\ndie die danach potenziell in Betracht kommenden Gebiete ausweist (vgl. das im\nRahmen der hausinternen Abstimmungen verfasste Schreiben der Abteilung C mit\nbeigefugter Karte (Ordner II)). Der auf der Grundlage dieser Materialien\nerstellte 3. Entwurf des (neuen) LEP Umwelt vom 16.5.2003 sah nach der\nzeichnerischen Umsetzung (vgl. dazu die entsprechenden Übersichtskarten fur\ndas Saarland im Ordner X der ubersandten Verwaltungsunterlagen, wo die\nverschiedenen Vorrangflachen in unterschiedlichen Farben dargestellt sind,\nwobei speziell fur den Bereich der Gemeinde B sudostlich der Ortslage von H\ndrei (kleinere) Vorranggebiete fur Windenergie ausgewiesen waren) den nunmehr\nzwischen den Beteiligten umstrittenen Bereich nicht als Vorrangflache fur\nWindenergie („VE"), sondern als Vorranggebiet fur Landwirtschaft („VL") vor.\n\nDer Entwurf war Gegenstand der Sitzung des Ministerrats am 6.5.2003. In der\nVorlage heißt es (Abschnitt 2.6) hinsichtlich der Vorranggebiete fur die\nWindenergie, die fachlichen Grundlagen fur deren Festlegung seien auf eine\nneue Basis gestellt worden. Um die Akzeptanz bei der Bevolkerung zu erhohen,\nsei ein Abstand von 1000 m zu den Ortslagen gewahlt worden. Ferner seien die\nlandesplanerisch festgelegten Vorranggebiete fur Naturschutz („VN"), fur\nFreiraumschutz („VFS"), fur Gewerbe, Industrie und Dienstleistungen („VG")\nsowie avifaunistisch wertvolle Gebiete auf der Grundlage eines Gutachtens der\nVogelschutzwarte fur die Lander Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland als\nAusschlusskriterien festgelegt worden. Daruber hinaus seien weitere Kriterien\nwie topografisch schwieriges Gelande, der Wald, die Nahe zu Segelflugplatzen\nund zu Aussiedlerhofen als Ausschlussgrunde berucksichtigt worden. Als\nMindestgroße seien 10 ha angezeigt und eine ausreichende Windhoffigkeit werde\nfur Gebiete uber 250 m uNN angenommen. Von den seit 1999 ausgewiesenen 12\nVorranggebieten (Diese Aussage bezieht sich auf die erwahnte Sechste Änderung\ndes LEP Umwelt vom 5.3.1999.) mussten nach diesen Maßstaben 10 entfallen.\nGegenuber dem 2. Entwurf habe sich der Gesamtflachenanteil (VE) um 241 ha auf\n903 ha (entspricht 0,35 % der Flache des Landes) vergroßert (vgl. hierzu auch\ndie Ausfuhrungen unter Punkt 7. in der Anlage 2 des Anschreibens vom 24.6.2003\nan die Trager offentlicher Belange (Ordner IX)). Der Ministerrat stimmte einer\n„dritten Anhorung" zu.\n\nUnter dem 17.7.2003 ubersandte das Ministerium fur Umwelt der Gemeinde B einen\nihr Gebiet betreffenden Auszug aus dem Entwurf. Fur das\n„Beteiligungsverfahren" wurden der Gemeinde am 20.8.2003 außerdem sechs\nExemplare des Entwurfs zur Verfugung gestellt (Die entsprechenden Anschreiben\nbefinden sich im Ordner VII beim Schriftverkehr speziell mit der Gemeinde B).\nMit Antwortschreiben vom 8.10.2003 verwies die Gemeinde B auf eine Beratung\ndes Entwurfs in der Sitzung des Gemeinderats am 7.10.2003 und bat um die\n„Einarbeitung" verschiedener Änderungen in den Plan, die allerdings nicht die\nDarstellung von Vorranggebieten fur die Windenergie betrafen.\n\nDer (3.) Entwurf wurde nach entsprechender Bekanntmachung (vgl. dazu Amtsblatt\ndes Saarlandes 2003, Seite 2299, in der unter anderem auf die\nÄußerungsmoglichkeit bis zum 14.10.2003 und einen Einwendungsverlust\nhingewiesen wurde) in der Zeit vom 1.9.2003 bis zum 30.9.2003 offentlich\nausgelegt.\n\nIn einer Zusammenfassung des Ergebnisses der Anhorung zum 3. Entwurf heißt es\nunter anderem, bezuglich der geplanten Vorranggebiete fur Windenergie lagen\nknapp 80 Ruckaußerungen beziehungsweise Änderungswunsche vor, die sowohl\nForderungen nach Streichungen als auch solche nach Neuaufnahmen betrafen (vgl.\nden internen Vermerk der Abteilung C (MfU) fur den Minister vom 17.11.2003\n(Ordner VI), und insoweit insbesondere die Stellungnahme des Bundesverbandes\nWindenergie, Regionalverband Rheinland-Pfalz/Saarland vom 14.10.2003 (Ordner\nIX), in der mehrere weitere Standorte gefordert werden, nicht indes der\nvorliegend streitige). In einem Vermerk vom 15.1.2004 (Abteilung C/MfU) findet\nsich dann eine „Aufstellung der Wunsche der Gemeinden betreffend die\nFestlegung von Vorranggebieten fur Windenergie", wobei der hier fragliche\nBereich („VE nordlich von H") - erstmals - als Aufnahmewunsch der Gemeinde B\naufgefuhrt wird (siehe hierzu den Vermerk vom 15.1.2004 (Ziffer 5) in Ordner\nXI). Dazu heißt es in einem Aktenvermerk der Gemeinde B uber eine Besprechung\nmit Vertretern des Ministeriums fur Umwelt am 22.1.2004, an der unter anderem\nder Burgermeister teilgenommen hat, von den Teilnehmern sei „ubereinstimmend\ngeaußert" worden, das Gebiet „H" in H als „VG fur WE" auszuweisen (vgl. den\nentsprechenden, vom Burgermeister der Gemeinde B personlich gegengezeichneten\nAktenvermerk vom 26.1.2004 im Ordner VII).\n\nAuf der Grundlage der Anhorungen wurde dann ein 4. Entwurf vom 30.1.2004\nerarbeitet, der unter anderem diesem Anliegen Rechnung trug, wobei eine\nteilweise Überlagerung mit dem dort (bisher bereits) dargestellten\nVorranggebiet fur Landwirtschaft (VL) vorgesehen ist.\n\nNach ausfuhrlicher Debatte des (4.) Entwurfs beschloss der Ausschuss fur\nUmwelt im Landtag des Saarlandes in seiner Sitzung am 30.3.2004 im Mai 2004\nAnhorungen verschiedener Organisationen und Verbande durchzufuhren (vgl. die\nSitzungsniederschrift vom 30.3.2004 und die Protokolle uber die Anhorungen am\n7.5. und am 11.5.2004) und der Landtag stimmte anschließend am 19.5.2004 dem\nLandesentwicklungsplan im 4. Entwurf zu.\n\nDer neue Teilabschnitt Umwelt des Landesentwicklungsplans (LEP Umwelt 2004)\nwurde am 13.7.2004 vom Ministerrat des Saarlandes beschlossen und unter dem\n16.7.2004 in seinen textlichen Festlegungen („Teil A") vom Minister fur Umwelt\nim Amtsblatt des Saarlandes bekannt gemacht (vgl. dazu das Amtsblatt vom\n29.7.2004, Seiten 1574 ff.).\n\nDanach verfolgt der LEP Umwelt 2004 unter anderem (insgesamt) das Ziel, im\nPlanungszeitraum von 10 Jahren (§ 2 Abs. 3 SLPG 2002) (vgl. das Gesetz Nr.\n1502 zur Neuordnung des Landesplanungsrechts (SLPG) vom 12.6.2002, Amtsblatt\nSeiten 1506 ff.) Flachen zur Errichtung von Windkraftanlagen zu sichern, um\ndiesen Anteil an erneuerbaren Energien „angemessen zu erhohen" (vgl. die\nZiffer (13) im Abschnitt 1.4 („Raumliche Leitvorstellungen")). Dazu werden\ndurch zeichnerische Festlegungen („Teil B") so genannte Vorranggebiete fur\nWindenergie („VE") festgelegt, die - fur alle offentlichen Planungstrager\nbeachtlich - fur andere Nutzungen nur insoweit zur Verfugung stehen, als sie\ndiese Zielsetzung nicht beeintrachtigen (vgl. die Ziffer (39) im Abschnitt 2.2\n(„Vorranggebiete")). Hinsichtlich der allgemein als Beitrag zur Reduzierung\nder Flacheninanspruchnahme durch Mehrfachnutzung des Raumes grundsatzlich fur\nsinnvoll erachteten (vgl. die Ziffern (83) und (85) in Abschnitt 2.2.9), im\nkonkreten Fall vorliegenden Überschneidung eines Vorranggebiets einerseits fur\ndie Landwirtschaft (VL) und eines solchen fur Windenergie (VE) enthalt der LEP\nUmwelt 2004 Konkurrenzklauseln, wonach die Nutzung der Windenergie\ngrundsatzlich vorrangig (vgl. auch die allgemeine Prioritatenfestlegung in\nZiffer (83) in Abschnitt 2.2.9), der konkrete Standort der einzelnen Anlagen\naber auf die Erfordernisse der Landwirtschaft „auszurichten" ist\nbeziehungsweise die Baumaßnahmen auf die Erfordernisse der Landwirtschaft\n„abzustimmen" sind (vgl. die Ziffern (53) im Abschnitt 2.2.3 („Vorranggebiete\nfur Landwirtschaft") und (64) im Abschnitt 2.2.6 („Vorranggebiete fur\nWindenergie")). Speziell zu den mit landesbezogener Ausschlusswirkung\nhinsichtlich sonstiger Standorte verbundenen (vgl. die Ziffern (65) und (69)\nin Abschnitt 2.2.6 ) Vorranggebieten fur Windenergie heißt es im Abschnitt\n2.2.6 (Teil A, textliche Festlegungen), diese sollten eine rationelle Nutzung\nder Windenergie gewahrleisten (vgl. die Ziffer (64) in Abschnitt 2.2.6) und\ndienten vorrangig der Errichtung aus einem raumlichen Verbund von mindestens\ndrei Windkraftanlagen bestehender Windparks (vgl. die Ziffer (68) in Abschnitt\n2.2.6). Grundlage fur die Festlegungen sei unter anderem ein „ausreichender\nAbstand" gegenuber Aussiedlerhofen und Wohngebieten gewesen. Als generelle\nAusschlusskriterien seien Vorranggebiete fur Gewerbe, Industrie und\nDienstleistungen (VG), fur Naturschutz (VN) und fur Freiraumschutz (VFS) und\nbewaldete Flachen sowie nach Gutachtenlage avifaunistisch wertvolle Gebiete\nfestgelegt worden; topographisch ungeeignete Bereiche und Flachen in der Nahe\nvon Segelflugplatzen und sonstigen Landeplatzen seien ebenfalls ausgeschlossen\nworden. Unter Beachtung dieser Kriterien seien ferner entsprechend dem\nVorschlag der Gemeinden bereits realisierte oder sonstige geeignete Gebiete in\nden Plan aufgenommen worden (vgl. zu den Grundlagen der Festlegung allgemein\ndie Ziffer (67) in Abschnitt 2.2.6).\n\nDer Gemeinderat von fasste am 2.3.2005 eine Resolution gegen die Aufstellung\nvon „zwei Windkraftradern auf dem H.berg" und forderte die Landesregierung\nauf, das Vorranggebiet aus dem Landesentwicklungsplan wieder herauszunehmen.\nIn der Begrundung wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass die endgultige\nFassung des LEP Umwelt 2004 dem Gemeinderat nicht mehr zu einer abschließenden\nStellungnahme vorgelegt worden sei. Hierin liege ein „klarer Eingriff in die\ngemeindliche Zustandigkeit fur die Bauleitplanung". In einem auf diese\nResolution und „massive Proteste der Burger des Gemeindebezirks H" Bezug\nnehmenden Schreiben des Burgermeisters von B vom 14.3.2005 bat dieser\n„nachdrucklich" um eine Herausnahme des Gebiets als Vorranggebiet.\n\nMit Eingang am 4.7.2005 wandte sich die Antragstellerin an das Ministerium fur\nUmwelt und fuhrte aus, von Seiten der Gemeinde B sei ihr die Auskunft erteilt\nworden, dass diese „mit allen Gremien" die Ausweisung des „H.bergs" als\nVorranggebiet fur Windenergie „stets abgelehnt" habe, wohingegen Nachfragen\nbei den Landesbehorden zu der Auskunft gefuhrt hatten, dass diese Festlegung\n„auf Drangen und Betreiben der Gemeinde B erfolgt" sei. Sie - die\nAntragstellerin - bitte um Aufklarung des Vorgangs. Daraufhin bestatigte das\nMinisterium der Antragstellerin, dass die Aufnahme des „H.bergs … auf Wunsch\nder Gemeinde B" erfolgt sei.\n\nDer vorliegende Normenkontrollantrag ist am 8.11.2005 eingegangen. Zu seiner\nBegrundung fuhrt die Antragstellerin aus, die Statthaftigkeit des Antrags\nergebe sich aus dem Umstand, dass der Landesentwicklungsplan nach § 3 Abs. 6\nSLPG (2002) als Rechtsverordnung der Landesregierung erlassen worden sei. Ihre\nAntragsbefugnis folge daraus, dass sie bei Errichtung der Windkraftanlagen\neinen „erheblichen Nachteil" erleide. Die zu erwartenden Schallimmissionen\nwurden zulassige Werte „bei weitem uberschreiten". Das zeigten die\nErfahrungswerte bei dem in der Nahe befindlichen Windpark auf der „W Platte".\nDie Moglichkeit der spateren Anfechtung immissionsschutzrechtlicher\nGenehmigungsentscheidungen schließe die Normenkontrollbefugnis nicht aus. In\nder Sache sei der LEP Umwelt 2004 bereits aus formellen Grunden nichtig. Die\nGemeinde B habe „keinen ordnungsgemaßen Vorschlag" hinsichtlich dieser\nVorrangflache gemacht. Daher hatte eine Aufnahme in den Plan nicht erfolgen\ndurfen. Ferner liege ein Verstoß gegen die Mitwirkungsrechte der Gemeinde vor,\nda die endgultige Fassung dem Gemeinderat nicht zur Stellungnahme zugeleitet\nworden sei. Bei der Beurteilung der materiellen Rechtmaßigkeit des LEP Umwelt\n2004 sei auf die Rechtmaßigkeit der spater auf der Flache zu errichtenden\nWindkraftanlagen abzustellen. Die Anlagen verstießen gegen das in § 35 Abs. 3\nSatz 1 Nr. 3 BauGB enthaltene Gebot der Rucksichtnahme und riefen,\ninsbesondere was die Nachtzeiten angehe, „mit an Sicherheit grenzender\nWahrscheinlichkeit" schadliche Umwelteinwirkungen im Sinne der Vorschrift\nhervor. Auch im Baurecht werde das Maß in dem Zusammenhang gebotener\nRucksichtnahme nach den §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 BImSchG unter Heranziehung der\nTA-Larm (1998) bestimmt. Eine konkrete Prufung habe der Antragsgegner nicht\nvorgenommen. Das verwundere umso mehr, als der Antragsgegner selbst einen - in\nihrem Fall nicht beachteten - Mindestabstand von 1.000 m zu bebauten\nGrundstucken vorgesehen habe. Wegen der von Windkraftanlagen ausgehenden\nBeeintrachtigungen habe im Übrigen die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen\nkurzlich diesen Mindestabstand auf 1.500 m erhoht. Bei den\n„streitgegenstandlichen" Windkraftanlagen handele es sich um raumbedeutsame\nVorhaben. Sie stunden in unmittelbarer Nahe zu Wohnsiedlungen und hatten\nbeherrschenden Charakter. Mit der Ausfuhrung sei ein nicht wieder gut zu\nmachender Eingriff in Landschaft und Tierwelt verbunden. Dem Antragsgegner sei\nbekannt, dass in dem hier betroffenen Gebiet seltene und geschutzte Vogelarten\nvorbeizogen. Entsprechende Erkenntnisse seien ignoriert worden. Außerdem\nbefinde sich in nur etwa 150 m Entfernung ein Brutrevier des Rotmilans, eines\nder meist bedrohten Vogel in Deutschland. Dessen Jagdrevier umfasse einen\nRadius von etwa 6 km, in dem keine Windkraftanlagen zugelassen werden durften.\nDurch die Ausweisung der Vorrangflache werde ihr - der Antragstellerin -\nHausgrundstuck unter Verletzung des Eigentumsrechts stark im Wert herabgesetzt\nbis hin zur Unveraußerbarkeit. Neben den anlagebezogenen negativen\nAuswirkungen buße die umgebende Landschaft unwiederbringlich Erholungswert\nein. Die Windanlagen verursachten eine Vielzahl unterschiedlichster\nImmissionen wie Larm, Schattenschlag, Lichteffekte und visuelle Eingriffe.\nDiese stunden in keinem Verhaltnis zur bisher weitgehend erhaltenen naturnahen\nund sehr ruhigen Landschaft, bildeten speziell aufgrund ihrer „unruhigen\ntechnischen Eigenschaften" einen nicht integrierten Fremdkorper. Die Anlagen\nlagen auf einer weit sichtbaren Hochflache. Das gelte umso mehr als zwischen\nihrem Hausgrundstuck und dem H.berg ein Hohenunterschied von 138 m bestehe,\nwobei die Anlagenhohe (ca. 150 m) hinzuzurechnen sei. Ihre darin liegende\n„uberdimensionale Belastung" habe der Antragsgegner bei der Ausweisung der\nVorrangflache nicht beachtet. Bereits die Untersuchung der Firma ARGUS PLAN\nvom April 2003 sei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Bereich „H.berg" an der\nGrenze der Wirtschaftlichkeit liege. Windmessungen der Firma ARGE „Solar" im\nZeitraum April 1995 bis April 1996 hatten „absolut unzureichende"\ndurchschnittliche Werte von 2 bis 3 m/s ergeben.\n\nDie Antragstellerin beantragt,\n\nden Landesentwicklungsplan, Teilabschnitt Umwelt (Vorsorge fur Flachennutzung,\nUmweltschutz und Infrastruktur) vom 13.7.2004 fur nichtig zu erklaren, \nhilfsweise,\n\ninsoweit fur nichtig zu erklaren, als die Grundstucke Parzelle Nr. 59/1 in\nFlur 2 und die Parzellen Nr. 427/48 und Nr. 50/1 in Flur 3 der Gemarkung H\n(Auf\'m H.berg) in der Gemeinde B als Vorrangflache fur Windenergie ausgewiesen\nwurden.\n\nDer Antragsgegner beantragt,\n\nden Antrag zuruckzuweisen.\n\nEr ist der Ansicht, der Antragstellerin fehle die Antragsbefugnis fur ein\nNormenkontrollverfahren. Zielvorgaben der Raumordnung, hier die Festlegung\neines Vorranggebiets fur Windenergie auf dem H.berg, richteten sich an\noffentliche Stellen und nur an solche Personen des Privatrechts, die\noffentliche Aufgaben wahrnahmen und die die Ziele der Raumordnung bei ihren\nraumbedeutsamen Planungen zu beachten hatten. Andere Privatpersonen - wie die\nAntragstellerin - seien nicht Adressaten der Zielbestimmung und daher in ihren\nRechten nicht betroffen. Eine mittelbare Wirkung der Festlegung konne sich aus\nanderen Rechtsvorschriften, hier beispielsweise aus § 35 Abs. 3 BauGB ergeben,\nwonach einem Außenbereichsvorhaben widersprechende Ziele der Raumordnung ein\nHindernis fur die Erteilung einer Baugenehmigung darstellten. Eine solche\nmittelbare Rechtswirkung komme der Vorrangsgebietsfestlegung gegenuber der\nAntragstellerin aber ebenfalls nicht zu. Die Ausweisung beinhalte keine\nverbindliche Zielaussage, dass innerhalb der Flache Windenergieanlagen an\njedem Ort und in jeder Hohe und unter jedem denkbaren rechtlichen Aspekt\nzulassig sein sollten. Deren Errichtung bedurfe einer Bau- beziehungsweise\neiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, die inhaltlich an § 35 BauGB zu\nmessen sei. Zwischen der Festlegung des Vorranggebiets und der\n„Rechtsberuhrung" der Antragstellerin durch eine solche Genehmigung fehle der\nerforderliche „handgreiflich-praktische Zusammenhang". Entgegen der Ansicht\nder Antragstellerin sei weder erforderlich, dass die Gemeinde den konkreten\nStandort des Vorranggebiets vorgeschlagen habe, noch dass ein Einvernehmen\nhergestellt sei. Wurden - wie hier - Anregungen beteiligter Stellen im\nweiteren Verfahren umgesetzt, so erubrige sich deren nochmalige Beteiligung.\nDamals sei es auch nicht die Aufgabe der Landesplanungsbehorde gewesen, zu\nhinterfragen, ob fur diesen Wunsch zuvor ein Gemeinderatsbeschluss\nherbeigefuhrt worden sei. Die Aufnahme des Vorranggebiets „H.berg" sei auch\ndeswegen erfolgt, weil die Flache hinsichtlich der Eignung fur die\nWindkraftnutzung voruntersucht gewesen sei. Die Firma ARGUS PLAN habe in ihrem\nGutachten vom April 2003 acht mogliche Standorte im Gemeindegebiet untersucht\nund dem „H.berg" erste Prioritat eingeraumt. Die „Fernwirkung" auf Hochflachen\nerrichteter Windkraftanlagen liege in der Natur der Sache. Wollte man darin\nein generelles Ausschlusskriterium sehen, wurde eine Windkraftnutzung in\nMittelgebirgslandschaften so gut wie ausgeschlossen. Hinsichtlich der zu\nerwartenden Larmbelastung liege das Schallgutachten eines Ingenieurburos aus\ndem Jahre 2003 fur zwei verschiedene Anlagentypen mit jeweils\nunterschiedlichen Nabenhohen vor. Danach wurden bei vier betrachteten\nVarianten die Immissionsrichtwerte von 40 dB(A) fur allgemeine Wohngebiete an\n6 ausgewahlten Immissionspunkten und von 45 dB(A) fur Dorf- und Mischgebiete\nan 5 weiteren Immissionspunkten zum Teil deutlich unterschritten. Vor diesem\nHintergrund sei die Planungsbehorde von dem Grundsatz eines einzuhaltenden\nMindestabstands von 1.000 m abgeruckt. Dabei habe es sich lediglich um einen\n„Vorsorgeabstand" gehandelt. Die von der Antragstellerin angesprochene\nAbstandsempfehlung von 1.500 m in Nordrhein-Westfalen beziehe sich auf\nWindfelder mit 7 Windkraftanlagen der Zwei-Megawatt-Klasse im Verhaltnis zu\nreinen Wohngebieten und sei daher auf den vorliegenden Fall nicht ubertragbar.\nHier konnten lediglich 3 Anlagen errichtet werden. Grundstuckswertminderungen\nkomme bei der Zumutbarkeitsbetrachtung im Rahmen des Rucksichtnahmegebots\nkeine entscheidende Bedeutung zu. Bezuglich des Konflikts mit der Avifauna sei\nder Festlegung der Windvorranggebiete das Gutachten der staatlichen\nVogelschutzwarte zugrunde gelegt worden. Der „H.berg" liege außerhalb der\nermittelten „Tabu- und Konfliktgebiete".\n\nWegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten\ndieses Verfahrens und der Verfahren 2 N 4/05 und 2 N 3/06 sowie der jeweils\nbeigezogenen Verwaltungsunterlagen verwiesen. Er war Gegenstand der mundlichen\nVerhandlung.\n\n## Entscheidungsgründe\n\nDer Normenkontrollantrag der Antragstellerin, die mit dem Hauptantrag die\nFeststellung der Unwirksamkeit der mit Ausschlusswirkung fur andere Teile des\nLandesgebiets verbundenen Festlegungen von Vorrangflachen fur die\nWindenergienutzung im Teilabschnitt „Umwelt (Vorsorge fur Flachennutzung,\nUmweltschutz und Infrastruktur)" des Landesentwicklungsplans vom 13.7.2004\n(LEP Umwelt 2004) fur den Bereich des Saarlandes, hilfsweise (nur) eine\nNichtigerklarung der Festlegung eines entsprechenden Vorranggebiets „Auf\'m\nH.berg" in B - H begehrt, muss erfolglos bleiben. Der Antrag ist - das gilt\nfur Haupt- und Hilfsantrag gleichermaßen - unzulassig. Er ist ungeachtet des\ndem LEP Umwelt 2004 fehlenden formlichen Rechtsnormcharakters zwar statthaft\n(1.); der Antragstellerin fehlt indes die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO fur ein\nNormenkontrollbegehren zu fordernde Antragsbefugnis (2.).\n\n(1.) Bei der angegriffenen Festlegung von Vorranggebieten fur Windenergie\n(VE), speziell demjenigen am „H.berg" in B durch den LEP Umwelt 2004 handelt\nes sich um im Range unter dem (formlichen) Landesgesetz stehende\n„Rechtsvorschriften" im Verstandnis des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Fur solche hat\nder saarlandische Landesgesetzgeber in § 18 AGVwGO Saar eine generelle\nMoglichkeit der abstrakten Normenkontrolle geschaffen.\n\nDem steht nicht entgegen, dass der LEP Umwelt 2004 - entgegen der Ansicht der\nAntragstellerin - nicht in der durch § 3 Abs. 6 SLPG 2002 fur den Erlass des\nLandesentwicklungsplans nunmehr vorgeschriebenen Form einer Rechtsverordnung,\nsondern nach Maßgabe der einschlagigen Überleitungsvorschrift in § 15 Abs. 2\nSLPG 2002 noch auf der Grundlage des danach unter anderem fur seine\n„Bekanntmachung" weiter anzuwendenden SLPG 1994 lediglich als „Plan" im\nAmtsblatt des Saarlandes bekannt gemacht und damit wirksam geworden ist (§ 8\nAbs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SLPG 1994). Nach der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 20.11.2003 - 4 CN\n5.03 und 4 CN 6.03 -, BRS 66 Nr. 55, BauR 2004, 807-813, zu hessischen\nRegionalplanen, fur die damals, anders als fur den Landesentwicklungsplan\nselbst, keine bestimmte Rechtsform vorgeschrieben war, insoweit insbesondere\nmit einer Abgrenzung zur eigenen Rechtsprechung, wonach Flachennutzungsplane,\ndie gemaß § 1 Abs. 4 BauGB hinsichtlich der Zielvorgaben der Raumordnung einem\nAnpassungsgebot unterliegen, nicht Gegenstand einer Normenkontrolle im Sinne\ndes § 47 VwGO sein konnen, dazu BVerwG, Beschluss vom 20.7.1990 - 4 N 3.88 -,\nBRS 50 Nr. 36; anders nunmehr OVG Koblenz, Urteil vom 8.12.2005 -1 C 10065/05\n-, ZNER 2005, 336, unter Zulassung der Revision) gehoren zum Kreis der\n„Rechtsvorschriften", die nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO fur „unwirksam" erklart\nwerden konnen, neben Satzungen und Rechtsverordnungen auch nicht formlich als\nNorm erlassene, aber abstrakt-generell mit Außenwirksamkeitsanspruch versehene\n„Regelungen" (vgl. in dem Zusammenhang allgemein Sodan/Ziekow, VwGO, 2.\nAuflage 2006, § 47 RNr. 118, kritisch zu der Rechtsprechung des BVerwG\ninsbesondere RNr. 119). Dazu zahlen insbesondere raumordnerische Zielvorgaben\n(§ 3 Nr. 2 ROG) (vgl. zum Begriff des Ziels der Raumordnung (§ 3 Nr. 2 ROG)\netwa BVerwG, Beschluss vom 15.4.2003 - 4 BN 25.03 -, BauR 2004, 285, BRS 66\nNr. 6) in Raumordnungs- und Landesentwicklungsplanen, die anders als die\nlediglich Maßgaben fur nachfolgende Ermessens- und Abwagungsentscheidungen\nenthaltenden Grundsatze der Raumordnung (§ 3 Nr. 3 ROG) nach § 4 Abs. 1 ROG\nvon offentlichen Stellen bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu\nbeachten sind, daher „Letztentscheidungscharakter" haben und nicht im Wege\n(spaterer) Abwagung uberwunden werden konnen (§ 1 Abs. 4 BauGB). Eine\nZielvorgabe der Raumordnung schafft raumlich und sachlich die zur\nVerwirklichung der Grundsatze der Raumordnung notwendigen Voraussetzungen und\nenthalt bereits eine Abwagung zwischen den durch die Grundsatze verkorperten\nunterschiedlichen raumordnerischen Belangen (vgl. dazu etwa BVerwG, Beschluss\nvom 17.6.2004 - 4 BN 5.04 -, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 166). Dass die\nlandesplanerische Festlegung von Vorranggebieten speziell fur Windenergie mit\nAusschlusscharakter fur sonstige Nutzungen und andere Gebiete\n(„Konzentrationszonen"), auch wenn sie nicht parzellenscharf erfolgt (vgl.\ndazu etwa OVG des Saarlandes, Urteil vom 27.3.2001 - 2 N 9/99 -, AS 29,\n164-170 und BRS 64 Nr. 4 („Absinkweiher")), ungeachtet ihres zunachst auf\nTrager offentlicher Planungen begrenzten Kreises von „Normadressaten" (§§ 4\nROG, 8 Abs. 2 Satz 2 SLPG 1994) gerade auch mit Blick auf § 35 Abs. 3 Satze 2\nund 3 BauGB die Voraussetzungen fur die Annahme einer „Rechtsvorschrift" in\ndiesem weiten Verstandnis erfullt und daher nach den §§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO,\n18 AGVwGO Saar grundsatzlich Gegenstand einer Normenkontrolle sein kann,\nunterliegt von daher keinen ernsthaften Zweifeln (vgl. hierzu auch BVerwG,\nBeschluss vom 7.3.2002 - 4 BN 60.01 -, BRS 65 Nr. 51, unter Hinweis auf die\neigene fruhere Rechtsprechung, Beschluss vom 20.8.1992 - 4 NB 20.91 -, BRS 54\nNr. 12, und Urteil vom 19.7.2001 - 4 C 4.00 -, DVBl. 2001, 1855, wobei VGH\nMunchen, Urteil vom 23.2.2005 - 20 N 03.1243 u.a., juris, aus der\nerstgenannten Entscheidung - im Gegenteil - herleitet, dass Ziele im\nLandesentwicklungsplan nicht die Qualitat einer Rechtsnorm aufwiesen und daher\nnicht geeignet seien, normative Bindungen im Hinblick auf die kommunale\nPlanungshoheit betroffener Gemeinden zu erzeugen).\n\n(2.) Die Antragstellerin, die sich als potentielle „Nachbarin" gegen die\nErrichtung von Windkraftanlagen auf der konkret festgelegten Vorrangflache\n„H.berg" wendet und letztlich diese verhindern mochte, ist indes fur das\nvorliegende Normenkontrollverfahren nicht antragsbefugt. Die Antragsbefugnis\nerfordert nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO seit der inhaltlich an § 42 Abs. 2 VwGO\norientierten Neufassung der Bestimmung im Jahre 1996, dass der (private)\nAntragsteller geltend machen kann, durch die bekampfte Norm in seinen Rechten\nverletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Eine solche\nnegative Rechtsbetroffenheit der Antragstellerin kann hier nicht festgestellt\nwerden, ebenso wenig wie ein Rechtsschutzinteresse, denn sie konnte durch die\nbegehrte Nichtigerklarung ihre rechtliche Situation nicht verbessern.\n\nDie Ausweisung eines Vorranggebiets fur Windenergie als landesplanerische\nZielvorgabe hat insbesondere Bedeutung im Hinblick auf das so genannte\nDarstellungsprivileg hinsichtlich der Zulassigkeit von Windkraftanlagen im\nAußenbereich (§ 35 BauGB). Nach dem (nunmehr) einschlagigen § 35 Abs. 3 Satz 3\nBauGB stehen den im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis Nr. 6 BauGB\nbevorrechtigt zulassigen Bauvorhaben, wozu nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB\nAnlagen zur Nutzung der Windenergie gehoren, offentliche Belange - mit einen\nZulassungsanspruch insoweit ausschließender Wirkung - in der Regel auch\nentgegen, soweit hierfur durch Darstellungen in dem Flachennutzungsplan der\nGemeinde (§§ 5, 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB) oder als Ziele der Raumordnung eine\nAusweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Aus dieser Ausschlusswirkung ergeben\nsich fur den Außenbereich Steuerungsmoglichkeiten fur Gemeinden und\nLandesplanung, wo derartige Anlagen errichtet werden sollen (vgl. zu den\npositiven Festsetzungsmoglichkeiten in einem Bebauungsplan § 9 Abs. 1 Nr. 12\nBauGB („Versorgungsflachen")). Bezogen auf die Rechtsposition der\nAntragstellerin bleibt das aber jedenfalls im Ergebnis ohne Belang.\n\nSofern die Festlegungen der Vorranggebiete fur Windenergie im LEP Umwelt 2004\ninsgesamt (Hauptantrag) oder auch speziell die des Vorranggebiets „H.berg"\n(Hilfsantrag) nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO fur unwirksam erklart wurden, hatte\ndies zur Folge, dass diese Standortfestlegungen einer beabsichtigten\nErrichtung von Windkraftanlagen durch die Betreiber solcher Anlagen an anderer\nStelle im Außenbereich saarlandischer Gemeinden beziehungsweise von B nicht\nmehr als offentlicher Belang nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB („regelmaßig")\nentgegen gehalten werden konnten. Fur die Frage der Zulassigkeit der\nErrichtung von Windkraftanlagen (auch) im hier fraglichen Bereich („H.berg")\nbliebe es aber, da weder von einer verbindlichen gemeindliche Bauleitplanung\n(§ 30 BauGB) noch einer Zugehorigkeit zu einem Bebauungszusammenhang im Sinne\ndes § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ausgegangen werden kann, dabei, dass die Vorhaben\nnach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB - im Außenbereich insgesamt - privilegiert\nzulassig waren. Fur die Abwehrposition der Antragstellerin gegenuber der\nErrichtung von Windkraftanlagen in dem Gebiet ware also durch die Feststellung\nder „Nichtigkeit" der Festlegung der Vorrangflache (VE) insoweit nichts\ngewonnen.\n\nDie Anlagen waren - mit oder ohne Festlegung eines Vorranggebiets - aber unter\nanderem nach den Maßstaben des in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB angelegten\nGebots der nachbarlichen Rucksichtnahme zu beurteilen, das im Falle der\nzwischenzeitlich geschaffenen immissionsschutzrechtlichen\nGenehmigungsbedurftigkeit (vgl. hierzu Nr. 1.6 (Spalte 2) und § 2 Abs. 3 der\n4. BImSchV, zum Übergangsrecht etwa Tigges, ZNER 2005, 149) uber § 6 Abs. 1\nNr. 2 BImSchG zu beachten ist. Das Ausmaß des der Antragstellerin unter den\nGesichtspunkten etwa des Larmschutzes oder der optisch visuellen\nBeeintrachtigungen Zumutbaren in dem Zusammenhang wird vom Vorhandensein der\nvon ihr bekampften landesplanerischen Zielvorgabe nicht - aus ihrer Sicht\nnegativ - beeinflusst. Konnen die jeweiligen Immissionsgrenzwerte bei konkret\ngeplanten Anlagen nicht eingehalten werden, so stehen der Antragstellerin\nentsprechende Abwehranspruche zu.\n\nDa ein Bauwilliger bei Einhaltung durch sonstige Regelwerke, hier gerade des\nBundesimmissionsschutzrechts, normierter Zumutbarkeitsschranken auch unter\nRucksichtnahmegesichtspunkten nicht verpflichtet werden kann, theoretisch\nmogliche, (noch) schonendere Ausfuhrungen seines Vorhabens, etwa durch ein\nfaktisch mogliches weiteres raumliches „Abrucken" vom Beschwerde fuhrenden\n„Nachbarn", zu wahlen, ist auch unter diesem Gesichtspunkt kein rechtlicher\nVorteil fur die Antragstellerin bei Fortfall einer wegen der erwahnten\nAusschlusswirkung („regelmaßig") den Bauort beschrankenden Festlegung des\nVorranggebiets feststellbar.\n\nAuch mit Blick auf den § 35 Abs. 3 Satz 2, 2. Hs. BauGB, wonach - wie hier -\nraumbedeutsamen (privilegierten) Vorhaben offentliche Belange nicht\nentgegenstehen, „soweit" die Belange bei der Darstellung der Vorhaben als\nZiele der Raumordnung abgewogen worden sind, ergibt sich nichts anderes. Die\nVorschrift hat - aus Sicht der Antragstellerin - nicht zur Folge, dass die\nimmissionsschutzrechtlich vorgegebenen „Standards" zu ihren Lasten verschoben\noder gar außer kraft gesetzt werden. Die Bestimmung will eine doppelte\nAbwagung offentlicher Belange, insbesondere eine „zweite" Abwagung\noffentlicher Belange auf der Ebene des das Einzelvorhaben betreffenden\nGenehmigungsverfahrens, verhindern und gelangt daher von ihrem Wortlaut her\nvon vorneherein nicht zur Anwendung, soweit eine Abwagung auf der Ebene der\nRaumordnung unterblieben oder in einer zur Nichtigkeit der Planung fuhrenden\nWeise fehlerhaft erfolgt ist (vgl. dazu beispielsweise Durr in Brugelmann,\nBauGB, Loseblatt, Band 2, § 35 RNr. 105). Auch das betrifft aber nicht die\nRechtsstellung der Antragstellerin. Außerdem hat die Vertreterin des\nAntragsgegners in der mundlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrucklich\nerklart, dass der Festlegung des konkreten Vorranggebiets oder anderer\nVorranggebiete fur Windenergie im Saarland eine entsprechende jeweils\nstandortbezogene „Vorabwagung" - im Ergebnis zu Lasten der Bewohner in der\nUmgebung, hier des „H.bergs", nicht zugrunde liegt. Auch unter dem Aspekt ware\ndaher im Ergebnis fur die Durchsetzbarkeit etwaiger Abwehranspruche gegenuber\nkonkreten Windenergievorhaben durch die Unwirksamkeitserklarung rechtlich\nnichts gewonnen.\n\nVor diesem Hintergrund ist die Antragstellerin selbst bei Heranziehung der bei\n§ 42 Abs. 2 VwGO anzulegenden großzugigen Maßstabe im Rahmen des § 47 Abs. 2\nSatz 1 VwGO (dazu BVerwG, Urteil vom 24.9.1998 - 4 CN 2.98 -, BVerwGE 107,\n215, wonach sich auch fur die Neufassung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO - nach\nVerzicht auf den Nachteilsbegriff - eine Handhabung verbietet, die im Ergebnis\ndazu fuhrt, die an sich gebotene Sachprufung als Frage der Zulassigkeit eines\nNormenkontrollantrags zu behandeln) fur das Normenkontrollverfahren nicht\nantragsbefugt. Etwas anderes mag gelten fur die in ihrer Planungshoheit nach\nMaßgabe des Anpassungsgebots (§ 1 Abs. 4 BauGB) durch die landesplanerische\nZielvorgabe unmittelbar betroffenen Standortgemeinden (vgl. hierzu etwa\nBVerwG, Beschluss vom 20.11.2003 - 4 CN 6.03 -, BRS 66 Nr. 55, betreffend die\nAuswirkungen einer landesplanerisch vorgesehenen Ausweitung des Flughafens\nFrankfurt/Main auf die Planungshoheit einer benachbarten Stadt, VGH Mannheim,\nUrteil vom 15.7.2005 - 5 S 2124/04 -, UPR 2006, 119, OVG Frankfurt/Oder,\nUrteil vom 10.2.2005 - 3 D 104/03.NE -, LKV 2005, 306 (Flughafen Berlin-\nSchonefeld)), moglicherweise bei gebietsnahen Festlegungen mit Blick auf § 2\nAbs. 2 BauGB sogar fur Nachbargemeinden (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 6.3.2002\n- 8 C 11131/01 -, AS 29, 399 = DÖV 2002, 622, zu einem Normenkontrollantrag\ngegen einen Bebauungsplan (§ 30 BauGB), wobei die Antragsbefugnis im konkreten\nFall aber wegen „allenfalls geringfugiger, stadtebaulich nicht relevanter\nEinwirkungen" vom Gericht verneint wurde), oder fur die durch anderweitige\nStandortvorgaben uber § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB „regelmaßig" an der Nutzung\neigener Außenbereichsgrundstucke zur (betriebsunabhangigen) Windkrafterzeugung\ngehinderten Grundeigentumer (vgl. etwa OVG Bautzen, Urteil vom 26.11.2002 - 1\nD 36/01 -, UPR 2004, 450, wo unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 18.5.1994 -\n4 NB 27.93 -, NVwZ 1995, 264 sogar dem Inhaber nur obligatorischer\nBerechtigungen an einem Grundstuck die Antragsbefugnis mit Blick auf die\nbeabsichtigte Errichtung von Windkraftanlagen zuerkannt wurde; VGH Mannheim,\nUrteil vom 9.6.2005 - 3 S 1545/04 -, ZfBR 2005, 691 (juris), zu einem\nNormenkontrollantrag eines privaten Betreibers, dessen\nimmissionsschutzrechtlicher Zulassungsantrag unter Hinweis auf\nentgegenstehende raumordnerische Vorgaben abgelehnt worden war, OVG\nGreifswald, Urteil vom 7.9.2000 - 4 K 28/99 -, BRS 63 Nr. 49, zum Fall des\nNormenkontrollantrags eines Bergwerksunternehmers gegen die Festlegung eines\nBereichs als Vorsorgeraum fur Naturschutz (Mecklenburgische Seenplatte) in\neinem regionalen Raumordnungsprogramm). Der Antragstellerin bleibt es\nunbenommen, bei - wenn uberhaupt - Genehmigung von Windkraftanlagen in dem\nVorranggebiet „H.berg" etwaige Abwehrrechte gegenuber der\nGenehmigungsentscheidung geltend zu machen. Rechtsnachteile durch die\nbekampfte landesplanerische Festlegung und - dem entsprechend umgekehrt\ngesprochen - rechtliche Vorteile durch die angestrebte Unwirksamkeitserklarung\nsind nicht ersichtlich.\n\nSoweit die Antragstellerin in der mundlichen Verhandlung angesprochen hat,\ndass die Gemeinde B bei Wegfall der landesplanerischen Vorgabe (insgesamt) im\nRahmen der Ausubung ihrer dann nicht (mehr) durch die in § 1 Abs. 4 BauGB\nnormierte Anpassungspflicht „vorgesteuerten" Planungshoheit fur ihr Gebiet\nanderweitige Standortausweisungen fur Windkraftanlagen mit - dann - der\ngewunschten Ausschlusswirkung fur den „H.berg" treffen konnte, handelt es sich\num reine Spekulation. Dies vermag der Antragstellerin ebenfalls nicht die in §\n47 Abs. 2 Satz 1 VwGO geforderte (negative) rechtliche Betroffenheit zu\nvermitteln. Lasst man die in dem Zusammenhang denkbaren „Meinungsumschwunge"\nbei den zustandigen Entscheidungstragern einmal außer Betracht, so muss im\nkonkreten Fall davon unabhangig auch eher von einer nur theoretischen „Chance"\ngesprochen werden. Letztlich hat gerade die Gemeinde B (selbst) auf der\nGrundlage einer von ihr in Auftrag gegebenen Fachstudie hinsichtlich auf ihrem\nGebiet vorhandener Eignungsbereiche fur die Nutzung der Windenergie (vgl. die\n„Untersuchung von Eignungsbereichen fur die Windenergienutzung in der Gemeinde\nBeckingen" der ARGUS PLAN (April 2003)) den von dem Gutachten auf Platz 1 der\n„Prioritatenliste" gesetzten Bereich „H.berg" bei der Landesplanung (uberhaupt\nerst) ins Gesprach gebracht. Ein aus Sicht der Antragstellerin wunschenswertes\n(abweichendes) Planungshandeln der Gemeinde B stellt insgesamt lediglich eine\ndenkbare Moglichkeit dar, die keine eigene Rechtsbetroffenheit in ihrer Person\nbegrunden kann.\n\nKommen nach dem Gesagten Standortaussagen in Form der Vorranggebietsfestlegung\nfur die Nutzung der Windenergie bezogen auf private Nachbarn vor allem wegen\nder damit verbundenen Ausschlusswirkung hinsichtlich solcher Vorhaben an\nanderer Stelle keine rechtlichen Auswirkungen zu, so vermag auch das spezielle\nlandesplanungsrechtliche Abwagungsgebot (vgl. heute § 3 Abs. 1 Satz 1 SLPG\n2002) fur sich genommen keine eigenstandige Antragsbefugnis der\nAntragstellerin zu begrunden (vgl. auch in dem Zusammenhang allgemein zur\nFrage des drittschutzenden Charakters des Abwagungsgebots in § 1 Abs. 6 BauGB\nBVerwG, Urteil vom 24.9.1998 - 4 CN 2.98 -, BVerwGE 107, 215). Im Hinblick auf\ndie hier nach dem bereits erwahnten § 15 Abs. 2 SLPG 2002 noch maßgeblichen\nVerfahrensregeln des SLPG 1994 ist daruber hinaus festzustellen, dass der\nAntragsgegner danach eine allein an offentlichen Interessen orientierte\nPlanungsentscheidung zu treffen hatte, wie bereits die im Gesetz\nvorgeschaltete „Aufgabenbeschreibung" fur die Landesplanung in § 1 SLPG 1994\ndeutlich macht.\n\nDie Vertreterin des Antragsgegners hat in der mundlichen Verhandlung vor dem\nSenat am 18.5.2006 auch dargelegt, dass insbesondere mit der ursprunglichen\nlandesplanerischen Vorgabe eines allgemeinen Abstands von 1.000 m im 3.\nÄnderungsentwurf gegenuber vorhandener Wohnbebauung, die dann in der\nabschließenden Fassung (4. Änderung) in mehreren Fallen zugunsten eines\nangestrebten nicht bezifferten „ausreichenden" Abstands gegenuber\n„Aussiedlerhofen und Wohngebieten" (vgl. hierzu die Ziffer (67) im LEP Umwelt\n2004) unterschritten worden ist, lediglich ein objektiver „Vorsorgewert" in\ndie Planungspramissen aufgenommen worden war, um generell die Akzeptanz fur\nWindenergieanlagen in der saarlandischen Bevolkerung zu erhohen. Der Wert\nwurde im Übrigen von der Landesplanung gerade relativiert, um die Moglichkeit\nzu eroffnen, anderweitigen Ausweisungswunschen einzelner Gemeinden,\ninsbesondere auch demjenigen der Gemeinde B, Rechnung tragen zu konnen (vgl.\ndazu die Drucksache Nr. 13/868 des Landtags des Saarlandes vom 5.4.2006, die\neine Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage des Abgeordneten C. Hartmann\n(FDP) zu der Problematik enthalt und unter anderem auflistet, in welchen\nFallen auf gemeindlichen Wunsch Unterschreitungen der generellen\nAbstandsvorgabe von 1.000m (3. Entwurf) vorgenommen worden sind (vgl. Seite 2,\nzu Frage 3)). Dass damit keine Abwagung individueller „Zumutbarkeiten"\nvorgenommen werden sollte, unterliegt mit Blick auf die zu der Thematik\nveroffentlichte Rechtsprechung in anderen Bundeslandern keinen ernstlichen\nZweifeln (vgl. beispielsweise OVG Munster, Beschluss vom 22.9.2005 - 7 D\n21/04.NE -, ZNER 2005, 249, zu einer erfolgreichen Normenkontrolle eines\nAnlagenbetreibers gegen einen Bebauungsplan wegen einer Verletzung des\nAnpassungsgebots, weil die Gemeinde generell - uber die landesplanerische\nVorgabe hinaus - Schutzzonen von 500 m um die zu Wohnzwecken benutzte Bebauung\nin ihrem Außenbereich gezogen hatte; zu „optischen Auswirkungen" unter\nRucksichtnahmeaspekten ausfuhrlich OVG Luneburg, Beschluss vom 15.3.2004 - 1\nME 45/04 -, ZNER 2004, 311 (Abstand zur Anlage im Außenbereich: 700 m bzw. 725\nm) und OVG Koblenz, Beschluss vom 25.1.2005 - 7 B 12114/04.A -, ZNER 2005, 89,\nwonach bei einem Abstand von etwa 500 m eine Unzumutbarkeit wegen\nSchattenwurfes ausgeschlossen werden kann, Urteil vom 12.6.2003 - 1 A 11127/02\n-, ZNER 2004, 340, wonach bei einem Abstand von 295 m zu einem Wohnhaus im\nAußenbereich eine „optisch bedrangende Wirkung" einer Anlage mit NH 65 m, RD\n44 m auszuschließen ist, dort unter Hinweis auf einen entsprechenden\nAbstandserlass Rheinland-Pfalz, MinBl. 1999, 148, siehe dagegen zu einem\nerfolgreichen Aussetzungsbegehren bei einem Abstand von 200 m zwischen\nWohnhaus (AB) und Anlage OVG Munster, Beschluss vom 2.4.2003 - 10 B 1572/02 -,\nBauR 2004, 475, wonach hinsichtlich der Einhaltung des Nachtwertes eine\nAusbreitungsberechnung nach dem alternativen Verfahren gemaß DIN ISO 9613-2\nAbschnitt 7.3.2 vorzunehmen ist). Die Beantwortung der nicht im Zuge einer\nAbwagungsentscheidung „zur Disposition" stehenden Frage des Hervorrufens\nschadlicher Umwelteinwirkungen (§ 3 Abs. 1 BImSchG) anhand der TA-Larm und der\nerganzenden Regelwerke hangt von vielen Faktoren, etwa der Art der\nWindkraftanlagen oder von dem konkreten Standplatz der Anlagen ab, die von der\nLandesplanung nicht vorgegeben oder „vorabgewogen" werden konnen.\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.\n\nDer Ausspruch uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167\nVwGO, 708 Nr. 10 ZPO.\n\nDie Voraussetzungen fur die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen\nnicht vor.\n\n**Beschluss**\n\nDer Streitwert wird auch fur das Normenkontrollverfahren auf 30.000,- EUR\nfestgesetzt (§§ 52 Abs. 1 GKG, vgl. bereits die entsprechende vorlaufige\nFestsetzung durch den Beschluss vom 9.11.2005 - 2 N 3/05 -).\n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar.\n\n## Gründe\n\nDer Normenkontrollantrag der Antragstellerin, die mit dem Hauptantrag die\nFeststellung der Unwirksamkeit der mit Ausschlusswirkung fur andere Teile des\nLandesgebiets verbundenen Festlegungen von Vorrangflachen fur die\nWindenergienutzung im Teilabschnitt „Umwelt (Vorsorge fur Flachennutzung,\nUmweltschutz und Infrastruktur)" des Landesentwicklungsplans vom 13.7.2004\n(LEP Umwelt 2004) fur den Bereich des Saarlandes, hilfsweise (nur) eine\nNichtigerklarung der Festlegung eines entsprechenden Vorranggebiets „Auf\'m\nH.berg" in B - H begehrt, muss erfolglos bleiben. Der Antrag ist - das gilt\nfur Haupt- und Hilfsantrag gleichermaßen - unzulassig. Er ist ungeachtet des\ndem LEP Umwelt 2004 fehlenden formlichen Rechtsnormcharakters zwar statthaft\n(1.); der Antragstellerin fehlt indes die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO fur ein\nNormenkontrollbegehren zu fordernde Antragsbefugnis (2.).\n\n(1.) Bei der angegriffenen Festlegung von Vorranggebieten fur Windenergie\n(VE), speziell demjenigen am „H.berg" in B durch den LEP Umwelt 2004 handelt\nes sich um im Range unter dem (formlichen) Landesgesetz stehende\n„Rechtsvorschriften" im Verstandnis des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Fur solche hat\nder saarlandische Landesgesetzgeber in § 18 AGVwGO Saar eine generelle\nMoglichkeit der abstrakten Normenkontrolle geschaffen.\n\nDem steht nicht entgegen, dass der LEP Umwelt 2004 - entgegen der Ansicht der\nAntragstellerin - nicht in der durch § 3 Abs. 6 SLPG 2002 fur den Erlass des\nLandesentwicklungsplans nunmehr vorgeschriebenen Form einer Rechtsverordnung,\nsondern nach Maßgabe der einschlagigen Überleitungsvorschrift in § 15 Abs. 2\nSLPG 2002 noch auf der Grundlage des danach unter anderem fur seine\n„Bekanntmachung" weiter anzuwendenden SLPG 1994 lediglich als „Plan" im\nAmtsblatt des Saarlandes bekannt gemacht und damit wirksam geworden ist (§ 8\nAbs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SLPG 1994). Nach der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 20.11.2003 - 4 CN\n5.03 und 4 CN 6.03 -, BRS 66 Nr. 55, BauR 2004, 807-813, zu hessischen\nRegionalplanen, fur die damals, anders als fur den Landesentwicklungsplan\nselbst, keine bestimmte Rechtsform vorgeschrieben war, insoweit insbesondere\nmit einer Abgrenzung zur eigenen Rechtsprechung, wonach Flachennutzungsplane,\ndie gemaß § 1 Abs. 4 BauGB hinsichtlich der Zielvorgaben der Raumordnung einem\nAnpassungsgebot unterliegen, nicht Gegenstand einer Normenkontrolle im Sinne\ndes § 47 VwGO sein konnen, dazu BVerwG, Beschluss vom 20.7.1990 - 4 N 3.88 -,\nBRS 50 Nr. 36; anders nunmehr OVG Koblenz, Urteil vom 8.12.2005 -1 C 10065/05\n-, ZNER 2005, 336, unter Zulassung der Revision) gehoren zum Kreis der\n„Rechtsvorschriften", die nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO fur „unwirksam" erklart\nwerden konnen, neben Satzungen und Rechtsverordnungen auch nicht formlich als\nNorm erlassene, aber abstrakt-generell mit Außenwirksamkeitsanspruch versehene\n„Regelungen" (vgl. in dem Zusammenhang allgemein Sodan/Ziekow, VwGO, 2.\nAuflage 2006, § 47 RNr. 118, kritisch zu der Rechtsprechung des BVerwG\ninsbesondere RNr. 119). Dazu zahlen insbesondere raumordnerische Zielvorgaben\n(§ 3 Nr. 2 ROG) (vgl. zum Begriff des Ziels der Raumordnung (§ 3 Nr. 2 ROG)\netwa BVerwG, Beschluss vom 15.4.2003 - 4 BN 25.03 -, BauR 2004, 285, BRS 66\nNr. 6) in Raumordnungs- und Landesentwicklungsplanen, die anders als die\nlediglich Maßgaben fur nachfolgende Ermessens- und Abwagungsentscheidungen\nenthaltenden Grundsatze der Raumordnung (§ 3 Nr. 3 ROG) nach § 4 Abs. 1 ROG\nvon offentlichen Stellen bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu\nbeachten sind, daher „Letztentscheidungscharakter" haben und nicht im Wege\n(spaterer) Abwagung uberwunden werden konnen (§ 1 Abs. 4 BauGB). Eine\nZielvorgabe der Raumordnung schafft raumlich und sachlich die zur\nVerwirklichung der Grundsatze der Raumordnung notwendigen Voraussetzungen und\nenthalt bereits eine Abwagung zwischen den durch die Grundsatze verkorperten\nunterschiedlichen raumordnerischen Belangen (vgl. dazu etwa BVerwG, Beschluss\nvom 17.6.2004 - 4 BN 5.04 -, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 166). Dass die\nlandesplanerische Festlegung von Vorranggebieten speziell fur Windenergie mit\nAusschlusscharakter fur sonstige Nutzungen und andere Gebiete\n(„Konzentrationszonen"), auch wenn sie nicht parzellenscharf erfolgt (vgl.\ndazu etwa OVG des Saarlandes, Urteil vom 27.3.2001 - 2 N 9/99 -, AS 29,\n164-170 und BRS 64 Nr. 4 („Absinkweiher")), ungeachtet ihres zunachst auf\nTrager offentlicher Planungen begrenzten Kreises von „Normadressaten" (§§ 4\nROG, 8 Abs. 2 Satz 2 SLPG 1994) gerade auch mit Blick auf § 35 Abs. 3 Satze 2\nund 3 BauGB die Voraussetzungen fur die Annahme einer „Rechtsvorschrift" in\ndiesem weiten Verstandnis erfullt und daher nach den §§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO,\n18 AGVwGO Saar grundsatzlich Gegenstand einer Normenkontrolle sein kann,\nunterliegt von daher keinen ernsthaften Zweifeln (vgl. hierzu auch BVerwG,\nBeschluss vom 7.3.2002 - 4 BN 60.01 -, BRS 65 Nr. 51, unter Hinweis auf die\neigene fruhere Rechtsprechung, Beschluss vom 20.8.1992 - 4 NB 20.91 -, BRS 54\nNr. 12, und Urteil vom 19.7.2001 - 4 C 4.00 -, DVBl. 2001, 1855, wobei VGH\nMunchen, Urteil vom 23.2.2005 - 20 N 03.1243 u.a., juris, aus der\nerstgenannten Entscheidung - im Gegenteil - herleitet, dass Ziele im\nLandesentwicklungsplan nicht die Qualitat einer Rechtsnorm aufwiesen und daher\nnicht geeignet seien, normative Bindungen im Hinblick auf die kommunale\nPlanungshoheit betroffener Gemeinden zu erzeugen).\n\n(2.) Die Antragstellerin, die sich als potentielle „Nachbarin" gegen die\nErrichtung von Windkraftanlagen auf der konkret festgelegten Vorrangflache\n„H.berg" wendet und letztlich diese verhindern mochte, ist indes fur das\nvorliegende Normenkontrollverfahren nicht antragsbefugt. Die Antragsbefugnis\nerfordert nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO seit der inhaltlich an § 42 Abs. 2 VwGO\norientierten Neufassung der Bestimmung im Jahre 1996, dass der (private)\nAntragsteller geltend machen kann, durch die bekampfte Norm in seinen Rechten\nverletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Eine solche\nnegative Rechtsbetroffenheit der Antragstellerin kann hier nicht festgestellt\nwerden, ebenso wenig wie ein Rechtsschutzinteresse, denn sie konnte durch die\nbegehrte Nichtigerklarung ihre rechtliche Situation nicht verbessern.\n\nDie Ausweisung eines Vorranggebiets fur Windenergie als landesplanerische\nZielvorgabe hat insbesondere Bedeutung im Hinblick auf das so genannte\nDarstellungsprivileg hinsichtlich der Zulassigkeit von Windkraftanlagen im\nAußenbereich (§ 35 BauGB). Nach dem (nunmehr) einschlagigen § 35 Abs. 3 Satz 3\nBauGB stehen den im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis Nr. 6 BauGB\nbevorrechtigt zulassigen Bauvorhaben, wozu nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB\nAnlagen zur Nutzung der Windenergie gehoren, offentliche Belange - mit einen\nZulassungsanspruch insoweit ausschließender Wirkung - in der Regel auch\nentgegen, soweit hierfur durch Darstellungen in dem Flachennutzungsplan der\nGemeinde (§§ 5, 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB) oder als Ziele der Raumordnung eine\nAusweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Aus dieser Ausschlusswirkung ergeben\nsich fur den Außenbereich Steuerungsmoglichkeiten fur Gemeinden und\nLandesplanung, wo derartige Anlagen errichtet werden sollen (vgl. zu den\npositiven Festsetzungsmoglichkeiten in einem Bebauungsplan § 9 Abs. 1 Nr. 12\nBauGB („Versorgungsflachen")). Bezogen auf die Rechtsposition der\nAntragstellerin bleibt das aber jedenfalls im Ergebnis ohne Belang.\n\nSofern die Festlegungen der Vorranggebiete fur Windenergie im LEP Umwelt 2004\ninsgesamt (Hauptantrag) oder auch speziell die des Vorranggebiets „H.berg"\n(Hilfsantrag) nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO fur unwirksam erklart wurden, hatte\ndies zur Folge, dass diese Standortfestlegungen einer beabsichtigten\nErrichtung von Windkraftanlagen durch die Betreiber solcher Anlagen an anderer\nStelle im Außenbereich saarlandischer Gemeinden beziehungsweise von B nicht\nmehr als offentlicher Belang nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB („regelmaßig")\nentgegen gehalten werden konnten. Fur die Frage der Zulassigkeit der\nErrichtung von Windkraftanlagen (auch) im hier fraglichen Bereich („H.berg")\nbliebe es aber, da weder von einer verbindlichen gemeindliche Bauleitplanung\n(§ 30 BauGB) noch einer Zugehorigkeit zu einem Bebauungszusammenhang im Sinne\ndes § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ausgegangen werden kann, dabei, dass die Vorhaben\nnach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB - im Außenbereich insgesamt - privilegiert\nzulassig waren. Fur die Abwehrposition der Antragstellerin gegenuber der\nErrichtung von Windkraftanlagen in dem Gebiet ware also durch die Feststellung\nder „Nichtigkeit" der Festlegung der Vorrangflache (VE) insoweit nichts\ngewonnen.\n\nDie Anlagen waren - mit oder ohne Festlegung eines Vorranggebiets - aber unter\nanderem nach den Maßstaben des in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB angelegten\nGebots der nachbarlichen Rucksichtnahme zu beurteilen, das im Falle der\nzwischenzeitlich geschaffenen immissionsschutzrechtlichen\nGenehmigungsbedurftigkeit (vgl. hierzu Nr. 1.6 (Spalte 2) und § 2 Abs. 3 der\n4. BImSchV, zum Übergangsrecht etwa Tigges, ZNER 2005, 149) uber § 6 Abs. 1\nNr. 2 BImSchG zu beachten ist. Das Ausmaß des der Antragstellerin unter den\nGesichtspunkten etwa des Larmschutzes oder der optisch visuellen\nBeeintrachtigungen Zumutbaren in dem Zusammenhang wird vom Vorhandensein der\nvon ihr bekampften landesplanerischen Zielvorgabe nicht - aus ihrer Sicht\nnegativ - beeinflusst. Konnen die jeweiligen Immissionsgrenzwerte bei konkret\ngeplanten Anlagen nicht eingehalten werden, so stehen der Antragstellerin\nentsprechende Abwehranspruche zu.\n\nDa ein Bauwilliger bei Einhaltung durch sonstige Regelwerke, hier gerade des\nBundesimmissionsschutzrechts, normierter Zumutbarkeitsschranken auch unter\nRucksichtnahmegesichtspunkten nicht verpflichtet werden kann, theoretisch\nmogliche, (noch) schonendere Ausfuhrungen seines Vorhabens, etwa durch ein\nfaktisch mogliches weiteres raumliches „Abrucken" vom Beschwerde fuhrenden\n„Nachbarn", zu wahlen, ist auch unter diesem Gesichtspunkt kein rechtlicher\nVorteil fur die Antragstellerin bei Fortfall einer wegen der erwahnten\nAusschlusswirkung („regelmaßig") den Bauort beschrankenden Festlegung des\nVorranggebiets feststellbar.\n\nAuch mit Blick auf den § 35 Abs. 3 Satz 2, 2. Hs. BauGB, wonach - wie hier -\nraumbedeutsamen (privilegierten) Vorhaben offentliche Belange nicht\nentgegenstehen, „soweit" die Belange bei der Darstellung der Vorhaben als\nZiele der Raumordnung abgewogen worden sind, ergibt sich nichts anderes. Die\nVorschrift hat - aus Sicht der Antragstellerin - nicht zur Folge, dass die\nimmissionsschutzrechtlich vorgegebenen „Standards" zu ihren Lasten verschoben\noder gar außer kraft gesetzt werden. Die Bestimmung will eine doppelte\nAbwagung offentlicher Belange, insbesondere eine „zweite" Abwagung\noffentlicher Belange auf der Ebene des das Einzelvorhaben betreffenden\nGenehmigungsverfahrens, verhindern und gelangt daher von ihrem Wortlaut her\nvon vorneherein nicht zur Anwendung, soweit eine Abwagung auf der Ebene der\nRaumordnung unterblieben oder in einer zur Nichtigkeit der Planung fuhrenden\nWeise fehlerhaft erfolgt ist (vgl. dazu beispielsweise Durr in Brugelmann,\nBauGB, Loseblatt, Band 2, § 35 RNr. 105). Auch das betrifft aber nicht die\nRechtsstellung der Antragstellerin. Außerdem hat die Vertreterin des\nAntragsgegners in der mundlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrucklich\nerklart, dass der Festlegung des konkreten Vorranggebiets oder anderer\nVorranggebiete fur Windenergie im Saarland eine entsprechende jeweils\nstandortbezogene „Vorabwagung" - im Ergebnis zu Lasten der Bewohner in der\nUmgebung, hier des „H.bergs", nicht zugrunde liegt. Auch unter dem Aspekt ware\ndaher im Ergebnis fur die Durchsetzbarkeit etwaiger Abwehranspruche gegenuber\nkonkreten Windenergievorhaben durch die Unwirksamkeitserklarung rechtlich\nnichts gewonnen.\n\nVor diesem Hintergrund ist die Antragstellerin selbst bei Heranziehung der bei\n§ 42 Abs. 2 VwGO anzulegenden großzugigen Maßstabe im Rahmen des § 47 Abs. 2\nSatz 1 VwGO (dazu BVerwG, Urteil vom 24.9.1998 - 4 CN 2.98 -, BVerwGE 107,\n215, wonach sich auch fur die Neufassung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO - nach\nVerzicht auf den Nachteilsbegriff - eine Handhabung verbietet, die im Ergebnis\ndazu fuhrt, die an sich gebotene Sachprufung als Frage der Zulassigkeit eines\nNormenkontrollantrags zu behandeln) fur das Normenkontrollverfahren nicht\nantragsbefugt. Etwas anderes mag gelten fur die in ihrer Planungshoheit nach\nMaßgabe des Anpassungsgebots (§ 1 Abs. 4 BauGB) durch die landesplanerische\nZielvorgabe unmittelbar betroffenen Standortgemeinden (vgl. hierzu etwa\nBVerwG, Beschluss vom 20.11.2003 - 4 CN 6.03 -, BRS 66 Nr. 55, betreffend die\nAuswirkungen einer landesplanerisch vorgesehenen Ausweitung des Flughafens\nFrankfurt/Main auf die Planungshoheit einer benachbarten Stadt, VGH Mannheim,\nUrteil vom 15.7.2005 - 5 S 2124/04 -, UPR 2006, 119, OVG Frankfurt/Oder,\nUrteil vom 10.2.2005 - 3 D 104/03.NE -, LKV 2005, 306 (Flughafen Berlin-\nSchonefeld)), moglicherweise bei gebietsnahen Festlegungen mit Blick auf § 2\nAbs. 2 BauGB sogar fur Nachbargemeinden (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 6.3.2002\n- 8 C 11131/01 -, AS 29, 399 = DÖV 2002, 622, zu einem Normenkontrollantrag\ngegen einen Bebauungsplan (§ 30 BauGB), wobei die Antragsbefugnis im konkreten\nFall aber wegen „allenfalls geringfugiger, stadtebaulich nicht relevanter\nEinwirkungen" vom Gericht verneint wurde), oder fur die durch anderweitige\nStandortvorgaben uber § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB „regelmaßig" an der Nutzung\neigener Außenbereichsgrundstucke zur (betriebsunabhangigen) Windkrafterzeugung\ngehinderten Grundeigentumer (vgl. etwa OVG Bautzen, Urteil vom 26.11.2002 - 1\nD 36/01 -, UPR 2004, 450, wo unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 18.5.1994 -\n4 NB 27.93 -, NVwZ 1995, 264 sogar dem Inhaber nur obligatorischer\nBerechtigungen an einem Grundstuck die Antragsbefugnis mit Blick auf die\nbeabsichtigte Errichtung von Windkraftanlagen zuerkannt wurde; VGH Mannheim,\nUrteil vom 9.6.2005 - 3 S 1545/04 -, ZfBR 2005, 691 (juris), zu einem\nNormenkontrollantrag eines privaten Betreibers, dessen\nimmissionsschutzrechtlicher Zulassungsantrag unter Hinweis auf\nentgegenstehende raumordnerische Vorgaben abgelehnt worden war, OVG\nGreifswald, Urteil vom 7.9.2000 - 4 K 28/99 -, BRS 63 Nr. 49, zum Fall des\nNormenkontrollantrags eines Bergwerksunternehmers gegen die Festlegung eines\nBereichs als Vorsorgeraum fur Naturschutz (Mecklenburgische Seenplatte) in\neinem regionalen Raumordnungsprogramm). Der Antragstellerin bleibt es\nunbenommen, bei - wenn uberhaupt - Genehmigung von Windkraftanlagen in dem\nVorranggebiet „H.berg" etwaige Abwehrrechte gegenuber der\nGenehmigungsentscheidung geltend zu machen. Rechtsnachteile durch die\nbekampfte landesplanerische Festlegung und - dem entsprechend umgekehrt\ngesprochen - rechtliche Vorteile durch die angestrebte Unwirksamkeitserklarung\nsind nicht ersichtlich.\n\nSoweit die Antragstellerin in der mundlichen Verhandlung angesprochen hat,\ndass die Gemeinde B bei Wegfall der landesplanerischen Vorgabe (insgesamt) im\nRahmen der Ausubung ihrer dann nicht (mehr) durch die in § 1 Abs. 4 BauGB\nnormierte Anpassungspflicht „vorgesteuerten" Planungshoheit fur ihr Gebiet\nanderweitige Standortausweisungen fur Windkraftanlagen mit - dann - der\ngewunschten Ausschlusswirkung fur den „H.berg" treffen konnte, handelt es sich\num reine Spekulation. Dies vermag der Antragstellerin ebenfalls nicht die in §\n47 Abs. 2 Satz 1 VwGO geforderte (negative) rechtliche Betroffenheit zu\nvermitteln. Lasst man die in dem Zusammenhang denkbaren „Meinungsumschwunge"\nbei den zustandigen Entscheidungstragern einmal außer Betracht, so muss im\nkonkreten Fall davon unabhangig auch eher von einer nur theoretischen „Chance"\ngesprochen werden. Letztlich hat gerade die Gemeinde B (selbst) auf der\nGrundlage einer von ihr in Auftrag gegebenen Fachstudie hinsichtlich auf ihrem\nGebiet vorhandener Eignungsbereiche fur die Nutzung der Windenergie (vgl. die\n„Untersuchung von Eignungsbereichen fur die Windenergienutzung in der Gemeinde\nBeckingen" der ARGUS PLAN (April 2003)) den von dem Gutachten auf Platz 1 der\n„Prioritatenliste" gesetzten Bereich „H.berg" bei der Landesplanung (uberhaupt\nerst) ins Gesprach gebracht. Ein aus Sicht der Antragstellerin wunschenswertes\n(abweichendes) Planungshandeln der Gemeinde B stellt insgesamt lediglich eine\ndenkbare Moglichkeit dar, die keine eigene Rechtsbetroffenheit in ihrer Person\nbegrunden kann.\n\nKommen nach dem Gesagten Standortaussagen in Form der Vorranggebietsfestlegung\nfur die Nutzung der Windenergie bezogen auf private Nachbarn vor allem wegen\nder damit verbundenen Ausschlusswirkung hinsichtlich solcher Vorhaben an\nanderer Stelle keine rechtlichen Auswirkungen zu, so vermag auch das spezielle\nlandesplanungsrechtliche Abwagungsgebot (vgl. heute § 3 Abs. 1 Satz 1 SLPG\n2002) fur sich genommen keine eigenstandige Antragsbefugnis der\nAntragstellerin zu begrunden (vgl. auch in dem Zusammenhang allgemein zur\nFrage des drittschutzenden Charakters des Abwagungsgebots in § 1 Abs. 6 BauGB\nBVerwG, Urteil vom 24.9.1998 - 4 CN 2.98 -, BVerwGE 107, 215). Im Hinblick auf\ndie hier nach dem bereits erwahnten § 15 Abs. 2 SLPG 2002 noch maßgeblichen\nVerfahrensregeln des SLPG 1994 ist daruber hinaus festzustellen, dass der\nAntragsgegner danach eine allein an offentlichen Interessen orientierte\nPlanungsentscheidung zu treffen hatte, wie bereits die im Gesetz\nvorgeschaltete „Aufgabenbeschreibung" fur die Landesplanung in § 1 SLPG 1994\ndeutlich macht.\n\nDie Vertreterin des Antragsgegners hat in der mundlichen Verhandlung vor dem\nSenat am 18.5.2006 auch dargelegt, dass insbesondere mit der ursprunglichen\nlandesplanerischen Vorgabe eines allgemeinen Abstands von 1.000 m im 3.\nÄnderungsentwurf gegenuber vorhandener Wohnbebauung, die dann in der\nabschließenden Fassung (4. Änderung) in mehreren Fallen zugunsten eines\nangestrebten nicht bezifferten „ausreichenden" Abstands gegenuber\n„Aussiedlerhofen und Wohngebieten" (vgl. hierzu die Ziffer (67) im LEP Umwelt\n2004) unterschritten worden ist, lediglich ein objektiver „Vorsorgewert" in\ndie Planungspramissen aufgenommen worden war, um generell die Akzeptanz fur\nWindenergieanlagen in der saarlandischen Bevolkerung zu erhohen. Der Wert\nwurde im Übrigen von der Landesplanung gerade relativiert, um die Moglichkeit\nzu eroffnen, anderweitigen Ausweisungswunschen einzelner Gemeinden,\ninsbesondere auch demjenigen der Gemeinde B, Rechnung tragen zu konnen (vgl.\ndazu die Drucksache Nr. 13/868 des Landtags des Saarlandes vom 5.4.2006, die\neine Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage des Abgeordneten C. Hartmann\n(FDP) zu der Problematik enthalt und unter anderem auflistet, in welchen\nFallen auf gemeindlichen Wunsch Unterschreitungen der generellen\nAbstandsvorgabe von 1.000m (3. Entwurf) vorgenommen worden sind (vgl. Seite 2,\nzu Frage 3)). Dass damit keine Abwagung individueller „Zumutbarkeiten"\nvorgenommen werden sollte, unterliegt mit Blick auf die zu der Thematik\nveroffentlichte Rechtsprechung in anderen Bundeslandern keinen ernstlichen\nZweifeln (vgl. beispielsweise OVG Munster, Beschluss vom 22.9.2005 - 7 D\n21/04.NE -, ZNER 2005, 249, zu einer erfolgreichen Normenkontrolle eines\nAnlagenbetreibers gegen einen Bebauungsplan wegen einer Verletzung des\nAnpassungsgebots, weil die Gemeinde generell - uber die landesplanerische\nVorgabe hinaus - Schutzzonen von 500 m um die zu Wohnzwecken benutzte Bebauung\nin ihrem Außenbereich gezogen hatte; zu „optischen Auswirkungen" unter\nRucksichtnahmeaspekten ausfuhrlich OVG Luneburg, Beschluss vom 15.3.2004 - 1\nME 45/04 -, ZNER 2004, 311 (Abstand zur Anlage im Außenbereich: 700 m bzw. 725\nm) und OVG Koblenz, Beschluss vom 25.1.2005 - 7 B 12114/04.A -, ZNER 2005, 89,\nwonach bei einem Abstand von etwa 500 m eine Unzumutbarkeit wegen\nSchattenwurfes ausgeschlossen werden kann, Urteil vom 12.6.2003 - 1 A 11127/02\n-, ZNER 2004, 340, wonach bei einem Abstand von 295 m zu einem Wohnhaus im\nAußenbereich eine „optisch bedrangende Wirkung" einer Anlage mit NH 65 m, RD\n44 m auszuschließen ist, dort unter Hinweis auf einen entsprechenden\nAbstandserlass Rheinland-Pfalz, MinBl. 1999, 148, siehe dagegen zu einem\nerfolgreichen Aussetzungsbegehren bei einem Abstand von 200 m zwischen\nWohnhaus (AB) und Anlage OVG Munster, Beschluss vom 2.4.2003 - 10 B 1572/02 -,\nBauR 2004, 475, wonach hinsichtlich der Einhaltung des Nachtwertes eine\nAusbreitungsberechnung nach dem alternativen Verfahren gemaß DIN ISO 9613-2\nAbschnitt 7.3.2 vorzunehmen ist). Die Beantwortung der nicht im Zuge einer\nAbwagungsentscheidung „zur Disposition" stehenden Frage des Hervorrufens\nschadlicher Umwelteinwirkungen (§ 3 Abs. 1 BImSchG) anhand der TA-Larm und der\nerganzenden Regelwerke hangt von vielen Faktoren, etwa der Art der\nWindkraftanlagen oder von dem konkreten Standplatz der Anlagen ab, die von der\nLandesplanung nicht vorgegeben oder „vorabgewogen" werden konnen.\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.\n\nDer Ausspruch uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167\nVwGO, 708 Nr. 10 ZPO.\n\nDie Voraussetzungen fur die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen\nnicht vor.\n\n**Beschluss**\n\nDer Streitwert wird auch fur das Normenkontrollverfahren auf 30.000,- EUR\nfestgesetzt (§§ 52 Abs. 1 GKG, vgl. bereits die entsprechende vorlaufige\nFestsetzung durch den Beschluss vom 9.11.2005 - 2 N 3/05 -).\n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar.\n\n
128,737
ovgsl-2006-06-02-3-q-9506
938
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes
ovgsl
Saarland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
3 Q 95/06
2006-06-02
2019-01-07 09:35:04
2019-02-12 12:11:44
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag des Klagers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der\nmundlichen Verhandlung vom 25. Januar 2006 ergangene Urteil des\nVerwaltungsgerichts des Saarlandes - 6 K 169/05.A - wird zuruckgewiesen.\n\nDie außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Antragsverfahrens hat\nder Klager zu tragen.\n\n## Gründe\n\nDem Antrag des im Jahre 2005 in die Bundesrepublik Deutschland eingereisten\nKlagers, der pakistanischer Staatsangehoriger ist, auf Zulassung der Berufung\ngegen das Urteil vom 25.1.2006, mit dem das Verwaltungsgericht seine Klage auf\nFeststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise der § 60\nAbs. 2 bis 7 AufenthG abgewiesen hat, kann nicht entsprochen werden.\n\nDas Vorbringen des Klagers in der Begrundung seines Zulassungsantrages, das\nden gerichtlichen Prufungsumfang in dem vorliegenden Verfahren begrenzt,\nrechtfertigt nicht die erstrebte Berufungszulassung wegen der geltend\ngemachten grundsatzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1\nAsylVfG).\n\nSoweit der Klager pauschal die Rechtssache als grundsatzlich bedeutsam\nbezeichnet, ist bereits dem Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 S. 4 AsylVfG\noffenkundig nicht genugt; denn eine klarungsbedurftige\nverallgemeinerungsfahige und entscheidungserhebliche Rechts- oder\nTatsachenfrage ist nicht formuliert.\n\nSoweit der Klager einen Verfahrensmangel i. S. d. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.\nV. m. § 138 Nr. 6 VwGO geltend macht, liegt ein solcher nicht vor.\n\nZur Begrundung bezieht sich der Klager darauf, das Verwaltungsgericht habe\nsich mit seinem Asylvorbringen nicht auseinandergesetzt. Auf Seite 9 der\nEntscheidung heiße es, der Klager habe nicht glaubhaft machen konnen, seine\nHeimat aus Furcht vor politischer Verfolgung verlassen zu haben und befurchten\nzu mussen, im Falle einer Ruckkehr in die Turkei politisch verfolgt zu werden.\nHierzu seien dann Punkte angefuhrt, die sein eigentliches Asylvorbringen, das\nsich zudem auf sein Herkunftsland Pakistan beziehe, gar nicht betrafen.\n\nDieses Vorbringen ist nicht geeignet, den o.g. Verfahrensmangel, das Urteil\nsei nicht mit Grunden versehen, zu belegen.\n\nDas Fehlen von Urteilsgrunden i. S. d. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. §\n138 Nr. 6 VwGO setzt voraus, dass die nach § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO\nerforderliche Begrundung vollkommen fehlt oder ganz und gar unzureichend ist\n\nhierzu etwa Entscheidungen des 9. Senats des OVG des Saarlandes vom 14.4.1999\n- 9 Q 315/98 -, vom 21.9.1998 - 9 Q 61/98 - und vom 25.5.1998 - 9 Q 305/96 -.\n\nEin vollkommenes Fehlen einer Begrundung ist hier ersichtlich nicht gegeben.\n\nWas Inhalt und Umfang der Begrundung anbelangt, kann von einem Fehlen von\nGrunden im genannten Sinne nur dann die Rede sein, wenn die dargelegten Grunde\nrational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder aus sonstigen Grunden\nderart unbrauchbar sind, dass sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt\ngeeignet sind, den Urteilstenor zu tragen\n\nhierzu Beschluss des Senats vom 23.3.1999 - 3 Q 75/98 -.\n\nVon einem derartigen Fehler ist auch dann nicht auszugehen, wenn das\nVerwaltungsgericht sich - im Wesentlichen - auf die Grunde des angefochtenen\nBescheides bezieht und darlegt, bei dieser Entscheidung musse es auch zum\nmaßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts verbleiben, soweit sich\naus dem klagerischen Vortrag keine andere Entscheidung rechtfertigenden\nAnhaltspunkte ergaben\n\nhierzu o.g. Entscheidung des 9. Senats vom 25.5.1998, a.a.O. sowie dessen\nBeschluss vom 7.10.1998 - 9 Q 243/98 -.\n\nVorliegend hat sich das Verwaltungsgericht nach ausfuhrlicher Darlegung des\nvon dem Klager bislang zu seinem Verfolgungsschicksal in Pakistan\ngeschilderten Sachvortrags im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung weiter\nin seinen Grunden im Wesentlichen auf den ablehnenden Bescheid der Beklagten\nbezogen und den Umstand, dass der Klager ausweislich des Sitzungsprotokolls\nauf ausdruckliche Nachfrage in der mundlichen Verhandlung zu erganzenden\nAngaben zu seinem Verfolgungsschicksal solche verneinte, gewurdigt; im Übrigen\nhat es die im Sitzungsprotokoll wiedergegebenen Aussagen zu dessen Versuch,\nDeutschland ( mit einem gefalschten Pass) zu verlassen, und zur seiner Ansicht\nnach unzureichenden staatlichen Versorgung mit Taschengeld bewertet. Hieraus\nergibt sich, dass das Verwaltungsgericht den (bisherigen) Sachvortrag des\nKlagers zur Kenntnis genommen und erwogen hat, ihm Gelegenheit zur erganzenden\nStellungnahme gegeben und die in der mundlichen Verhandlung erfolgten Aussagen\nim Zusammenhang gewurdigt hat. Ein Fehlen von Urteilsgrunden i. S. d. § 138\nAbs. 6 VwGO liegt mithin nicht vor und kann auch nicht aus dem Umstand\nhergeleitet werden, dass erstinstanzlich auf Seite 9 von einer\nVerfolgungsprognose „im Falle einer Ruckkehr in die Turkei" die Rede ist. Aus\ndem gesamten Kontext, insbesondere der grundlichen Wiedergabe des\nvorgetragenen Verfolgungsgeschehens in Pakistan ergibt sich, dass lediglich\neine offenbare Unrichtigkeit in Form einer irrtumlichen Fehlbezeichnung\nvorliegt, die fur die Entscheidungsfindung und den Urteilstenor nicht\nursachlich war.\n\nDer Zulassungsantrag ist daher mit der Kostenfolge aus den §§ 154 Abs. 2 VwGO,\n83 b AsylVfG zuruckzuweisen.\n\nDer Gegenstandswert ist § 30 RVG zu entnehmen.\n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar.\n\n
129,203
ovgsl-2008-02-01-1-b-47707
938
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes
ovgsl
Saarland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 B 477/07
2008-02-01
2019-01-07 09:39:18
2019-02-12 12:35:09
Beschluss
## Tenor\n\nDie Beschwerde wird zuruckgewiesen.\n\nDer Antragsteller tragt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.\n\nDer Streitwert wird - auch - fur das Berufungsverfahren auf 10.359,21 EUR\nfestgesetzt.\n\n## Gründe\n\nDas mit dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom\n28.11.2007 - 2 L 1225/07 - zuruckgewiesene Begehren des Antragstellers, dem\nAntragsgegner einstweilen zu untersagen, den Beigeladenen zum\nBeforderungstermin 01.10.2007 vor ihm ein Amt der Besoldungsgruppe A 11 zu\nubertragen, muss auch in der Beschwerdeinstanz ohne Erfolg bleiben. Das gemaß\n§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Prufungsrahmen des Senats beschrankende\nfristgerechte Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren gibt keine\nVeranlassung, die erstinstanzliche Entscheidung abzuandern.\n\nMit insgesamt zutreffenden Erwagungen hat das Verwaltungsgericht die vom\nAntragsteller gegen die Rechtmaßigkeit bzw. auswahlbezogene\nBerucksichtigungsfahigkeit seiner aktuellen dienstlichen (Anlass-)Beurteilung\nerhobenen Einwande fur nicht durchgreifend erachtet. Die Beschwerdebegrundung\ngemaß Schriftsatz vom 11.12.2007 vermag auch unter Berucksichtigung der\nerganzenden (weiteren) Ausfuhrungen im Schriftsatz vom 21.01.2008 die\nRichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht zu erschuttern.\n\nEntgegen der Ansicht der Beschwerde ist die fur die Auswahlentscheidung\nherangezogene dienstliche Beurteilung nicht deshalb verfahrensfehlerhaft\nerstellt worden, weil der nach den maßgeblichen Beurteilungsrichtlinien vom\n31.07.1996 - im Folgenden: BRL - vor der Beurteilung einzuholende\n„Beurteilungsbeitrag des unmittelbaren Vorgesetzten" (Ziffer 9.2.2 BRL) vom\nGeschaftsbereichsleiter und nicht, wie der Antragsteller es fur geboten\nerachtet, von dem fur ihn zustandigen Fachbereichsleiter erstellt wurde. Wer\nim Bereich des Landesamtes fur Umwelt- und Arbeitsschutz unmittelbarer\nVorgesetzter des Antragstellers im Verstandnis der Ziffer 9.2.2 BRL ist,\nerschließt sich nicht ohne Weiteres auf der Grundlage der BRL. Deshalb ist\nerganzend der vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 09.10.2007 vorgelegte\n„Vermerk" vom 25.07.1996 heranzuziehen. Hier heißt es unter II.2.2 (u.a.):\n\n> > „Als unmittelbarer Vorgesetzter ist hier der Vorgesetzte mit echter\n> Vorgesetztenfunktion zu verstehen, d. h. in der Regel im Ministerium der\n> Referatsleiter, in den nachgeordneten Bereichen die Leiter der Abteilungen\n> oder vergleichbarer Organisationsebenen. ... Gegen die Anhorung weiterer\n> Vorgesetzter bestehen keine Bedenken, da es dem Beurteiler frei steht, in\n> welcher Weise er sich die erforderlichen Kenntnisse uber Eignung, Befahigung\n> und fachliche Leistung des zu beurteilenden Beamten verschafft."\n\nDie zitierte Passage des „Vermerks" vom 25.07.1996 spricht - bezogen auf die\nGegebenheiten im Landesamt fur Umwelt- und Arbeitsschutz eindeutig fur die\nZustandigkeit der jeweiligen Geschaftsbereichsleiter zur Fertigung des\nBeurteilungsbeitrages und nicht fur diejenige der diesen nachgeordneten\n(jeweiligen) Fachbereichsleiter. Denn es wird in diesem „Vermerk"\nunterschieden zwischen „Vorgesetzten mit echter Vorgesetztenfunktion" und\n„weiteren Vorgesetzten". Nur die ersteren sollen als „unmittelbare\nVorgesetzte" im Sinne von Ziffer 9.2.2 BRL zu verstehen sein. Sollte dies -\nwie der Antragsteller entgegen dem Vortrag des Antragsgegners behauptet - in\nder Vergangenheit anders praktiziert worden sein, so entsprach dies\noffenkundig nicht der vom Richtliniengeber beabsichtigten Vorgehensweise.\nSchon von daher geht die Ruge des Antragstellers fehl, dass der in Ziffer\n9.2.2 BRL vorgeschriebene Beurteilungsbeitrag des unmittelbaren\nDienstvorgesetzten durch den ihm vorgesetzten Fachbereichsleiter hatte\nerstellt werden mussen.\n\nSelbst wenn der Antragsgegner die von ihm erstellten Beurteilungsrichtlinien\nin der Vergangenheit in Bezug auf das in Ziffer 9 BRL geregelte\nBeurteilungsverfahren in der vom Antragsteller behaupteten Weise praktiziert\nhaben sollte - was jedenfalls unter Ausklammerung des erwahnten,\naugenscheinlich lediglich intern fur die Zweitbeurteiler gefertigten\n„Vermerks" vom 25.07.1996 moglich gewesen ware -, hatte er diese Handhabung\nfur zukunftige Beurteilungen - nunmehr in Übereinstimmung nicht nur mit dem\nWortlaut von Ziffer 9.2.2 BRL, sondern auch mit dem „Vermerk" vom 25.07.1996 -\njederzeit, mithin auch vor der hier in Rede stehenden Beurteilungsrunde,\nandern konnen. Denn Verwaltungsvorschriften - um solche handelt es sich bei\nBeurteilungsrichtlinien - sind nicht wie Rechtsnormen aus sich heraus, sondern\ngemaß der von ihrem Urheber gebilligten oder doch geduldeten tatsachlichen\nVerwaltungspraxis auszulegen. Einer in dieser Weise vom Dienstherrn\ngebilligten oder geduldeten tatsachlichen Verwaltungspraxis kommt selbst dann\nentscheidende Bedeutung zu, wenn sie mit dem Wortlaut der jeweiligen\nVerwaltungsvorschriften nicht in Einklang steht\n\n> > vgl. zu alldem u.a. BVerwG, Urteile vom 02.03.2000 - 2 C 7/99 -, NVwZ-RR\n> 2000, 621 = DÖD 2001, 38 = IÖD 2000, 230, vom 02.03.1995 - 2 C 17/94 -, ZBR\n> 1995, 238 = DÖD 1995, 137 = IÖD 1995, 175, vom 02.02.1995 - 2 C 19/94 -, ZBR\n> 1995, 240 = DÖD 1995, 135 = NVwZ-RR 1996, 47, und vom 07.05.1981 - 2 C 5/79\n> -, Buchholz 332 § 25 BBG Nr. 1 = ZBR 1982, 50; ebenso Beschlusse des Senats\n> (u.a.) vom 20.09.2005 - 1 W 11/05 -, vom 01.03.2000 - 1 V 2/00 - und vom\n> 14.03.1997 - 1 W 2/97 -; siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom\n> 15.12.2006 - 2 A 11032/06 -, dokumentiert bei juris.\n\nEntscheidend ist bei der Anwendung von Beurteilungsrichtlinien deshalb in der\nTat, wie das Verwaltungsgericht auf Seite 5 seines Beschlusses zutreffend\nherausgestellt hat, dass die derzeit praktizierte Vorgehensweise bei der\nErstellung der dienstlichen Beurteilungen auf alle Beamten gleichmaßig\nAnwendung findet, die bei beamtenrechtlichen Entscheidungen uber ihre\nVerwendung und ihr dienstliches Fortkommen miteinander in Wettbewerb treten\nkonnen.\n\nDer Berucksichtigung der in Rede stehenden dienstlichen Beurteilung des\nAntragstellers bei der angegriffenen Auswahlentscheidung steht - entgegen der\nBeschwerdebegrundung - ebenso wenig entgegen, dass der Geschaftsbereichsleiter\nvor der Erstellung seines Beurteilungsbeitrages mit dem Antragsteller kein\nGesprach uber den Inhalt des Beitrages gefuhrt hat. Zweifelhaft ist bereits,\nob in diesem Unterlassen uberhaupt ein zur Rechtswidrigkeit der dienstlichen\nBeurteilung fuhrender Verfahrensverstoß vorliegt. Ziffer 9.2.2 Satz 2 BRL\nbesagt zum einen namlich nur, dass ein Gesprach uber den Inhalt des\nBeurteilungsbeitrages gefuhrt werden „soll". Diese „Soll"-Vorschrift steht im\nGegensatz zu der Formulierung in Ziffer 9.2.2 Satz 1 BRL, wonach ein\nBeurteilungsbeitrag des unmittelbaren Dienstvorgesetzten einzuholen „ist". Das\ndeutet darauf hin, dass der Richtliniengeber mit seiner Aussage zur Anhorung\ndes Beurteilten keine fur die Rechtmaßigkeit der dienstlichen Beurteilung\nzwingende Verfahrensregelung hat treffen wollen. Zum anderen muss ein in dem\nUnterbleiben des in Rede stehenden Gesprachs uber den Inhalt des Beitrages\neventuell zu erblickender Verfahrensverstoß als solcher nicht zwingend zur\nRechtswidrigkeit der am Ende des Verfahrens stehenden Beurteilung fuhren,\nsondern nur dann, wenn er bewirkt, dass diese Beurteilung sachlich-inhaltlich\nnicht den (materiellen) Rechtsvorgaben entspricht\n\n> > vgl. dazu uberzeugend u.a. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.12.2006 - 2\n> A 11032/06 -, dokumentiert bei juris (Tz. 20).\n\nDiese letztendlich verbindlich im hauptsachebezogenen Beurteilungsrechtsstreit\nzu klarenden Fragen bedurfen vorliegend keiner Beantwortung. Denn selbst wenn\nder vom Antragsteller geltend gemachte Verfahrensfehler durchgreifend vorlage,\nrechtfertigt er als bloßer Formverstoß im Rahmen des Beurteilungsverfahrens\nnicht den Erlass einer Sicherungsordnung nach § 123 VwGO zugunsten des\nAntragstellers. Denn ein solcher Verfahrensmangel besagt nicht, dass die\ndienstliche Beurteilung inhaltlich rechtsfehlerhaft ist. Insoweit obliegt es\ndem Antragsteller darzulegen, dass die von ihm angegriffene dienstliche\nBeurteilung ohne den monierten Verfahrensverstoß auswahlentscheidend gunstiger\nausgefallen ware. Nur dann ist zur Gewahrleistung des verfassungsrechtlich\ngarantierten Anspruchs auf Übertragung eines Beforderungsamtes allein nach\nEignung, Befahigung und fachlicher Leistung (Art. 33 Abs. 2 GG) der Erlass\neiner Sicherungsanordnung geboten\n\n> > vgl. dazu (u.a.) Beschlusse des Senats vom 03.06.1992 - 1 W 15/92 -, vom\n> 29.08.1994 - 1 W 30/94 -, DRiZ 1995, 271, Leitsatze (einschlagig ist\n> Leitsatz 2.) veroffentlicht in ZBR 1995, 89 und DÖD 1995, 116, und vom\n> 07.03.1997 - 1 W 48/96 -.\n\nSachbezogene Einwande gegen die Richtigkeit der Beurteilung ergeben sich aus\ndem Vorbringen des Antragstellers indes nicht einmal ansatzweise. Sie sind mit\nBlick auf die Äußerungen des Geschaftsbereichsleiters im Schreiben vom\n06.11.2007 auch nicht ersichtlich. In diesem Schreiben heißt es, dass die\nvorausgegangene, ebenfalls anlassbezogene und unbeanstandet gebliebene\nBeurteilung des Antragstellers (erst) ein Jahr zuruckliege und „sich in diesem\nzuruckliegenden Jahr keine Änderung in der Leistung, Befahigung und im\nVerhalten des Antragstellers ergeben" habe. Aus welchen konkreten Umstanden\nsich dennoch eine Leistungssteigerung des Antragstellers innerhalb des letzten\nJahres ergeben haben konnte, die eine bessere Beurteilung gerechtfertigt\nhatte, ist nicht andeutungsweise vorgetragen.\n\nDie schließlich im Schriftsatz vom 21.01.2008 unter Hinweis auf die\nEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.07.2007 - 2 BvR 206/07 -\n\n> > NVwZ 2007, 1178 = DÖD 2007, 279,\n\n(nochmals) geaußerte Kritik an der Informationsbeschaffung des\nGeschaftsbereichsleiters - der „offentlich bekundet haben soll, vom\nArbeitsbereich des Antragstellers keine Ahnung zu haben" \\- vermag die\nRechtswidrigkeit der in Rede stehenden dienstlichen Beurteilung nicht zu\nbegrunden. Es mag sein, dass der Geschaftsbereichsleiter gesagt hat, vom\nArbeitsbereich des Antragstellers „keine Ahnung" zu haben. Das heißt aber\nnicht, dass er aufgrund seines standigen dienstlichen Kontakts mit dem\nzustandigen Fachbereichsleiter bezuglich der Aufgabenerledigung und der\nLeistungen des Antragstellers nicht doch in die Lage versetzt war, den ihm\nobliegenden Beurteilungsentwurf auf der Grundlage der so gewonnenen\nErkenntnisse sachgerecht zu erstellen. Das Gegenteil hat das\nVerwaltungsgericht (Seite 6 des Beschlusses) unter Hinweis auf die bereits\nerwahnte Stellungnahme des Geschaftsbereichsleiters Dr. H. vom 6.11.2007 mit\nuberzeugender Begrundung angenommen.\n\nIst nach alldem die Rechtmaßigkeit der zugunsten der Beigeladenen getroffenen\nAuswahlentscheidung - gemessen an den im Beschwerdeverfahren vom Antragsteller\nvorgebrachten Einwanden - nicht zu beanstanden, so muss die Beschwerde\nzuruckgewiesen werden.\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO, wobei zu\neinem Kostenausspruch zugunsten der Beigeladenen keine Veranlassung besteht,\nda diese keine Antrage gestellt haben.\n\nDie Streitwertfestsetzung fur das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 63\nAbs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, 47 Abs.\n1 GKG.\n\nDieser Beschluss ist nicht anfechtbar.\n\n
131,205
olgsl-2006-11-21-4-u-4906-16
939
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
olgsl
Saarland
Oberlandesgericht
4 U 49/06 - 16
2006-11-21
2019-01-07 10:01:01
2019-02-12 12:15:27
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts\nSaarbrucken vom 29.12.2005 - 4 O 261/05 - aufgehoben. Die Klage wird\nabgewiesen.\n\n2\\. Die Klagerin tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Der Klagerin wird nachgelassen,\ndie Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung oder\nHinterlegung in Hohe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren\nBetrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung in\nHohe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.\n\n4\\. Die Revision wird zugelassen.\n\n5\\. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 6.526,22 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\nI.\n\nIm vorliegenden Rechtsstreit nimmt die klagende B.-Agentur den Beklagten als\nGeschaftsfuhrer der in Vermogensverfall geratenen Firma E. E. GmbH, fruherer\nGeschaftssitz: ..., ..., (im Folgenden: GmbH), unter dem rechtlichen\nGesichtspunkt der vorsatzlichen Insolvenzverschleppung in Anspruch.\n\nGegen die GmbH wurden seit April 2000 Vollstreckungsmaßnahmen durchgefuhrt.\nSeit Mai 2000 leistete die GmbH keine Sozialabgaben fur die bei ihr\nbeschaftigten Arbeitnehmer; die Ruckstande bei der <Krankenkassenbezeichnung>\nbeliefen sich auf 6.719,05 DM. Anfang Mai 2000 wies das Geschaftskonto der\nGmbH einen Sollstand von 198.970,94 DM auf. Die Klagerin leistete fur den\nZeitrahmen 1.4. bis 30.6.2000 an die ehemaligen Arbeitnehmer der GmbH\nInsolvenzgeld gemaß § 183 Sozialgesetzbuch III in Hohe von 6.526,22 EUR. Auf\ndie detaillierte Aufstellung vom 14.7.2005 (Bl. 5 d. A.) wird Bezug genommen.\n\nAm 16.10.2000 stellte der Beklagte einen Antrag auf Eroffnung eines\nInsolvenzverfahrens, dessen Eroffnung mit Beschluss vom 30.11.2001 mangels\nMasse abgelehnt wurde. Mit Urteil des Amtsgerichts Saarbrucken vom 8.9.2004\nwurde der Beklagte u. a. wegen verspateter Insolvenzanmeldung gemaß § 64 Abs.\n1, § 84 GmbHG rechtskraftig verurteilt.\n\nMit Schreiben vom 7.4.2005 forderte die Klagerin den Beklagten unter\nFristsetzung zum 30.4.2005 auf, das gezahlte Insolvenzgeld zu erstatten.\n\nDie Klagerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe sie in einer\ngegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsatzlich geschadigt. Er habe als\nGeschaftsfuhrer der GmbH den Insolvenzantrag in Kenntnis der\nVermogensverhaltnisse verspatet gestellt. Dabei habe er billigend in Kauf\ngenommen, dass bei einem Dritten ein Schaden entstehe. Bei rechtzeitigem\nAntrag waren keine Lohnruckstande entstanden, so dass auch kein Anspruch auf\nInsolvenzgeld gemaß § 183 SGB III gegeben gewesen ware.\n\nAuch sei der geltend gemachte Anspruch nicht verjahrt sein, da die\nRegelverjahrung erst dann zu laufen beginne, wenn der Anspruch entstanden sei\nund der Glaubiger Kenntnis von den anspruchsbegrundenden Umstanden und der\nPerson des Schuldners erlangt habe. Diese Voraussetzungen seien erst im\nDezember 2004 erfullt gewesen, da der zustandige Mitarbeiter der\nRegresserteilung der Klagerin erst mit Übersendung der\nstaatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten durch die Staatsanwaltschaft\nSaarbrucken Kenntnis von den anspruchsbegrundenden Umstanden erlangt habe.\n\nDie Klagerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klagerin\n6.526,22 EUR nebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz\nab dem 1.5.2005 zu zahlen.\n\nDem ist der Beklagte entgegengetreten. Er hat die Auffassung vertreten, aus\nder Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeitragen beziehungsweise der\nverspateten Insolvenzantragstellung lasse sich weder eine vorsatzliche, noch\neine sittenwidrige Schadigung der Klagerin herleiten. Vorsorglich erhebt der\nBeklagte die Einrede der Verjahrung. Er hat behauptet, die Klagerin habe nicht\nerst mit der Übersendung der Akten durch die Staatsanwaltschaft Saarbrucken,\nsondern zu einem „weit fruheren Zeitpunkt" Kenntnis von den\nanspruchsbegrundenden Tatsachen erlangt.\n\nDas Landgericht hat der Klage stattgegeben.\n\nMit seiner hiergegen gerichteten Berufung erstrebt der Beklagte die Abweisung\nder Klage. Er rugt, das Landgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen,\nwelches Ausmaß die Überschuldung der Gesellschaft gehabt habe und ob der\nBeklagte hiervon Kenntnis besessen habe. Auch mangele es an Feststellungen zur\nHohe der Anspruche der Klagerin. Es werde lediglich unterstellt, dass bei\nrechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags keine Lohnruckstande bestanden\nhatten. Schließlich begegne es Bedenken, dass das Landgericht die\nSittenwidrigkeit des Verhaltens des Beklagten ausschließlich damit begrundet\nhabe, dass er dem Gebot, rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen, nicht\nFolge geleistet habe.\n\nDer Beklagte beantragt,\n\n> unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Saarbrucken vom 29.12.2005 - 4\n> O 261/05 - die Klage abzuweisen.\n\nDie Klagerin beantragt,\n\n> die Berufung des Beklagten zuruckzuweisen.\n\nDie Klagerin verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt die\nAuffassung, weitergehende Feststellungen zur Hohe der Überschuldung seien\nnicht erforderlich gewesen, da der Beklagte den Vortrag der Klagerin zur\nÜberschuldung nicht bestritten habe. Auch der Sittenverstoß sei nachgewiesen,\nnachdem der Beklagte keine Umstande dargelegt habe, die ein anderes Motiv nahe\nlegten. Insbesondere habe sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass die\nStellung des Insolvenzantrags mit Blick auf eine aussichtsreiche Sanierung\nunterblieben sei.\n\nHinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf\nden Inhalt der Berufungsbegrundung vom 28.2.2006 (Bl. 59 d. A.), auf die\nBerufungserwiderung vom 5.4.2006 (Bl. 67 d. A.) sowie auf den nachgelassenen\nSchriftsatz des Klagervertreters vom 30.10.2006 Bezug genommen. Auf das\nProtokoll der mundlichen Verhandlung wird verwiesen (Bl. 75 f. d. A.).\n\nII.\n\nA. Die zulassige Berufung hat Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts\nsteht der Klagerin auch aus § 826 BGB kein Anspruch auf Zahlung von\nSchadensersatz zu, da die Klagerin den ihr obliegenden Beweis dafur, dass die\nunterlassene Stellung des Insolvenzantrags fur die Zahlung des Insolvenzgeldes\nim Rechtssinne kausal wurde, nicht erbracht hat.\n\n1\\. Zunachst kann die Klagerin den Anspruch auf Erstattung des Insolvenzgeldes\nnicht aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 1 GmbHG herleiten. Zwar\nhandelt es sich bei § 64 Abs. 1 GmbHG um ein Schutzgesetz zu Gunsten der\nGlaubiger der GmbH im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Jedoch gehort die\nBundesanstalt nicht zum Kreis der geschutzten Gesellschaftsglaubiger. Denn die\nBundesanstalt wurde erst dadurch Gesellschaftsglaubigerin, dass die Anspruche\nder Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt, die den Anspruch auf Insolvenzgeld\nbegrunden, kraft Gesetzes gemaß § 187 SGB III auf sie ubergegangen sind. Die\nKlagerin leitet ihre Rechtsstellung als Glaubigerin der GmbH ausschließlich\naus den auf sie ubergegangenen Forderungen der Arbeitnehmer der GmbH her. Dies\nschließt einen aus eigenem Recht begrundeten Schadensersatzanspruch unter dem\nrechtlichen Gesichtspunkt der Schutzgesetzverletzung aus (fur das alte Recht:\nBGHZ 108, 134, 137).\n\n2\\. Auch Anspruche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 1 GmbHG\naus ubergegangenem Recht sind nicht verwirklicht. Mogliche Anspruche der\nArbeitnehmer auf Ersatz eines eventuellen Quotenschadens werden von § 187 SGB\nIII nicht erfasst. Der Wortlaut der Vorschrift betrifft Anspruche auf\nArbeitsentgelt. Mit dieser Formulierung werden gegen den Geschaftsfuhrer\ngerichtete Anspruche auf Erstattung eines moglichen Quotenschadens nicht\neinbegriffen (BGHZ 108, 138).\n\n3\\. Allerdings kommt § 826 BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht. Das\nLandgericht hat im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass der\nGeschaftsfuhrer einem Unternehmensglaubiger gem. § 826 BGB zum Schadensersatz\nverpflichtet sein kann, wenn er die Insolvenz vorsatzlich in der Absicht\nverschleppt, die als unabwendbar erkannte Insolvenz solange wie moglich\nhinauszuzogern, und er dabei die Schadigung der Unternehmensglaubiger\nbilligend in Kauf nimmt.\n\na) Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsatze begegnet es keinen Bedenken, dass\ndas Landgericht die Voraussetzungen fur einen Rechtsverstoß des Beklagten nach\n§ 64 Abs. 1 GmbHG festgestellt hat. Nach dieser Vorschrift haben die\nGeschaftsfuhrer ohne Zogern, spatestens aber drei Wochen nach Eintritt der\nZahlungsunfahigkeit, die Eroffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Dies\ngilt sinngemaß, wenn sich eine Überschuldung der Gesellschaft ergibt.\n\naa) Nach den Feststellungen des Landgerichts war die GmbH bereits im Juni 2000\nuberschuldet und zahlungsunfahig. Diese Feststellungen werden von dem\nunstreitigen Sachvortrag getragen; die Feststellungen halten den Angriffen der\nBerufung stand:\n\nDie Klagerin hat vorgetragen, die Gesellschaft sei seit Mai 2000 dauerhaft zur\nBegleichung ihrer falligen Verbindlichkeiten nicht mehr im Stande gewesen.\nNach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens habe die GmbH bereits im Mai 2000\nihrer Verpflichtung zur Abfuhrung von Sozialversicherungsbeitragen auf die\nLohne und Gehalter der Arbeitnehmer nicht mehr nachkommen konnen. Auch die\nKreditlinie der GmbH, die sich auf 100.000 DM belaufen habe, sei Anfang Mai\n2000 mehr als ausgeschopft gewesen. Denn der Sollstand habe sich auf\n198.970,94 DM belaufen, weshalb die Hausbank weder Schecks noch Lastschriften\neingelost habe.\n\nDiese Tatsachen tragen den Schluss, dass die GmbH zum fraglichen Zeitpunkt\nzahlungsunfahig und uberschuldet war. Diesem Sachvortrag ist der Beklagte\nweder in der ersten Instanz, noch im zweiten Rechtszug entgegengetreten. Da\ndie maßgeblichen Tatsachen unstreitig wurden, war das Landgericht nicht\ngehalten, erganzende Nachforschungen uber die exakte Hohe der Überschuldung\nanzustellen.\n\nbb) Auch begegnet es keinen Bedenken, die subjektiven Voraussetzungen im Kern\naus einem Verstoß gegen § 64 GmbHG herzuleiten: Die verzogerte Stellung des\nInsolvenzantrags ist im Grundsatz geeignet, den Sittenverstoß zu begrunden.\nDer Geschaftsfuhrer, der um den drohenden Kollaps des von ihm gefuhrten\nUnternehmens weiß, nimmt eine Schadigung der Glaubiger in ihrer Gesamtheit\nbilligend in Kauf. Daruber hinaus ist er sich bewusst, dass er eines Tages die\nLohn- und Gehaltsanspruche seiner Arbeitnehmer nicht mehr befriedigen kann.\nDieses Bewusstsein verleiht dem Schadigungsvorsatz eine hinreichende Richtung,\nohne dass es darauf ankommt, dass der Schaden letztlich nicht bei den\nArbeitnehmern, sondern bei der Klagerin wirtschaftlich zum Tragen kam. Auch\nentlastet es den Beklagten nicht, dass die Verzogerung der\nInsolvenzantragstellung im Einzelfall auf Motiven beruhen mag - etwa der\nAbsicht, eine Erfolg versprechende Sanierung nicht zu gefahrden -, denen der\nVorwurf der Sittenwidrigkeit nicht anhaftet. Denn derartigen Motiven ist nur\ndann nachzugehen, wenn sich der Geschaftsfuhrer darauf beruft. Da der durch\neine verzogerte Antragstellung Geschadigte uber die subjektive Motivation des\nGeschaftsfuhrers keine Kenntnis besitzt und die maßgeblichen\nAnknupfungstatsachen zudem im Regelfall Geschaftsinterna betreffen, genugt der\nGlaubiger seiner Darlegungslast, wenn er die standige wachsende Verschuldung\nder Gesellschaft referiert, die entsprechend dem erwartenden Verlauf der Dinge\nzum Zusammenbruch der Gesellschaft gefuhrt hat. Es ist dann Sache des\nGeschaftsfuhrers, zu einer abweichenden Motivation vorzutragen (BGHZ 108, 145;\nzur Darlegungslast hinsichtlich der Fortbestehungsprognose bei Anspruchen aus\n§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 64 GmbHG vgl. auch BGHZ 126, 181, 200; OLG\nKoblenz, NJW-RR 2003, 1198 f. mit umf. Nachweis). Dies hat der Beklagte nicht\ngetan.\n\nb) Dennoch steht der Klagerin der geltend gemachte Anspruch nicht zu, da sie\nden ihr obliegenden Beweis dafur, dass der Schaden bei rechtzeitiger Stellung\ndes Insolvenzantrags vermieden worden ware, nicht fuhren konnte.\n\naa) Der eingeklagte Schaden besteht darin, dass die Klagerin den Arbeitnehmern\nder GmbH fur den Zeitraum 1.4. bis 30.6.2000 Insolvenzgeld zahlen musste. Das\nschadensstiftende Verhalten ist kein positives Tun, sondern im Rechtssinne das\nUnterlassen des Beklagten, im maßgeblichen Zeitpunkt (im Mai 2000) von der\nStellung des Insolvenzantrags Abstand genommen zu haben. Nach allgemeinen\nGrundsatzen wird ein Unterlassen fur einen Erfolg dann kausal, wenn der Erfolg\n- denkt man sich die gebotene Handlung hinzu - ausgeblieben ware. Im Grundsatz\nmuss der Glaubiger die tatsachlichen Voraussetzungen dieser normativen\nSchlussfolgerung darlegen und beweisen (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., vor\n§ 249 Rdnr. 84; Bamberger/Roth/Gruneberg, BGB, § 249 Rdnr. 60; so insbesondere\nfur die deliktische Haftung: BGH, Urt. v. 4.3.2004 - III ZR 225/03, NJW 2004,\n1381; vgl. auch BGHZ 34, 206, 215; Baumgartel, Handbuch der Beweislast, § 823\nRdnr. 16).\n\nAngewandt auf den vorliegend zu entscheidenden Sachverhalt ist der\nKausalitatsnachweis gefuhrt, wenn die Klagerin bei einem in Gemaßheit der\nAnforderungen des § 64 Abs. 1 GmbHG rechtzeitig gestellten Insolvenzantrag\nnicht zur Zahlung von Insolvenzgeld verpflichtet gewesen ware. Da die\nZahlungsunfahigkeit fruhestens zu Anfang des Monats Mai 2000 nachgewiesen ist,\nist konkret zu prufen, ob die Klagerin bei einer Antragstellung Mitte Mai 2000\nkein Insolvenzgeld gezahlt hatte. Hierzu fehlt es bereits an einem\nProzessvortrag. Die in den Urteilsgrunden enthaltene Feststellung, bei\nrechtzeitiger Stellung eines Antrags auf Eroffnung des Insolvenzverfahrens\nhatten keine Lohnruckstande bestanden, wird nicht durch Anknupfungstatsachen\nerhartet, weshalb der Senat an die unter Verstoß gegen § 286 ZPO getroffene\nFeststellung nicht gebunden ist. Überdies hat das Landgericht ubersehen, dass\ndie Klagerin gemaß der mit Bl. 5 d. A. eingereichten Aufstellung fur die\nArbeitnehmer S. S. und H. J. bereits ab dem 1.4.2000 Insolvenzgeld zahlte. Da\ndieser fruhe Zeitpunkt vor der nachgewiesenen Insolvenzreife lag, kann der\nRechtsverstoß des Beklagten fur die den Monat April 2000 betreffenden\nZahlungen der Klagerin denknotwendig nicht ursachlich geworden sein. Der Senat\nhat die Parteien im Termin vom 19.9.2006 auf die Bedenken gegen den Nachweis\nder Kausalitat hingewiesen und der Klagerin Gelegenheit gegeben, zur Frage des\nUrsachenzusammenhangs im Rahmen eines Schriftsatznachlasses erganzend\nvortragen. Die im Schriftsatz des Klagervertreters vom 30.10.2006\nvorgetragenen Argumente lassen keine Ruckschlusse darauf zu, welchen Lauf das\nInsolvenzverfahren im hier fraglichen Zeitraum bei rechtzeitiger Stellung des\nInsolvenzantrags genommen hatte. Auch der nachgelassene Sachvortrag fullt das\nSchlussigkeitsdefizit nicht aus.\n\nbb) Entgegen der Auffassung der Klagerin ist es nicht gerechtfertigt, dem\nBeklagten nach den Rechtsgrundsatzen, die Rechtsprechung und Lehre zur\nRechtsfigur des rechtmaßigen Alternativverhaltens entwickelt haben, die\nDarlegungs- und Beweislast dafur aufzuerlegen, dass die Klagerin auch bei\nrechtzeitiger Insolvenzantragstellung im fraglichen Zeitraum zur Zahlung von\nInsolvenzgeld verpflichtet gewesen ware.\n\naaa) Die Rechtsfigur des rechtmaßigen Alternativverhaltens erlaubt dem\nSchadiger die haftungsbefreiende Einwendung, dass der Schaden auch bei\nnormgerechtem Verhalten eingetreten ware (BGHZ 96, 157, 173; 90, 103, 111;\nUrt. v. 25.11.1992 - VIII ZR 170/91, NJW 1990, 520, 521; Urt. v. 26.10.1999 -\nX ZR 30/98, NJW 2000, 661, 662 f.; MunchKomm(BGB)/Oetker, 4. Aufl., § 249\nRdnr. 211 ff.; Bamberger/Roth/Gruneberg, BGB, § 249 Rdnr. 72 ff.;\nPalandt/Heinrichs, aaO., vor § 249 Rdnr. 105). Paradigma ist zum einen die\ndeliktische Haftung fur einen nachgewiesenen Sorgfaltsverstoß: Hat der\nSchadiger unter Missachtung der gebotenen Sorgfalt beispielsweise einen\nVerkehrsunfall verursacht, so kann er seiner Inanspruchnahme fur den\neingetretenen Schaden entgegenhalten, dass der Unfall auch bei Einhaltung der\ngebotenen Sorgfalt eingetreten ware (vgl. zum Sachverhalt etwa BGHSt 11, 1\nff.). Eine weitere Fallgruppe eroffnet dem Schuldner die Einwendung, dass er\nden eingetretenen Schaden auch durch rechtskonformes Verhalten hatte\nherbeifuhren durfen. So kann sich etwa der vertragsbruchig gewordene\nArbeitnehmer, der von seinem Arbeitgeber auf Ersatz der Inseratskosten fur die\nSuche nach einer Ersatzkraft in Anspruch genommen wird, mit Erfolg darauf\nberufen, dass die Aufwendungen auch dann entstanden waren, wenn er das\nArbeitsverhaltnis seinerseits ordentlich gekundigt hatte (BAGE 35, 179, 182\nff.; zur Kasuistik: Überblick bei MunchKomm(BGB)/Oetker, aaO., § 249 Rdnr.\n214).\n\nBeiden Fallgruppen ist gemeinsam, dass die Kausalitat der konkreten Handlung\nfur den eingetretenen Schaden außer Streit steht: Der Unfall ware nicht\neingetreten, wenn man sich die Handlung hinweg denkt. Es besteht kein Zweifel,\ndass der Geschadigte seine Verletzungen dem Handeln des Schadigers verdankt.\nBeruft sich der Schadiger darauf, dass er den schadigenden Erfolg auch durch\nrechtskonformes Handeln hatte herbeifuhren konnen, so andert dieses Argument\nnichts daran, dass die konkrete, tatsachlich verwirklichte Handlung im Sinne\nder Äquivalenztheorie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Schaden\nentfiele. Mithin eroffnet die Einwendung des rechtmaßigen Alternativverhaltens\ndem Schadiger die Moglichkeit, seiner Haftung durch Aufzeigen eines\nhypothetischen Kausalzusammenhangs zu entgehen, indem er geltend macht, dass\nsich der Unfall auch dann zugetragen hatte, wenn er sich nicht wie geschehen,\nsondern anders verhalten hatte. Nur auf der Grundlage dieses Verstandnisses\nmuss der Schadiger gewissermaßen unter Durchbrechung der allgemeinen\nKausalitatslehre die Darlegungs- und Beweislast fur das Alternativverhalten\ntragen, da er mit seiner Einwendung eine neue fur ihn gunstige Tatsache in den\nProzess einfuhrt (vgl. MunchKomm(BGB)/Oetker, § 249 Rdnr. 218).\n\nbbb) Davon unterscheidet sich der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt:\nSchadensstiftend ist kein positives Tun, sondern ein Unterlassen. Hinsichtlich\neines Unterlassens ist der Zurechnungszusammenhang nach anerkannten\nGrundsatzen dann nachgewiesen, wenn der Schaden - denkt man sich in die\nunterbliebene Handlung hinzu - nicht eingetreten ware. Dieser Schluss kann im\nvorliegenden Fall nicht gezogen werden: Es steht gerade nicht fest, ob die\nKlagerin nicht auch dann zur Zahlung von Insolvenzgeld verpflichtet gewesen\nware, falls der Beklagte rechtzeitig Insolvenzantrag gestellt hatte. Mithin\nentlastet sich der Schadiger nicht durch das Aufzeigen einer\nHandlungsalternative; bei Licht besehen steht die Kausalitat der gebotenen\nHandlung unmittelbar im Streit.\n\nDie vorliegend zu beurteilende Konstellation weist eine weitere Besonderheit\nauf: Im Gegensatz zu den anerkannten Fallgruppen erscheint die\nSchadensqualitat der geltend gemachten Vermogensminderung, die durch die\nZahlung des Insolvenzgeldes entstanden ist, zweifelhaft. Die\nVermogensminderung wurde nicht durch einen unmittelbaren Eingriff des\nBeklagten hervorgerufen, sondern dadurch herbeigefuhrt, dass die Klagerin\neiner gesetzlich manifestierten Verpflichtung Folge leistete. Schadensqualitat\nbesitzt diese Vermogensminderung bei wertender Betrachtung erst dann, wenn der\nZurechnungszusammenhang zu einem pflichtwidrigen Verhalten hergestellt werden\nkann.\n\nDiese Erwagungen erlauben den Schluss, dass die Verteilung der Darlegungs- und\nBeweislast im vorliegenden Fall nicht den Regeln des rechtmaßigen\nAlternativverhaltens folgt, sondern nach den allgemeinen Grundsatzen der\nZurechnung eines schadensstiftenden Unterlassens zu beurteilen ist (a.A. OLG\nFrankfurt, Urt. v. 26.2.1999 - 24 U 112/97, zit. nach juris): Es war demnach\nSache der Klagerin, den Ursachenzusammenhang zwischen verspateter\nAntragstellung und Insolvenzgeldzahlung darzulegen und gegebenenfalls zu\nbeweisen.\n\nccc) Der vorliegende Fall bietet keine Veranlassung, zu Gunsten der Klagerin\nDarlegungs- und Beweiserleichterungen anzuerkennen (vgl. hierzu etwa BGHZ 138,\n1, 3; vgl. auch BGHZ 152, 280, 287; Palandt/Heinrichs, aaO., § 280 Rdnr. 34\nff.; Baumgartel, aaO., Anhang zu § 282 Rdnr. 31 ff.).\n\naaaa) Insbesondere ist eine Beweiserleichterung nicht bereits deshalb geboten,\nweil die Lebenserfahrung dafur spricht, dass die Inanspruchnahme von\nInsolvenzgeld bei rechtzeitiger Antragstellung unterblieben ware. Die\ngegenteilige Schlussfolgerung liegt im vorliegenden Fall nahe: Aufgrund des\nengen zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Zeitpunkt der nachweislichen\nInsolvenzreife und der den Streitgegenstand bildenden Zeitspanne, die mit der\nEinstellung des Geschaftsbetriebs endete, erscheint es nicht wahrscheinlich,\ndass die Klagerin bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags kein\nInsolvenzgeld gezahlt hatte:\n\nDie Stellung eines Insolvenzantrags hat weder den Verlust der\nVerfugungsbefugnis des Schuldners, noch die sofortige Einstellung der\nGeschaftstatigkeit, noch die Auflosung der Arbeitsverhaltnisse zur Folge.\nMithin hatte die Antragstellung das Entstehen der mit dem Insolvenzgeld\nabgesicherten Anspruche auf Arbeitsentgelt fur den relevanten Monat Juni 2006\nnur dann verhindert, wenn das Insolvenzgericht nach Eingang des\nInsolvenzantrags unter Ausschopfung des in § 21 InsO eroffneten\nGestaltungsspielraums die sofortige Stilllegung des Betriebs angeordnet hatte.\n\nEin solches Prozedere erscheint wenig plausibel: Die Anordnung von\nSicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO steht im pflichtgemaßen Ermessen des\nInsolvenzgerichts. Die Maßnahme muss verhaltnismaßig sein und der Maxime\nRechnung tragen, das insolvent gewordene Unternehmen nach Moglichkeit\nfortzufuhren. Im Regelfall wird sich das Insolvenzgericht dazu veranlasst\nsehen, als vorlaufige Sicherungsmaßnahme gemaß § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO einen\nvorlaufigen Insolvenzverwalter zu bestellen. Auch dieser ist zunachst\ngehalten, das Unternehmen bis zur Entscheidung uber den Insolvenzantrag\nfortzufuhren (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Halt der vorlaufige Insolvenzverwalter\nden Betrieb einstweilen aufrecht und nimmt er hierzu Arbeitsleistungen der\nbeschaftigten Arbeitnehmer in Anspruch, so sind die korrespondierenden\nArbeitsentgeltanspruche Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 InsO\n(Gagel, SGB III, vor § 183 Rdnr. 13). Reicht die Masse nicht aus, kann ein\nvorlaufiger Verwalter die Weiterbeschaftigten fur die Dauer von langstens drei\nMonaten auf die Inanspruchnahme von Insolvenzgeld verweisen\n(Uhlenbruck/Berscheid, InsO, 12. Auflage, § 22 Rdnr. 90). Bei genauer\nBetrachtung manifestiert sich in der Verpflichtung zur Zahlung von\nInsolvenzgeld nicht notwendigerweise ein Rechtsverstoß des\nInsolvenzschuldners. Vielmehr kann die Inanspruchnahme von Insolvenzgeld auch\nbei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags ein legitimes Mittel des sich\nrechtstreu verhaltenden Insolvenzverwalters sein, um sich im Dienste der\ngesetzgeberischen Leitentscheidung, der Fortfuhrung des Unternehmens Vorrang\nzu gewahren, den notwendigen Spielraum zu verschaffen.\n\nDafur, dass das Insolvenzgericht vor dem 30.6.2000 - dem Datum der vom\nBeklagten veranlassten Betriebseinstellung - Veranlassung gesehen hatte, einer\netwaigen, von einem vorlaufigen Insolvenzverwalter initiierten\nBetriebsstillegung zuzustimmen, gibt es keinen Anhaltspunkt. Die Klagerin\nselbst entzieht einer solchen Annahme mit ihrem nachgelassenen Schriftsatz den\nBoden. Denn nach dem Sachvertrag des Klagervertreters (Bl. 78 d. A.) gelang es\ndem Beklagten, den Geschaftsbetrieb zum 1.7.2000 durch Neugrundung eines\nUnternehmens nahtlos fortzufuhren.\n\nbbbb) Lasst sich die Beweiserleichterung fur den Kausalitatsnachweis nicht aus\ndem empirischen Verlauf eines Insolvenzverfahrens herleiten, so erscheint eine\nBeweiserleichterung auch nicht deshalb geboten, weil die aufzuklarenden\nUmstande gewissermaßen in der Beweissphare des Beklagten wurzeln, die der\nKlagerin naturgemaß verschlossen ist: Die Prognose des hypothetischen Laufs\ndes Insolvenzverfahrens setzt zunachst die Kenntnis der Vermogenssituation der\nInsolvenzschuldnerin voraus. Die hierfur maßgeblichen Tatsachen sind im\nRegelfall aus den im Insolvenzverfahren erstellten Berichten unschwer zu\nersehen, die der Klagerin als Insolvenzglaubigerin gem. § 4 InsO i. V. m. §\n299 ZPO auch nach Ablehnung der Insolvenzeroffnung zuganglich sind (vgl. BGH,\nBeschl. v. 5.4.2006 - IV AR (VZ) 1/06, NZI 2006, 472, 473; OLG Celle NZG 2006,\n584). Überdies legt die Klagerin nicht dar, aufgrund eines\nInformationsdefizits zur substantiierten Prufung des im Falle einer\nrechtzeitigen Antragstellung zu prognostizierenden Verfahrensgangs gehindert\nzu sein. Soweit die Darlegung des bei rechtzeitiger Antragstellung zu\nerwartenden Laufs des Insolvenzverfahrens Kenntnisse uber die im hier\nmaßgeblichen Gerichtsbezirk ubliche Praxis des Insolvenzgerichts erfordert,\nist ein Informationsvorsprung des Beklagten nicht erkennbar.\n\ncccc) Schließlich uberzeugt es nicht, die Beweiserleichterungen deshalb\nanzuerkennen, weil die objektive Pflichtverletzung des Beklagten\ntypischerweise das Risiko der Unaufklarbarkeit in sich tragt: Die Prognose\nuber den Verlauf des Insolvenzverfahrens ist einer Aufklarung zuganglich und\nnicht mit großeren Unsicherheiten behaftet, die jeder Prognose innewohnen.\nAnders als bei Aufklarungspflichtverletzungen hangt die Prognoseentscheidung\nim vorliegenden Fall nicht von der Beurteilung einer mit besonderen\nUnwagbarkeiten verbundenen freien Willensentscheidung des Aufzuklarenden ab.\nMaßgeblich fur die richtige Prognose ist vielmehr der hypothetische Verlauf\ndes an Recht und Gesetz gebundenen Insolvenzverfahrens, dessen\nEntscheidungsgrundlage die einer objektiven Beurteilung offen stehende\nwirtschaftliche Situation der Insolvenzschuldnerin bildet.\n\nB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung uber\ndie vorlaufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, §§ 710, 711 ZPO. Die\nRevision war zuzulassen, da die dargestellten Rechtsfragen zur Kausalitat\ngrundsatzliche Bedeutung besitzen (§ 543 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO); dieser\nrechtliche Aspekt ist in der hochstrichterlichen Rechtsprechung zur Haftung\ndes Geschaftsfuhrers fur eine zu spate Stellung des Insolvenzantrags - soweit\nersichtlich - nicht angesprochen. Mit Blick auf die divergierende Entscheidung\ndes Oberlandesgerichts Frankfurt ist die Zulassung der Revision uberdies zur\nSicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO)\ngeboten.\n\n
132,315
lsgbw-2004-01-13-l-11-kr-292503
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 11 KR 2925/03
2004-01-13
2019-01-07 10:14:43
2019-01-17 11:52:11
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung der Klagerin gegen das Urteil des Sozialgerichts F. vom 16. Juni\n2003 wird zuruckgewiesen.\n\nAußergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin begehrt die Kostenerstattung fur eine Haartransplantation mit\nMini- und Mikrotransplantaten. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die 1953 geborene Klagerin ist bei der Beklagten pflichtversichert. Sie\nleidet infolge der Excision eines Basalioms an einer 8 x 9 cm kahlen Stelle im\nKopfbereich. \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 04.06.2002 beantragte die Klagerin unter Vorlage einer Bescheinigung der\nHautarztin Dr. S. die Übernahme der Kosten einer Haartransplantation mit Mini-\nund Mikrotransplantaten. Ausweislich der Bescheinigung sind voraussichtlich\ndrei Operationen mit ca. jeweils 400 bis 450 Transplantaten erforderlich. Die\nOperationen wurden im Abstand von jeweils 6 Monaten durchgefuhrt. Die Kosten\npro operativer Sitzung (400 Transplantate) wurden sich auf 2.000,-- EUR\nbelaufen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Beklagte horte Dr. E. beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung\n(MDK) in F.. Dieser fuhrte in seiner sozialmedizinischen Beratung aus, es\nliege bei der Klagerin eine stigmatisierende Veranderung des Korperaußeren an\nden Prasentationsflachen der Personlichkeit vor, die als behandlungsbedurftige\nKrankheit angesehen werden konne. Die Haartransplantation sei eine\nKorrekturmoglichkeit, die Langzeiterfolge seien allerdings uneinheitlich und\ndie Kosten erheblich. Die Maßnahme uberschreite im Regelfall das Maß des\nmedizinisch Notwendigen. Alternativ konne die Versorgung mit einem Haarteil\noder einer Perucke in Erwagung gezogen werden. Sei eine Perucke bei bestimmten\nLokalisationen einer Alopezie nicht einsetzbar, konne eine Haartransplantation\nsinnvoll sein, sofern keine operative Behandlung mittels Dehnungsplastik (uber\nEBM abrechenbar) und keine Transplantation von haartragenden Hautimplantaten\n(uber Ziff. 2155 des EBM abrechenbar) in Frage kame. \n--- \n| 5 \n--- \n| Hierzu außerte sich fur die Klagerin Dr. S. dahingehend, dass bei der\nVersorgung mit einer Perucke beachtet werden musse, dass die Klagerin bei den\nschon existierenden posttraumatischen Belastungen durch das Tragen einer\nPerucke im taglichen Leben zusatzlich sehr belastet werde. Außerdem musse man\nberucksichtigen, dass bei jungeren Patienten der gesamte Kostenaufwand fur die\nKorrekturen der Perucken im Laufe der Jahre hoher sei als die Kosten fur eine\nTransplantation. Eine Dehnungsplastik komme bei der Klagerin wegen sehr\nstarker Spannungsverhaltnisse nicht in Frage. Die Transplantation von\nhaartragenden Hautimplantaten fuhre zu sog. Buscheleffekten mit sehr\nschlechtem kosmetischem Ergebnis, weswegen sie eine Haartransplantation mit\nMikro- und Minitransplantaten empfehle. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Beklagte horte hierzu noch einmal den MDK. Fur diesen teilte Dr. A.\nmit, die Versorgung mit einem Haarteil/einer Perucke sei seines Erachtens\nausreichend. Das Argument der Wirtschaftlichkeit treffe bei der Klagerin nicht\nzu, da sie sich bereits im 50. Lebensjahr befinde. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag der Klagerin durch Bescheid vom\n15.07.2002 ab. \n--- \n| 8 \n--- \n| Ihren dagegen erhobenen Widerspruch begrundete die Klagerin im Wesentlichen\ndamit, dass sie sich wegen der Kahlheit in einer sehr schlechten Verfassung\nbefinde. Eine Perucke konne sie nicht akzeptieren, da zum einen die gesunden\nHaare darunter bruchig wurden und zum anderen sie noch viel zu jung dafur sei.\nIm ubrigen sei eine Perucke, aufgrund der notwendigen Erneuerungen\nletztendlich teurer als eine einmalige Transplantation. Erganzend legte die\nKlagerin noch ein weiteres Attest des Prof. Dr. P., Universitats-Hautklinik\nF., das im Wesentlichen der von Dr. S. vorgelegten Bescheinigung entspricht,\nvor. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2002 wies die Beklagte den Widerspruch\nzuruck. Die beantragte Leistung widerspreche dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Die\nKasse durfe daher keine Kosten ubernehmen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Hiergegen erhob die Klagerin Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Sie\nstellte erneut auf einen Kostenvergleich zwischen der Versorgung mit Perucken\nund der beantragten Haartransplantation ab. Die beantragte Haartransplantation\nuberschreite nicht das medizinisch Notwendige. Nur mit dieser Transplantation\nkonne der angestrebte Behandlungserfolg erreicht werden. Außerdem handele es\nsich um eine im Wesentlichen etablierte Behandlungsmethode mit zuverlassigen\nBehandlungserfolgen. Die Versorgung mit einem Haarteil oder einer Perucke sei\nfur sie aufgrund ihrer psychischen Verfassung aber auch der Tatsache, dass\nihre gesunden Haare unter der Perucke ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen\nwurden, nicht akzeptabel. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beklagte wies darauf hin, dass die beantragte Maßnahme eine\naußervertragliche Behandlungsmethode sei, die nicht im Rahmen der\nvertragsarztlichen Versorgung erbracht werde. Der Bundesausschuss der Ärzte\nund Krankenkassen habe sich bisher zur Notwendigkeit und zum therapeutischen\nNutzen dieser Methode nicht geaußert. Die Abrechnung sei ausgeschlossen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Auf Nachfrage teilte die Klagerin mit, dass es sich bei der beantragten\nMaßnahme um eine ambulante Behandlung handele. \n--- \n| 12 \n--- \n| Mit Urteil vom 17.06.2003, den Prozessbevollmachtigten der Klagerin\nzugestellt am 02.07.2003, wies das SG die Klage ab. Zur Begrundung fuhrte es\naus, die vorliegend streitige Haartransplantation sei keine Leistung der\ngesetzlichen Krankenversicherung. Eine Anerkennung durch den Bundesausschuss\nder Ärzte und Krankenkassen mit der Folge der Erbringbarkeit und\nAbrechenbarkeit dieser Leistung sei in der vertragsarztlichen Versorgung nicht\nerfolgt. \n--- \n| 13 \n--- \n| Hiergegen hat die Klagerin am 17.07.2003 Berufung eingelegt. Es komme nicht\ndarauf an, ob es sich um eine neue Behandlungsmethode handele. Entscheidend\nsei, dass sie einen Anspruch auf die beantragte Maßnahme habe. Aus\nmedizinischer Sicht, insbesondere unter Berucksichtigung der psychischen\nFolgeschaden, sei eine Versorgung mit einem Haarteil oder einer Perucke nicht\nausreichend. Die geplante Transplantation stelle auch die einzig\nerfolgversprechende Behandlungsmaßnahme dar. Eine Dehnungsplastik komme wegen\nder sehr starken Spannungsverhaltnisse nicht in Frage. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 15 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts F. vom 17. Juni 2003 aufzuheben und die\nBeklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Juli 2002 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 7. November 2002 zu verurteilen, die Kosten fur die\nTransplantation mit Mini- und Mikrotransplantaten in Hohe von 3.000,--EUR zu\nerstatten. \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 17 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Sie halt die angefochtene Entscheidung fur zutreffend. \n--- \n| 19 \n--- \n| Der Senat hat eine Auskunft des Arbeitsausschusses „Ärztliche Behandlung"\ndes Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen eingeholt. Danach hat sich\nder Bundesausschuss mit dem Verfahren der Mini- und Mikro-Haartransplantation\nim Bereich der Kopfhaut bisher nicht befasst und es liegt auch kein Antrag zur\nÜberprufung dieser Methode auf Nutzen, medizinische Wirksamkeit und\nWirtschaftlichkeit gemaß § 135 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Funftes Buch (SGB V)\nfur die ambulante vertragsarztliche Versorgung vor. Eine Beratung dieser\nMethode sei zur Zeit ebenfalls nicht vorgesehen. Unterlagen, die erkennen\nließen, ob diese Methode den fur die vertragsarztliche Versorgung gesetzlich\nvorgegebenen Kriterien diagnostischer oder therapeutischer Nutzen,\nmedizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit genugen wurden, wurden nicht\nexistieren. \n--- \n| 20 \n--- \n| Erganzend hat sich der Senat an Dr. W. von der Geschaftsfuhrung des\nBewertungsausschusses nach § 87 Abs. 3 SGB V gewandt. Dieser hat in seiner\nStellungnahme im Wesentlichen ausgefuhrt, dass zur Leistungspflicht der\ngesetzlichen Krankenkassen fur den Fall, dass es sich um einen krankhaften,\npathologischen Haarausfall handele, die Übertragung von Hautstucken mitsamt\nder Hautwurzeln gehore. Dies konne nach Nr. 2152 EBM, allerdings auch fur die\nÜbertragung mehrerer Hautstucke mit Haarwurzeln je Sitzung nur einmal,\nberechnet werden. \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Beklagte hat sich hierzu dahingehend geaußert, dass gegen die\nAbrechnung von vertraglichen Maßnahmen der Haartransplantation uber die\nAbrechnungs-Nr. 2152 EBM keine Bedenken bestunden. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klagerin hat die Transplantationen am 15.12.2002 und 24.08.2003\nvornehmen lassen. Die hierfur von Dr. S. erteilten Rechnungen vom 15.12.2002\nin Hohe von 2.000,--EUR und vom 24.08.2003 in Hohe von 1.000,--EUR wurden\nvorgelegt. \n--- \n| 23 \n--- \n| Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, den der\nAkten beider Rechtszuge und die Niederschrift uber die mundliche Verhandlung\nam 13.01.2004 Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 24 \n--- \n| Die zulassige Berufung ist nicht begrundet. Das SG hat die Klage zu Recht\nabgewiesen. Die Klagerin hat keinen Anspruch auf eine Haartransplantation mit\nMini- und Mikrotransplantaten. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Voraussetzungen, die erfullt sein mussen, um einen Anspruch auf\nKrankenbehandlung zu begrunden, sind im Urteil des SG zutreffend dargestellt.\nDarauf wird verwiesen. \n--- \n| 26 \n--- \n| Danach sind Behandlungsmaßnahmen und auch der Kostenerstattungsanspruch\nnach § 13 Abs. 3 SGB V von der Leistungspflicht der gesetzlichen\nKrankenversicherung ausgeschlossen, wenn es sich um eine neue\nBehandlungsmethode, die -noch- nicht anerkannt ist, handelt. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Unter einer neuen Behandlungsmethode versteht die Rechtsprechung ein\nmedizinisches Vorgehen, dem ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept\nzugrunde liegt, das es von anderen Therapieverfahren unterscheidet und seine\nsystematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen\nsoll (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2002 - B 1 Kr 16/00 R -). \n--- \n| 28 \n--- \n| Hier wurde eine Haartransplantation mit Mini- und Mikrotransplantaten\ndurchgefuhrt. Diese Methode unterscheidet sich von den in Nr. 2152 und Nr.\n2155 EBM-Ä vorgesehenen Transplantationen dadurch, dass keine haartragenden\nHautimplantate, sondern eine Vielzahl von einzelnen Haarwurzeln ohne ein\nHautstuck ubertragen werden. Damit ist die Methode der Übertragung von Mini-\nund Mikrotransplantaten „neu" im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB V. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Ob eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode dem allgemein\nanerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und damit dem in § 2 Abs. 1\nSatz 3 SGB V geforderten Versorgungsstandard entspricht, soll nun nach\nWortlaut und Konzeption des Gesetzes nicht von Fall zu Fall durch die\nKrankenkasse oder das Gericht, sondern fur die gesamte ambulante Versorgung\neinheitlich durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen als\nfachkundiges Gremium entschieden werden, um so eine an objektiven Maßstaben\norientierte und gleichmaßige Praxis der Leistungsgewahrung zu erreichen (vgl.\nBSG, Urteil vom 19.02.2003 - B 1 Kr 18/01 R -). Dabei hat der Bundesausschuss\nnicht selbst uber den medizinischen Nutzen der Methode zu urteilen. Seine\nAufgabe ist es vielmehr, sich einen Überblick uber die veroffentlichte\nLiteratur und die Meinung der einschlagigen Fachkreise zu verschaffen und\ndanach festzustellen, ob ein durch wissenschaftliche Studien hinreichend\nuntermauerter Konsens uber die Qualitat und Wirksamkeit der in Rede stehenden\nBehandlungsweise besteht. Die Richtlinien uber die Bewertung arztlicher\nUntersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien) vom 10.12.1999 tragen\ndieser Aufgabenstellung Rechnung, indem sie im Einzelnen regeln, welche\nUnterlagen fur die Überprufung heranzuziehen sind, nach welchen Kriterien die\nBewertung zu erfolgen hat und welche Voraussetzungen fur eine Anerkennung der\nMethode erfullt sein mussen. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Methode der Haartransplantation mit Mini- und Mikrotransplantaten ist\nnach der von der Geschaftsfuhrerin des Bundesausschusses der Ärzte und\nKrankenkassen Arbeitsausschuss „arztliche Behandlung" Dr. P. dem Senat\nerteilten Auskunft weder gepruft noch abgelehnt worden. Es liegt auch kein\nAntrag zur Überprufung dieser Methode auf Nutzen, medizinische Wirksamkeit und\nWirtschaftlichkeit gemaß § 135 Abs. 1 SGB V vor. Unterlagen, die erkennen\nlassen wurden, ob diese Methode den fur die vertragsarztliche Versorgung\ngesetzlich vorgegebenen Kriterien diagnostisch oder therapeutischer Nutzen,\nmedizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit genugen wurden, existieren\nnicht. Eine Anerkennung durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen\nliegt nicht vor. \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Befurworter der Mini- und Mikrohaartransplantation sind bisher auch\nuberhaupt noch nicht tatig geworden. Sie haben beim Bundesausschuss weder\nangefragt, welche Unterlagen zu einer Beratung einzureichen sind, noch\nUnterlagen eingereicht. Damit kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass\nder Bundesausschuss uber die Anerkennung dieser Form der Transplantation ohne\nsachlichen Grund nicht oder nicht zeitgerecht entschieden hat, denn dies setzt\nin jedem Fall einen hier nicht vorliegenden Prufungsantrag oder eine fundierte\nAnregung voraus. \n--- \n| 32 \n--- \n| Nachdem eine Anerkennung durch den Bundesausschuss nicht vorliegt, kommt es\nauf den eingetretenen Erfolg der Behandlung bei der Klagerin und darauf, dass\nes sich nach ihrem Vorbringen um die einzig erfolgreiche Behandlung handelt,\nnicht mehr an. Eine Erstattung scheidet aus. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Etwas anderes lasst sich auch nicht aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot des §\n12 SGB V herleiten. Die von der Klagerin in Anspruch genommene Leistung gehort\nvon vorn herein nicht zu den Leistungen, die die gesetzliche Krankenkassen zu\ngewahren haben und damit am Wirtschaftlichkeitsgebot zu messen sind. Die\nKlagerin hat sich aus freien Stucken außerhalb des Systems der gesetzlichen\nKrankenversicherung begeben. Fur eine derartige Behandlung hat die\nKrankenkasse selbst dann nicht einzustehen, wenn hierdurch keine hoheren\nKosten als im Rahmen des gesetzlichen Leistungssystems entstanden waren. \n--- \n| 34 \n--- \n| Damit erubrigt sich auch eine weitere Überprufung, ob die Vergutung durch\ndie nur pauschale Rechnungsstellung durch Dr. S. uberhaupt fallig geworden\nist. Es kann, nachdem eine Erstattung nicht in Betracht kommt, dahingestellt\nbleiben, ob Dr. S. noch eine der Gebuhrenordnung fur Ärzte (GOÄ) entsprechende\nRechnung vorlegen wurde. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Berufung konnte, weil die Transplantation von Mini- und\nMikrohaartransplantaten nicht zu den Leistungen der Krankenversicherung\ngehort, keinen Erfolg haben. \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). \n--- \n| 37 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 24 \n--- \n| Die zulassige Berufung ist nicht begrundet. Das SG hat die Klage zu Recht\nabgewiesen. Die Klagerin hat keinen Anspruch auf eine Haartransplantation mit\nMini- und Mikrotransplantaten. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Voraussetzungen, die erfullt sein mussen, um einen Anspruch auf\nKrankenbehandlung zu begrunden, sind im Urteil des SG zutreffend dargestellt.\nDarauf wird verwiesen. \n--- \n| 26 \n--- \n| Danach sind Behandlungsmaßnahmen und auch der Kostenerstattungsanspruch\nnach § 13 Abs. 3 SGB V von der Leistungspflicht der gesetzlichen\nKrankenversicherung ausgeschlossen, wenn es sich um eine neue\nBehandlungsmethode, die -noch- nicht anerkannt ist, handelt. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Unter einer neuen Behandlungsmethode versteht die Rechtsprechung ein\nmedizinisches Vorgehen, dem ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept\nzugrunde liegt, das es von anderen Therapieverfahren unterscheidet und seine\nsystematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen\nsoll (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2002 - B 1 Kr 16/00 R -). \n--- \n| 28 \n--- \n| Hier wurde eine Haartransplantation mit Mini- und Mikrotransplantaten\ndurchgefuhrt. Diese Methode unterscheidet sich von den in Nr. 2152 und Nr.\n2155 EBM-Ä vorgesehenen Transplantationen dadurch, dass keine haartragenden\nHautimplantate, sondern eine Vielzahl von einzelnen Haarwurzeln ohne ein\nHautstuck ubertragen werden. Damit ist die Methode der Übertragung von Mini-\nund Mikrotransplantaten „neu" im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB V. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Ob eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode dem allgemein\nanerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und damit dem in § 2 Abs. 1\nSatz 3 SGB V geforderten Versorgungsstandard entspricht, soll nun nach\nWortlaut und Konzeption des Gesetzes nicht von Fall zu Fall durch die\nKrankenkasse oder das Gericht, sondern fur die gesamte ambulante Versorgung\neinheitlich durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen als\nfachkundiges Gremium entschieden werden, um so eine an objektiven Maßstaben\norientierte und gleichmaßige Praxis der Leistungsgewahrung zu erreichen (vgl.\nBSG, Urteil vom 19.02.2003 - B 1 Kr 18/01 R -). Dabei hat der Bundesausschuss\nnicht selbst uber den medizinischen Nutzen der Methode zu urteilen. Seine\nAufgabe ist es vielmehr, sich einen Überblick uber die veroffentlichte\nLiteratur und die Meinung der einschlagigen Fachkreise zu verschaffen und\ndanach festzustellen, ob ein durch wissenschaftliche Studien hinreichend\nuntermauerter Konsens uber die Qualitat und Wirksamkeit der in Rede stehenden\nBehandlungsweise besteht. Die Richtlinien uber die Bewertung arztlicher\nUntersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien) vom 10.12.1999 tragen\ndieser Aufgabenstellung Rechnung, indem sie im Einzelnen regeln, welche\nUnterlagen fur die Überprufung heranzuziehen sind, nach welchen Kriterien die\nBewertung zu erfolgen hat und welche Voraussetzungen fur eine Anerkennung der\nMethode erfullt sein mussen. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Methode der Haartransplantation mit Mini- und Mikrotransplantaten ist\nnach der von der Geschaftsfuhrerin des Bundesausschusses der Ärzte und\nKrankenkassen Arbeitsausschuss „arztliche Behandlung" Dr. P. dem Senat\nerteilten Auskunft weder gepruft noch abgelehnt worden. Es liegt auch kein\nAntrag zur Überprufung dieser Methode auf Nutzen, medizinische Wirksamkeit und\nWirtschaftlichkeit gemaß § 135 Abs. 1 SGB V vor. Unterlagen, die erkennen\nlassen wurden, ob diese Methode den fur die vertragsarztliche Versorgung\ngesetzlich vorgegebenen Kriterien diagnostisch oder therapeutischer Nutzen,\nmedizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit genugen wurden, existieren\nnicht. Eine Anerkennung durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen\nliegt nicht vor. \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Befurworter der Mini- und Mikrohaartransplantation sind bisher auch\nuberhaupt noch nicht tatig geworden. Sie haben beim Bundesausschuss weder\nangefragt, welche Unterlagen zu einer Beratung einzureichen sind, noch\nUnterlagen eingereicht. Damit kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass\nder Bundesausschuss uber die Anerkennung dieser Form der Transplantation ohne\nsachlichen Grund nicht oder nicht zeitgerecht entschieden hat, denn dies setzt\nin jedem Fall einen hier nicht vorliegenden Prufungsantrag oder eine fundierte\nAnregung voraus. \n--- \n| 32 \n--- \n| Nachdem eine Anerkennung durch den Bundesausschuss nicht vorliegt, kommt es\nauf den eingetretenen Erfolg der Behandlung bei der Klagerin und darauf, dass\nes sich nach ihrem Vorbringen um die einzig erfolgreiche Behandlung handelt,\nnicht mehr an. Eine Erstattung scheidet aus. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Etwas anderes lasst sich auch nicht aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot des §\n12 SGB V herleiten. Die von der Klagerin in Anspruch genommene Leistung gehort\nvon vorn herein nicht zu den Leistungen, die die gesetzliche Krankenkassen zu\ngewahren haben und damit am Wirtschaftlichkeitsgebot zu messen sind. Die\nKlagerin hat sich aus freien Stucken außerhalb des Systems der gesetzlichen\nKrankenversicherung begeben. Fur eine derartige Behandlung hat die\nKrankenkasse selbst dann nicht einzustehen, wenn hierdurch keine hoheren\nKosten als im Rahmen des gesetzlichen Leistungssystems entstanden waren. \n--- \n| 34 \n--- \n| Damit erubrigt sich auch eine weitere Überprufung, ob die Vergutung durch\ndie nur pauschale Rechnungsstellung durch Dr. S. uberhaupt fallig geworden\nist. Es kann, nachdem eine Erstattung nicht in Betracht kommt, dahingestellt\nbleiben, ob Dr. S. noch eine der Gebuhrenordnung fur Ärzte (GOÄ) entsprechende\nRechnung vorlegen wurde. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Berufung konnte, weil die Transplantation von Mini- und\nMikrohaartransplantaten nicht zu den Leistungen der Krankenversicherung\ngehort, keinen Erfolg haben. \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). \n--- \n| 37 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. \n---\n\n
132,510
vg-karlsruhe-2005-01-26-11-k-499403
158
Verwaltungsgericht Karlsruhe
vg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
11 K 4994/03
2005-01-26
2019-01-07 10:16:13
2019-01-17 11:52:24
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 12.11.2003 wird aufgehoben. Die\nBeklagte wird verurteilt, an den Klager 3428,34 EUR nebst Zinsen in Hohe von\n5% uber dem Basiszinssatz seit dem 24.12.2003 aus 2528,99 EUR und seit 1. 1.\n2005 aus 899,35 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n2\\. Die Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n3\\. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 110 % des jeweils zu\nvollstreckenden Betrages vorlaufig vollstreckbar.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten um die Hohe des kindbezogenen Familienzuschlags\nfur das dritte und vierte Kind des Klagers. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager ist Beamter im Dienst der Beklagten und wird als\nVerwaltungsoberamtsrat nach der Besoldungsgruppe A 13 besoldet. Er ist in\ndritter Ehe verheiratet und hat vier Kinder. Die Kinder ..., wohnen bei ihrer\nMutter, der fruheren Ehefrau des Klagers, welche ihrerseits ebenfalls Beamtin\nist. Fur diese Kinder werden der Mutter die kindbezogenen Teile des\nFamilienzuschlags ausgezahlt. Aus der dritten Ehe des Klagers sind am\n13.1.2000 das Kind ... und am 16.10.2002 das Kind ... hervorgegangen, fur die\nder Klager den kindbezogenen Familienzuschlag nach dem Bundesbesoldungsgesetz\nerhalt. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Schreiben vom 30.09.2003 erhob der Klager Widerspruch gegen die Hohe\ndes an ihn ausbezahlten kindbezogenen Teils des Familienzuschlags fur seine\nKinder ... unter Berufung auf die durch das Bundesverfassungsgericht\nentwickelten Grundsatze zur amtsangemessenen Alimentation nach Art. 33 Abs. 5\nGG. Er bat die Beklagte zugleich, das Verfahren ruhen zu lassen und auf die\nEinrede der Verjahrung zu verzichten, bis eine rechtskraftige Entscheidung in\neinem ahnlich gelagerten Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt /M.\nvorliege. Mit Bescheid vom 12.11.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zuruck\nmit der Begrundung, sie konne aufgrund ihrer Bindung an Recht und Gesetz nur\ndie im Bundesbesoldungsgesetz festgelegte Alimentation zusprechen, welche auch\nden durch das Bundesverfassungsgericht dargelegten verfassungsrechtlichen\nAnforderungen entsprache. \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Klager hat am 23.12.2003 Klage erhoben. Er wiederholt sein Vorbringen\naus dem Widerspruchsverfahren und tragt erganzend vor, dass die Behorden und\nGerichte aufgrund des Vollstreckungsausspruchs in der Entscheidung des\nBundesverfassungsgerichts vom 24.11.1998 an die dort aufgestellten Grundsatze\nzu Art. 33 Abs. 5 GG gebunden seien, wonach ein Beamter fur sein drittes und\nviertes Kind jeweils einen Familienzuschlag erhalten musse, der 115 % des\ndurchschnittlichen Sozialhilfebedarfs eines Kindes erreichte. Außerdem\nrechnete der Klager detailliert vor, welchen Betrag die Behorde ihm aufgrund\nder zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fur sein drittes und\nviertes Kind zahlen musse. \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 6 \n--- \n| den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 12.11.2003 aufzuheben und die\nBeklagte zu verurteilen, an den Klager 3.596,49 EUR fur die Jahre 2000 bis\neinschließlich 2004 nebst Zinsen in Hohe von 5 %-Punkten uber dem\nBasiszinssatz aus 513,84 EUR seit dem 01.01.2001; aus 524,08 EUR seit dem\n01.01.2002; aus 606,01 EUR seit dem 01.01.2003; aus 937,72 EUR seit dem\n01.01.2004 und aus 1.014,84 EUR seit dem 01.01.2005 zu zahlen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 8 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Sie nimmt zur Begrundung in vollem Umfang Bezug auf den\nWiderspruchsbescheid. \n--- \n| 10 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den\nInhalt der Schriftsatze der Beteiligten und der dem Gericht vorliegenden Akte\nder Beklagten (3 Bande) verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 11 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und uberwiegend begrundet. \n--- \n| 12 \n--- \n| I. Dem sich aus § 126 Abs. 3 BRRG i.V.m. §§ 68 ff. VwGO ergebenden\nVorverfahrenserfordernis ist hinsichtlich des gesamten streitgegenstandlichen\nBesoldungszeitraums entsprochen. \n--- \n| 13 \n--- \n| II. Dem Klager steht ein Anspruch auf Mehrbesoldung fur die Jahre 2000 bis\n2004 in Hohe von 3428,34 EUR zu. Das Verwaltungsgericht ist befugt (und\nverpflichtet), die Beklagte unmittelbar zur Zahlung von Bezugen in dem aus dem\nTenor ersichtlichen Umfang zu verurteilen. Denn insoweit lag die Besoldung des\nKlagers unterhalb der verfassungsrechtlich vorgegebenen Mindestgrenze. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| 1\\. Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 24.11.1998 (2 BvL 26/91 u.a.,\nBVerfGE 99, 300 = NJW 1999, 1013) entsprechend seiner bisherigen\nRechtsprechung (vgl. BVerfGE 44, 249 = NJW 1977, 1869; BVerfGE 81, 363 = NVwZ\n1990, 1061) entschieden, dass der Dienstherr aufgrund des\nAlimentationsprinzips, das seine Grundlage in Art. 33 Abs. 5 GG findet,\nverpflichtet ist, die dem Beamten durch seine Familie entstehenden\nUnterhaltspflichten realitatsgerecht zu berucksichtigen. Zwar steht dem\nGesetzgeber im Hinblick auf die genaue Ausformung dieser Pflicht ein weiter\nGestaltungsspielraum zu. Dieser ist jedoch uberschritten, wenn dem Beamten\nzugemutet wird, fur den Unterhalt seines dritten und weiterer Kinder auf die\nfamilienneutralen Bestandteile seines Gehalts zuruckzugreifen, um den Bedarf\nseiner Kinder zu decken. Die damit verbundene, mit wachsender Kinderzahl\nfortschreitende Auszehrung der familienneutralen Gehaltsbestandteile ist nicht\nhinnehmbar, weil so der Beamte mit mehreren Kindern den ihm zukommenden\nLebenszuschnitt nicht oder nur zu Lasten seiner Familie erreichen kann. Ob die\nvom Gesetzgeber erlassenen Besoldungsvorschriften eine ausreichende\nAlimentation i.S.d. Art. 33 Abs. 5 GG fur Beamte mit mehr als zwei Kindern\nsicherstellen, beurteilt sich nach dem sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf\neines Kindes. Hinzukommen muss aber ein Aufschlag von 15%, um den\nverfassungsgebotenen Unterschied zwischen der der Sozialhilfe obliegenden\nBefriedigung des Mindestbedarfs und dem dem Beamten geschuldeten Unterhalt\nhinreichend deutlich zu machen (so schon BVerfGE 81, 363, 382 f.). Sind die\ndem Beamten fur sein drittes und jedes weitere Kind gewahrten Zuschlage\njeweils geringer als 115% des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines\nKindes, so hat der Gesetzgeber den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum bei\nder Bemessung der amtsangemessenen Alimentation uberschritten (BVerfG, Beschl.\nv. 24.11.1998, a.a.O.). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Das BVerfG hat deshalb auf der Grundlage seiner Überlegungen nicht nur einen\nNormsetzungsauftrag an den Gesetzgeber gerichtet, die Besoldungsvorschriften\nnach den aufgestellten Vorgaben zu andern. Sollte der Gesetzgeber diesem\nAuftrag nicht bis zum 31.12.1999 nachgekommen sein, so gilt außerdem ab dem\n1.1.2000, dass Besoldungsempfanger fur das dritte und jedes weitere\nunterhaltsberechtigte Kind Anspruch auf familienbezogene Gehaltsbestandteile\nin Hohe von 115 % des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs\neines Kindes haben, der sich nach Maßgabe der Grunde zu C III 3 des\nBeschlusses vom 24.11.1998 richtet. Mit diesem Ausspruch hat das BVerfG auf\nGrundlage des § 35 BVerfGG die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu einer\n„gesetzesreformatorischen Judikatur" ermachtigt, was sich ausdrucklich aus den\nErlauterungen am Ende dieses Beschlusses ergibt (vgl. BVerwG, Urt. v.\n17.6.2004 - 2 C 34.02 -, DVBl. 2004, 1416 = ZBR 2005, 36). Die Entscheidung\ndes BVerfG, die gemaß § 31 Abs. 2 BVerfGG mit Gesetzeskraft ausgestattet ist,\ntritt damit anstelle eines formlichen Gesetzes und ermachtigt und zwingt\nVerwaltung wie Gerichte, diese Entscheidung umzusetzen (BVerwG, Urt. v.\n17.6.2004, a.a.O.). Da die spezifisch verfassungsrechtlichen Fragen der\nBesoldung von Beamten mit mehr als zwei Kindern geklart sind, bedarf es keiner\nerneuten Vorlage an das BVerfG gemaß Art. 100 Abs. 1 GG. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die genannte Vollstreckungsanordnung des BVerfG ist hinreichend bestimmt und\nzukunftsgerichtet (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.6.2004, a.a.O.). Sie besteht nach\nder Überzeugung der Kammer auch fur den hier streitgegenstandlichen\nBesoldungszeitraum bis zum Jahre 2004 trotz der bis dahin ergangenen\nGesetzesanderungen im Besoldungs-, Steuer- und Kindergeldrecht fort.\nInsbesondere hat sich die Vollstreckungsanordnung durch die Erhohung des\nFamilienzuschlags fur das dritte und jedes weitere Kind bis zum Jahre 2004\nnicht erledigt, vgl. zu den insoweit ergangenen Änderungen: \n--- \n| 17 \n--- \n| \\- Gesetz uber die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezugen in Bund und\nLandern 1999 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1999, BBVAnpG\n99) vom 19.11.1999 (BGBl I S. 2198, 2200 u. 2211), insb. Art. 9 § 2 \n--- \n| 18 \n--- \n| \\- Art. 5 des Gesetzes zur Neuordnung der Versorgungsabschlage vom\n19.12.2000 (BGBl I S. 1786, 1788) \n--- \n| 19 \n--- \n| \\- Gesetz uber die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezugen in Bund und\nLandern 2000 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2000 -\nBBVAnpG 2000) vom 19.04.2001 (BGBl. I S. 618, 652 u. 664) \n--- \n| 20 \n--- \n| \\- Art. 12 § 4 des Sechsten Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher\nVorschriften (Sechstes Besoldungsanderungsgesetz - 6. BesÄndG) vom 14.12.2001\n(BGBl. I S. 3702, 3712) \n--- \n| 21 \n--- \n| \\- Gesetz uber die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezugen in Bund und\nLandern 2003/2004 sowie zur Änderung dienstrechtlicher\nVorschriften(Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004,\nBBVAnpG 2003/2004) vom 10.09.2003 (BGBl. I S. 1798, 1810, 1822 u. 1834). \n--- \n| 22 \n--- \n| Denn die Anordnung steht nicht unter dem Vorbehalt, dass _irgendeine_\nAnpassung der Besoldung vorgenommen wird, sondern dass eine Anpassung\nentsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben durchgefuhrt wird. Die\nVollstreckungsbefugnis der Verwaltungsgerichte entfiele erst dann, wenn der\nGesetzgeber eine Besoldung entsprechend den Maßstaben des BVerfG regelte. Ob\ndas Monopol der Verwerfungskompetenz des BVerfG gemaß Art. 100 Abs. 1 GG\naußerdem auch dann wieder Vorrang gewanne, wenn auf Grund von Maßnahmen des\nGesetzgebers oder wegen sonstiger Ereignisse die Berechnungsmethode des BVerfG\nin Frage gestellt wurde, kann offen bleiben, da fur die Zeit bis zum Jahre\n2004 keine hinreichenden Änderungen erkennbar sind. Die allgemeinen\nLebensverhaltnisse in der Bundesrepublik Deutschland haben sich seit der\nEntscheidung des BVerfG nicht wesentlich geandert. Von einer generellen\n(steuerlichen) Entlastung der Beamtenfamilien in einem Maße, das auf der Basis\nder Rechtsprechung des BVerfG einen Ruckgriff auf die familienneutralen\nBestandteile der Alimentation zur Finanzierung des Kindesunterhalts\nverfassungsgemaß erscheinen ließe, kann ebenfalls nicht ausgegangen werden. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| 2\\. Aufgrund des vorliegenden Zahlenmaterials hat die Kammer somit die\nerforderlichen Berechnungen selbst vorzunehmen. Dabei ist ihr auch in\nEinzelheiten eine Abweichung von Vorgaben des BVerfG verwehrt. Bei der danach\ngebotenen strikten Bindung an die Grunde zu C.III.3. der Entscheidung des\nBVerfG ergibt sich folgender Rechengang, der unter Zuhilfenahme eines\nTabellenkalkulationsprogramms nachvollzogen wurde: \n--- \n| 24 \n--- \n| Zu ermittelnde Vergleichsgroßen bezogen auf ein Kalenderjahr sind die\nNettoeinkommen, die ein Beamter derselben Besoldungsgruppe mit zwei Kindern\nund ein Beamter dieser Besoldungsgruppe mit mehr als zwei Kindern erzielt.\nAuszugehen ist von dem Grundgehalt der Endstufe der Besoldungsgruppe, der das\nAmt des Beamten zugeordnet ist. Dabei bleiben die Absenkung der Besoldung nach\nMaßgabe der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung ebenso wie z.B. eine\nBesoldungskurzung nach § 3 a BBesG und individuelle Besoldungsbestandteile\nunberucksichtigt. Hinzuzurechnen sind dagegen die weiteren allgemein\nvorgesehenen Besoldungsbestandteile wie z.B. Einmalzahlungen, die allgemeine\nStellenzulage nach Nr. 27 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen\nA und B, soweit diese in Betracht kommt, das Urlaubsgeld und die jahrliche\nSonderzuwendung (nunmehr Sonderzahlung). Daruber hinaus sind der\nFamilienzuschlag und das Kindergeld fur eine Beamtenfamilie jeweils mit einem\ndritten, vierten und jedem weiteren Kind einzubeziehen. Von diesem\nBruttoeinkommen - ausgenommen das Kindergeld, das der Einkommensteuer nicht\nunterworfen ist - werden abgezogen die Lohnsteuer nach Maßgabe der besonderen\nLohnsteuertabellen (da Beamte unter die gemaß § 10c Abs. 3 EStG gekurzte\nVorsorgepauschale fallen, wobei ab 2001 die gesetzliche Verpflichtung zur\nAufstellung amtlicher Lohnsteuertabellen in § 38c EStG entfallen ist und das\nBundesministerium der Finanzen nunmehr jahrlich einen Programmablaufplan fur\ndie maschinelle Berechnung der Lohnsteuer erstellt, § 39b Abs. 8 EStG), der\nSolidaritatszuschlag sowie die Kirchensteuer mit einem Steuersatz von 8 v.H.\nDer Vergleich beider entsprechend ermittelter Nettoeinkommen ergibt die fur\ndie verfassungsrechtliche Beurteilung maßgebliche Differenz des\nNettoeinkommens eines Beamten mit zwei und eines Beamten mit mehr als zwei\nKindern. \n--- \n| 25 \n--- \n| Im vorliegenden Fall war dementsprechend fur die Jahre 2000 bis 2004 das\nGrundgehalt der Endstufe der Besoldungsgruppe A 13, und eine allgemeine\nStellenzulage zugrunde zu legen. Einmalzahlungen fanden nur im Jahre 2003 in\nHohe von 287,83 EUR sowie im Jahre 2004 in Hohe von 50,-- EUR statt. Die\nLohnsteuer wurde mit Hilfe der besonderen Lohnsteuertabelle errechnet, wobei\nvon der Steuerklasse III ausgegangen wurde. Kinderfreibetrage wurden nicht\nberucksichtigt, weil entsprechend der Vollstreckungsanordnung des BVerfG\njeweils das Kindergeld in Ansatz gebracht wurde (vgl. zur alternativen\nBerucksichtigung von Kindergeld und Kinderfreibetragen § 31 Satz 1 EStG). Die\njahrliche Sonderzuwendung (nunmehr Sonderzahlung) errechnete sich in den\nJahren 2000 bis 2002 nach dem bundeseinheitlichen Gesetz uber die Gewahrung\neiner jahrlichen Sonderzuwendung (BGBl. I 1975, 1173, 1238, zuletzt geandert\ndurch Art. 3 G. v. 16.02.2002 I 686) mit wechselnden, vom Bundesministerium\ndes Innern festgesetzten Bemessungsfaktoren (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 des\ngenannten Bundesgesetzes; fur 2000: 89,79 v.H., fur 2001: 88,21 v.H, fur 2002:\n0,8631, fur 2003: 0,8429 ) Fur das Jahr 2004 basiert die Sonderzahlung fur\nBundesbeamte auf § 2 des Bundessonderzahlungsgesetzes (BZSG) in der Fassung\ndes Art. 2 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 vom 29. 12. 2003 (BGBl. I S.\n3076). \n--- \n| 26 \n--- \n| Fur das Grundgehalt ergeben sich folgende Werte: \n--- \n| 27 \n--- \n| \n--- \nBerechnung des Grundgehalts fur das Jahr 2000 (in DM): \nMonatsgrundgehalt in der Zeit Januar-Dez. | | | 7.055,69 DM \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 \nErgebnis | | | 84.668,28 DM \n| | | \nBerechnung des Grundgehalts fur das Jahr 2001 (in DM): \nMonatsgrundgehalt in der Zeit Januar-Dez. | | | 7.182,69 DM \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 \nErgebnis | | | 86.192,28 DM \n| | | \nBerechnung des Grundgehalts fur das Jahr 2002 (in EUR): | \nMonatsgrundgehalt in der Zeit Januar-Dez. | | | 3.753,25 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 \nErgebnis | | | 45.039,00 EUR \n| | | \nBerechnung des Grundgehalts fur das Jahr 2003 (in EUR): | \nMonatsgrundgehalt in der Zeit Januar-Juni | | | 3.753,25 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Juni | | | 6 \nMonatsgrundgehalt in der Zeit Juli-Dez. | | | 3.843,33 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Juli-Dez. | | | 6 \nErgebnis | | | 45.579,48 EUR \n| | | \nBerechnung des Grundgehalts fur das Jahr 2004 (in EUR): | \nMonatsgrundgehalt in der Zeit Januar-Marz | | | 3.843,33 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Marz | | | 3 \nMonatsgrundgehalt in der Zeit April-Juli | | | 3.881,76 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit April-Juli | | | 4 \nMonatsgrundgehalt in der Zeit August-Dez. | | | 3.920,58 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit August-Dez. | | | 5 \nErgebnis | | | 46.659,93 EUR \n| 28 \n--- \n| Die Stellenzulage errechnet sich im Falle des Klagers wie folgt: \n--- \n| 29 \n--- \n| \n--- \nBerechnung der allg. Stellenzulage fur das Jahr 2000 (in DM): \nStellenzulage in der Zeit Januar-Dez. | | | 128,15 DM \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 \nErgebnis | | | 1.537,80 DM \n| | | \nBerechnung der allg. Stellenzulage fur das Jahr 2001 (in DM): \nStellenzulage in der Zeit Januar-Dez. | | | 130,46 DM \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 \nErgebnis | | | 1.565,52 DM \n| | | \nBerechnung der allg. Stellenzulage fur das Jahr 2002 (in EUR): \nStellenzulage in der Zeit Januar-Dez. | | | 68,17 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 \nErgebnis | | | 818,04 EUR \n| | | \nBerechnung der allg. Stellenzulage fur das Jahr 2003 (in EUR): \nStellenzulage in der Zeit Januar-Juni | | | 68,17 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Juni | | | 6 \nStellenzulage in der Zeit Juli-Dez. | | | 69,81 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Juli-Dez. | | | 6 \nErgebnis | | | 827,88 EUR \n| | | \nBerechnung der allg. Stellenzulage fur das Jahr 2004 (in EUR): \nStellenzulage in der Zeit Januar-Marz | | | 69,81 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Marz | | | 3 \nStellenzulage in der Zeit April-Juli | | | 70,51 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit April-Juli | | | 4 \nStellenzulage in der Zeit August-Dez. | | | 71,22 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit August-Dez. | | | 5 \nErgebnis | | | 847,57 EUR \n| 30 \n--- \n| Fur den Familienzuschlag ergibt sich im Einzelnen folgende Berechnung: \n--- \n| 31 \n--- \n| \n--- \nFamilienzuschlag 2 Kinder Jahr 2000 (in DM): | | Familienzuschlag bei tatsachl. Kinderzahl Jahr 2000 (in DM): \nFamilienzuschlag in der Zeit Januar-Dez. | | | 513,54 DM | Familienzuschlag in der Zeit Januar-Dez. | | | 928,50 DM \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 | Anzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 \nErgebnis | | | 6.162,48 DM | Ergebnis | | | 11.142,00 DM \n| | | | | | | \nFamilienzuschlag 2 Kinder Jahr 2001 (in DM): | | Familienzuschlag bei tatsachl. Kinderzahl Jahr 2001 (in DM): \nFamilienzuschlag in der Zeit Januar-Dez. | | | 522,80 DM | Familienzuschlag in der Zeit Januar-Dez. | | | 945,23 DM \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 | Anzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 \nErgebnis | | | 6.273,60 DM | Ergebnis | | | 11.342,76 DM \n| | | | | | | \nFamilienzuschlag 2 Kinder Jahr 2002 (in EUR): | | Familienzuschlag bei tatsachl. Kinderzahl Jahr 2002 (in EUR): \nFamilienzuschlag in der Zeit Januar-Dez. | | | 273,20 EUR | Familienzuschlag in der Zeit Januar-Dez. | | | 549,13 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 | Anzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 \nErgebnis | | | 3.278,40 EUR | Ergebnis | | | 6.589,56 EUR \n| | | | | | | \nFamilienzuschlag 2 Kinder Jahr 2003 (in EUR): | | Familienzuschlag bei tatsachl. Kinderzahl Jahr 2003 (in EUR): \nFamilienzuschlag in der Zeit Januar-Juni | | | 273,20 EUR | Familienzuschlag in der Zeit Januar-Juni | | | 714,68 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Juni | | | 6 | Anzahl der Monate in der Zeit Januar-Juni | | | 6 \nFamilienzuschlag in der Zeit Juli-Dez. | | | 279,76 EUR | Familienzuschlag in der Zeit Juli-Dez. | | | 731,84 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Juli-Dez. | | | 6 | Anzahl der Monate in der Zeit Juli-Dez. | | | 6 \nErgebnis | | | 3.317,76 EUR | Ergebnis | | | 8.679,12 EUR \n| | | | | | | \nFamilienzuschlag 2 Kinder Jahr 2004 (in EUR): | | Familienzuschlag bei tatsachl. Kinderzahl Jahr 2004 (in EUR): \nFamilienzuschlag in der Zeit Januar-Marz | | | 279,76 EUR | Familienzuschlag in der Zeit Januar-Marz | | | 731,84 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Marz | | | 3 | Anzahl der Monate in der Zeit Januar-Marz | | | 3 \nFamilienzuschlag in der Zeit April-Juli | | | 282,56 EUR | Familienzuschlag in der Zeit April-Juli | | | 734,16 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit April-Juli | | | 4 | Anzahl der Monate in der Zeit April-Juli | | | 4 \nFamilienzuschlag in der Zeit August-Dez. | | | 285,38 EUR | Familienzuschlag in der Zeit August-Dez. | | | 746,54 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit August-Dez. | | | 5 | Anzahl der Monate in der Zeit August-Dez. | | | 5 \nErgebnis | | | 3.396,42 EUR | Ergebnis | | | 8.864,86 EUR \n--- \n| 32 \n--- \n| Der ermittelten Einkommensdifferenz ist der Bedarf des dritten Kindes\ngegenuberzustellen. Diese Bedarfsberechnung geht von 115 v.H. des\ndurchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs (vgl. § 22 BSHG) eines\nKindes aus. Zunachst ist getrennt fur die Vergleichsjahre der bundes- und\njahresdurchschnittliche Regelsatz fur Minderjahrige, die mit beiden\nElternteilen zusammenleben, im Alter ab der Geburt bis zur Vollendung des 18.\nLebensjahres zu berechnen. Dabei bleiben entsprechend der Berechnung der\nDienstbezuge unberucksichtigt die (ebenfalls abgesenkten) Regelsatze in den\nLandern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und\nThuringen. Hinzugerechnet wird ein Zuschlag von 20 v.H. zur Abgeltung\neinmaliger Leistungen, ein weiterer Zuschlag fur die Kosten der Unterkunft\nausgehend von einem Wohnbedarf von 11 m² fur das Kind sowie ein Zuschlag von\n20 v.H. der anteiligen Durchschnittsmiete zur Abgeltung der auf das Kind\nentfallenden Energiekosten. Der danach errechnete Bedarf erhoht sich um 15\nv.H. (vgl. zur Berechnungsweise BVerfG, Beschl. v. 24.11.1998, a.a.O., S.\n322). Da die sozialhilferechtlichen Regelsatze in den einzelnen Bundeslandern\nunterschiedlich festgesetzt, zur Jahresmitte erhoht und Altersklassen gebildet\nworden sind, mussen fur das jeweilige Kalenderjahr gewichtete\nDurchschnittsregelsatze berechnet werden. Danach ist mit einem\nGewichtungsfaktor fur jede der drei Altersgruppen (bis zum vollendeten 7.\nLebensjahr, vom 8. bis zum vollendeten 14. Lebensjahr, vom 15. bis zum\nvollendeten 18. Lebensjahr) entsprechend der Anzahl der erfassten Jahrgange\nein Landesdurchschnitt und anschließend ein Durchschnitt uber alle (alten)\nBundeslander zu bilden. \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Berechnung des Gesamtbedarfs ergibt sich aus der nachfolgenden Tabelle: \n--- \n| 34 \n--- \n| \n--- \nAlte Bundeslander 01.07.1998 bis 30.06.1999 | | | | \n| 0-7 Jahre | 8-14 Jahre | 15-18 Jahre | gewicht. Landesdurchschnitt: \nBaden-Wurttemberg | 271,00 DM | 352,00 DM | 487,00 DM | 350,50 DM \nBayern | 262,00 DM | 340,00 DM | 471,00 DM | 338,78 DM \nBerlin | 270,00 DM | 351,00 DM | 486,00 DM | 349,50 DM \nBremen | 270,00 DM | 351,00 DM | 486,00 DM | 349,50 DM \nHamburg | 270,00 DM | 351,00 DM | 486,00 DM | 349,50 DM \nHessen | 271,00 DM | 352,00 DM | 487,00 DM | 350,50 DM \nNiedersachsen | 270,00 DM | 351,00 DM | 486,00 DM | 349,50 DM \nNordrhein-Westfalen | 270,00 DM | 351,00 DM | 486,00 DM | 349,50 DM \nRheinland-Pfalz | 270,00 DM | 351,00 DM | 486,00 DM | 349,50 DM \nSaarland | 270,00 DM | 351,00 DM | 486,00 DM | 349,50 DM \nSchleswig-Holstein | 270,00 DM | 351,00 DM | 486,00 DM | 349,50 DM \n| | | | gewicht. Bundesdurchschnitt: \nBundesdurchschnitt | 269,45 DM | 350,18 DM | 484,82 DM | 348,71 DM \nGewichtungsfaktor | 7 | 7 | 4 | \nGewichteter Wert je Gruppe | 1.886,18 DM | 2.451,27 DM | 1.939,27 DM | \nSumme der gewicht. Werte | 6.276,73 DM | | | \nErgebnis gewicht. Regelsatz | 348,71 DM | | | \n| | | | \nAlte Bundeslander 01.07.1999 bis 30.06.2000 | | | | \n| 0-7 Jahre | 8-14 Jahre | 15-18 Jahre | gewicht. Landesdurchschnitt: \nBaden-Wurttemberg | 274,00 DM | 356,00 DM | 493,00 DM | 354,56 DM \nBayern | 265,00 DM | 345,00 DM | 477,00 DM | 343,22 DM \nBerlin | 274,00 DM | 356,00 DM | 492,00 DM | 354,33 DM \nBremen | 274,00 DM | 356,00 DM | 492,00 DM | 354,33 DM \nHamburg | 274,00 DM | 356,00 DM | 492,00 DM | 354,33 DM \nHessen | 274,00 DM | 356,00 DM | 493,00 DM | 354,56 DM \nNiedersachsen | 274,00 DM | 356,00 DM | 492,00 DM | 354,33 DM \nNordrhein-Westfalen | 274,00 DM | 356,00 DM | 492,00 DM | 354,33 DM \nRheinland-Pfalz | 274,00 DM | 356,00 DM | 492,00 DM | 354,33 DM \nSaarland | 274,00 DM | 356,00 DM | 492,00 DM | 354,33 DM \nSchleswig-Holstein | 274,00 DM | 356,00 DM | 492,00 DM | 354,33 DM \n| | | | gewicht. Bundesdurchschnitt: \nBundesdurchschnitt | 273,18 DM | 355,00 DM | 490,82 DM | 353,36 DM \nGewichtungsfaktor | 7 | 7 | 4 | \nGewichteter Wert je Gruppe | 1.912,27 DM | 2.485,00 DM | 1.963,27 DM | \nSumme der gewicht. Werte | 6.360,55 DM | | | \nErgebnis gewicht. Regelsatz | 353,36 DM | | | \n| | | | \nGesamtbedarf fur das Jahr 1999 (01.01. bis 31.12.1999): | | | | \nWert 01.01. bis 30.06. | 348,71 DM | | | \nWert 01.07. bis 31.12. | 353,36 DM | | | \nJahreswert | 351,04 DM | | | \n| | | | \nAlte Bundeslander 01.07.2000 bis 30.06.2001 | | | | \n| 0-7 Jahre | 8-14 Jahre | 15-18 Jahre | gewicht. Landesdurchschnitt: \nBaden-Wurttemberg | 276,00 DM | 358,00 DM | 496,00 DM | 356,78 DM \nBayern | 267,00 DM | 346,00 DM | 480,00 DM | 345,06 DM \nBerlin | 275,00 DM | 358,00 DM | 495,00 DM | 356,17 DM \nBremen | 275,00 DM | 358,00 DM | 495,00 DM | 356,17 DM \nHamburg | 275,00 DM | 358,00 DM | 495,00 DM | 356,17 DM \nHessen | 276,00 DM | 358,00 DM | 496,00 DM | 356,78 DM \nNiedersachsen | 275,00 DM | 358,00 DM | 495,00 DM | 356,17 DM \nNordrhein-Westfalen | 275,00 DM | 358,00 DM | 495,00 DM | 356,17 DM \nRheinland-Pfalz | 275,00 DM | 358,00 DM | 495,00 DM | 356,17 DM \nSaarland | 275,00 DM | 358,00 DM | 495,00 DM | 356,17 DM \nSchleswig-Holstein | 275,00 DM | 358,00 DM | 495,00 DM | 356,17 DM \n| | | | gewicht. Bundesdurchschnitt: \nBundesdurchschnitt | 274,45 DM | 356,91 DM | 493,82 DM | 355,27 DM \nGewichtungsfaktor | 7 | 7 | 4 | \nGewichteter Wert je Gruppe | 1.921,18 DM | 2.498,36 DM | 1.975,27 DM | \nSumme der gewicht. Werte | 6.394,82 DM | | | \nErgebnis gewicht. Regelsatz | 355,27 DM | | | \n| | | | \nGesamtbedarf fur das Jahr 2000 (01.01. bis 31.12.2000): | | | | \nWert 01.01. bis 30.06. | 353,36 DM | | | \nWert 01.07. bis 31.12. | 355,27 DM | | | \nJahreswert | 354,32 DM | | | \n| | | | \nAlte Bundeslander 01.07.2001 bis 30.06.2002 | | | | \n| 0-7 Jahre | 8-14 Jahre | 15-18 Jahre | gewicht. Landesdurchschnitt: \nBaden-Wurttemberg | 281,00 DM | 365,00 DM | 506,00 DM | 363,67 DM \nBayern | 272,00 DM | 353,00 DM | 489,00 DM | 351,72 DM \nBerlin | 281,00 DM | 365,00 DM | 505,00 DM | 363,44 DM \nBremen | 281,00 DM | 365,00 DM | 505,00 DM | 363,44 DM \nHamburg | 281,00 DM | 365,00 DM | 505,00 DM | 363,44 DM \nHessen | 281,00 DM | 365,00 DM | 505,00 DM | 363,44 DM \nNiedersachsen | 281,00 DM | 365,00 DM | 505,00 DM | 363,44 DM \nNordrhein-Westfalen | 281,00 DM | 365,00 DM | 505,00 DM | 363,44 DM \nRheinland-Pfalz | 281,00 DM | 365,00 DM | 505,00 DM | 363,44 DM \nSaarland | 281,00 DM | 365,00 DM | 505,00 DM | 363,44 DM \nSchleswig-Holstein | 281,00 DM | 365,00 DM | 505,00 DM | 363,44 DM \n| | | | gewicht. Bundesdurchschnitt: \nBundesdurchschnitt | 280,18 DM | 363,91 DM | 503,64 DM | 362,40 DM \nGewichtungsfaktor | 7 | 7 | 4 | \nGewichteter Wert je Gruppe | 1.961,27 DM | 2.547,36 DM | 2.014,55 DM | \nSumme der gewicht. Werte | 6.523,18 DM | | | \nErgebnis gewicht. Regelsatz | 362,40 DM | | | \n| | | | \nGesamtbedarf fur das Jahr 2001 (01.01. bis 31.12.2001): | | | | \nWert 01.01. bis 30.06. | 355,27 DM | | | \nWert 01.07. bis 31.12. | 362,40 DM | | | \nJahreswert | 358,83 DM | | | \n| | | | \nAlte Bundeslander 01.07.2002 bis 30.06.2003 | | | | \n| 0-7 Jahre | 8-14 Jahre | 15-18 Jahre | gewicht. Landesdurchschnitt: \nBaden-Wurttemberg | 147,00 EUR | 191,00 EUR | 265,00 EUR | 190,33 EUR \nBayern | 142,00 EUR | 185,00 EUR | 256,00 EUR | 184,06 EUR \nBerlin | 147,00 EUR | 190,00 EUR | 264,00 EUR | 189,72 EUR \nBremen | 147,00 EUR | 191,00 EUR | 264,00 EUR | 190,11 EUR \nHamburg | 147,00 EUR | 190,00 EUR | 264,00 EUR | 189,72 EUR \nHessen | 147,00 EUR | 191,00 EUR | 265,00 EUR | 190,33 EUR \nNiedersachsen | 147,00 EUR | 190,00 EUR | 264,00 EUR | 189,72 EUR \nNordrhein-Westfalen | 147,00 EUR | 190,00 EUR | 264,00 EUR | 189,72 EUR \nRheinland-Pfalz | 147,00 EUR | 190,00 EUR | 264,00 EUR | 189,72 EUR \nSaarland | 147,00 EUR | 190,00 EUR | 264,00 EUR | 189,72 EUR \nSchleswig-Holstein | 147,00 EUR | 190,00 EUR | 264,00 EUR | 189,72 EUR \n| | | | gewicht. Bundesdurchschnitt: \nBundesdurchschnitt | 146,55 EUR | 189,82 EUR | 263,45 EUR | 189,35 EUR \nGewichtungsfaktor | 7 | 7 | 4 | \nGewichteter Wert je Gruppe | 1.025,82 EUR | 1.328,73 EUR | 1.053,82 EUR | \nSumme der gewicht. Werte | 3.408,36 EUR | | | \nErgebnis gewicht. Regelsatz | 189,35 EUR | | | \n| | | | \nGesamtbedarf fur das Jahr 2002 (01.01. bis 31.12.2002): | | | | \nWert 01.01. bis 30.06. | 185,29 EUR | | | \nWert 01.07. bis 31.12. | 189,35 EUR | | | \nJahreswert | 187,32 EUR | | | \n| | | | \nAlte Bundeslander 01.07.2003 bis 30.06.2004 | | | | \n| 0-7 Jahre | 8-14 Jahre | 15-18 Jahre | gewicht. Landesdurchschnitt: \nBaden-Wurttemberg | 149,00 EUR | 193,00 EUR | 267,00 EUR | 192,33 EUR \nBayern | 144,00 EUR | 187,00 EUR | 258,00 EUR | 186,06 EUR \nBerlin | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nBremen | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nHamburg | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nHessen | 149,00 EUR | 193,00 EUR | 267,00 EUR | 192,33 EUR \nNiedersachsen | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nNordrhein-Westfalen | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nRheinland-Pfalz | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nSaarland | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nSchleswig-Holstein | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \n| | | | gewicht. Bundesdurchschnitt: \nBundesdurchschnitt | 147,82 EUR | 191,73 EUR | 265,45 EUR | 191,04 EUR \nGewichtungsfaktor | 7 | 7 | 4 | \nGewichteter Wert je Gruppe | 1.034,73 EUR | 1.342,09 EUR | 1.061,82 EUR | \nSumme der gewicht. Werte | 3.438,64 EUR | | | \nErgebnis gewicht. Regelsatz | 191,04 EUR | | | \n| | | | \nGesamtbedarf fur das Jahr 2003 (01.01. bis 31.12.2003): | | | | \nWert 01.01. bis 30.06. | 189,35 EUR | | | \nWert 01.07. bis 31.12. | 191,04 EUR | | | \nJahreswert | 190,19 EUR | | | \n| | | | \nAlte Bundeslander 01.07.2004 bis 30.06.2005 | | | | \n| 0-7 Jahre | 8-14 Jahre | 15-18 Jahre | gewicht. Landesdurchschnitt: \nBaden-Wurttemberg | 149,00 EUR | 193,00 EUR | 267,00 EUR | 192,33 EUR \nBayern | 144,00 EUR | 187,00 EUR | 258,00 EUR | 186,06 EUR \nBerlin | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nBremen | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nHamburg | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nHessen | 149,00 EUR | 193,00 EUR | 267,00 EUR | 192,33 EUR \nNiedersachsen | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nNordrhein-Westfalen | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nRheinland-Pfalz | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nSaarland | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nSchleswig-Holstein | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \n| | | | gewicht. Bundesdurchschnitt: \nBundesdurchschnitt | 147,82 EUR | 191,73 EUR | 265,45 EUR | 191,04 EUR \nGewichtungsfaktor | 7 | 7 | 4 | \nGewichteter Wert je Gruppe | 1.034,73 EUR | 1.342,09 EUR | 1.061,82 EUR | \nSumme der gewicht. Werte | 3.438,64 EUR | | | \nErgebnis gewicht. Regelsatz | 191,04 EUR | | | \n| | | | \nGesamtbedarf fur das Jahr 2004 (01.01. bis 31.12.2004): | | | | \nWert 01.01. bis 30.06. | 191,04 EUR | | | \nWert 01.07. bis 31.12. | 191,04 EUR | | | \nJahreswert | 191,04 EUR | | | \n--- \n| 35 \n--- \n| Weiterhin werden die Unterkunftskosten eines dritten (und jedes weiteren)\nKindes mit einem Wohnraumbedarf von 11 m² sowie die auf das dritte Kind\nentfallenden Heizkosten angesetzt. Nach den Vorgaben des BVerfG sind die\ndurchschnittlichen Mieten in den alten Bundeslandern zugrunde zu legen.\nTeilstatistiken wie etwa die Wohngeldstatistik sollen danach nicht maßgeblich\nsein. Abzustellen ist vielmehr auf den Wohngeld- und Mietenbericht, der gemaß\n§ 39 WoGG alle vier Jahre bis zum 30.6. des betreffenden Jahres erstellt wird.\nNach dem Wohngeld- und Mietenbericht 2002 (Unterrichtung durch die\nBundesregierung, BT-Drucks. 15/2200 S. 9, 15, 16) betrug im Jahre 2002 die\ndurchschnittliche Bruttokaltmiete 6,09 EUR (= 11,91 DM). Die Veranderung\ngegenuber dem Jahr 2001 betrug 1,4 v.H., von 2000 nach 2001 1,1 v.H. und von\n1999 nach 2000 1,2 v.H. Fur die Folgejahre 2003 und 2004 kann angesichts\ndessen von einer geschatzten Steigerung von jeweils 1 v.H. zum Vorjahreswert\nausgegangen werden (vgl. auch Statistisches Jahrbuch 2004 des Statistischen\nBundesamts: durchschnittlicher Mietanstieg im Jahre 2003: 1,1 v.H.). Die\nBerechnung im Einzelnen ergibt sich aus der folgenden Tabelle: \n--- \n| 36 \n--- \n| \n--- \n1999 | 11,48 DM | Ruckrechnung von 2000 (1,2 v.H.) \n2000 | 11,62 DM | Ruckrechnung von 2001 (1,1 v.H.) \n2001 | 11,75 DM | Ruckrechnung von 2002 (1,4 v.H.) \n2002 | 6,09 EUR | Ausgangswert (6,09 EUR = 11,91 DM) \n2003 | 6,15 EUR | Steigerung 1 v.H. gegenuber 2002 \n2004 | 6,21 EUR | Steigerung 1 v.H. gegenuber 2003 \n| 37 \n--- \n| Schließlich ist der auf das dritte Kind entfallende Anteil der\nBruttowarmmiete einzustellen. Die kindbezogenen Heizkosten machen 20 v.H. der\nKaltmiete aus (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.11.1998, a.a.O., S. 322). \n--- \n| 38 \n--- \n| Fasst man die genannten Rechenschritte zusammen, so ergibt sich folgende\nBerechnung: \n--- \n| 39 \n--- \n| \n--- \n| | Jahr: | 2000 | 2001 | 2002 | 2003 | 2004 \n| | | (Eingabe DM) | (Eingabe DM) | | | \nEinkommen mit 2 Kindern (Jahresbetrag!) | | | | | | \nGrundgehalt der Endstufe der Bes.gruppe | | | | | | \n(variabel!) | | | 84.668,28 DM | 86.192,28 DM | 45.039,00 EUR | 45.579,48 EUR | 46.659,93 EUR \nEinmalzahlungen | | | 0,00 DM | 0,00 DM | 0,00 EUR | 287,83 EUR | 50,00 EUR \nallgemeine Stellenzulage (variabel!) | | 1.537,80 DM | 1.565,52 DM | 818,04 EUR | 827,88 EUR | 847,57 EUR \nUrlaubsgeld | | | 500,00 DM | 500,00 DM | 255,65 EUR | 255,65 EUR | 0,00 EUR \nJahrl. Sonderzuwendung / Sonderzahlung | | | 7.011,48 DM | 7.012,09 DM | 3.585,19 EUR | 3.585,32 EUR | 2.545,20 EUR \nFamilienzuschlag (variabel!) | | 6.162,48 DM | 6.273,60 DM | 3.278,40 EUR | 3.317,76 EUR | 3.396,42 EUR \nzu versteuerndes Jahreseinkommen | | 99.880,04 DM | 101.543,49 DM | 52.976,28 EUR | 53.853,92 EUR | 53.499,12 EUR \nzu versteuerndes Monatseinkommen | | 8.323,34 DM | 8.461,96 DM | 4.414,69 EUR | 4.487,83 EUR | 4.458,26 EUR \nMonatliches Kindergeld (Jahresdurchschnitt) | 540,00 DM | 540,00 DM | 308,00 EUR | 308,00 EUR | 308,00 EUR \nAbzuge: | | | | | | | \nEinkommensteuer (bes. Tabelle, Klasse?) | | 18.768,00 DM | 17.702,00 DM | 9.376,00 EUR | 9.650,00 EUR | 8.800,00 EUR \nSoli (5,5 % der ESt, aber Betragsgrenzen) | | 1.032,24 DM | 973,61 DM | 515,68 EUR | 530,75 EUR | 484,00 EUR \nKist. (in BW 8 % der LSt, max. 3,5 % Eink.) | 1.501,44 DM | 1.416,16 DM | 750,08 EUR | 772,00 EUR | 704,00 EUR \nNettoergebnis (EUR) ohne Kindergeld | | 40.176,48 EUR | 41.645,60 EUR | 42.334,52 EUR | 42.901,17 EUR | 43.511,12 EUR \nNettobezuge (EUR) einschl. Kindergeld | | 43.489,65 EUR | 44.958,78 EUR | 46.030,52 EUR | 46.597,17 EUR | 47.207,12 EUR \nzur Info: Gesamt-Monatsnettoeinkommen | | 3.624,14 EUR | 3.746,56 EUR | 3.835,88 EUR | 3.883,10 EUR | 3.933,93 EUR \nEinkommen mit der tatsachlichen | | | | | | \nKinderzahl (3 oder mehr) (Jahresbetrag) | | | | | | \nGrundgehalt der Endstufe der Bes.gruppe | | | | | | \n(variabel) | | | 84.668,28 DM | 86.192,28 DM | 45.039,00 EUR | 45.579,48 EUR | 46.659,93 EUR \nEinmalzahlungen | | | 0,00 DM | 0,00 DM | 0,00 EUR | 287,83 EUR | 50,00 EUR \nallgemeine Stellenzulage (variabel!) | | 1.537,80 DM | 1.565,52 DM | 818,04 EUR | 827,88 EUR | 847,57 EUR \nUrlaubsgeld | | | 500,00 DM | 500,00 DM | 255,65 EUR | 255,65 EUR | 0,00 EUR \nJahrl. Sonderzuwendung / Sonderzahlung | | | 7.434,07 DM | 7.434,72 DM | 3.874,46 EUR | 4.017,49 EUR | 2.818,62 EUR \nFamilienzuschlag (variabel!) | | 11.142,00 DM | 11.342,76 DM | 6.589,56 EUR | 8.679,12 EUR | 8.864,86 EUR \nzu versteuerndes Jahreseinkommen | | 105.282,15 DM | 107.035,28 DM | 56.576,71 EUR | 59.647,45 EUR | 59.240,98 EUR \nzu versteuerndes Monatseinkommen | | 8.773,51 DM | 8.919,61 DM | 4.714,73 EUR | 4.970,62 EUR | 4.936,75 EUR \nMonatliches Kindergeld (Jahresdurchschnitt) | 840,00 DM | 840,00 DM | 506,75 EUR | 641,00 EUR | 641,00 EUR \nAbzuge: | | | | | | | \nEinkommensteuer (bes. Tabelle, Klasse?) | | 20.558,00 DM | 19.452,00 DM | 10.534,00 EUR | 11.560,00 EUR | 10.604,00 EUR \nSoli (5,5 % der ESt, aber Betragsgrenzen) | | 1.130,69 DM | 1.069,86 DM | 579,37 EUR | 635,80 EUR | 583,22 EUR \nKist. (in BW 8 % der LSt, max. 3,5 % Eink.) | 1.644,64 DM | 1.556,16 DM | 842,72 EUR | 924,80 EUR | 848,32 EUR \nNettoergebnis (EUR) ohne Kindergeld | | 41.899,77 EUR | 43.437,96 EUR | 44.620,62 EUR | 46.526,85 EUR | 47.205,44 EUR \nNettobezuge (EUR) einschl. Kindergeld | | 47.053,59 EUR | 48.591,78 EUR | 50.701,62 EUR | 54.218,85 EUR | 54.897,44 EUR \nzur Info: Gesamt-Monatsnettoeinkommen | | 3.921,13 EUR | 4.049,31 EUR | 4.225,14 EUR | 4.518,24 EUR | 4.574,79 EUR \nDifferenz der Nettoergebnisse einschl. KiG | 3.563,94 EUR | 3.633,00 EUR | 4.671,11 EUR | 7.621,69 EUR | 7.690,32 EUR \nGesamtbedarf fur das 3. (4. usw.) Kind | | | | | | \ngewichteter Durchschnittsregelsatz | | | 354,32 DM | 358,83 DM | 187,32 EUR | 190,19 EUR | 191,04 EUR \nUnterkunftskosten (11 qm) | | 127,82 DM | 129,25 DM | 66,99 EUR | 67,65 EUR | 68,31 EUR \nErgebnis sozialhilferechtl. Gesamtbedarf (EUR) | | | 295,82 EUR | 299,46 EUR | 305,17 EUR | 309,41 EUR | 311,22 EUR \ndavon 115% | | | 340,19 EUR | 344,38 EUR | 350,95 EUR | 355,82 EUR | 357,90 EUR \nJahreswert fur ein Kind | | 4.082,28 EUR | 4.132,57 EUR | 4.211,37 EUR | 4.269,83 EUR | 4.294,84 EUR \nZahl der uber 2 hinausgehenden Kinder | | 1 | 1 | 1/2 | 2 | 2 \nJahresgesamtwert fur alle weiteren Kinder | | | 4.082,28 EUR | 4.132,57 EUR | 5.264,22 EUR | 8.539,66 EUR | 8.589,67 EUR \nJahrlicher Anspruch bei 3 bzw.4 Kindern | | 518,34 EUR | 499,57 EUR | 593,11 EUR | 917,97 EUR | 899,35 EUR \n(gerechnet auf zwolf Monate) | | fur 2000 | fur 2001 | fur 2002 | fur 2003 | fur 2004 \nAnzahl der Monate (0 bis 12) | | 12 | 12 | 12 | 12 | 12 \nErgebnis je Jahr | | | 518,34 EUR | 499,57 EUR | 593,11 EUR | 917,97 EUR | 899,35 EUR \nGesamtanspruch: | 3428,34EUR | | | | | \n| 40 \n--- \n| 3\\. Soweit der Klager Besoldungsanspruche geltend macht, die uber den\nvorgenannten Gesamtanspruch hinausgehen, war seine Klage abzuweisen, da seine\nBerechnung nicht den Vorgaben der oben genannten hochstrichterlichen\nRechtsprechung entspricht. Im Einzelnen wird auf den vorstehenden\nRechenvorgang verwiesen. Abweichungen bestehen insbesondere im Hinblick auf\ndie vom Klager berechneten Sonderzuwendungen, die fur das Gericht nicht\nnachvollziehbar sind, und die Verwendung der Splittingtabelle, die durch die\nAnwendung der besonderen Steuertabelle fur Beamte zu ersetzen ist. Eine\nÜberleitungszulage war ebenfalls nicht anzusetzen, da bei der Berechnung des\nBruttoeinkommens nur die Teile der Besoldung zu berucksichtigen sind, die den\nBeamten allgemein zustehen. \n--- \n| 41 \n--- \n| 4\\. Der Anspruch auf Prozesszinsen beruht auf der entsprechenden Anwendung\nder §§ 291, 288 BGB. Am 23.12.2003 ging die Klage bei Gericht ein. Der\nAnspruch auf Mehrbesoldung fur das Jahr 2004 ist nach der\nVollstreckungsanordnung des BVerfG nur jahresweise geltend zu machen und damit\nerst ab 1.1. 2005 zu verzinsen. \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, die Entscheidung\nuber die vorlaufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 ZPO,\n§ 167 Abs. 2 VwGO. \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Grunde des § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr.\n4 VwGO fur eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor. Die Fragen der\nGeltung der Vollstreckungsanordnung und der Berechnungsweise der Alimentation\nfur Beamte mit mehr als zwei Kindern sind in der hochstrichterlichen\nRechtsprechung geklart. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 11 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und uberwiegend begrundet. \n--- \n| 12 \n--- \n| I. Dem sich aus § 126 Abs. 3 BRRG i.V.m. §§ 68 ff. VwGO ergebenden\nVorverfahrenserfordernis ist hinsichtlich des gesamten streitgegenstandlichen\nBesoldungszeitraums entsprochen. \n--- \n| 13 \n--- \n| II. Dem Klager steht ein Anspruch auf Mehrbesoldung fur die Jahre 2000 bis\n2004 in Hohe von 3428,34 EUR zu. Das Verwaltungsgericht ist befugt (und\nverpflichtet), die Beklagte unmittelbar zur Zahlung von Bezugen in dem aus dem\nTenor ersichtlichen Umfang zu verurteilen. Denn insoweit lag die Besoldung des\nKlagers unterhalb der verfassungsrechtlich vorgegebenen Mindestgrenze. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| 1\\. Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 24.11.1998 (2 BvL 26/91 u.a.,\nBVerfGE 99, 300 = NJW 1999, 1013) entsprechend seiner bisherigen\nRechtsprechung (vgl. BVerfGE 44, 249 = NJW 1977, 1869; BVerfGE 81, 363 = NVwZ\n1990, 1061) entschieden, dass der Dienstherr aufgrund des\nAlimentationsprinzips, das seine Grundlage in Art. 33 Abs. 5 GG findet,\nverpflichtet ist, die dem Beamten durch seine Familie entstehenden\nUnterhaltspflichten realitatsgerecht zu berucksichtigen. Zwar steht dem\nGesetzgeber im Hinblick auf die genaue Ausformung dieser Pflicht ein weiter\nGestaltungsspielraum zu. Dieser ist jedoch uberschritten, wenn dem Beamten\nzugemutet wird, fur den Unterhalt seines dritten und weiterer Kinder auf die\nfamilienneutralen Bestandteile seines Gehalts zuruckzugreifen, um den Bedarf\nseiner Kinder zu decken. Die damit verbundene, mit wachsender Kinderzahl\nfortschreitende Auszehrung der familienneutralen Gehaltsbestandteile ist nicht\nhinnehmbar, weil so der Beamte mit mehreren Kindern den ihm zukommenden\nLebenszuschnitt nicht oder nur zu Lasten seiner Familie erreichen kann. Ob die\nvom Gesetzgeber erlassenen Besoldungsvorschriften eine ausreichende\nAlimentation i.S.d. Art. 33 Abs. 5 GG fur Beamte mit mehr als zwei Kindern\nsicherstellen, beurteilt sich nach dem sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf\neines Kindes. Hinzukommen muss aber ein Aufschlag von 15%, um den\nverfassungsgebotenen Unterschied zwischen der der Sozialhilfe obliegenden\nBefriedigung des Mindestbedarfs und dem dem Beamten geschuldeten Unterhalt\nhinreichend deutlich zu machen (so schon BVerfGE 81, 363, 382 f.). Sind die\ndem Beamten fur sein drittes und jedes weitere Kind gewahrten Zuschlage\njeweils geringer als 115% des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines\nKindes, so hat der Gesetzgeber den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum bei\nder Bemessung der amtsangemessenen Alimentation uberschritten (BVerfG, Beschl.\nv. 24.11.1998, a.a.O.). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Das BVerfG hat deshalb auf der Grundlage seiner Überlegungen nicht nur einen\nNormsetzungsauftrag an den Gesetzgeber gerichtet, die Besoldungsvorschriften\nnach den aufgestellten Vorgaben zu andern. Sollte der Gesetzgeber diesem\nAuftrag nicht bis zum 31.12.1999 nachgekommen sein, so gilt außerdem ab dem\n1.1.2000, dass Besoldungsempfanger fur das dritte und jedes weitere\nunterhaltsberechtigte Kind Anspruch auf familienbezogene Gehaltsbestandteile\nin Hohe von 115 % des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs\neines Kindes haben, der sich nach Maßgabe der Grunde zu C III 3 des\nBeschlusses vom 24.11.1998 richtet. Mit diesem Ausspruch hat das BVerfG auf\nGrundlage des § 35 BVerfGG die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu einer\n„gesetzesreformatorischen Judikatur" ermachtigt, was sich ausdrucklich aus den\nErlauterungen am Ende dieses Beschlusses ergibt (vgl. BVerwG, Urt. v.\n17.6.2004 - 2 C 34.02 -, DVBl. 2004, 1416 = ZBR 2005, 36). Die Entscheidung\ndes BVerfG, die gemaß § 31 Abs. 2 BVerfGG mit Gesetzeskraft ausgestattet ist,\ntritt damit anstelle eines formlichen Gesetzes und ermachtigt und zwingt\nVerwaltung wie Gerichte, diese Entscheidung umzusetzen (BVerwG, Urt. v.\n17.6.2004, a.a.O.). Da die spezifisch verfassungsrechtlichen Fragen der\nBesoldung von Beamten mit mehr als zwei Kindern geklart sind, bedarf es keiner\nerneuten Vorlage an das BVerfG gemaß Art. 100 Abs. 1 GG. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die genannte Vollstreckungsanordnung des BVerfG ist hinreichend bestimmt und\nzukunftsgerichtet (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.6.2004, a.a.O.). Sie besteht nach\nder Überzeugung der Kammer auch fur den hier streitgegenstandlichen\nBesoldungszeitraum bis zum Jahre 2004 trotz der bis dahin ergangenen\nGesetzesanderungen im Besoldungs-, Steuer- und Kindergeldrecht fort.\nInsbesondere hat sich die Vollstreckungsanordnung durch die Erhohung des\nFamilienzuschlags fur das dritte und jedes weitere Kind bis zum Jahre 2004\nnicht erledigt, vgl. zu den insoweit ergangenen Änderungen: \n--- \n| 17 \n--- \n| \\- Gesetz uber die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezugen in Bund und\nLandern 1999 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1999, BBVAnpG\n99) vom 19.11.1999 (BGBl I S. 2198, 2200 u. 2211), insb. Art. 9 § 2 \n--- \n| 18 \n--- \n| \\- Art. 5 des Gesetzes zur Neuordnung der Versorgungsabschlage vom\n19.12.2000 (BGBl I S. 1786, 1788) \n--- \n| 19 \n--- \n| \\- Gesetz uber die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezugen in Bund und\nLandern 2000 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2000 -\nBBVAnpG 2000) vom 19.04.2001 (BGBl. I S. 618, 652 u. 664) \n--- \n| 20 \n--- \n| \\- Art. 12 § 4 des Sechsten Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher\nVorschriften (Sechstes Besoldungsanderungsgesetz - 6. BesÄndG) vom 14.12.2001\n(BGBl. I S. 3702, 3712) \n--- \n| 21 \n--- \n| \\- Gesetz uber die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezugen in Bund und\nLandern 2003/2004 sowie zur Änderung dienstrechtlicher\nVorschriften(Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004,\nBBVAnpG 2003/2004) vom 10.09.2003 (BGBl. I S. 1798, 1810, 1822 u. 1834). \n--- \n| 22 \n--- \n| Denn die Anordnung steht nicht unter dem Vorbehalt, dass _irgendeine_\nAnpassung der Besoldung vorgenommen wird, sondern dass eine Anpassung\nentsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben durchgefuhrt wird. Die\nVollstreckungsbefugnis der Verwaltungsgerichte entfiele erst dann, wenn der\nGesetzgeber eine Besoldung entsprechend den Maßstaben des BVerfG regelte. Ob\ndas Monopol der Verwerfungskompetenz des BVerfG gemaß Art. 100 Abs. 1 GG\naußerdem auch dann wieder Vorrang gewanne, wenn auf Grund von Maßnahmen des\nGesetzgebers oder wegen sonstiger Ereignisse die Berechnungsmethode des BVerfG\nin Frage gestellt wurde, kann offen bleiben, da fur die Zeit bis zum Jahre\n2004 keine hinreichenden Änderungen erkennbar sind. Die allgemeinen\nLebensverhaltnisse in der Bundesrepublik Deutschland haben sich seit der\nEntscheidung des BVerfG nicht wesentlich geandert. Von einer generellen\n(steuerlichen) Entlastung der Beamtenfamilien in einem Maße, das auf der Basis\nder Rechtsprechung des BVerfG einen Ruckgriff auf die familienneutralen\nBestandteile der Alimentation zur Finanzierung des Kindesunterhalts\nverfassungsgemaß erscheinen ließe, kann ebenfalls nicht ausgegangen werden. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| 2\\. Aufgrund des vorliegenden Zahlenmaterials hat die Kammer somit die\nerforderlichen Berechnungen selbst vorzunehmen. Dabei ist ihr auch in\nEinzelheiten eine Abweichung von Vorgaben des BVerfG verwehrt. Bei der danach\ngebotenen strikten Bindung an die Grunde zu C.III.3. der Entscheidung des\nBVerfG ergibt sich folgender Rechengang, der unter Zuhilfenahme eines\nTabellenkalkulationsprogramms nachvollzogen wurde: \n--- \n| 24 \n--- \n| Zu ermittelnde Vergleichsgroßen bezogen auf ein Kalenderjahr sind die\nNettoeinkommen, die ein Beamter derselben Besoldungsgruppe mit zwei Kindern\nund ein Beamter dieser Besoldungsgruppe mit mehr als zwei Kindern erzielt.\nAuszugehen ist von dem Grundgehalt der Endstufe der Besoldungsgruppe, der das\nAmt des Beamten zugeordnet ist. Dabei bleiben die Absenkung der Besoldung nach\nMaßgabe der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung ebenso wie z.B. eine\nBesoldungskurzung nach § 3 a BBesG und individuelle Besoldungsbestandteile\nunberucksichtigt. Hinzuzurechnen sind dagegen die weiteren allgemein\nvorgesehenen Besoldungsbestandteile wie z.B. Einmalzahlungen, die allgemeine\nStellenzulage nach Nr. 27 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen\nA und B, soweit diese in Betracht kommt, das Urlaubsgeld und die jahrliche\nSonderzuwendung (nunmehr Sonderzahlung). Daruber hinaus sind der\nFamilienzuschlag und das Kindergeld fur eine Beamtenfamilie jeweils mit einem\ndritten, vierten und jedem weiteren Kind einzubeziehen. Von diesem\nBruttoeinkommen - ausgenommen das Kindergeld, das der Einkommensteuer nicht\nunterworfen ist - werden abgezogen die Lohnsteuer nach Maßgabe der besonderen\nLohnsteuertabellen (da Beamte unter die gemaß § 10c Abs. 3 EStG gekurzte\nVorsorgepauschale fallen, wobei ab 2001 die gesetzliche Verpflichtung zur\nAufstellung amtlicher Lohnsteuertabellen in § 38c EStG entfallen ist und das\nBundesministerium der Finanzen nunmehr jahrlich einen Programmablaufplan fur\ndie maschinelle Berechnung der Lohnsteuer erstellt, § 39b Abs. 8 EStG), der\nSolidaritatszuschlag sowie die Kirchensteuer mit einem Steuersatz von 8 v.H.\nDer Vergleich beider entsprechend ermittelter Nettoeinkommen ergibt die fur\ndie verfassungsrechtliche Beurteilung maßgebliche Differenz des\nNettoeinkommens eines Beamten mit zwei und eines Beamten mit mehr als zwei\nKindern. \n--- \n| 25 \n--- \n| Im vorliegenden Fall war dementsprechend fur die Jahre 2000 bis 2004 das\nGrundgehalt der Endstufe der Besoldungsgruppe A 13, und eine allgemeine\nStellenzulage zugrunde zu legen. Einmalzahlungen fanden nur im Jahre 2003 in\nHohe von 287,83 EUR sowie im Jahre 2004 in Hohe von 50,-- EUR statt. Die\nLohnsteuer wurde mit Hilfe der besonderen Lohnsteuertabelle errechnet, wobei\nvon der Steuerklasse III ausgegangen wurde. Kinderfreibetrage wurden nicht\nberucksichtigt, weil entsprechend der Vollstreckungsanordnung des BVerfG\njeweils das Kindergeld in Ansatz gebracht wurde (vgl. zur alternativen\nBerucksichtigung von Kindergeld und Kinderfreibetragen § 31 Satz 1 EStG). Die\njahrliche Sonderzuwendung (nunmehr Sonderzahlung) errechnete sich in den\nJahren 2000 bis 2002 nach dem bundeseinheitlichen Gesetz uber die Gewahrung\neiner jahrlichen Sonderzuwendung (BGBl. I 1975, 1173, 1238, zuletzt geandert\ndurch Art. 3 G. v. 16.02.2002 I 686) mit wechselnden, vom Bundesministerium\ndes Innern festgesetzten Bemessungsfaktoren (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 des\ngenannten Bundesgesetzes; fur 2000: 89,79 v.H., fur 2001: 88,21 v.H, fur 2002:\n0,8631, fur 2003: 0,8429 ) Fur das Jahr 2004 basiert die Sonderzahlung fur\nBundesbeamte auf § 2 des Bundessonderzahlungsgesetzes (BZSG) in der Fassung\ndes Art. 2 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 vom 29. 12. 2003 (BGBl. I S.\n3076). \n--- \n| 26 \n--- \n| Fur das Grundgehalt ergeben sich folgende Werte: \n--- \n| 27 \n--- \n| \n--- \nBerechnung des Grundgehalts fur das Jahr 2000 (in DM): \nMonatsgrundgehalt in der Zeit Januar-Dez. | | | 7.055,69 DM \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 \nErgebnis | | | 84.668,28 DM \n| | | \nBerechnung des Grundgehalts fur das Jahr 2001 (in DM): \nMonatsgrundgehalt in der Zeit Januar-Dez. | | | 7.182,69 DM \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 \nErgebnis | | | 86.192,28 DM \n| | | \nBerechnung des Grundgehalts fur das Jahr 2002 (in EUR): | \nMonatsgrundgehalt in der Zeit Januar-Dez. | | | 3.753,25 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 \nErgebnis | | | 45.039,00 EUR \n| | | \nBerechnung des Grundgehalts fur das Jahr 2003 (in EUR): | \nMonatsgrundgehalt in der Zeit Januar-Juni | | | 3.753,25 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Juni | | | 6 \nMonatsgrundgehalt in der Zeit Juli-Dez. | | | 3.843,33 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Juli-Dez. | | | 6 \nErgebnis | | | 45.579,48 EUR \n| | | \nBerechnung des Grundgehalts fur das Jahr 2004 (in EUR): | \nMonatsgrundgehalt in der Zeit Januar-Marz | | | 3.843,33 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Marz | | | 3 \nMonatsgrundgehalt in der Zeit April-Juli | | | 3.881,76 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit April-Juli | | | 4 \nMonatsgrundgehalt in der Zeit August-Dez. | | | 3.920,58 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit August-Dez. | | | 5 \nErgebnis | | | 46.659,93 EUR \n| 28 \n--- \n| Die Stellenzulage errechnet sich im Falle des Klagers wie folgt: \n--- \n| 29 \n--- \n| \n--- \nBerechnung der allg. Stellenzulage fur das Jahr 2000 (in DM): \nStellenzulage in der Zeit Januar-Dez. | | | 128,15 DM \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 \nErgebnis | | | 1.537,80 DM \n| | | \nBerechnung der allg. Stellenzulage fur das Jahr 2001 (in DM): \nStellenzulage in der Zeit Januar-Dez. | | | 130,46 DM \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 \nErgebnis | | | 1.565,52 DM \n| | | \nBerechnung der allg. Stellenzulage fur das Jahr 2002 (in EUR): \nStellenzulage in der Zeit Januar-Dez. | | | 68,17 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 \nErgebnis | | | 818,04 EUR \n| | | \nBerechnung der allg. Stellenzulage fur das Jahr 2003 (in EUR): \nStellenzulage in der Zeit Januar-Juni | | | 68,17 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Juni | | | 6 \nStellenzulage in der Zeit Juli-Dez. | | | 69,81 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Juli-Dez. | | | 6 \nErgebnis | | | 827,88 EUR \n| | | \nBerechnung der allg. Stellenzulage fur das Jahr 2004 (in EUR): \nStellenzulage in der Zeit Januar-Marz | | | 69,81 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Marz | | | 3 \nStellenzulage in der Zeit April-Juli | | | 70,51 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit April-Juli | | | 4 \nStellenzulage in der Zeit August-Dez. | | | 71,22 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit August-Dez. | | | 5 \nErgebnis | | | 847,57 EUR \n| 30 \n--- \n| Fur den Familienzuschlag ergibt sich im Einzelnen folgende Berechnung: \n--- \n| 31 \n--- \n| \n--- \nFamilienzuschlag 2 Kinder Jahr 2000 (in DM): | | Familienzuschlag bei tatsachl. Kinderzahl Jahr 2000 (in DM): \nFamilienzuschlag in der Zeit Januar-Dez. | | | 513,54 DM | Familienzuschlag in der Zeit Januar-Dez. | | | 928,50 DM \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 | Anzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 \nErgebnis | | | 6.162,48 DM | Ergebnis | | | 11.142,00 DM \n| | | | | | | \nFamilienzuschlag 2 Kinder Jahr 2001 (in DM): | | Familienzuschlag bei tatsachl. Kinderzahl Jahr 2001 (in DM): \nFamilienzuschlag in der Zeit Januar-Dez. | | | 522,80 DM | Familienzuschlag in der Zeit Januar-Dez. | | | 945,23 DM \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 | Anzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 \nErgebnis | | | 6.273,60 DM | Ergebnis | | | 11.342,76 DM \n| | | | | | | \nFamilienzuschlag 2 Kinder Jahr 2002 (in EUR): | | Familienzuschlag bei tatsachl. Kinderzahl Jahr 2002 (in EUR): \nFamilienzuschlag in der Zeit Januar-Dez. | | | 273,20 EUR | Familienzuschlag in der Zeit Januar-Dez. | | | 549,13 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 | Anzahl der Monate in der Zeit Januar-Dez. | | | 12 \nErgebnis | | | 3.278,40 EUR | Ergebnis | | | 6.589,56 EUR \n| | | | | | | \nFamilienzuschlag 2 Kinder Jahr 2003 (in EUR): | | Familienzuschlag bei tatsachl. Kinderzahl Jahr 2003 (in EUR): \nFamilienzuschlag in der Zeit Januar-Juni | | | 273,20 EUR | Familienzuschlag in der Zeit Januar-Juni | | | 714,68 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Juni | | | 6 | Anzahl der Monate in der Zeit Januar-Juni | | | 6 \nFamilienzuschlag in der Zeit Juli-Dez. | | | 279,76 EUR | Familienzuschlag in der Zeit Juli-Dez. | | | 731,84 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Juli-Dez. | | | 6 | Anzahl der Monate in der Zeit Juli-Dez. | | | 6 \nErgebnis | | | 3.317,76 EUR | Ergebnis | | | 8.679,12 EUR \n| | | | | | | \nFamilienzuschlag 2 Kinder Jahr 2004 (in EUR): | | Familienzuschlag bei tatsachl. Kinderzahl Jahr 2004 (in EUR): \nFamilienzuschlag in der Zeit Januar-Marz | | | 279,76 EUR | Familienzuschlag in der Zeit Januar-Marz | | | 731,84 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit Januar-Marz | | | 3 | Anzahl der Monate in der Zeit Januar-Marz | | | 3 \nFamilienzuschlag in der Zeit April-Juli | | | 282,56 EUR | Familienzuschlag in der Zeit April-Juli | | | 734,16 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit April-Juli | | | 4 | Anzahl der Monate in der Zeit April-Juli | | | 4 \nFamilienzuschlag in der Zeit August-Dez. | | | 285,38 EUR | Familienzuschlag in der Zeit August-Dez. | | | 746,54 EUR \nAnzahl der Monate in der Zeit August-Dez. | | | 5 | Anzahl der Monate in der Zeit August-Dez. | | | 5 \nErgebnis | | | 3.396,42 EUR | Ergebnis | | | 8.864,86 EUR \n--- \n| 32 \n--- \n| Der ermittelten Einkommensdifferenz ist der Bedarf des dritten Kindes\ngegenuberzustellen. Diese Bedarfsberechnung geht von 115 v.H. des\ndurchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs (vgl. § 22 BSHG) eines\nKindes aus. Zunachst ist getrennt fur die Vergleichsjahre der bundes- und\njahresdurchschnittliche Regelsatz fur Minderjahrige, die mit beiden\nElternteilen zusammenleben, im Alter ab der Geburt bis zur Vollendung des 18.\nLebensjahres zu berechnen. Dabei bleiben entsprechend der Berechnung der\nDienstbezuge unberucksichtigt die (ebenfalls abgesenkten) Regelsatze in den\nLandern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und\nThuringen. Hinzugerechnet wird ein Zuschlag von 20 v.H. zur Abgeltung\neinmaliger Leistungen, ein weiterer Zuschlag fur die Kosten der Unterkunft\nausgehend von einem Wohnbedarf von 11 m² fur das Kind sowie ein Zuschlag von\n20 v.H. der anteiligen Durchschnittsmiete zur Abgeltung der auf das Kind\nentfallenden Energiekosten. Der danach errechnete Bedarf erhoht sich um 15\nv.H. (vgl. zur Berechnungsweise BVerfG, Beschl. v. 24.11.1998, a.a.O., S.\n322). Da die sozialhilferechtlichen Regelsatze in den einzelnen Bundeslandern\nunterschiedlich festgesetzt, zur Jahresmitte erhoht und Altersklassen gebildet\nworden sind, mussen fur das jeweilige Kalenderjahr gewichtete\nDurchschnittsregelsatze berechnet werden. Danach ist mit einem\nGewichtungsfaktor fur jede der drei Altersgruppen (bis zum vollendeten 7.\nLebensjahr, vom 8. bis zum vollendeten 14. Lebensjahr, vom 15. bis zum\nvollendeten 18. Lebensjahr) entsprechend der Anzahl der erfassten Jahrgange\nein Landesdurchschnitt und anschließend ein Durchschnitt uber alle (alten)\nBundeslander zu bilden. \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Berechnung des Gesamtbedarfs ergibt sich aus der nachfolgenden Tabelle: \n--- \n| 34 \n--- \n| \n--- \nAlte Bundeslander 01.07.1998 bis 30.06.1999 | | | | \n| 0-7 Jahre | 8-14 Jahre | 15-18 Jahre | gewicht. Landesdurchschnitt: \nBaden-Wurttemberg | 271,00 DM | 352,00 DM | 487,00 DM | 350,50 DM \nBayern | 262,00 DM | 340,00 DM | 471,00 DM | 338,78 DM \nBerlin | 270,00 DM | 351,00 DM | 486,00 DM | 349,50 DM \nBremen | 270,00 DM | 351,00 DM | 486,00 DM | 349,50 DM \nHamburg | 270,00 DM | 351,00 DM | 486,00 DM | 349,50 DM \nHessen | 271,00 DM | 352,00 DM | 487,00 DM | 350,50 DM \nNiedersachsen | 270,00 DM | 351,00 DM | 486,00 DM | 349,50 DM \nNordrhein-Westfalen | 270,00 DM | 351,00 DM | 486,00 DM | 349,50 DM \nRheinland-Pfalz | 270,00 DM | 351,00 DM | 486,00 DM | 349,50 DM \nSaarland | 270,00 DM | 351,00 DM | 486,00 DM | 349,50 DM \nSchleswig-Holstein | 270,00 DM | 351,00 DM | 486,00 DM | 349,50 DM \n| | | | gewicht. Bundesdurchschnitt: \nBundesdurchschnitt | 269,45 DM | 350,18 DM | 484,82 DM | 348,71 DM \nGewichtungsfaktor | 7 | 7 | 4 | \nGewichteter Wert je Gruppe | 1.886,18 DM | 2.451,27 DM | 1.939,27 DM | \nSumme der gewicht. Werte | 6.276,73 DM | | | \nErgebnis gewicht. Regelsatz | 348,71 DM | | | \n| | | | \nAlte Bundeslander 01.07.1999 bis 30.06.2000 | | | | \n| 0-7 Jahre | 8-14 Jahre | 15-18 Jahre | gewicht. Landesdurchschnitt: \nBaden-Wurttemberg | 274,00 DM | 356,00 DM | 493,00 DM | 354,56 DM \nBayern | 265,00 DM | 345,00 DM | 477,00 DM | 343,22 DM \nBerlin | 274,00 DM | 356,00 DM | 492,00 DM | 354,33 DM \nBremen | 274,00 DM | 356,00 DM | 492,00 DM | 354,33 DM \nHamburg | 274,00 DM | 356,00 DM | 492,00 DM | 354,33 DM \nHessen | 274,00 DM | 356,00 DM | 493,00 DM | 354,56 DM \nNiedersachsen | 274,00 DM | 356,00 DM | 492,00 DM | 354,33 DM \nNordrhein-Westfalen | 274,00 DM | 356,00 DM | 492,00 DM | 354,33 DM \nRheinland-Pfalz | 274,00 DM | 356,00 DM | 492,00 DM | 354,33 DM \nSaarland | 274,00 DM | 356,00 DM | 492,00 DM | 354,33 DM \nSchleswig-Holstein | 274,00 DM | 356,00 DM | 492,00 DM | 354,33 DM \n| | | | gewicht. Bundesdurchschnitt: \nBundesdurchschnitt | 273,18 DM | 355,00 DM | 490,82 DM | 353,36 DM \nGewichtungsfaktor | 7 | 7 | 4 | \nGewichteter Wert je Gruppe | 1.912,27 DM | 2.485,00 DM | 1.963,27 DM | \nSumme der gewicht. Werte | 6.360,55 DM | | | \nErgebnis gewicht. Regelsatz | 353,36 DM | | | \n| | | | \nGesamtbedarf fur das Jahr 1999 (01.01. bis 31.12.1999): | | | | \nWert 01.01. bis 30.06. | 348,71 DM | | | \nWert 01.07. bis 31.12. | 353,36 DM | | | \nJahreswert | 351,04 DM | | | \n| | | | \nAlte Bundeslander 01.07.2000 bis 30.06.2001 | | | | \n| 0-7 Jahre | 8-14 Jahre | 15-18 Jahre | gewicht. Landesdurchschnitt: \nBaden-Wurttemberg | 276,00 DM | 358,00 DM | 496,00 DM | 356,78 DM \nBayern | 267,00 DM | 346,00 DM | 480,00 DM | 345,06 DM \nBerlin | 275,00 DM | 358,00 DM | 495,00 DM | 356,17 DM \nBremen | 275,00 DM | 358,00 DM | 495,00 DM | 356,17 DM \nHamburg | 275,00 DM | 358,00 DM | 495,00 DM | 356,17 DM \nHessen | 276,00 DM | 358,00 DM | 496,00 DM | 356,78 DM \nNiedersachsen | 275,00 DM | 358,00 DM | 495,00 DM | 356,17 DM \nNordrhein-Westfalen | 275,00 DM | 358,00 DM | 495,00 DM | 356,17 DM \nRheinland-Pfalz | 275,00 DM | 358,00 DM | 495,00 DM | 356,17 DM \nSaarland | 275,00 DM | 358,00 DM | 495,00 DM | 356,17 DM \nSchleswig-Holstein | 275,00 DM | 358,00 DM | 495,00 DM | 356,17 DM \n| | | | gewicht. Bundesdurchschnitt: \nBundesdurchschnitt | 274,45 DM | 356,91 DM | 493,82 DM | 355,27 DM \nGewichtungsfaktor | 7 | 7 | 4 | \nGewichteter Wert je Gruppe | 1.921,18 DM | 2.498,36 DM | 1.975,27 DM | \nSumme der gewicht. Werte | 6.394,82 DM | | | \nErgebnis gewicht. Regelsatz | 355,27 DM | | | \n| | | | \nGesamtbedarf fur das Jahr 2000 (01.01. bis 31.12.2000): | | | | \nWert 01.01. bis 30.06. | 353,36 DM | | | \nWert 01.07. bis 31.12. | 355,27 DM | | | \nJahreswert | 354,32 DM | | | \n| | | | \nAlte Bundeslander 01.07.2001 bis 30.06.2002 | | | | \n| 0-7 Jahre | 8-14 Jahre | 15-18 Jahre | gewicht. Landesdurchschnitt: \nBaden-Wurttemberg | 281,00 DM | 365,00 DM | 506,00 DM | 363,67 DM \nBayern | 272,00 DM | 353,00 DM | 489,00 DM | 351,72 DM \nBerlin | 281,00 DM | 365,00 DM | 505,00 DM | 363,44 DM \nBremen | 281,00 DM | 365,00 DM | 505,00 DM | 363,44 DM \nHamburg | 281,00 DM | 365,00 DM | 505,00 DM | 363,44 DM \nHessen | 281,00 DM | 365,00 DM | 505,00 DM | 363,44 DM \nNiedersachsen | 281,00 DM | 365,00 DM | 505,00 DM | 363,44 DM \nNordrhein-Westfalen | 281,00 DM | 365,00 DM | 505,00 DM | 363,44 DM \nRheinland-Pfalz | 281,00 DM | 365,00 DM | 505,00 DM | 363,44 DM \nSaarland | 281,00 DM | 365,00 DM | 505,00 DM | 363,44 DM \nSchleswig-Holstein | 281,00 DM | 365,00 DM | 505,00 DM | 363,44 DM \n| | | | gewicht. Bundesdurchschnitt: \nBundesdurchschnitt | 280,18 DM | 363,91 DM | 503,64 DM | 362,40 DM \nGewichtungsfaktor | 7 | 7 | 4 | \nGewichteter Wert je Gruppe | 1.961,27 DM | 2.547,36 DM | 2.014,55 DM | \nSumme der gewicht. Werte | 6.523,18 DM | | | \nErgebnis gewicht. Regelsatz | 362,40 DM | | | \n| | | | \nGesamtbedarf fur das Jahr 2001 (01.01. bis 31.12.2001): | | | | \nWert 01.01. bis 30.06. | 355,27 DM | | | \nWert 01.07. bis 31.12. | 362,40 DM | | | \nJahreswert | 358,83 DM | | | \n| | | | \nAlte Bundeslander 01.07.2002 bis 30.06.2003 | | | | \n| 0-7 Jahre | 8-14 Jahre | 15-18 Jahre | gewicht. Landesdurchschnitt: \nBaden-Wurttemberg | 147,00 EUR | 191,00 EUR | 265,00 EUR | 190,33 EUR \nBayern | 142,00 EUR | 185,00 EUR | 256,00 EUR | 184,06 EUR \nBerlin | 147,00 EUR | 190,00 EUR | 264,00 EUR | 189,72 EUR \nBremen | 147,00 EUR | 191,00 EUR | 264,00 EUR | 190,11 EUR \nHamburg | 147,00 EUR | 190,00 EUR | 264,00 EUR | 189,72 EUR \nHessen | 147,00 EUR | 191,00 EUR | 265,00 EUR | 190,33 EUR \nNiedersachsen | 147,00 EUR | 190,00 EUR | 264,00 EUR | 189,72 EUR \nNordrhein-Westfalen | 147,00 EUR | 190,00 EUR | 264,00 EUR | 189,72 EUR \nRheinland-Pfalz | 147,00 EUR | 190,00 EUR | 264,00 EUR | 189,72 EUR \nSaarland | 147,00 EUR | 190,00 EUR | 264,00 EUR | 189,72 EUR \nSchleswig-Holstein | 147,00 EUR | 190,00 EUR | 264,00 EUR | 189,72 EUR \n| | | | gewicht. Bundesdurchschnitt: \nBundesdurchschnitt | 146,55 EUR | 189,82 EUR | 263,45 EUR | 189,35 EUR \nGewichtungsfaktor | 7 | 7 | 4 | \nGewichteter Wert je Gruppe | 1.025,82 EUR | 1.328,73 EUR | 1.053,82 EUR | \nSumme der gewicht. Werte | 3.408,36 EUR | | | \nErgebnis gewicht. Regelsatz | 189,35 EUR | | | \n| | | | \nGesamtbedarf fur das Jahr 2002 (01.01. bis 31.12.2002): | | | | \nWert 01.01. bis 30.06. | 185,29 EUR | | | \nWert 01.07. bis 31.12. | 189,35 EUR | | | \nJahreswert | 187,32 EUR | | | \n| | | | \nAlte Bundeslander 01.07.2003 bis 30.06.2004 | | | | \n| 0-7 Jahre | 8-14 Jahre | 15-18 Jahre | gewicht. Landesdurchschnitt: \nBaden-Wurttemberg | 149,00 EUR | 193,00 EUR | 267,00 EUR | 192,33 EUR \nBayern | 144,00 EUR | 187,00 EUR | 258,00 EUR | 186,06 EUR \nBerlin | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nBremen | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nHamburg | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nHessen | 149,00 EUR | 193,00 EUR | 267,00 EUR | 192,33 EUR \nNiedersachsen | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nNordrhein-Westfalen | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nRheinland-Pfalz | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nSaarland | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nSchleswig-Holstein | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \n| | | | gewicht. Bundesdurchschnitt: \nBundesdurchschnitt | 147,82 EUR | 191,73 EUR | 265,45 EUR | 191,04 EUR \nGewichtungsfaktor | 7 | 7 | 4 | \nGewichteter Wert je Gruppe | 1.034,73 EUR | 1.342,09 EUR | 1.061,82 EUR | \nSumme der gewicht. Werte | 3.438,64 EUR | | | \nErgebnis gewicht. Regelsatz | 191,04 EUR | | | \n| | | | \nGesamtbedarf fur das Jahr 2003 (01.01. bis 31.12.2003): | | | | \nWert 01.01. bis 30.06. | 189,35 EUR | | | \nWert 01.07. bis 31.12. | 191,04 EUR | | | \nJahreswert | 190,19 EUR | | | \n| | | | \nAlte Bundeslander 01.07.2004 bis 30.06.2005 | | | | \n| 0-7 Jahre | 8-14 Jahre | 15-18 Jahre | gewicht. Landesdurchschnitt: \nBaden-Wurttemberg | 149,00 EUR | 193,00 EUR | 267,00 EUR | 192,33 EUR \nBayern | 144,00 EUR | 187,00 EUR | 258,00 EUR | 186,06 EUR \nBerlin | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nBremen | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nHamburg | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nHessen | 149,00 EUR | 193,00 EUR | 267,00 EUR | 192,33 EUR \nNiedersachsen | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nNordrhein-Westfalen | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nRheinland-Pfalz | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nSaarland | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \nSchleswig-Holstein | 148,00 EUR | 192,00 EUR | 266,00 EUR | 191,33 EUR \n| | | | gewicht. Bundesdurchschnitt: \nBundesdurchschnitt | 147,82 EUR | 191,73 EUR | 265,45 EUR | 191,04 EUR \nGewichtungsfaktor | 7 | 7 | 4 | \nGewichteter Wert je Gruppe | 1.034,73 EUR | 1.342,09 EUR | 1.061,82 EUR | \nSumme der gewicht. Werte | 3.438,64 EUR | | | \nErgebnis gewicht. Regelsatz | 191,04 EUR | | | \n| | | | \nGesamtbedarf fur das Jahr 2004 (01.01. bis 31.12.2004): | | | | \nWert 01.01. bis 30.06. | 191,04 EUR | | | \nWert 01.07. bis 31.12. | 191,04 EUR | | | \nJahreswert | 191,04 EUR | | | \n--- \n| 35 \n--- \n| Weiterhin werden die Unterkunftskosten eines dritten (und jedes weiteren)\nKindes mit einem Wohnraumbedarf von 11 m² sowie die auf das dritte Kind\nentfallenden Heizkosten angesetzt. Nach den Vorgaben des BVerfG sind die\ndurchschnittlichen Mieten in den alten Bundeslandern zugrunde zu legen.\nTeilstatistiken wie etwa die Wohngeldstatistik sollen danach nicht maßgeblich\nsein. Abzustellen ist vielmehr auf den Wohngeld- und Mietenbericht, der gemaß\n§ 39 WoGG alle vier Jahre bis zum 30.6. des betreffenden Jahres erstellt wird.\nNach dem Wohngeld- und Mietenbericht 2002 (Unterrichtung durch die\nBundesregierung, BT-Drucks. 15/2200 S. 9, 15, 16) betrug im Jahre 2002 die\ndurchschnittliche Bruttokaltmiete 6,09 EUR (= 11,91 DM). Die Veranderung\ngegenuber dem Jahr 2001 betrug 1,4 v.H., von 2000 nach 2001 1,1 v.H. und von\n1999 nach 2000 1,2 v.H. Fur die Folgejahre 2003 und 2004 kann angesichts\ndessen von einer geschatzten Steigerung von jeweils 1 v.H. zum Vorjahreswert\nausgegangen werden (vgl. auch Statistisches Jahrbuch 2004 des Statistischen\nBundesamts: durchschnittlicher Mietanstieg im Jahre 2003: 1,1 v.H.). Die\nBerechnung im Einzelnen ergibt sich aus der folgenden Tabelle: \n--- \n| 36 \n--- \n| \n--- \n1999 | 11,48 DM | Ruckrechnung von 2000 (1,2 v.H.) \n2000 | 11,62 DM | Ruckrechnung von 2001 (1,1 v.H.) \n2001 | 11,75 DM | Ruckrechnung von 2002 (1,4 v.H.) \n2002 | 6,09 EUR | Ausgangswert (6,09 EUR = 11,91 DM) \n2003 | 6,15 EUR | Steigerung 1 v.H. gegenuber 2002 \n2004 | 6,21 EUR | Steigerung 1 v.H. gegenuber 2003 \n| 37 \n--- \n| Schließlich ist der auf das dritte Kind entfallende Anteil der\nBruttowarmmiete einzustellen. Die kindbezogenen Heizkosten machen 20 v.H. der\nKaltmiete aus (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.11.1998, a.a.O., S. 322). \n--- \n| 38 \n--- \n| Fasst man die genannten Rechenschritte zusammen, so ergibt sich folgende\nBerechnung: \n--- \n| 39 \n--- \n| \n--- \n| | Jahr: | 2000 | 2001 | 2002 | 2003 | 2004 \n| | | (Eingabe DM) | (Eingabe DM) | | | \nEinkommen mit 2 Kindern (Jahresbetrag!) | | | | | | \nGrundgehalt der Endstufe der Bes.gruppe | | | | | | \n(variabel!) | | | 84.668,28 DM | 86.192,28 DM | 45.039,00 EUR | 45.579,48 EUR | 46.659,93 EUR \nEinmalzahlungen | | | 0,00 DM | 0,00 DM | 0,00 EUR | 287,83 EUR | 50,00 EUR \nallgemeine Stellenzulage (variabel!) | | 1.537,80 DM | 1.565,52 DM | 818,04 EUR | 827,88 EUR | 847,57 EUR \nUrlaubsgeld | | | 500,00 DM | 500,00 DM | 255,65 EUR | 255,65 EUR | 0,00 EUR \nJahrl. Sonderzuwendung / Sonderzahlung | | | 7.011,48 DM | 7.012,09 DM | 3.585,19 EUR | 3.585,32 EUR | 2.545,20 EUR \nFamilienzuschlag (variabel!) | | 6.162,48 DM | 6.273,60 DM | 3.278,40 EUR | 3.317,76 EUR | 3.396,42 EUR \nzu versteuerndes Jahreseinkommen | | 99.880,04 DM | 101.543,49 DM | 52.976,28 EUR | 53.853,92 EUR | 53.499,12 EUR \nzu versteuerndes Monatseinkommen | | 8.323,34 DM | 8.461,96 DM | 4.414,69 EUR | 4.487,83 EUR | 4.458,26 EUR \nMonatliches Kindergeld (Jahresdurchschnitt) | 540,00 DM | 540,00 DM | 308,00 EUR | 308,00 EUR | 308,00 EUR \nAbzuge: | | | | | | | \nEinkommensteuer (bes. Tabelle, Klasse?) | | 18.768,00 DM | 17.702,00 DM | 9.376,00 EUR | 9.650,00 EUR | 8.800,00 EUR \nSoli (5,5 % der ESt, aber Betragsgrenzen) | | 1.032,24 DM | 973,61 DM | 515,68 EUR | 530,75 EUR | 484,00 EUR \nKist. (in BW 8 % der LSt, max. 3,5 % Eink.) | 1.501,44 DM | 1.416,16 DM | 750,08 EUR | 772,00 EUR | 704,00 EUR \nNettoergebnis (EUR) ohne Kindergeld | | 40.176,48 EUR | 41.645,60 EUR | 42.334,52 EUR | 42.901,17 EUR | 43.511,12 EUR \nNettobezuge (EUR) einschl. Kindergeld | | 43.489,65 EUR | 44.958,78 EUR | 46.030,52 EUR | 46.597,17 EUR | 47.207,12 EUR \nzur Info: Gesamt-Monatsnettoeinkommen | | 3.624,14 EUR | 3.746,56 EUR | 3.835,88 EUR | 3.883,10 EUR | 3.933,93 EUR \nEinkommen mit der tatsachlichen | | | | | | \nKinderzahl (3 oder mehr) (Jahresbetrag) | | | | | | \nGrundgehalt der Endstufe der Bes.gruppe | | | | | | \n(variabel) | | | 84.668,28 DM | 86.192,28 DM | 45.039,00 EUR | 45.579,48 EUR | 46.659,93 EUR \nEinmalzahlungen | | | 0,00 DM | 0,00 DM | 0,00 EUR | 287,83 EUR | 50,00 EUR \nallgemeine Stellenzulage (variabel!) | | 1.537,80 DM | 1.565,52 DM | 818,04 EUR | 827,88 EUR | 847,57 EUR \nUrlaubsgeld | | | 500,00 DM | 500,00 DM | 255,65 EUR | 255,65 EUR | 0,00 EUR \nJahrl. Sonderzuwendung / Sonderzahlung | | | 7.434,07 DM | 7.434,72 DM | 3.874,46 EUR | 4.017,49 EUR | 2.818,62 EUR \nFamilienzuschlag (variabel!) | | 11.142,00 DM | 11.342,76 DM | 6.589,56 EUR | 8.679,12 EUR | 8.864,86 EUR \nzu versteuerndes Jahreseinkommen | | 105.282,15 DM | 107.035,28 DM | 56.576,71 EUR | 59.647,45 EUR | 59.240,98 EUR \nzu versteuerndes Monatseinkommen | | 8.773,51 DM | 8.919,61 DM | 4.714,73 EUR | 4.970,62 EUR | 4.936,75 EUR \nMonatliches Kindergeld (Jahresdurchschnitt) | 840,00 DM | 840,00 DM | 506,75 EUR | 641,00 EUR | 641,00 EUR \nAbzuge: | | | | | | | \nEinkommensteuer (bes. Tabelle, Klasse?) | | 20.558,00 DM | 19.452,00 DM | 10.534,00 EUR | 11.560,00 EUR | 10.604,00 EUR \nSoli (5,5 % der ESt, aber Betragsgrenzen) | | 1.130,69 DM | 1.069,86 DM | 579,37 EUR | 635,80 EUR | 583,22 EUR \nKist. (in BW 8 % der LSt, max. 3,5 % Eink.) | 1.644,64 DM | 1.556,16 DM | 842,72 EUR | 924,80 EUR | 848,32 EUR \nNettoergebnis (EUR) ohne Kindergeld | | 41.899,77 EUR | 43.437,96 EUR | 44.620,62 EUR | 46.526,85 EUR | 47.205,44 EUR \nNettobezuge (EUR) einschl. Kindergeld | | 47.053,59 EUR | 48.591,78 EUR | 50.701,62 EUR | 54.218,85 EUR | 54.897,44 EUR \nzur Info: Gesamt-Monatsnettoeinkommen | | 3.921,13 EUR | 4.049,31 EUR | 4.225,14 EUR | 4.518,24 EUR | 4.574,79 EUR \nDifferenz der Nettoergebnisse einschl. KiG | 3.563,94 EUR | 3.633,00 EUR | 4.671,11 EUR | 7.621,69 EUR | 7.690,32 EUR \nGesamtbedarf fur das 3. (4. usw.) Kind | | | | | | \ngewichteter Durchschnittsregelsatz | | | 354,32 DM | 358,83 DM | 187,32 EUR | 190,19 EUR | 191,04 EUR \nUnterkunftskosten (11 qm) | | 127,82 DM | 129,25 DM | 66,99 EUR | 67,65 EUR | 68,31 EUR \nErgebnis sozialhilferechtl. Gesamtbedarf (EUR) | | | 295,82 EUR | 299,46 EUR | 305,17 EUR | 309,41 EUR | 311,22 EUR \ndavon 115% | | | 340,19 EUR | 344,38 EUR | 350,95 EUR | 355,82 EUR | 357,90 EUR \nJahreswert fur ein Kind | | 4.082,28 EUR | 4.132,57 EUR | 4.211,37 EUR | 4.269,83 EUR | 4.294,84 EUR \nZahl der uber 2 hinausgehenden Kinder | | 1 | 1 | 1/2 | 2 | 2 \nJahresgesamtwert fur alle weiteren Kinder | | | 4.082,28 EUR | 4.132,57 EUR | 5.264,22 EUR | 8.539,66 EUR | 8.589,67 EUR \nJahrlicher Anspruch bei 3 bzw.4 Kindern | | 518,34 EUR | 499,57 EUR | 593,11 EUR | 917,97 EUR | 899,35 EUR \n(gerechnet auf zwolf Monate) | | fur 2000 | fur 2001 | fur 2002 | fur 2003 | fur 2004 \nAnzahl der Monate (0 bis 12) | | 12 | 12 | 12 | 12 | 12 \nErgebnis je Jahr | | | 518,34 EUR | 499,57 EUR | 593,11 EUR | 917,97 EUR | 899,35 EUR \nGesamtanspruch: | 3428,34EUR | | | | | \n| 40 \n--- \n| 3\\. Soweit der Klager Besoldungsanspruche geltend macht, die uber den\nvorgenannten Gesamtanspruch hinausgehen, war seine Klage abzuweisen, da seine\nBerechnung nicht den Vorgaben der oben genannten hochstrichterlichen\nRechtsprechung entspricht. Im Einzelnen wird auf den vorstehenden\nRechenvorgang verwiesen. Abweichungen bestehen insbesondere im Hinblick auf\ndie vom Klager berechneten Sonderzuwendungen, die fur das Gericht nicht\nnachvollziehbar sind, und die Verwendung der Splittingtabelle, die durch die\nAnwendung der besonderen Steuertabelle fur Beamte zu ersetzen ist. Eine\nÜberleitungszulage war ebenfalls nicht anzusetzen, da bei der Berechnung des\nBruttoeinkommens nur die Teile der Besoldung zu berucksichtigen sind, die den\nBeamten allgemein zustehen. \n--- \n| 41 \n--- \n| 4\\. Der Anspruch auf Prozesszinsen beruht auf der entsprechenden Anwendung\nder §§ 291, 288 BGB. Am 23.12.2003 ging die Klage bei Gericht ein. Der\nAnspruch auf Mehrbesoldung fur das Jahr 2004 ist nach der\nVollstreckungsanordnung des BVerfG nur jahresweise geltend zu machen und damit\nerst ab 1.1. 2005 zu verzinsen. \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, die Entscheidung\nuber die vorlaufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 ZPO,\n§ 167 Abs. 2 VwGO. \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Grunde des § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr.\n4 VwGO fur eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor. Die Fragen der\nGeltung der Vollstreckungsanordnung und der Berechnungsweise der Alimentation\nfur Beamte mit mehr als zwei Kindern sind in der hochstrichterlichen\nRechtsprechung geklart. \n--- \n \n## Sonstige Literatur\n\n| \n---|--- \n| 44 \n--- \n| RECHTSMITTELBELEHRUNG: \n--- \n| 45 \n--- \n| Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg zugelassen wird. Der Antrag auf\nZulassung der Berufung ist beim Verwaltungsgericht Karlsruhe, Postfach 11 14\n51, 76064 Karlsruhe, oder Nordliche Hildapromenade 1, 76133 Karlsruhe,\ninnerhalb eines Monats nach Zustellung des vollstandigen Urteils zu stellen. \n--- \n| 46 \n--- \n| Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei\nMonaten nach Zustellung des vollstandigen Urteils sind die Grunde darzulegen,\naus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begrundung ist, soweit sie nicht\nbereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Verwaltungsgerichtshof\nBaden-Wurttemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim, oder Postfach 103264,\n68032 Mannheim, einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn \n--- \n| 47 \n--- \n| 1\\. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, \n--- \n| 48 \n--- \n| 2\\. die Rechtssache besondere tatsachliche oder rechtliche Schwierigkeiten\naufweist, \n--- \n| 49 \n--- \n| 3\\. die Rechtssache grundsatzliche Bedeutung hat, \n--- \n| 50 \n--- \n| 4\\. das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des\nBundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshofe\ndes Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser\nAbweichung beruht oder \n--- \n| 51 \n--- \n| 5\\. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender\nVerfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung\nberuhen kann. \n--- \n| 52 \n--- \n| Bei der Beantragung der Zulassung der Berufung muss sich jeder Beteiligte\ndurch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im\nSinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befahigung zum Richteramt als\nBevollmachtigten vertreten lassen. \n--- \n| 53 \n--- \n| Juristische Personen des offentlichen Rechts und Behorden konnen sich auch\ndurch Beamte oder Angestellte mit der Befahigung zum Richteramt sowie\nDiplomjuristen im hoheren Dienst, Gebietskorperschaften auch durch Beamte oder\nAngestellte mit Befahigung zum Richteramt der zustandigen Aufsichtsbehorde\noder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als\nMitglied zugehoren, vertreten lassen. \n--- \n| 54 \n--- \n| In Angelegenheiten, die Rechtsverhaltnisse aus einem gegenwartigen oder\nfruheren Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder\nZivildienstverhaltnis betreffen und Streitigkeiten, die sich auf die\nEntstehung eines solchen Verhaltnisses beziehen, in\nPersonalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem\nZusammenhang mit einem gegenwartigen oder fruheren Arbeitsverhaltnis von\nArbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen\neinschließlich Prufungsangelegenheiten, sind vor dem Verwaltungsgerichtshof\nals Prozessbevollmachtigte auch Mitglieder und Angestellte von Gewerkschaften\nzugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt\nsind. \n--- \n| 55 \n--- \n| Lasst der Verwaltungsgerichtshof die Berufung zu, wird das Antragsverfahren\nals Berufungsverfahren fortgesetzt. Die Berufung ist innerhalb eines Monats\nnach Zustellung des Beschlusses uber die Zulassung der Berufung zu begrunden.\nDie Begrundung ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg,\nSchubertstraße 11, 68165 Mannheim, oder Postfach 103264, 68032 Mannheim,\neinzureichen. Die Begrundungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten\nAntrag von dem Vorsitzenden des Senats verlangert werden. Die Begrundung muss\neinen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzufuhrenden Grunde\nder Anfechtung (Berufungsgrunde). \n--- \n| 56 \n--- \n| BESCHLUSS: \n--- \n| 57 \n--- \n| Der Streitwert wird gemaß § 13 Abs. 2 GKG a. F. (vgl. zur Anwendbarkeit\ndieser Vorschrift § 72 Nr. 1 GKG i. d. F. des Gesetzes zur Modernisierung des\nKostenrechts - Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG - BGBl. 2004 I,\n718) auf EUR 3.596,49 festgesetzt. \n--- \n| 58 \n--- \n| Hinsichtlich der Beschwerdemoglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird\nauf § 25 Abs. 3 GKG a. F. verwiesen. \n---\n\n
132,655
lsgbw-2007-01-16-l-10-r-643206-pkh-b
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 10 R 6432/06 PKH-B
2007-01-16
2019-01-07 10:17:25
2019-01-17 11:52:33
Beschluss
## Tenor\n\nDie Beschwerde der Klagerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz\nvom 9.11.2006 wird mit der Maßgabe zuruckgewiesen, dass die Reisekosten des\nProzessbevollmachtigten der Klagern alternativ, soweit fur die Klagerin\ngunstiger, auf die Kosten eines Verkehrsanwaltes begrenzt werden.\n\nAußergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Die in W. wohnhafte Klagerin ist Spataussiedlerin und begehrt in dem beim\nSozialgericht Konstanz anhangigen, derzeit ruhenden Klageverfahren S 4 R\n3175/05 die Gewahrung hoherer Altersrente fur Frauen. Sie wendet sich\ninsbesondere gegen eine Begrenzung von Entgeltpunkten im Zusammenhang mit der\nAnwendung des Fremdrentengesetzes (FRG). \n--- \n| 2 \n--- \n| Fur das Klageverfahren hat ihr das ortlich zustandige Sozialgericht\nKonstanz mit Beschluss vom 9.11.2006 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung\nbewilligt und Rechtsanwalt K., F. , „zu den Bedingungen eines im\nGerichtsbezirk ansassigen Rechtsanwalts" beigeordnet. Gegen diese\nEinschrankung wendet sich die Klagerin mit ihrer am 4.12.2006 eingelegten\nBeschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. \n--- \nII. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Beschwerde der Klagerin ist - da fristgerecht erhoben und ihrem Antrag\nnicht in vollem Umfang stattgegeben worden ist - zulassig, jedoch nur\nteilweise begrundet. \n--- \n| 4 \n--- \n| Auch im sozialgerichtlichen Verfahren kann im Rahmen der Prozesskostenhilfe\nein nicht beim Prozessgericht niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet\nwerden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen (nachfolgend 1.).\nAllerdings ist regelmaßig ein Verkehrsanwalt erforderlich, sodass die\nBegrenzung von Reisekosten des nicht ortsansassigen Rechtsanwaltes durch eine\nBeschrankung der Beiordnung „zu den Bedingungen eines am Prozessgericht\nansassigen Rechtsanwaltes" regelmaßig nicht zulassig, sondern auf die Hohe der\nKosten eines Verkehrsanwaltes vorzunehmen ist (nachfolgend 2; Anschluss an\nBundesarbeitsgericht - BAG -, Beschluss vom 18.7.2005, 3 AZB 65/03, u.a. in\nJuris). Der weiter gehenden Auffassung des Bundesgerichtshofes (BGH, Beschluss\nvom 23.6.2004, XII ZB 61/04, u.a. in Juris), der in Fallen der Notwendigkeit\neines Verkehrsanwaltes keine Beschrankung vornimmt und Rechtsanwalte am\nWohnort der Partei ohne Beschrankung beiordnet, vermag der Senat nicht zu\nfolgen, weil die vom BGH angenommenen verfassungsrechtlichen Grunde fur eine\nausdehnende Auslegung der maßgeblichen Vorschriften nicht vorliegen\n(nachfolgend 3.). Die Voraussetzungen fur anzuerkennende Ausnahmen von der\nBegrenzung (hierzu 4.) erfullt die Klagerin nicht. Die vom Sozialgericht\nvorgenommene Beschrankung erweist sich zwar als unzulassig, verletzt die\nKlagerin aber nicht zweifelsfrei in ihren Rechten (nachfolgend 5.). \n--- \n| 5 \n--- \n| 1\\. Rechtsgrundlage der vom Sozialgericht angeordneten, im seinem Beschluss\njedoch nicht begrundeten und von der Klagerin angegriffenen Beschrankung ist §\n121 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO), wonach ein nicht bei dem\nProzessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn\ndadurch weitere Kosten nicht entstehen. Diese Vorschrift ist im\nsozialgerichtlichen Verfahren uber § 73a Abs. 1 Satz 1 des\nSozialgerichtsgesetzes (SGG) - danach gelten die Vorschriften der ZPO uber die\nProzesskostenhilfe entsprechend - anwendbar (so schon Beschluss des Senats vom\n18.3.1999, L 10 RA 5/99 PKH-B). Zwar - und hierauf weist die Gegenauffassung\n(LSG Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 23.4.2002, L 13 RA 763/02 PKH-B;\nThuringer LSG, Beschluss vom 12.2.2003, L 6 B 19/02 SF) zutreffend hin -\nbedeutet der Begriff „Zulassung" in dieser Regelung die berufsrechtliche\nZulassung nach den Bestimmungen der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), die\nnach § 18 BRAO bei einem Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu erfolgen\nhat (Bundesgerichtshof - BGH -, Beschluss vom 16.10.2002, VIII ZB 30/02, u.a.\nin Juris) und ist eine Zulassung bei einem Sozialgericht nicht vorgesehen. Die\nVorschrift kann im sozialgerichtlichen Verfahren daher nur sinngemaß\ndahingehend angewandt werden, dass statt auf die Zulassung des Rechtsanwalts\nbei einem bestimmten Gericht auf seine Ansassigkeit am Ort des Prozessgerichts\nabzustellen ist (BAG, a.a.O. zum inhaltsgleichen § 11a des\nArbeitsgerichtsgesetzes). Damit werden Sinn und Zweck der Regelung\n(Kostenbegrenzung) ohne Abstriche auch in das sozialgerichtliche Verfahren\nubertragen, wie § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG dies fordert. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Beiordnung eines nicht am Ort des Prozessgerichts ansassigen\nRechtsanwaltes kann somit grundsatzlich nur dann erfolgen, wenn zusatzliche\nKosten, insbesondere in Form von Fahrtkosten sowie Tage- und\nAbwesenheitsgelder (vgl. Vergutungsverzeichnis - VV - zum\nRechtsanwaltsvergutungsgesetz - RVG - Teil 7, Nr. 7003 ff.), nicht entstehen.\nDies ist Rechtmaßigkeitsvoraussetzung fur die Beiordnung (BAG, a.a.O., Juris\nRdnr. 10). Das Prozessgericht kann daher die Erfullung dieser Voraussetzung\nfur eine Beiordnung von Amts wegen in den Beiordnungsbeschluss aufnehmen (BAG,\na.a.O., Juris Rdnr. 9). \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Senat kann offen lassen, ob die Klagerin als Beschwerdefuhrerin ein\nfehlendes (nach uberwiegender Meinung erforderliches, im Beiordnungsantrag\naber enthaltenes, vgl. BGH, Beschluss vom 10.10.2006, XI ZB 1/06, u.a. in\nJuris, auch zum Meinungsstand) Einverstandnis ihres Prozessbevollmachtigten\nmit der Beschrankung der Beiordnung rugen konnte. Tatsachlich erhebt sie eine\nsolche Ruge nicht. Bei fehlendem Einverstandnis wurde sich die Beiordnung auch\ninsgesamt als rechtswidrig darstellen (BAG, a.a.O., Rdnr. 14), weil sie - wie\ndargelegt - ohne eine Beschrankung nicht erfolgen darf. Die Beiordnung als\nsolche aber greift die Klagerin ebenfalls nicht an, sie wendet sich nur -\nisoliert - gegen die vorgenommene Beschrankung (ebenso BAG, a.a.O). Lediglich\nam Rande ist darauf hinzuweisen, dass es dem Prozessbevollmachtigten der\nKlagerin unbenommen bleibt, im Falle fehlenden Einverstandnisses die Aufhebung\nseiner Beiordnung beim Sozialgericht zu beantragen (Hanseatisches OLG,\nBeschluss vom 15.2.2000, 12 WF 25/00, in Juris, Rdnr. 7). \n--- \n| 8 \n--- \n| 2\\. Nach - dem ebenfalls uber § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG anwendbaren - § 121\nAbs. 4 ZPO kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter\nRechtsanwalt ihrer Wahl unter anderem zur Vermittlung des Verkehrs mit dem\nProzessbevollmachtigten beigeordnet werden, wenn besondere Umstande dies\nerfordern. Soweit aber durch die Beiordnung eines auswartigen\nProzessbevollmachtigten die Kosten eines solchen Verkehrsanwalts erspart\nwerden, sind die durch die Beiordnung eines auswartigen Rechtsanwalts\nentstehenden Reisekosten erstattungsfahig (BAG, a.a.O., Rdnr. 17; ebenso BGH,\nBeschluss vom 23.6.2004, a.a.O.). Dementsprechend darf das Sozialgericht dem\nnicht ortsansassigen Rechtsanwalt nicht stets durch eine beschrankte\nBeiordnung die Moglichkeit der Erstattung von Reisekosten nehmen. Vielmehr ist\nimmer auch zu prufen, ob die Voraussetzungen des § 121 Abs. 4 ZPO vorliegen\n(BGH, a.a.O., Rdnr. 9). Nur wenn dies nicht der Fall ist, ein Verkehrsanwalt\nalso nicht notwendig ware, darf der auswartige Prozessbevollmachtigte mit der\nBeschrankung „zu den Bedingungen eines ortsansassigen Rechtsanwaltes"\nbeigeordnet werden (BGH, a.a.O.). Liegen dagegen die Voraussetzungen des § 121\nAbs. 4 ZPO vor, darf eine solche Beschrankung nicht erfolgen. Auch wenn die\nEntscheidung des BGH noch unter der Geltung der\nBundesrechtsanwaltsgebuhrenordnung (BRAGO) ergangen ist und u.a. auf eine\nRegelung in § 126 Abs. 1 Satz 2 BRAGO abstellt, die bei der Einfuhrung des\nRechtsanwaltsvergutungsgesetzes (RVG) entfallen ist (vgl. § 46 Abs. 1 RVG),\nbehalten diese Aussagen weiterhin Gultigkeit. Denn mit dem Wegfall des § 126\nAbs. 1 Satz 2 BRAGO hat der Gesetzgeber keine Änderung beabsichtigt. Er ist\nvielmehr - zu Recht - davon ausgegangen, dass diese Vorschrift wegen § 121\nAbs. 3 ZPO entbehrlich war (BT-Drs. 15/1971 Seite 200). \n--- \n| 9 \n--- \n| Bei der Prufung, ob die Beiordnung eines Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. 4\nZPO wegen besonderer Umstande erforderlich ist, ist auf die rechtlichen und\ntatsachlichen Schwierigkeiten des Rechtsstreits und die subjektiven\nFahigkeiten des Klagers abzustellen (siehe BGH, a.a.O., Juris Rdnr. 10). Dabei\nkann auf die Grundsatze der Erstattung von Kosten fur Verkehrsanwalte zwischen\nden Beteiligten abgestellt werden, weil auch bei der Kostenerstattung zwischen\nden Beteiligten im Falle eines Verkehrsanwaltes die Frage der Notwendigkeit\nder Kosten im Vordergrund steht. So sind nach § 193 Abs. 2 SGG\n(erstattungsfahige) Kosten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder\nRechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Nach Abs. 3 der\nRegelung ist die gesetzliche Vergutung eines Rechtsanwalts oder\nRechtsbeistands stets erstattungsfahig. Damit erhalt auch der Rechtsanwalt\ngrundsatzlich seine Reisekosten vom erstattungspflichtigen Beteiligten\nersetzt. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO - danach sind Reisekosten eines nicht am\nProzessgericht ansassigen Rechtsanwaltes nur zu erstatten, soweit die\nZuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung\nnotwendig war - ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar (vgl.\nMeyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., § 193 Rdnr. 9a), weil § 193 SGG insoweit eine\nabschließende Regelung enthalt. Gleichwohl konnen die hierzu ergangene\nRechtsprechung und die dieser Rechtsprechung zu Grunde liegenden Wertungen\nubertragen werden. Denn wenn nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit seiner gegenuber\n§ 193 SGG - dem Wortlaut nach - starkeren Beschrankung der Reisekosten eines\nauswartigen Rechtsanwalts eine Erstattungspflicht fur einen Verkehrsanwalt\nbesteht, muss dies erst recht fur die weiter reichende Regelung des § 193 SGG\ngelten. Ohnehin gilt auch im Rahmen des § 193 SGG eine Pflicht zur\nKostenminderung und ist deshalb die Erstattung von Reisekosten nicht\nortsansassiger Rechtsanwalte beschrankt (Knittel in Hennig, SGG, § 193 Rdnr.\n41, 83; Meyer-Ladewig, a.a.O.; Zeihe, SGG, § 193 Rdnr. 14a; Strassfeld in\nJansen, SGG, 2. Auflage, § 193 Rdnr. 35; Krasney/Udsching, Handbuch des\nsozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Auflage, Kapitel XII Rdnr. 86). \n--- \n| 10 \n--- \n| Fur § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO aber hat der BGH entschieden, dass im Falle der\nBevollmachtigung eines Rechtsanwaltes am Sitz des Prozessgerichts auch die\nZuziehung eines am Wohnort der auswartigen Partei ansassigen Verkehrsanwaltes\nregelmaßig notwendig ist (vgl. BGH, a.a.O., Rdnr. 10 m.w.N.). Dies muss im\nsozialgerichtlichen Verfahren im Rahmen des § 193 SGG umso mehr gelten. Auch\nhier ist es daher - ebenso wie im arbeitsgerichtlichen Verfahren - den\nublicherweise Prozesskostenhilfe begehrenden Klagern grundsatzlich nicht\nzumutbar ist, einen auswartigen Anwalt schriftlich oder telefonisch zu\nbeauftragen und zu unterrichten (BAG, a.a.O., Rdnr. 17). Dementsprechend\nkonnen im Rahmen der Prozesskostenhilfe Reisekosten des am Wohnort des Klagers\nansassigen Rechtsanwaltes regelmaßig bis zur Hohe der Kosten eines\nVerkehrsanwaltes ubernommen werden. Denn insoweit wurden Reisekosten des\nbeigeordneten Rechtsanwaltes erspart. Der Senat schließt sich daher dem BAG\n(a.a.O., Rdnr. 16) an, das - ohne allerdings die gegenteilige Rechtsprechung\ndes BGH zu erwahnen - die Beiordnung eines am Wohnort des Klagers\nniedergelassenen Rechtsanwaltes hinsichtlich der Reisekosten auf den Betrag\nbegrenzt, „der bei zusatzlicher Beiordnung eines Verkehrsanwalts angefallen\nware" (BAG, a.a.O., Tenor). \n--- \n| 11 \n--- \n| Im vorliegenden Fall ist der Prozessbevollmachtigte der Klagerin aber weder\nam Ort des Prozessgerichts noch am Wohnort der Klagerin, sondern an einem\ndritten Ort, namlich bei einem anderen Sozialgericht ansassig. Gleichwohl ist\nder Klagerin die Regelung des § 121 Abs. 4 ZPO zugute zu halten. Insoweit\nsieht der Senat keinen Grund, sie anders zu behandeln, als wenn sie einen\nRechtsanwalt beauftragt hatte, der seinen Sitz am Sozialgericht Konstanz oder\nan ihrem Wohnort hat. In diesen Fallen aber wurden zusatzliche Kosten bis zur\nHohe der Kosten eines Verkehrsanwaltes von der Staatskasse erstattet. \n--- \n| 12 \n--- \n| 3\\. Eine erweiternde Auslegung des § 121 Abs. 4 ZPO auf den Rechtsanwalt am\nWohnort der Partei - und damit eine entsprechende weitere Begunstigung der\nKlagerin - ist nicht moglich. Der BGH hat im Rahmen des § 91 ZPO allerdings\nauch die Reisekosten eines am Wohnort - oder in dessen Nahe (Beschluss vom\n9.10.2003, VII ZB 45/02, u.a. in Juris) - der auswartigen Partei ansassigen\nRechtsanwaltes als grundsatzlich notwendig angesehen (Beschluss vom\n16.10.2002, VIII ZB 30/02, u.a. in Juris), ebenso die in einem solchen Fall\nentstehenden Kosten fur einen Terminsvertreter, soweit sie die Reisekosten des\nHauptbevollmachtigten nicht wesentlich (um nicht mehr als ein Zehntel)\nuberschreiten (BGH, a.a.O., Rdnr. 22) und diese Varianten fur § 121 ZPO aus\nGrunden der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung Unbemittelter und\nBemittelter dem Verkehrsanwalt gleichgestellt (s. BGH, Beschluss vom\n23.6.2004, a.a.O., Rdnr. 10 und 13), mit der Folge, dass keine Beschrankung\nvorzunehmen sei. Dem folgt der Senat nicht. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Gewahrung von Prozesskostenhilfe dient zwar der Gewahrung effektiven\nRechtsschutzes und damit auch der Durchsetzung des Rechtsstaatsprinzips (vgl.\nBVerfG, Beschluss vom 18.12.2001, 1 BvR 391/01, u.a. in Juris), was uber den\nallgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz eine weitgehende\nAngleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der\nVerwirklichung des Rechtsschutzes verlangt (BVerfG, Beschluss vom 4.2.2004, 1\nBvR 596/03, u.a. in Juris). Dieses Gebot der Angleichung bezieht sich jedoch\nin erster Linie auf den Zugang zu den Gerichten als solchen, um dort auch dem\nUnbemittelten die Durchsetzung seines Rechtsstandpunktes zu ermoglichen.\nDementsprechend durfen schwierige Rechtsfragen nicht bereits im Rahmen der\nPrufung der Erfolgsaussicht (§ 114 Satz 1 ZPO) entschieden werden, vielmehr\nist es dem Antragsteller - wie einem Bemittelten - zu ermoglichen seinen\nStandpunkt im Hauptsacheverfahren darzulegen (BVerfG, a.a.O.). \n--- \n| 14 \n--- \n| Andererseits setzt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe Bedurftigkeit\nvoraus und stellt damit - strukturell - eine Art von Sozialhilfegewahrung dar\n(s. BGH, Urteil vom 26.10.1989, III ZR 147/88, u.a. in Juris, Rdnr. 24), die\ndurch das Sozialstaatsprinzip gefordert ist (BVerfG, Beschluss vom 11.11.2004,\n2 BvR 387/00, u.a. in Juris). Damit aber ist eine - was die Kosten des\nRechtsanwaltes im Einzelnen anbelangt - Gleichstellung von Bemittelten und\nUnbemittelten mit der Folge einer Ausweitung des § 121 Abs. 3 und 4 ZPO nicht\nzwingend. Denn im Bereich der Sozialhilfe ist gerade keine Gleichstellung mit\nBemittelten geboten, sondern die Sicherung des Existenzminimums. Übertragen\nauf die Prozesskostenhilfe bedeutet dies, dass der unbemittelte Rechtssuchende\nwirtschaftlich in die Lage versetzt werden muss, sein Recht vor Gericht zu\nsuchen. Erforderlich ist also die Sicherstellung einer am Notwendigen\norientierten Vertretung durch einen Rechtsanwalt. Wenn der Gesetzgeber in\ndiesem Rahmen durch die Vorgaben in § 121 Abs. 3 ZPO, abgemildert durch die\nMoglichkeit, einen Verkehrsanwalt zusatzlich beizuordnen (§ 121 Abs. 4 ZPO),\ndas Ziel verfolgt, Aufwendungen fur Reisekosten zu begrenzen, ist dies\nverfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dann aber sieht der Senat auch\nkeinen Grund, § 121 Abs. 4 ZPO aus verfassungsrechtlichen Grunden erweiternd\nauszulegen und die Reisekosten eines am Wohnort des Klagers ansassigen\nRechtsanwaltes unbeschrankt und sogar die gegenuber einem Verkehrsanwalt u.U.\nhoheren Kosten eines Terminsvertreters (vgl. VV zum RVG, Teil 3 Nr. 3400 fur\nVerkehrsanwalte mit einer Begrenzung auf hochstens 260 EUR im\nsozialgerichtlichen Verfahren einerseits und Nrn. 3401, 3402 fur\nTerminsvertreter, ohne eine solche Begrenzung) uber die Vorgaben des § 121\nAbs. 4 ZPO hinaus auf die Staatskasse zu ubernehmen. \n--- \n| 15 \n--- \n| 4\\. Im Rahmen des § 91 ZPO ist auch anerkannt, dass die Kosten eines weder\nam Sitz des Gerichts noch in der Nahe des Wohnorts der Partei ansassigen\nRechtsanwaltes zu erstatten sind, wenn sich dieser Rechtsanwalt auf das\neinschlagige Sachgebiet spezialisiert hat und ein vergleichbarer\nortsansassiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann (BGH, Beschluss vom\n12.12.2002, I ZB 29/02, u.a. in Juris, Rdnr. 17). Dies gilt auch im\nsozialgerichtlichen Verfahren fur die Erstattungspflicht nach § 193 SGG\n(Knittel, a.a.O., Rdnr. 83). Teilweise wird hier sogar ein Spezialist oder der\nAnwalt des Vertrauens als grundsatzlich notwendig angesehen ist (so Meyer-\nLadewig, a.a.O., Rdnr. 9a m.w.N.; a.A. Knittel, a.a.O. und verneinend fur § 91\nZPO wohl auch BGH, a.a.O.). Diese Überlegungen spielen aber im vorliegenden\nFall keine Rolle. Denn weil § 121 Abs. 4 ZPO nur auf die Notwendigkeit eines\nVerkehrsanwaltes abstellt, kann auch § 193 SGG allein zu dieser Frage\nherangezogen werden. Der Auffassung, es konne ein auswartiger Rechtsanwalt\nohne Beschrankung beigeordnet werden, wenn dessen Spezialkenntnisse dessen\nBeauftragung nahe legen (Thuringer OLG, Beschluss vom 28.6.2006, 2 W 509/05 in\nJuris, Rdnr. 11), vermag sich der Senat deshalb nicht anzuschließen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Allerdings geht die Regelung des § 121 Abs. 3 ZPO davon aus, dass ein\nRechtsanwalt am Ort des Prozessgerichts zur Verfugung steht, der eine\nsachgerechte Prozessfuhrung betreiben kann, wofur eine entsprechende Kenntnis\nder fur die Prozessfuhrung erforderlichen rechtlichen Materie Voraussetzung\nist. Findet der Antragsteller nachgewiesenermaßen keinen zur Vertretung\nbereiten Rechtsanwalt mit solchen Kenntnissen am Sitz des Gerichts, kann er\nauch nicht auf einen solchen Rechtsanwalt am Sitz des Gerichts verwiesen\nwerden. Denn Unmogliches kann auch im Rahmen der der Durchsetzung des\nRechtsstaatsprinzip dienenden Prozesskostenhilfe nicht verlangt werden. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Klagerin tragt in diesem Zusammenhang - teilweise sinngemaß \\- vor, ihr\nProzessbevollmachtigter habe die fur das Verfahren erforderlichen besonderen\nKenntnisse, ohne die ein (anderer) Rechtsanwalt sich nur unzureichend in die\nAkte einarbeiten konne. Die Klagerin behauptet damit lediglich, dass ihr\nProzessbevollmachtigter die erforderlichen Kenntnisse habe, sie behauptet\njedoch nicht, keinen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt mit den notwendigen\nKenntnissen am Sitz des Sozialgerichts Konstanz gefunden zu haben. Dies ware\nfur den Senat auch nicht nachvollziehbar. Denn nach Einschatzung des Senats\nsind im vorliegenden Rechtsstreit - gemessen am Kenntnisstand eines\nFachanwaltes fur Sozialrecht oder eines ofter sozialrechtliche Falle\nbearbeitenden Rechtsanwaltes - keine besonderen Rechtskenntnisse erforderlich,\ndie nicht auch kurzfristig aktualisiert oder erworben werden konnten, was zu\nden Grundfahigkeiten eines Rechtsanwaltes gehort. Solche Rechtsanwalte sind\nauch am Sitz des Sozialgerichts Konstanz zu finden. \n--- \n| 18 \n--- \n| Soweit die Klagerin geltend macht, ihr Prozessbevollmachtigter habe sie\nbereits in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten im Zusammenhang mit dem\nVertriebenen- und Spataussiedlerrecht vertreten, andert dies nichts an dieser\nBeurteilung (zu § 91 ZPO ebenfalls verneinend BGH, a.a.O., Rdnr. 18 fur den\nvorprozessual tatig gewordenen Rechtsanwalt). Denn der Umstand, dass der\nProzessbevollmachtigte bereits fur die Klagerin tatig war und eine thematische\nNahe der fruheren Tatigkeit mit dem jetzigen Rechtsstreits besteht, andert\nnichts an der in § 121 Abs. 3 ZPO geregelten Vorgabe. Es bleibt der Klagerin\nunbenommen, den aus ihrer Sicht geeignetsten Rechtsanwalt ihres Vertrauens zu\nbevollmachtigen, eine Kostenerstattung im Rahmen der Prozesskostenhilfe ist\naber nur nach den hier geltenden Regeln moglich. \n--- \n| 19 \n--- \n| 5\\. Im Ergebnis hat im vorliegenden Fall die Beiordnung des\nProzessbevollmachtigten der Klagerin unter einer Beschrankung zu erfolgen.\nDabei ist die vom Sozialgericht vorgenommene Beschrankung „zu den Bedingungen\neines im Gerichtsbezirk ansassigen Rechtsanwalts" nicht zulassig. Zum einen\nlasst sich eine Beschrankung dieses Inhalts nach dem Vorstehenden nicht\nbegrunden, weil sie keinen Bezug zur Frage des Verkehrsanwaltes aufweist. Zum\nanderen ist eine solche Beschrankung praktisch kaum umsetzbar. So ist schon\nunklar, wie der Bezug auf den Gerichtsbezirk zu verstehen ist, insbesondere\nauf welchen konkreten Ort fur die vergleichende Berechnung der Reisekosten\nabzustellen ist. \n--- \n| 20 \n--- \n| Gegenuber der somit eigentlich rechtlich gebotenen und zulassigen\nBeschrankung auf die Kosten eines Verkehrsanwaltes erweist sich die vom\nSozialgericht vorgenommene Beschrankung der Beiordnung auf einen im Bezirk des\nSozialgerichts Kostanz ansassigen Rechtsanwalt der Klagerin angesichts der\nGroße des Bezirkes moglicherweise gunstiger, je nachdem, wie viele\nGerichtstermine stattfinden werden und von welchem Ort bei der\nVergleichsberechnung ausgegangen wird. Insoweit wird die Klagerin nicht in\nihren Rechten verletzt. Sollte die Vergleichsberechnung am Ende des\nKlageverfahrens dagegen ergeben, dass die Kosten eines Verkehrsanwaltes hoher\ngewesen waren, wurde die Klagerin in ihren Rechten verletzt. Fur diesen Fall\nist auf die Beschwerde der Klagerin der Tenor des Beschlusses zu andern. \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 2 SGG i.V.m.§ 127 Abs.\n4 ZPO. \n---\n\n
132,772
lg-freiburg-2008-01-23-7-ns-630-js-2330606
131
Landgericht Freiburg
lg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
7 Ns 630 Js 23306/06 - AK 165/07
2008-01-23
2019-01-07 10:18:47
2019-01-17 11:52:41
Urteil
## Tenor\n\nAuf die Berufung der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts B.\nvom 06.09.2007 aufgehoben.\n\nDer Angeklagte N. wird wegen Beihilfe zur Einschleusung von Auslandern zu\neiner\n\n**Geldstrafe von 50 Tagess atzen zu je 25,-- Euro**\n\nverurteilt. Ihm wird gestattet, diese Strafe in Monatsraten zu je 200,-- Euro\nzu bezahlen. Diese Vergunstigung entfallt, wenn er mit mehr als einer Rate in\nVerzug gerat.\n\nDer Angeklagte tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Durch Urteil des Amtsgerichts B. vom 06.09.2007 wurde der Angeklagte vom\nVorwurf des Einschleusens von Auslandern freigesprochen. Gegen dieses Urteil\nlegte die Staatsanwaltschaft form- und fristgerecht Berufung ein. Ihr\nRechtsmittel fuhrte zur Verurteilung des Angeklagten zu einer Geldstrafe. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 2 \n--- \n| Zu den personlichen Verhaltnissen des Angeklagten hat die Strafkammer\nfolgende Feststellungen getroffen: \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Angeklagte N. wurde 1964 in Saigon/Vietnam geboren. Im Juli 1989 kam er\nnach Deutschland und war zunachst als Koch tatig, bis er im Juli 2003 ein\nSchnellrestaurant in B. eroffnete. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 4 \n--- \n| In der Berufungshauptverhandlung wurde folgender Sachverhalt festgestellt: \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der vietnamesische Staatsangehorige T, geboren 1974 in Vietnam, hielt sich\nseit unbekannter Zeit in Nordrhein-Westfalen auf und erhielt durch die Stadt\nM. eine bis zum 18.04.2002 befristete Duldung. Nach Ablauf dieser Frist\ntauchte T. unter und kam im Juni 2005 nach B, wo er Unterschlupf bei dem\nAngeklagten fand. Der Angeklagte wusste, dass sein vietnamesischer Landsmann\nT. sich unerlaubt im Bundesgebiet aufhielt, weder uber eine\nAufenthaltserlaubnis noch Arbeitserlaubnis verfugte, und er gewahrte ihm im\nZeitraum Juni 2005 bis 22.06.2006 mit großeren Unterbrechungen immer wieder\nUnterkunft im Obergeschoss seines Anwesens. Dort wohnte T. gemeinsam mit\nseiner vietnamesischen Freundin H. jeweils uber mehrere Wochen und Monate in\neinem uber der Gaststatte gelegenen Zimmer. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Wahrend H. durchgehend als Kuchenhilfe beschaftigt und auch\nsozialversicherungsrechtlich angemeldet war, arbeitete T. in den Zeiten seiner\nAnwesenheit ebenfalls als Kuchenhelfer. Der Angeklagte meldete ihn jedoch\nnicht an und zahlte auch keine Sozialversicherungsbeitrage fur ihn, sondern\nentlohnte ihn mit nur einem geringen Lohn, dessen Hohe nicht festgestellt\nwerden konnte. Als weitere Gegenleistung fur seine Arbeit in der Kuche der\nGaststatte durfte T. in dem daruber gelegenen Zimmer gemeinsam mit seiner\nFreundin wohnen. Durch diese Regelung hatte T. sein Auskommen und einen\nUnterschlupf, zumal er wusste, dass er sich illegal in Deutschland aufhielt\nund bei Ergreifung mit seiner Abschiebung zu rechnen hatte. Der Angeklagte\nnutzte diese Situation des T. fur sich aus und erhielt auf diese Weise eine\nbillige Arbeitskraft, denn er sparte fur T. die Sozialabgaben. Außerdem war\nder Angeklagte sich daruber im Klaren, dass er durch seine Initiative den\nillegalen Aufenthalt des T. in Deutschland unterstutzte. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Im Rahmen einer lebensmittelrechtlichen Überprufung des Lokals durch den\nVeterinardienst des Landratsamtes B. am 27.04.2006 wurde T. in der Kuche des\nRestaurants angetroffen, entzog sich jedoch einer naheren Überprufung durch\nFlucht. Einige Zeit spater erschien er wieder bei dem Angeklagten und nahm\nseine Arbeit bei diesem wieder auf. Bei einer gemeinsamen Überprufungsaktion\nvon Polizei und Zoll zur Ermittlung unerlaubter Beschaftigungsverhaltnisse am\n22.06.2006 wurde T. bei seiner Kuchenarbeit angetroffen. Er wurde\naufgefordert, sich beim Auslanderamt der Stadt M. zu melden. Bei dem\nAngeklagten ist er seit dem 22.06.2006 nicht mehr erschienen. \n--- \n--- \n**IV.** \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Angeklagte hat diesen Sachverhalt im Rahmen der Berufungsverhandlung\ndurch seinen Verteidiger vortragen lassen und dazu erklart, dieser Vortrag\nstelle seine Einlassung zur Sache dar. Auf Ruckfrage erlauterte er einige\nDetails, so dass der Sachverhalt schließlich in sich klar und schlussig wurde.\nDie Kammer hatte keine Bedenken, insoweit diesen uberzeugenden Angaben des\nAngeklagten zu folgen. \n--- \n--- \n**V.** \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Angeklagte hat sich dadurch der Beihilfe zur Einschleusung von\nAuslandern gemaß §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 95 Abs. 1 Nr. 2, 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG\nstrafbar gemacht. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Als Teilnahmetatbestand knupft das Einschleusen an eine der Handlungen des §\n95 Abs.1 Nr. 1-3 oder Abs. 2 AufenthG an. In Betracht kommt vorliegend § 95\nAbs.1 Nr. 2 AufenthG. Dieser erfasst den Aufenthalt trotz vollziehbarer\nAusreisepflicht und ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel (§ 4 Abs.1 Satz 1\nAufenthG), wenn der Aufenthalt nicht wenigstens geduldet ist. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Gemaß § 4 Abs.1 Satz 1 AufenthG bedurfen Auslander fur den Aufenthalt im\nBundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der\nEuropaischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist.\nEinen Aufenthaltstitel benotigt folglich nicht, wer vom Erfordernis des\nAufenthaltstitels befreit ist oder wer sich aus anderen Grunden erlaubt im\nBundesgebiet aufhalt. Dies trifft z.B. auf den freizugigkeitsberechtigten\nUnionsburger, einen Schweizer, einen Auslander, der einen Antrag auf Erteilung\neines Aufenthaltstitels (§ 81 Abs.1 AufenthG) gestellt und dadurch die fiktive\nRechtsstellung nach § 81 Abs.3 oder 4 AufenthG eingenommen hat oder auf den\nInhaber einer Duldung zu. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Auf T. trifft kein Sonderfall zu, der das Erfordernis des Aufenthaltstitels\nentfallen ließe. Insbesondere war T. wahrend des hier relevanten\nZeitabschnittes von Juni 2005 bis zum 22.06.2006 auch nicht mehr Inhaber einer\nDuldung. Eine ihm durch die Stadt M. einst ausgestellte Duldung war seit dem\n18.04.2002 abgelaufen. Somit bestand fur T. das Erfordernis eines\nAufenthaltstitels, welchen er jedoch nicht besaß. Dementsprechend ist diese\nVoraussetzung fur das Vorliegen der Haupttat erfullt. T. hielt sich auch trotz\nvollziehbarer Ausreisepflicht im Bundesgebiet auf. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Zunachst war die einmal bescheinigte Duldung von T. seitens der Stadt M.\nraumlich auf Nordrhein-Westfalen beschrankt. Gegen diese Beschrankung wurde\nvon T, auch im Zusammenhang mit der vorliegenden Straftat, verstoßen.\nAllerdings macht sich derjenige, der einer raumlichen Beschrankung\nzuwiderhandelt, weder wegen Nichtbesitzes eines erforderlichen\nAufenthaltstitels, noch wegen eines Aufenthaltsverbots strafbar. Zwar besitzt\nder Auslander in diesen Fallen keine fur das ubrige Bundesgebiet gultige\nDuldung, strafbar soll dieses Verhalten aber nach dem Willen des Gesetzgebers\ndennoch nicht sein. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Innerhalb der fur die Verwirklichung des Teilnahmetatbestandes (§ 96 Abs.1\nNr. 1) erheblichen Zeit war der Haupttater (T.) jedoch auch gar nicht im\nBesitz einer Aufenthaltsduldung. Diese war bereits am 18.04.2002 abgelaufen.\nAllerdings war bis zum Ende der moglichen Tatzeit des Angeklagten am\n22.06.2006 eine Ausschreibung des T. seitens der Auslanderbehorde M. noch\nnicht erfolgt. Die in diesem Zusammenhang aufkommenden Frage, ob in diesem\nVerhalten der Verwaltung wiederum konkludent eine Duldung des Aufenthalts des\nT. zu erblicken sei, lasst sich allerdings mit nein beantworten. So ist unter\nDuldung im Auslanderrecht mehr zu verstehen als nur die durch tatsachliches\nVerwaltungshandeln zum Ausdruck gelangte Billigung eines rechtswidrigen\nZustands. Erforderlich ist vielmehr eine schriftlich zu bescheinigende\nAussetzung der Ausreiseverpflichtung im Einzelfall. Hierbei setzt die\nAussetzung der Ausreiseverpflichtung grundsatzlich die Vollziehbarkeit der\nAbschiebung voraus sowie die Nichtgewahrleistung der freiwilligen Ausreise,\nwofur das Verhalten des T. selbst in jungster Vergangenheit (er ist\nuntergetaucht) Beleg genug war. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| T. handelte bei alledem auch mit Vorsatz. Schließlich wusste er, dass er\neinen erforderlichen Aufenthaltstitel fur das Bundesgebiet nicht besaß und\ndass die seinen Aufenthalt allein legalisierende Duldung der Stadt M. seit\nlangem abgelaufen war. Dieses Wissen und Wollen seines illegalen Aufenthaltes\nin Deutschland lasst sich eindeutig mit seinem Verhalten belegen: Er tauchte\nrechtzeitig zum Ablauf seiner Aufenthaltsduldung unter und entzog sich damit\ndem Zugriff der Behorden. Außerdem zeigte seine Reaktion im Rahmen der ersten\nÜberprufung des Restaurants am 27.04.2006, als es ihm noch rechtzeitig gelang,\naus der Kuche zu verschwinden, dass er sich einer Personenkontrolle unbedingt\nentziehen wollte. Auch dies lasst nur den Schluss zu, dass er um seinen in\njeder Beziehung illegalen Status wusste, diesen jedoch nicht beenden wollte. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Im ubrigen gilt, dass die Teilnahmehandlung des § 96 Abs.1 Nr.1 AufenthG\nverselbstandigt ist und daher im Hinblick auf Wortwahl (vergleiche §§ 26, 27\nStGB) und Entstehungsgeschichte zwar eine rechtswidrige und vorsatzliche\nHaupttat voraussetzt, welche - folgt man dem eben Dargestellten - vorliegt,\nnicht aber eine schuldhafte (limitierte Akzessorietat), so dass sich weitere\nAusfuhrungen diesbezuglich erubrigen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Das Hilfeleisten im Rahmen des § 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist wie Beihilfe\nim Sinne des § 27 StGB zu verstehen, also als Fordern und Hilfe in jeder Form.\nDabei muss die Gehilfentat die Handlung des Haupttaters nur gefordert haben,\naber nicht ursachlich fur die Haupttat gewesen sein. Beihilfe erfordert daher\neine Handlung, welche die Rechtsgutverletzung des Haupttaters ermoglicht oder\nverstarkt oder ihre Durchfuhrung erleichtert. Eine entsprechende Unterstutzung\ndes Haupttaters kann grundsatzlich z.B. im Anwerben fur Schwarzarbeit, im\nBeschaffen eines Beforderungsmittels, einer Unterkunft, von Verpflegung, einer\nBeschaftigung, im Vermitteln einer Eheschließung und ahnlichem gesehen werden. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Im vorliegenden Fall stellte sich die Situation nun folgendermaßen dar: Der\nHaupttater T. hielt sich zur Tatzeit illegal im Bundesgebiet auf. Selbst wenn\nihm durch den Angeklagten Beschaftigung und Unterkunft geboten wurden, war er\nganz offensichtlich auch unabhangig von diesen Umstanden zur Aufrechterhaltung\ndes illegalen Zustands entschlossen. Denn auch nachdem ihm diese\nMoglichkeiten, soweit sie bestanden, durch die - im Anschluss an die letzte\nKontrolle des Restaurants am 22.06.2006 - eingeleiteten Ermittlungen\nabgeschnitten wurden, hat er sich dennoch erneut seiner Abschiebung entzogen.\nSein Verhalten in der Zeit vor dem „Aufenthalt" bei dem Angeklagten lasst\nkeinen anderen Schluss zu als diesen. Denn die Duldung des T. war bereits am\n18.04. 2002 abgelaufen, Indizien fur seine Anwesenheit beim Angeklagten gibt\nes jedoch erst seit Juni 2005 (abgesehen davon eroffnete der Angeklagte den\nArbeitsplatz des T, namlich das Restaurant auch erst im August 2003). T. hatte\nsich jedoch auch in der Zeit zwischen dem Ablaufen seiner Duldung und dem\nAufenthalt beim Angeklagten seiner Abschiebung entzogen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Umstritten ist, ob ein Hilfeleisten im Sinne dieser Vorschrift und nach\nMaßgabe der geltenden Regeln des § 27 StGB uberhaupt noch moglich erscheint\nbei einem Haupttater, der ohnehin bereits zur Tat entschlossen ist. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Nach der von der Verteidigung angefuhrten Rechtsprechung des Obersten\nBayrischen Landesgerichts, unterstutzt u.a. seitens des OLG Dusseldorf, soll\nin einem solchen Fall, unter den gegebenen Umstanden, eine Beihilfe durch den\nAngeklagten nicht anzunehmen sein: \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| „Die Bewertung des Verhaltens des Angeklagten als Beihilfehandlung (§ 96\nAbs.1 Nr.1 AufenthG, § 27 StGB) hangt davon ab, ob dadurch die\nTatbestandsverwirklichung des Haupttaters ermoglicht, intensiviert oder\nabgesichert wurde. Die Begehung der jeweiligen Haupttat muss somit in ihrer\nkonkreten Gestaltung objektiv gefordert oder erleichtert werden, z.B. indem\nder Gehilfe den Haupttater in seinem Tatentschluss bestarkt und ihm dadurch\netwa ein erhohtes Sicherheitsgefuhl vermittelt. Wirkt sich der Beitrag des\nGehilfen bei der Tatbestandsverwirklichung dagegen nicht aus, so liegt keine\nBeihilfehandlung in diesem Sinne vor. Eine konkrete Forderung oder\nErleichterung der Haupttat durch die Bestarkung des Tatentschlusses des\nHaupttaters liegt somit regelmaßig nicht vor, wenn der Tater bei einem\nDauerdelikt (hier: unerlaubter Aufenthalt in der Bundesrepublik) zur\nFortsetzung seines illegalen Verhaltens unter allen Umstanden entschlossen\nist." (BayObLG NJW 2002, 1663f; Schonke-Schroder, Strafgesetzbuch, 27. Auflage\nRn.10a; Renner, Auslanderrecht, 8. Auflage 2005, § 95 AufenthG Rn.29). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Werden einem solchen, in seinem Tatentschluss bereits endgultig gefestigten\nTater dann Vorzuge geboten, wie etwa Unterkunft, Beschaftigung, Entlohnung fur\nArbeitsleistungen und Verpflegung, welche seinen illegalen Aufenthalt im\nBundesgebiet erleichterten, von denen er jedoch sein Bleiben nicht abhangig\nmache, dann fehle es schon in objektiver Hinsicht an einer Beihilfehandlung,\nda der Haupttater seiner Ausreiseverpflichtung in jedem Fall zuwiderhandele. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Kammer halt diese Auffassung dagegen fur uberholt und schließt sich den\nAusfuhrungen des OLG Frankfurt (NJW 2005, 2026) an. Danach neige der Senat\ndazu, an der bereits dargestellten Auffassung wohl nicht langer festzuhalten\nVielmehr sei darauf abzustellen, ob durch die Gewahrung von Unterkunft und\nVerpflegung oder die Entlohnung von Arbeitsleistungen die Fortsetzung des\nunerlaubten Aufenthalts des Auslanders in seiner konkreten Gestaltung\ngefordert oder erleichtert wurde. Dies liege bei der Beschaftigung illegal in\nDeutschland sich aufhaltender Auslander nahe. Überlegungen, dass der Auslander\nin diesem Zeitraum ansonsten durch eine Erwerbstatigkeit bei einem anderen\nUnternehmer oder durch die Finanzierung seines Lebensunterhalts auf andere\nWeise seinen Aufenthalt hatte sichern konnen, stellen demgegenuber Erwagungen\nzu hypothetischen Kausalverlaufen dar, die fur die Frage der Strafbarkeit des\nGehilfen ohne Bedeutung sein mussen. (OLG Frankfurt NJW 2005, 2026). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Sinngemaß lasst sich in diesem Zusammenhang auch einer Entscheidung des BGH\nentnehmen, dass eine Beihilfe zwar dann abzulehnen sei, wenn dem Haupttater\neine Unterkunft schlicht aus humanitaren Grunden gewahrt wurde, nicht aber\ndann, wenn durch die Beherbergung optimale Voraussetzungen dafur geschaffen\nwerden, dass der Haupttater der durch den Gehilfen angedachten Arbeit\nnachgehen kann (BGH NStZ 1990, 443). Angesichts der vielfaltigen Formen der\nmoglichen Hilfeleistung genuge zudem jede Hilfe, die irgendwie dazu beitrage,\ndass der Auslander sich unerlaubt im Bundesgebiet aufhalten konne. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Zunachst stimmt die Kammer dem BayObLG zwar insoweit zu, als unter solchen\nUmstanden ein Bestarken des Tatentschlusses durch den Gehilfen sicherlich\nnicht mehr moglich sein wird. Allerdings stellt die Bestarkung des\nTatentschlusses lediglich eine von zahlreichen Formen der Hilfeleistung dar.\nAuch nach der Auffassung des BayObLG ist Beihilfe objektiv dann zu bejahen,\nwenn „die Haupttat in ihrer konkreten Gestaltung objektiv erleichtert wird".\nNun mag das Gewahren von Unterkunft und Beschaftigung nicht ausschlaggebend\nfur den Tatentschluss des Haupttaters sein, es erleichtert jedoch in jedem\nFall dessen Umsetzung und tragt dazu bei, dass der Haupttater sich fur die\nDauer der Gewahrung von Unterkunft und Beschaftigung unerlaubt im Bundesgebiet\naufhalt. Schließlich ist das Fassen eines Tatentschlusses nicht mit dessen\nVerwirklichung gleichzusetzen und als ein Schritt zu behandeln. Daher vertritt\ndie Kammer die Meinung, dass ein Gehilfe, indem er die Verwirklichung der\nHaupttat erleichtert, sei es auch nur fur eine bestimmte Dauer, sich auch die\nmit dem Delikt verbundene Schuld und Strafbarkeit zu Eigen macht. Überdies\nkann auch auf diese Weise beim Haupttater ein erhohtes Sicherheitsgefuhl bei\nder standigen Umsetzung seines Dauerdeliktes ausgelost werden, da er sich bei\nder Verwirklichung unterstutzt weiß. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Zudem muss beachtet werden, dass hier eine Abgrenzung zur Anstiftung (§ 96\nAbs. 1 AufenthG, § 26 StGB) zu erfolgen hat. Denn hier gilt ganz unumstritten,\ndass ein bereits zur Tat entschlossener Tater nicht mehr angestiftet werden\nkann. Dies stellt die logische Konsequenz der Tatsache dar, dass Anstiftung\nbedeutet, bei einem anderen den Tatentschluss hervorzurufen, und man nun\neinmal nichts mehr hervorrufen kann, was bereits vorhanden ist. Darum gerade\ngeht es aber bei der Beihilfe nicht. Es geht nicht lediglich um den\nTatentschluss und dessen Bestarkung. Ware dem so, dann waren die Unterschiede\nzwischen dem Rechtsinstitut der Beihilfe und dem der Anstiftung viel zu gering\nmit der Folge, dass diese den verschiedenen Auspragungen der Teilnahme nicht\nmehr gerecht wurden. Es geht vielmehr um die Forderung und/oder Erleichterung\nder gesamten Tat, vom Fassen des Tatentschlusses bis zumindest zur Vollendung\nder Haupttat. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Angeklagte hat durch seine Beihilfehandlung auch einen Vermogensvorteil\ngezogen. Unter Vermogensvorteil ist jede gunstigere Gestaltung der\nVermogenslage zu verstehen. Der Vermogensvorteil braucht nicht von dem\nbegunstigten Auslander erbracht zu werden, er muss aber in einem finalen\nZusammenhang mit der Forderung und Unterstutzung des illegalen Verhaltens des\nAuslanders stehen. Ein Finalzusammenhang besteht, wenn die\nUnterstutzungshandlung des Gehilfen gleichzeitig zu dessen Vermogensvorteil\nfuhrt. T. arbeitete fur den Angeklagten fur einen geringen Lohn in dessen\nGaststatte. Der Angeklagte fuhrte fur T. keinerlei Sozialbeitrage ab. Im\nHinblick darauf, dass jede gunstigere Gestaltung der Vermogenslage einen\nVermogensvorteil darstellt, erfullen auch Einsparungen dieses Kriterium. So\nfuhrte die Unterstutzungshandlung des Angeklagten, T. Beschaftigung und\nUnterkunft zu gewahren, zugleich zu dessen finanziellem Vorteil. \n--- \n--- \n**VI.** \n--- \n| 28 \n--- \n| Bei der Strafzumessung hat die Kammer zugunsten des Angeklagten\nberucksichtigt, dass er nicht vorbestraft ist und in der Berufungsverhandlung\nein umfassendes Gestandnis abgelegt hat. Er sah durch sein Handeln auch die\nMoglichkeit, einem Landsmann in einer schwierigen Lebenslage zu helfen. Auf\nder anderen Seite durfte jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass durch\ndie Tat des Angeklagten dem T. ein illegaler Aufenthalt in B. uber die Dauer\neines Jahres - mit Unterbrechungen - ermoglicht wurde. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kammer hat alle wesentlichen fur und gegen den Angeklagten sprechenden\nGesichtspunkte gegeneinander abgewogen und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass\ndie Verhangung einer \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| **Geldstrafe von 50 Tagess atzen zu je 25,-- Euro** \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| angemessen und ausreichend ist. Diese Strafe entspricht dem Unrechtsgehalt\nder Tat im Rahmen der personlichen Schuld des Angeklagten. Die Hohe des\neinzelnen Tagessatzes ergab sich aus den Einkommensverhaltnissen des\nAngeklagten unter Berucksichtigung seiner Unterhaltsverpflichtungen. Gemaß §\n42 StGB konnte Ratenzahlung bewilligt werden. \n--- \n--- \n**VII.** \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO. \n---\n\n
133,015
olgkarl-2010-02-03-3-ws-2910
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
3 Ws 29/10
2010-02-03
2019-01-07 10:21:13
2019-02-12 12:16:13
Beschluss
## Tenor\n\nDie Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts - ....\nGroße Strafkammer - C. vom 30. Dezember 2009 i. v. m. dem\nNichtabhilfebeschluss vom 13. Januar 2010 wird aus den zutreffenden Grunden\nder angefochtenen Entscheidung kostenpflichtig (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als\nunbegrundet verworfen.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| A. befindet sich seit seiner vorlaufigen Festnahme am 25.8.2009 aufgrund des\nHaftbefehls des Amtsgerichts C. vom 20.8.2009 (Az.: ...) wegen des dringenden\nVerdachts eines von diesem am ....2009 im ...Markt, ... begangenen Verbrechens\nder versuchten schweren rauberischen Erpressung ununterbrochen in\nUntersuchungshaft. Haftgrund ist Fluchtgefahr gem. § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Beschluss des (seit Anklageerhebung am 11.11.2009 zustandigen)\nLandgerichts - .... Große Strafkammer - C. vom 30.12.2009 wurde gem. § 119\nAbs. 1 StPO angeordnet, \n--- \n| 3 \n--- \n| \\- dass der Empfang von Besuchen und die Telekommunikation der Erlaubnis\nbedurfen (Nr. 1), \n--- \n| 4 \n--- \n| \\- dass Besuche, Telekommunikation sowie der Schrift- und Paketverkehr zu\nuberwachen sind (Nr. 2) und \n--- \n| 5 \n--- \n| \\- dass die Übergabe von Gegenstanden der Erlaubnis bedarf (Nr. 3). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Außerdem wurde gem. § 119 Abs. 6 StPO angeordnet, dass die genannten\nMaßnahmen auch dann Geltung besitzen, wenn die Untersuchungshaft zur\nVollstreckung anderer freiheitsentziehender Maßnahmen unterbrochen wird. Zur\nBegrundung verwies das Landgericht darauf, dass auch unter Berucksichtigung\nder Unschuldsvermutung und der schutzwurdigen Interessen des Angeklagten die\nangeordneten Beschrankungen zur Abwehr des Haftgrundes erforderlich seien, da\nder Angeklagte zum einen eine hohe Strafe zu erwarten habe und zum anderen -\nwie sich aus dem Beschluss des Landgerichts vom 3.12.2009 ergebe - die Gefahr\nder Absprache des Aussageverhaltens des Angeklagten und der Zeugin E., seiner\nfruheren Lebensgefahrtin, bestehe. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Gegen diesen Beschluss legte der Angeklagte, vertreten durch seinen\nVerteidiger mit Telefax vom 30.12.2009 Beschwerde ein. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Das Landgericht - .... Große Strafkammer - C. half der Beschwerde mit\nBeschluss vom 13.1.2010 auch unter Berucksichtigung der ab 1.1.2010 geltenden\nNeufassung des § 119 Abs. 1 StPO nicht ab und legte die Akte nach Eroffnung\ndes Hauptverfahrens durch Beschluss vom selben Tag dem Oberlandesgericht\nKarlsruhe zur Entscheidung vor. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Generalstaatsanwaltschaft tragt in ihrer Stellungnahme vom 27.1.2010 auf\nVerwerfung der Beschwerde an. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beschwerde ist zulassig, aber unbegrundet. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| 1\\. § 119 Abs. 1 StPO prazisiert die bisherige Regelung des § 119 Abs. 3 1.\nAlternative StPO, nach der den in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten\nsolche uber die reine Freiheitsentziehung hinausgehende Beschrankungen\nauferlegt werden konnen, die der Zweck der Untersuchungshaft erfordert. Anders\nals § 119 Abs. 3 StPO a. F. benennt er dabei jedoch zur Klarstellung die\nzulassigen Zwecke der Untersuchungshaft (die Verhinderung von Flucht,\nVerdunkelungshandlungen und Wiederholungstaten) ausdrucklich. Eine sachliche\nErweiterung oder Einschrankung der Kompetenzen ist damit nicht verbunden.\nDurch die gewahlte Formulierung stellt § 119 StPO deutlicher als bisher\nheraus, dass die Anordnung von Beschrankungen nicht nur auf den oder die im\nHaftbefehl ausdrucklich genannten Haftgrunde gestutzt werden kann, sondern\nauch zur Abwehr aller anderen Gefahren in Betracht kommt, denen durch die\nAnordnung der Untersuchungshaft begegnet werden soll. Im Hinblick auf\nWiederholungsgefahren gilt dies schon deshalb, weil der Haftbefehl nur dann\nauf § 112 a Abs. 2 StPO gestutzt werden darf, wenn ein Haftgrund nach § 112\nStPO nicht vorliegt. In diesen Fallen muss es daher grundsatzlich moglich\nsein, Beschrankungen auch auf die Aspekte der Flucht- oder Verdunkelungsgefahr\nzu stutzen, wenn sich solche Gesichtspunkte spater herausstellen. Letzteres\nmuss im Ergebnis auch dann gelten, wenn (nur) einer der in § 112 Abs. 2 StPO\nenthaltenen Haftgrunde der Flucht- oder Verdunkelungsgefahr im Haftbefehl\nausdrucklich genannt ist. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Untersuchungshaft bezweckt im Interesse einer ordnungsgemaßen\nDurchfuhrung des Strafverfahrens, dem Beschuldigten die Moglichkeit zu nehmen,\nsich dem Verfahren durch Flucht zu entziehen, Verdunkelungshandlungen\nvorzunehmen oder erneut Straftaten zu begehen. Unuberwachte Außenkontakte\nkonnen demgegenuber dem Beschuldigten ermoglichen, Fluchtplane mit\nAußenstehenden zu erarbeiten (und ggf. in die Tat umzusetzen), Absprachen uber\nMaßnahmen zur Verdunkelung zu treffen oder aus der Haft heraus die Begehung\nweiterer Straftaten zu steuern. Dem kann mit einer Überwachung der\nAußenkontakte in Form von Besuchen, Telekommunikation, Schrift- und\nPaketverkehr begegnet werden. Der Erlaubnisvorbehalt nach § 119 Abs. 1 Nr. 3\nStPO kann insbesondere notwendig sein, um die Übergabe von Gegenstanden zu\nunterbinden, die zur Flucht, zur Vornahme von Verdunkelungshandlungen oder zur\nBegehung weiterer Straftaten genutzt werden konnen (BT-Drucks.16/11644, S. 24\nf.). \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| 2\\. Vorliegend ist das Landgericht - .... Große Strafkammer - C. zurecht im\nBeschluss vom 30.12.2009 davon ausgegangen, dass die angeordneten\nBeschrankungen gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StPO dazu erforderlich sind, den\nZweck der Untersuchungshaft - namlich die Verhinderung der angesichts der\nhohen Straferwartung beim ... Angeklagten nicht ausschließbaren Fluchtgefahr,\naber auch die Vermeidung von Verdunkelungshandlungen - zu erfullen. Insoweit\nhat die Kammer zutreffend darauf hingewiesen, dass die bisherige\nLebensgefahrtin des Angeklagten, E., nicht nur offensichtlich vom fruheren\nVerteidiger umfassende Akteneinsicht erhalten hat, was sie dem Angeklagten\nauch im (durch Beschluss vom 3.12.2009 in Kopie zur Akte genommenen) Brief vom\n30.11.2009 mitgeteilt hat, sondern sich in diesem Brief auch uber ihre seitens\nder Polizei angeblich falsch aufgenommenen Aussage und die Lichtbildvorlage an\neine weitere Zeugin außert. Zudem ergeben sich aus der Akte Anhaltspunkte\ndafur, dass die als Zeugin zur Hauptverhandlung geladene E. zudem bereits\neinmal - noch vor der Inhaftierung des Angeklagten - versucht hat, auf die\nHauptbelastungszeugin F. Einfluss zu nehmen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Es besteht daher die Gefahr, dass der Angeklagte und E. bei unuberwachten\nBesuchen, Telefonaten, Schrift- oder Paketverkehr den Inhalt der Akte und\neinzelner Zeugenaussagen besprechen, ihre jeweiligen Einlassungen in der\nbevorstehenden Hauptverhandlung abstimmen oder gar auf Zeugen (erneut)\nEinfluss zu nehmen versuchen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Nach alldem ist es auch unter Berucksichtigung des Grundsatzes der\nVerhaltnismaßigkeit zur Abwehr von Flucht- und Verdunkelungsgefahr und damit\nzur ordnungsgemaßen Durchfuhrung des Strafverfahrens erforderlich, dem\nAngeklagten die angeordneten Beschrankungen bei Besuchen, bei der\nTelekommunikation, beim Schrift- und Paketverkehr sowie der Übergabe von\nGegenstande aufzuerlegen. Eine Einschrankung der Maßnahmen nur auf E. genugt\nnicht, da uber andere Besucher, Anrufer oder Absender unschwer Nachrichten an\ndiese oder von ihr ubermittelt werden konnten. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| 3\\. Auch die Anordnung gem. § 119 Abs. 6 StPO erfolgte zurecht, da nach der\nNeuregelung des § 116 b StPO nunmehr gesetzlich geregelt ist, dass die\nVollstreckung einer anderen freiheitsentziehenden Maßnahme derjenigen der\nUntersuchungshaft vorgeht. Auch wenn in diesen Fallen keine Untersuchungshaft\nvollstreckt wird, kann es dennoch ebenso wie beim Vollzug der\nUntersuchungshaft zur Abwehr der Gefahren, die zum Erlass des\nUntersuchungshaftbefehls gefuhrt haben, erforderlich sein, entsprechende\nBeschrankungen anzuordnen. \n--- \n---\n\n
134,226
lsgbw-2008-02-15-l-7-as-61908-a
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 7 AS 619/08 A
2008-02-15
2019-01-07 10:38:56
2019-01-17 11:54:09
Beschluss
## Tenor\n\nDie Anhorungsruge der Antragstellerin gegen den Beschluss des Senats vom 29.\nJanuar 2008 wird als unzulassig verworfen.\n\nAußergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Anhorungsruge gegen den Beschluss des Senats vom 29. Januar 2008 ist\nnicht statthaft. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Nach § 178a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist auf die Ruge eines\ndurch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren\nfortzufuhren, wenn (1.) ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen\ndie Entscheidung nicht gegeben ist und (2.) das Gericht den Anspruch dieses\nBeteiligten auf rechtliches Gehor in entscheidungserheblicher Weise verletzt\nhat. Die Ruge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen\nder in Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen (Abs. 2 Satz 6).\nDer Antragsteller hat die eine Verletzung des rechtlichen Gehors vermeintlich\nbegrundenden Tatsachen substantiiert und schlussig darzulegen. Daran schließt\nsich eine verfahrensrechtliche Wurdigung an, die auch darauf einzugehen hat,\ndass der Mangel nicht durch Heilung oder Rugeverlust vor der Entscheidung\nuberholt ist. Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet\ndie Ruge nicht statt (§ 178 Abs. 1 Satz 2 SGG). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Ruge bzgl. des Verweisungsbeschlusses vom 29. Januar 2008 wurde zwar\nmit Schreiben vom 4. Februar 2008, Eingang bei Gericht am 7. Februar, form-\nund fristgerecht erhoben. Sie ist jedoch nicht statthaft, weil der\nVerweisungsbeschluss keine Endentscheidung i.S.v. § 178 Abs. 1 Satz 2 SGG\ndarstellt. Endentscheidung in diesem Sinne ist im Regelfall das Endurteil oder\nder den Beschwerderechtszug abschließende Beschluss (so zu Recht\nLandessozialgericht <LSG> Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 19. Dezember 2007 -\nL 11 R 5526/07 R <juris>). Nicht jeder nicht anfechtbare Beschluss ist daher\nauf eine Anhorungsruge hin zu uberprufen (so LSG Baden-Wurttemberg a.a.O. und\nLSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 13. Juli 2006 - L 8 B 171/06 AS RG -\n<juris> zu einem Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss). Diese Grundsatze\ngelten auch fur den hier maßgeblichen Verweisungsbeschluss, der den\nRechtsschutz der Antragstellerin in dem Verfahren des einstweiligen\nRechtschutzes nicht verkurzt, sondern in der Sache sogar erweitert und\njedenfalls das Verfahren nicht abschließend regelt. Die Ruge ist daher\nunstatthaft und als unzulassig zu verwerfen. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Unabhangig davon ist die Anhorungsruge auch deswegen unzulassig, weil die\nAntragstellerin eine Verletzung des rechtlichen Gehors nicht formgerecht und\nschlussig (§ 178a Abs. 2 Satz 6 SGG) dargelegt hat. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Zwar hat sie glaubhaft dargelegt, dass ihr das Anhorungsschreiben des\nSenats vom 22. Januar 2008 erst am 25. Januar 2008 (Freitag) zugegangen ist.\nIn diesem Schreiben war ihr unter Benennung der Grunde Gelegenheit zur\nStellungnahme zur beabsichtigten Verweisung des Antrags auf einstweiligen\nRechtsschutz vom 2. Januar 2008 an das Sozialgericht Karlsruhe bis zum 28.\nJanuar 2008 (Montag) gegeben worden. Die Antragstellerin hat jedoch nicht\nschlussig dargelegt, dass der Beschluss vom 29. Januar 2008 aufgrund dieses\nVorgehens unter Verletzung ihres Rechtes auf rechtliches Gehor zustande\ngekommen sei. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Da das Gericht die Antragstellerin tatsachlich auf seine Absicht zur\nVerweisung und die hierfur maßgeblichen Grunde hingewiesen und ihr Gelegenheit\nzur Stellungnahme eingeraumt hatte, kommt eine Verletzung rechtlichen Gehors\nvon vornherein nur in Betracht, wenn die Stellungnahmefrist zu kurz bemessen\nware. Mit Schreiben vom 22. Januar 2008 wurde eine Frist bis zum 28. Januar\n2008 eingeraumt. Allein der Hinweis der Antragstellerin auf das dazwischen\nliegende Wochenende genugt nicht, um eine unangemessene Kurze der Frist\ndarzulegen. Entgegen ihrer Auffassung besteht kein allgemeiner\nRechtsgrundsatz, Wochenenden bei der Fristberechnung nicht zu berucksichtigen.\nFallt das Ende einer Frist auf ein Wochenende, verlangert sich zwar nach den\nublichen gesetzlichen Fristenregelungen die Frist bis zum Ablauf des folgenden\nWerktages. Vorliegend war die Frist jedoch ohnehin bis zum Ablauf des 28.\nJanuar 2008 (Montag) gesetzt worden. Der Anspruch auf rechtliches Gehor wird\nnur dann verletzt, wenn die vor Erlass der Entscheidung vom Gericht gesetzte\nFrist zur Äußerung objektiv nicht ausreicht, um innerhalb der Frist eine\nsachlich fundierte Äußerung zu erbringen (Bundesverfassungsgericht <BVerfG>\nNVwZ 2003, 859); welche Zeit angemessen ist, hangt von den Umstanden des\nEinzelfalles ab. Vorliegend ist daher zu berucksichtigen, dass es sich um eine\nEntscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gehandelt hat. Von\nseiner Natur her verlangt der einstweilige Rechtsschutz von allen Beteiligten\nzugige Bearbeitung, da die gewunschte rasche Entscheidung durch das Gericht\nwesenstypisch ist; insoweit besteht eine gesteigerte Mitwirkungspflicht auch\ndes Antragstellers (Hessisches LSG, Beschluss vom 23. Januar 2007 - L 9 SO\n97/06 ER - <juris>). Des Weiteren war zu beachten, dass der Beschluss vom 29.\nJanuar 2008 lediglich die Zustandigkeit des Gerichts regelte, um uberhaupt\nerst eine Sachentscheidung durch das zustandige Gericht zu ermoglichen. Die\nEinraumung einer langeren Anhorungsfrist hinsichtlich der beabsichtigten\nVerweisung hatte zu weiteren Verzogerungen der Entscheidung uber den\neinstweiligen Rechtsschutz in der Sache gefuhrt. Die Antragstellerin hatte in\nihrem Schreiben vom 25. Januar 2008 zur Frage des zustandigen Gerichts unter\nBerucksichtigung der anhangigen Streitgegenstande tatsachlich Stellung\ngenommen, die vom Senat im Beschluss vom 29. Januar 2008 auch berucksichtigt\nworden waren. Die Antragstellerin hatte daher konkret darlegen mussen, welche\nUmstande sie durch die Kurze der Frist auch unter Berucksichtigung ihrer\ngesteigerten Mitwirkungspflicht gehindert war vorzubringen. Dies hat sie im\nSchreiben vom 4. Februar 2008, wegen dessen Inhalts auf Bl. 12/17 der\nGerichtsakten Bezug genommen wird, nicht getan. Sie hat lediglich ausgefuhrt,\nweshalb sie den Beschluss fur unzutreffend halt, nicht aber, weshalb sie die\nihrer Auffassung nach relevanten Ausfuhrungen nicht bereits im Schreiben vom\n25. Januar 2008 hatte machen konnen. In diesem Schreiben hatte die\nAntragstellerin zwar die Kurze der Frist gerugt, andererseits in der Sache\nAusfuhrungen gemacht, ohne deutlich herauszustellen, dass sie weiteren Vortrag\nbeabsichtige; eine Fristverlangerung hat sie nicht beantragt. Der bloß\npauschale Verweis im Schreiben vom 4. Februar 2008 auf die „Komplexitat der\nProblematik des Klagegegenstands" genugt einer solchen Darlegung nicht. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die erhobene Ruge nach § 178a SGG ist daher auch mangels schlussiger und\nsubstantiierter Darlegung einer Verletzung des rechtlichen Gehors unzulassig. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n
135,341
vghbw-2004-03-16-a-6-s-21904
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
A 6 S 219/04
2004-03-16
2019-01-07 11:09:50
2019-01-17 11:55:21
Beschluss
## Tenor\n\nDie Antrage der Klager auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des\nVerwaltungsgerichts Stuttgart vom 04. Dezember 2003 - A 7 K 12600/03 - werden\nabgelehnt.\n\nDie Klager tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Antragsverfahrens mit\nAusnahme der außergerichtlichen Kosten des Beteiligten, die dieser selbst\ntragt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die auf den Zulassungsgrund der grundsatzlichen Bedeutung der Rechtssache\n(§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) gestutzten Antrage haben keinen Erfolg. \n--- \n| 2 \n--- \n| Als grundsatzlich klarungsbedurftig wirft die Antragsschrift die Frage auf,\nob \n--- \n| 3 \n--- \n| § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG dem Art. 1 C Ziffer 5 der Genfer\nFluchtlingskonvention (GK) widerspricht und nicht verfassungskonform ist, mit\nder Folge, dass der Widerruf der Fluchtlingseigenschaft nur auf Grund des Art.\n1 C Ziffer 5 GK erfolgen darf. \n--- \n| 4 \n--- \n| Diese Frage bedarf keiner grundsatzlichen Klarung in einem\nBerufungsverfahren, denn sie beantwortet sich unmittelbar aus dem Gesetz bzw.\nder Genfer Fluchtlingskonvention (GK). Die Genfer Fluchtlingskonvention\nschreibt weder vor, wie die Fluchtlingseigenschaft festzustellen ist, noch\ntrifft sie Regelungen uber den Widerruf des formlich zuerkannten\nFluchtlingsstatus. Diese Auffassung vertritt auch das Amt des Hohen Kommissars\nder Vereinten Nationen fur Fluchtlinge. Gemaß den von ihm herausgegebenen\nErlauterungen behandelt Art. 1 C GK, der die sogenannten Beendigungsklauseln\nenthalt, gerade nicht den Widerruf der Rechtsstellung als Fluchtling (vgl.\nHandbuch uber Verfahren und Kriterien zur Feststellung der\nFluchtlingseigenschaft gemaß dem Abkommen von 1951 und dem Protokoll von 1967\nuber die Rechtsstellung der Fluchtlinge, Genf 1979, Nr. 117 - Handbuch UNHCR\n-; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 04.12.2003 - 8 A 3766/03.A -). Mithin\nwiderspricht § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG weder Verfassungsrecht noch der Genfer\nFluchtlingskonvention, insbesondere nicht Art. 1 C Ziffer 5 GK. \n--- \n| 5 \n--- \n| Soweit die Frage dahin verstanden wurde, ob die Umsetzung der\nBeendigungsklausel des Artikel 1 C Ziffer 5 GK in § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG\nin Übereinstimmung mit der Genfer Fluchtlingskonvention erfolgt ist, ergabe\nsich auch insoweit kein Klarungsbedarf. Gemaß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist\ndie Asylanerkennung zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen fur sie nicht mehr\nvorliegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits mit Urteil vom 24.11.1992\n- 9 C 3.92 - (Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG 1992 Nr. 1) entschieden, dass diese\nVorschrift <ebenso wie § 16 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG a.F.> verfassungsrechtlich\nunbedenklich ist. Zwar sei es dem (einfachen) Gesetzgeber bei Grundrechten,\ndie - wie Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. (vgl. den wortgleichen Art. 16a Abs. 1\nGG n.F) - keinem Gesetzesvorbehalt unterlagen, nicht gestattet, deren Grenzen\nkonstitutiv zu bestimmen. Er durfe jedoch die tatbestandlichen Voraussetzungen\ndes Grundrechts und damit die Grenzen seines Schutzbereichs im Wege\nlegislatorischer Konkretisierung deklaratorisch nachzeichnen. Das sei in § 73\nAsylVfG geschehen. Das Asylgrundrecht verleihe seinem Trager, anders als die\nMenschenrechte, die dem Individuum zeit seines Lebens zustunden, keinen\nunveranderbaren Status. Vielmehr sei sein Bestand von der Fortdauer der das\nAsylrecht begrundenden Umstande abhangig. Zu ihnen zahle vor allem die\nVerfolgungsgefahr. Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. (vgl. Art. 16a Abs. 1 GG\nn.F.) gebiete nicht die Aufrechterhaltung des Asylstatus, wenn sich die\nverfolgungsbegrundenden Umstande im Herkunftsland des Auslanders geandert\nhatten. Politisch Verfolgte genießen demnach nur so lange Asyl, als sie\npolitisch verfolgt sind (BVerfG, Beschluss vom 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 -\nBVerfGE 54, 341 <360>). Auf der Grundlage dieser Interpretation stimmt der\nRegelungsgehalt des § 73 AsylVfG mit dem Inhalt der "Beendigungsklausel" in\nArtikel 1 C Ziffer 5 GK uberein. Gemaß den Erlauterungen zu Art. 1 C GK beruht\ndie Beendigungsklausel in Ziffer 5 auf der Überlegung, dass in Anbetracht von\nVeranderungen in dem Land, im Verhaltnis zu dem die Furcht vor Verfolgung\nbestanden hatte, ein internationaler Schutz nicht mehr gerechtfertigt ist, da\ndie Grunde, die dazu fuhrten, dass eine Person ein Fluchtling wurde, nicht\nmehr bestehen (vgl. Handbuch UNCHR, a.a.O., Nr. 115). Der Senat ist uberzeugt,\ndass diese bei der Schaffung des Asylverfahrensgesetzes bekannte\nRechtsauffassung des Fluchtlingskommissars in die Widerrufsregelung im\nAsylverfahrensgesetz mit eingeflossen ist, welche die Erloschensbestimmungen\ndes Art. 1 C GK nachzeichnet (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 02.12.1991 - 9 C\n126.90 -, Buchholz 402.25 § 15 AsylVfG Nr. 2). Denn wie sich aus der\nBegrundung des Gesetzentwurfs zum Asylverfahrensgesetz vom 07.10.1981 ergibt,\nwurde die Regelung des Widerrufs der Verlustklausel der Genfer\nFluchtlingskonvention nachgebildet (vgl. BT-Drucks. 9/875, S. 18 - zu § 11).\nDie Regelung in § 73 Abs. 1 AsylVfG wiederum sollte § 16 Abs. 1 AsylVfG a.F.\nentsprechen, so dass ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die\nAnlehnung an die Verlustregelung in der Genfer Fluchtlingskonvention Bestand\nhaben sollte (vgl. BT-Drucks. 12/2062, S. 39 - zu § 71, 12/2718, S. 37). \n--- \n| 6 \n--- \n| Die von den Klagern weiter als rechtsgrundsatzlich aufgeworfene Frage, ob \n--- \n| 7 \n--- \n| § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG im Lichte der Genfer Fluchtlingskonvention\nausgelegt werden muss, mit der Folge, dass ein Widerruf der\nFluchtlingseigenschaft erst erfolgen darf, wenn nach Wegfall der Umstande, auf\nGrund derer die Fluchtlingseigenschaft begrundet worden ist, es der Fluchtling\nnicht ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen\nStaatsangehorigkeit er besitzt, somit eine hinreichend stabile Veranderung der\nVerhaltnisse im Herkunftsland eingetreten ist, \n--- \n| 8 \n--- \n| rechtfertigt die Zulassung der Berufung ebenfalls nicht. Die Klager meinen,\ndass die Genfer Fluchtlingskonvention an den Widerruf der Asyleigenschaft\nhohere Anforderungen stellt als an die Gewahrung der Fluchtlingseigenschaft.\nEs entspreche daher der humanitaren Intention der Konvention, dass selbst bei\ngrundlegenden, aber noch nicht hinreichend stabilen Veranderungen der\nVerhaltnisse im Herkunftsland ein einmal gewahrter Fluchtlingsstatus nicht\nentzogen werde. Asylgewahrung und Widerruf seien einander nicht als\nspiegelbildliche Akte gegenuber zu stellen. Vielmehr seien an die den Widerruf\nrechtfertigenden Verhaltnisse im Heimatstaat hohere Anforderungen zu stellen.\nDie so umschriebene Frage stellt sich schon deshalb nicht, weil die Genfer\nFluchtlingskonvention entgegen der Auffassung der Klager, wie ausgefuhrt,\nkeine Regelung uber den Widerruf des Fluchtlingsstatus trifft und deshalb auch\nan den Widerruf der Eigenschaft als Asylberechtigter keine hoheren\nAnforderungen stellen kann. Im Übrigen bestunde insoweit gleichfalls kein\nKlarungsbedarf. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 24.11.1992 - 9\nC 3.92 - (a.a.O.) entschieden, dass der Widerruf der Asylanerkennung\ngrundsatzlich nur dann in Betracht kommt, wenn eine Wiederholung der\nVerfolgungsmaßnahmen wegen zwischenzeitlicher Veranderungen im Verfolgerstaat\nmit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, d.h. wenn sich die\ntatsachlichen Verhaltnisse dort so einschneidend und dauerhaft geandert haben,\ndass der Betroffene ohne Verfolgungsfurcht heimkehren kann. Dieser\nPrognosemaßstab gilt dabei zunachst fur diejenigen, auf die der herabgestufte\nWahrscheinlichkeitsmaßstab schon bei der Anerkennung anzuwenden war, weil sie\nbereits vor ihrer Ausreise aus dem Verfolgerstaat individuelle politische\nVerfolgung erlitten hatten; der Maßstab ist aber auch auf die Personen\nanzuwenden, die unter dem Druck einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit\ndrohenden Individualverfolgung ausgereist und deshalb ebenfalls als\nvorverfolgt anzusehen sind (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 23.07.1991 - 9 C\n154.90 - BVerwGE 88, 367 <374>). Damit ist - im Sinne der Rechtsauffassung der\nKlager - geklart, dass selbst bei Personen, die aufgrund ihrer Zugehorigkeit\nzu einer verfolgten Gruppe anerkannt wurden (wie vorliegend Angehorige der\nGruppe der albanischen Volkszugehorigen aus dem Kosovo), ein Widerruf nur dann\nnach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erfolgen kann, wenn sie bei einer Ruckkehr in\nden Verfolgerstaat hinreichend sicher sind, wobei hinreichende Sicherheit in\ndiesem Sinne, was keiner naheren Erlauterung bedarf, nur dann gewahrleistet\nist, wenn sich die Verhaltnisse im Verfolgerstaat "hinreichend stabil\nverandert" haben. Dass der Prognosemaßstab der hinreichenden Sicherheit beim\nWiderruf der Asylgewahrung auch auf die Personen angewandt wird, die "nur" auf\nGrund einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgungsgefahr\nanerkannt wurden, macht im Übrigen deutlich, dass Anerkennung und Widerruf\ngerade keinen spiegelbildlichen Akte sein mussen. Diese Auslegung des § 73\nAbs. 1 Satz 1 AsylVfG steht auch in Einklang mit Art. 1 C Ziffer 5 GK. Im\nHandbuch des UNHCR (a.a.O.) ist unter Nummer 135 erlautert, dass sich die\nweggefallenen "Umstande" auf grundlegende Veranderungen im Verfolgerstaat\nbeziehen mussen; eine bloße - moglicherweise vorubergehende - Veranderung der\nUmstande, die fur die Furcht des betreffenden Fluchtlings vor Verfolgung\nmitbestimmend gewesen sei, aber keine wesentliche Veranderung der Umstande im\nSinne dieser Klausel mit sich brachten, reiche nicht aus, um diese Bestimmung\nzum Tragen zu bringen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Soweit die Klager ferner - in Anlehnung an das Urteil der Schweizerischen\nAsylrekurskommission (ARK) vom 05.07.2002 - sinngemaß fur grundsatzlich\nklarungsbedurftig halten, ob \n--- \n| 10 \n--- \n| angesichts der derzeitigen Verhaltnisse im Kosovo dort von einer\n"hinreichend stabilen Lage" ausgegangen werden kann, die es rechtfertigt, von\neiner "grundlegenden Veranderung" der Umstande im Sinne des Art. 1 C Ziffer 5\nGK auszugehen, \n--- \n| 11 \n--- \n| ist gleichfalls kein Klarungsbedarf gegeben. Die Klager machen insoweit\ngeltend, dass die Sicherheitslage im Kosovo nach wie vor unbefriedigend sei.\nInsbesondere seien verschiedene Minderheiten wie Serben, Bosniaken, Ashkali\nund Roma einem erheblichen Risiko ausgesetzt; auch unter den Kosovo-Albanern\ngebe es individuell gefahrdete Personen. Zudem konne solange nicht von einer\ngrundlegenden Veranderung in Serbien und Montenegro gesprochen werden, als das\nUNO-Protektorat, wie es durch die Resolution 1244 (und nicht 1254) des\nSicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10.06.1999 begrundet wurde, notig\nsei und die UNMIK und die KFOR im Kosovo ihr Mandat ausubten. Eine im\nangestrebten Berufungsverfahren klarungsfahige Tatsachenfrage haben die Klager\ndamit nicht ordnungsgemaß dargelegt; denn ihre Argumentation verfehlt bereits\nden rechtlichen Ausgangspunkt. Der Widerruf der Asylgewahrung nach § 73 Abs. 1\nAsylVfG hat, wie ausgefuhrt, dann zu erfolgen, wenn die betroffene Person bei\neiner Ruckkehr in den Verfolgerstaat hinreichend sicher vor Verfolgung ist\nbzw. "grundlegende Veranderungen in dem Land stattgefunden haben, auf Grund\nderer man annehmen kann, dass der Anlass fur die Furcht vor Verfolgung nicht\nmehr langer besteht" (vgl. Handbuch UNHCR, a.a.O., Nr. 135.). Schutz besteht\ndabei nur vor staatlicher Verfolgung oder Verfolgung, die dem Staat\nzuzurechnen ist, sei es dass Verfolgungshandlungen mit Wissen der Behorden\ngeschehen oder wenn die Behorden sich weigern - oder sich als außerstande\nerweisen -, den betroffenen Personen wirksamen Schutz zu gewahren (vgl.\nHandbuch UNHCR, a.a.O., Nr. 65). Maßgeblich ist deshalb vorliegend, ob ein\nalbanischer Volkszugehoriger aus dem Kosovo bei einer Ruckkehr nach Serbien\nund Montenegro vor politischer - unmittelbarer oder mittelbarer staatlicher -\nVerfolgung hinreichend sicher ist. Diese Frage ist jedoch in der\nRechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttemberg geklart. Mit\nUrteil vom 17.03.2000 - A 14 S 1167/98 - hat der 14. Senat, dem der erkennende\nSenat folgt, entschieden, dass albanische Volkszugehorige aus dem Kosovo\ngegenwartig und auf absehbare Zeit im Kosovo hinreichend sicher vor\npolitischer Verfolgung durch die Bundesrepublik Jugoslawien sind. Der Umstand,\ndass diese hinreichende Sicherheit durch den Vollzug der Resolution 1244 des\nUN-Sicherheitsrates begrundet und durch die Übergangsverwaltung der UNMIK und\ndie NATO- Sicherheitstruppe - der KFOR - gewahrleistet wird, ist dabei\nunerheblich. Denn ausschlaggebend ist allein, dass auf Grund dieser\nveranderten politischen Gegebenheiten von einem effektiven und dauerhaften\nSchutz vor erneuter Verfolgung ausgegangen werden kann. Davon, dass dieser\nSchutz im Kosovo gewahrleistet ist, geht im Übrigen auch die von den Klagern\nangefuhrte Schweizerische Asylrekurskommission in ihrem Urteil vom 05.07.2002\naus (vgl. die Ausfuhrungen unter 8. c. ff. und gg.). \n--- \n| 12 \n--- \n| Die von den Klagern abschließend aufgeworfene Frage, ob \n--- \n| 13 \n--- \n| Fluchtlingen aus dem Kosovo der Asylrechtsschutz entzogen werden darf,\nobgleich sie dort nicht den Schutz des Staates Serbien und Montenegro in\nAnspruch nehmen konnen, da die serbisch-montenegrinische Staatsgewalt im\nKosovo suspendiert ist, \n--- \n| 14 \n--- \n| rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung wegen\ngrundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache. Die Klager meinen, dass es eine\nunzulassige Analogie zur Genfer Fluchtlingskonvention darstellen wurde, wenn\ndiese Fluchtlinge auf den Schutz der KFOR und der UNMIK verwiesen wurden.\nDiese Frage ist im vorliegenden Verfahren schon deshalb nicht\nklarungsbedurftig, weil sie nicht entscheidungserheblich ist und sich deshalb\nin einem Berufungsverfahren nicht stellen wurde. In der Rechtsprechung des\nVerwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttemberg ist nicht nur geklart, dass\nalbanische Volkszugehorige im Kosovo vor einer politischen Verfolgung durch\ndie Bundesrepublik Jugoslawien - dem heutigen Serbien und Montenegro, das in\nvolkerrechtlicher Hinsicht mit der Bundesrepublik Jugoslawien identisch ist\n(vgl. Lagebericht Kosovo des Auswartigen Amtes vom 10.02.2004) - hinreichend\nsicher sind (vgl. Urteil vom 17.03.2000 - A 14 S 1167/98 -). Vielmehr ist auch\nentschieden, dass Kosovo-Albaner nach derzeitiger Erkenntnis auf dem gesamten\nserbischen Staatsgebiet hinreichend sicher vor politischer Verfolgung sind\n(vgl. Urteil vom 29.03.2001 - A 14 S 2078/99 -). Damit konnen albanische\nVolkszugehorige aus dem Kosovo ohne Verfolgungsfurcht auch nach Serbien und\nMontenegro - und damit in den Machtbereich der serbisch-montenegrinischen\nRegierung - zuruckkehren, womit sie im Wortsinne des Art. 1 C Ziffer 5 GK den\nSchutz des Landes in Anspruch nehmen konnen, dessen Staatsangehorigkeit sie\nbesitzen. Ausweislich der Praambel der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates\nblieb die Souveranitat und territoriale Unversehrtheit der Bundesrepublik\nJugoslawien erhalten, so dass der Kosovo nach wie vor Teil des Staates Serbien\nund Montenegro ist. \n--- \n| 15 \n--- \n| Abgesehen hiervon bestunde aber auch dann kein Klarungsbedarf, wenn\nunterstellt wurde, dass die Klager - als Kosovo-Albaner - bei einer\nrealistischen Betrachtungsweise tatsachlich nicht nach Serbien und Montenegro\nsondern in den Kosovo zuruckkehren wurden. Denn die aufgeworfene Frage wurde\nsich insoweit unter Berucksichtigung der Beendigungsklausel der Genfer\nFluchtlingskonvention aus § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG selbst beantworten. Nach\nArt. 1 C Ziffer 5 GK fallt eine Person, auf die die Bestimmungen des Absatzes\nA zutreffen, nicht mehr unter dieses Abkommen, wenn sie nach Wegfall der\nUmstande, aufgrund derer sie als Fluchtling anerkannt worden ist, es nicht\nmehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen\nStaatsangehorigkeit sie besitzt. Lediglich bei einer rein am Wortlaut\norientierten Auslegung konnte angenommen werden, dass eine Beendigung der\nFluchtlingseigenschaft nach der Genfer Fluchtlingskonvention fur albanische\nVolkszugehorige aus dem Kosovo deshalb nicht in Betracht kommt, weil der\nKosovo nach der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates unter vorubergehender\nVerwaltung der Vereinten Nationen steht und der serbisch-montenegrinische\nStaat dort derzeit faktisch keine Machtbefugnisse inne hat. Indessen ist reine\nWortauslegung ("grammatische Methode") typischerweise schon fur sich genommen\nnur in Ausnahmefallen geeignet, den Inhalt einer Rechtsnorm sachgerecht zu\nbestimmen; dies gilt umso mehr bei Rechtsnormen des internationalen Rechts, in\ndie regelmaßig unterschiedlichstes Rechtsdenken einzufließen pflegt. Im\nvorliegenden Falle verfehlt eine Beschrankung auf die bloße Wortauslegung,\nohne dass dies grundsatzlicher Klarung bedurfte, ganz offensichtlich den\nsachlichen Regelungsgehalt von Art. 1 C Ziffer 5 GK. Wie sich insbesondere den\nErlauterungen zur Genfer Fluchtlingskonvention (vgl. Handbuch UNHCR, a.a.O.;\nvgl. dazu auch die Schweizerische Asylrekurskommission in ihrem Urteil vom\n05.07.2002) entnehmen lasst, soll nach der Rechtsauffassung des\nFluchtlingskommissars, die der Senat teilt, fur die Beendigung der\nFluchtlingseigenschaft nach Art. 1 C Ziffer 5 GK maßgeblich sein, dass\ninternationaler Schutz nicht mehr gewahrt werden soll, wo er nicht mehr\nerforderlich oder nicht mehr gerechtfertigt ist (Nr. 111 des Handbuchs), weil\ndie Grunde, die dazu fuhrten, dass jemand ein Fluchtling wurde, nicht mehr\nbestehen (Nr. 115). Unter Zugrundelegung dieses Schutzzwecks reicht somit aus,\ndass der Fluchtling in das Land seiner Staatsangehorigkeit zuruckkehren kann\nund dort vor der politischen Verfolgung, deretwegen er sein Heimatland\nverlassen hat, hinreichend sicher ist. Dieser Schutz muss nicht notwendig\ngerade durch die "Regierung" seines Heimatlandes (hier: des serbischen-\nmontenegrinischen Staates) gewahrt werden; vielmehr reicht es aus, wenn dieser\nSchutz auf Grund einer UN-Resolution fur eine Übergangszeit von einer von ihr\nlegitimierten Verwaltung gewahrleistet wird. Dies gilt umso mehr, wenn die\n"Regierung" des Heimatstaats - wie hier - der internationalen Prasenz\nausdrucklich zugestimmt hat (vgl. dazu Nr. 5 der Resolution 1244). Die\nRichtigkeit dieser Auffassung ergibt sich uberdies durch einen Vergleich mit\nZiffer 6 des Art. 1 C GK. Bei Staatenlosen wird darauf abgestellt, ob sie in\nder Lage sind, in das Land zuruck zu kehren, in dem sie ihren gewohnlichen\nAufenthalt hatten. Dies zeigt deutlich, dass es maßgeblich darauf ankommt, ob\ndem Fluchtling in dem Land seiner Herkunft Schutz gewahrt wird, nicht jedoch,\ndurch welche Schutzmacht. Eine solche Auslegung der Genfer\nFluchtlingskonvention ist um so mehr geboten, als bei Abschluss dieses\nAbkommens an Ausnahmefalle wie den vorliegenden, in dem Organisationen der\nVereinten Nationen im Machtbereich eines Staates fur diesen und mit dessen\nEinwilligung faktisch die Herrschaftsgewalt ausuben, nicht gedacht war. \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO, § 162 Abs. 3\nVwGO entsprechend sowie § 83 b Abs.1 AsylVfG. \n--- \n| 17 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG). \n---\n\n
135,388
lg-karlsruhe-2005-02-21-8-o-46004
135
Landgericht Karlsruhe
lg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
8 O 460/04
2005-02-21
2019-01-07 11:10:27
2019-01-17 11:55:25
Urteil
## Tenor\n\nI. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin 19.155,44 Euro zuzuglich 4\nProzentpunkte Zinsen uber dem Basiszinssatz seit 06.08.2004 zu bezahlen.\n\nII. Der Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\nIII. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 110 % des jeweils zu\nvollstreckenden Betrages vorlaufig vollstreckbar.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien streiten um die Abwicklung eines Leasingvertrages nach dessen\nvorzeitiger Beendigung. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Im Juni 2002 schlossen sie einen Leasingvertrag uber einen PKW BMW 330 ci\nauf die Dauer von 54 Monaten bei einer monatlichen Leasingrate von 594,83 Euro\nnetto. Dem Vertrag lagen die allgemeinen Geschaftsbedingungen der Klagerin zu\nGrunde. Wegen Zahlungsruckstandes nach Ziffer XIV. der AGB kundigte die\nKlagerin am 09.03.2004 das Leasingverhaltnis fristlos und verlangte Ruckgabe\ndes Fahrzeuges bis 15.03.2004. An diesem Tage bezahlte der Beklagte beim BMW-\nAutohaus U. in Karlsruhe zur Weiterleitung an die Klagerin 2.050 Euro, das ist\n20 Euro weniger als die damals ruckstandigen Leasingraten. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 22.04.2004 meldete sich bei der Klagerin eine Firma A. K. und teilte\nmit, der BMW sei von der rumanischen Polizei an der Grenze zur Ukraine\nsichergestellt worden. Die Firma K. bot an, das Fahrzeug fur ein Honorar von\n3.000 Euro zuruckzuholen. Sie ubermittelte der Klagerin zugleich die Kopie\neiner Vollmacht, die angeblich im Leasingfahrzeug gefunden worden sei und\nderzufolge der Beklagte den Fahrer ermachtigt haben soll, das Fahrzeug ins\nAusland zu verbringen und dort zu verkaufen. Die Vollmacht ist mit dem\nBeglaubigungsvermerk einer - tatsachlich nicht existenten - Notarin versehen.\nDie Klagerin erteilte am 26.04.2004 dem Zeugen K. Ruckholauftrag und\nerstattete Strafanzeige gegen den Beklagten. Der Zeuge ubergab das Fahrzeug am\n09.06.2004 dem Autohaus U. und erhielt das vereinbarte Honorar von 3.000 Euro\nzuzuglich Mehrwertsteuer. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Zuvor hatte sich der Beklagte erstmals wieder am 25.05.2004 bei der\nKlagerin gemeldet und den Leasingvertrag wegen Diebstahls des Fahrzeugs\nfristlos gekundigt. Der Beklagte war jedoch spatestens am 22.04.2004 uber den\n(behaupteten) Diebstahl informiert, denn er hatte ihn an diesem Tag bereits\ngegenuber seiner Versicherungsagentur angezeigt. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Klagerin ließ sodann das Fahrzeug durch einen Sachverstandigen der\nDEKRA schatzen, der zu einem Handler-Einkaufswert inklusive Mehrwertsteuer von\n20.200 Euro gelangte. Mit Schreiben vom 22.06.2004 gab die Klagerin dem\nBeklagten Gelegenheit, sich selbst oder einen Dritten als Kaufinteressent zu\neinem Preis uber dem gutachterlich ermittelten zu benennen. Binnen der\nzweiwochigen Frist meldete sich der Beklagte jedoch nicht. Die Klagerin, die\nuber keine eigene Verkaufsorganisation verfugt, veraußerte demzufolge das\nFahrzeug an das Autohaus U. zum ermittelten Handler- Einkaufspreis. Zum\nregularen Vertragsende am 01.01.2007 hatte die Klagerin bei Einhaltung der\nvereinbarten Fahrleistung und Ruckgabe des Fahrzeugs in vertragsgemaßem\nZustand einen Verkaufserlos in Hohe von mindestens 17.715, 26 Euro erzielt.\nFur das DEKRA - Gutachten wendete die Klagerin 115,36 Euro auf. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Klagerin meint, ihr Anspruch sei korrekt berechnet. Insbesondere beruhe\ndie Berechnung auf zutreffend angenommenem Schatzwert des Fahrzeugs. Bei\ndessen Verwertung habe sie nicht gegen ihre Sorgfaltspflichten verstoßen. Der\nLeasingvertrag sei bereits durch die von ihr ausgesprochene Kundigung beendet\nworden; zu einer Fortsetzung uber den 15.03.2004 hinaus sei es nicht gekommen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Sie beantragt \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| wie ausgeurteilt. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Beklagte beantragt \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Klagabweisung \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Er tragt vor, der Leasingvertrag sei im Anschluss an die klagerische\nKundigung fortgesetzt worden. Im Rahmen der Zahlung der 2.050 Euro im Autohaus\nU. habe ihm ein dortiger Mitarbeiter nach telefonischer Rucksprache bei der\nKlagerin erklart, die Angelegenheit sei erledigt und er konne das Fahrzeug\nwieder mitnehmen. Die Klagerin habe auch - insoweit unstreitig - in der Folge\nkeine Ruckgabe des Fahrzeugs mehr verlangt und vielmehr versucht, die\nLeasingraten von seinem Konto abzubuchen. Das Fahrzeug sei ihm dann wahrend\nseines Urlaubs am 21. oder 22.04.2004 gestohlen worden. Die Klagerin habe das\nFahrzeug weit unter Wert weiterverkauft; tatsachlich habe der\nHandlereinkaufswert bei brutto 22.000 Euro gelegen. Der Beklagte ist der\nMeinung, die in den AGB der Klagerin fur das „Leasing Extra" vorgesehenen\nBedingungen trafen im vorliegenden Fall zu, weswegen er die Differenz zwischen\nAblosewert und Wiederbeschaffungswert nicht bezahlen musse. Schließlich habe\ndie Klagerin bei der Ruckholung des Fahrzeugs pflichtwidrig und nicht im\nInteresse des Beklagten gehandelt. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Im Übrigen wird verwiesen auf die gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen\nsowie die Sitzungsniederschrift vom 11.01.2005. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 13 \n--- \n| Die zulassige Klage ist in der Sache begrundet. Die Klagerin hat nach der\nvorzeitigen Beendigung des Leasingvertrages eine korrekte Abrechnung\nvorgenommen, ihr stehen auch die sonstigen Anspruche gegen den Beklagten zu. \n--- \n--- \nI. \n--- \n--- \n1. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Klagerin stehen die Leasingraten bis zur tatsachlichen Ruckgabe des\nFahrzeugs am 09.06.2004 zu. Unstreitig hat der Beklagte fur Marz 2004 20 Euro\nzu wenig bezahlt. Fur April und Mai 2004 schuldet er noch 1.380 Euro, fur den\nTeilmonat Juni 207 Euro. Hierbei ist zu berucksichtigen, dass der Beklagte\nselbst vortragt, der Vertag habe nach Kundigung durch die Klagerin zunachst\nfortbestanden. Aber auch bei einer Beendigung des Vertrages auf Grund der\nklagerischen Kundigung vom Marz 2004 konnte die Klagerin die Leasingraten bis\nzur tatsachlichen Ruckgabe weiterhin verlangen. Dies ergibt sich entweder als\nvertraglicher Erfullungsanspruch, jedenfalls aber als Schadensersatzanspruch\nin gleicher Hohe als Mindestschaden auf Grund des Verstoßes des Beklagten\ngegen die Ruckgabeverpflichtung aus Ziffer XVI. 1 AGB. Dementsprechend kann\ndie Klagerin die Abrechnung gem. Ziffer XV AGB erst ab Ruckgabe des Fahrzeugs\ndurchfuhren. \n--- \n--- \n2. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Klagerin steht auch die von ihr berechnete Differenz zwischen\nAblosewert und Verkaufserlos zu. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| a) Auszugehen ist vom Grundsatz der so genannten „Vollamortisation" (BGH\nNJW 1996, 2860; standige Rechtsprechung). Danach kann der Leasinggeber\ngrundsatzlich den kalkulierten Restwert des Fahrzeugs abzuglich des\nVeraußerungserloses verlangen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| b) Auf diesen Anspruch hat die Klagerin auch nicht nach den Bedingungen des\nso genannten „Leasing Extra" verzichtet. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Nach dieser auf Seite 2 des Privatleasing-Antrages aufgedruckten und in den\nAGB naher bestimmten Klausel verzichtet der Leasinggeber im Fall eines\nDiebstahls oder Totalschadens auf die Differenz zwischen Ablosewert und\nWiederbeschaffungswert, wenn letzterer binnen drei Monaten ab Schadenstag bei\nihm eingeht. Dies soll nicht gelten, wenn fur das Fahrzeug Kasko-\nVersicherungsschutz mit einer Neupreisregulierungsklausel besteht. Die Klausel\nsteht in Zusammenhang mit X. 1 AGB, wonach der Leasingnehmer eine\nFahrzeugvollversicherung mit einer Selbstbeteiligung von hochstens 1.000 Euro\nabzuschließen hat. Bei Totalschaden oder Verlust des Fahrzeuges kann jeder\nVertragspartner den Leasingvertrag kundigen. Taucht das Fahrzeug wieder auf,\nkonnen beide Seiten die Fortsetzung des Vertrages zu den bisherigen\nBedingungen verlangen. Wirtschaftlicher Hintergrund des „Leasing Extra" ist,\ndass viele Kasko-Versicherer bei Verlust des Versicherungsgegenstandes nur\nnoch den Wiederbeschaffungswert und nicht den Neupreis erstatten. Diese\nDifferenz soll nach den Bedingungen des „Leasing Extra" nicht zu Lasten des\nLeasingnehmers gehen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Nach Auffassung des Gerichts geht aus der Klausel mit hinreichender\nKlarheit hervor, dass sie nur fur Falle gilt, in denen das Fahrzeug\nTotalschaden erlitten hat oder endgultig verschwunden ist. Denn nur in diesem\nFall tritt die Kaskoversicherung uberhaupt ein. Der Zusammenhang zwischen der\nKasko-Versicherung und dem Eingreifen des „Leasing Extra" wird in der Klausel\ndeutlich erkennbar dargestellt, zumal dem Leasingnehmer auf Grund der Regelung\nX. 1 AGB die Verpflichtung zum Abschluss der Kasko-Versicherung bewusst ist.\nDanach gibt „Leasing Extra" dem Leasingnehmer ein zusatzliches Recht, dessen\nBeschrankung auf eine bestimmte Fallkonstellation ihn schon deswegen nicht\nunangemessen benachteiligen kann. Auch besteht kein Konflikt mit zwingendem\nGesetzesrecht. Der Leasingnehmer steht auch nicht dann schlechter, wenn das\nFahrzeug wieder aufgefunden wird, als wenn es dauerhaft verschwunden ist. Er\nkann namlich in diesem Fall nach der bereits zitierten Klausel die Fortsetzung\ndes Vertrages zu den bisherigen Bedingungen verlangen. Da die Klausel aber\nlediglich eine Besserstellung des Leasingnehmers bewirkt, steht es im Belieben\ndes Leasinggebers, durch klar verstandliche Formulierungen den\nAnwendungsbereich der Klausel auf bestimmte Fallkonstellationen zu\nbeschranken, wie es vorliegend geschehen ist. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| c) Die Klagerin hat bei ihrer Berechnung korrekt auf den Tag der\nFahrzeugruckgabe abgestellt. Dabei gilt, dass die Forderung des Leasinggebers\num so niedriger ist, je fruher der entsprechende Stichtag gewahlt wird, denn\nder Ausgleichsanspruch ist niedriger als die Leasingrate bei fortbestehendem\nVertrag, da dem Leasingnehmer ja nur im letzterem Fall das Fahrzeug weiterhin\nzur Verfugung steht. Die Frage, wem das Fahrzeug zur Verfugung steht,\nentscheidet dabei zugleich uber die Art und Weise der Abrechnung. Erst wenn\nder Leasinggeber die Moglichkeit hat, das Fahrzeug zu verwerten, kann er\ngezwungen sein, die genau an diese Moglichkeit geknupfte Berechnungsweise\nanzuwenden. Schon deshalb ist in jedem Fall bei der Berechnung auf den\nStichtag der Fahrzeug-Ruckgabe abzustellen und nicht etwa auf den Zeitpunkt\nder Wirksamkeit der Kundigung (hier: durch die Klagerin). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Daruber hinaus ist der Beklagte wegen des Verbots widerspruchlichen\nVerhaltens daran gehindert, sich darauf zu berufen, ab der Kundigung durch die\nKlagerin bis zum 09.06.2004 hatte nur der niedrigere Ausgleichsanspruch\ngeltend gemacht werden durfen, denn es hatte am Beklagten gelegen, das\nFahrzeug punktlich zuruckzugeben. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| d) Die Behauptung des Beklagten, der Vertrag sei uber die Kundigung durch\ndie Klagerin hinaus fortgesetzt worden, kann dahinstehen: Da die Konditionen\ndes „Leasing Extra" nicht gelten, kommt es auf den Eingang des\nWiederbeschaffungswertes (der ohnehin nicht identisch ist mit dem von der\nKlagerin erzielten Handlereinkaufspreis) nicht an. Es ist auch nicht von\nRelevanz, durch wessen Kundigung der Vertrag aufgelost wurde, da sich die\nRechtsfolgen in jedem Fall aus dem Prinzip der Vollamortisation bezogen auf\nden Tag der Ruckgabe des Fahrzeugs ergeben. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| e) Die Klagerin hat ihre Forderung auch insoweit zutreffend berechnet, als\nsie den Schatzwert aus dem DEKRA-Gutachten eingestellt hat. Sie hat damit\nihrer Pflicht zur bestmoglichen Verwertung des Leasingfahrzeuges genugt. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die AGB regeln hierzu in Ziffer XV. 2, dass der Leasinggeber durch einen\nunabhangigen Sachverstandigen den Abgabepreis an den gewerblichen Handel\nschatzen lasst, wobei die Kosten dieses Gutachtens beide Seiten je zur Halfte\ntragen und die Schatzung verbindlich sein soll. Danach soll der Leasinggeber\ndem Leasingnehmer die Gelegenheit geben, binnen zwei Wochen einen\nKaufinteressenten zu benennen, der einen hoheren Preis zu zahlen bereit ist.\nDiese Frist kann aus wichtigem Grund um weitere zwei Wochen verlangert werden.\nMit dieser Konstruktion tragen beide Seiten ein gleich hohes Risiko, dass sich\nder Sachverstandige in eine Richtung irrt und den Wert des Fahrzeuges entweder\nzu hoch oder zu niedrig annimmt. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Gleichwohl konnte der erste Teil der Klausel insofern Bedenken begegnen,\nals der Leasingnehmer an die Schatzung des Handlereinkaufspreises gebunden\nwird. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1997, 3167) entspricht eine\nVerwertung zu diesem Preis nicht unbedingt der geforderten bestmoglichen\nVerwertung des Leasingobjekts. Jedoch hat die Klagerin den Beklagten die in\nden AGB vorgesehene Moglichkeit gewahrt, das Fahrzeug zu einem Preis uber dem\nSchatzwert selbst zu erwerben oder einen erwerbswilligen Dritten zu benennen.\nWare danach der Beklagte der Auffassung gewesen, dass das Fahrzeug vom\nSachverstandigen zu gering bewertet wurde, hatte er es erwerben konnen, wobei\ner lediglich einen geringfugig hoheren Preis als den Schatzwert hatte bieten\nmussen; er hatte es dann zum von ihm angenommenen hoheren tatsachlichen\nMarktwert weiter veraußern konnen. Dafur wurde dem Beklagten eine zumutbare\nFrist von zwei Wochen, die auf insgesamt vier Wochen verlangerbar war,\neingeraumt, binnen derer er jedoch nicht reagiert hat. Nachdem der Beklagte\nvon dieser Moglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, kommt es auf seinen\nVortrag, das Gutachten der DEKRA sei falsch, nicht an. \n--- \n--- \n3. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Gemaß Ziffer XV. 2 AGB schuldet der Beklagte die Halfte der angefallenen\nGutachterkosten. Die Klausel ist wirksam, dient doch die Ermittlung des\nFahrzeugwertes im Zeitpunkt der Ruckgabe auch dem Interesse des Leasingnehmers\n(BGH a.a.O.). \n--- \n--- \n4. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Schließlich schuldet der Beklagte auch die der Klagerin entstandenen\nRuckholkosten. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Dabei kann dahinstehen, ob sich dies schon unter dem Gesichtspunkt des\nVerzugs wegen nicht fristgerechter Ruckgabe des Fahrzeugs ergibt. Jedenfalls\nberuht ein entsprechender Anspruch der Klagerin auf Geschaftsfuhrung ohne\nAuftrag gem. den §§ 683, 670 BGB. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Da die Klagerin mit dem Beklagten im Zeitpunkt der Mitteilung des Zeugen K.\nkeinen Kontakt hatte und sich der Beklagte entgegen seiner (wirksamen)\nvertraglichen Verpflichtung, sich bei der Klagerin zu melden (X. 2 AGB), nicht\nmit der Klagerin in Verbindung setzte, blieb dieser nichts anderes ubrig, als,\nauf den mutmaßlichen Willen des Beklagten abstellend, eine Entscheidung zu\ntreffen, die auch dessen Interessen am ehesten gerecht wurde. Der mutmaßliche\nWille ist dabei nicht der subjektive des Geschaftsfuhrers, sondern derjenige,\nden der Geschaftsherr (also der Beklagte) bei objektiver Beurteilung aller\nUmstande im Zeitpunkt der Übernahme geaußert haben wurde (vgl. OLG Munchen\nNJW-RR 1988, 1013). Mangels anderer Anhaltspunkte deckt sich der mutmaßliche\nWille mit dem Interesse des Geschaftsherrn (BGHZ 47, 370, 374). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Da sich der Beklagte im entscheidenden Zeitpunkt nicht unverzuglich,\nsondern erst uber einen Monat spater (!) bei der Klagerin gemeldet hatte, lag\ndieser nur die Mitteilung der Firma K. vom 22.04.2004 vor, wonach sie von\neiner versuchten Unterschlagung des Fahrzeugs ausgehen musste. Nach Auskunft\nder Firma K. vom Folgetag war schnelles Handeln angezeigt. Eine sofortige\nMeldung bei der Klagerin ware dem Beklagten ubrigens moglich gewesen, der\nimmerhin am 22.04.2004 bereits seine Versicherungsagentur uber den angeblichen\nDiebstahl informierte. Unter diesen Umstanden entsprach es aus objektivierter\nex-ante-Sicht der Klagerin dem mutmaßlichen Willen und Interesse des\nBeklagten, das Fahrzeug schnellstmoglich zuruckzuholen. Die Klagerin konnte\nnicht wissen, was der Beklagte spater vorgetragen hat, dass er namlich bereit\ngewesen ware, das Fahrzeug selbst zuruckzufuhren. Dabei ist ohnehin vollig\noffen, ob ihm dies gelungen ware, und es kann dahinstehen, ob die Klagerin auf\nein entsprechendes Angebot von ihm hatte eingehen mussen. Nachdem die Klagerin\nauch auf Grund der vorgelegten (gefalschten) Vollmacht von einem strafbaren\nHandeln des Beklagten ausgehen durfte, ware sie jedenfalls kaum gehalten\ngewesen, den Beklagten selbst mit einer Ruckfuhrung zu beauftragen.\nVerlassliche Anhaltspunkte, dass sie noch Zeit zum Überlegen und Ermitteln\ngehabt hatte, hatte die Klagerin im damaligen Zeitpunkt nicht und sind auch\nvom Beklagten nicht vorgetragen; sie konnte auch nicht abwarten, bis die\nPolizei vielleicht eingegriffen hatte. Damit entfallt zugleich ein Verstoß der\nKlagerin gegen § 681 BGB, also die Verpflichtung des Geschaftsfuhrers, die\nGeschaftsfuhrung dem Geschaftsherrn anzuzeigen und dessen Entschließung\nabzuwarten. Mit dem Aufschub ware namlich Gefahr verbunden gewesen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Dass die Firma K. eventuell selbst betrugerisch aufgetreten ist, wofur etwa\ndie Vorlage einer gefalschten Vollmacht sprechen kann, gebietet keine andere\nBewertung. Die Klagerin konnte hierzu namlich keinerlei kurzfristige\nFeststellungen treffen. Die Vollmacht war jedenfalls nicht fur den Laien\noffensichtlich gefalscht, was auch vom Beklagten nicht behauptet wird. Im\nZeitpunkt der Übernahme war die Geschaftsfuhrung jedenfalls im Interesse des\nBeklagten. Deswegen kommt es darauf, ob die Firma K. tatsachlich zuverlassig\nund erfahren ist, nicht an. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die jedenfalls nicht von vornherein uberhoht erscheinenden Aufwendungen von\n3.000 Euro plus Mehrwertsteuer durfte danach die Klagerin im Sinne von § 670\nBGB fur erforderlich halten. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Der Beklagte schuldet Verzugszinsen in beantragter Hohe auf Grund der\nMahnung vom 26.07.2004. \n--- \n--- \nIII. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Entscheidung uber die Kosten beruht auf § 91 ZPO, diejenige uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 13 \n--- \n| Die zulassige Klage ist in der Sache begrundet. Die Klagerin hat nach der\nvorzeitigen Beendigung des Leasingvertrages eine korrekte Abrechnung\nvorgenommen, ihr stehen auch die sonstigen Anspruche gegen den Beklagten zu. \n--- \n--- \nI. \n--- \n--- \n1. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Klagerin stehen die Leasingraten bis zur tatsachlichen Ruckgabe des\nFahrzeugs am 09.06.2004 zu. Unstreitig hat der Beklagte fur Marz 2004 20 Euro\nzu wenig bezahlt. Fur April und Mai 2004 schuldet er noch 1.380 Euro, fur den\nTeilmonat Juni 207 Euro. Hierbei ist zu berucksichtigen, dass der Beklagte\nselbst vortragt, der Vertag habe nach Kundigung durch die Klagerin zunachst\nfortbestanden. Aber auch bei einer Beendigung des Vertrages auf Grund der\nklagerischen Kundigung vom Marz 2004 konnte die Klagerin die Leasingraten bis\nzur tatsachlichen Ruckgabe weiterhin verlangen. Dies ergibt sich entweder als\nvertraglicher Erfullungsanspruch, jedenfalls aber als Schadensersatzanspruch\nin gleicher Hohe als Mindestschaden auf Grund des Verstoßes des Beklagten\ngegen die Ruckgabeverpflichtung aus Ziffer XVI. 1 AGB. Dementsprechend kann\ndie Klagerin die Abrechnung gem. Ziffer XV AGB erst ab Ruckgabe des Fahrzeugs\ndurchfuhren. \n--- \n--- \n2. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Klagerin steht auch die von ihr berechnete Differenz zwischen\nAblosewert und Verkaufserlos zu. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| a) Auszugehen ist vom Grundsatz der so genannten „Vollamortisation" (BGH\nNJW 1996, 2860; standige Rechtsprechung). Danach kann der Leasinggeber\ngrundsatzlich den kalkulierten Restwert des Fahrzeugs abzuglich des\nVeraußerungserloses verlangen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| b) Auf diesen Anspruch hat die Klagerin auch nicht nach den Bedingungen des\nso genannten „Leasing Extra" verzichtet. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Nach dieser auf Seite 2 des Privatleasing-Antrages aufgedruckten und in den\nAGB naher bestimmten Klausel verzichtet der Leasinggeber im Fall eines\nDiebstahls oder Totalschadens auf die Differenz zwischen Ablosewert und\nWiederbeschaffungswert, wenn letzterer binnen drei Monaten ab Schadenstag bei\nihm eingeht. Dies soll nicht gelten, wenn fur das Fahrzeug Kasko-\nVersicherungsschutz mit einer Neupreisregulierungsklausel besteht. Die Klausel\nsteht in Zusammenhang mit X. 1 AGB, wonach der Leasingnehmer eine\nFahrzeugvollversicherung mit einer Selbstbeteiligung von hochstens 1.000 Euro\nabzuschließen hat. Bei Totalschaden oder Verlust des Fahrzeuges kann jeder\nVertragspartner den Leasingvertrag kundigen. Taucht das Fahrzeug wieder auf,\nkonnen beide Seiten die Fortsetzung des Vertrages zu den bisherigen\nBedingungen verlangen. Wirtschaftlicher Hintergrund des „Leasing Extra" ist,\ndass viele Kasko-Versicherer bei Verlust des Versicherungsgegenstandes nur\nnoch den Wiederbeschaffungswert und nicht den Neupreis erstatten. Diese\nDifferenz soll nach den Bedingungen des „Leasing Extra" nicht zu Lasten des\nLeasingnehmers gehen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Nach Auffassung des Gerichts geht aus der Klausel mit hinreichender\nKlarheit hervor, dass sie nur fur Falle gilt, in denen das Fahrzeug\nTotalschaden erlitten hat oder endgultig verschwunden ist. Denn nur in diesem\nFall tritt die Kaskoversicherung uberhaupt ein. Der Zusammenhang zwischen der\nKasko-Versicherung und dem Eingreifen des „Leasing Extra" wird in der Klausel\ndeutlich erkennbar dargestellt, zumal dem Leasingnehmer auf Grund der Regelung\nX. 1 AGB die Verpflichtung zum Abschluss der Kasko-Versicherung bewusst ist.\nDanach gibt „Leasing Extra" dem Leasingnehmer ein zusatzliches Recht, dessen\nBeschrankung auf eine bestimmte Fallkonstellation ihn schon deswegen nicht\nunangemessen benachteiligen kann. Auch besteht kein Konflikt mit zwingendem\nGesetzesrecht. Der Leasingnehmer steht auch nicht dann schlechter, wenn das\nFahrzeug wieder aufgefunden wird, als wenn es dauerhaft verschwunden ist. Er\nkann namlich in diesem Fall nach der bereits zitierten Klausel die Fortsetzung\ndes Vertrages zu den bisherigen Bedingungen verlangen. Da die Klausel aber\nlediglich eine Besserstellung des Leasingnehmers bewirkt, steht es im Belieben\ndes Leasinggebers, durch klar verstandliche Formulierungen den\nAnwendungsbereich der Klausel auf bestimmte Fallkonstellationen zu\nbeschranken, wie es vorliegend geschehen ist. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| c) Die Klagerin hat bei ihrer Berechnung korrekt auf den Tag der\nFahrzeugruckgabe abgestellt. Dabei gilt, dass die Forderung des Leasinggebers\num so niedriger ist, je fruher der entsprechende Stichtag gewahlt wird, denn\nder Ausgleichsanspruch ist niedriger als die Leasingrate bei fortbestehendem\nVertrag, da dem Leasingnehmer ja nur im letzterem Fall das Fahrzeug weiterhin\nzur Verfugung steht. Die Frage, wem das Fahrzeug zur Verfugung steht,\nentscheidet dabei zugleich uber die Art und Weise der Abrechnung. Erst wenn\nder Leasinggeber die Moglichkeit hat, das Fahrzeug zu verwerten, kann er\ngezwungen sein, die genau an diese Moglichkeit geknupfte Berechnungsweise\nanzuwenden. Schon deshalb ist in jedem Fall bei der Berechnung auf den\nStichtag der Fahrzeug-Ruckgabe abzustellen und nicht etwa auf den Zeitpunkt\nder Wirksamkeit der Kundigung (hier: durch die Klagerin). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Daruber hinaus ist der Beklagte wegen des Verbots widerspruchlichen\nVerhaltens daran gehindert, sich darauf zu berufen, ab der Kundigung durch die\nKlagerin bis zum 09.06.2004 hatte nur der niedrigere Ausgleichsanspruch\ngeltend gemacht werden durfen, denn es hatte am Beklagten gelegen, das\nFahrzeug punktlich zuruckzugeben. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| d) Die Behauptung des Beklagten, der Vertrag sei uber die Kundigung durch\ndie Klagerin hinaus fortgesetzt worden, kann dahinstehen: Da die Konditionen\ndes „Leasing Extra" nicht gelten, kommt es auf den Eingang des\nWiederbeschaffungswertes (der ohnehin nicht identisch ist mit dem von der\nKlagerin erzielten Handlereinkaufspreis) nicht an. Es ist auch nicht von\nRelevanz, durch wessen Kundigung der Vertrag aufgelost wurde, da sich die\nRechtsfolgen in jedem Fall aus dem Prinzip der Vollamortisation bezogen auf\nden Tag der Ruckgabe des Fahrzeugs ergeben. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| e) Die Klagerin hat ihre Forderung auch insoweit zutreffend berechnet, als\nsie den Schatzwert aus dem DEKRA-Gutachten eingestellt hat. Sie hat damit\nihrer Pflicht zur bestmoglichen Verwertung des Leasingfahrzeuges genugt. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die AGB regeln hierzu in Ziffer XV. 2, dass der Leasinggeber durch einen\nunabhangigen Sachverstandigen den Abgabepreis an den gewerblichen Handel\nschatzen lasst, wobei die Kosten dieses Gutachtens beide Seiten je zur Halfte\ntragen und die Schatzung verbindlich sein soll. Danach soll der Leasinggeber\ndem Leasingnehmer die Gelegenheit geben, binnen zwei Wochen einen\nKaufinteressenten zu benennen, der einen hoheren Preis zu zahlen bereit ist.\nDiese Frist kann aus wichtigem Grund um weitere zwei Wochen verlangert werden.\nMit dieser Konstruktion tragen beide Seiten ein gleich hohes Risiko, dass sich\nder Sachverstandige in eine Richtung irrt und den Wert des Fahrzeuges entweder\nzu hoch oder zu niedrig annimmt. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Gleichwohl konnte der erste Teil der Klausel insofern Bedenken begegnen,\nals der Leasingnehmer an die Schatzung des Handlereinkaufspreises gebunden\nwird. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1997, 3167) entspricht eine\nVerwertung zu diesem Preis nicht unbedingt der geforderten bestmoglichen\nVerwertung des Leasingobjekts. Jedoch hat die Klagerin den Beklagten die in\nden AGB vorgesehene Moglichkeit gewahrt, das Fahrzeug zu einem Preis uber dem\nSchatzwert selbst zu erwerben oder einen erwerbswilligen Dritten zu benennen.\nWare danach der Beklagte der Auffassung gewesen, dass das Fahrzeug vom\nSachverstandigen zu gering bewertet wurde, hatte er es erwerben konnen, wobei\ner lediglich einen geringfugig hoheren Preis als den Schatzwert hatte bieten\nmussen; er hatte es dann zum von ihm angenommenen hoheren tatsachlichen\nMarktwert weiter veraußern konnen. Dafur wurde dem Beklagten eine zumutbare\nFrist von zwei Wochen, die auf insgesamt vier Wochen verlangerbar war,\neingeraumt, binnen derer er jedoch nicht reagiert hat. Nachdem der Beklagte\nvon dieser Moglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, kommt es auf seinen\nVortrag, das Gutachten der DEKRA sei falsch, nicht an. \n--- \n--- \n3. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Gemaß Ziffer XV. 2 AGB schuldet der Beklagte die Halfte der angefallenen\nGutachterkosten. Die Klausel ist wirksam, dient doch die Ermittlung des\nFahrzeugwertes im Zeitpunkt der Ruckgabe auch dem Interesse des Leasingnehmers\n(BGH a.a.O.). \n--- \n--- \n4. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Schließlich schuldet der Beklagte auch die der Klagerin entstandenen\nRuckholkosten. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Dabei kann dahinstehen, ob sich dies schon unter dem Gesichtspunkt des\nVerzugs wegen nicht fristgerechter Ruckgabe des Fahrzeugs ergibt. Jedenfalls\nberuht ein entsprechender Anspruch der Klagerin auf Geschaftsfuhrung ohne\nAuftrag gem. den §§ 683, 670 BGB. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Da die Klagerin mit dem Beklagten im Zeitpunkt der Mitteilung des Zeugen K.\nkeinen Kontakt hatte und sich der Beklagte entgegen seiner (wirksamen)\nvertraglichen Verpflichtung, sich bei der Klagerin zu melden (X. 2 AGB), nicht\nmit der Klagerin in Verbindung setzte, blieb dieser nichts anderes ubrig, als,\nauf den mutmaßlichen Willen des Beklagten abstellend, eine Entscheidung zu\ntreffen, die auch dessen Interessen am ehesten gerecht wurde. Der mutmaßliche\nWille ist dabei nicht der subjektive des Geschaftsfuhrers, sondern derjenige,\nden der Geschaftsherr (also der Beklagte) bei objektiver Beurteilung aller\nUmstande im Zeitpunkt der Übernahme geaußert haben wurde (vgl. OLG Munchen\nNJW-RR 1988, 1013). Mangels anderer Anhaltspunkte deckt sich der mutmaßliche\nWille mit dem Interesse des Geschaftsherrn (BGHZ 47, 370, 374). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Da sich der Beklagte im entscheidenden Zeitpunkt nicht unverzuglich,\nsondern erst uber einen Monat spater (!) bei der Klagerin gemeldet hatte, lag\ndieser nur die Mitteilung der Firma K. vom 22.04.2004 vor, wonach sie von\neiner versuchten Unterschlagung des Fahrzeugs ausgehen musste. Nach Auskunft\nder Firma K. vom Folgetag war schnelles Handeln angezeigt. Eine sofortige\nMeldung bei der Klagerin ware dem Beklagten ubrigens moglich gewesen, der\nimmerhin am 22.04.2004 bereits seine Versicherungsagentur uber den angeblichen\nDiebstahl informierte. Unter diesen Umstanden entsprach es aus objektivierter\nex-ante-Sicht der Klagerin dem mutmaßlichen Willen und Interesse des\nBeklagten, das Fahrzeug schnellstmoglich zuruckzuholen. Die Klagerin konnte\nnicht wissen, was der Beklagte spater vorgetragen hat, dass er namlich bereit\ngewesen ware, das Fahrzeug selbst zuruckzufuhren. Dabei ist ohnehin vollig\noffen, ob ihm dies gelungen ware, und es kann dahinstehen, ob die Klagerin auf\nein entsprechendes Angebot von ihm hatte eingehen mussen. Nachdem die Klagerin\nauch auf Grund der vorgelegten (gefalschten) Vollmacht von einem strafbaren\nHandeln des Beklagten ausgehen durfte, ware sie jedenfalls kaum gehalten\ngewesen, den Beklagten selbst mit einer Ruckfuhrung zu beauftragen.\nVerlassliche Anhaltspunkte, dass sie noch Zeit zum Überlegen und Ermitteln\ngehabt hatte, hatte die Klagerin im damaligen Zeitpunkt nicht und sind auch\nvom Beklagten nicht vorgetragen; sie konnte auch nicht abwarten, bis die\nPolizei vielleicht eingegriffen hatte. Damit entfallt zugleich ein Verstoß der\nKlagerin gegen § 681 BGB, also die Verpflichtung des Geschaftsfuhrers, die\nGeschaftsfuhrung dem Geschaftsherrn anzuzeigen und dessen Entschließung\nabzuwarten. Mit dem Aufschub ware namlich Gefahr verbunden gewesen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Dass die Firma K. eventuell selbst betrugerisch aufgetreten ist, wofur etwa\ndie Vorlage einer gefalschten Vollmacht sprechen kann, gebietet keine andere\nBewertung. Die Klagerin konnte hierzu namlich keinerlei kurzfristige\nFeststellungen treffen. Die Vollmacht war jedenfalls nicht fur den Laien\noffensichtlich gefalscht, was auch vom Beklagten nicht behauptet wird. Im\nZeitpunkt der Übernahme war die Geschaftsfuhrung jedenfalls im Interesse des\nBeklagten. Deswegen kommt es darauf, ob die Firma K. tatsachlich zuverlassig\nund erfahren ist, nicht an. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die jedenfalls nicht von vornherein uberhoht erscheinenden Aufwendungen von\n3.000 Euro plus Mehrwertsteuer durfte danach die Klagerin im Sinne von § 670\nBGB fur erforderlich halten. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Der Beklagte schuldet Verzugszinsen in beantragter Hohe auf Grund der\nMahnung vom 26.07.2004. \n--- \n--- \nIII. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Entscheidung uber die Kosten beruht auf § 91 ZPO, diejenige uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO. \n--- \n---\n\n
135,460
ag-reutlingen-2006-02-21-8-c-73105
81
Amtsgericht Reutlingen
ag-reutlingen
Reutlingen
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
8 C 731/05
2006-02-21
2019-01-07 11:11:30
2019-01-17 11:55:30
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Beklagte wird verurteilt, an den Klager 3.720,18 EUR nebst Zinsen in\nHohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit 11.08.2005 nebst\nvorgerichtliche Kosten in Hohe von 165,71 EUR zu bezahlen.\n\n2\\. Die Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n3\\. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 4.500,00 EUR\nvorlaufig vollstreckbar.\n\nStreitwert: 3.720,00 EUR\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien streiten um Gewahrleistungsanspruche aus einem\nGebrauchtwagenkauf. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Am 13./21.09.2004 schlossen die Parteien einen Kaufvertrag uber einen\ngebrauchten Pkw VW Passat mit 55.674 km und Erstzulassung 30.04.2001. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Neben dem Kaufvertrag vom 13./21.09.2004 schlossen die Parteien am\n21.09.2004 eine Gebrauchtwagengarantie entsprechend der Garantievereinbarung\n(Blatt 91 der Akten) und der dazugehorigen Garantiebedingungen, wobei die\nGarantie durch die ...-C-G-Versicherungs-AG als Garantiegeber versichert\nworden ist. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Klager behauptet, am 04.03.2005 habe er, nachdem das Fahrzeug ca.\n12.000 km ohne Beanstandung gefahren worden sei, beim Ruckwartsfahren Probleme\nfestgestellt. Es liege ein defektes Getriebe vor, ein Ruckwartsfahren unter\nLast sei nicht mehr moglich. Ein Schalt- oder Bedienungsfehler scheide ebenso\naus wie Überbeanspruchung, vielmehr sei Ursache eine fehlerhafte Montage oder\nein Materialfehler. Dass der Mangel bei Übergabe des Fahrzeugs vorhanden\ngewesen sei, werde gemaß § 476 BGB vermutet. Die Beklagte schulde nach\nAblehnung der Nachbesserung Schadensersatz in Hohe der Aufwendungen fur die\nReparatur des Getriebeschadens von insgesamt 3.720,18 EUR. Neben den\nerforderlichen Reparaturkosten auf der Grundlage des Gutachtens gemaß Rechnung\ndes Autoforums Neubrandenburg vom 11.08.2005 uber 2.944,02 EUR seien die vom\nKlager ausgelegten erforderlichen Kosten der Zerlegung des Getriebes\nanlasslich der Begutachtung durch den Sachverstandigen gemaß Rechnung des\nAutoforums N vom 04.08.2005 uber 407,16 EUR sowie Nutzungsausfall fur die\nReparaturzeit vom 04. bis 11.08.2005 nebst Unkostenpauschale zu ersetzen.\nEinwendungen wegen der Gebrauchtwagengarantie konne die Beklagte dem Anspruch\nnicht entgegenhalten, zumal es unzulassig sei, die Garantie von der\nDurchfuhrung von Wartungsarbeiten in einer Vertragswerkstatt abhangig zu\nmachen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| 1\\. die Beklagte kostenpflichtig und vorlaufig vollstreckbar zu\nverurteilen, an den Klager 3.720,18 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen uber den\nZins gemaß § 247 BGB seit dem 11.08.2005 zu zahlen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| 2\\. Die Beklagte wird verurteilt, vorgerichtliche Mahnauslagen des Klagers\ngemaß Vorbemerkung 3 zu Teil 3 RVG in Hohe von 165,71 EUR an diesen zu zahlen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Sie ist der Auffassung, dass, sofern uberhaupt der bestrittene Mangel\nvorliege, dieser aus der Sphare des Klagers stamme, z. B. in Folge\nÜberbeanspruchung. Bei Übergabe des Fahrzeugs im September 2004 sei das\nFahrzeug in Ordnung gewesen, Indiz hierfur sei, dass der Klager 12.000 km mit\ndem Fahrzeug gefahren sei. Den Klager treffe ein Verstoß gegen die\nSchadensminderungspflicht, weil eine Regulierung uber die\nGebrauchtwagengarantie nur daran gescheitert sei, dass er entgegen den\nPflichten aus dem Garantievertrag die Wartung nicht bei einer autorisierten\nVertragswerkstatt, sondern beim B-Dienst habe durchfuhren lassen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen\nGutachtens zum behaupteten Getriebeschaden. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des\nSachverstandigen S B vom 31.08.2005 verwiesen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf die gewechselten\nSchriftsatze der Parteien nebst der eingereichten Anlagen Bezug genommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Die zulassige Klage ist begrundet. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Dem Klager steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch gemaß §§ 437\nNr. 3, 434, 280 BGB in Hohe von 3.720,18 EUR nebst Zinsen und Kosten zu. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das\nFahrzeug einen Fehler des Getriebes beim Ruckwartsfahren aufweist, der auf\neinen Material- oder Montage-Fehler des Getriebes zuruckzufuhren ist, und der\nsich am 04.03.2005 erstmalig gezeigt hat bzw. bereits beim Kauf am 21.09.2004\nvorgelegen hat; insoweit kommt dem Klager daruber hinaus die Vermutungswirkung\ndes § 476 BGB zu Gute. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| In Folge des damit vorliegenden Sachmangels i. S. von § 434 BGB steht dem\nKlager, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 21.03.2005 jegliche\nGewahrleistung und die begehrte Nachbesserung abgelehnt hat, gemaß §§ 437 Nr.\n3, 280 BGB ein Schadensersatzanspruch zu. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Nach den uberzeugenden Ausfuhrungen des Sachverstandigen B ist aufgrund des\nSchadensbildes ein Bedienungsfehler, insbesondere eine ubermaßige Belastung z.\nB. durch zu hohe Anhangerlast oder ein Schaltfehler auszuschließen.\nInsbesondere der in den Lichtbildern 12 bis 14 dokumentierte Bruch des\nTurmgehauses kann nur auf einen Materialfehler beim Turm-I-Gehause\nzuruckgefuhrt werden. Die festgestellten Schaden an den Lamellen und im\nInnenbereich des Turmes I sind Folgeerscheinungen der gebrochenen Gehauseteile\nam Turm I und der dadurch fehlenden geschlossenen Kraftabnahme. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Der Klager kann gemaß § 249 BGB Ersatz der vom Sachverstandigen B der Hohe\nnach fur zutreffend erachteten Reparaturkosten gemaß Rechnung Autoforum N GmbH\nvom 11.08.2005 uber 2.944,02 EUR sowie unstreitigen Nutzungsausfall fur die\nReparaturdauer von acht Tagen zu je 43,00 EUR, somit 344,00 EUR und eine gemaß\n§ 287 ZPO geschatzte Unkostenpauschale von 25,00 EUR verlangen. Hinzu kommt\nebenfalls ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Zerlegung des Getriebes\nanlasslich der Begutachtung durch den Sachverstandigen, der jedenfalls unter\ndem Gesichtspunkt eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs in\nHohe der unstreitigen Rechnung des Autoforums N GmbH vom 11.08.2005 uber\n407,16 EUR zu ersetzen ist. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Dieser Schadensersatzanspruch des Klagers scheitert nicht daran, dass die\nGetriebereparatur vom Klager nicht uber die Gebrauchtwagengarantie vom\n21.09.2004 abgewickelt worden ist oder gegebenenfalls noch abgewickelt werden\nkann. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Dem Klager stehen aufgrund des festgestellten Getriebeschadens neben den\nstreitgegenstandlichen Gewahrleistungsanspruchen gegen die Beklagte eventuelle\nAnspruche aus der Gebrauchtwagengarantie, gegebenenfalls gegen den\nGarantiegeber bzw. die ...-C-G-Versicherungs-AG unabhangig voneinander zu. \n--- \n| 22 \n--- \n| Entgegen der Ansicht des Klagers schließt § 475 BGB insoweit\nEinschrankungen beim begehrten Schadensersatzanspruch gemaß § 475 Abs. 3 BGB\nnicht grundsatzlich aus. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Beklagte kann den Klager aber insbesondere unter\nSchadensminderungsgesichtspunkten gemaß § 254 BGB oder in entsprechender\nAnwendung nicht darauf verweisen, dass er den Anspruch aus der\nGebrauchtwagengarantie vorrangig hatte durchsetzen mussen. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Ein Verstoß des Klagers gegen die Schadensminderungspflicht liegt bereits\nnicht vor. \n--- \n| 25 \n--- \n| Der Klager hat nicht durch sein Verhalten die Geltendmachung von\nGarantieanspruchen vereitelt oder deren Geltendmachung unterlassen. Entgegen\nder mit Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 20.02.2006 vorgelegten\nSchreiben der ...-C-G-Versicherungs-AG ist die Regelung in § 4 i. V. mit § 7\nder Garantiebedingungen zur Gebrauchtwagengarantie gemaß § 307 Abs. 2 BGB\nunwirksam. \n--- \n| 26 \n--- \n| Lasst der Garantienehmer die Wartungsarbeiten beim Gebrauchtwagenkauf vor\nKenntnis des Schadens bei einer nicht autorisierten Werkstatt durchfuhren, so\nkann sich der Garantiegeber auf die in §§ 4, 7 der Garantiebedingungen\nvereinbarte Leistungsfreiheit dann nicht berufen, wenn er nicht die\nSchadensursachlichkeit dieses Pflichtenverstoßes nachweist. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Anknupfung des Verlustes des Garantieanspruches allein daran, dass\nWartungsarbeiten nicht bei einer autorisierten Vertragswerkstatt durchgefuhrt\nworden sind, stellt ohne Vorliegen einer Schadensursachlichkeit eine\nunangemessene Benachteiligung i. S. von § 307 Abs. 2 BGB dar (vgl.\nReinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rz. 1417 m. w. Nw.; BGH NJW-RR 1991,\n1013). Entgegen der Ansicht des OLG Nurnberg (NJW 1997, 2186) liegt eine\nvergleichbare Interessenlage in der Entscheidung des BGH zu der\nGarantiebehandlung bei der sogenannten produktbezogenen Garantie auf\nAdditivbasis durchaus vor. Der Entscheidung des OLG Nurnberg dagegen liegen\nGarantiebedingungen beim Neuwagenkauf zu Grunde und damit bereits ein\nSachverhalt insbesondere mit einer besonderen Interessenlage, wie sie bei der\nhier streitgegenstandlichen Gebrauchtwagengarantie mit der vom OLG Nurnberg\nangefuhrten Bindung an das Vertragshandlernetz nicht gegeben ist. \n--- \n| 28 \n--- \n| Zwar mag die Verpflichtung zur Durchfuhrung der Wartung bei einer\nautorisierten Vertragswerkstatt durchaus auch hier ein berechtigtes Interesse\ndes Gebrauchtwagenhandlers bzw. des Garantiegebers darstellen. Insbesondere\naber bei einer im Falle des Verstoßes hiergegen so weit reichenden Folge wie\nder vollstandigen Leistungsfreiheit des Garantiegebers mussen jedoch\ngewichtige und sachliche Grunde gegeben sein. Hierfur ist - jedenfalls, wenn\nein ebenfalls autorisierter B-Dienst die Arbeiten durchfuhrt - erforderlich,\ndass das maßgebliche, interessengerechte und entscheidende Kriterium der\nSchadensursachlichkeit nicht unberucksichtigt bleibt. Wie der BGH a. a. O.\nausfuhrt, kann den Belangen des Garantiegebers gegebenenfalls durch\nentsprechende Beweislastregeln entsprochen werden. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die hier vorliegende Regelung in § 4 und § 7 der Garantiebedingungen mit\nder vollstandigen und ohne Einschrankung gegebenen Leistungsfreiheit stellt\naber einen typischen Fall der unangemessenen Benachteiligung i. S. von § 307\nAbs. 2 BGB dar, weil insoweit der Verwender eigene Interessen missbrauchlich\nauf Kosten des Verbrauchers durchzusetzen versucht. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Zinsen sind gemaß §§ 286, 288 BGB gerechtfertigt. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Die begehrten vorgerichtlichen Kosten in Hohe der halftigen nicht\nanrechenbaren Geschaftsgebuhr schuldet die Beklagte gemaß §§ 280, 286 BGB. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §\n709 ZPO. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Die zulassige Klage ist begrundet. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Dem Klager steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch gemaß §§ 437\nNr. 3, 434, 280 BGB in Hohe von 3.720,18 EUR nebst Zinsen und Kosten zu. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das\nFahrzeug einen Fehler des Getriebes beim Ruckwartsfahren aufweist, der auf\neinen Material- oder Montage-Fehler des Getriebes zuruckzufuhren ist, und der\nsich am 04.03.2005 erstmalig gezeigt hat bzw. bereits beim Kauf am 21.09.2004\nvorgelegen hat; insoweit kommt dem Klager daruber hinaus die Vermutungswirkung\ndes § 476 BGB zu Gute. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| In Folge des damit vorliegenden Sachmangels i. S. von § 434 BGB steht dem\nKlager, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 21.03.2005 jegliche\nGewahrleistung und die begehrte Nachbesserung abgelehnt hat, gemaß §§ 437 Nr.\n3, 280 BGB ein Schadensersatzanspruch zu. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Nach den uberzeugenden Ausfuhrungen des Sachverstandigen B ist aufgrund des\nSchadensbildes ein Bedienungsfehler, insbesondere eine ubermaßige Belastung z.\nB. durch zu hohe Anhangerlast oder ein Schaltfehler auszuschließen.\nInsbesondere der in den Lichtbildern 12 bis 14 dokumentierte Bruch des\nTurmgehauses kann nur auf einen Materialfehler beim Turm-I-Gehause\nzuruckgefuhrt werden. Die festgestellten Schaden an den Lamellen und im\nInnenbereich des Turmes I sind Folgeerscheinungen der gebrochenen Gehauseteile\nam Turm I und der dadurch fehlenden geschlossenen Kraftabnahme. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Der Klager kann gemaß § 249 BGB Ersatz der vom Sachverstandigen B der Hohe\nnach fur zutreffend erachteten Reparaturkosten gemaß Rechnung Autoforum N GmbH\nvom 11.08.2005 uber 2.944,02 EUR sowie unstreitigen Nutzungsausfall fur die\nReparaturdauer von acht Tagen zu je 43,00 EUR, somit 344,00 EUR und eine gemaß\n§ 287 ZPO geschatzte Unkostenpauschale von 25,00 EUR verlangen. Hinzu kommt\nebenfalls ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Zerlegung des Getriebes\nanlasslich der Begutachtung durch den Sachverstandigen, der jedenfalls unter\ndem Gesichtspunkt eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs in\nHohe der unstreitigen Rechnung des Autoforums N GmbH vom 11.08.2005 uber\n407,16 EUR zu ersetzen ist. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Dieser Schadensersatzanspruch des Klagers scheitert nicht daran, dass die\nGetriebereparatur vom Klager nicht uber die Gebrauchtwagengarantie vom\n21.09.2004 abgewickelt worden ist oder gegebenenfalls noch abgewickelt werden\nkann. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Dem Klager stehen aufgrund des festgestellten Getriebeschadens neben den\nstreitgegenstandlichen Gewahrleistungsanspruchen gegen die Beklagte eventuelle\nAnspruche aus der Gebrauchtwagengarantie, gegebenenfalls gegen den\nGarantiegeber bzw. die ...-C-G-Versicherungs-AG unabhangig voneinander zu. \n--- \n| 22 \n--- \n| Entgegen der Ansicht des Klagers schließt § 475 BGB insoweit\nEinschrankungen beim begehrten Schadensersatzanspruch gemaß § 475 Abs. 3 BGB\nnicht grundsatzlich aus. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Beklagte kann den Klager aber insbesondere unter\nSchadensminderungsgesichtspunkten gemaß § 254 BGB oder in entsprechender\nAnwendung nicht darauf verweisen, dass er den Anspruch aus der\nGebrauchtwagengarantie vorrangig hatte durchsetzen mussen. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Ein Verstoß des Klagers gegen die Schadensminderungspflicht liegt bereits\nnicht vor. \n--- \n| 25 \n--- \n| Der Klager hat nicht durch sein Verhalten die Geltendmachung von\nGarantieanspruchen vereitelt oder deren Geltendmachung unterlassen. Entgegen\nder mit Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 20.02.2006 vorgelegten\nSchreiben der ...-C-G-Versicherungs-AG ist die Regelung in § 4 i. V. mit § 7\nder Garantiebedingungen zur Gebrauchtwagengarantie gemaß § 307 Abs. 2 BGB\nunwirksam. \n--- \n| 26 \n--- \n| Lasst der Garantienehmer die Wartungsarbeiten beim Gebrauchtwagenkauf vor\nKenntnis des Schadens bei einer nicht autorisierten Werkstatt durchfuhren, so\nkann sich der Garantiegeber auf die in §§ 4, 7 der Garantiebedingungen\nvereinbarte Leistungsfreiheit dann nicht berufen, wenn er nicht die\nSchadensursachlichkeit dieses Pflichtenverstoßes nachweist. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Anknupfung des Verlustes des Garantieanspruches allein daran, dass\nWartungsarbeiten nicht bei einer autorisierten Vertragswerkstatt durchgefuhrt\nworden sind, stellt ohne Vorliegen einer Schadensursachlichkeit eine\nunangemessene Benachteiligung i. S. von § 307 Abs. 2 BGB dar (vgl.\nReinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rz. 1417 m. w. Nw.; BGH NJW-RR 1991,\n1013). Entgegen der Ansicht des OLG Nurnberg (NJW 1997, 2186) liegt eine\nvergleichbare Interessenlage in der Entscheidung des BGH zu der\nGarantiebehandlung bei der sogenannten produktbezogenen Garantie auf\nAdditivbasis durchaus vor. Der Entscheidung des OLG Nurnberg dagegen liegen\nGarantiebedingungen beim Neuwagenkauf zu Grunde und damit bereits ein\nSachverhalt insbesondere mit einer besonderen Interessenlage, wie sie bei der\nhier streitgegenstandlichen Gebrauchtwagengarantie mit der vom OLG Nurnberg\nangefuhrten Bindung an das Vertragshandlernetz nicht gegeben ist. \n--- \n| 28 \n--- \n| Zwar mag die Verpflichtung zur Durchfuhrung der Wartung bei einer\nautorisierten Vertragswerkstatt durchaus auch hier ein berechtigtes Interesse\ndes Gebrauchtwagenhandlers bzw. des Garantiegebers darstellen. Insbesondere\naber bei einer im Falle des Verstoßes hiergegen so weit reichenden Folge wie\nder vollstandigen Leistungsfreiheit des Garantiegebers mussen jedoch\ngewichtige und sachliche Grunde gegeben sein. Hierfur ist - jedenfalls, wenn\nein ebenfalls autorisierter B-Dienst die Arbeiten durchfuhrt - erforderlich,\ndass das maßgebliche, interessengerechte und entscheidende Kriterium der\nSchadensursachlichkeit nicht unberucksichtigt bleibt. Wie der BGH a. a. O.\nausfuhrt, kann den Belangen des Garantiegebers gegebenenfalls durch\nentsprechende Beweislastregeln entsprochen werden. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die hier vorliegende Regelung in § 4 und § 7 der Garantiebedingungen mit\nder vollstandigen und ohne Einschrankung gegebenen Leistungsfreiheit stellt\naber einen typischen Fall der unangemessenen Benachteiligung i. S. von § 307\nAbs. 2 BGB dar, weil insoweit der Verwender eigene Interessen missbrauchlich\nauf Kosten des Verbrauchers durchzusetzen versucht. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Zinsen sind gemaß §§ 286, 288 BGB gerechtfertigt. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Die begehrten vorgerichtlichen Kosten in Hohe der halftigen nicht\nanrechenbaren Geschaftsgebuhr schuldet die Beklagte gemaß §§ 280, 286 BGB. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §\n709 ZPO. \n--- \n---\n\n
135,487
vg-freiburg-2006-02-23-a-1-k-1082904
157
Verwaltungsgericht Freiburg
vg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
A 1 K 10829/04
2006-02-23
2019-01-07 11:11:51
2019-01-17 11:55:32
Urteil
## Tenor\n\nNachdem die Klage hinsichtlich des Begehrens auf Anerkennung als\nAsylberechtigte zuruckgenommen worden ist, wird das Verfahren insoweit\neingestellt. Die Ziffern 2 bis 4 des Bundesamtsbescheids vom 14.5.2004 werden\naufgehoben. Die Beklagte - Bundesamt fur Migration und Fluchtlinge - wird\nverpflichtet, zugunsten der Klagerin festzustellen, dass hinsichtlich der\nDemokratischen Republik Kongo die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG\nvorliegen.\n\nVon den Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Klagerin und die\nBeklagte jeweils die Halfte.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin, eine am 16.7.1988 geborene Staatsangehorige der\nDemokratischen Republik Kongo, stellte im Anschluss an ihre Einreise nach\nDeutschland am 1.8.2003 einen Asylantrag. Sie ist die Tochter des Herrn N.M.,\nbei dem die Beklagte - verpflichtet durch rechtskraftiges Urteil des VG\nFreiburg vom 6.6.2000 (A 1 K 11970/97) - auf dessen Folgeantrag hin wegen\nexilpolitischer Tatigkeit das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1\nAuslG festgestellt hatte. Herr N.M. wurde spater am 4.11.2003 eingeburgert. \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Bescheid des Bundesamts vom 14.5.2004, zugestellt am 21.5.2004, wurde\ndas Asylbegehren der Klagerin als offensichtlich unbegrundet abgelehnt und\nunter gleichzeitiger Verneinung von Abschiebungshindernissen binnen\nWochenfrist die Abschiebung in die DR Kongo angedroht. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Klagerin hat am 25.5.2004 Klage erhoben; ihrem gleichzeitig gestellten\nEilantrag ist mit Beschluss des Einzelrichters vom 6.10.2004 (A 1 K 10830/04)\nstattgegeben worden. Nachdem die Klagerin zunachst beantragt hat, sie unter\nAufhebung des Bundesamtsbescheids als Asylberechtigte anzuerkennen und\nfestzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und das § 53\nAuslG vorliegen, hat sie spater den Antrag unter gleichzeitiger\nErledigterklarung des Begehrens auf Feststellung von Abschiebungshindernissen\n(§ 53 AuslG) geandert und beantragt nur noch, \n--- \n| 4 \n--- \n| den Bescheid des Bundesamts vom 14.5.2004 abzuandern und die Beklagte -\nBundesamt fur Migration und Fluchtlinge - zu verpflichten festzustellen, dass\ndie Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 6 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Dem Gericht liegen die Verwaltungsakten des Bundesamts uber die Klagerin\nund ihren Vater (5 Hefte) sowie die Gerichtsakten der Klageverfahren A 1 K\n13782/93 und A 1 K 11970/97 sowie des Eilverfahrens A 1 K 10830/04 vor. Auf\nderen Inhalt wird erganzend ebenso verwiesen, wie auf die wechselseitigen\nSchriftsatze. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 8 \n--- \n| Soweit die Klage zuruckgenommen worden ist, ist das Verfahren gemaß § 92\nAbs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Im ubrigen ist die Klage begrundet, weil die\nKlagerin einen Anspruch auf Feststellung von (sog.) Familienabschiebungsschutz\nhat. Gemaß § 26 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG gelten die das Familienasyl regelnden\nAbsatze 1 bis 3 entsprechend, wenn fur den stammberechtigten Auslander - hier\nder Vater der Klagerin, Herr N.M. - unanfechtbar das Vorliegen der\nVoraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG (§ 51 Abs. 1 AuslG a.F.) festgestellt\nworden ist. An die Stelle der Asylberechtigung tritt dann die Feststellung,\ndass fur das Kind die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen (§ 26\nAbs. 4 Satz 2 AsylVfG ). \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 Satz 1 AsylvfG sind vorliegend in\nentsprechender Anwendung erfullt. Die Klagerin war im Zeitpunkt ihrer\nAsylantragstellung - am 1.8.2003 - minderjahriges lediges Kind des N.M..\nAngesichts der (materiell-rechtlichen) Maßgeblichkeit dieses Antragszeitpunkts\nkommt es nicht darauf an, dass N.M. spater, am 4.11.2003, eingeburgert wurde.\nFur den Familienabschiebungsschutz hat insofern nichts anderes zu gelten als\nfur das Familienasyl. Das Institut des Familienasyls dient vor allem dem\nZweck, die Einordnung naher Angehoriger eines politisch Verfolgten in die\nLebensverhaltnisse der Bundesrepublik Deutschland zu fordern. Bereits mit der\ndurch das Asylverfahrensgesetz vom 26. Juni 1992 erfolgten Neufassung des\nFamilienasyls fur Minderjahrige sollte dessen Schutzumfang erweitert werden.\nAnknupfungspunkt fur die Minderjahrigkeit der Kinder war dementsprechend nicht\nmehr die Entscheidung uber ihren Asylantrag. Vielmehr wurde der Schutz auf den\nZeitpunkt ihrer Asylantragstellung vorverlagert. Damit sollte erreicht werden,\ndass sich eine langere Verfahrensdauer bis zu einer behordlichen oder\ngerichtlichen Entscheidung nicht nachteilig auf die Kinder auswirkt (vgl. zum\nFamilienasyl: BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 - 1 C 10/02 - InfAuslR 2003, 215 =\nNVwZ 2003, 873). Schließlich ist auch nichts dafur ersichtlich gewesen, dass\ndie Fluchtlingsfeststellung des Vaters der Klagerin zu widerrufen oder\nzuruckzunehmen gewesen ware (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 1, zweiter Halbsatz\nAsylVfG). \n--- \n| 10 \n--- \n| Nach Auffassung des erkennenden Gerichts steht dieser Erkenntnis\nschließlich nicht entgegen, dass § 26 Abs. 4 AsylVfG n.F. vorliegend auf einen\n„Altfall" angewendet wird, in dem vor dem 1.1.2005 fur den Stammberechtigten\ndie Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt worden sind. § 26 Abs.\n4 AsylVfG n.F. stellt ausdrucklich auf das „Vorliegen der Voraussetzungen" des\n§ 60 Abs. 1 AufenthG ab, die grundsatzlich mit denen des § 51 Abs. 1 AuslG\nidentisch sind. Auch der Sinn und Zweck des Gesetzes - Wahrung der\nFamilieneinheit - spricht fur diese Auslegung (vgl. VG Schleswig, Urt. v.\n2.2.2005 - 4 A 159/01 - Juris Portal; andere Auffassung: VG Arnsberg, Urt. v.\n24.2.2005 - 6 K 1060/04.A - Juris Portal: Dem erstmals im gerichtlichen\nVerfahren geltend gemachten Anspruch aus § 26 Abs. 4 AsylVfG n.F. steht die\nmangelnde Durchfuhrung eines Verfahrens vor dem Bundesamt entgegen. Ob der\nAnspruch uberhaupt auf sog. „Altfalle", d.h. auf Verfahren mit einer positiven\nFeststellung zu § 51 AuslG, anwendbar ist, kann dahinstehen). Im ubrigen\nergibt sich dies auch aus § 77 Abs. 1 AsylVfG, wonach auf die (Sach- und)\nRechtslage im Zeitpunkt der mundlichen Verhandlung abzustellen ist. Diese\nRegelung beabsichtigt die Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher Verfahren.\nNach der Begrundung zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 12/2062 S. 40 f.) soll\nhierdurch der Streit uber das Asyl- und Bleiberecht des Auslanders umfassend\nbeendet und neue Verwaltungsverfahren moglichst vermieden werden. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Erledigterklarung der Klagerin betreffend die Geltendmachung von\nAbschiebungshindernissen nach (fruher) § 53 AuslG bzw. (heute) § 60 Abs. 2 bis\nAbs. 7 AufenthG geht schließlich ins Leere. Dieses Begehren war von\nvorneherein nur hilfsweise neben bzw. nach demjenigen auf Asylanerkennung bzw.\nFluchtlingsfeststellung zu verstehen (zum Rangverhaltnis der Streitgegenstande\nvgl. zum alten Recht: BVerwG, Urt. v. 26.6.2002 - 1 C 17/01 - InfAuslR 2003,\n74 = NVwZ 2003, 356). Da die Klagerin mit dem Hauptantrag obsiegt, ist uber\nden (auflosend bedingten) Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden; eine\nErledigungssituation i.S.v. § 161 VwGO stellt dies nicht dar. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 3 Satz 1, 154 Abs. 1 VwGO, 83\nb AsylVfG. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 8 \n--- \n| Soweit die Klage zuruckgenommen worden ist, ist das Verfahren gemaß § 92\nAbs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Im ubrigen ist die Klage begrundet, weil die\nKlagerin einen Anspruch auf Feststellung von (sog.) Familienabschiebungsschutz\nhat. Gemaß § 26 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG gelten die das Familienasyl regelnden\nAbsatze 1 bis 3 entsprechend, wenn fur den stammberechtigten Auslander - hier\nder Vater der Klagerin, Herr N.M. - unanfechtbar das Vorliegen der\nVoraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG (§ 51 Abs. 1 AuslG a.F.) festgestellt\nworden ist. An die Stelle der Asylberechtigung tritt dann die Feststellung,\ndass fur das Kind die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen (§ 26\nAbs. 4 Satz 2 AsylVfG ). \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 Satz 1 AsylvfG sind vorliegend in\nentsprechender Anwendung erfullt. Die Klagerin war im Zeitpunkt ihrer\nAsylantragstellung - am 1.8.2003 - minderjahriges lediges Kind des N.M..\nAngesichts der (materiell-rechtlichen) Maßgeblichkeit dieses Antragszeitpunkts\nkommt es nicht darauf an, dass N.M. spater, am 4.11.2003, eingeburgert wurde.\nFur den Familienabschiebungsschutz hat insofern nichts anderes zu gelten als\nfur das Familienasyl. Das Institut des Familienasyls dient vor allem dem\nZweck, die Einordnung naher Angehoriger eines politisch Verfolgten in die\nLebensverhaltnisse der Bundesrepublik Deutschland zu fordern. Bereits mit der\ndurch das Asylverfahrensgesetz vom 26. Juni 1992 erfolgten Neufassung des\nFamilienasyls fur Minderjahrige sollte dessen Schutzumfang erweitert werden.\nAnknupfungspunkt fur die Minderjahrigkeit der Kinder war dementsprechend nicht\nmehr die Entscheidung uber ihren Asylantrag. Vielmehr wurde der Schutz auf den\nZeitpunkt ihrer Asylantragstellung vorverlagert. Damit sollte erreicht werden,\ndass sich eine langere Verfahrensdauer bis zu einer behordlichen oder\ngerichtlichen Entscheidung nicht nachteilig auf die Kinder auswirkt (vgl. zum\nFamilienasyl: BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 - 1 C 10/02 - InfAuslR 2003, 215 =\nNVwZ 2003, 873). Schließlich ist auch nichts dafur ersichtlich gewesen, dass\ndie Fluchtlingsfeststellung des Vaters der Klagerin zu widerrufen oder\nzuruckzunehmen gewesen ware (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 1, zweiter Halbsatz\nAsylVfG). \n--- \n| 10 \n--- \n| Nach Auffassung des erkennenden Gerichts steht dieser Erkenntnis\nschließlich nicht entgegen, dass § 26 Abs. 4 AsylVfG n.F. vorliegend auf einen\n„Altfall" angewendet wird, in dem vor dem 1.1.2005 fur den Stammberechtigten\ndie Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt worden sind. § 26 Abs.\n4 AsylVfG n.F. stellt ausdrucklich auf das „Vorliegen der Voraussetzungen" des\n§ 60 Abs. 1 AufenthG ab, die grundsatzlich mit denen des § 51 Abs. 1 AuslG\nidentisch sind. Auch der Sinn und Zweck des Gesetzes - Wahrung der\nFamilieneinheit - spricht fur diese Auslegung (vgl. VG Schleswig, Urt. v.\n2.2.2005 - 4 A 159/01 - Juris Portal; andere Auffassung: VG Arnsberg, Urt. v.\n24.2.2005 - 6 K 1060/04.A - Juris Portal: Dem erstmals im gerichtlichen\nVerfahren geltend gemachten Anspruch aus § 26 Abs. 4 AsylVfG n.F. steht die\nmangelnde Durchfuhrung eines Verfahrens vor dem Bundesamt entgegen. Ob der\nAnspruch uberhaupt auf sog. „Altfalle", d.h. auf Verfahren mit einer positiven\nFeststellung zu § 51 AuslG, anwendbar ist, kann dahinstehen). Im ubrigen\nergibt sich dies auch aus § 77 Abs. 1 AsylVfG, wonach auf die (Sach- und)\nRechtslage im Zeitpunkt der mundlichen Verhandlung abzustellen ist. Diese\nRegelung beabsichtigt die Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher Verfahren.\nNach der Begrundung zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 12/2062 S. 40 f.) soll\nhierdurch der Streit uber das Asyl- und Bleiberecht des Auslanders umfassend\nbeendet und neue Verwaltungsverfahren moglichst vermieden werden. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Erledigterklarung der Klagerin betreffend die Geltendmachung von\nAbschiebungshindernissen nach (fruher) § 53 AuslG bzw. (heute) § 60 Abs. 2 bis\nAbs. 7 AufenthG geht schließlich ins Leere. Dieses Begehren war von\nvorneherein nur hilfsweise neben bzw. nach demjenigen auf Asylanerkennung bzw.\nFluchtlingsfeststellung zu verstehen (zum Rangverhaltnis der Streitgegenstande\nvgl. zum alten Recht: BVerwG, Urt. v. 26.6.2002 - 1 C 17/01 - InfAuslR 2003,\n74 = NVwZ 2003, 356). Da die Klagerin mit dem Hauptantrag obsiegt, ist uber\nden (auflosend bedingten) Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden; eine\nErledigungssituation i.S.v. § 161 VwGO stellt dies nicht dar. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 3 Satz 1, 154 Abs. 1 VwGO, 83\nb AsylVfG. \n---\n\n
135,581
olgkarl-2007-03-08-9-u-15106
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
9 U 151/06
2007-03-08
2019-01-07 11:12:37
2019-02-12 12:18:20
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung der Klagerin gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom\n30.06.2006 wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Klagerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.\n\n3\\. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorlaufig vollstreckbar. Die Klagerin darf\ndie Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Hohe von\n110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der\nVollstreckung in Hohe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages Sicherheit\nleistet.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Gegenstand des Rechtsstreits, den die Klagerin - eine Sparkasse - im\nUrkundenprozess fuhrt, sind Anspruche aus einer vom Beklagten am 21.11.2002\nunterzeichneten Burgschaft. An diesem Tag hat der Beklagte die\nselbstschuldnerische Burgschaft in Hohe von 100.000 EUR fur eine Schuld des\nH.J. V., Alleingesellschafter der V. GmbH, ubernommen. Die Schuld ist in der\nUrkunde als „im Wege der Schuldubernahme ubernommener Rahmenkredit uber\n515.000 EUR, der bis zum 20.11.2002 der Firma V. GmbH gewahrt wurde,"\nbeschrieben. Die Erklarung enthalt des weiteren die Erklarung, dass dem\nBeklagten bekannt sei, dass der Rahmenkredit zur Abwendung der Überschuldung\nder Firma Vogt GmbH ubernommen worden sei. Auf die tatsachlichen\nFeststellungen in der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen. Das\nLandgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Burgschaft sittenwidrig sei.\nSie uberfordere den Beklagten finanziell in krasser Weise. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte Berufung der Klagerin. Zur\nBegrundung tragt sie vor, dass schon der Ausgangspunkt der angefochtenen\nEntscheidung, vorliegend seien die Grundsatze zur Sittenwidrigkeit von\nArbeitnehmerburgschaften einschlagig, nicht zutreffe. Der Beklagte habe sich\nnamlich gerade nicht fur die Verbindlichkeiten seines Arbeitgebers, der V.\nGmbH, sondern ausschließlich fur die personlichen Verbindlichkeiten des Herrn\nH.J. V. verburgt. Die Burgenhaftung sei ausschließlich durch die Entwicklung\nder Vermogensverhaltnisse des Hauptschuldners H.J. V. beeinflusst worden, die\nsich vollig anders gestalten konnten und auch tatsachlich anders gestaltet\nhatten als diejenige der V. GmbH. Herr V. habe uber seine Beteiligung an der\nV. GmbH hinaus uber genugend private Vermogensmasse verfugt, so dass alle\nBeteiligten bei Vertragsabschluss hatten davon ausgehen konnen, dass der\nHauptschuldner H.-J. V. unabhangig vom weiteren Schicksal der V. GmbH seine\nVerbindlichkeiten wurde zuruckfuhren konnen. Dies ergebe sich bereits aus der\nTatsache, dass die Darlehensverbindlichkeit im Jahre 2003 in Hohe von 251.000\nEUR aus einem Verkauf des Anteils des H.J. V. an der Firma K. GmbH\nzuruckgefuhrt worden sei. Außerdem sei die Position des Beklagten wesentlich\nbesser, als wenn er sich fur die V. GmbH verburgt hatte: Nach einer etwaigen\nInanspruchnahme aus der Burgschaft konne er namlich auf das gesamte\npersonliche Vermogen des H.J. V. und zusatzlich auf dessen Anteile an der V.\nGmbH zugreifen. Hierdurch verdoppele sich die Haftungsmasse. Eine krasse\nÜberforderung des Beklagten liege auch deshalb nicht vor, weil das Landgericht\nden zur Bedienung der Burgschaftsschuld pfandungsfreien Anteil seines\nEinkommens unrichtig errechnet habe. Zu Unrecht habe das Landgericht\nMietschulden abgezogen. Diese seien - vorbehaltlich besonderer, aber nicht\nvorgetragener Umstande - bei der Ermittlung des pfandbaren Arbeitseinkommens\nnicht abziehbar. Fur die PKW-Nutzung sei kein Abzug vorzunehmen, vielmehr sei\ndas Nettoeinkommen um den Betrag in Hohe von 430 EUR zu erhohen. Schließlich\nhabe das Landgericht die Gewinnbeteiligung des Klagers nicht berucksichtigt.\nHierzu hat die Klagerin erstinstanzlich vorgetragen, dass der Beklagte\nzusatzlich zu den monatlich ausgezahlten 500 DM - einer garantierten\nGewinnbeteiligung - ausweislich der Einkommensabrechnung Anlage B 2 im Jahre\n2002 insgesamt 7.470,25 EUR als sonstige Bezuge, namlich als Gewinnbeteiligung\nerhalten habe. Hieraus ergebe sich fur das Jahr 2002 ein pfandbarer Betrag in\nHohe von monatlich 987,71 EUR. Das Landgericht habe die monatliche maximale\nZinsbelastung aus dem verburgten Kredit zu Unrecht mit 833 EUR angesetzt. Die\nhierbei unterstellten 10 % Jahresverzinsung hatten den Rahmenkredit betroffen,\nnicht aber den konkret vereinbarten Kredit, der eine Verzinsung in Hohe von\n5,36 % pro Jahr gehabt habe. Die maximale monatliche Zinsbelastung betrage\nsomit 446,66 EUR. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Klagerin stellt folgenden Antrag: \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Unter Abanderung des am 30.06.2006 verkundeten Urteils des Landgerichts\nKonstanz, Az.: 6 O 89/06, wird der Beklagte verurteilt, an die Klagerin\n100.000 EUR nebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz\nseit dem 02.05.2004 zu bezahlen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| die Berufung der Klagerin zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt und\nvertieft hierbei sein erstinstanzliches Vorbringen. \n--- \n**II.** \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Berufung ist nicht begrundet, weil, was aufgrund der Urkundslage in\nVerbindung mit den unstreitigen Tatsachen feststeht, die der Klagerin gewahrte\nBurgschaft nach § 138 BGB sittenwidrig ist. Der Beklagte ist namlich am\nwirtschaftlichen Risiko seines Arbeitgebers in gegen die guten Sitten\nverstoßender Weise beteiligt worden. Dieser Erkenntnis durfte sich die\nKlagerin nicht verschließen \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| 1\\. Dass die der Klagerin gewahrte Burgschaft sittenwidrig ist, ergibt sich\nallerdings nicht bereits daraus, dass der Beklagte, was zwischen den Parteien\nstreitig ist, nicht einmal die Zinsleistungen aus dem gesicherten Darlehen\nerbringen kann. Der Beklagte hat namlich eine betragsmaßig beschrankte\nBurgschaft ubernommen, bei der der Burgschaftsbetrag einschließlich\nNebenleistungen, insbesondere Zinsen und Kosten auf EUR 100 000 beschrankt\nwar. Ein Anwachsen der gesicherten Schuld durch Zins- und Zinseszins konnte\nden Beklagten nach Erreichen des Hochstbetrages nicht beruhren, so dass\netwaige Zahlungen auf die Burgenschuld unmittelbar die Schuld des Beklagten\nverringert hatten. Die Rechtsprechung, wonach eine krasse finanzielle\nÜberforderung des Burgen deshalb vorliegt, weil er voraussichtlich nicht\neinmal in der Lage sein wird, die laufenden Zinsen der Hauptschuld\naufzubringen, ist deshalb nicht einschlagig. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| 2\\. Anerkanntermaßen ist eine Beteiligung des Arbeitnehmers am Verlust\nseines Arbeitgebers jedenfalls dann sittenwidrig und damit nichtig, wenn dafur\nkein angemessener Ausgleich erfolgt. Eine arbeitsvertragliche\nVergutungsregelung verstoßt gegen die guten Sitten im Sinne von § 138 Abs. 1\nBGB, wenn der Arbeitnehmer mit dem Betriebs- oder Wirtschaftsrisiko des\nArbeitgebers belastet wird. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn eine\nVergutungsabrede eine Verlustbeteiligung des Arbeitnehmers vorsieht (vgl. BAG\nNJW 1991, 860; LAG Hamm LAG-Report 2004, 254; Erfurter Kommentar zum\nArbeitsrecht/Preis 6.A. § 612 BGB Rdnr. 7). In derselben Weise ist eine\nBurgschaft des Arbeitnehmers zu bewerten, die dieser dem Kreditgeber des\nArbeitgebers gewahrt hat (vgl. BGHZ 156, 302). Der Kreditgeber hat kein\nberechtigtes Interesse, dass Mitarbeiter des Hauptschuldners Burgschaften\nstellen (vgl. KGR 1997, 264; OLGR Celle 2000, 42; Seifert NJW 2004,1707). Dies\ngilt auch fur den hier zu beurteilenden Fall der Sicherung der von dem\nGeschaftsfuhrer und Alleingesellschafter ubernommenen Schuld des Arbeitgebers. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| 3\\. Mit der Erklarung vom 21.11.2002 hat der Beklagte die\nselbstschuldnerische Burgschaft in Hohe von 100.000 EUR fur eine Schuld des\nH.J. V. ubernommen, die jener im Wege der Schuldubernahme vom selben Tage zur\nEntlastung der V. GmbH, deren Alleingesellschafter er war, eingegangen war.\nAusweislich der Burgschaftsurkunde hatte H.J. V. den voll ausgeschopften\nRahmenkredit in Hohe von EUR 515 000 zur Abwendung der Überschuldung der Firma\nubernommen. Die Übernahme der Burgschaft fur die personliche Schuld des H.J.\nV. erfolgte, wie die Klagerin in ihrem Bearbeitungsvermerk vom 31.11.2002\nfestgehalten hat, aus dem Eigeninteresse des Beklagten als „leitendem\nAngestellten der V. GmbH". Angekreuzt ist namlich: „Der Burge hat folgendes\nEigeninteresse bzw. folgende Eigenvorteile aus dem verburgten Kredit\nangefuhrt: Leitender Angestellter". Die dargestellte Interessenlage hat die\nKlagerin in der Klagschrift wie folgt beschrieben: Um den Fortbestand des\nUnternehmens nicht zu gefahrden, hatten die Vertreter der GmbH der Klagerin\nvorgeschlagen, dass der Geschaftsfuhrer der Vogt GmbH, Herr H.J. V. privat die\nim Zusammenhang mit dem Rahmenkredit uber 515.000 EUR bestehenden\nVerbindlichkeiten der GmbH ubernehmen solle. Zur Sicherung der Forderung der\nKlagerin gegen den Übernehmenden hatten sich insgesamt 7 leitende Angestellte\nder Firma V. GmbH, zu denen auch der Beklagte zahle, zur Übernahme einer\nselbstschuldnerischen Hochstbetragsburgschaft in Hohe von jeweils 100.000 EUR\nbzw. 200.000 EUR bereit erklart. Hieraus ergibt sich zur Überzeugung des\nSenats, dass der Beklagte, der in den Bearbeitungsvermerken der Klagerin als\nPersonaldisponent der Niederlassung 88048 Friedrichshafen der V. GmbH\nbezeichnet ist, die Burgschaft zur Erhaltung des Arbeitsplatzes bei der V.\nGmbH ubernommen hat. Ohne Schuldubernahme und deren Sicherstellung durch die\nstreitige Burgschaft hatte die Gesellschaft wegen Überschuldung Insolvenz\nanmelden mussen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| 4\\. Damit hat der Beklagte eine Burgschaft fur die Schuld eines ohne die\nSchuldubernahme uberschuldeten Unternehmens gestellt. In Hohe seiner\nHochstbetragsburgschaft wurde er somit - fur den Ausfall des Hauptschuldners\ngedacht - indirekt an einer Schuld seines Arbeitgebers und damit am negativen\nErgebnis von dessen wirtschaftlicher Tatigkeit zum Stichtag 21.11.2002\npotentiell in Form einer Ausfallhaftung beteiligt. \n--- \n| 13 \n--- \n| Fur die Übernahme dieser vorweg genommenen potentiellen Beteiligung am\nwirtschaftlichen Ergebnis seines Arbeitgebers hat der Beklagte weder vom\nArbeitgeber noch vom Hauptschuldner noch von der Klagerin einen Ausgleich\nerhalten. Die von der Klagerin angefuhrte Gewinnbeteiligung stand ihm bereits\naufgrund seines Arbeitsvertrages zu und kann in Anbetracht der fur das Jahr\n2002 brutto gewahrten Beteiligung in Hohe von 7.470,25 EUR ohnehin nicht als\nangemessener Ausgleich fur die Übernahme einer potentiellen Haftung in Hohe\nvon 100.000 EUR gewertet werden. Anhaltspunkte dafur, dass eine deutliche\nSteigerung der Gewinnbeteiligung zum maßgeblichen Zeitpunkt, dem Abschluss des\nRechtsgeschafts (vgl. BGH NJW 2000,1182), konkret zu erwarten war, sind nicht\ngegeben. Dass die Gewinnbeteiligung spater hoher ausgefallen ware, ist nicht\nersichtlich und auch nicht vorgetragen. Der Beklagte war am Unternehmen,\ndessen ubernommene Schuld er gesichert hat, nicht beteiligt. Die dargestellte\nGewinnbeteiligung kann einer nennenswerten Unternehmensbeteiligung nicht\ngleichgesetzt werden. \n--- \n| 14 \n--- \n| Vorliegend kann offen bleiben, ob der Klagerin zum Zeitpunkt des Abschlusses\ndes Burgschaftsvertrages bekannt war, dass der Klager nicht mehr leitender\nAngestellter der V. GmbH war, weil der ursprungliche Vertrag vom 1.12.1999\ndurch den erstinstanzlich von der Klagerin als Anlage K 17 vorgelegten Vertrag\nvom 1.11.2001 ersetzt worden war. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, dass\nder neue und bestrittene Vortrag der Klagerin, ihr sei nur der alte Vertrag\nbekannt gewesen, verspatet und damit nach § 531 Abs. 2 ZPO unbeachtlich ist,\nweil Grunde fur den verspateten Vortrag weder ersichtlich noch vorgetragen\nsind. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Selbst wenn der Klagerin nur der Vertrag vom 1.12.1999 bekannt gewesen ware,\nwurde dies an der Sittenwidrigkeit der vom Beklagten gestellten Burgschaft\nnichts andern. Nach jenem Vertrag waren sich die Vertragsschließenden einig,\ndass der Beklagte leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG sei.\nEr wurde als Niederlassungsleiter fur die Zweigniederlassung in\nFriedrichshafen eingestellt und erhielt eine ortlich auf den\nNiederlassungsbereich beschrankte Prokura. Zum Abschluss von\nDauerschuldvertragen - Laufzeit langer als ein Jahr -, Anschaffungen mit einem\nWert von uber DM 5 000, Darlehensaufnahmen, Belastung von Grundstucken,\nEroffnung von Betriebsstatten, die Erteilung und Widerruf von\nHandlungsvollmachten, die Bewilligung von Gewinn- und Umsatzbeteiligungen in\nArbeitsvertragen und die Gewahrung von Abfindungen anlasslich der Beendigung\nvon Arbeitsverhaltnissen musste er die vorherige Zustimmung des\nGeschaftsfuhrers einholen. Damit waren seine Befugnisse weitgehend\neingeschrankt. Es kann offen bleiben, ob der Beklagte uberhaupt trotz der\narbeitsvertraglichen Vereinbarung, er sei leitender Angestellter, als solcher\nangesehen werden kann oder ob er nur als Titularprokurist zu behandeln ist\n(vgl. Schaub Arbeitsrechtshandbuch 11. A. § 212 Rdnr. 25). Nachdem ohnehin ein\neinheitlicher Begriff des leitenden Angestellten nicht existiert (vgl. Preis\naaO § 611 BGB Rdnr. 127; Schaub aaO § 212 Rdnr.17), kann ein leitender\nAngestellter mit dem beschriebenen Aufgabenkreis nicht wie ein an der\nGesellschaft Beteiligter behandelt werden. Er ist vielmehr ein abhangig\nbeschaftigter Arbeitnehmer, dessen Burgschaft nach den dargestellten\nGrundsatzen zu bewerten ist. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| 5\\. Die Klagerin meint, Sittenwidrigkeit sei zu verneinen, weil der Beklagte\nnunmehr nur noch fur die Bonitat des H.J. V. einzustehen habe und mittels\nRuckgriffs auf die Beteiligung des H.J. V. an der Schuldnerin eine doppelte\nHaftungsmasse erlange. Wirtschaftlich gesehen kann von einer doppelten\nHaftungsmasse nicht die Rede sein. Vielmehr sind beide Haftungsmassen, wie\nnoch darzulegen sein wird, voneinander abhangig, so dass dieser von der\nKlagerin vorgetragene Gesichtspunkt fur die Gesamtbewertung nicht entscheidend\nist. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| 6\\. Es kann offen bleiben, ob fur die hier zu beurteilende Burgschaft von\nBedeutung sein kann, dass der Glaubiger noch uber andere Sicherheiten verfugt.\nEs ist namlich nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich, dass hierdurch\ndas Haftungsrisiko des Beklagten vermindert worden ware (vgl. BGH NJW\n2000,1182). Die Inanspruchnahme des Beklagten in voller Hohe der gewahrten\nSicherheit spricht dagegen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| 7\\. Die Klagerin hat die wirtschaftliche Zwangssituation des Beklagten in\nsittlich anstoßiger Weise ausgenutzt und sich die streitige Sicherheit\ngewahren lassen. Wie bereits dargestellt, hat sie das eminente Interesse des\nBeklagten an dem wirtschaftlichen Fortbestand seines ansonsten uberschuldeten\nund zur Stellung eines Antrags auf Eroffnung des Insolvenzverfahren\nverpflichteten Arbeitgebers, einer Gesellschaft mit beschrankter Haftung,\nerkannt. Sie hat sich der sich aufdrangenden Erkenntnis verschlossen, dass\neine Arbeitnehmerburgschaft bereits deshalb fragwurdig war, weil seine\nfinanzielle Leistungsfahigkeit ganz wesentlich von der wirtschaftlichen\nGesundheit seines Arbeitgebers abhing und jene wiederum fur die\nLeistungsfahigkeit des Hauptschuldners und Alleingesellschafters Vogt von\nerheblicher Bedeutung war. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen hatte H.J.\nV. namlich fur Schulden der GmbH zusammen mit seiner Ehefrau eine\nselbstschuldnerische Burgschaft uber EUR 170 000 ubernommen und war in Hohe\nvon EUR 173 215 aus den gewahrten Darlehen mitverpflichtet. Die\nSchuldubernahme durch H.J. V. in Hohe von 525 000 EUR wurde unstreitig\nlediglich von der Gewahrung mehrerer Personalsicherheiten, u.a. der Burgschaft\ndes Beklagten und anderer Mitarbeiter begleitet. Dementsprechend hat die\nKlagerin am 10.3.2004, nachdem sie erfahren hatte, dass die V. GmbH am\nnachsten Tage Insolvenzantrag stellen werde, H.J. V. aufgefordert, eine\nBurgenschuld aus einer Burgschaft fur eine Schuld der GmbH in Hohe von EUR 145\n000 zu erfullen und ausgefuhrt, damit und wegen seiner Haftung fur Kredite der\nGmbH wurden sich seine wirtschaftlichen und finanziellen Verhaltnisse\nverschlechtern. Die Klagerin nehme dies zum Anlass und kundige samtliche\nKreditinanspruchnahmen des H.J. V. Der Beklagte selbst hatte ausweislich\nseiner der Klagerin erteilten Selbstauskunft vom 14.11.2002 kein Grund- oder\nanderes Vermogen, der Ruckkaufswert der Lebensversicherung war "gering". Er\nhatte einen Privatkredit mit einer Restschuld von noch EUR 10 000 laufen und\nauf dem Girokonto einen Kredit in Hohe von EUR 2 300 aufgenommen. Der\nMitarbeiter der Klagerin hat in den Bearbeitungsvermerken zum Vordruck\n"Betragsgemaß beschrankte Einzelburgschaft" zur Beantwortung der Frage, ob der\nBurge aus seinem Einkommen oder Vermogen zur Erfullung der Burgschaft in der\nLage sei, das Kastchen mit der Antwort "nein" angekreuzt. Dass die Klagerin\nden Beklagten uber das ubernommene Risiko ausfuhrlich informiert haben will,\nandert an der Ausnutzung der wirtschaftlichen Zwangslage des Beklagten und\ndamit an der Beurteilung des klagerischen Verhaltens nichts. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| 8\\. Die Entscheidung beruht im Übrigen auf den §§ 97, 708 Nr. 11, 711 ZPO.\nGrunde fur die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. \n---\n\n
135,649
vg-stuttgart-2008-03-06-11-k-208007
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
11 K 2080/07
2008-03-06
2019-01-07 11:13:20
2019-01-17 11:55:43
Urteil
## Tenor\n\nDer Bescheid des Landratsamts Boblingen vom 12.7.2006 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 11.1.2007 wird\naufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klagerin\nAufstiegsfortbildungsforderung fur den Meisterlehrgang im Friseurhandwerk zu\ngewahren.\n\nDer Beklagte tragt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die am ... 1982 in Boblingen geborene turkische Klagerin, deren turkische\nEltern Aufenthaltsberechtigungen besitzen, erhielt im Jahr 1998 eine\nunbefristete Aufenthaltserlaubnis. Nach Abschluss der Hauptschule und des\nBerufsvorbereitungsjahrs absolvierte sie die Ausbildung als Friseurin gemaß\nGesellenbrief vom 12.7.2004 mit Erfolg. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Am 30.6.2006 reichte sie beim Landratsamt Boblingen einen Antrag auf\nForderung der fur den Meisterlehrgang in Vollzeitform von September 2006 bis\nJanuar 2007 beim ... ein. Hierzu legte sie eine Bescheinigung uber den Besuch\ndieser Fortbildungsstatte sowie eine Bestatigung der Handwerkskammer Ulm uber\ndie Voraussetzung fur die Zulassung zur Meisterprufung vor und gab an, seit\nJuni 2004 rechtmaßig zu arbeiten sowie wahrend der Lehrgangszeit uber kein\nEinkommen und bei Antragstellung uber kein Vermogen zu verfugen. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Bescheid vom 12.7.2006 lehnte das Landratsamt den Antrag ab und fuhrte\naus, die Klagerin falle nicht unter den Personenkreis des § 8 Abs. 1\nAufstiegsfortbildungsforderungsgesetz (AFBG) und erfulle nicht die\nVoraussetzung des § 8 Abs. 2 AFBG, vor Beginn der Maßnahme drei Jahre im\nInland rechtmaßig erwerbstatig gewesen zu sein. Die Klagerin legte am\n31.7.2006 durch ihre Prozessbevollmachtigten Widerspruch ein und machte\ngeltend, sie sei wahrend der Zahlung von Ausbildungsvergutung erwerbstatig\ngewesen und musse wie Angehorige eines Mitgliedstaates der Europaischen Union\nbehandelt werden. Das Regierungsprasidium Stuttgart wies den Widerspruch durch\nBescheid vom 11.1.2007 zuruck und verneinte auch einen Anspruch der Klagerin\naus Art. 9 Satz 2 Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Turkei (ARB\n1/80). \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Klagerin hat am 29.1.2007 Klage erhoben und mit Schriftsatz vom\n19.3.2007 noch ausgefuhrt, nach Gemeinschaftsrecht sei sie auch wahrend ihrer\nAusbildung zur Friseurin Arbeitnehmerin und somit erwerbstatig i.S.v. § 8 Abs.\n2 AFBG gewesen. Sie beantragt, \n--- \n| 5 \n--- \n| den Bescheid des Landratsamts Boblingen vom 12.7.2006 sowie den\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 11.1.2007\naufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr die beantragte Forderung zu\nbewilligen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 7 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Er hat mit Schriftsatz vom 24.1.2008 erwidert, ein Anspruch aus Art. 9 Satz\n2 ARB 1/80 unterliege behordlichem Ermessen und konne nicht von den\nVoraussetzungen absehen, die Unionsburger nach § 8 Abs. 1 Nr. 7 AFBG erfullen\nmussten. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Wegen der Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid und die\nSchriftsatze vom 19.3.2007 und 24.1.2008 verwiesen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Dem Gericht liegen die einschlagigen Forderungsakten sowie die Klagerin und\nihre Eltern betreffenden Auslanderakten vor \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Klage, uber die mit Einverstandnis der Beteiligten der Vorsitzende als\nBerichterstatter ohne mundliche Verhandlung entscheiden kann (§§ 87a Abs. 2\nund 3, 101 Abs. 2 VwGO), ist zulassig und begrundet. Die Klagerin hat den\nbegehrten Forderungsanspruch, weshalb die entgegenstehenden Bescheide\nrechtswidrig sind und sie in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 5 VwGO). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Unstreitig ist, dass die Klagerin einen Abschluss nach § 2 Abs. 1 Nr. 1\nAFBG (Fassung der Bekanntmachung vom 10.1.2002, BGBl. I S. 402, zuletzt\ngeandert durch Gesetz vom 31.10.2006, BGBl I S. 2407) aufweist und ein\nFortbildungsziel auf dem Niveau des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AFBG anstrebt sowie dass\nnach der Bescheinigung des Maßnahmetragers vom 13.6.2006 die Anforderungen des\n2 Abs. 3 AFBG an eine Maßnahme in Vollzeitform erfullt werden. Fur die\nStaatsangehorigkeit der Teilnehmer gilt nach § 8 AFGB: \n--- \n| 13 \n--- \n| (1) Forderung wird geleistet \n--- \n| 14 \n--- \n| 1\\. Deutschen im Sinne des Grundgesetzes, \n--- \n... \n--- \n| 15 \n--- \n| 3\\. Auslandern oder Auslanderinnen, die ihren gewohnlichen Aufenthalt im\nInland haben und als Asylberechtigte nach dem Asylverfahrensgesetz anerkannt\nsind, \n--- \n| 16 \n--- \n| 4\\. Auslandern, die ihren gewohnlichen Aufenthalt im Inland haben und eine\nNiederlassungserlaubnis nach § 23 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, \n--- \n... \n--- \n| 17 \n--- \n| 6\\. Auslandern oder Auslanderinnen, die ihren standigen Wohnsitz im Inland\nhaben, wenn ein Elternteil oder der Ehegatte Deutscher oder die Ehegattin\nDeutsche im Sinne des Grundgesetzes ist, \n--- \n| 18 \n--- \n| 7\\. Auslandern oder Auslanderinnen, die die Staatsangehorigkeit eines\nanderen Mitgliedstaates der Europaischen Union oder eines anderen\nVertragsstaates des Abkommens uber den Europaischen Wirtschaftsraum haben und\nim Inland vor Beginn der Maßnahme in einem Beschaftigungsverhaltnis gestanden\nhaben; zwischen der darin ausgeubten Tatigkeit und dem Gegenstand der\nFortbildung muss grundsatzlich ein inhaltlicher Zusammenhang bestehen, \n--- \n| 19 \n--- \n| 8\\. Auslandern oder Auslanderinnen, die die Staatsangehorigkeit eines\nanderen Mitgliedstaates der Europaischen Union oder eines anderen\nVertragsstaates des Abkommens uber den Europaischen Wirtschaftsraum haben und\nein Recht auf Daueraufenthalt im Sinne des Freizugigkeitsgesetzes/EU besitzen. \n--- \n| 20 \n--- \n| (2) Anderen Auslandern oder Auslanderinnen wird Forderung geleistet, wenn\nsie selbst sich vor Beginn der Maßnahme insgesamt drei Jahre im Inland \n--- \n| 21 \n--- \n| 1\\. aufgehalten haben \n--- \n| 22 \n--- \n| 2\\. rechtmaßig erwerbstatig gewesen sind. \n--- \n| 23 \n--- \n| (3) Rechts- und Verwaltungsvorschriften, nach denen anderen Auslandern oder\nAuslanderinnen Forderung zu leisten ist, bleiben unberuhrt. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Ein Fall des Abs. 1, insbes. Nr. 4 liegt nicht vor, auch wenn diese\nÄnderung durch Art. 11 Nr. 11 des Zuwanderungsgesetzes (BGBl. I 2004 S. 1950)\nwie bei den anderen Nummern der Aufzahlung auf Auslanderinnen zu erstrecken\nist. Denn die unbefristete Aufenthaltserlaubnis der Klagerin gilt nicht als\nNiederlassungserlaubnis nach § 23 Abs. 2 AufenthG fort (vgl. § 101 Abs. 1\nAufenthG). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Voraussetzungen des unverandert gebliebenen Abs. 2 sind jedoch erfullt,\nweil Zeiten der Ausbildung als Friseurin einzurechnen sind. Insoweit ware fur\nArt. 6 Abs. 1 ARB 1/80 (vgl. EuGH, Urt. v. 19.11.2002 - C-188/00 - InfAuslR\n2003, 41 = DVBl 2003, 451) und das deutsche Auslanderrecht (§ 2 Abs. 2\nAufenthG, § 7 Abs. 2 SGB IV) von Arbeitnehmereigenschaft bzw. Erwerbstatigkeit\nder Klagerin auszugehen, nicht aber fur elternunabhangige Ausbildungsforderung\nnach § 11 Abs. 3 BAfoG (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.6.1980, BVerwGE 60, 231,\nbestatigt durch Urt. v. 16.3.1994, BVerwGE 95, 252). Der fur elternunabhangige\nAusbildungsforderung maßgebende Gesetzeszweck, der sich am Wegfall der\nelterlichen Pflicht zur Übernahme von Ausbildungskosten orientiert, gilt\nallerdings nicht fur die in § 8 AFBG geregelte Einbeziehung von Auslandern in\ndie Aufstiegsfortbildungsforderung, die sich ersichtlich am Grad der\nerwarteten (Abs. 1) oder erlangten (Abs. 2) Integration orientiert. Hier ist\nwiederum die aufenthaltsrechtliche Sicht maßgebend, und auch anderweitige\nDefinitionen von Arbeitnehmern und Erwerbstatigen schließen die zur\nBerufsausbildung Beschaftigten nicht aus, sondern ein (vgl. außer § 7 Abs. 2\nSGB IV fur die Sozialversicherung etwa § 5 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz).\nVor diesem Hintergrund ist die Erwagung im gerichtlichen Schreiben vom\n29.11.2007 letztlich nicht durchschlagend, dass die einer\nAufstiegsfortbildungsforderung typischerweise vorausgehende\nAusbildungsvergutung nicht ausreichen durfte, weil sonst das besondere\nErfordernis der Erwerbstatigkeit ohnehin meist erfullt ware. Insbesondere hat\ndieses Erfordernis der dreijahrigen rechtmaßigen Erwerbstatigkeit im Inland\ngerade fur im Ausland erlangte Ausgangsqualifikationen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1\nAFGB selbstandige Bedeutung, und ein anderer Grund als die dadurch\nfortgeschrittene Integration ist nicht erkennbar. Überhaupt nicht begrundet\nist die gegenteilige Auffassung von Trebes/Reifers (AFBG, August 2006, Erl.\n3.2 zu § 8), eine Berufsausbildung gelte auch im Falle einer\nAusbildungsvergutung nicht als Erwerbstatigkeit. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Unabhangig von § 8 Abs. 2 AFBG folgt der Anspruch der Klagerin auch aus\nArt. 9 ARB 1/80, dessen deutsche Fassung lautet: \n--- \n| 27 \n--- \n| Turkische Kinder, die in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft ordnungsgemaß\nbei ihren Eltern wohnen, welche dort ordnungsgemaß beschaftigt sind oder\nwaren, werden unter Zugrundelegung derselben Qualifikationen wie die Kinder\nvon Staatsangehorigen dieses Mitgliedstaates zum allgemeinen Schulunterricht,\nzur Lehrlingsausbildung und zur beruflichen Bildung zugelassen. Sie konnen in\ndiesem Mitgliedstaat Anspruch auf die Vorteile haben, die nach den\neinzelstaatlichen Rechtsvorschriften in diesem Bereich vorgesehen sind. \n--- \n| 28 \n--- \n| Das Gericht folgt der mit seinem Schreiben vom 29.11.2007 wiedergegebenen\nAuffassung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen (Urt. v. 24.11.2005, InfAuslR\n2006, 315, entsprechend EuGH, Urt. v. 7.7.2005 - C-374/03 - Gaye Gurol), dass\nes sich bei der beantragten Forderung um einen solchen Vorteil im Bereich der\nberuflichen Bildung handelt, woraus unter den weiteren Voraussetzungen des\nArt. 9 ARB 1/80 der gleiche Anspruch folgt wie fur Deutsche. Die im\nWiderspruchsbescheid und im Schriftsatz vom 24.1.2008 ausgefuhrten Einwande\ngreifen nicht durch: \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Zunachst ist es grundsatzlich verfehlt, die Herleitung eines - vorrangigen\n- Anspruchs aus Gemeinschaftsrecht wiederum am deutschen Recht zu messen und\netwa aus der elternunabhangigen Forderung nach § 8 AFBG ein Gegenargument\nabzuleiten. Auch stellen die fur Unionsburger normierten zusatzlichen\nVoraussetzungen (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 und 8 AFBG) nicht die Gleichstellung der von\nArt. 9 ARB 1/80 erfassten Personen mit Deutschen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 AFBG) in\nFrage, sondern allenfalls sich selbst. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Dass die turkischen Kinder nach Art. 9 Satz 2 ARB 1/80 einen Anspruch haben\n_k onnen_ , lasst nicht auf behordliches, sondern allenfalls auf\ngesetzgeberisches Ermessen der Mitgliedstaaten schließen. Hierzu finden sich\naber im genannten Urteil des Gerichtshofs der Europaischen Gemeinschaften (v.\n7.7.2005 - C-374/03 - Gaye Gurol) folgende - von der damaligen Auffassung des\nGeneralanwalts (v. 2.12.2004 - C-374/03 -) abweichende - Ausfuhrungen: \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| 37\\. Artikel 9 Satz 2 stellt klar, dass die turkischen Kinder im\nAufnahmemitgliedstaat „Anspruch auf die Vorteile haben [konnen], die nach den\neinzelstaatlichen Rechtsvorschriften in diesem Bereich vorgesehen sind". \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| 38\\. Diese Klarstellung ist dahin zu verstehen, dass die turkischen\nStaatsangehorigen, wenn die Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats\nVorteile im Bereich der Ausbildung wie die streitige Forderung vorsehen, die\ndie Kosten fur den Zugang zur Ausbildung und den Lebensunterhalt des\nAuszubildenden decken sollen, diese ebenso wie die Angehorigen dieses\nMitgliedstaats beanspruchen konnen. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| 42\\. Diese Bestimmung enthalt somit ebenso wie Artikel 9 Satz 1 des\nBeschlusses Nr. 1/80 ein Gebot der Gleichbehandlung in Bezug auf die Vorteile,\ndie im Bereich der schulischen und der beruflichen Ausbildung gewahrt werden,\ndas seinem Wesen nach geeignet ist, von Einzelnen vor einem nationalen Gericht\nzur Stutzung des Begehrens geltend gemacht zu werden, diskriminierende\nVorschriften einer Regelung eines Mitgliedstaats unangewendet zu lassen, die\ndie Gewahrung eines Anspruchs von einer Voraussetzung abhangig macht, die fur\nInlander nicht gilt; des Erlasses erganzender Durchfuhrungsvorschriften bedarf\nes insoweit nicht. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Hiernach gelten die Anspruchsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 AFBG, der\nkein behordliches Ermessen einraumt, ohne weiteres auch fur den Personenkreis\nnach Art. 9 ARB 1/80. Zu diesem gehort die Klagerin, die ihre Eigenschaft als\nKind im Sinne des Art. 9 wie auch Art. 7 ARB 1/80 nicht verloren hat (vgl.\nEuGH, Urt. v. 11.11.2004 - C-467/02 - Inan Cetinkaya, DVBl. 2005, 103) und\nunter der gleichen Adresse wohnt wie ihr ordnungsgemaß beschaftigter Vater\n(vgl. „Kurzauskunft" uber die Familie vom 31.5.2000 in dessen Auslanderakte). \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 188 VwGO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Klage, uber die mit Einverstandnis der Beteiligten der Vorsitzende als\nBerichterstatter ohne mundliche Verhandlung entscheiden kann (§§ 87a Abs. 2\nund 3, 101 Abs. 2 VwGO), ist zulassig und begrundet. Die Klagerin hat den\nbegehrten Forderungsanspruch, weshalb die entgegenstehenden Bescheide\nrechtswidrig sind und sie in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 5 VwGO). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Unstreitig ist, dass die Klagerin einen Abschluss nach § 2 Abs. 1 Nr. 1\nAFBG (Fassung der Bekanntmachung vom 10.1.2002, BGBl. I S. 402, zuletzt\ngeandert durch Gesetz vom 31.10.2006, BGBl I S. 2407) aufweist und ein\nFortbildungsziel auf dem Niveau des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AFBG anstrebt sowie dass\nnach der Bescheinigung des Maßnahmetragers vom 13.6.2006 die Anforderungen des\n2 Abs. 3 AFBG an eine Maßnahme in Vollzeitform erfullt werden. Fur die\nStaatsangehorigkeit der Teilnehmer gilt nach § 8 AFGB: \n--- \n| 13 \n--- \n| (1) Forderung wird geleistet \n--- \n| 14 \n--- \n| 1\\. Deutschen im Sinne des Grundgesetzes, \n--- \n... \n--- \n| 15 \n--- \n| 3\\. Auslandern oder Auslanderinnen, die ihren gewohnlichen Aufenthalt im\nInland haben und als Asylberechtigte nach dem Asylverfahrensgesetz anerkannt\nsind, \n--- \n| 16 \n--- \n| 4\\. Auslandern, die ihren gewohnlichen Aufenthalt im Inland haben und eine\nNiederlassungserlaubnis nach § 23 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, \n--- \n... \n--- \n| 17 \n--- \n| 6\\. Auslandern oder Auslanderinnen, die ihren standigen Wohnsitz im Inland\nhaben, wenn ein Elternteil oder der Ehegatte Deutscher oder die Ehegattin\nDeutsche im Sinne des Grundgesetzes ist, \n--- \n| 18 \n--- \n| 7\\. Auslandern oder Auslanderinnen, die die Staatsangehorigkeit eines\nanderen Mitgliedstaates der Europaischen Union oder eines anderen\nVertragsstaates des Abkommens uber den Europaischen Wirtschaftsraum haben und\nim Inland vor Beginn der Maßnahme in einem Beschaftigungsverhaltnis gestanden\nhaben; zwischen der darin ausgeubten Tatigkeit und dem Gegenstand der\nFortbildung muss grundsatzlich ein inhaltlicher Zusammenhang bestehen, \n--- \n| 19 \n--- \n| 8\\. Auslandern oder Auslanderinnen, die die Staatsangehorigkeit eines\nanderen Mitgliedstaates der Europaischen Union oder eines anderen\nVertragsstaates des Abkommens uber den Europaischen Wirtschaftsraum haben und\nein Recht auf Daueraufenthalt im Sinne des Freizugigkeitsgesetzes/EU besitzen. \n--- \n| 20 \n--- \n| (2) Anderen Auslandern oder Auslanderinnen wird Forderung geleistet, wenn\nsie selbst sich vor Beginn der Maßnahme insgesamt drei Jahre im Inland \n--- \n| 21 \n--- \n| 1\\. aufgehalten haben \n--- \n| 22 \n--- \n| 2\\. rechtmaßig erwerbstatig gewesen sind. \n--- \n| 23 \n--- \n| (3) Rechts- und Verwaltungsvorschriften, nach denen anderen Auslandern oder\nAuslanderinnen Forderung zu leisten ist, bleiben unberuhrt. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Ein Fall des Abs. 1, insbes. Nr. 4 liegt nicht vor, auch wenn diese\nÄnderung durch Art. 11 Nr. 11 des Zuwanderungsgesetzes (BGBl. I 2004 S. 1950)\nwie bei den anderen Nummern der Aufzahlung auf Auslanderinnen zu erstrecken\nist. Denn die unbefristete Aufenthaltserlaubnis der Klagerin gilt nicht als\nNiederlassungserlaubnis nach § 23 Abs. 2 AufenthG fort (vgl. § 101 Abs. 1\nAufenthG). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Voraussetzungen des unverandert gebliebenen Abs. 2 sind jedoch erfullt,\nweil Zeiten der Ausbildung als Friseurin einzurechnen sind. Insoweit ware fur\nArt. 6 Abs. 1 ARB 1/80 (vgl. EuGH, Urt. v. 19.11.2002 - C-188/00 - InfAuslR\n2003, 41 = DVBl 2003, 451) und das deutsche Auslanderrecht (§ 2 Abs. 2\nAufenthG, § 7 Abs. 2 SGB IV) von Arbeitnehmereigenschaft bzw. Erwerbstatigkeit\nder Klagerin auszugehen, nicht aber fur elternunabhangige Ausbildungsforderung\nnach § 11 Abs. 3 BAfoG (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.6.1980, BVerwGE 60, 231,\nbestatigt durch Urt. v. 16.3.1994, BVerwGE 95, 252). Der fur elternunabhangige\nAusbildungsforderung maßgebende Gesetzeszweck, der sich am Wegfall der\nelterlichen Pflicht zur Übernahme von Ausbildungskosten orientiert, gilt\nallerdings nicht fur die in § 8 AFBG geregelte Einbeziehung von Auslandern in\ndie Aufstiegsfortbildungsforderung, die sich ersichtlich am Grad der\nerwarteten (Abs. 1) oder erlangten (Abs. 2) Integration orientiert. Hier ist\nwiederum die aufenthaltsrechtliche Sicht maßgebend, und auch anderweitige\nDefinitionen von Arbeitnehmern und Erwerbstatigen schließen die zur\nBerufsausbildung Beschaftigten nicht aus, sondern ein (vgl. außer § 7 Abs. 2\nSGB IV fur die Sozialversicherung etwa § 5 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz).\nVor diesem Hintergrund ist die Erwagung im gerichtlichen Schreiben vom\n29.11.2007 letztlich nicht durchschlagend, dass die einer\nAufstiegsfortbildungsforderung typischerweise vorausgehende\nAusbildungsvergutung nicht ausreichen durfte, weil sonst das besondere\nErfordernis der Erwerbstatigkeit ohnehin meist erfullt ware. Insbesondere hat\ndieses Erfordernis der dreijahrigen rechtmaßigen Erwerbstatigkeit im Inland\ngerade fur im Ausland erlangte Ausgangsqualifikationen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1\nAFGB selbstandige Bedeutung, und ein anderer Grund als die dadurch\nfortgeschrittene Integration ist nicht erkennbar. Überhaupt nicht begrundet\nist die gegenteilige Auffassung von Trebes/Reifers (AFBG, August 2006, Erl.\n3.2 zu § 8), eine Berufsausbildung gelte auch im Falle einer\nAusbildungsvergutung nicht als Erwerbstatigkeit. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Unabhangig von § 8 Abs. 2 AFBG folgt der Anspruch der Klagerin auch aus\nArt. 9 ARB 1/80, dessen deutsche Fassung lautet: \n--- \n| 27 \n--- \n| Turkische Kinder, die in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft ordnungsgemaß\nbei ihren Eltern wohnen, welche dort ordnungsgemaß beschaftigt sind oder\nwaren, werden unter Zugrundelegung derselben Qualifikationen wie die Kinder\nvon Staatsangehorigen dieses Mitgliedstaates zum allgemeinen Schulunterricht,\nzur Lehrlingsausbildung und zur beruflichen Bildung zugelassen. Sie konnen in\ndiesem Mitgliedstaat Anspruch auf die Vorteile haben, die nach den\neinzelstaatlichen Rechtsvorschriften in diesem Bereich vorgesehen sind. \n--- \n| 28 \n--- \n| Das Gericht folgt der mit seinem Schreiben vom 29.11.2007 wiedergegebenen\nAuffassung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen (Urt. v. 24.11.2005, InfAuslR\n2006, 315, entsprechend EuGH, Urt. v. 7.7.2005 - C-374/03 - Gaye Gurol), dass\nes sich bei der beantragten Forderung um einen solchen Vorteil im Bereich der\nberuflichen Bildung handelt, woraus unter den weiteren Voraussetzungen des\nArt. 9 ARB 1/80 der gleiche Anspruch folgt wie fur Deutsche. Die im\nWiderspruchsbescheid und im Schriftsatz vom 24.1.2008 ausgefuhrten Einwande\ngreifen nicht durch: \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Zunachst ist es grundsatzlich verfehlt, die Herleitung eines - vorrangigen\n- Anspruchs aus Gemeinschaftsrecht wiederum am deutschen Recht zu messen und\netwa aus der elternunabhangigen Forderung nach § 8 AFBG ein Gegenargument\nabzuleiten. Auch stellen die fur Unionsburger normierten zusatzlichen\nVoraussetzungen (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 und 8 AFBG) nicht die Gleichstellung der von\nArt. 9 ARB 1/80 erfassten Personen mit Deutschen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 AFBG) in\nFrage, sondern allenfalls sich selbst. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Dass die turkischen Kinder nach Art. 9 Satz 2 ARB 1/80 einen Anspruch haben\n_k onnen_ , lasst nicht auf behordliches, sondern allenfalls auf\ngesetzgeberisches Ermessen der Mitgliedstaaten schließen. Hierzu finden sich\naber im genannten Urteil des Gerichtshofs der Europaischen Gemeinschaften (v.\n7.7.2005 - C-374/03 - Gaye Gurol) folgende - von der damaligen Auffassung des\nGeneralanwalts (v. 2.12.2004 - C-374/03 -) abweichende - Ausfuhrungen: \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| 37\\. Artikel 9 Satz 2 stellt klar, dass die turkischen Kinder im\nAufnahmemitgliedstaat „Anspruch auf die Vorteile haben [konnen], die nach den\neinzelstaatlichen Rechtsvorschriften in diesem Bereich vorgesehen sind". \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| 38\\. Diese Klarstellung ist dahin zu verstehen, dass die turkischen\nStaatsangehorigen, wenn die Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats\nVorteile im Bereich der Ausbildung wie die streitige Forderung vorsehen, die\ndie Kosten fur den Zugang zur Ausbildung und den Lebensunterhalt des\nAuszubildenden decken sollen, diese ebenso wie die Angehorigen dieses\nMitgliedstaats beanspruchen konnen. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| 42\\. Diese Bestimmung enthalt somit ebenso wie Artikel 9 Satz 1 des\nBeschlusses Nr. 1/80 ein Gebot der Gleichbehandlung in Bezug auf die Vorteile,\ndie im Bereich der schulischen und der beruflichen Ausbildung gewahrt werden,\ndas seinem Wesen nach geeignet ist, von Einzelnen vor einem nationalen Gericht\nzur Stutzung des Begehrens geltend gemacht zu werden, diskriminierende\nVorschriften einer Regelung eines Mitgliedstaats unangewendet zu lassen, die\ndie Gewahrung eines Anspruchs von einer Voraussetzung abhangig macht, die fur\nInlander nicht gilt; des Erlasses erganzender Durchfuhrungsvorschriften bedarf\nes insoweit nicht. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Hiernach gelten die Anspruchsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 AFBG, der\nkein behordliches Ermessen einraumt, ohne weiteres auch fur den Personenkreis\nnach Art. 9 ARB 1/80. Zu diesem gehort die Klagerin, die ihre Eigenschaft als\nKind im Sinne des Art. 9 wie auch Art. 7 ARB 1/80 nicht verloren hat (vgl.\nEuGH, Urt. v. 11.11.2004 - C-467/02 - Inan Cetinkaya, DVBl. 2005, 103) und\nunter der gleichen Adresse wohnt wie ihr ordnungsgemaß beschaftigter Vater\n(vgl. „Kurzauskunft" uber die Familie vom 31.5.2000 in dessen Auslanderakte). \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 188 VwGO. \n---\n\n
135,814
olgstut-2010-03-04-18-wf-4610
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
18 WF 46/10
2010-03-04
2019-01-07 11:15:11
2019-02-12 12:38:06
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des\nAmtsgerichts - Familiengerichts - Albstadt - 2 F 226/09 - vom 29.12.09\n\n**a b g e a n d e r t**\n\nund wie folgt neu gefasst:\n\nDie dem Antragsteller mit Beschluss vom 18.8.2009 bewilligte\nVerfahrenskostenhilfe wird auch auf die Folgesache Guterrecht (Auskunftsstufe,\nAntrage Ziffer 1 und 2 des Antrags vom 26.11.09) erstreckt.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des\nFamiliengerichts vom 29.12.2009 ist gemaß §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr.\n1 ZPO statthaft und gemaß §§ 569, 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO form- und fristgerecht\neingelegt worden. Sie ist auch begrundet. Denn auf die Folgesache Guterrecht\nist das ab dem 1.9.2009 geltende materielle Recht und damit auch § 1379 BGB n.\nF. anzuwenden. Zudem besteht grundsatzlich eine Auskunftspflicht bezuglich\nWert bildender Faktoren. \n--- \n--- \n1. \n--- \n| 2 \n--- \n| Auf die Folgesache Zugewinnausgleich ist vorliegend das seit dem 1.9.2009\ngeltende materielle Recht anzuwenden, auch wenn der Scheidungsantrag bereits\nam 10.7.2009 und damit noch wahrend der Geltung des fruheren Rechts\neingegangen ist. \n--- \n| 3 \n--- \n| a) Fur einen am 1.9.2009 anhangigen Zugewinnausgleichsantrag kommt es auf\nden Zeitpunkt der Anhangigkeit des Anspruchs auf Zugewinnausgleich in einem\ngerichtlichen Verfahren, nicht notwendigerweise auch des Scheidungsverfahrens,\nan. Dies bedeutet, dass das neue Recht gilt, wenn zwar der Scheidungsantrag\nbis zum 31.8.2009 anhangig gemacht wurde, der Anspruch auf Zugewinnausgleich\naber erst danach. Die Übergangsregelung ist vom Gesetzgeber bewusst auf § 1374\nBGB beschrankt worden, da nur hinsichtlich der Einfuhrung des negativen\nAnfangsvermogens ein schutzwurdiges Interesse am Fortbestand der alten\nRechtslage besteht. Die ubrigen im Bereich des Zugewinnausgleichs reformierten\nVorschriften gelten dagegen sofort mit Inkrafttreten des Reformgesetzes, das\nvor allem dem Schutz vor Manipulationen dient und das Vertrauen in den\nFortbestand einer Manipulationsmoglichkeit gerade nicht schutzwurdig ist (vgl.\nPalandt / Brudermuller, BGB, 69. Aufl. 2010, Art. 229 § 20 EGBGB RN 3). \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| b) Hieraus folgt, dass auf den mit Schriftsatz vom 26.11.2009 eingereichten\nStufenantrag des Antragstellers hinsichtlich des Zugewinnausgleichs § 1379 BGB\nin der ab 1.9.2009 geltenden Fassung anzuwenden ist. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der seitens des Antragstellers geltend gemachte Auskunftsanspruch\nhinsichtlich des Vermogensbestandes der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der\nTrennung ergibt sich sonach aus § 1379 Abs. 1 Nr. 1 BGB n. F., die\nVerpflichtung der Beklagten zur Belegvorlage auf Anforderung aus § 1379 Abs. 1\nSatz 2 BGB in der ab 01.09.09 geltenden Fassung. \n--- \n--- \n2. \n--- \n| 6 \n--- \n| Auch schuldet die Antragsgegnerin Auskunft hinsichtlich der Wert bildenden\nFaktoren der einzelnen Gegenstande. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Im Rahmen der Auskunft gemaß § 1379 BGB sind die Gegenstande nach Anzahl,\nArt und Wert bildenden Merkmalen einzeln aufzufuhren (BGH NJW 1982, 1643;\nPalandt / Brudermuller, a.a.O., § 1379 RN 9). Zwar sind Wertangaben nicht\ngeschuldet, wohl aber Angaben uber Wert bildende Merkmale (BGH a.a.O.; Palandt\n/ Brudermuller a.a.O.). Dies galt auch bereits nach der herrschenden\nRechtsprechung zu dem bis zum vor dem 01.09.09 geltenden Recht. \n--- \n--- \n3. \n--- \n| 8 \n--- \n| Damit war dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe zunachst fur die Antrage\nZiffer 1 und 2 vom 26.11.2009 in vollem Umfang zu gewahren. \n---\n\n
136,872
vg-sigmaringen-2005-03-16-4-k-20004
159
Verwaltungsgericht Sigmaringen
vg-sigmaringen
Sigmaringen
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 K 200/04
2005-03-16
2019-01-07 12:03:30
2019-01-17 11:57:00
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDie Klagerin tragt die Kosten des Verfahrens.\n\nDie Berufung wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin begehrt eine Baugenehmigung zum Neubau eines\nLebensmittelmarktes. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin betreibt ein bundesweites Netz von Lebensmittelmarkten und ist\nEigentumerin des 4.408 m² großen, ca. 60 m breiten und ca. 75 m langen\nGrundstucks F.-S.-Straße xx, Flst.-Nr. ..., Gemarkung R. Dieses Baugrundstuck\ngrenzt im Norden und Osten gegenuber dem T.-G.-Weg und der N. Straße an zwei-\nbis dreigeschossige Wohnbebauung. Im Suden befinden sich gegenuber der\nF.-S.-Straße ein Hallenbad sowie der teilweise begrunte S. Platz. Im Westen\ngrenzt an der starker befahrenen Z. Straße gemischte, zum Teil gewerbliche\nNutzung an. Der Bebauungsplan der Beklagten „Bebauungsplananderung im Gebiet\nzwischen N. Straße, S. Straße und Z. Straße" vom 7.1.1965 setzte fur das\nBaugrundstuck eine gewerbliche Bauflache fest. Bis Ende 1999 befand sich auf\ndem Baugrundstuck die Betriebsstatte der Sußwarenbackerei T.-Werk T. K. GmbH &\nCo. KG. Nach Verlegung der Produktion und Aufgabe des Standorts plante das\nT.-Werk zunachst eine wohnwirtschaftliche Verwertung des aufgegebenen\nBetriebsgrundstucks. Am 27.7.2000 verkaufte das T.-Werk das Baugrundstuck\nzusammen mit dem weiteren Grundstuck Flst.-Nr. .../x (2038 m²) fur zusammen\n6.500.000,- DM an die Klagerin. Diese beantragte bereits am 15.6.2000 bei der\nStadt R. die Erteilung einer Baugenehmigung zum Neubau eines\nLebensmittelmarktes mit Werbung auf dem Baugrundstuck. Ihr Bauantrag sieht ein\neingeschossiges Marktgebaude vor, mit einer Lange von ca. 40 m, einer Breite\nvon ca. 25 m und einer Verkaufsflache von ca. 700 m², sowie ebenerdige\nParkflachen mit 97 Stellplatzen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Technische Ausschuss des Gemeinderats der Stadt R. befasste sich am\n8.12.1999 mit der Neuordnung des T.-Areals auf der Basis der vom T.-Werk\nzunachst beabsichtigten Wohnbebauung. Er kam zum Ergebnis, dass fur die\nNeuordnung ein vorhabenbezogener Bebauungsplan sinnvoll sei. Vorgeschaltet sei\naber ein Gutachterverfahren bzw. ein Bieterverfahren durchzufuhren, um\nunterschiedliche Losungen fur die Neustrukturierung zu erhalten. Nach Vorlage\nder Ergebnisse dieses Verfahrens, an dem das T.-Werk beteiligt war, fasste der\nTechnische Ausschuss am 14.6.2000 einen Aufstellungsbeschluss, der eine\nÄnderung des Bebauungsplans „Bebauungsplananderung im Gebiet zwischen N.\nStraße, S. Straße und Z. Straße" vom 7.1.1965 und eine Ausweisung eines\nallgemeinen Wohngebietes fur das T.-Areal vorsah. Dieser Beschluss wurde nicht\noffentlich bekanntgemacht. \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 28.6.2000 beschloss der Technische Ausschuss erneut die Aufstellung\neines Bebauungsplanes fur das ehemalige T.-Areal. Zu den Planungszielen wurde\nausgefuhrt, vorzusehen sei eine mindestens 2- und maximal 3-geschossige\nBaustruktur entlang der N. Straße und dem T.-G.-Weg, und eine mindestens 3-\nund maximal 4-geschossige Baustruktur im Bereich F.-S.-Straße und Z. Straße.\nIn der vom Ausschuss gebilligten Sitzungsvorlage wurden vom Stadtplanungsamt\nzusatzlich folgende Ziele formuliert: Ausweisung eines Allgemeinen\nWohngebiets, Ausschluss von Gartenbaubetrieben und Tankstellen,\nGeschossflachenzahl 1,2, Aufwertung der Straßenraume entlang der Z. Straße mit\neiner Reihe mittelgroßer Baume, verkehrsberuhigte Gestaltung der N. Straße und\ndes T.-G.-Wegs, Unterbringung der Stellplatze in erduberdeckten Tiefgaragen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 19.7.2000 wurde der Aufstellungsbeschluss vom 28.6.2000 ortsublich\noffentlich bekannt gemacht. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Verfugung vom 21.7.2000 ordnete das Bauordnungsamt der Beklagten die\nZuruckstellung der Entscheidung uber den Bauantrag der Klagerin vom 15.6.2000\num zwolf Monate und die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme an. Die\nVerfugung wurde der Klagerin am 28.7.2000 zugestellt. \n--- \n| 7 \n--- \n| Am 27.7.2000 schloss die Klagerin mit dem T.-Werk T. K. GmbH & Co. KG den\nKaufvertrag uber den Erwerb des Baugrundstucks und eines weiteren Grundstucks.\nEin Rucktrittsrecht wurde nicht vereinbart, eine Gewahrleistung fur die\nBebaubarkeit des Baugrundstucks wurde in § 5 Abs. 2 Nr. 6 Satz 2 des\nKaufvertrags ausgeschlossen. Die Auflassung erfolgte am 7.11.2001, die\nGrundbucheintragung am 16.11.2001. \n--- \n| 8 \n--- \n| Am 27.2.2001 wurde das vom Stadtplanungsamt zur Problematik einer\nÜberplanung des T.-Areals eingeholte Rechtsgutachten B. vorgelegt. Das\nGutachten empfahl die genauere Ermittlung abwagungserheblicher Belange. Dazu\nsollte unter anderem die verkehrliche Belastung bei den jeweiligen\nPlanungsvarianten ermittelt werden. Zur Betroffenheit der Klagerin wurde\nausgefuhrt, durch den vorgesehenen Wegfall gewerblicher Nutzungsmoglichkeiten\nkonne wegen des Fristablaufs zwar kein Planschadensersatzanspruch entstehen,\nein Vertrauensschadensersatzanspruch sei jedoch nicht vollig auszuschließen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Am 2.7.2001 wurde der Gemeinderat uber die Ergebnisse des Rechtsgutachtens\nund uber die erforderliche Modifikation der Planungsziele informiert. Diese\nsahen dabei nunmehr eine Aufteilung des Baugrundstucks in ein Mischgebiet und\nin ein Allgemeines Wohngebiet vor. Im Mischgebiet waren Altenwohnungen und\ndazu gehorende Pflegeeinrichtungen sowie kleine Laden und ein Cafe, im\nAllgemeinen Wohngebiet war eine Wohnnutzung vorgesehen. Nach den Ausfuhrungen\nin der Sitzungsvorlage wurde bei der Planung berucksichtigt, dass die Klagerin\nBereitschaft signalisiert hatte, das T.-Areal mit einem Dritten entsprechend\nden Vorstellungen der Stadt entwickeln zu lassen, falls fur den geplanten\nMarkt ein Ersatzgrundstuck in der Sudstadt gefunden werde. \n--- \n| 10 \n--- \n| Am 2.7.2001 beschloss der Gemeinderat eine Satzung fur eine\nVeranderungssperre fur das Baugrundstuck zur Sicherung der mit Beschluss des\nTechnischen Ausschusses vom 28.6.2000 vorgesehenen Aufstellung eines\nBebauungsplans fur diesen Bereich. Die Veranderungssperre wurde am 13.7.2001\noffentlich bekannt gemacht. \n--- \n| 11 \n--- \n| Am 6.3.2002 erstellte die Beklagte ihr stadtisches Einzelhandelskonzept. Im\nMai 2002 legte das Beratungsburo fur Stadt- und Regionalentwicklung A. seine\nErgebnisse zu den einzelhandelsbezogenen Festsetzungen zur Neuordnung des\nT.-Areals vor. \n--- \n| 12 \n--- \n| Am 10.6.2002 beschloss der Gemeinderat der Beklagten, die\nVeranderungssperre vom 2.7.2001 um ein Jahr zu verlangern. Zum\nVerlangerungsbedarf wurde in der Sitzungsvorlage ausgefuhrt, zur Erarbeitung\neiner Losung, die sowohl die Errichtung eines Lebensmittelmarktes wie auch die\nWahrung der stadtebaulichen Zielsetzungen ermogliche, seien weitere\nAusarbeitungen und Verfahrensschritte notwendig. Die Satzung uber die\nVerlangerung der Veranderungssperre wurde am 18.6.2002 offentlich bekannt\ngemacht. \n--- \n| 13 \n--- \n| Der am 3.7.2002 vom Technischen Ausschuss beschlossene modifizierte\nPlanentwurf sah im geplanten Mischgebietsteil einen Lebensmitteleinzelhandel\nmit daruber gelegener Wohnbebauung vor. In der vom Ausschuss gebilligten\nSitzungsvorlage ist dazu ausgefuhrt, es sei notwendig, die Anspruche des\nEigentumers zur Errichtung des Lebensmittelmarktes mit den Schutzanspruchen\nder umgebenden Wohnbebauung und den stadtebaulichen Zielsetzungen in Einklang\nzu bringen. Dem werde der Bauantrag der Klagerin mit großflachigem ebenerdigen\nParkplatz nicht gerecht. Daher solle der Discounter in die vorgegebene\nBaukorperstruktur integriert und das gesamte erforderliche Stellplatzangebot\nin einer Tiefgarage untergebracht werden. Die Anlieferung des Marktes musse an\nder F.-S.-Straße eingehaust werden. An der N. Straße seien Stadthauser, in den\nWohnstraßen sei eine Verkehrsberuhigung vorzusehen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Am 1.8.2002 wurden die Stellungnahmen der Trager offentlicher Belange\neingeholt. Am 30.8.2002 erging die Bekanntmachung uber die Beteiligung der\nBurger. Die Planunterlagen wurden vom 9.9. bis zum 23.9.2002 beim\nStadtplanungsamt ausgelegt. \n--- \n| 15 \n--- \n| Am 7.10.2002 forderte das Stadtplanungsamt bei Prof. B. eine Erganzung\nseines Rechtsgutachtens vom 27.2.2001 unter Berucksichtigung der veranderten\nPlanung vom 3.7.2002 an. \n--- \n| 16 \n--- \n| Am 9.10.2002 wurde die gutachtliche Stellungnahme der\nIngenieursgesellschaft fur technische Akustik mbH, W.-D., zum\nSchallimmissionsschutz beim Bebauungsplan „Neuordnung T.-Areal/F.-S.-Straße"\nmit Schallprufbericht vom 24.5.2002 vorgelegt. \n--- \n| 17 \n--- \n| Am 2.1.2003 erhielt die Beklagte das erganzende Rechtsgutachten von Prof.\nB. Darin wurde empfohlen, im vorgesehenen Bebauungsplan keine weitere\nEinschrankung der Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 BauNVO vorzunehmen, einen\nAusschluss großflachiger Einzelhandelsbetriebe wegen der vorgesehenen\nVerkaufsflache von 800 m² zu unterlassen und andere Einzelhandelsbetriebe als\nden Lebensmittelmarkt auszuschließen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Am 30.1.2003 fand ein weiteres Gesprach zwischen der Klagerin und der\nBeklagten statt. Die dabei wiederum angestrebte gemeinsame Losung wurde nicht\nerzielt, nachdem die Klagerin auf ebenerdigen Kundenparkplatzen beharrte und\ndie Tiefgaragenlosung ablehnte. \n--- \n| 19 \n--- \n| Vom 31.3. bis zum 2.5.2003 wurde die offentliche Auslegung des\nBebauungsplanentwurfs mit Begrundung durchgefuhrt. \n--- \n| 20 \n--- \n| Mit Schreiben vom 30.4.2003 brachte die Klagerin umfangreiche Bedenken\ngegen die Planung vor. \n--- \n| 21 \n--- \n| Am 14.7.2003 beschloss der Gemeinderat nach Zustimmung des\nRegierungsprasidiums T. vom 6.6.2003 eine Verlangerung der Veranderungssperre\nvom 2.7.2001 um ein weiteres Jahr auf insgesamt vier Jahre. Zur Begrundung\nwurde in der Sitzungsvorlage ausgefuhrt, die Klagerin habe im Rahmen der\nBurgerbeteiligung Anregungen vorgebracht, weshalb zur Abwagung des\nSachverhalts weitere gutachterliche Überprufungen und Erorterungen\nunabdinglich seien. Außerdem seien weitere Erorterungen, Ausarbeitungen und\neventuell Plananderungen notwendig. Aufgrund dieser besonderen Umstande reiche\ndie Zeit bis zum Ablauf der Veranderungssperre nicht aus. Die Satzung uber die\nnochmalige Verlangerung der Veranderungssperre wurde am 18.7.2003 offentlich\nbekannt gemacht. \n--- \n| 22 \n--- \n| Am 1.12.2003 beschloss der Gemeinderat der Stadt R. den Bebauungsplan\n„Neuordnung T.-Areal/F.-S.-Straße" als Satzung. Am 31.3.2004 erfolgte die\nGenehmigung durch das Regierungsprasidium T. Der Bebauungsplan wurde am\n8.4.2004 ausgefertigt und am 17.4.2004 ortsublich bekannt gemacht. Der Plan\nordnet ausschließlich die Bebauung auf dem Baugrundstuck und auf den\nangrenzenden Verkehrsflachen. Er weist hierfur ein zweiteiliges Mischgebiet\nund ein Allgemeines Wohngebiet aus. Das Mischgebiet 1 befindet sich in der\nwestlichen Halfte des Grundstucks. Hier wird ein zwei- bis dreigeschossiges\nGebaude zugelassen, mit Lebensmitteleinzelhandelsbetrieb mit bis zu 800 m²\nVerkaufsflache im Erdgeschoss und mit Wohnungen in den daruber liegenden\nGeschossen. Die Mindestwandhohe betragt 9 m. Die Parkierung erfolgt auch fur\nden Lebensmittelmarkt in einer erduberdeckten Tiefgarage. Andere Stellplatze\nsind nicht zugelassen. Das Mischgebiet 2 ist auf dem sudostlichen\nGrundstucksteil neben der Andienungszone fur den Lebensmittelmarkt und der\nTiefgaragenausfahrt vorgesehen und besteht aus einem einzelnen Baufenster. Das\nAllgemeine Wohngebiet befindet sich auf dem ostlichen und nordostlichen Teil\ndes Grundstucks. In diesem Bereich sind drei Einzelwohnhauser entlang der N.\nStraße zugelassen. In der Begrundung des Bebauungsplanes ist ausgefuhrt, der\nBauantrag der Klagerin vom 15.6.2000 widerspreche den stadtebaulichen Zielen\nder Stadt R. Eine Anpassung der Planung an den Charakter der umgebenden\nBebauung sei erforderlich. Die angrenzende Wohnbebauung solle vor zunehmendem\nVerkehr und Larm geschutzt werden. Die durch den Verkehr und den\nLebensmitteleinzelhandel bewirkten Belastungen fur die Wohnnutzung konnten\ndurch geeignete Maßnahmen abgemildert werden, so dass die Wohnungen entlang\nder Z. Straße einen guten Wohnwert erlangten. Eine wirtschaftliche Nutzung\ndieser Wohnflachen durch Vermietung und Verpachtung sei moglich. Die\nplanerisch moglichen 40 Wohnungen an diesem attraktiven Standort trugen zur\nStarkung aller Infrastruktureinrichtungen im Stadtkern bei. Die festgesetzte\nWandhohe sei im Hinblick auf ein einheitliches Straßenbild geboten. Die\nKlagerin habe beim Kauf des Grundstucks von den Planungen der Stadt R. gewusst\noder habe hiervon jedenfalls Kenntnis haben mussen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Mit Bescheid vom 20.8.2002 lehnte die Beklagte die beantragte\nBaugenehmigung mit der Begrundung ab, es lage eine wirksame Veranderungssperre\nvor, die dem Bauantrag entgegenstehe. Eine Ausnahme sei nicht zu gewahren,\nweil das beantragte Bauvorhaben den Planungszielen zuwider laufe. \n--- \n| 24 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 21.1.2004 wies das Regierungsprasidium T. den\nWiderspruch vom 20.8.2002 zuruck. Die Begrundung folgte der des\nAusgangsbescheids. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Klagerin hat am 24.1.2004 hier Klage erhoben. Sie macht geltend, der\nBebauungsplan „Neuordnung T.-Areal/F.-S.-Straße" sei unwirksam. Fur die\nAufstellung des Bebauungsplans fur das Grundstuck Flst.-Nr. ... fehle es an\nder bauplanungsrechtlichen Erforderlichkeit, weil die Beklagte mit der Planung\nlediglich den Lebensmittelmarkt der Klagerin verhindern wolle. Diese\nNegativplanung sei nicht zulassig. Außerdem sei die Aufstellung zunachst\nausschließlich durch die Absicht der Firma T. veranlasst gewesen, die anfangs\neine wohnungswirtschaftliche Verwertung beabsichtigt habe. Die Aufstellung\nberuhe daher nicht auf einem baulichen Konzept der Beklagten, sondern sei eine\nvon der Stadt abgesegnete Zielsetzung der vorherigen Grundstuckeigentumerin.\nDer von der Beklagten nunmehr vorgesehene Lebensmittelmarkt mit Tiefgarage sei\nfur die Klagerin nicht akzeptabel, was die Beklagte bei der Planung gewusst\nhabe. Die vom Bebauungsplan vorgesehene gemischte Nutzung des Baugrundstucks\nwiderspreche dem Geschaftsmodell der Klagerin. Die Klagerin sei ohne\noberirdische Parkplatze im Hinblick auf den benachbarten Lebensmittelmarkt der\nFa. A. nicht wettbewerbsfahig. Die Umsatze, die den hohen Grundstuckskaufpreis\nrechtfertigen wurden, ließen sich ohne ebenerdige Parkplatze nicht erzielen.\nDie Klagerin habe bei Abschluss des Grundstuckkaufvertrags die Planziele der\nBeklagten nicht gekannt, bei Kenntnis hatte sie das Grundstuck nicht erworben.\nDie Zuruckstellung ihres Bauantrags durch die Beklagte sei ihr erst einen Tag\nnach Abschluss des Kaufvertrages zugestellt worden. Die Belange der Klagerin\nseien in die Abwagung nicht richtig eingestellt worden. Die Beklagte habe\nverkannt, dass der Klagerin mit der jetzigen Planung eine eigene Nutzung des\nBaugrundstucks fur einen Lebensmittelmarkt nach dem Modell L. ganzlich\nentzogen worden sei. Ihre Belange seien auch falsch gewichtet und im\nVerhaltnis zu den offentlichen Belangen in einen unverhaltnismaßigen Ausgleich\ngebracht. Die Beklagte habe namlich nicht berucksichtigt, dass der Klagerin\nkein Schadensersatzanspruch fur die entzogene Nutzungsmoglichkeit zustehe.\nAuch habe die Beklagte das Interesse der Klagerin an einer ausschließlich\ngewerblichen Nutzung falsch bewertet, weil sie nicht gesehen habe, dass damit\ndie Verwendbarkeit des Grundstucks fur die Klagerin steht und fallt. Daruber\nhinaus seien die offentlichen Belange zu hoch gewichtet worden, denn das\numgebende Gebiet sei keineswegs so stark durch Wohnbebauung gepragt und\nbedurfe nicht des Schutzes, den die Beklagte in der Abwagung fur erforderlich\ngehalten habe. Weiter verfuge die Beklagte in der Nahe uber ein eigenes\nGrundstuck, auf dem sie die von ihr gewunschte Wohnbebauung selbst durchfuhren\nkonne, weshalb die Klagerin zu einer Wohnbebauung auf ihrem Grundstuck nicht\ngezwungen werden konne. Schließlich sei der Erlass einer Veranderungssperre\nund die zweimalige Verlangerung dieser Veranderungssperre unzulassig gewesen.\nBesondere Umstande zur Rechtfertigung einer Verlangerung hatten nicht\nvorgelegen, da die Beklagte die Verzogerungen selbst zu vertreten gehabt habe.\nDie Verlangerung um ein weiteres Jahr sei jedenfalls auch deswegen\nermessensfehlerhaft, weil ein kurzerer Zeitraum ausreichend gewesen sei. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 27 \n--- \n| die baurechtliche Entscheidung der Stadt R. vom 20. August 2002 sowie den\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums T. vom 21. Januar 2004\naufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die am 15. Juni 2000 beantragte\nBaugenehmigung fur den Neubau eines Lebensmittelmarktes mit Werbung in R.,\nF.-S.-Straße xx, Flst.-Nr. ..., zu erteilen, hilfsweise, festzustellen, dass\nder Klagerin in der Zeit vom 28. Juli 2003 bis zum 14. April 2004 ein Anspruch\nauf Erteilung der beantragten Baugenehmigung zustand, sowie, die Zuziehung\neines Bevollmachtigten im Vorverfahren fur notwendig zu erklaren. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 29 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Beklagte tragt dazu vor, der Bebauungsplan „Neuordnung\nT.-Areal/F.-S.-Straße" sei wirksam. Er sei erforderlich gewesen, enthalte eine\npositive Planung und ihm liege eine nachvollziehbare planerische Konzeption\nzugrunde. Die Stadt habe auch eigene planerische Ziele verfolgt und stets\nversucht, mit der Klagerin einen Kompromiss zu finden, wie die Änderungen der\nPlanungsziele zeigten. Die von der Klagerin beabsichtigte Bebauung\nwiderspreche dem Gebietscharakter der Umgebung. Die Beklagte sei nicht\nverpflichtet, der Klagerin eine fur sie optimale Bebauung des Grundstucks zu\nermoglichen. Sie habe vielmehr alle Belange zu berucksichtigen und gerecht\nabzuwagen, was vorliegend auch geschehen sei. Die erneute Verlangerung der\nVeranderungssperre sei auch deshalb erforderlich gewesen, weil man sich mit\nder Klagerin um eine einvernehmliche Losung bemuht habe. \n--- \n| 31 \n--- \n| Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins in der\nUmgebung des Baugrundstucks. Bezuglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird\nauf den Inhalt der Niederschrift und auf die beim Augenschein angefertigten\nFotografien verwiesen. \n--- \n| 32 \n--- \n| Dem Gericht lagen die Behordenakten der Stadt R., die Bebauungsplanakte zum\nBebauungsplan „Neuordnung T.-Areal/F.-S.-Straße" sowie die Widerspruchsakte\ndes Regierungsprasidiums T. vor. Auf den Inhalt dieser Unterlagen und auf die\nAusfuhrungen der Beteiligten in ihren Schriftsatzen wird wegen weiterer\nEinzelheiten verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 33 \n--- \n| I. Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag als Verpflichtungsklage statthaft\nund auch ansonsten zulassig. Sie ist aber unbegrundet, und bleibt daher ohne\nErfolg. Die Klagerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der am 15.6.2000\nbeantragten Baugenehmigung fur einen Lebensmittelmarkt mit Stellplatzen auf\ndem Grundstuck Flst.-Nr. .... Die ablehnenden Bescheide sind rechtmaßig und\nverletzen die Klagerin daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1,\nAbs. 5 Satz 1 VwGO). \n--- \n| 34 \n--- \n| Fur die Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens ist die Sach- und\nRechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Gericht maßgeblich (vgl.\nBVerwG, Urteil vom 7.2.1964 - I C 104.61 -, Buchholz 406.11 § 31 BBauG Nr. 1). \n--- \n| 35 \n--- \n| Anspruchsgrundlage ist § 58 Abs. 1 LBO. Nach dieser Vorschrift ist die\nBaugenehmigung zu erteilen, wenn dem genehmigungspflichtigen Vorhaben keine\nvon der Baurechtsbehorde zu prufenden offentlich-rechtlichen Vorschriften\nentgegenstehen. Bauplanungsrechtlich beurteilt sich die Zulassigkeit des\nVorhabens nach §§ 29 Abs. 1, 30 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit dem\nBebauungsplan „Neuordnung T.-Areal/F.-S.-Straße" der Beklagten vom 1.12.2003.\nDie Genehmigungsvoraussetzungen liegen danach nicht vor, weil dem Vorhaben der\nKlagerin die Festsetzungen des Bebauungsplans „Neuordnung\nT.-Areal/F.-S.-Straße" entgegen stehen. Dass das ausschließlich gewerbliche\nVorhaben der Klagerin auf dem Baugrundstuck Flst.-Nr. ... mit den\nFestsetzungen dieses Bebauungsplans nicht zu vereinbaren ist, ist zwischen den\nBeteiligten unstreitig und bedarf nach den planerischen Festsetzungen auch\nkeiner weiteren Begrundung. \n--- \n| 36 \n--- \n| 1\\. Entgegen der Ansicht der Klagerin ist der Bebauungsplan „Neuordnung\nT.-Areal/F.-S.-Straße" wirksam zustande gekommen und daher zu beachten. Fur\ndie Beurteilung seiner Wirksamkeit ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt\nder Beschlussfassung am 1.12.2003 maßgebend (vgl. Bayerischer\nVerwaltungsgerichtshof Munchen, Urteil vom 23.12.1998 - 26 N 98.1675 - NVwZ-RR\n2000, 79; § 214 Abs. 3 BauGB). \n--- \n| 37 \n--- \n| Bedenken gegen die formelle Rechtmaßigkeit des Bebauungsplans „Neuordnung\nT.-Areal/F.-S.-Straße" sind dabei weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch in\nmateriell-rechtlicher Hinsicht ist der Bebauungsplan im Hinblick auf die von\nder Klagerin vorgetragenen Punkte nicht zu beanstanden (zum\nÜberprufungsumfang: BVerwG, Beschluss vom 12.9. 1989 - 4 B 149/89 -, Buchholz\n406.11 § 10 BBauG/BauGB Nr. 19; Urteil vom 7.9.1979 - IV C 7.77 -, Buchholz\n406.11 § 10 BBauG Nr. 10). \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Aufstellung des Bebauungsplans war entgegen klagerischer Ansicht im\nSinne des § 1 Abs. 3 BauGB fur die stadtebauliche Entwicklung und Ordnung\nerforderlich. Nach standiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes\nreicht hierfur aus, dass es vernunftigerweise geboten ist, die bauliche\nEntwicklung durch Planung zu ordnen, wobei der Gemeinde ein weites\nplanerisches Ermessen zukommt. Demnach ist eine Bauleitplanung nur dann nicht\nerforderlich, wenn sie auf keiner planerischen Konzeption beruht und deshalb\nuberflussig ist und einen groben und einigermaßen offensichtlichen Missgriff\ndarstellt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 22.1.1993 - 8 C 46/91 -, BVerwGE 92,\n8). Dies ist hier nicht der Fall. Der Bebauungsplan beruht auf einer\nnachvollziehbaren planerischen Konzeption. Ziel dieser Konzeption ist\nerkennbar die Herstellung einer weitergehenden Vereinbarkeit vorhandener und\ngeplanter Wohnnutzung mit der hinzukommenden gewerblichen Nutzung der\nKlagerin. Dass insofern, was die Sachlage im allein maßgeblichen Zeitpunkt der\nBeschlussfassung angeht, ein grober Missgriff vorgelegen haben soll, hat die\nKlagerin nicht darlegen konnen und vermag das Gericht auch nicht zu erkennen.\nStattdessen drangt sich hier ein gesteigertes Bedurfnis nach Herstellung einer\nbauplanerischen Ordnung geradezu auf, nachdem die Aufgabe des\nProduktionsstandorts durch die Fa. T. zum Wegfall bisheriger baulicher\nStruktur auf einer verhaltnismaßig großen, im Innenstadtbereich gelegenen\nFlache fuhrte. Der Umstand, dass der Beginn der geanderten Überplanung durch\nden ehemaligen Eigentumer angestoßen wurde, ist unschadlich und andert am\nVorliegen der bauplanungsrechtlichen Erforderlichkeit der Überplanung zum\nZeitpunkt der Beschlussfassung nichts. \n--- \n| 39 \n--- \n| Ebenso wenig stellt der Bebauungsplan eine unzulassige Negativplanung dar,\nnachdem die Beklagte dem klagerischen Vorhaben hier eine komplexe Planung mit\npositiven Planungszielen entgegengesetzt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.2.1984\n- 4 C 25/82 -, BVerwGE 68, 360). Fur die Annahme einer Negativplanung reicht\nes nicht aus, dass die Beklagte das konkrete Vorhaben der Klagerin verhindern\nwill. Das BauGB sieht die Verhinderung stadtebaulich unerwunschter Vorhaben\nzur Sicherung der Realisierbarkeit eigener planerischer Ziele ausdrucklich vor\n(vgl. §§ 14 ff. BauGB). Dieses Ziel macht die Planung der Beklagten daher\ngrundsatzlich nicht unzulassig. Dass hier eine Planung zur Erreichung\npositiver stadtebaulicher Ziele und keine unzulassige ausschließlich negative\nPlanung vorliegt, verdeutlicht der Beitrag, den der Bebauungsplan durch die\nfestgesetzten, abgestuften Nutzungsmoglichkeiten zur Bewaltigung des\nabsehbaren Konflikt zwischen der gewerblichen Nutzung der Klagerin und der\numgebenden Wohnnutzung leistet. \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Überplanung lasst auch keine nach § 1 Abs. 5 BauGB unzulassige\n„Atomisierung" des Gemeindegebiets befurchten (vgl. BVerwG, Beschluss vom\n16.8.1993 - 4 NB 29/93 -, ZfBR 1994, 101). Das Baugrundstuck mit den\nangrenzenden Verkehrsflachen ist noch hinreichend groß und die Auswahl des\nPlanungsbereichs ist durch den Umfang der Gewerbebrache und die zu\nberucksichtigende Umgebungsbebauung vorgegeben. Die Beklagte hat sich damit\naus nachvollziehbaren Grunden fur eine auf die Flache des Grundstucks\nFlst.-Nr. ... mit angrenzenden Verkehrsflachen begrenzte Neuplanung\nentschieden. \n--- \n| 41 \n--- \n| 2\\. Der Satzungsbeschluss vom 1.12.2003 weist auch keine im Sinne der §§\n214, 215 BauGB beachtlichen Abwagungsfehler auf. \n--- \n| 42 \n--- \n| Nach § 1 Abs. 6 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitplane die\noffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht\nabzuwagen. Mit dem Abwagungsgebot ist notwendigerweise ein planerischer\nFreiraum der Gemeinde verbunden, der gerichtlich nur eingeschrankt auf\nAbwagungsfehler uberprufbar ist. Das Gebot gerechter Abwagung ist danach\nverletzt, wenn eine sachgerechte Abwagung uberhaupt nicht stattgefunden hat\noder wenn in die Abwagung Belange nicht eingestellt wurden, die nach Lage der\nDinge hatten eingestellt werden mussen. Ferner ist dieses Gebot verletzt, wenn\ndie Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der\nAusgleich zwischen den von der Planung beruhrten offentlichen Belangen in\neiner Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner\nBelange außer Verhaltnis steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.12.1969 - IV C\n105.66 -, BVerwGE 34, 301). Demnach geht bei der Gewichtung der verschiedenen\nBelange notwendigerweise eine Bevorzugung des einen und damit eine\nZuruckstellung des anderen Belangs einher. Die Abwagung ist mithin fehlerfrei,\nwenn sie sachgerecht ist, also an den Planungszielen orientiert ist und\nhinreichend gewichtige Grunde das Zurucktreten des einen Belangs hinter den\nanderen rechtfertigen, bzw. fehlerhaft, wenn ein Belang unverhaltnismaßig und\nunvertretbar zuruckgesetzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.11.1974 - IV C\n38.71 -, BVerwGE 47, 144). Der Abwagungsgrundsatz gilt auch bei der Änderung\neines Planes. Hierbei ist das Vertrauen des Eigentumers auf das Weiterbestehen\neines Bebauungsplans bei der Abwagung der Belange ebenfalls zu\nberucksichtigen, d.h. in Rechnung zu stellen (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom\n26.9.1980 - VIII 1952/79 -). \n--- \n| 43 \n--- \n| Nach diesen Grundsatzen ist das Gebot gerechter Abwagung vorliegend nicht\nverletzt. Der Gemeinderat der Beklagten hat entgegen der Annahme der Klagerin\nkeinen wesentlichen Belang der Klagerin ubersehen. Er hat die Interessen und\ndie Erwartungen der Klagerin als Grundstuckseigentumerin und Bauwillige\nzutreffend erkannt und eingestellt. \n--- \n| 44 \n--- \n| Der Gemeinderat ging dabei auch zurecht davon aus und hat dies in seine\nAbwagung eingestellt, dass die Klagerin uber die geplante Änderung des\nBebauungsplans beim Kauf des Baugrundstucks informiert und ihr Vertrauen in\ndie Realisierbarkeit ihres Vorhabens daher nicht geschutzt war. Die Annahme in\nder vom Gemeinderat mit Satzungsbeschluss vom 1.12.2003 gebilligten\nSitzungsvorlage, dass die Klagerin beim Grundstuckskauf am 27.7.2000 Kenntnis\nvon den Vorgangen zur beabsichtigten Umstrukturierung des Quartiers hatte und\ndaher wusste, dass moglicherweise eine Planung vorgesehen war, die ihrem\nVorhaben entgegenstehen wurde, ist nicht zu beanstanden. Die Klagerin erwarb\ndas Baugrundstuck zusammen mit dem Grundstuck Flst.-Nr. .../x zu einem\nKaufpreis von 6.500.000 DM (=1008,38 DM/m²) ca. ein halbes Jahr nach der\nVerlagerung der Produktion der Fa. T. in die S. Straße. Schon wegen der Hohe\ndes Kaufpreises und der Grundstuckssituation (Gewerbebrache) lag es fur den\nGemeinderat nahe, dass sich die kaufmannisch tatige Klagerin vor dem Kauf\nunter Wahrung der ublichen Sorgfalt beim Eigentumer und dem Bauplanungsamt der\nBeklagten uber bestehende und beabsichtigte Bauleitplane informieren wurde.\nHinzu kommt, dass die offentliche Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses\nvom 28.6.2000 bereits am 19.7.2000 und damit vor dem Kaufvertragsabschluss\nerfolgt war. Ab dieser Bekanntmachung musste die Klagerin mit einer\nwesentlichen Änderung der baulichen Ausnutzbarkeit des Kaufgrundstucks\nrechnen. Weil sie das Baugrundstuck in voller Kenntnis dieses Risikos erwarb,\nist nicht zu beanstanden, dass der Gemeinderat von einer Vorkenntnis der\nKlagerin und vom Fehlen eines geschutzten Vertrauens in die Realisierbarkeit\ndes von ihr projektierten Vorhabens ausging. Ein Abwagungsmangel liegt\ninsofern nicht vor. Im ubrigen hat die Klagerin nicht vorgetragen, dass der\nvon ihr insofern behauptete Mangel im Abwagungsvorgang offensichtlich und auf\ndas Abwagungsergebnis von Einfluss gewesen ware (vgl. § 214 Abs. 3 Satz 2\nBauGB). Dies ist fur das Gericht nach dem Verlauf der Planung auch nicht\nerkennbar. Damit ware der bezuglich der Vorkenntnis der Klagerin behauptete\nAbwagungsmangel, lage er denn vor, jedenfalls nicht beachtlich. \n--- \n| 45 \n--- \n| Die Klagerin rugt auch ohne Erfolg, dass der Gemeinderat weder in der von\nihm gebilligten Sitzungsvorlage (Stand: 20.11.2003) noch in der Begrundung des\nBebauungsplans darauf eingegangen sei, dass ihr ihre Baumoglichkeit wegen des\nAblaufs der 7-Jahresfrist ohne Planschadensersatzanspruch nach § 42 BauGB\nentzogen werde. Die ersatzlose Entziehung ihres Baurechts sei aber nach dem\nRechtsgutachten B. bekannt und daher zu beachten gewesen. Ein beachtlicher\nAbwagungsmangel liegt auch insofern nicht vor. Zunachst ist festzustellen,\ndass sich die Ausfuhrungen im Rechtsgutachten B. nicht auf den beschlossenen\nBebauungsplan bezogen, sondern auf einen vorgehenden Entwurf, der die von der\nKlagerin vorgesehene Nutzung fur einen großflachigen Lebensmittelmarkt\nganzlich ausschloss. Der Gemeinderat hat die im Rechtsgutachten geaußerten\nBedenken, nach denen ein Planungsschadensersatzanspruch, nicht aber ein\nAnspruch auf Vertrauensschadensersatz ausgeschlossen gewesen ware, bereits bei\nder Sitzung vom 2.7.2001 zur Kenntnis genommen. Die Berucksichtigung der\nBedenken von B. erfolgte durch die Änderung der Planungsziele am 3.7.2002.\nDabei wurde ein Lebensmitteleinzelhandel der Klagerin mit 800 m²\nVerkaufsflache zugelassen, um den Belangen der Klagerin zu entsprechen. Zur\nBegrundung ist in der Sitzungsvorlage und dem Sitzungsprotokoll ausgefuhrt,\nmit der Änderung des Entwurfs komme die Beklagte den Nutzungswunschen der\nGrundstuckseigentumerin zum Teil entgegen und ermogliche die Errichtung des\nLebensmittelmarktes. Die Plananderung erfolge, weil die Klagerin das\nGrundstuck zu einem Preis, der auf dem freien Markt nicht zu erzielen sei, fur\nihre gewerblichen Zwecke erworben habe. Damit wurde bereits in dieser Phase\nder Entwicklung des Bebauungsplans eine vermittelnde Losung erarbeitet, die\nvom Gemeinderat gebilligt und schließlich so am 1.12.2003 auch beschlossen\nwurde. Die der Klagerin bei Wegfall der Baumoglichkeit drohenden Schaden\nwurden hierbei ebenso berucksichtigt wie ihr Interesse an einer bestimmten\nbaulichen Nutzung des Grundstucks. Die Bedenken von B. bezuglich der Frage, ob\nPlanungs- oder Vertrauensschadensersatzanspruche entstehen konnten, sind durch\ndie veranderte Planung uberholt. Wegen der Umplanung und der insofern am\n3.7.2002 getroffenen Vorentscheidung, erscheint es unschadlich, dass in der\nPlanbegrundung und in der Sitzungsvorlage nicht noch einmal ausdrucklich auf\nden Punkt „ersatzlose Entziehung des Baurechts" eingegangen wurde. Denn es ist\nwegen der vorgenommenen Änderungen des Plans ohnehin erkennbar, dass der\nGemeinderat der Beklagten diesen Punkt gesehen, eingestellt und abgewogen hat\n(vgl. BVerwG, Urteil vom 5.7.1974 - IV C 50.72 -, BVerwGE 45, 309). Im ubrigen\nhat die Klagerin auch nicht vorgetragen, dass der behauptete Mangel im\nAbwagungsvorgang, lage er denn vor, offensichtlich und auf das\nAbwagungsergebnis von Einfluss gewesen ware (vgl. § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB).\nDies ist fur das Gericht gerade wegen des dargestellten Planungsverlaufs auch\nnicht ersichtlich. \n--- \n| 46 \n--- \n| Die behauptete Fehlgewichtung der privaten Belange der Klagerin lasst sich\nebenfalls nicht feststellen. Die Beklagte hat das gesteigerte Interesse der\nKlagerin an einer rein gewerblichen Nutzung des Grundstucks nicht verkannt.\nAuch die Bedeutung von ebenerdigen Parkplatzen fur die Moglichkeit, einen\nLebensmittelmarkt nach dem „Modell L." zu realisieren, war nach den Einwanden\nder Klagerin im Burgerbeteiligungsverfahren klar. Nach dem Inhalt der\ngebilligten Sitzungsvorlage und der Planbegrundung wurde erkannt und\neingestellt, dass die gefundene Lebensmittelmarktlosung mit Tiefgarage dem\nVerkaufsmodell der Klagerin nicht entspricht. Diese Belastung fur die\nKlagerin, die dazu fuhren konnte, dass sie ihren Lebensmittelmarkt an dieser\nStelle in der gewunschten Weise nicht realisieren wird, wurde in die Abwagung\neingestellt und auch richtig gewichtet, wie die Begrundung des Bebauungsplans\nzeigt, in der sich die Beklagte ausfuhrlich mit dem Vorbringen\nauseinandersetzt. Dass sich die Beklagte aus stadtebaulichen Grunden gegen\neine ausschließlich gewerbliche Nutzung des Baugrundstucks und fur eine\ngemischte Nutzung mit Tiefgarage und Wohnungen entschieden hat, macht die\nAbwagung nicht fehlerhaft. Denn die Klagerin besitzt keinen Anspruch auf eine\nfur ihre Zwecke optimale Losung. Ihrem Interesse an der ausschließlich\ngewerblichen Nutzung stehen die ebenfalls gewichtigen Belange der Anwohner und\ndas Interesse der Beklagten an einer bestimmten stadtebaulichen\nFortentwicklung im Innenstadtbereich entgegen. Dabei ist zunachst ihr\nverstandliches Interesse an innenstadtnaher Wohnbebauung zu berucksichtigen.\nWeiter ist ihr darin zuzustimmen, dass das bisher ausgewiesene Gewerbegebiet\nnicht mehr in den Gebietscharakter der Umgebung passt. Diese ist nach der\nAufgabe des Produktionsstandorts des T.-Werks von Wohnbebauung und\nwohnvertraglicher Nutzung entlang dem T.-G.-Weg und der N. Straße gepragt;\ndies hat der Augenschein, der von der Kammer eingenommen wurde, auch\nbestatigt. Die zum Teil gewerbliche Nutzung im Westen fallt demgegenuber auch\nwegen der Trennung durch die starker befahrene Z. Straße weniger ins Gewicht.\nDie Beklagte hat ein Konzept aufgestellt, bei dem die Interessen der Anwohner\nund der Beklagten auf der einen Seite und die der Klagerin auf der anderen\nSeite angemessen berucksichtigt werden. Die vorgenommene Abwagung erscheint\ndabei auch deshalb verhaltnismaßig, weil der Klagerin der\nPlanaufstellungsbeschluss beim Grundstuckserwerb bekannt sein musste. Darauf,\ndass die Beklagte die von ihr beabsichtigte Planung schon noch andern und den\nWunschen der Klagerin anpassen wurde, konnte diese nicht vertrauen. \n--- \n| 47 \n--- \n| Nachdem die von der Klagerin behaupteten Fehler nicht feststellbar sind,\nist der Bebauungsplan wirksam und daher zu beachten. Da die beantragte\nBaugenehmigung den Festsetzungen dieses Bebauungsplanes widerspricht, hat die\nKlagerin keinen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung. Damit ist der\nHauptantrag unbegrundet und daher abzuweisen. \n--- \n| 48 \n--- \n| II. Die Klage ist auch mit dem Hilfsantrag zulassig. Das ursprungliche\nBegehren der Klagerin, namlich die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung\nder begehrten Baugenehmigung, hat sich durch Inkrafttreten des Bebauungsplans\n„Neuordnung T.-Areal/F.-S.-Straße" vom 1.12.2003 am 17.4.2004 erledigt. Dass\nauch bei Erledigung einer Verpflichtungsklage - hier auf Erteilung einer\nBaugenehmigung - in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO eine\nFortsetzungsfeststellungsklage zulassig ist, entspricht gefestigter\nRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom\n23.11.1967 - 1 C 30.65 - Buchholz 418.42 § 39 Nr. 1). Eine\nFortsetzungsfeststellungsklage liegt dabei nur vor, wenn mit der beantragten\nFeststellung der Streitgegenstand nicht ausgewechselt wird (vgl. BVerwG,\nUrteil vom 28.8.1987 - 4 C 31/86 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 173). Dies ist\nauch bei dem hier gestellten Antrag auf Feststellung, dass der Klagerin\nzwischen dem Ablauf der Wirksamkeit der ersten Verlangerung der Satzung uber\ndie Veranderungssperre am 28.7.2003 bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplan am\n17.4.2004 einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung zustand, der Fall.\nDenn der Antrag wechselt den ursprunglichen Streitgegenstand (Baugenehmigung)\nnicht aus, sondern stellt insofern lediglich von dem Verpflichtungsbegehren\nauf ein Feststellungsbegehren um. Das erforderliche\nFortsetzungsfeststellungsinteresses liegt vor, nachdem die Klagerin einen\nAmtshaftungsprozess plant. Das Schadensersatzverlangen ist auch nicht von\nvornherein und ganz offensichtlich ohne jede Aussicht auf Erfolg, wobei\nunschadlich ist, dass die Klagerin nicht im Einzelnen vorgetragen hat, wie\nsich der Wert des Baugrundstucks durch die Plananderung konkret entwickelt hat\nbzw. wie groß ihr angeblicher Schaden ist. \n--- \n| 49 \n--- \n| Die damit zulassige Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch ebenfalls\nunbegrundet. Die Klagerin hatte im Zeitraum vom 28.7.2003 bis zum 17.4.2004\nkeinen Anspruch auf Erteilung der am 15.6.2000 beantragten Baugenehmigung. Dem\nangeblichen Genehmigungsanspruch stand die von der Beklagten am 2.7.2001\nerlassene und am 10.6.2001 sowie am 14.7.2003 verlangerte Veranderungssperre\nfur das Grundstuck Flst.-Nr. ... entgegen. \n--- \n| 50 \n--- \n| Nach § 58 Abs. 1 LBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem\ngenehmigungspflichtigen Vorhaben keine von der Baurechtsbehorde zu prufenden\noffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Bauplanungsrechtlich\nbeurteilte sich die Zulassigkeit des Vorhabens im fraglichen Zeitraum nach §§\n29 Abs. 1, 30 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit dem Bebauungsplan\n„Bebauungsplananderung im Gebiet zwischen N. Straße, S. Straße und Z. Straße"\nder Beklagten vom 7.1.1965 und nach der von der Beklagten am 2.7.2001\nerlassenen und am 10.6.2001 sowie am 14.7.2003 verlangerten Veranderungssperre\nfur das Grundstuck Flst.-Nr. .... Die Genehmigungsvoraussetzungen lagen danach\nnicht vor, weil dem Vorhaben der Klagerin die Veranderungssperre auch in dem\nfur die begehrte Feststellung maßgeblichen Zeitraum entgegenstand. \n--- \n| 51 \n--- \n| Die Satzung fur eine Veranderungssperre fur das Grundstuck Flst.-Nr. ...\nwurde von der Beklagten wirksam beschlossen und bekanntgemacht (1.) und\nzweimal wirksam verlangert (2.). Bei der weiteren Zuruckstellung handelte es\nsich nicht um eine unwirksame Zuruckstellung auf Vorrat; sie stand daher unter\nAnrechnung der Zuruckstellung des Bauantrags der Klagerin vom 15.6.2000 dem\nGenehmigungsanspruch der Klagerin auch im Zeitraum vom 28.7.2003 bis 17.4.2004\nentgegen (3.). Die Voraussetzungen fur eine Ausnahme von der\nVeranderungssperre lagen in diesem Zeitraum ebenfalls nicht vor (4.). \n--- \n| 52 \n--- \n| 1\\. Die Satzung fur eine Veranderungssperre fur das Grundstuck Flst.-Nr.\n... wurde von der Beklagten wirksam erlassen. Bedenken gegen die formelle\nRechtmaßigkeit der am 2.7.2001 beschlossenen und am 13.7.2001 offentlich\nbekannt gemachten Satzung sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch in\nmateriell-rechtlicher Hinsicht ist die Veranderungssperre im Hinblick auf die\nvon der Klagerin vorgetragenen Punkte nicht zu beanstanden (zum\nÜberprufungsumfang: BVerwG, Beschluss vom 12.9. 1989 - 4 B 149/89 -, Buchholz\n406.11 § 10 BBauG/BauGB Nr. 19; Urteil vom 7.9.1979 - IV C 7.77 -, Buchholz\n406.11 § 10 BBauG Nr. 10). Die Voraussetzungen nach § 14 Abs. 1 BauGB lagen\nvor. Der Gemeinderat der Beklagten hat am 28.6.2000 einen Beschluss uber die\nAufstellung eines Bebauungsplans fur das Grundstuck Flst.-Nr. ... gefasst und\ndiesen am 19.7.2000 ortsublich bekannt gemacht. Die damit in Aussicht\ngenommene Planung ließ auch ein Mindestmaß des Inhalts der beabsichtigten\nPlanung erkennen. Dies ist jeweils schon dann der Fall, wenn von der Gemeinde\npositive planerische Vorstellungen entwickelt wurden, so dass Ziele und Zwecke\nder Planung und die die Nutzung im Wesentlichen bestimmenden Elemente beim\nErlass der Veranderungssperre vorliegen (vgl. Stock in Ernst-Zinkahn-\nBielenberg, Kommentar zum BauGB, Stand 1/05, Band 1, § 14 Rdnr. 43 ff m.w.N.).\nDiesen Anforderungen ist durch die mit dem Aufstellungsbeschluss vom 28.6.2000\nfur den Bereich des zu uberplanenden Grundstucks Flst.-Nr. ... vorgesehene\nkunftige Nutzung genugt. Zu den Planungszielen wurde in der Sitzungsvorlage\nund im Beschluss ausgefuhrt, vorzusehen sei die Ausweisung eines Allgemeinen\nWohngebiets, der Ausschluss von Gartenbaubetrieben und Tankstellen, eine\nGeschossflachenzahl 1,2, die Aufwertung der Straßenraume entlang der Z. Straße\nmit einer Reihe mittelgroßer Baume, die verkehrsberuhigte Gestaltung der N.\nStraße und des T.-G.-Wegs, die Unterbringung der Stellplatze in erduberdeckten\nTiefgaragen, eine mindestens 2- und maximal 3-geschossig Baustruktur entlang\nder N. Straße und dem T.-G.-Weg, und eine mindestens 3- und maximal\n4-geschossige Baustruktur im Bereich F.-S.-Straße und Z. Straße. Die\nerforderliche hinreichende Konkretisierung war damit beim Erlass der\nVeranderungssperre gegeben. Die Veranderungssperre war zur Sicherung der am\n28.6.2000 beschlossenen und danach mehrfach angepassten Planung auch\nerforderlich. Denn die Realisierung der stadtebaulichen Planung ware bei\nGenehmigung und Durchfuhrung des von der Klagerin am 15.6.2000 beantragten\nBauvorhabens unmoglich geworden. \n--- \n| 53 \n--- \n| 2\\. Die erstmalige Verlangerung der Veranderungssperre nach § 17 Abs. 1\nSatz 3 BauGB ist ebenfalls wirksam erfolgt, nachdem die Voraussetzungen fur\nden Erlass einer Veranderungssperre am 10.6.2002 weiterhin vorlagen. Die\nzweite Verlangerung war ebenfalls wirksam. Die Voraussetzungen hierfur lagen\nvor. Nach § 17 Abs. 2 BauGB i.d.F. vom 15.12.2001 konnte die Gemeinde mit\nZustimmung der nach Landesrecht zustandigen Behorde eine Veranderungssperre\nbis zu einem weiteren Jahr nochmals verlangern, wenn besondere Umstande es\nerfordern. Im Gegensatz zu der ersten Verlangerung stellt das Gesetz bei der\nzweiten Verlangerung, die bei Ausschopfung der gesetzlich zulassigen\nGeltungsdauer zu einer uber dreijahrigen Sperrzeit fuhrt, erhohte\nAnforderungen an die Rechtfertigung der Aufrechterhaltung der Satzung. Dieser\nRegelung liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass die Bauleitplanung\nunter normalen Umstanden innerhalb von drei Jahren abgeschlossen werden kann\n(vgl. Stock in Ernst-Zinkahn-Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Stand 1/05, Band\n1, § 17 Rdnr. 31 ff m.w.N.). Die Voraussetzungen fur eine weitere Verlangerung\nliegen danach nur vor, wenn die Bebauungsplanung infolge außergewohnlicher\nVerhaltnisse, die grundsatzlich außerhalb des Einflussbereichs der Gemeinde\nliegen, innerhalb der bereits vergangenen drei Jahre nicht zu Ende gefuhrt\nwerden konnte. An die zur Rechtfertigung der zweiten Verlangerung\nerforderlichen besonderen Umstande sind nach Auffassung des BVerwG mit\nweiterem Zeitablauf kontinuierlich steigende Anforderungen zu stellen. Bei der\nUngewohnlichkeit der Umstande kann es sich um Besonderheiten des Umfangs, des\nSchwierigkeitsgrads oder des Verfahrensablaufs handeln. Notwendig ist\nweiterhin ein ursachlicher Zusammenhang. Gerade die Ungewohnlichkeit des Falls\nmuss ursachlich dafur sein, dass die Aufstellung des Plans mehr als die\nubliche Zeit erfordert (BVerwG, Urteil vom 10.9.1976 - 4 C 39.74 - BVerwGE\n51,121; VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 10.11.1984 - 8 S 2252/94 -, UPR 1995,\n278). Diese Voraussetzungen lagen hier zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses\nder zweiten Verlangerung der Veranderungssperre am 14.7.2003 vor. Es lagen\naußergewohnliche Umstande vor, die die Beklagte nicht zu vertreten hatte, die\nzu einer Verzogerung des Verfahrensablaufs fuhrten und die damit eine weitere\nVerlangerung der Veranderungssperre erforderlich machten. Der Verlauf der\nBebauungsplanung gestaltete sich nach dem Grundstuckserwerb durch die Klagerin\naußergewohnlich schwierig. Die Eigentumerin des maßgeblichen Bereichs war an\nder vorgesehenen, ganz uberwiegenden Wohnnutzung nicht interessiert. Ihre auf\neine rein gewerbliche Nutzung abzielenden Belange waren von der Beklagten zu\nbeachten. Diese Belange waren mit den stadtebaulichen Zielen der Beklagten\naber nur zum Teil zu vereinbaren. Die Beklagte hatte daher vorab zu prufen, ob\ndie zunachst geplante und vom ursprunglichen Eigentumer mitgetragene vollige\nEntziehung der gewerblichen Nutzungsmoglichkeit uberhaupt noch zulassig war.\nErst nachdem insofern die rechtlichen Grenzen durch das Gutachten B.\naufgezeigt waren, konnte die Beklagte eine Umplanung unter Berucksichtigung\nder zu beachtenden Belange der Klagerin in Angriff nehmen. Die Anpassung der\nPlanung an die Belange der Klagerin verzogerte sich danach, weil abzuklaren\nwar, ob alternative Losungen eine ganz andere Planung auf dem Baugrundstuck\nerforderlich machen wurden. Die Klagerin ließ namlich erkennen, dass sie eine\nBebauung des Baugrundstucks durch einen Dritten akzeptieren wurde, wenn ihr\ndie Beklagte einen Ersatzstandort fur ihren klagerischen Markt in der\nJahnstraße ermogliche. Konkrete Grundstucke waren dabei zwischen der Klagerin\nund der Beklagten im Gesprach. Dass die Beklagte die weitere Planung fur das\nBaugrundstuck vom Ausgang dieser Verhandlungen abhangig machte, ist ihr nicht\nvorwerfbar, nachdem die von der Klagerin gewunschte Ersatzstandortlosung eine\nganz andere, den stadtebaulichen Zielen der Beklagten viel mehr entsprechende\nBebauungsplanung ermoglicht hatte. Zugleich ware bei der von der Klagerin\nfavorisierten Losung die gefundene, in den am 1.12.2003 beschlossenen\nBebauungsplan eingeflossene Planung uberflussig und stadtebaulich zum Teil\nverfehlt gewesen. Ohne den Grundstuckskauf der Klagerin und die dadurch\nbewirkte Komplizierung, hatte das Bebauungsplanverfahren in einer wesentlich\nkurzeren Frist abgewickelt werden konnen. \n--- \n| 54 \n--- \n| Entgegen der Ansicht der Klagerin kam es im Bebauungsplanverfahren nicht zu\nvon der Beklagten zu vertretenden Verzogerungen, bei deren Vermeidung eine\nweitere Verlangerung der Veranderungssperre vermeidbar gewesen ware. Dies gilt\nauch fur den von der Kammer zunachst als kritisch angesehenen Zeitraum\nzwischen der Vorlage des Schalltechnischen Gutachtens am 9.10.2002 und dem\nAuslegungsbeschluss am 19.3.2003. Die Beklagte hat in diesem Zeitraum nach den\nerst in der mundlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen vor allem mit\nSchreiben vom 7.10.2002 und vom 25.11.2002 eine weitere rechtsgutachtliche\nStellungnahmen von Prof. B. eingeholt. Das Bedurfnis nach einer weiteren\nrechtlichen Einschatzung erscheint nachvollziehbar, nachdem die Situation\naußerst schwierig war. Außerdem war bei der ersten Stellungnahme von Prof. B.\ndas Fehlen von Erkenntnissen bemangelt worden. Der komplett veranderte\nPlanentwurf war einer rechtlichen Beurteilung noch nicht zugefuhrt worden.\nEine weitere rechtliche Nachprufung machte daher Sinn. Weiter fand in dem\nbesagten Zeitraum, namlich am 30.1.2003 eine weitere Besprechung zwischen der\nKlagerin und der Beklagten statt. Das Ergebnis ist in einem Schreiben der\nKlagerin vom 3.2.2003 zusammengefasst. Danach favorisierte die Klagerin nach\nwie vor eine Kompromisslosung im Zusammenhang mit einem genehmigungsfahigen\nAusweichstandort in der Sudstadt, namlich J. Straße Ecke G. Straße und die\nAnsiedlung eines weiteren L.-Markt in der Weststadt. In diesem Fall werde sie\nihren Bauantrag fur das Baugrundstuck zuruckziehen. Eine Kompromisslosung auf\ndem T.-Areal musse ebenerdige Parkplatze fur die L.-Kunden zur Verfugung\nstellen. Weiter ubersandte die Beklagte in dem besagten Zeitraum die\nErgebnisse des weiteren Rechtsgutachtens B. vom 27.12.2002 an die Planer zur\nthemenbezogenen Überprufung. Wegen dieser noch erforderlichen umfangreichen\nTatigkeiten ist zwischen der Vorlage des schalltechnischen Gutachtens am\n9.10.2002 und dem Auslegungsbeschluss am 19.3.2003 keine der Beklagten\nvorwerfbare Verzogerung des Planungsverfahrens feststellbar. \n--- \n| 55 \n--- \n| Die nach § 17 Abs. 2 BauGB erforderliche Genehmigung wurde durch das\nRegierungsprasidium T. am 6.6.2003 erteilt. Die Voraussetzungen fur eine\nweitere Verlangerung lagen damit grundsatzlich vor. \n--- \n| 56 \n--- \n| 3\\. Die weitere Verlangerung der Veranderungssperre ist auch nicht aus\nanderen Grunden unwirksam. Es handelt sich nicht um eine unwirksame\n„Veranderungssperre auf Vorrat". Wie oben ausgefuhrt, muss die weitere\nVerlangerung der Veranderungssperre zum Zeitpunkt ihres Erlasses zur Sicherung\nder Planung erforderlich sein. Die Klagerin bestreitet, dass diese\nVoraussetzung bei der weiteren Zuruckstellung vom 14.7.2003 vorlag. Das\nGericht teilt diese Einschatzung nicht. \n--- \n| 57 \n--- \n| Zu beachten ist dabei zunachst die allgemeine und die individuelle\nGeltungsdauer der in Rede stehenden Sperre. Die allgemeine Geltungsdauer der\nam 2.7.2001 beschlossenen Veranderungssperre begann mit dem Tag nach der\nBekanntgabe, also am 14.7.2001 und endete nach zwei Jahren (vgl. § 17 Abs. 1\nSatz 1 BauGB), also am 14.7.2003. Die allgemeine Geltungsdauer der ersten\nVerlangerung um ein Jahr begann demnach am 15.7.2003 und endete am 15.7.2004.\nDie allgemeine Geltungsdauer der weiteren Verlangerung begann (theoretisch) am\n16.7.2004 und endete am 16.7.2005. Die individuelle Geltungsdauer der\nVeranderungssperre ergibt sich bei Berucksichtigung der Zuruckstellung des\nBauantrags der Klagerin vom 15.6.2000 um ein Jahr. Der seit der Zustellung der\nZuruckstellung des Baugesuchs am 28.7.2000 abgelaufene Zeitraum ist auf die\nZweijahresfrist nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB anzurechnen. Damit verkurzt sich\ndie Zweijahresfrist bei der Klagerin um die Zeit vom 28.7.2000 (Zustellung der\nZuruckstellung) bis zum 14.7.2001 (Inkrafttreten der Veranderungssperre), also\num 11 Monate und 16 Tage. Eine weitere Verkurzung nach den Grundsatzen uber\ndie faktische Zuruckstellung (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 30.4.1984 - 5 S\n2079/83 -, VBlBW 1985, 140) ergibt sich im vorliegenden Fall nicht, nachdem\ndie Entscheidung uber die Zuruckstellung bereits am 28.7.2000 zugestellt\nwurde. Die am 2.7.2001 beschlossene Veranderungssperre lief fur die Klagerin\ndamit bereits am 29.7.2002 ab, die erste Verlangerung am 29.7.2003, die zweite\nVerlangerung (theoretisch) am 29.7.2004. Bei Berucksichtigung dieses\nindividuellen Fristlaufs waren die Verlangerungen der Veranderungssperre am\n10.6.2002 und am 14.7.2003 um jeweils ein Jahr nicht auf Vorrat, sondern zur\nVerhinderung des Vorhabens der Klagerin zwingend erforderlich. Das Vorhaben\nder Klagerin ware ansonsten nach Ablauf der sie individuell betreffenden Frist\nzu genehmigen gewesen, die Planung der Beklagten ware gescheitert. \n--- \n| 58 \n--- \n| Die von der Klagerin gegen diese Einschatzung ins Feld gefuhrten\nAusfuhrungen des OVG Luneburg in seinem Urteil vom 18.6.2003 - 1 LB 143/02 -\nrechtfertigen keine andere Bewertung. Denn das erkennende Gericht teilt die\nEinschatzungen des OVG Luneburg nicht. Das OVG Luneburg hat in dem von der\nKlagerin angefuhrten Urteil u.a. folgende Ausfuhrungen gemacht: \n--- \n| 59 \n--- \n| „Die Gemeinde darf die Geltungsdauer einer Veranderungssperre um das vierte\nJahr nicht schon dann beschließen, wenn das dritte Geltungsjahr gerade\nbegonnen hat und daher noch gar nicht verlasslich abgesehen werden kann, ob\nder Sicherungszweck nach Ablauf des dritten Jahres fortbesteht (wie\nSenatsurteil vom 15.3.2001 - 1 K 2440/00 -, BauR 2001, 1552). Der Umstand,\ndass die Veranderungssperre andernfalls gegenuber einem bestimmten\nGrundstuckseigentumer wegen § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB keine Rechtswirkungen\nmehr zu entfalten droht, andert daran nichts. \n--- \n| 60 \n--- \n| Die im Tatbestand zuletzt genannte Veranderungssperre ist - erstens - schon\ndeshalb unwirksam, weil die Beigeladene (gerade mit Rucksicht auf das hier zur\nEntscheidung anstehende Vorhaben) deren Verlangerung um ein (letztes und)\nviertes Jahr mit dem 16. Oktober 2001 zu einem Zeitpunkt beschlossen hatte, zu\ndem die (ruckwirkend zum 17. September 1999 in Kraft gesetzte)\nVeranderungssperre erst zwei Jahre und einen Monat alt war. Das ist unzulassig\n(vgl. zum Folgenden Senatsurt. v. 15.3.2001 - 1 K 2440/00 -, BauR 2001, 1552 =\nNVwZ-RR 2002, 417; zustimmend Lemmel, in: BK zum BauGB, 3. Aufl., § 17 Rdn.\n5). Denn das widerspricht § 17 Abs. 2 BauGB. Bei jeder Verlangerung der\nVeranderungssperre ist zu prufen, ob die Voraussetzungen fur ihren Erlass,\nnamentlich das Sicherungsbedurfnis fortbesteht und (insbesondere) ob das\nPlanverfahren nicht innerhalb kurzester Zeit abgeschlossen werden kann und\nsich von daher die Fortsetzung der Verlangerungssperre erubrigt. Schon bei der\nersten Verlangerung einer Veranderungssperre muss die planende Gemeinde daher\nprufen, ob uberhaupt ein Bedurfnis besteht, die in Kraft getretene\nVeranderungssperre andauern zu lassen. Erst recht gilt das fur die zweite\nVerlangerung nach § 17 Abs. 2 BauGB. Diese ist nach dem eindeutigen\nGesetzeswortlaut nur unter verscharften Voraussetzungen, namlich dann\nzulassig, wenn besondere Grunde dies erfordern. Das setzt eine ins Einzelne\ngehende Prufung der Gemeinde voraus, ob der Umstand, dass das Verfahren zur\nAufstellung des Bebauungsplanes nicht innerhalb der vom Gesetz vorgesehenen\nRegelzeit von drei Jahren abgeschlossen werden kann, durch eine ungewohnliche\nSachlage verursacht worden ist und ihr im Zusammenhang damit nicht der Vorwurf\neines Fehlverhaltens zu machen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.7.1990 - 4 B\n156.89 -, NVwZ 1991, 62 = BRS 50 Nr. 101; vgl. a. grundlegend Urt. v.\n10.9.1976 - IV C 39.74 -, BVerwGE 51, 121 = NJW 1977, 400 = BauR 1977, 31).\nEine solche Prufung kann nicht schon zu dem Zeitpunkt angestellt werden, zu\ndem die Veranderungssperre - wie hier - gerade erst ihr drittes Geltungsjahr\nerreicht hat. \n--- \n| 61 \n--- \n| An dieser Einschatzung andert sich auch nichts dadurch, dass die\nVeranderungssperre gegenuber dem Vorhaben der Klager aufgrund der vorherigen\nfaktischen Zuruckstellungen ihrer Baugesuche wegen § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB\nkeine Rechtswirkungen mehr zu entfalten drohte. Denn § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB\nstellt nach der vorstehend zitierten Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts eine Schutzvorschrift zu Gunsten desjenigen dar, der\nnicht nur von einer Veranderungssperre, sondern auch durch Behordenhandeln in\neiner Weise nachteilig betroffen wird, welche einer Veranderungssperre in\nihren Wirkungen gleichkommt. Dieser Schutzzweck wurde in sein Gegenteil\nverkehrt, wenn die durch § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB angeordnete individuelle\nBerechnung der Veranderungssperre es rechtfertigen sollte, die strengen\nVoraussetzungen, unter denen eine Veranderungssperre zum zweiten Mal\nverlangert werden darf, aufweichen zu durfen. Fur diese Auffassung kann sich\ndie Beigeladene auch nicht auf die Ausfuhrungen des Bundesverwaltungsgerichts\nvom 10. September 1976 (a.a.O.) berufen. Danach mag es zwar so sein, dass bei\nder individuellen Berechnung gemaß § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB auch zu\nberucksichtigen ist, ob im Hinblick auf das Grundstuck des entsprechenden\nEigentumers die Voraussetzungen vorliegen, unter denen die Sperre nach § 17\nAbs. 1 Satz 3 BauGB verlangert werden durfte, oder ob sogar besondere Umstande\nim Sinne des § 17 Abs. 2 BauGB eine neuerliche Veranderung der\nVeranderungssperre rechtfertigten. Das andert nichts am Inhalt der\nAnforderungen, die zu stellen sind, wenn die Gemeinde mit Wirkung fur und\ngegen alle gemaß § 17 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 BauGB eine beschlossene\nVeranderungssperre verlangern will. An das Vorliegen der Voraussetzungen\ndieser Vorschriften sind mit anderen Worten keine anderen/geringeren\nAnforderungen nur deshalb zu stellen, weil sie inzident auch dann zu prufen\nsind, wenn die "individuelle Dauer" einer Veranderungssperre gemaß § 17 Abs. 1\nSatz 2 BauGB zu prufen ist. Dementsprechend kann die Beigeladene den hohen\nAnforderungen, die an eine rechtmaßige zweite Verlangerung gemaß § 17 Abs. 2\nBauGB gestellt werden, nicht/allein mit dem Hinweis darauf genugen, ohne die\n(erste und zweite) Verlangerung der Veranderungssperre drohten die Klager die\nkunftigen Planfestsetzungen durch die Verwirklichung planwidriger Vorhaben\ntorpedieren zu konnen. \n--- \n| 62 \n--- \n| Diesen Ausfuhrungen, die zum Teil Zustimmung in der Kommentarliteratur\ngefunden haben (vgl. Lemmel in Berliner Kommentar zum BauGB, § 17 Rdnr. 5)\nvermag sich die Kammer nicht anzuschließen, weil die Auslegung nicht zu einer\neffektiven Anwendung der bauplanungsrechtlichen Sicherungsinstrumente in den\n§§ 14 ff BauGB beitragt. Die Zuruckstellungsentscheidung und die\nVeranderungssperre sollen nach dem Willen des Gesetzgebers tatsachliche\nVeranderungen im Planbereich, die die in einem kunftigen Bebauungsplan\nverbindlich festzusetzende Ordnung beeintrachtigen oder unmoglich machen,\nunterbinden. Jedem bauwilligen Grundstuckseigentumer mutet der Gesetzgeber\ninsofern eine entschadigungslose Verzogerung seines Bauvorhabens um maximal 4\nJahre zu. Wie sich diese Hochstdauer zusammensetzt ist dabei gleichgultig. Das\nheißt, der einzelne Grundstuckseigentumer soll nicht schlechter oder besser\ngestellt werden und deswegen eine langere oder kurzere Verzogerung\nentschadigungslos hinnehmen mussen, weil bei ihm zeitweise eine Zuruckstellung\nerfolgt ist. Das Ziel, die Planungsmoglichkeit zu sichern, setzt hierfur\nzwingend voraus, dass auch dem von einer Zuruckstellung betroffenen\nGrundstuckseigentumer luckenlos Zuruckstellung und Veranderungssperre\nentgegengehalten werden konnen. Denn, wie der vorliegende Fall zeigt, genugt\nhaufig schon die Verwirklichung eines Vorhabens, um die Erfullung des\nbauplanungsrechtlichen Sicherungszwecks endgultig und vollstandig zu\nvereiteln. \n--- \n| 63 \n--- \n| Bei der Auslegung ist anzusetzen an dem unbestimmten Rechtsbegriff der\n„Erforderlichkeit" der Veranderungssperre, der ausdrucklich in § 17 Abs. 2\nBauGB und als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal in §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 1\nSatz 3 BauGB enthalten ist. Werden bei der Auslegung dieses Rechtsbegriffs die\noben beschriebenen gesetzlichen Zwecke beachtet, ist der Erlass oder die\nVerlangerung einer Veranderungssperre grundsatzlich bereits dann erforderlich,\nwenn in Ansehung eines einzelnen Grundstuckseigentumers die Realisierung eines\nVorhaben, das die vorgesehene Planung erheblich stort oder unmoglich macht,\nkonkret droht. Damit wird dieser einzelne Bauwillige nicht besser, wegen der\nAnrechnung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB aber auch nicht schlechter gestellt,\nals die Bauwilligen im kunftigen Planbereich, die ausschließlich von der\nVeranderungssperre und ihren Verlangerung betroffen sind. Ob die Gemeinde die\ngegenuber dem durch eine Zuruckstellung betroffenen Grundstuckseigentumer in\nder beschriebenen Weise erforderliche und daher beschlossene\nVeranderungssperre auch allen ubrigen Grundstuckseigentumern im vorgesehenen\nPlanbereich entgegenhalten kann, oder ob die Veranderungssatzung insofern\nunter Kontrolle zu halten und zu den maßgeblichen Zeitpunkten einer\nÜberprufung zu unterziehen ist, kann offen bleiben, nachdem es auf diese Frage\nim vorliegenden Fall nicht ankommt. \n--- \n| 64 \n--- \n| Bei Anwendung dieser Grundsatze ergibt sich, dass im vorliegenden Fall\nsowohl der Erlass als auch die Verlangerung der Veranderungssperre\nerforderlich waren. Ohne den Erlass und die Verlangerung der\nVeranderungssperre hatte die Klagerin ihr Bauvorhaben realisiert und die\nvorgesehene Planung dadurch unmoglich gemacht. \n--- \n| 65 \n--- \n| Die Bemessung der Frist der zweiten Verlangerung der Veranderungssperre ist\nebenfalls nicht zu beanstanden und fuhrt daher nicht zur Unwirksamkeit. Zwar\nmuss die Verlangerung nicht zwangslaufig ein Jahr betragen. Der\nvoraussichtlich erforderliche Verlangerungszeitraum war im Hinblick auf die\nlaufenden Verhandlungen zwischen der Klagerin und der Beklagten und im\nHinblick auf die noch vorzunehmenden Verfahrensschritte nicht absehbar, so\ndass die Frist von einem Jahr zulassig war. \n--- \n| 66 \n--- \n| Die Veranderungssperre war demnach auch im Zeitraum vom 28.7.2003 bis\n14.4.2004 wirksam und stand dem Vorhaben der Klagerin entgegen. \n--- \n| 67 \n--- \n| 4\\. Eine ausnahmsweise Genehmigung des Vorhabens nach § 14 Abs. 2 BauGB kam\nnicht in Betracht, nachdem dem Vorhaben uberwiegende offentliche Belange,\nnamlich das Interesse der Beklagten an der Durchfuhrbarkeit ihrer Planung,\nentgegenstanden. \n--- \n| 68 \n--- \n| Danach bestand kein Genehmigungsanspruch im Zeitraum vom 28.7.2003 bis\n14.4.2004 \n--- \n| 69 \n--- \n| Aus diesen Grunden war auch der Hilfsantrag abzuweisen. \n--- \n| 70 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Danach tragt die\nKlagerin die Kosten des Verfahrens, weil sie unterliegt. \n--- \n| 71 \n--- \n| Die Berufung wird zugelassen, weil der Rechtsstreit bezuglich der Auslegung\nder §§ 14 ff BauGB rechtsgrundsatzliche Bedeutung hat (vgl. §§ 124a Abs. 1,\n124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Klarung der im Fall aufgeworfenen Fragen ist uber\nden Einzelfall hinaus von Bedeutung und Voraussetzung fur eine effektive\nHandhabung der bauplanungsrechtlichen Sicherungsinstrumente durch die\nBaurechtsbehorden. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 33 \n--- \n| I. Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag als Verpflichtungsklage statthaft\nund auch ansonsten zulassig. Sie ist aber unbegrundet, und bleibt daher ohne\nErfolg. Die Klagerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der am 15.6.2000\nbeantragten Baugenehmigung fur einen Lebensmittelmarkt mit Stellplatzen auf\ndem Grundstuck Flst.-Nr. .... Die ablehnenden Bescheide sind rechtmaßig und\nverletzen die Klagerin daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1,\nAbs. 5 Satz 1 VwGO). \n--- \n| 34 \n--- \n| Fur die Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens ist die Sach- und\nRechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Gericht maßgeblich (vgl.\nBVerwG, Urteil vom 7.2.1964 - I C 104.61 -, Buchholz 406.11 § 31 BBauG Nr. 1). \n--- \n| 35 \n--- \n| Anspruchsgrundlage ist § 58 Abs. 1 LBO. Nach dieser Vorschrift ist die\nBaugenehmigung zu erteilen, wenn dem genehmigungspflichtigen Vorhaben keine\nvon der Baurechtsbehorde zu prufenden offentlich-rechtlichen Vorschriften\nentgegenstehen. Bauplanungsrechtlich beurteilt sich die Zulassigkeit des\nVorhabens nach §§ 29 Abs. 1, 30 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit dem\nBebauungsplan „Neuordnung T.-Areal/F.-S.-Straße" der Beklagten vom 1.12.2003.\nDie Genehmigungsvoraussetzungen liegen danach nicht vor, weil dem Vorhaben der\nKlagerin die Festsetzungen des Bebauungsplans „Neuordnung\nT.-Areal/F.-S.-Straße" entgegen stehen. Dass das ausschließlich gewerbliche\nVorhaben der Klagerin auf dem Baugrundstuck Flst.-Nr. ... mit den\nFestsetzungen dieses Bebauungsplans nicht zu vereinbaren ist, ist zwischen den\nBeteiligten unstreitig und bedarf nach den planerischen Festsetzungen auch\nkeiner weiteren Begrundung. \n--- \n| 36 \n--- \n| 1\\. Entgegen der Ansicht der Klagerin ist der Bebauungsplan „Neuordnung\nT.-Areal/F.-S.-Straße" wirksam zustande gekommen und daher zu beachten. Fur\ndie Beurteilung seiner Wirksamkeit ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt\nder Beschlussfassung am 1.12.2003 maßgebend (vgl. Bayerischer\nVerwaltungsgerichtshof Munchen, Urteil vom 23.12.1998 - 26 N 98.1675 - NVwZ-RR\n2000, 79; § 214 Abs. 3 BauGB). \n--- \n| 37 \n--- \n| Bedenken gegen die formelle Rechtmaßigkeit des Bebauungsplans „Neuordnung\nT.-Areal/F.-S.-Straße" sind dabei weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch in\nmateriell-rechtlicher Hinsicht ist der Bebauungsplan im Hinblick auf die von\nder Klagerin vorgetragenen Punkte nicht zu beanstanden (zum\nÜberprufungsumfang: BVerwG, Beschluss vom 12.9. 1989 - 4 B 149/89 -, Buchholz\n406.11 § 10 BBauG/BauGB Nr. 19; Urteil vom 7.9.1979 - IV C 7.77 -, Buchholz\n406.11 § 10 BBauG Nr. 10). \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Aufstellung des Bebauungsplans war entgegen klagerischer Ansicht im\nSinne des § 1 Abs. 3 BauGB fur die stadtebauliche Entwicklung und Ordnung\nerforderlich. Nach standiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes\nreicht hierfur aus, dass es vernunftigerweise geboten ist, die bauliche\nEntwicklung durch Planung zu ordnen, wobei der Gemeinde ein weites\nplanerisches Ermessen zukommt. Demnach ist eine Bauleitplanung nur dann nicht\nerforderlich, wenn sie auf keiner planerischen Konzeption beruht und deshalb\nuberflussig ist und einen groben und einigermaßen offensichtlichen Missgriff\ndarstellt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 22.1.1993 - 8 C 46/91 -, BVerwGE 92,\n8). Dies ist hier nicht der Fall. Der Bebauungsplan beruht auf einer\nnachvollziehbaren planerischen Konzeption. Ziel dieser Konzeption ist\nerkennbar die Herstellung einer weitergehenden Vereinbarkeit vorhandener und\ngeplanter Wohnnutzung mit der hinzukommenden gewerblichen Nutzung der\nKlagerin. Dass insofern, was die Sachlage im allein maßgeblichen Zeitpunkt der\nBeschlussfassung angeht, ein grober Missgriff vorgelegen haben soll, hat die\nKlagerin nicht darlegen konnen und vermag das Gericht auch nicht zu erkennen.\nStattdessen drangt sich hier ein gesteigertes Bedurfnis nach Herstellung einer\nbauplanerischen Ordnung geradezu auf, nachdem die Aufgabe des\nProduktionsstandorts durch die Fa. T. zum Wegfall bisheriger baulicher\nStruktur auf einer verhaltnismaßig großen, im Innenstadtbereich gelegenen\nFlache fuhrte. Der Umstand, dass der Beginn der geanderten Überplanung durch\nden ehemaligen Eigentumer angestoßen wurde, ist unschadlich und andert am\nVorliegen der bauplanungsrechtlichen Erforderlichkeit der Überplanung zum\nZeitpunkt der Beschlussfassung nichts. \n--- \n| 39 \n--- \n| Ebenso wenig stellt der Bebauungsplan eine unzulassige Negativplanung dar,\nnachdem die Beklagte dem klagerischen Vorhaben hier eine komplexe Planung mit\npositiven Planungszielen entgegengesetzt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.2.1984\n- 4 C 25/82 -, BVerwGE 68, 360). Fur die Annahme einer Negativplanung reicht\nes nicht aus, dass die Beklagte das konkrete Vorhaben der Klagerin verhindern\nwill. Das BauGB sieht die Verhinderung stadtebaulich unerwunschter Vorhaben\nzur Sicherung der Realisierbarkeit eigener planerischer Ziele ausdrucklich vor\n(vgl. §§ 14 ff. BauGB). Dieses Ziel macht die Planung der Beklagten daher\ngrundsatzlich nicht unzulassig. Dass hier eine Planung zur Erreichung\npositiver stadtebaulicher Ziele und keine unzulassige ausschließlich negative\nPlanung vorliegt, verdeutlicht der Beitrag, den der Bebauungsplan durch die\nfestgesetzten, abgestuften Nutzungsmoglichkeiten zur Bewaltigung des\nabsehbaren Konflikt zwischen der gewerblichen Nutzung der Klagerin und der\numgebenden Wohnnutzung leistet. \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Überplanung lasst auch keine nach § 1 Abs. 5 BauGB unzulassige\n„Atomisierung" des Gemeindegebiets befurchten (vgl. BVerwG, Beschluss vom\n16.8.1993 - 4 NB 29/93 -, ZfBR 1994, 101). Das Baugrundstuck mit den\nangrenzenden Verkehrsflachen ist noch hinreichend groß und die Auswahl des\nPlanungsbereichs ist durch den Umfang der Gewerbebrache und die zu\nberucksichtigende Umgebungsbebauung vorgegeben. Die Beklagte hat sich damit\naus nachvollziehbaren Grunden fur eine auf die Flache des Grundstucks\nFlst.-Nr. ... mit angrenzenden Verkehrsflachen begrenzte Neuplanung\nentschieden. \n--- \n| 41 \n--- \n| 2\\. Der Satzungsbeschluss vom 1.12.2003 weist auch keine im Sinne der §§\n214, 215 BauGB beachtlichen Abwagungsfehler auf. \n--- \n| 42 \n--- \n| Nach § 1 Abs. 6 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitplane die\noffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht\nabzuwagen. Mit dem Abwagungsgebot ist notwendigerweise ein planerischer\nFreiraum der Gemeinde verbunden, der gerichtlich nur eingeschrankt auf\nAbwagungsfehler uberprufbar ist. Das Gebot gerechter Abwagung ist danach\nverletzt, wenn eine sachgerechte Abwagung uberhaupt nicht stattgefunden hat\noder wenn in die Abwagung Belange nicht eingestellt wurden, die nach Lage der\nDinge hatten eingestellt werden mussen. Ferner ist dieses Gebot verletzt, wenn\ndie Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der\nAusgleich zwischen den von der Planung beruhrten offentlichen Belangen in\neiner Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner\nBelange außer Verhaltnis steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.12.1969 - IV C\n105.66 -, BVerwGE 34, 301). Demnach geht bei der Gewichtung der verschiedenen\nBelange notwendigerweise eine Bevorzugung des einen und damit eine\nZuruckstellung des anderen Belangs einher. Die Abwagung ist mithin fehlerfrei,\nwenn sie sachgerecht ist, also an den Planungszielen orientiert ist und\nhinreichend gewichtige Grunde das Zurucktreten des einen Belangs hinter den\nanderen rechtfertigen, bzw. fehlerhaft, wenn ein Belang unverhaltnismaßig und\nunvertretbar zuruckgesetzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.11.1974 - IV C\n38.71 -, BVerwGE 47, 144). Der Abwagungsgrundsatz gilt auch bei der Änderung\neines Planes. Hierbei ist das Vertrauen des Eigentumers auf das Weiterbestehen\neines Bebauungsplans bei der Abwagung der Belange ebenfalls zu\nberucksichtigen, d.h. in Rechnung zu stellen (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom\n26.9.1980 - VIII 1952/79 -). \n--- \n| 43 \n--- \n| Nach diesen Grundsatzen ist das Gebot gerechter Abwagung vorliegend nicht\nverletzt. Der Gemeinderat der Beklagten hat entgegen der Annahme der Klagerin\nkeinen wesentlichen Belang der Klagerin ubersehen. Er hat die Interessen und\ndie Erwartungen der Klagerin als Grundstuckseigentumerin und Bauwillige\nzutreffend erkannt und eingestellt. \n--- \n| 44 \n--- \n| Der Gemeinderat ging dabei auch zurecht davon aus und hat dies in seine\nAbwagung eingestellt, dass die Klagerin uber die geplante Änderung des\nBebauungsplans beim Kauf des Baugrundstucks informiert und ihr Vertrauen in\ndie Realisierbarkeit ihres Vorhabens daher nicht geschutzt war. Die Annahme in\nder vom Gemeinderat mit Satzungsbeschluss vom 1.12.2003 gebilligten\nSitzungsvorlage, dass die Klagerin beim Grundstuckskauf am 27.7.2000 Kenntnis\nvon den Vorgangen zur beabsichtigten Umstrukturierung des Quartiers hatte und\ndaher wusste, dass moglicherweise eine Planung vorgesehen war, die ihrem\nVorhaben entgegenstehen wurde, ist nicht zu beanstanden. Die Klagerin erwarb\ndas Baugrundstuck zusammen mit dem Grundstuck Flst.-Nr. .../x zu einem\nKaufpreis von 6.500.000 DM (=1008,38 DM/m²) ca. ein halbes Jahr nach der\nVerlagerung der Produktion der Fa. T. in die S. Straße. Schon wegen der Hohe\ndes Kaufpreises und der Grundstuckssituation (Gewerbebrache) lag es fur den\nGemeinderat nahe, dass sich die kaufmannisch tatige Klagerin vor dem Kauf\nunter Wahrung der ublichen Sorgfalt beim Eigentumer und dem Bauplanungsamt der\nBeklagten uber bestehende und beabsichtigte Bauleitplane informieren wurde.\nHinzu kommt, dass die offentliche Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses\nvom 28.6.2000 bereits am 19.7.2000 und damit vor dem Kaufvertragsabschluss\nerfolgt war. Ab dieser Bekanntmachung musste die Klagerin mit einer\nwesentlichen Änderung der baulichen Ausnutzbarkeit des Kaufgrundstucks\nrechnen. Weil sie das Baugrundstuck in voller Kenntnis dieses Risikos erwarb,\nist nicht zu beanstanden, dass der Gemeinderat von einer Vorkenntnis der\nKlagerin und vom Fehlen eines geschutzten Vertrauens in die Realisierbarkeit\ndes von ihr projektierten Vorhabens ausging. Ein Abwagungsmangel liegt\ninsofern nicht vor. Im ubrigen hat die Klagerin nicht vorgetragen, dass der\nvon ihr insofern behauptete Mangel im Abwagungsvorgang offensichtlich und auf\ndas Abwagungsergebnis von Einfluss gewesen ware (vgl. § 214 Abs. 3 Satz 2\nBauGB). Dies ist fur das Gericht nach dem Verlauf der Planung auch nicht\nerkennbar. Damit ware der bezuglich der Vorkenntnis der Klagerin behauptete\nAbwagungsmangel, lage er denn vor, jedenfalls nicht beachtlich. \n--- \n| 45 \n--- \n| Die Klagerin rugt auch ohne Erfolg, dass der Gemeinderat weder in der von\nihm gebilligten Sitzungsvorlage (Stand: 20.11.2003) noch in der Begrundung des\nBebauungsplans darauf eingegangen sei, dass ihr ihre Baumoglichkeit wegen des\nAblaufs der 7-Jahresfrist ohne Planschadensersatzanspruch nach § 42 BauGB\nentzogen werde. Die ersatzlose Entziehung ihres Baurechts sei aber nach dem\nRechtsgutachten B. bekannt und daher zu beachten gewesen. Ein beachtlicher\nAbwagungsmangel liegt auch insofern nicht vor. Zunachst ist festzustellen,\ndass sich die Ausfuhrungen im Rechtsgutachten B. nicht auf den beschlossenen\nBebauungsplan bezogen, sondern auf einen vorgehenden Entwurf, der die von der\nKlagerin vorgesehene Nutzung fur einen großflachigen Lebensmittelmarkt\nganzlich ausschloss. Der Gemeinderat hat die im Rechtsgutachten geaußerten\nBedenken, nach denen ein Planungsschadensersatzanspruch, nicht aber ein\nAnspruch auf Vertrauensschadensersatz ausgeschlossen gewesen ware, bereits bei\nder Sitzung vom 2.7.2001 zur Kenntnis genommen. Die Berucksichtigung der\nBedenken von B. erfolgte durch die Änderung der Planungsziele am 3.7.2002.\nDabei wurde ein Lebensmitteleinzelhandel der Klagerin mit 800 m²\nVerkaufsflache zugelassen, um den Belangen der Klagerin zu entsprechen. Zur\nBegrundung ist in der Sitzungsvorlage und dem Sitzungsprotokoll ausgefuhrt,\nmit der Änderung des Entwurfs komme die Beklagte den Nutzungswunschen der\nGrundstuckseigentumerin zum Teil entgegen und ermogliche die Errichtung des\nLebensmittelmarktes. Die Plananderung erfolge, weil die Klagerin das\nGrundstuck zu einem Preis, der auf dem freien Markt nicht zu erzielen sei, fur\nihre gewerblichen Zwecke erworben habe. Damit wurde bereits in dieser Phase\nder Entwicklung des Bebauungsplans eine vermittelnde Losung erarbeitet, die\nvom Gemeinderat gebilligt und schließlich so am 1.12.2003 auch beschlossen\nwurde. Die der Klagerin bei Wegfall der Baumoglichkeit drohenden Schaden\nwurden hierbei ebenso berucksichtigt wie ihr Interesse an einer bestimmten\nbaulichen Nutzung des Grundstucks. Die Bedenken von B. bezuglich der Frage, ob\nPlanungs- oder Vertrauensschadensersatzanspruche entstehen konnten, sind durch\ndie veranderte Planung uberholt. Wegen der Umplanung und der insofern am\n3.7.2002 getroffenen Vorentscheidung, erscheint es unschadlich, dass in der\nPlanbegrundung und in der Sitzungsvorlage nicht noch einmal ausdrucklich auf\nden Punkt „ersatzlose Entziehung des Baurechts" eingegangen wurde. Denn es ist\nwegen der vorgenommenen Änderungen des Plans ohnehin erkennbar, dass der\nGemeinderat der Beklagten diesen Punkt gesehen, eingestellt und abgewogen hat\n(vgl. BVerwG, Urteil vom 5.7.1974 - IV C 50.72 -, BVerwGE 45, 309). Im ubrigen\nhat die Klagerin auch nicht vorgetragen, dass der behauptete Mangel im\nAbwagungsvorgang, lage er denn vor, offensichtlich und auf das\nAbwagungsergebnis von Einfluss gewesen ware (vgl. § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB).\nDies ist fur das Gericht gerade wegen des dargestellten Planungsverlaufs auch\nnicht ersichtlich. \n--- \n| 46 \n--- \n| Die behauptete Fehlgewichtung der privaten Belange der Klagerin lasst sich\nebenfalls nicht feststellen. Die Beklagte hat das gesteigerte Interesse der\nKlagerin an einer rein gewerblichen Nutzung des Grundstucks nicht verkannt.\nAuch die Bedeutung von ebenerdigen Parkplatzen fur die Moglichkeit, einen\nLebensmittelmarkt nach dem „Modell L." zu realisieren, war nach den Einwanden\nder Klagerin im Burgerbeteiligungsverfahren klar. Nach dem Inhalt der\ngebilligten Sitzungsvorlage und der Planbegrundung wurde erkannt und\neingestellt, dass die gefundene Lebensmittelmarktlosung mit Tiefgarage dem\nVerkaufsmodell der Klagerin nicht entspricht. Diese Belastung fur die\nKlagerin, die dazu fuhren konnte, dass sie ihren Lebensmittelmarkt an dieser\nStelle in der gewunschten Weise nicht realisieren wird, wurde in die Abwagung\neingestellt und auch richtig gewichtet, wie die Begrundung des Bebauungsplans\nzeigt, in der sich die Beklagte ausfuhrlich mit dem Vorbringen\nauseinandersetzt. Dass sich die Beklagte aus stadtebaulichen Grunden gegen\neine ausschließlich gewerbliche Nutzung des Baugrundstucks und fur eine\ngemischte Nutzung mit Tiefgarage und Wohnungen entschieden hat, macht die\nAbwagung nicht fehlerhaft. Denn die Klagerin besitzt keinen Anspruch auf eine\nfur ihre Zwecke optimale Losung. Ihrem Interesse an der ausschließlich\ngewerblichen Nutzung stehen die ebenfalls gewichtigen Belange der Anwohner und\ndas Interesse der Beklagten an einer bestimmten stadtebaulichen\nFortentwicklung im Innenstadtbereich entgegen. Dabei ist zunachst ihr\nverstandliches Interesse an innenstadtnaher Wohnbebauung zu berucksichtigen.\nWeiter ist ihr darin zuzustimmen, dass das bisher ausgewiesene Gewerbegebiet\nnicht mehr in den Gebietscharakter der Umgebung passt. Diese ist nach der\nAufgabe des Produktionsstandorts des T.-Werks von Wohnbebauung und\nwohnvertraglicher Nutzung entlang dem T.-G.-Weg und der N. Straße gepragt;\ndies hat der Augenschein, der von der Kammer eingenommen wurde, auch\nbestatigt. Die zum Teil gewerbliche Nutzung im Westen fallt demgegenuber auch\nwegen der Trennung durch die starker befahrene Z. Straße weniger ins Gewicht.\nDie Beklagte hat ein Konzept aufgestellt, bei dem die Interessen der Anwohner\nund der Beklagten auf der einen Seite und die der Klagerin auf der anderen\nSeite angemessen berucksichtigt werden. Die vorgenommene Abwagung erscheint\ndabei auch deshalb verhaltnismaßig, weil der Klagerin der\nPlanaufstellungsbeschluss beim Grundstuckserwerb bekannt sein musste. Darauf,\ndass die Beklagte die von ihr beabsichtigte Planung schon noch andern und den\nWunschen der Klagerin anpassen wurde, konnte diese nicht vertrauen. \n--- \n| 47 \n--- \n| Nachdem die von der Klagerin behaupteten Fehler nicht feststellbar sind,\nist der Bebauungsplan wirksam und daher zu beachten. Da die beantragte\nBaugenehmigung den Festsetzungen dieses Bebauungsplanes widerspricht, hat die\nKlagerin keinen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung. Damit ist der\nHauptantrag unbegrundet und daher abzuweisen. \n--- \n| 48 \n--- \n| II. Die Klage ist auch mit dem Hilfsantrag zulassig. Das ursprungliche\nBegehren der Klagerin, namlich die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung\nder begehrten Baugenehmigung, hat sich durch Inkrafttreten des Bebauungsplans\n„Neuordnung T.-Areal/F.-S.-Straße" vom 1.12.2003 am 17.4.2004 erledigt. Dass\nauch bei Erledigung einer Verpflichtungsklage - hier auf Erteilung einer\nBaugenehmigung - in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO eine\nFortsetzungsfeststellungsklage zulassig ist, entspricht gefestigter\nRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom\n23.11.1967 - 1 C 30.65 - Buchholz 418.42 § 39 Nr. 1). Eine\nFortsetzungsfeststellungsklage liegt dabei nur vor, wenn mit der beantragten\nFeststellung der Streitgegenstand nicht ausgewechselt wird (vgl. BVerwG,\nUrteil vom 28.8.1987 - 4 C 31/86 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 173). Dies ist\nauch bei dem hier gestellten Antrag auf Feststellung, dass der Klagerin\nzwischen dem Ablauf der Wirksamkeit der ersten Verlangerung der Satzung uber\ndie Veranderungssperre am 28.7.2003 bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplan am\n17.4.2004 einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung zustand, der Fall.\nDenn der Antrag wechselt den ursprunglichen Streitgegenstand (Baugenehmigung)\nnicht aus, sondern stellt insofern lediglich von dem Verpflichtungsbegehren\nauf ein Feststellungsbegehren um. Das erforderliche\nFortsetzungsfeststellungsinteresses liegt vor, nachdem die Klagerin einen\nAmtshaftungsprozess plant. Das Schadensersatzverlangen ist auch nicht von\nvornherein und ganz offensichtlich ohne jede Aussicht auf Erfolg, wobei\nunschadlich ist, dass die Klagerin nicht im Einzelnen vorgetragen hat, wie\nsich der Wert des Baugrundstucks durch die Plananderung konkret entwickelt hat\nbzw. wie groß ihr angeblicher Schaden ist. \n--- \n| 49 \n--- \n| Die damit zulassige Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch ebenfalls\nunbegrundet. Die Klagerin hatte im Zeitraum vom 28.7.2003 bis zum 17.4.2004\nkeinen Anspruch auf Erteilung der am 15.6.2000 beantragten Baugenehmigung. Dem\nangeblichen Genehmigungsanspruch stand die von der Beklagten am 2.7.2001\nerlassene und am 10.6.2001 sowie am 14.7.2003 verlangerte Veranderungssperre\nfur das Grundstuck Flst.-Nr. ... entgegen. \n--- \n| 50 \n--- \n| Nach § 58 Abs. 1 LBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem\ngenehmigungspflichtigen Vorhaben keine von der Baurechtsbehorde zu prufenden\noffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Bauplanungsrechtlich\nbeurteilte sich die Zulassigkeit des Vorhabens im fraglichen Zeitraum nach §§\n29 Abs. 1, 30 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit dem Bebauungsplan\n„Bebauungsplananderung im Gebiet zwischen N. Straße, S. Straße und Z. Straße"\nder Beklagten vom 7.1.1965 und nach der von der Beklagten am 2.7.2001\nerlassenen und am 10.6.2001 sowie am 14.7.2003 verlangerten Veranderungssperre\nfur das Grundstuck Flst.-Nr. .... Die Genehmigungsvoraussetzungen lagen danach\nnicht vor, weil dem Vorhaben der Klagerin die Veranderungssperre auch in dem\nfur die begehrte Feststellung maßgeblichen Zeitraum entgegenstand. \n--- \n| 51 \n--- \n| Die Satzung fur eine Veranderungssperre fur das Grundstuck Flst.-Nr. ...\nwurde von der Beklagten wirksam beschlossen und bekanntgemacht (1.) und\nzweimal wirksam verlangert (2.). Bei der weiteren Zuruckstellung handelte es\nsich nicht um eine unwirksame Zuruckstellung auf Vorrat; sie stand daher unter\nAnrechnung der Zuruckstellung des Bauantrags der Klagerin vom 15.6.2000 dem\nGenehmigungsanspruch der Klagerin auch im Zeitraum vom 28.7.2003 bis 17.4.2004\nentgegen (3.). Die Voraussetzungen fur eine Ausnahme von der\nVeranderungssperre lagen in diesem Zeitraum ebenfalls nicht vor (4.). \n--- \n| 52 \n--- \n| 1\\. Die Satzung fur eine Veranderungssperre fur das Grundstuck Flst.-Nr.\n... wurde von der Beklagten wirksam erlassen. Bedenken gegen die formelle\nRechtmaßigkeit der am 2.7.2001 beschlossenen und am 13.7.2001 offentlich\nbekannt gemachten Satzung sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch in\nmateriell-rechtlicher Hinsicht ist die Veranderungssperre im Hinblick auf die\nvon der Klagerin vorgetragenen Punkte nicht zu beanstanden (zum\nÜberprufungsumfang: BVerwG, Beschluss vom 12.9. 1989 - 4 B 149/89 -, Buchholz\n406.11 § 10 BBauG/BauGB Nr. 19; Urteil vom 7.9.1979 - IV C 7.77 -, Buchholz\n406.11 § 10 BBauG Nr. 10). Die Voraussetzungen nach § 14 Abs. 1 BauGB lagen\nvor. Der Gemeinderat der Beklagten hat am 28.6.2000 einen Beschluss uber die\nAufstellung eines Bebauungsplans fur das Grundstuck Flst.-Nr. ... gefasst und\ndiesen am 19.7.2000 ortsublich bekannt gemacht. Die damit in Aussicht\ngenommene Planung ließ auch ein Mindestmaß des Inhalts der beabsichtigten\nPlanung erkennen. Dies ist jeweils schon dann der Fall, wenn von der Gemeinde\npositive planerische Vorstellungen entwickelt wurden, so dass Ziele und Zwecke\nder Planung und die die Nutzung im Wesentlichen bestimmenden Elemente beim\nErlass der Veranderungssperre vorliegen (vgl. Stock in Ernst-Zinkahn-\nBielenberg, Kommentar zum BauGB, Stand 1/05, Band 1, § 14 Rdnr. 43 ff m.w.N.).\nDiesen Anforderungen ist durch die mit dem Aufstellungsbeschluss vom 28.6.2000\nfur den Bereich des zu uberplanenden Grundstucks Flst.-Nr. ... vorgesehene\nkunftige Nutzung genugt. Zu den Planungszielen wurde in der Sitzungsvorlage\nund im Beschluss ausgefuhrt, vorzusehen sei die Ausweisung eines Allgemeinen\nWohngebiets, der Ausschluss von Gartenbaubetrieben und Tankstellen, eine\nGeschossflachenzahl 1,2, die Aufwertung der Straßenraume entlang der Z. Straße\nmit einer Reihe mittelgroßer Baume, die verkehrsberuhigte Gestaltung der N.\nStraße und des T.-G.-Wegs, die Unterbringung der Stellplatze in erduberdeckten\nTiefgaragen, eine mindestens 2- und maximal 3-geschossig Baustruktur entlang\nder N. Straße und dem T.-G.-Weg, und eine mindestens 3- und maximal\n4-geschossige Baustruktur im Bereich F.-S.-Straße und Z. Straße. Die\nerforderliche hinreichende Konkretisierung war damit beim Erlass der\nVeranderungssperre gegeben. Die Veranderungssperre war zur Sicherung der am\n28.6.2000 beschlossenen und danach mehrfach angepassten Planung auch\nerforderlich. Denn die Realisierung der stadtebaulichen Planung ware bei\nGenehmigung und Durchfuhrung des von der Klagerin am 15.6.2000 beantragten\nBauvorhabens unmoglich geworden. \n--- \n| 53 \n--- \n| 2\\. Die erstmalige Verlangerung der Veranderungssperre nach § 17 Abs. 1\nSatz 3 BauGB ist ebenfalls wirksam erfolgt, nachdem die Voraussetzungen fur\nden Erlass einer Veranderungssperre am 10.6.2002 weiterhin vorlagen. Die\nzweite Verlangerung war ebenfalls wirksam. Die Voraussetzungen hierfur lagen\nvor. Nach § 17 Abs. 2 BauGB i.d.F. vom 15.12.2001 konnte die Gemeinde mit\nZustimmung der nach Landesrecht zustandigen Behorde eine Veranderungssperre\nbis zu einem weiteren Jahr nochmals verlangern, wenn besondere Umstande es\nerfordern. Im Gegensatz zu der ersten Verlangerung stellt das Gesetz bei der\nzweiten Verlangerung, die bei Ausschopfung der gesetzlich zulassigen\nGeltungsdauer zu einer uber dreijahrigen Sperrzeit fuhrt, erhohte\nAnforderungen an die Rechtfertigung der Aufrechterhaltung der Satzung. Dieser\nRegelung liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass die Bauleitplanung\nunter normalen Umstanden innerhalb von drei Jahren abgeschlossen werden kann\n(vgl. Stock in Ernst-Zinkahn-Bielenberg, Kommentar zum BauGB, Stand 1/05, Band\n1, § 17 Rdnr. 31 ff m.w.N.). Die Voraussetzungen fur eine weitere Verlangerung\nliegen danach nur vor, wenn die Bebauungsplanung infolge außergewohnlicher\nVerhaltnisse, die grundsatzlich außerhalb des Einflussbereichs der Gemeinde\nliegen, innerhalb der bereits vergangenen drei Jahre nicht zu Ende gefuhrt\nwerden konnte. An die zur Rechtfertigung der zweiten Verlangerung\nerforderlichen besonderen Umstande sind nach Auffassung des BVerwG mit\nweiterem Zeitablauf kontinuierlich steigende Anforderungen zu stellen. Bei der\nUngewohnlichkeit der Umstande kann es sich um Besonderheiten des Umfangs, des\nSchwierigkeitsgrads oder des Verfahrensablaufs handeln. Notwendig ist\nweiterhin ein ursachlicher Zusammenhang. Gerade die Ungewohnlichkeit des Falls\nmuss ursachlich dafur sein, dass die Aufstellung des Plans mehr als die\nubliche Zeit erfordert (BVerwG, Urteil vom 10.9.1976 - 4 C 39.74 - BVerwGE\n51,121; VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 10.11.1984 - 8 S 2252/94 -, UPR 1995,\n278). Diese Voraussetzungen lagen hier zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses\nder zweiten Verlangerung der Veranderungssperre am 14.7.2003 vor. Es lagen\naußergewohnliche Umstande vor, die die Beklagte nicht zu vertreten hatte, die\nzu einer Verzogerung des Verfahrensablaufs fuhrten und die damit eine weitere\nVerlangerung der Veranderungssperre erforderlich machten. Der Verlauf der\nBebauungsplanung gestaltete sich nach dem Grundstuckserwerb durch die Klagerin\naußergewohnlich schwierig. Die Eigentumerin des maßgeblichen Bereichs war an\nder vorgesehenen, ganz uberwiegenden Wohnnutzung nicht interessiert. Ihre auf\neine rein gewerbliche Nutzung abzielenden Belange waren von der Beklagten zu\nbeachten. Diese Belange waren mit den stadtebaulichen Zielen der Beklagten\naber nur zum Teil zu vereinbaren. Die Beklagte hatte daher vorab zu prufen, ob\ndie zunachst geplante und vom ursprunglichen Eigentumer mitgetragene vollige\nEntziehung der gewerblichen Nutzungsmoglichkeit uberhaupt noch zulassig war.\nErst nachdem insofern die rechtlichen Grenzen durch das Gutachten B.\naufgezeigt waren, konnte die Beklagte eine Umplanung unter Berucksichtigung\nder zu beachtenden Belange der Klagerin in Angriff nehmen. Die Anpassung der\nPlanung an die Belange der Klagerin verzogerte sich danach, weil abzuklaren\nwar, ob alternative Losungen eine ganz andere Planung auf dem Baugrundstuck\nerforderlich machen wurden. Die Klagerin ließ namlich erkennen, dass sie eine\nBebauung des Baugrundstucks durch einen Dritten akzeptieren wurde, wenn ihr\ndie Beklagte einen Ersatzstandort fur ihren klagerischen Markt in der\nJahnstraße ermogliche. Konkrete Grundstucke waren dabei zwischen der Klagerin\nund der Beklagten im Gesprach. Dass die Beklagte die weitere Planung fur das\nBaugrundstuck vom Ausgang dieser Verhandlungen abhangig machte, ist ihr nicht\nvorwerfbar, nachdem die von der Klagerin gewunschte Ersatzstandortlosung eine\nganz andere, den stadtebaulichen Zielen der Beklagten viel mehr entsprechende\nBebauungsplanung ermoglicht hatte. Zugleich ware bei der von der Klagerin\nfavorisierten Losung die gefundene, in den am 1.12.2003 beschlossenen\nBebauungsplan eingeflossene Planung uberflussig und stadtebaulich zum Teil\nverfehlt gewesen. Ohne den Grundstuckskauf der Klagerin und die dadurch\nbewirkte Komplizierung, hatte das Bebauungsplanverfahren in einer wesentlich\nkurzeren Frist abgewickelt werden konnen. \n--- \n| 54 \n--- \n| Entgegen der Ansicht der Klagerin kam es im Bebauungsplanverfahren nicht zu\nvon der Beklagten zu vertretenden Verzogerungen, bei deren Vermeidung eine\nweitere Verlangerung der Veranderungssperre vermeidbar gewesen ware. Dies gilt\nauch fur den von der Kammer zunachst als kritisch angesehenen Zeitraum\nzwischen der Vorlage des Schalltechnischen Gutachtens am 9.10.2002 und dem\nAuslegungsbeschluss am 19.3.2003. Die Beklagte hat in diesem Zeitraum nach den\nerst in der mundlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen vor allem mit\nSchreiben vom 7.10.2002 und vom 25.11.2002 eine weitere rechtsgutachtliche\nStellungnahmen von Prof. B. eingeholt. Das Bedurfnis nach einer weiteren\nrechtlichen Einschatzung erscheint nachvollziehbar, nachdem die Situation\naußerst schwierig war. Außerdem war bei der ersten Stellungnahme von Prof. B.\ndas Fehlen von Erkenntnissen bemangelt worden. Der komplett veranderte\nPlanentwurf war einer rechtlichen Beurteilung noch nicht zugefuhrt worden.\nEine weitere rechtliche Nachprufung machte daher Sinn. Weiter fand in dem\nbesagten Zeitraum, namlich am 30.1.2003 eine weitere Besprechung zwischen der\nKlagerin und der Beklagten statt. Das Ergebnis ist in einem Schreiben der\nKlagerin vom 3.2.2003 zusammengefasst. Danach favorisierte die Klagerin nach\nwie vor eine Kompromisslosung im Zusammenhang mit einem genehmigungsfahigen\nAusweichstandort in der Sudstadt, namlich J. Straße Ecke G. Straße und die\nAnsiedlung eines weiteren L.-Markt in der Weststadt. In diesem Fall werde sie\nihren Bauantrag fur das Baugrundstuck zuruckziehen. Eine Kompromisslosung auf\ndem T.-Areal musse ebenerdige Parkplatze fur die L.-Kunden zur Verfugung\nstellen. Weiter ubersandte die Beklagte in dem besagten Zeitraum die\nErgebnisse des weiteren Rechtsgutachtens B. vom 27.12.2002 an die Planer zur\nthemenbezogenen Überprufung. Wegen dieser noch erforderlichen umfangreichen\nTatigkeiten ist zwischen der Vorlage des schalltechnischen Gutachtens am\n9.10.2002 und dem Auslegungsbeschluss am 19.3.2003 keine der Beklagten\nvorwerfbare Verzogerung des Planungsverfahrens feststellbar. \n--- \n| 55 \n--- \n| Die nach § 17 Abs. 2 BauGB erforderliche Genehmigung wurde durch das\nRegierungsprasidium T. am 6.6.2003 erteilt. Die Voraussetzungen fur eine\nweitere Verlangerung lagen damit grundsatzlich vor. \n--- \n| 56 \n--- \n| 3\\. Die weitere Verlangerung der Veranderungssperre ist auch nicht aus\nanderen Grunden unwirksam. Es handelt sich nicht um eine unwirksame\n„Veranderungssperre auf Vorrat". Wie oben ausgefuhrt, muss die weitere\nVerlangerung der Veranderungssperre zum Zeitpunkt ihres Erlasses zur Sicherung\nder Planung erforderlich sein. Die Klagerin bestreitet, dass diese\nVoraussetzung bei der weiteren Zuruckstellung vom 14.7.2003 vorlag. Das\nGericht teilt diese Einschatzung nicht. \n--- \n| 57 \n--- \n| Zu beachten ist dabei zunachst die allgemeine und die individuelle\nGeltungsdauer der in Rede stehenden Sperre. Die allgemeine Geltungsdauer der\nam 2.7.2001 beschlossenen Veranderungssperre begann mit dem Tag nach der\nBekanntgabe, also am 14.7.2001 und endete nach zwei Jahren (vgl. § 17 Abs. 1\nSatz 1 BauGB), also am 14.7.2003. Die allgemeine Geltungsdauer der ersten\nVerlangerung um ein Jahr begann demnach am 15.7.2003 und endete am 15.7.2004.\nDie allgemeine Geltungsdauer der weiteren Verlangerung begann (theoretisch) am\n16.7.2004 und endete am 16.7.2005. Die individuelle Geltungsdauer der\nVeranderungssperre ergibt sich bei Berucksichtigung der Zuruckstellung des\nBauantrags der Klagerin vom 15.6.2000 um ein Jahr. Der seit der Zustellung der\nZuruckstellung des Baugesuchs am 28.7.2000 abgelaufene Zeitraum ist auf die\nZweijahresfrist nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB anzurechnen. Damit verkurzt sich\ndie Zweijahresfrist bei der Klagerin um die Zeit vom 28.7.2000 (Zustellung der\nZuruckstellung) bis zum 14.7.2001 (Inkrafttreten der Veranderungssperre), also\num 11 Monate und 16 Tage. Eine weitere Verkurzung nach den Grundsatzen uber\ndie faktische Zuruckstellung (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 30.4.1984 - 5 S\n2079/83 -, VBlBW 1985, 140) ergibt sich im vorliegenden Fall nicht, nachdem\ndie Entscheidung uber die Zuruckstellung bereits am 28.7.2000 zugestellt\nwurde. Die am 2.7.2001 beschlossene Veranderungssperre lief fur die Klagerin\ndamit bereits am 29.7.2002 ab, die erste Verlangerung am 29.7.2003, die zweite\nVerlangerung (theoretisch) am 29.7.2004. Bei Berucksichtigung dieses\nindividuellen Fristlaufs waren die Verlangerungen der Veranderungssperre am\n10.6.2002 und am 14.7.2003 um jeweils ein Jahr nicht auf Vorrat, sondern zur\nVerhinderung des Vorhabens der Klagerin zwingend erforderlich. Das Vorhaben\nder Klagerin ware ansonsten nach Ablauf der sie individuell betreffenden Frist\nzu genehmigen gewesen, die Planung der Beklagten ware gescheitert. \n--- \n| 58 \n--- \n| Die von der Klagerin gegen diese Einschatzung ins Feld gefuhrten\nAusfuhrungen des OVG Luneburg in seinem Urteil vom 18.6.2003 - 1 LB 143/02 -\nrechtfertigen keine andere Bewertung. Denn das erkennende Gericht teilt die\nEinschatzungen des OVG Luneburg nicht. Das OVG Luneburg hat in dem von der\nKlagerin angefuhrten Urteil u.a. folgende Ausfuhrungen gemacht: \n--- \n| 59 \n--- \n| „Die Gemeinde darf die Geltungsdauer einer Veranderungssperre um das vierte\nJahr nicht schon dann beschließen, wenn das dritte Geltungsjahr gerade\nbegonnen hat und daher noch gar nicht verlasslich abgesehen werden kann, ob\nder Sicherungszweck nach Ablauf des dritten Jahres fortbesteht (wie\nSenatsurteil vom 15.3.2001 - 1 K 2440/00 -, BauR 2001, 1552). Der Umstand,\ndass die Veranderungssperre andernfalls gegenuber einem bestimmten\nGrundstuckseigentumer wegen § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB keine Rechtswirkungen\nmehr zu entfalten droht, andert daran nichts. \n--- \n| 60 \n--- \n| Die im Tatbestand zuletzt genannte Veranderungssperre ist - erstens - schon\ndeshalb unwirksam, weil die Beigeladene (gerade mit Rucksicht auf das hier zur\nEntscheidung anstehende Vorhaben) deren Verlangerung um ein (letztes und)\nviertes Jahr mit dem 16. Oktober 2001 zu einem Zeitpunkt beschlossen hatte, zu\ndem die (ruckwirkend zum 17. September 1999 in Kraft gesetzte)\nVeranderungssperre erst zwei Jahre und einen Monat alt war. Das ist unzulassig\n(vgl. zum Folgenden Senatsurt. v. 15.3.2001 - 1 K 2440/00 -, BauR 2001, 1552 =\nNVwZ-RR 2002, 417; zustimmend Lemmel, in: BK zum BauGB, 3. Aufl., § 17 Rdn.\n5). Denn das widerspricht § 17 Abs. 2 BauGB. Bei jeder Verlangerung der\nVeranderungssperre ist zu prufen, ob die Voraussetzungen fur ihren Erlass,\nnamentlich das Sicherungsbedurfnis fortbesteht und (insbesondere) ob das\nPlanverfahren nicht innerhalb kurzester Zeit abgeschlossen werden kann und\nsich von daher die Fortsetzung der Verlangerungssperre erubrigt. Schon bei der\nersten Verlangerung einer Veranderungssperre muss die planende Gemeinde daher\nprufen, ob uberhaupt ein Bedurfnis besteht, die in Kraft getretene\nVeranderungssperre andauern zu lassen. Erst recht gilt das fur die zweite\nVerlangerung nach § 17 Abs. 2 BauGB. Diese ist nach dem eindeutigen\nGesetzeswortlaut nur unter verscharften Voraussetzungen, namlich dann\nzulassig, wenn besondere Grunde dies erfordern. Das setzt eine ins Einzelne\ngehende Prufung der Gemeinde voraus, ob der Umstand, dass das Verfahren zur\nAufstellung des Bebauungsplanes nicht innerhalb der vom Gesetz vorgesehenen\nRegelzeit von drei Jahren abgeschlossen werden kann, durch eine ungewohnliche\nSachlage verursacht worden ist und ihr im Zusammenhang damit nicht der Vorwurf\neines Fehlverhaltens zu machen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.7.1990 - 4 B\n156.89 -, NVwZ 1991, 62 = BRS 50 Nr. 101; vgl. a. grundlegend Urt. v.\n10.9.1976 - IV C 39.74 -, BVerwGE 51, 121 = NJW 1977, 400 = BauR 1977, 31).\nEine solche Prufung kann nicht schon zu dem Zeitpunkt angestellt werden, zu\ndem die Veranderungssperre - wie hier - gerade erst ihr drittes Geltungsjahr\nerreicht hat. \n--- \n| 61 \n--- \n| An dieser Einschatzung andert sich auch nichts dadurch, dass die\nVeranderungssperre gegenuber dem Vorhaben der Klager aufgrund der vorherigen\nfaktischen Zuruckstellungen ihrer Baugesuche wegen § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB\nkeine Rechtswirkungen mehr zu entfalten drohte. Denn § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB\nstellt nach der vorstehend zitierten Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts eine Schutzvorschrift zu Gunsten desjenigen dar, der\nnicht nur von einer Veranderungssperre, sondern auch durch Behordenhandeln in\neiner Weise nachteilig betroffen wird, welche einer Veranderungssperre in\nihren Wirkungen gleichkommt. Dieser Schutzzweck wurde in sein Gegenteil\nverkehrt, wenn die durch § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB angeordnete individuelle\nBerechnung der Veranderungssperre es rechtfertigen sollte, die strengen\nVoraussetzungen, unter denen eine Veranderungssperre zum zweiten Mal\nverlangert werden darf, aufweichen zu durfen. Fur diese Auffassung kann sich\ndie Beigeladene auch nicht auf die Ausfuhrungen des Bundesverwaltungsgerichts\nvom 10. September 1976 (a.a.O.) berufen. Danach mag es zwar so sein, dass bei\nder individuellen Berechnung gemaß § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB auch zu\nberucksichtigen ist, ob im Hinblick auf das Grundstuck des entsprechenden\nEigentumers die Voraussetzungen vorliegen, unter denen die Sperre nach § 17\nAbs. 1 Satz 3 BauGB verlangert werden durfte, oder ob sogar besondere Umstande\nim Sinne des § 17 Abs. 2 BauGB eine neuerliche Veranderung der\nVeranderungssperre rechtfertigten. Das andert nichts am Inhalt der\nAnforderungen, die zu stellen sind, wenn die Gemeinde mit Wirkung fur und\ngegen alle gemaß § 17 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 BauGB eine beschlossene\nVeranderungssperre verlangern will. An das Vorliegen der Voraussetzungen\ndieser Vorschriften sind mit anderen Worten keine anderen/geringeren\nAnforderungen nur deshalb zu stellen, weil sie inzident auch dann zu prufen\nsind, wenn die "individuelle Dauer" einer Veranderungssperre gemaß § 17 Abs. 1\nSatz 2 BauGB zu prufen ist. Dementsprechend kann die Beigeladene den hohen\nAnforderungen, die an eine rechtmaßige zweite Verlangerung gemaß § 17 Abs. 2\nBauGB gestellt werden, nicht/allein mit dem Hinweis darauf genugen, ohne die\n(erste und zweite) Verlangerung der Veranderungssperre drohten die Klager die\nkunftigen Planfestsetzungen durch die Verwirklichung planwidriger Vorhaben\ntorpedieren zu konnen. \n--- \n| 62 \n--- \n| Diesen Ausfuhrungen, die zum Teil Zustimmung in der Kommentarliteratur\ngefunden haben (vgl. Lemmel in Berliner Kommentar zum BauGB, § 17 Rdnr. 5)\nvermag sich die Kammer nicht anzuschließen, weil die Auslegung nicht zu einer\neffektiven Anwendung der bauplanungsrechtlichen Sicherungsinstrumente in den\n§§ 14 ff BauGB beitragt. Die Zuruckstellungsentscheidung und die\nVeranderungssperre sollen nach dem Willen des Gesetzgebers tatsachliche\nVeranderungen im Planbereich, die die in einem kunftigen Bebauungsplan\nverbindlich festzusetzende Ordnung beeintrachtigen oder unmoglich machen,\nunterbinden. Jedem bauwilligen Grundstuckseigentumer mutet der Gesetzgeber\ninsofern eine entschadigungslose Verzogerung seines Bauvorhabens um maximal 4\nJahre zu. Wie sich diese Hochstdauer zusammensetzt ist dabei gleichgultig. Das\nheißt, der einzelne Grundstuckseigentumer soll nicht schlechter oder besser\ngestellt werden und deswegen eine langere oder kurzere Verzogerung\nentschadigungslos hinnehmen mussen, weil bei ihm zeitweise eine Zuruckstellung\nerfolgt ist. Das Ziel, die Planungsmoglichkeit zu sichern, setzt hierfur\nzwingend voraus, dass auch dem von einer Zuruckstellung betroffenen\nGrundstuckseigentumer luckenlos Zuruckstellung und Veranderungssperre\nentgegengehalten werden konnen. Denn, wie der vorliegende Fall zeigt, genugt\nhaufig schon die Verwirklichung eines Vorhabens, um die Erfullung des\nbauplanungsrechtlichen Sicherungszwecks endgultig und vollstandig zu\nvereiteln. \n--- \n| 63 \n--- \n| Bei der Auslegung ist anzusetzen an dem unbestimmten Rechtsbegriff der\n„Erforderlichkeit" der Veranderungssperre, der ausdrucklich in § 17 Abs. 2\nBauGB und als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal in §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 1\nSatz 3 BauGB enthalten ist. Werden bei der Auslegung dieses Rechtsbegriffs die\noben beschriebenen gesetzlichen Zwecke beachtet, ist der Erlass oder die\nVerlangerung einer Veranderungssperre grundsatzlich bereits dann erforderlich,\nwenn in Ansehung eines einzelnen Grundstuckseigentumers die Realisierung eines\nVorhaben, das die vorgesehene Planung erheblich stort oder unmoglich macht,\nkonkret droht. Damit wird dieser einzelne Bauwillige nicht besser, wegen der\nAnrechnung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB aber auch nicht schlechter gestellt,\nals die Bauwilligen im kunftigen Planbereich, die ausschließlich von der\nVeranderungssperre und ihren Verlangerung betroffen sind. Ob die Gemeinde die\ngegenuber dem durch eine Zuruckstellung betroffenen Grundstuckseigentumer in\nder beschriebenen Weise erforderliche und daher beschlossene\nVeranderungssperre auch allen ubrigen Grundstuckseigentumern im vorgesehenen\nPlanbereich entgegenhalten kann, oder ob die Veranderungssatzung insofern\nunter Kontrolle zu halten und zu den maßgeblichen Zeitpunkten einer\nÜberprufung zu unterziehen ist, kann offen bleiben, nachdem es auf diese Frage\nim vorliegenden Fall nicht ankommt. \n--- \n| 64 \n--- \n| Bei Anwendung dieser Grundsatze ergibt sich, dass im vorliegenden Fall\nsowohl der Erlass als auch die Verlangerung der Veranderungssperre\nerforderlich waren. Ohne den Erlass und die Verlangerung der\nVeranderungssperre hatte die Klagerin ihr Bauvorhaben realisiert und die\nvorgesehene Planung dadurch unmoglich gemacht. \n--- \n| 65 \n--- \n| Die Bemessung der Frist der zweiten Verlangerung der Veranderungssperre ist\nebenfalls nicht zu beanstanden und fuhrt daher nicht zur Unwirksamkeit. Zwar\nmuss die Verlangerung nicht zwangslaufig ein Jahr betragen. Der\nvoraussichtlich erforderliche Verlangerungszeitraum war im Hinblick auf die\nlaufenden Verhandlungen zwischen der Klagerin und der Beklagten und im\nHinblick auf die noch vorzunehmenden Verfahrensschritte nicht absehbar, so\ndass die Frist von einem Jahr zulassig war. \n--- \n| 66 \n--- \n| Die Veranderungssperre war demnach auch im Zeitraum vom 28.7.2003 bis\n14.4.2004 wirksam und stand dem Vorhaben der Klagerin entgegen. \n--- \n| 67 \n--- \n| 4\\. Eine ausnahmsweise Genehmigung des Vorhabens nach § 14 Abs. 2 BauGB kam\nnicht in Betracht, nachdem dem Vorhaben uberwiegende offentliche Belange,\nnamlich das Interesse der Beklagten an der Durchfuhrbarkeit ihrer Planung,\nentgegenstanden. \n--- \n| 68 \n--- \n| Danach bestand kein Genehmigungsanspruch im Zeitraum vom 28.7.2003 bis\n14.4.2004 \n--- \n| 69 \n--- \n| Aus diesen Grunden war auch der Hilfsantrag abzuweisen. \n--- \n| 70 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Danach tragt die\nKlagerin die Kosten des Verfahrens, weil sie unterliegt. \n--- \n| 71 \n--- \n| Die Berufung wird zugelassen, weil der Rechtsstreit bezuglich der Auslegung\nder §§ 14 ff BauGB rechtsgrundsatzliche Bedeutung hat (vgl. §§ 124a Abs. 1,\n124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Klarung der im Fall aufgeworfenen Fragen ist uber\nden Einzelfall hinaus von Bedeutung und Voraussetzung fur eine effektive\nHandhabung der bauplanungsrechtlichen Sicherungsinstrumente durch die\nBaurechtsbehorden. \n---\n\n
136,934
olgkarl-2006-03-16-20-wf-2806
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
20 WF 28/06
2006-03-16
2019-01-07 12:04:09
2019-02-12 12:39:09
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des\nAmtsgerichts - Familiengericht - Rastatt vom 18. Januar 2006 - 4 F 254/05 -\naufgehoben.\n\nDem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe fur den ersten Rechtszug bewilligt\nund Rechtsanwalt Dr. A. beigeordnet.\n\nDie Partei hat ab 01. April 2006 monatliche Raten von 15 Euro auf die\nProzesskosten an die Landeskasse zu zahlen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Durch den angegriffenen Beschluss hat das Familiengericht den\nProzesskostenhilfeantrag des Antragstellers abgelehnt, weil der Antrag zu\nspat, namlich erst im Schlusstermin gestellt worden sei. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die von dem Antragsteller dagegen eingelegte sofortige Beschwerde ist nach\n§ 127 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO zulassig. Sie ist auch begrundet. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Zivilprozessordnung sieht eine Frist fur ein Prozesskostenhilfegesuch\nnicht vor. Allerdings darf Prozesskostenhilfe nur fur ein bevorstehendes oder\nlaufendes Verfahren bewilligt werden. Jedenfalls muss das\nProzesskostenhilfegesuch vor Abschluss der Instanz eingehen (vgl. OLG\nKarlsruhe, FamRZ 2004, 1217; Zoller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 117 Rn 2 a\nff.). \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Antragsteller hat in dem Termin,\nbei dem es sich um den Haupttermin handelte, in dem auch die Parteien nach §\n613 ZPO angehort worden sind, und damit vor Schluss der mundlichen Verhandlung\nund Verkundung des Endurteils, also vor Abschluss der Instanz, um\nProzesskostenhilfe nebst Anwaltsbeiordnung fur die gemaß § 78 Abs. 2 ZPO im\nAnwaltsprozess zu fuhrende Ehesache nachgesucht. Infolge des wahrend des\nTermins herrschenden Anwaltszwangs steht der Bewilligung der\nProzesskostenhilfe nicht entgegen, dass das Prozesskostenhilfegesuch in einem\nVerfahrensstadium eingereicht worden ist, in dem keine weiteren Kosten mehr\nanfallen konnten (vgl. hierzu Zoller/Philippi, a.a.O., Rn 2 a m.w.N.). Denn\ndie Terminsgebuhr nach Nr. 3104 RVG-Vergutungsverzeichnis entsteht - anders\nals die Verhandlungsgebuhr nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO - bereits mit der\nbloßen vertretungsbereiten Anwesenheit des Rechtsanwalts im stattfindenden\nTermin (vgl. nur Gerold/Schmidt/Muller-Rabe, RVG, 16. Aufl., Vorb. 3 VV Rn 31\nm.H. auf die Gesetzgebungsgeschichte). Die wesentlichen, dem Anwaltszwang\nunterliegenden Verfahrenshandlungen waren jedoch nach dem Aufruf der Ehesache\nvorzunehmen. Anhaltspunkte dafur, dass der Prozesskostenhilfeantrag im Termin\nso spat gestellt worden ist, dass der Antragsteller danach der Hilfe eines\nRechtsanwalts nicht mehr bedurfte (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 1996, 1287), hat\ndas Familiengericht nicht festgestellt und sind auch sonst nicht ersichtlich. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Ratenfestsetzung beruht auf § 115 Abs. 2 ZPO (wird ausgefuhrt). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Eine Kostenentscheidung ist im Beschwerdeverfahren wegen Prozesskostenhilfe\nnicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO). \n--- \n--- \n---\n\n
137,067
lsgbw-2007-04-18-l-3-r-397204
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 3 R 3972/04
2007-04-18
2019-01-07 12:05:41
2019-01-17 11:57:12
Urteil
## Tenor\n\n> Die Berufung der Klagerin wird zuruckgewiesen.\n\n> Kosten sind nicht zu erstatten.\n\n> Die Revision wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Streitig sind der fruhere Beginn und die Hohe einer Altersrente fur\nschwerbehinderte Menschen. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die ... 1942 geborene Klagerin beantragte am 4.1.2002 die Gewahrung einer\nAltersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres (zur\nnaheren Feststellung der Einzelheiten wird auf die Angaben der Klagerin im\nRentenantragsformular, Blatt 1 der Rentenakte, Bezug genommen). Zum Zeitpunkt\nder Rentenantragstellung war bei der Klagerin von der Versorgungsverwaltung\nein Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt (Bescheid vom 26.1.1999).\nÜber den Neufeststellungsantrag der Klagerin vom 27.12.2001 war zum Zeitpunkt\nder Rentenantragstellung noch nicht entschieden (wegen der Einzelheiten vgl.\nAktenteil 26 der Rentenakte). Von dem laufenden Verfahren auf Feststellung der\nSchwerbehinderteneigenschaft machte die Klagerin der Beklagten im Rahmen der\nRentenantragstellung keine Mitteilung. Im Fragebogen zur Prufung der\nVertrauensschutzregelung bei vorzeitigen Altersrenten sowie zum Rentenbeginn\nvom 4.1.2002 verneinte die Klagerin, am 16.11.2000 schwerbehindert gewesen zu\nsein, und bestatigte unterschriftlich u. a., es sei ihr bekannt, unter welchen\nVoraussetzungen eine "Altersrente fur Schwerbehinderte, Berufsunfahige oder\nErwerbsunfahige" in Anspruch genommen werden konne und dass diese Altersrente\nvon der Anhebung der Altersgrenze derzeit nicht betroffen sei (Blatt 2 der\nRentenakte). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Bescheid vom 7.3.2002 gewahrte die Beklagte der Klagerin Altersrente\nfur Frauen ab dem 1.4.2002 unter Berucksichtigung eines Zugangsfaktors fur die\nEntgeltpunkte von 0,919 (zur naheren Feststellung der Einzelheiten wird auf\nBlatt 21 der Rentenakte Bezug genommen). \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Nachdem bei der Klagerin zwischenzeitlich mit Bescheid des Versorgungsamts\nRottweil vom 6.12.2002 ein GdB von 50 seit dem 27.12.2001 und mit Bescheid vom\n13.2.2003 ein GdB von 50 bereits ab dem 1.4.1998 festgestellt worden war,\nmachte die Klagerin anlasslich einer personlichen Vorsprache am 17.2.2003 der\nBeklagten hieruber Mitteilung (Blatt 14 der Rentenakte). \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Bescheid vom 26.2.2003 gewahrte die Beklagte der Klagerin auf Antrag\nvom 17.2.2003 Altersrente fur schwerbehinderte Menschen ab dem 1.2.2003 unter\nBerucksichtigung der Vertrauensschutzregelung des § 236a Satz 5 Nr. 1 Sechstes\nBuch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und eines Zugangsfaktors fur die Entgeltpunkte\nvon 0,970 (zur naheren Feststellung der Einzelheiten wird auf den\nRentenbescheid, Aktenteil 19 der Rentenakte, Bezug genommen; zur\nVertrauensschutzregelung und zum Zugangsfaktor vgl. Aktenteil 20 und Anlage 6\nzum Rentenbescheid). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Dagegen erhob die Klagerin am 24.3.2003 Widerspruch, mit welchem sie unter\nHinweis auf die ruckwirkende Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft\nbereits zum 1.4.1998 die Gewahrung der Altersrente fur schwerbehinderte\nMenschen schon ab dem 1.4.2002 unter Berucksichtigung der\nVertrauensschutzregelung und mit dem Zugangsfaktor 1 begehrte. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 27.6.2003 wies die Beklagte den Widerspruch\nzuruck. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Dagegen hat die Klagerin am 23.7.2003 anlasslich einer personlichen\nVorsprache bei der Beklagten Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben,\nmit der sie ihr Begehren weiterverfolgt hat. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Das SG hat die Klage aufgrund der mundlichen Verhandlung vom 26.7.2004\ndurch Urteil vom selben Tag abgewiesen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Es hat unter Darstellung der hier maßgebenden Rechtsvorschriften (§§ 89, 99\nund 115 SGB VI) im Wesentlichen zur Begrundung ausgefuhrt, dass ein fruherer\nBeginn der Altersrente fur schwerbehinderte Menschen daran scheitere, dass die\nKlagerin die Gewahrung einer solchen Rente erst am 17.2.2003 und nicht bereits\nam 4.1.2002 beantragt habe. Denn die verschiedenen Renten wegen Alters seien\njeweils als eigenstandige Rentenanspruche ausgestaltet und ein Zusammentreffen\nverschiedener Anspruche auf Altersrente trete nur dann ein, wenn die\njeweiligen Renten beantragt worden seien. Der Antrag musse sich dabei auf die\njeweilige Rentenart erstrecken bzw. durfe sich nicht auf eine bestimmte\nRentenart beschranken, was durch Auslegung zu ermitteln sei. Bei der Auslegung\nsei davon auszugehen, dass der Wille des Rentenantragstellers in der Regel\nganz allgemein dahingehe, eine Rente aus "seiner Rentenversicherung", und zwar\ndie fur ihn gunstigste Rente zu erhalten, soweit dies im Einzelfall nicht mit\nsonstigen Nachteilen fur ihn verbunden sei. Es reiche zwar, wenn zum Beispiel\nein formblattmaßig gestellter Antrag dahingehend ausgelegt werden konne, dass\ner nicht nur auf eine bestimmte Rente beschrankt sei. Ein Anspruch auf mehrere\nRenten bestehe aber nicht, wenn der Antrag auf eine Rentenart beschrankt\nworden sei. Vorliegend habe sich der Rentenantrag der Klagerin vom 4.1.2002\nauf die Gewahrung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des\n60. Lebensjahres beschrankt. Ein Anspruch auf Gewahrung einer Altersrente fur\nschwerbehinderte Menschen ab dem 1.4.2002 sei damit nicht entstanden, ein\nsolcher Anspruch treffe also nicht mit dem Anspruch auf Altersrente fur Frauen\nzusammen. Die Beklagte sei nicht zur Überwachung der Frage verpflichtet\ngewesen, ob und ggf. ab wann ein hoherer Rentenanspruch entstanden sei. Auf\ndie Entscheidungsgrunde im Übrigen wird Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Gegen das ihr am 9.9.2004 zugestellte Urteil hat die Klagerin am 13.9.2004\nBerufung eingelegt, mit welcher sie den Anspruch auf Gewahrung einer\nAltersrente fur schwerbehinderte Menschen ab dem 1.4.2002 weiterverfolgt. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. Juli 2004 aufzuheben und\ndie Beklagte unter Abanderung des Bescheides vom 26. Februar 2003 in der\nGestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2003 zu verurteilen, ihr\n(hohere) Altersrente fur schwerbehinderte Menschen bereits ab dem 1. April\n2002 zu gewahren, \n--- \n| 14 \n--- \n| hilfsweise, die Revision zuzulassen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Sie halt die angegriffene Entscheidung fur zutreffend. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des\nBeteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszuge und die\nRentenakten der Beklagten Bezug genommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 19 \n--- \n| Die Berufung der Klagerin ist zulassig, in der Sache jedoch nicht\nbegrundet. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Klagerin hat keinen Anspruch auf Gewahrung von (hoherer) Altersrente\nfur schwerbehinderte Menschen bereits ab dem 1.4.2002. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Senat weist die Berufung im Wesentlichen bereits aus den Grunden der\nangefochtenen Entscheidung als unbegrundet zuruck und sieht deshalb insoweit\nvon einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgrunde ab (§ 153 Abs. 2\nSozialgerichtsgesetz (SGG)). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Auch wenn die Klagerin bereits zum 1.4.2002 sowohl die Voraussetzungen\neiner Altersrente fur Frauen als auch - wegen der ruckwirkenden GdB-\nFeststellung - einer solchen fur schwerbehinderte Menschen erfullte, hatte sie\nfur die Zeit ab dem 1.4.2002 lediglich Anspruch auf Gewahrung von Altersrente\nfur Frauen. Fur die Zeit ab dem 1.4.2002 bestand daneben kein Anspruch auf\neine Altersrente fur schwerbehinderte Menschen und damit fur den selben\nZeitraum nicht Anspruch auf mehrere Renten i. S. von § 89 Abs. 1 SGB VI. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Das Bestehen eines Anspruchs auf mehrere Renten nach dieser Vorschrift\nsetzt nicht nur das Vorliegen der jeweiligen besonderen\nversicherungsrechtlichen und personlichen Voraussetzungen voraus (Stammrecht),\nsondern auch das Bestehen von aus dem Stammrecht ableitbaren Einzelanspruchen\nauf Zahlung, was wiederum voraussetzt, dass nicht nur die materiell-\nrechtlichen Voraussetzungen erfullt sein mussen, sondern auch wirksame Antrage\nauf die jeweiligen Renten gestellt sein mussen (KassKomm-Niesel, Rdnr. 4 zu §\n89 SGB VI). An einem solchen Antrag auf Gewahrung einer Altersrente fur\nschwerbehinderte Menschen fehlt es hier aus den vom SG im Einzelnen zutreffend\ndargelegten Grunden. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Klagerin hat auch nach Auffassung des Senats ihren Rentenantrag vom\n4.1.2002 ausdrucklich durch entsprechendes Ankreuzen auf die Gewahrung einer\nAltersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres\nbeschrankt. Es bestand fur sie zum Zeitpunkt der Stellung dieses Rentenantrags\nauch keine Veranlassung, eine Altersrente fur schwerbehinderte Menschen zu\nbeantragen, weil bei ihr zum Zeitpunkt dieser Rentenantragstellung die\nSchwerbehinderteneigenschaft nicht festgestellt war. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Etwas anderes ergibt sich nach Auffassung des Senats auch nicht aus dem\nUmstand, dass bereits zum Zeitpunkt der Stellung des Rentenantrags vom\n4.1.2002 ein auf die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft gerichtetes\nNeufeststellungsverfahren - allerdings mit offenem Ausgang - anhangig gewesen\nist. Insbesondere kann die Klagerin aus diesem Umstand auch nicht unter dem\nGesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Rechte fur sich\nherleiten. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Das richterrechtliche Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs\nsetzt auf seiner Tatbestandseite voraus, dass der Versicherungstrager eine ihm\nentweder auf Grund Gesetzes oder auf Grund eines bestehenden\nSozialrechtsverhaltnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und\nBeratung sowie zu einer dem konkreten Anlass entsprechenden "verstandnisvollen\nForderung", verletzt und dadurch dem Versicherten einen rechtlichen Nachteil\nzugefugt hat (BSG SozR 2100 § 27 Nr. 2, Seite 4). Diese - letztlich auf dem\nGrundsatz von Treu und Glauben beruhenden - Pflichten sind verletzt, wenn sie\n- obwohl ein konkreter Anlass zu den genannten Dienstleistungen bestanden hat\n- nicht oder nur unzureichend erfullt worden sind (BSG SozR 1200 § 14 Nr. 15\nSeite 26). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Ein konkreter Anlass fur die Beklagte, die Klagerin auf die Moglichkeit der\nStellung eines Antrags auch auf Gewahrung einer Altersrente fur\nschwerbehinderte Menschen hinzuweisen, hatte nach Auffassung des Senats hier\nzumindest vorausgesetzt, dass die Klagerin die Beklagte uber das laufende\nNeufeststellungsverfahren bei der Versorgungsverwaltung informiert hatte.\nNachdem die Klagerin dies - ubrigens trotz entsprechender formularmaßiger\nHinweise im Fragebogen zur Prufung der Vertrauensschutzregelung bei\nvorzeitigen Altersrenten sowie zum Rentenbeginn (dort auch unter der Rubrik\n"Erklarung der Rentenantragstellerin/des Rentenantragstellers") - unterlassen\nhatte, lag fur die Beklagte ein entsprechender Hinweis nicht nahe. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Zu den von der Klagerin im Berufungsverfahren im Wesentlichen noch\nvorgebrachten Gesichtspunkten ist aus der Sicht des Senats zunachst\nfestzustellen, dass die Beklagte das anlasslich der personlichen Vorsprache\nder Klagerin am 17.2.2003 gemachte Vorbringen zu Recht nicht als Antrag auf\nDurchfuhrung eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch\n(SGB X), sondern als Antrag auf Umwandlung der Altersrente fur Frauen in eine\nsolche fur schwerbehinderte Menschen gewertet und entsprechend verbeschieden\nhat. Jedenfalls fehlt es damit an einer Zugunstenentscheidung der Beklagten,\neine solche kann damit auch nicht Gegenstand dieses Verfahrens sein. Mangels\neines entsprechenden Rentenantrags der Klagerin durfte ein solches\nZugunstenverfahrens im Übrigen auch keinen Erfolg versprechen, denn der\nBescheid vom 7.3.2002 uber die Gewahrung einer Altersrente fur Frauen ist\nnicht rechtswidrig. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Klagerin ist auch nicht darin zu folgen, dass das SGB VI keine\nverschiedenartigen Rechte auf Renten wegen Alters eingefuhrt habe und damit\nein Antrag auf Altersrente nicht auf eine bestimmte Rentenart beschrankt sei\nbzw. beschrankt werden konne. Vielmehr wurde mit der Änderung durch das\nRentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz durch den Gesetzgeber gerade\nnochmals klargestellt, dass es auch unterschiedliche, nebeneinander bestehende\nRenten wegen Alters gibt, auf die jeweils ein Anspruch bestehen kann. Anlass\nfur diese Klarstellung war gerade die vom 4. Senat des BSG vertretene\nabweichende Auffassung, auf die sich vorliegend auch die Klagerin berufen hat\n(Lehr- und Praxiskommentar zum SGB VI, Rdnr. 5 zu § 89). Aus der Anerkennung\nunterschiedlicher, nebeneinander bestehender Renten wegen Alters folgt, dass\nAntrage auf eine bestimmte Rentenart beschrankt sein konnen (vgl. hierzu\nKassKomm-Niesel, Rdnr. 5 zu § 89 SGB VI). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Zwar besteht im Rahmen von § 89 SGB VI ein freies Wahlrecht des\nVersicherten (KassKomm-Niesel, Rdnr. 8 zu § 89 SGB VI), die Ausubung dieses\nWahlrechts setzt aber voraus, dass fur den selben Zeitraum Anspruche auf\nmehrere Renten aus eigener Versicherung bestehen, was vorliegend aus den oben\ndargestellten Grunden mangels Antragstellung und damit mangels eines sich aus\ndem Stammrecht ableitenden Einzelanspruchs auf Zahlung einer Altersrente fur\nschwerbehinderte Menschen nicht der Fall ist. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Anhaltspunkte dafur, dass die Beklagte die Altersrente fur schwerbehinderte\nMenschen ausgehend von einem zutreffenden Rentenbeginn am 1.2.2003 (§ 99 SGB\nVI) unrichtig berechnet hatte, sind weder ersichtlich noch mit der Berufung\nvorgetragen. Hinsichtlich der Ermittlung des Zugangsfaktors fur die\nAltersrente fur schwerbehinderte Menschen nimmt der Senat auf die Ausfuhrungen\nim Widerspruchsbescheid und hinsichtlich der Umsetzung der\nVertrauensschutzregelung auf das Ergebnis der Prufung im Widerspruchsverfahren\n(Aktenteil 20 der Rentenakte) Bezug. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Revision wird wegen grundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache\nzugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 19 \n--- \n| Die Berufung der Klagerin ist zulassig, in der Sache jedoch nicht\nbegrundet. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Klagerin hat keinen Anspruch auf Gewahrung von (hoherer) Altersrente\nfur schwerbehinderte Menschen bereits ab dem 1.4.2002. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Senat weist die Berufung im Wesentlichen bereits aus den Grunden der\nangefochtenen Entscheidung als unbegrundet zuruck und sieht deshalb insoweit\nvon einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgrunde ab (§ 153 Abs. 2\nSozialgerichtsgesetz (SGG)). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Auch wenn die Klagerin bereits zum 1.4.2002 sowohl die Voraussetzungen\neiner Altersrente fur Frauen als auch - wegen der ruckwirkenden GdB-\nFeststellung - einer solchen fur schwerbehinderte Menschen erfullte, hatte sie\nfur die Zeit ab dem 1.4.2002 lediglich Anspruch auf Gewahrung von Altersrente\nfur Frauen. Fur die Zeit ab dem 1.4.2002 bestand daneben kein Anspruch auf\neine Altersrente fur schwerbehinderte Menschen und damit fur den selben\nZeitraum nicht Anspruch auf mehrere Renten i. S. von § 89 Abs. 1 SGB VI. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Das Bestehen eines Anspruchs auf mehrere Renten nach dieser Vorschrift\nsetzt nicht nur das Vorliegen der jeweiligen besonderen\nversicherungsrechtlichen und personlichen Voraussetzungen voraus (Stammrecht),\nsondern auch das Bestehen von aus dem Stammrecht ableitbaren Einzelanspruchen\nauf Zahlung, was wiederum voraussetzt, dass nicht nur die materiell-\nrechtlichen Voraussetzungen erfullt sein mussen, sondern auch wirksame Antrage\nauf die jeweiligen Renten gestellt sein mussen (KassKomm-Niesel, Rdnr. 4 zu §\n89 SGB VI). An einem solchen Antrag auf Gewahrung einer Altersrente fur\nschwerbehinderte Menschen fehlt es hier aus den vom SG im Einzelnen zutreffend\ndargelegten Grunden. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Klagerin hat auch nach Auffassung des Senats ihren Rentenantrag vom\n4.1.2002 ausdrucklich durch entsprechendes Ankreuzen auf die Gewahrung einer\nAltersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres\nbeschrankt. Es bestand fur sie zum Zeitpunkt der Stellung dieses Rentenantrags\nauch keine Veranlassung, eine Altersrente fur schwerbehinderte Menschen zu\nbeantragen, weil bei ihr zum Zeitpunkt dieser Rentenantragstellung die\nSchwerbehinderteneigenschaft nicht festgestellt war. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Etwas anderes ergibt sich nach Auffassung des Senats auch nicht aus dem\nUmstand, dass bereits zum Zeitpunkt der Stellung des Rentenantrags vom\n4.1.2002 ein auf die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft gerichtetes\nNeufeststellungsverfahren - allerdings mit offenem Ausgang - anhangig gewesen\nist. Insbesondere kann die Klagerin aus diesem Umstand auch nicht unter dem\nGesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs Rechte fur sich\nherleiten. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Das richterrechtliche Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs\nsetzt auf seiner Tatbestandseite voraus, dass der Versicherungstrager eine ihm\nentweder auf Grund Gesetzes oder auf Grund eines bestehenden\nSozialrechtsverhaltnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und\nBeratung sowie zu einer dem konkreten Anlass entsprechenden "verstandnisvollen\nForderung", verletzt und dadurch dem Versicherten einen rechtlichen Nachteil\nzugefugt hat (BSG SozR 2100 § 27 Nr. 2, Seite 4). Diese - letztlich auf dem\nGrundsatz von Treu und Glauben beruhenden - Pflichten sind verletzt, wenn sie\n- obwohl ein konkreter Anlass zu den genannten Dienstleistungen bestanden hat\n- nicht oder nur unzureichend erfullt worden sind (BSG SozR 1200 § 14 Nr. 15\nSeite 26). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Ein konkreter Anlass fur die Beklagte, die Klagerin auf die Moglichkeit der\nStellung eines Antrags auch auf Gewahrung einer Altersrente fur\nschwerbehinderte Menschen hinzuweisen, hatte nach Auffassung des Senats hier\nzumindest vorausgesetzt, dass die Klagerin die Beklagte uber das laufende\nNeufeststellungsverfahren bei der Versorgungsverwaltung informiert hatte.\nNachdem die Klagerin dies - ubrigens trotz entsprechender formularmaßiger\nHinweise im Fragebogen zur Prufung der Vertrauensschutzregelung bei\nvorzeitigen Altersrenten sowie zum Rentenbeginn (dort auch unter der Rubrik\n"Erklarung der Rentenantragstellerin/des Rentenantragstellers") - unterlassen\nhatte, lag fur die Beklagte ein entsprechender Hinweis nicht nahe. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Zu den von der Klagerin im Berufungsverfahren im Wesentlichen noch\nvorgebrachten Gesichtspunkten ist aus der Sicht des Senats zunachst\nfestzustellen, dass die Beklagte das anlasslich der personlichen Vorsprache\nder Klagerin am 17.2.2003 gemachte Vorbringen zu Recht nicht als Antrag auf\nDurchfuhrung eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch\n(SGB X), sondern als Antrag auf Umwandlung der Altersrente fur Frauen in eine\nsolche fur schwerbehinderte Menschen gewertet und entsprechend verbeschieden\nhat. Jedenfalls fehlt es damit an einer Zugunstenentscheidung der Beklagten,\neine solche kann damit auch nicht Gegenstand dieses Verfahrens sein. Mangels\neines entsprechenden Rentenantrags der Klagerin durfte ein solches\nZugunstenverfahrens im Übrigen auch keinen Erfolg versprechen, denn der\nBescheid vom 7.3.2002 uber die Gewahrung einer Altersrente fur Frauen ist\nnicht rechtswidrig. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Klagerin ist auch nicht darin zu folgen, dass das SGB VI keine\nverschiedenartigen Rechte auf Renten wegen Alters eingefuhrt habe und damit\nein Antrag auf Altersrente nicht auf eine bestimmte Rentenart beschrankt sei\nbzw. beschrankt werden konne. Vielmehr wurde mit der Änderung durch das\nRentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz durch den Gesetzgeber gerade\nnochmals klargestellt, dass es auch unterschiedliche, nebeneinander bestehende\nRenten wegen Alters gibt, auf die jeweils ein Anspruch bestehen kann. Anlass\nfur diese Klarstellung war gerade die vom 4. Senat des BSG vertretene\nabweichende Auffassung, auf die sich vorliegend auch die Klagerin berufen hat\n(Lehr- und Praxiskommentar zum SGB VI, Rdnr. 5 zu § 89). Aus der Anerkennung\nunterschiedlicher, nebeneinander bestehender Renten wegen Alters folgt, dass\nAntrage auf eine bestimmte Rentenart beschrankt sein konnen (vgl. hierzu\nKassKomm-Niesel, Rdnr. 5 zu § 89 SGB VI). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Zwar besteht im Rahmen von § 89 SGB VI ein freies Wahlrecht des\nVersicherten (KassKomm-Niesel, Rdnr. 8 zu § 89 SGB VI), die Ausubung dieses\nWahlrechts setzt aber voraus, dass fur den selben Zeitraum Anspruche auf\nmehrere Renten aus eigener Versicherung bestehen, was vorliegend aus den oben\ndargestellten Grunden mangels Antragstellung und damit mangels eines sich aus\ndem Stammrecht ableitenden Einzelanspruchs auf Zahlung einer Altersrente fur\nschwerbehinderte Menschen nicht der Fall ist. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Anhaltspunkte dafur, dass die Beklagte die Altersrente fur schwerbehinderte\nMenschen ausgehend von einem zutreffenden Rentenbeginn am 1.2.2003 (§ 99 SGB\nVI) unrichtig berechnet hatte, sind weder ersichtlich noch mit der Berufung\nvorgetragen. Hinsichtlich der Ermittlung des Zugangsfaktors fur die\nAltersrente fur schwerbehinderte Menschen nimmt der Senat auf die Ausfuhrungen\nim Widerspruchsbescheid und hinsichtlich der Umsetzung der\nVertrauensschutzregelung auf das Ergebnis der Prufung im Widerspruchsverfahren\n(Aktenteil 20 der Rentenakte) Bezug. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Revision wird wegen grundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache\nzugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). \n---\n\n
137,155
vghbw-2008-04-23-13-s-78308
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
13 S 783/08
2008-04-23
2019-01-07 12:06:36
2019-01-17 11:57:18
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die Beschwerde des Klagers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts\nStuttgart vom 28. Februar 2008 - 6 K 6141/07 - geandert; dem Klager wird fur\ndas Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Prozesskostenhilfe bewilligt und\nRechtsanwalt ... beigeordnet.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die zulassige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde hat sachlich\nErfolg; die Voraussetzungen der §§ 166 VwGO, 114 ZPO liegen vor, so dass dem\nKlager die beantragte Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines\nProzessbevollmachtigten zu bewilligen war. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO ist einer Partei, die nach ihren\npersonlichen und wirtschaftlichen Verhaltnissen die Kosten der Prozessfuhrung\nnicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu gewahren, wenn die beabsichtigte\nRechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussicht bietet und auch nicht mutwillig\nerscheint. Die personlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen fur die\nGewahrung von Prozesskostenhilfe liegen nach den von dem Klager vorgelegten\nUnterlagen (vgl. §§ 115, 117 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 166 VwGO) vor. Die\nbeabsichtigte Rechtsverfolgung weist aber auch die erforderliche\nErfolgsaussicht auf. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung der Obergerichte und insbesondere des\nBundesverfassungsgerichts genugt es fur die Bejahung hinreichender\nErfolgsaussicht, wenn sich der Ausgang des Verfahrens als offen darstellt\n(siehe dazu BVerfG, Beschlusse vom 5.2.2003 - 1 BvR 1526/02 -, NJW 2003, 2976;\nvom 13.7.2005 - 1 BvR 1041/05 -, NVwZ 2005, 1418 und vom 14.6.2006 - 2 BvR\n626/06 -, InfAuslR 2006, 377; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 26.2.2007 - 1\nBvR 474/05 -, NVwZ-RR 2007, 361). \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Bei Zugrundelegung dieser Grundsatze kann jedenfalls eine fur das\nProzesskostenhilferecht ausreichende Erfolgsaussicht der Klage nicht verneint\nwerden. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die hinreichende Erfolgsaussicht hat das Verwaltungsgericht verneint, weil\nes von einer auch im Weg der Wiedereinsetzung nicht korrigierbaren verspateten\nWiderspruchseinlegung des Klagers gegen die offentlich zugestellte Verfugung\nder Beklagten vom 04.07.2007 ausgegangen ist. Zu den hier ohnehin nicht\neinfach gelagerten (und daher die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht\nausschließenden) Begrundetheitsfragen außert sich das Verwaltungsgericht - von\nseinem Standpunkt aus konsequent - nicht. Anders als das Verwaltungsgericht\nist der Senat jedoch der Auffassung, dass im vorliegenden Fall nicht ohne\nweiteres von der Unzulassigkeit der Klage ausgegangen werden kann, so dass dem\nKlager die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht nach den Kriterien des § 114\nZPO i.V.m. § 166 VwGO zu verwehren ist. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Senat kann dabei offen lassen, ob die Behorde bei der Anordnung der\noffentlichen Zustellung der Verfugung nach § 11 Abs. 1 LVwZG zu Recht davon\nausgegangen ist, der Aufenthalt des Klagers als Empfanger sei (dauerhaft)\nunbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder\nZustellungsbevollmachtigten sei nicht moglich. Auch insoweit sind allerdings\nZweifel angebracht. So kann etwa ein postalischer Vermerk „unbekannt verzogen"\nu.U. ein Hinweis auf (lediglich) vorubergehende Unerreichbarkeit sein, der\nweitere Aufklarungsmaßnahmen erforderlich macht (vgl. dazu Sadler, VwVG-VwZG,\n2006, Rn. 4 zu § 10 m.w.N.). Es ist anerkannt, dass die der Behorde bei der\nAnordnung der offentlichen Zustellung obliegenden besonderen Nachforschungs-\nund Aufklarungspflichten auch im auslanderrechtlichen Verfahren trotz der dort\nnormierten Mitwirkungspflichten des Auslanders nicht herabgesetzt sind (siehe\ndazu OVG Hamburg, Beschluss vom 10.10.2000 - 3 Bs 2089/00 -, InfAuslR 2001,\n136 und Hess. VGH, Beschluss vom 24.04.2001 - 9 TG 844/01 -, AuAS 2001, 162).\nUnabhangig von der Frage der Aufklarbarkeit des klagerischen Aufenthalts im\nSinn des § 11 Abs. 1 LVwZG kommt die Annahme der Zulassigkeit der Klage auch\ndeswegen in Betracht, weil der noch wahrend des Laufs einer Widerspruchsfrist\ndurch den Prozessbevollmachtigten des Klagers gestellte Antrag auf Erteilung\neiner Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 und 5 AufenthG nach § 70 VwGO u.U.\nals Widerspruch gegen die offentlich zugestellte Verfugung vom 04.07.2007\n(Widerruf der dem Klager zuvor erteilten Aufenthaltserlaubnis) ausgelegt\nwerden kann. Diese Verfugung ist namlich (u.a.) damit begrundet worden, dem\nKlager konne eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 und Abs. 5 AufenthG\n(und auch nach anderen Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes) nicht erteilt\nwerden, und das Schreiben des Prozessbevollmachtigten vom 14.08.2007 -\neingegangen am 21.08.2007 -enthalt gerade zu diesem Punkt gegenteilige\nRechtsausfuhrungen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Selbst wenn jedoch der Aufenthaltserlaubnisantrag des Klagers vom 14.8.2007\nnicht als (noch rechtzeitiger) Widerspruch gegen den Widerruf der fruheren\nAufenthaltserlaubnis ausgelegt werden konnte, ist jedenfalls\nprozesskostenhilferechtlich der Wiedereinsetzungsantrag des Klagers nach §§ 70\nAbs. 2, 60 Abs. 1 VwGO nicht ohne Erfolgsaussicht. Eine offentliche Zustellung\nist namlich von der Behorde auch nach ihrer Anordnung noch „unter Kontrolle zu\nhalten". So ist z.B. anerkannt, dass die Behorde an einer offentlichen\nZustellung nicht (mehr) festhalten darf, wenn wahrend der Bekanntmachungsfrist\nder Aufenthaltsort des Betroffenen bekannt wird (s. Sadler a.a.O. Rn. 28 f. zu\n§ 10 m.w.N. aus der Rechtsprechung; Engelhardt/App, VwVG-VwZG, 2006, Rn. 16 zu\n§ 10). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Verwaltungsakten, dass der\nBehorde am 22.08.2007 die neue Anschrift des Klagers bekannt war (AS 54) und\ndass bereits einen Tag vorher ein mit Vollmacht versehenes Anwaltsschreiben\neingegangen war, in dem ausdrucklich ein Aufenthaltserlaubnisanspruch des\nKlagers geltend gemacht wurde. Diese Daten liegen zwar erst nach dem Ablauf\nder Aushangfrist, so dass die Zustellung als solche bereits bewirkt war\n(Sadler a.a.O. Rn. 30); die bei einer rechtmaßigen offentlichen Zustellung\nausgeloste Widerspruchsfrist (Zustellungsfiktion am 24.07.2007) war zu diesem\nZeitpunkt aber noch nicht abgelaufen. Das spricht dafur, im vorliegenden Fall\ndem Klager Wiedereinsetzung zu gewahren (vgl. in diesem Sinn auch das Mail des\nRP Stuttgart an die Auslanderbehorde vom 04.01.2008, RP-AS 9). Zu Recht weist\nder Prozessbevollmachtigte des Klagers in der Beschwerdebegrundung darauf hin,\ndass es sich im vorliegenden Fall aufgedrangt hatte, seinen mit entsprechender\nVollmacht versehenen Schriftsatz vom 14.08.2007 zum Anlass zu nehmen, ihn\nselbst auf die wegen der offentlichen Zustellung noch wenige Tage laufende\nWiderspruchsfrist besonders hinzuweisen. Auch in auslanderrechtlichen\nVerfahren mit ihren besonderen Beteiligungserfordernissen (§ 82 AufenthG)\nobliegt es der Behorde nach allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatzen, in\ngeeigneter Weise auf die Abgabe von Erklarungen, die Stellung von Antragen\noder sonst gebotene oder rechtlich sich aufdrangende Verfahrenshandlungen\nhinzuwirken (siehe § 25 Satz 1 LVwVfG); es soll vermieden werden, dass durch\nUnkenntnis des Betroffenen ein Rechtsverlust eintritt (vgl. BVerwG, Urteil vom\n22.10.1993 - 6 C 10/92 -, NVwZ 1994, 577). Dem Klager ist zwar zuzurechnen,\ndass er eine offentliche Zustellung durch fehlende Ummeldung bzw. Mitteilung\nan die Behorde veranlasst hat; gleichwohl bestand jedoch jedenfalls nach dem\nEingang der Anwaltsschreibens vom 14.8.2007 aus Grunden des fairen Verfahrens\n(s. Art. 20 Abs. 3 GG; BVerfG, Beschluss vom 27.12.2006 - 2 BvR 803/05 -, NVwZ\n2007, 807; BVerwG, Urteil vom 14.3.2007 - 2 WD 3/06 -, NJW 2007, 2936; OVG\nMunster, Beschluss vom 29.9.2007 - 13 A 4479/02 -, NVwZ-RR 2005, 449 m.w.N.)\nAnlass zu einem - z.B. telefonischen - Hinweis auf die zuvor bereits erfolgte\noffentliche Zustellung, weil die Widerspruchsfrist noch lief und die\noffentliche Zustellung von Verfugungen lediglich eine Zustellungsfiktion\nbewirkt. Im vorliegenden Fall war zudem offensichtlich, dass die offentliche\nZustellung der Verfugung dem bis dahin nicht am Verfahren beteiligten\nProzessbevollmachtigten (ebenso wie dem Klager selbst) unbekannt geblieben war\nund dass der Klager nach wie vor einen Aufenthaltserlaubnisanspruch geltend\nmachen wollte. Im Rahmen des § 60 Abs. 1 VwGO kann eine behordliche\nMitverantwortung am Fristablauf berucksichtigt werden (s. OVG Munster a.a.O.). \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Beiordnung des Prozessbevollmachtigten folgte aus § 121 Abs. 2 ZPO\ni.V.m. § 166 VwGO. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Einer Kostenentscheidung und der Festsetzung eines Streitwerts bedarf es\nnicht. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). \n---\n\n
138,434
vg-stuttgart-2007-04-25-17-k-39106
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
17 K 391/06
2007-04-25
2019-01-07 14:01:39
2019-01-17 11:58:37
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager, Beamter des beklagten Landes ist seit 06.10.1989 Schulleiter\nder Grundschule W. in Sch.. Aufgrund der damaligen Schulerzahlen wurde er in\ndie Besoldungsgruppe A 12 plus Amtszulage (Lehrer als Leiter einer\nGrundschule, Hauptschule oder Grund- und Hauptschule mit bis zu 80 Schulern)\neingruppiert. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager beantragte erstmals im Februar 1996 unter Berufung auf die\nEntwicklung der Schulerzahlen die Eingruppierung seiner Stelle in die\nBesoldungsgruppe A 13. Diesen Antrag wiederholte der Klager im Marz 1998. Nach\neinem Aktenvermerk des Oberschulamts Stuttgart vom 01.07.1999 wurde die\nSchulleiterstelle der Grundschule in W. in Sch. zum 01.01.1998 in die\nBesoldungsgruppe A 13 gehoben. Die beamtenrechtliche Maßnahme konne nach\nAblauf der Stellenbesetzungs- und Haushaltssperre zum 01.07.1999 vollzogen\nwerden. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Schreiben vom 21.12.1999 teilte das damalige Oberschulamt dem Klager\nmit, nach der nun vorliegenden Hochrechnung der Schulerzahlen vom 03.11.1999\nwerde die fur die Einweisung in eine entsprechende Planstelle vorgegebene\nAnforderung von mehr als 80 Schulern mit Beginn des Schuljahres 2001/02 nicht\nmehr erfullt. Im Schuljahr 1999/2000 seien wider Erwarten nur 12 Schuler\neingeschult worden, weshalb die Gesamtschulerzahl die Grenze von 80 Schulern\nnicht uberschritten habe. Auch in den kommenden Jahren wurden voraussichtlich\nweniger Schuler eingeschult werden, als zunachst erwartet. Die\nGesamtschulerzahl werde daher die Grenze von 80 Schulern langfristig nicht\nmehr ubersteigen. Eine Ernennung zum Rektor in Besoldungsgruppe A 13 sei somit\nleider nicht moglich. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Schreiben vom 27.09.2004 beantragte der Klager erneut die Hebung der\nSchulleiterstelle an der Grundschule W. und damit die Übertragung eines Amtes\nder Besoldungsgruppe A 13 mit der Begrundung, seine Grundschule habe seit 10\nSchuljahren in Folge 80 Schuler und mehr gehabt. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Schreiben vom 09.11.2004 teilte das damalige Oberschulamt dem Klager\nmit, es sei auf seine Anfrage hin eine Hochrechnung der Schulerzahlen zur\nGrundschule W. angefertigt worden. Danach sei die Gesamtschulerzahl der Schule\ndes Klagers tendenziell rucklaufig und werde voraussichtlich ab dem Schuljahr\n2006/2007 unter die Grenze von 80 Schulern sinken. Das Bundesbesoldungsgesetz\nverlange fur die Übertragung eines Amts der Besoldungsgruppe A 13 an Rektoren\neine Anzahl von mehr als 80 Schulern. Die Vorbemerkung 3 zur\nLandesbesoldungsordnung verlange zusatzlich, dass vor einer entsprechenden\nAmtsubertragung die maßgebliche Schulerzahl bereits ein Jahr vorgelegen haben\nmusse und mit hinlanglicher Sicherheit feststellbar sei, dass dieser\nsogenannte „Schwellenwert" fur mindestens zwei weitere Jahre uberschritten\nsein werde. Diese Voraussetzungen lagen nach den Schulerzahlen der jeweiligen\namtlichen Schulstatistik nicht vor. Nach der amtlichen Schulstatistik habe die\nSchule im Schuljahr 2001/2002 83 Schuler, im Schuljahr 2002/2003 79 Schuler\ngehabt. Aus der beigefugten Hochrechnung der voraussichtlichen Schulerzahlen\nan der Grundschule W. in Sch. ergeben sich fur das Schuljahr 2004/2005 85, fur\ndas Schuljahr 2005/2006 83, das Schuljahr 2006/2007 79, fur das Schuljahr\n2007/2008 74 und fur das Schuljahr 2008/2009 65 Schuler. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Anwaltsschreiben vom 02.11.2005 ließ der Klager gegen das Schreiben des\nehemaligen Oberschulamts Stuttgart vom 09.11.2004 Widerspruch einlegen. Der\nWiderspruch wurde wie folgt begrundet: Der Klager werde seit mehreren Jahren\nimmer wieder dahingehend vertrostet, dass eine Beforderung deshalb\nunterbleibe, weil die tatsachlichen Prognosezahlen unter dem Schwellenwert von\n80 Schulern pro Schuljahr lagen. Tatsachlich habe sich aber auch im Jahre 2005\nan der Grundschule W. nunmehr eine Schulerzahl von 88 Schulern ergeben. Allein\nin der Klassenstufe 1 und 2 seien dabei 23 bzw. 24 Schuler gemeldet.\nUnterstelle man daher die Richtigkeit der Prognose fur das Schuljahr\n2006/2007, so betrage die Schulerzahl dabei immer noch uber 80. Des Weiteren\nsei dies auch noch so im Jahre 2007/2008, ausgehend von den hohen\nSchulerzahlen in diesem Jahr. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Das Regierungsprasidium Stuttgart wies den Widerspruch mit\nWiderspruchsbescheid vom 01.12.2005 zuruck. Zur Begrundung fuhrte es im\nWesentlichen aus: Das Bundesbesoldungsgesetz verlange fur die Übertragung\neines Amts der Besoldungsgruppe A 13 an Rektoren eine Anzahl von mehr als 80\nSchulern, also mindestens 81 Schuler. Die nach Eingang des Antrags des Klagers\nauf Übertragung eines Amts der Besoldungsgruppe A 13 erstellte Hochrechnung\nvom 21.10.2004 weise fur das Schuljahr 2004/2005 85 Schuler aus. Ausgehend vom\ndamaligen Schuljahr 2004/05 hatten daher fur die nach der Nr. 3 der\nVorbemerkungen zu den Landesbesoldungsordnungen A, B und R erforderliche\nPrognose fur die Schuljahre 2005/06 und 2006/07 in den Blick genommen werden\nmussen. Nach der amtlichen Schulstatistik seien dies nur 83 bzw. 79 Schuler\ngewesen. Damit sei nicht mit hinlanglicher Sicherheit feststellbar gewesen,\ndass die Änderung fur mindestens zwei weitere Jahre Bestand haben werde. Das\nOberschulamt Stuttgart habe daher zu diesem Zeitpunkt dem Antrag nicht\nstattgeben konnen. Der Klager konne auch nicht mit seiner Begrundung\ndurchdringen, die Prognose habe sich nachtraglich insoweit als falsch\nherausgestellt, als er im Jahre 2005 nunmehr 88 Schuler habe und deshalb auch\nim Jahre 2006/07, dem 2. Jahr der Prognose, immer noch uber 80 Schulern liege.\nEine nachtragliche Korrektur der Prognose und damit eine Verkurzung des\nPrognosezeitraums sehe die Nr. 3 der Vorbemerkungen zu den\nLandesbesoldungsordnungen A, B und R namlich nicht vor. Der Klager habe auch\nderzeit keinen Anspruch auf Übertragung eines Amts der Besoldungsgruppe A 13\nab sofort, da die Voraussetzungen hierfur auch derzeit nicht vorlagen. Nach\nder aufgrund des eingegangenen Widerspruchs erstellten aktuellen Hochrechnung\nvom 23.11.2005 seien an der Grundschule W. folgende Schulerzahlen festgestellt\nbzw. prognostiziert: Schuljahr 2004/05 85 Schuler, Schuljahr 2005/06 88\nSchuler, Schuljahr 2006/07 82 Schuler, Schuljahr 2007/08 76 Schuler, Schuljahr\n2008/09 68 Schuler und Schuljahr 209/10 60 Schuler. Somit sei auch nach dieser\namtlichen Schulstatistik zu erwarten, dass bereits im zweiten Jahr die\nSchulerzahlen unter den Schwellenwert von 80 Schulern absanken. Damit sei auch\naus heutiger Sicht nicht mit hinlanglicher Sicherheit feststellbar, dass die\nÄnderung fur mindestens zwei weitere Jahre Bestand haben werde. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Widerspruchsbescheid wurde dem Klager am 06.12.2005 zugestellt. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Am 04.01.2006 hat der Klager Klage erhoben. Zur Begrundung fuhrt er im\nWesentlichen aus: Zwar ergebe sich aus der Tatsache, dass die in der\nBesoldungsordnung festgelegte Schulerzahl einer Schule erreicht werde, nach §\n19 Abs. 2 BBesG noch keinen Anspruch auf die Besoldung aus einem hoher\nbewerteten Amt. Der Beamte habe aber einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie\nEntscheidung. Der Grundsatz, dass ein Rechtsanspruch auf eine Besoldung nicht\nbestehe, werde dadurch beschrankt, dass dem Dienstherrn zugleich die\nFursorgepflicht gegenuber dem Beamten obliege. Zugleich bilde die\nFursorgepflicht die Grenze fur den Ermessensspielraum, den § 19 Abs. 2 BBesG\ndem Dienstherrn einraume. Im Falle der Diskrepanz zwischen der gesetzlichen\nStellenbewertung und dem ausgeubten Amt werde folglich das Ermessen des\nDienstherrn eingeschrankt. Die Voraussetzung fur eine Beforderung des Klagers\nseien erfullt. Der Schwellenwert von 80 Schulern werde an der Grundschule W.\nkontinuierlich seit dem Schuljahr 1995/1996 uberschritten. Auch die weitere\nVoraussetzung, dass ein kontinuierliches Vorliegen des Schwellenwertes uber\neinen Zeitraum von einem Jahr hinweg bestehe, sei in Vergangenheit stets zu\nbejahen gewesen. Es bestehe auch eine hinreichende Sicherheit, dass die\nÄnderung fur mindestens zwei weitere Jahre Bestand habe. Das\nVerwaltungsgericht Luneburg habe im Urteil vom 01.03.2005 entschieden, dass\nfur den maßgeblichen Zeitpunkt eine retrospektive Prognose vorzunehmen sei. Es\nsei somit auf den Zeitpunkt abzustellen, an dem erstmalig der Schwellenwert\nuber ein Jahr uberschritten gewesen sei. Dies stelle den maßgeblichen\nZeitpunkt fur die Prognose dar. Entscheidend seien damit die Verhaltnisse, die\nam 01.07.1999 (Ablauf der Beforderungssperre) gegeben gewesen seien. Bereits\nzu diesem Zeitpunkt habe dem Oberschulamt die Hochrechnung der\nvoraussichtlichen Schulerzahlen an der Grundschule W. vorgelegen. Sowohl fur\ndas Schuljahr 2000/01 als auch fur das Schuljahr 2001/02 habe sich ergeben,\ndass der Schwellenwert von 80 Schulern fur mindestens zwei weitere Jahre\nuberschritten werde. Ausweislich dieser Hochrechnung habe die Grundschule W.\nim Schuljahr 2000/01 84 Schuler, im darauffolgenden Schuljahr die Zahl von 83\nSchulern haben sollen. Auch die weiteren von der Stadt Sch. erstellten\nPrognosen hatten sich uber die Jahre hinweg allesamt als falsch erwiesen. Die\nPrognose habe fur jedes einzelne Schuljahr jeweils eine Schulerzahl unter dem\nSchwellenwert bzw. knapp uber dem Schwellenwert ausgewiesen. Auch wenn sich\ndann aufgrund der tatsachlichen Gegebenheiten die Schulerzahl in diesem\nSchuljahr als uber dem Schwellenwert befindlich herausgestellt habe, sei die\nPrognose aber dann in den darauf folgenden Jahren nicht angepasst worden. Es\nkonne nicht sein, dass die Prognose vollig unabhangig von den tatsachlichen\nEntwicklungen erstellt werde, wie dies hier jedoch den Anschein habe. Die von\nSeiten der Stadt Sch. bzw. des damaligen Oberschulamts Stuttgart erstellte\nPrognose lasse erkennbar die Realitat aus den Augen, da seit Jahren der\nSchwellenwert uberschritten werde. Grund hierfur moge sein, dass die Stadt\nSch. ein erhebliches Eigeninteresse daran habe, die Prognosezahlen so gering\nwie moglich zu halten, da mit diesen Zahlen erhebliche finanzielle Belastungen\nverbunden seien. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Aus den Entscheidungsgrunden des angefuhrten Urteils des OVG Luneburg sowie\naus dem Urteil des VG Luneburg lasse sich entnehmen, dass im Hinblick auf § 19\nAbs. 2 BBesG eine die Fursorgepflicht und den Gleichheitssatz verletzende\nHandhabung des Dienstherrn grundsatzlich erst dann angenommen werden konne,\nwenn die funktionsgerechte Besoldung langer als 5 Jahre unterblieben sei. Auch\ndiese Voraussetzung stehe dem Klagebegehren nicht entgegen, da seit dem\nSchuljahr 1995/96 die Schwellenzahl jahrlich erreicht worden sei. Daruber\nhinaus sei der Klager auch in seinen Grundrechtspositionen verletzt, da durch\ndie unterbliebene Beforderung zum einen Art. 3 GG als auch Art. 33 Abs. 2 GG\ntangiert wurden. Der Gleichheitssatz sei insofern verletzt, als der Klager\nseit Jahren besoldungsrechtlich ohne rechtfertigenden Grund unterschiedlich zu\nanderen vergleichbaren Hauptlehrern einer Schule mit 80 bis zu 180 Schulern\nbehandelt werde. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Klager hat ursprunglich beantragt, \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| den Bescheid des Oberschulamts vom 09.11.2004 und den Widerspruchsbescheid\ndes Regierungsprasidiums Stuttgart vom 01.12.2005 aufzuheben und das beklagte\nLand zu verpflichten, dem Klager das Amt als Rektor der Besoldungsgruppe A 13\nzu ubertragen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Seit dem 18.09.2006 ist der Klager bis zum Tag vor Beginn seines\nRuhestandes gemaß § 153 c LBG aus arbeitsmarktpolitischen Grunden ohne\nDienstbezuge beurlaubt. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Klager beantragt nunmehr, \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| festzustellen, dass das beklagte Land ab dem 27.09.2004 verpflichtet war,\ndem Klager das Amt als Rektor der Besoldungsgruppe A 13 zu ubertragen,\nhilfsweise: festzustellen, dass der Bescheid des Oberschulamts Stuttgart vom\n09.11.2004 und der Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Stuttgart vom\n01.12.2005 rechtswidrig waren. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Zur Begrundung nimmt er Bezug auf seine Ausfuhrungen im\nWiderspruchsbescheid vom 01.12.2005 und tragt erganzend vor: Wie im\nWiderspruchsbescheid ausfuhrlich dargelegt, hatten die rechtlichen\nVoraussetzungen zum Antragszeitpunkt im Jahre 2004 nicht vorgelegen, so dass\ndem Antrag nicht habe stattgegeben werden konnen. Wie im Widerspruchsbescheid\ndargelegt, sahen die rechtlichen Regelungen, also die Nr. 3 der Vorbemerkungen\nzu den Landesbesoldungsordnungen A, B und R, auch eine nachtragliche Korrektor\nder Prognosen und damit eine Verkurzung des Prognosezeitraums nicht vor.\nZuletzt habe der Klager zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides\nund habe er auch derzeit keinen Anspruch auf Übertragung des Amtes der\nBesoldungsgruppe A 13, weil die in der amtlichen Schulstatistik\nprognostizierten Schulerzahlen dies nicht zuließen. Der Klager habe daher auch\nkeinen Anspruch auf die beantragte Feststellung. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Dem Gericht hat ein Band Personalakten des Klagers vorgelegen. Wegen\nweiterer Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen. Wegen des Vorbringens der\nBeteiligten im Übrigen wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsatze\nnebst Anlagen Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulassig (§ 113 Abs. 1 S. 4\nVwGO). Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus der Absicht\ndes Klagers, im Falle eines Prozesserfolgs vom Beklagten Schadenersatz zu\nfordern. Eine auf Schadenersatz gerichtete Klage erscheint auch nicht offenbar\naussichtslos (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 113 RdNr. 136 m. w.\nN.). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Soweit der Klager nunmehr die Feststellung beantragt, dass der Beklagte ab\ndem 27.09.2004 verpflichtet war, dem Klager das Amt als Rektor der\nBesoldungsgruppe A 13 zu ubertragen, liegt darin - soweit ruckwirkend eine\nVerpflichtung geltend gemacht wird - gegenuber dem ursprunglich gestellten\nVerpflichtungsantrag eine Klageanderung im Sinne des § 91 VwGO (vgl. BVerwG,\nUrt. v. 22.03.1990, Az.: 2 C 2/88, Juris). Das Gericht halt die Klageanderung\njedoch fur sachdienlich (§ 91 Abs. 1 VwGO), so dass die Klage auch insoweit\nzulassig ist. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die danach zulassige Klage ist jedoch weder mit dem Haupt- noch mit dem\nHilfsantrag begrundet. Der Beklagte war nicht verpflichtet, dem Klager ab dem\n27.09.2004 das Amt als Rektor der Besoldungsgruppe A 13 zu ubertragen und es\nist auch nicht festzustellen (Hilfsantrag), dass der Bescheid des\nOberschulamts Stuttgart vom 09.11.2004 und der Widerspruchsbescheid des\nRegierungsprasidiums Stuttgart vom 01.12.2005 rechtswidrig waren. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Aus § 19 Abs. 2 BBesG ergibt sich, dass ein Anspruch auf Besoldung aus einem\nhoher bewerteten Amt (hier: Hauptlehrer als Leiter einer Grundschule,\nHauptschule oder Grund- und Hauptschule mit mehr als 80 bis 180 Schulern, vgl.\ndie Anlage I zum Bundesbesoldungsgesetz) nicht allein daraus folgt, dass die\nin einem gesetzlich festgelegten Bewertungsmaßstab bestimmten Voraussetzungen\nerfullt werden, insbesondere die in der Besoldungsordnung festgelegte\nSchulerzahl einer Schule erreicht ist. Darin kommt zum Ausdruck, dass der\nBesoldungsgesetzgeber den fur statusbezogene Entscheidungen zustandigen\nDienstherrn nicht bindet, vielmehr ihm auch in den Fallen, in denen einem Amt\ngesetzlich eine Funktion zugeordnet ist, den bei Beforderungen und ahnlichen\nMaßnahmen bestehenden Spielraum belasst (vgl. Niedersachs. OVG, Urt. v.\n26.02.1991, Az.: 2 A 37/86, ZBR 1992, 213). Aus § 19 Abs. 2 BBesG folgt nach\nder Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass aus der Wahrnehmung der\nObliegenheiten eines hoherwertigen Dienstpostens in der Regel kein Anspruch\ndes Beamten auf Verleihung eines entsprechenden Status folgt. Vielmehr kann\nder Dienstherr einen Beamten fur gewisse, auch langere Zeit in einer hoher\nbewerteten Funktion beschaftigen, ohne dass sich fur ihn daraus ohne weiteres\neine Verpflichtung zur Beforderung des Beamten ergibt (BVerwG, Urt. v.\n24.01.1985, 2 C 39/82, ZBR 1985, 195 = DVBl. 1985, 746). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die hier maßgebliche Vorbemerkung 3. zu den Landesbesoldungsordnungen A, B\nund R (Anlage I zum Landesbesoldungsgesetz) halt sich im Rahmen dieses durch §\n19 Abs. 2 BBesG eingeraumten Spielraumes. Sie bestimmt, dass die\nschulstatistischen Merkmale maßgebend sind, die sich aus der amtlichen\nSchulstatistik ergeben, wenn sich die Zuordnung von Ämtern zu den\nBesoldungsgruppen einschließlich der Gewahrung von Amtszulagen nach\nschulstatistischen Merkmalen (Schulerzahlen, Schulstellen) richtet. Weiter\nwird dort bestimmt, dass bei einer dadurch eintretenden Änderung der Zuordnung\nErnennungen und Einweisungen in Planstellen sowie die Gewahrung von\nAmtszulagen erst zulassig sind, wenn die schulstatistischen Merkmale bereits\nein Jahr vorgelegen haben und mit hinlanglicher Sicherheit feststellbar ist,\ndass die Änderung fur mindestens zwei weitere Jahre Bestand haben wird. Dies\ngilt auch fur Ämter, die - wie das des Klagers - den Besoldungsgruppen der\nBundesbesoldungsordnung zugeordnet sind. Auch bei Erfullung dieser\nVoraussetzungen besteht allerdings noch kein Rechtsanspruch auf Einweisung in\ndie Planstelle, da die Vorschrift lediglich die Zulassigkeit von Ernennungen\nund Einweisungen betrifft. Der Klager erfullte weder zum Antragszeitpunkt noch\nspater die gesetzlichen Vorgaben fur die von ihm beantragte Einweisung in eine\nPlanstelle der Besoldungsgruppe A 13. Wahrend sich im Schuljahr 1999/2000 an\nder Schule des Klagers 80 Schuler befanden, so dass der Schwellenwert von 80\nSchulern nicht uberschritten war, uberschritt die Schulerzahl ab dem Schuljahr\n2000/2001, mit Ausnahme des Schuljahres 2002/2003 (hier allerdings zwischen\ndem Beklagten und dem Klager streitig), regelmaßig, zuletzt bis zum Schuljahr\n2006/2007, die Schulerzahl von 80 Schulern. Jedoch war seit dem Schuljahr\n1999/2000 zu keinem Prognosezeitpunkt mit hinlanglicher Sicherheit\nfeststellbar, dass die Änderung fur mindestens zwei weitere Jahre Bestand\nhaben werde. Dies ergibt sich aus den bei den Personalakten befindlichen\namtlichen Schulstatistiken bzw. den Hochrechnungen der voraussichtlichen\nSchulerzahlen an der Grundschule W. in Sch.. Dass diese Hochrechnungen - wie\nder Klager vortragt und vom Beklagten auch nicht bestritten wird -\nnachtraglich durch die tatsachlichen Schulerzahlen - mit Ausnahme des\nSchuljahrs 2002/2003 - widerlegt worden sind, ist dabei fur die Zulassigkeit\nder Einweisung in eine hoher bewertete Planstelle nach dem Wortlaut der Nr. 3\nder Vorbemerkungen zu den Landesbesoldungsordnungen A, B und R nicht\nmaßgeblich, da es danach allein auf die zu bestimmten Zeitpunkten erstellte\nPrognose ankommt. Eine nachtragliche Berucksichtigung der tatsachlichen\nSchulerzahlentwicklung ist danach - im Hinblick auf die Einweisung in eine\nhoher bewertete Planstelle - nicht vorgesehen. Der Klager hat nicht\nsubstantiiert geltend gemacht, dass die vom Oberschulamt bzw. vom\nRegierungsprasidium Stuttgart uber die Jahre hinweg herangezogenen Prognosen\nauf offensichtlich fehlerhaften Grundlagen beruhten. Es kommt auch nicht\ndarauf an, ob fur die Entscheidung uber den Antrag des Klagers von dem\nSchuljahr 2004/2005 als Prognosebasis auszugehen war, oder aber von einem\nfruheren Schuljahr. Denn selbst soweit etwa im Schuljahr 2003/2004 die\nprognostischen Voraussetzungen erfullt waren, ergibt sich hieraus nach dem\noben Dargelegten kein Anspruch des Klagers auf Einweisung in die von ihm\nbegehrte Planstelle. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Allerdings ist er dem Dienstherrn eingeraumte Spielraum nicht unbeschrankt\n(zum Folgenden vgl. Niedersachsisches OVG, aaO). Wird ein Amt infolge einer\nÄnderung bei gesetzlich festgelegten Funktionsmerkmalen besoldungsmaßig hoher\nbewertet, so ist nur die entsprechend hohere Besoldung des Stelleninhabers\nfunktionsgerecht im Sinne des § 18 BBesG. Wird er weder in dieses Amt\neingewiesen noch durch Versetzung anderweitig wieder funktionsgerecht\neingesetzt, so besteht eine Diskrepanz zwischen gesetzlicher Stellenbewertung\nund Besoldung. Diese widerspricht dem hergebrachten Grundsatz der\namtsangemessenen Alimentation; dies kann fursorgepflichtwidrig sein. Zwar\nbeschrankt sich die Fursorgepflicht auf das Amt, das der Beamte inne hat.\nDieses darf aber nicht auf die Dauer durch Funktionsvermehrung so aufgeblaht\nwerden, dass der Beamte in Wirklichkeit ohne eine dementsprechend hohere\nAlimentation ein anderes Amt im funktionellen Sinne ausubt. Jedenfalls dann,\nwenn fur die Besetzung der hoher zu bewertenden Stelle kein anderer Beamter\nals der Stelleninhaber in Betracht kommt, kann sich der aus der\nFursorgepflicht herzuleitende Anspruch zu einem Ernennungsanspruch verdichten\n(Niedersachsisches OVG, aaO, unter Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht, Urt.\nv. 17.10.1974, II C 40.72, Buchholz 232, § 79 Nr. 51). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Im zuletzt genannten Fall wird in der Rechtsprechung gelegentlich davon\nausgegangen, dass ein Ernennungsanspruch etwa dann besteht, wenn die\nfunktionsgerechte Besoldung langer als funf Jahre unterbleibt (so etwa VG\nLuneburg, Urt. v. 25.08.2004, Az.: 1 A 270/02, Juris) bzw. wenn der Beamte\nseit fast funf Jahren nicht amtsentsprechend uberwertig beschaftigt wird (so\nHess. VGH, Urt. vom 28.10.1987, Az.: 1 UE 2260/86, ESVGH 38, 312; bezuglich\ndes Zeitraums sich nicht festlegend: Niedersachs. OVG, aaO). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Es kann offen bleiben, unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen ein\nErnennungs- bzw. Einweisungsanspruch entsteht. Im Falle des Klagers sind die\nhierfur diskutierten Voraussetzungen nicht erfullt. Selbst wenn man davon\nausgeht, dass der Klager fur die Besetzung der hoher bewerteten Planstelle der\neinzige in Betracht kommende Beamte war, ist nicht nachgewiesen, dass der\nKlager in einem zusammenhangenden Zeitraum von funf Jahren nicht\namtsentsprechend uberwertig beschaftigt war bzw. eine fortlaufende\nÜberschreitung des "Schwellenwerts" von 80 Schulern uber einen entsprechenden\nZeitraum vorlag. Nachweislich waren an der Schule des Klagers im Schuljahr\n1999/2000 nur 80 Schuler. Zwar wurde diese Zahl in den folgenden Schuljahren\nwieder uberschritten, im Schuljahr 2002/2003 sank jedoch die Schulerzahl\nwieder auf 79 Schuler, dies jedenfalls nach den vom Oberschulamt dem Klager\nmit dem Bescheid vom 09.11.2004 mitgeteilten Zahlen. Soweit der Klager\nbezuglich des Schuljahrs 2002/2003 von 81 Schulern ausgeht, ist diese Zahl\nnicht belegt worden. Diese Zahlenentwicklung bedeutet, dass der Klager\ntatsachlich, legt man die schulstatistischen Merkmale zugrunde, nicht dauernd\n- etwa uber einen Zeitraum von ca. 5 Jahren - auf einer hoherwertigen Stelle,\nd. h. uberwertig, beschaftigt worden ist. Insofern unterscheidet sich der hier\nzu entscheidende Fall von der Fallgestaltung, die dem Urteil des\nNiedersachsischen Oberverwaltungsgerichts (aaO) zugrunde lag. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Feststellungsklage hat auch mit dem hilfsweise gestellten Antrag keinen\nErfolg. Es kann nach dem oben Ausgefuhrten nicht festgestellt werden, dass der\nBescheid des Oberschulamts Stuttgart vom 09.11.2004 und der\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 01.12.2005\nrechtswidrig waren. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Zulassung der Berufung durch das\nVerwaltungsgericht gemaß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4\nVwGO liegen nicht vor. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulassig (§ 113 Abs. 1 S. 4\nVwGO). Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus der Absicht\ndes Klagers, im Falle eines Prozesserfolgs vom Beklagten Schadenersatz zu\nfordern. Eine auf Schadenersatz gerichtete Klage erscheint auch nicht offenbar\naussichtslos (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 113 RdNr. 136 m. w.\nN.). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Soweit der Klager nunmehr die Feststellung beantragt, dass der Beklagte ab\ndem 27.09.2004 verpflichtet war, dem Klager das Amt als Rektor der\nBesoldungsgruppe A 13 zu ubertragen, liegt darin - soweit ruckwirkend eine\nVerpflichtung geltend gemacht wird - gegenuber dem ursprunglich gestellten\nVerpflichtungsantrag eine Klageanderung im Sinne des § 91 VwGO (vgl. BVerwG,\nUrt. v. 22.03.1990, Az.: 2 C 2/88, Juris). Das Gericht halt die Klageanderung\njedoch fur sachdienlich (§ 91 Abs. 1 VwGO), so dass die Klage auch insoweit\nzulassig ist. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die danach zulassige Klage ist jedoch weder mit dem Haupt- noch mit dem\nHilfsantrag begrundet. Der Beklagte war nicht verpflichtet, dem Klager ab dem\n27.09.2004 das Amt als Rektor der Besoldungsgruppe A 13 zu ubertragen und es\nist auch nicht festzustellen (Hilfsantrag), dass der Bescheid des\nOberschulamts Stuttgart vom 09.11.2004 und der Widerspruchsbescheid des\nRegierungsprasidiums Stuttgart vom 01.12.2005 rechtswidrig waren. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Aus § 19 Abs. 2 BBesG ergibt sich, dass ein Anspruch auf Besoldung aus einem\nhoher bewerteten Amt (hier: Hauptlehrer als Leiter einer Grundschule,\nHauptschule oder Grund- und Hauptschule mit mehr als 80 bis 180 Schulern, vgl.\ndie Anlage I zum Bundesbesoldungsgesetz) nicht allein daraus folgt, dass die\nin einem gesetzlich festgelegten Bewertungsmaßstab bestimmten Voraussetzungen\nerfullt werden, insbesondere die in der Besoldungsordnung festgelegte\nSchulerzahl einer Schule erreicht ist. Darin kommt zum Ausdruck, dass der\nBesoldungsgesetzgeber den fur statusbezogene Entscheidungen zustandigen\nDienstherrn nicht bindet, vielmehr ihm auch in den Fallen, in denen einem Amt\ngesetzlich eine Funktion zugeordnet ist, den bei Beforderungen und ahnlichen\nMaßnahmen bestehenden Spielraum belasst (vgl. Niedersachs. OVG, Urt. v.\n26.02.1991, Az.: 2 A 37/86, ZBR 1992, 213). Aus § 19 Abs. 2 BBesG folgt nach\nder Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass aus der Wahrnehmung der\nObliegenheiten eines hoherwertigen Dienstpostens in der Regel kein Anspruch\ndes Beamten auf Verleihung eines entsprechenden Status folgt. Vielmehr kann\nder Dienstherr einen Beamten fur gewisse, auch langere Zeit in einer hoher\nbewerteten Funktion beschaftigen, ohne dass sich fur ihn daraus ohne weiteres\neine Verpflichtung zur Beforderung des Beamten ergibt (BVerwG, Urt. v.\n24.01.1985, 2 C 39/82, ZBR 1985, 195 = DVBl. 1985, 746). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die hier maßgebliche Vorbemerkung 3. zu den Landesbesoldungsordnungen A, B\nund R (Anlage I zum Landesbesoldungsgesetz) halt sich im Rahmen dieses durch §\n19 Abs. 2 BBesG eingeraumten Spielraumes. Sie bestimmt, dass die\nschulstatistischen Merkmale maßgebend sind, die sich aus der amtlichen\nSchulstatistik ergeben, wenn sich die Zuordnung von Ämtern zu den\nBesoldungsgruppen einschließlich der Gewahrung von Amtszulagen nach\nschulstatistischen Merkmalen (Schulerzahlen, Schulstellen) richtet. Weiter\nwird dort bestimmt, dass bei einer dadurch eintretenden Änderung der Zuordnung\nErnennungen und Einweisungen in Planstellen sowie die Gewahrung von\nAmtszulagen erst zulassig sind, wenn die schulstatistischen Merkmale bereits\nein Jahr vorgelegen haben und mit hinlanglicher Sicherheit feststellbar ist,\ndass die Änderung fur mindestens zwei weitere Jahre Bestand haben wird. Dies\ngilt auch fur Ämter, die - wie das des Klagers - den Besoldungsgruppen der\nBundesbesoldungsordnung zugeordnet sind. Auch bei Erfullung dieser\nVoraussetzungen besteht allerdings noch kein Rechtsanspruch auf Einweisung in\ndie Planstelle, da die Vorschrift lediglich die Zulassigkeit von Ernennungen\nund Einweisungen betrifft. Der Klager erfullte weder zum Antragszeitpunkt noch\nspater die gesetzlichen Vorgaben fur die von ihm beantragte Einweisung in eine\nPlanstelle der Besoldungsgruppe A 13. Wahrend sich im Schuljahr 1999/2000 an\nder Schule des Klagers 80 Schuler befanden, so dass der Schwellenwert von 80\nSchulern nicht uberschritten war, uberschritt die Schulerzahl ab dem Schuljahr\n2000/2001, mit Ausnahme des Schuljahres 2002/2003 (hier allerdings zwischen\ndem Beklagten und dem Klager streitig), regelmaßig, zuletzt bis zum Schuljahr\n2006/2007, die Schulerzahl von 80 Schulern. Jedoch war seit dem Schuljahr\n1999/2000 zu keinem Prognosezeitpunkt mit hinlanglicher Sicherheit\nfeststellbar, dass die Änderung fur mindestens zwei weitere Jahre Bestand\nhaben werde. Dies ergibt sich aus den bei den Personalakten befindlichen\namtlichen Schulstatistiken bzw. den Hochrechnungen der voraussichtlichen\nSchulerzahlen an der Grundschule W. in Sch.. Dass diese Hochrechnungen - wie\nder Klager vortragt und vom Beklagten auch nicht bestritten wird -\nnachtraglich durch die tatsachlichen Schulerzahlen - mit Ausnahme des\nSchuljahrs 2002/2003 - widerlegt worden sind, ist dabei fur die Zulassigkeit\nder Einweisung in eine hoher bewertete Planstelle nach dem Wortlaut der Nr. 3\nder Vorbemerkungen zu den Landesbesoldungsordnungen A, B und R nicht\nmaßgeblich, da es danach allein auf die zu bestimmten Zeitpunkten erstellte\nPrognose ankommt. Eine nachtragliche Berucksichtigung der tatsachlichen\nSchulerzahlentwicklung ist danach - im Hinblick auf die Einweisung in eine\nhoher bewertete Planstelle - nicht vorgesehen. Der Klager hat nicht\nsubstantiiert geltend gemacht, dass die vom Oberschulamt bzw. vom\nRegierungsprasidium Stuttgart uber die Jahre hinweg herangezogenen Prognosen\nauf offensichtlich fehlerhaften Grundlagen beruhten. Es kommt auch nicht\ndarauf an, ob fur die Entscheidung uber den Antrag des Klagers von dem\nSchuljahr 2004/2005 als Prognosebasis auszugehen war, oder aber von einem\nfruheren Schuljahr. Denn selbst soweit etwa im Schuljahr 2003/2004 die\nprognostischen Voraussetzungen erfullt waren, ergibt sich hieraus nach dem\noben Dargelegten kein Anspruch des Klagers auf Einweisung in die von ihm\nbegehrte Planstelle. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Allerdings ist er dem Dienstherrn eingeraumte Spielraum nicht unbeschrankt\n(zum Folgenden vgl. Niedersachsisches OVG, aaO). Wird ein Amt infolge einer\nÄnderung bei gesetzlich festgelegten Funktionsmerkmalen besoldungsmaßig hoher\nbewertet, so ist nur die entsprechend hohere Besoldung des Stelleninhabers\nfunktionsgerecht im Sinne des § 18 BBesG. Wird er weder in dieses Amt\neingewiesen noch durch Versetzung anderweitig wieder funktionsgerecht\neingesetzt, so besteht eine Diskrepanz zwischen gesetzlicher Stellenbewertung\nund Besoldung. Diese widerspricht dem hergebrachten Grundsatz der\namtsangemessenen Alimentation; dies kann fursorgepflichtwidrig sein. Zwar\nbeschrankt sich die Fursorgepflicht auf das Amt, das der Beamte inne hat.\nDieses darf aber nicht auf die Dauer durch Funktionsvermehrung so aufgeblaht\nwerden, dass der Beamte in Wirklichkeit ohne eine dementsprechend hohere\nAlimentation ein anderes Amt im funktionellen Sinne ausubt. Jedenfalls dann,\nwenn fur die Besetzung der hoher zu bewertenden Stelle kein anderer Beamter\nals der Stelleninhaber in Betracht kommt, kann sich der aus der\nFursorgepflicht herzuleitende Anspruch zu einem Ernennungsanspruch verdichten\n(Niedersachsisches OVG, aaO, unter Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht, Urt.\nv. 17.10.1974, II C 40.72, Buchholz 232, § 79 Nr. 51). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Im zuletzt genannten Fall wird in der Rechtsprechung gelegentlich davon\nausgegangen, dass ein Ernennungsanspruch etwa dann besteht, wenn die\nfunktionsgerechte Besoldung langer als funf Jahre unterbleibt (so etwa VG\nLuneburg, Urt. v. 25.08.2004, Az.: 1 A 270/02, Juris) bzw. wenn der Beamte\nseit fast funf Jahren nicht amtsentsprechend uberwertig beschaftigt wird (so\nHess. VGH, Urt. vom 28.10.1987, Az.: 1 UE 2260/86, ESVGH 38, 312; bezuglich\ndes Zeitraums sich nicht festlegend: Niedersachs. OVG, aaO). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Es kann offen bleiben, unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen ein\nErnennungs- bzw. Einweisungsanspruch entsteht. Im Falle des Klagers sind die\nhierfur diskutierten Voraussetzungen nicht erfullt. Selbst wenn man davon\nausgeht, dass der Klager fur die Besetzung der hoher bewerteten Planstelle der\neinzige in Betracht kommende Beamte war, ist nicht nachgewiesen, dass der\nKlager in einem zusammenhangenden Zeitraum von funf Jahren nicht\namtsentsprechend uberwertig beschaftigt war bzw. eine fortlaufende\nÜberschreitung des "Schwellenwerts" von 80 Schulern uber einen entsprechenden\nZeitraum vorlag. Nachweislich waren an der Schule des Klagers im Schuljahr\n1999/2000 nur 80 Schuler. Zwar wurde diese Zahl in den folgenden Schuljahren\nwieder uberschritten, im Schuljahr 2002/2003 sank jedoch die Schulerzahl\nwieder auf 79 Schuler, dies jedenfalls nach den vom Oberschulamt dem Klager\nmit dem Bescheid vom 09.11.2004 mitgeteilten Zahlen. Soweit der Klager\nbezuglich des Schuljahrs 2002/2003 von 81 Schulern ausgeht, ist diese Zahl\nnicht belegt worden. Diese Zahlenentwicklung bedeutet, dass der Klager\ntatsachlich, legt man die schulstatistischen Merkmale zugrunde, nicht dauernd\n- etwa uber einen Zeitraum von ca. 5 Jahren - auf einer hoherwertigen Stelle,\nd. h. uberwertig, beschaftigt worden ist. Insofern unterscheidet sich der hier\nzu entscheidende Fall von der Fallgestaltung, die dem Urteil des\nNiedersachsischen Oberverwaltungsgerichts (aaO) zugrunde lag. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Feststellungsklage hat auch mit dem hilfsweise gestellten Antrag keinen\nErfolg. Es kann nach dem oben Ausgefuhrten nicht festgestellt werden, dass der\nBescheid des Oberschulamts Stuttgart vom 09.11.2004 und der\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 01.12.2005\nrechtswidrig waren. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Zulassung der Berufung durch das\nVerwaltungsgericht gemaß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4\nVwGO liegen nicht vor. \n---\n\n
138,584
fg-baden-wurttemberg-2008-05-15-9-k-25706
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
9 K 257/06
2008-05-15
2019-01-07 14:03:30
2019-01-17 11:58:46
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Streitig ist, ob der Erbfallkostenpauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz\n2 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) pro Erbfall nur einmal oder jedem Miterben in\nvoller Hohe zu gewahren ist. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager (Kl) und sein Bruder sind jeweils zur Halfte Erben ihrer am 14.\nSeptember 2003 verstorbenen Mutter. Im Zusammenhang mit der Nachlassregelung\nentstanden ihnen Kosten in Hohe von jeweils rund 4.500 EUR. Im\nErbschaftsteuerbescheid vom 18. Mai 2005 gewahrte der Beklagte (Bekl) wegen\ndieser Kosten der Erbquote des Kl entsprechend einen anteiligen\nErbfallkostenpauschbetrag gemaß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG in Hohe von\n5.150 EUR. Der Erbschaftsteuerbescheid erging unter dem Vorbehalt der\nNachprufung. Im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof (BFH) anhangige\nRevisionsverfahren II R 61/99, in dem der BFH auch die Frage der\nVerfassungsmaßigkeit des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes\naufgeworfen hatte, wurde die Steuerfestsetzung gemaß § 165 Abs. 1 Satz 2 AO in\nvollem Umfang fur vorlaufig erklart. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Gegen den Erbschaftsteuerbescheid legte der Kl am 21. Juni 2005 Einspruch\nein. Mit Bescheid vom 3. August 2005 anderte der Bekl die\nErbschaftsteuerfestsetzung gemaß § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO). Der\nErbfallkostenpauschbetrag in Hohe von 5.150 EUR blieb unverandert. Der\nVorbehalt der Nachprufung wurde aufrecht erhalten. Die Steuerfestsetzung blieb\nim bisherigen Umfang vorlaufig. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Im Laufe des Einspruchsverfahrens machte der Kl noch geltend, dass ihm der\nErbfallkostenpauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG in voller Hohe\nvon 10.300 EUR zustehe. Der Pauschbetrag sei auf die Kosten des einzelnen\nErwerbers, nicht auf den Erbfall zu beziehen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Entscheidung vom 15. Mai 2006 wies der Bekl den Einspruch als\nunbegrundet zuruck. Der Bekl begrundete seine Auffassung mit dem Hinweis auf R\n30 Abs. 3 Erbschaftsteuerrichtlinien (ErbStR), wonach der Pauschbetrag je\nErbfall insgesamt nur einmal zu berucksichtigen sei. Eine andere Auffassung\nfuhre zu einer nicht verstandlichen Benachteiligung des Alleinerben. Der\nVorbehalt der Nachprufung und die Vorlaufigkeit des Bescheides blieben\nbestehen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Am 29. Mai 2006 hat der Kl Klage erhoben. Er ist der Auffassung, der\nPauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG sei nicht erbfall-, sondern\nerwerberbezogen. Deshalb sei jedem Miterben der Pauschbetrag in voller Hohe\nvon 10.300 EUR zu gewahren. Es sei ein Grundprinzip des ErbStG, den Erbfall\naus der Sicht des Erwerbers zu betrachten, der gemaß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG\nnach seiner individuellen Bereicherung besteuert werde. Der Pauschbetrag solle\nauch der Vereinfachung dienen. Dem widerspreche es, wenn er pro Erbfall nur\neinmal gewahrt wurde und komplizierte Regelungen zu seiner Aufteilung\ngetroffen werden mussten. Eine methodisch korrekte, am Normzweck orientierte\nAuslegung des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG zwinge dazu, seiner -des Kl-\nAnsicht zu folgen. Erganzend wird auf die Klagebegrundung Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| \n--- \n| Der Kl beantragt, \n--- \n| 1\\. die Einspruchsentscheidung vom 15. Mai 2006 aufzuheben und den\nErbschaftsteuerbescheid vom 3. August 2005 dahin zu andern, dass der\nErbfallkostenpauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG in Hohe von\n10.300 EUR gewahrt wird, hilfsweise: die Revision zuzulassen, \n--- \n| 2\\. die Hinzuziehung eines Bevollmachtigten fur das Vorverfahren fur\nnotwendig zu erklaren. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Bekl halt an seiner Rechtsauffassung fest und beantragt, die Klage\nabzuweisen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 9 \n--- \n| Die Klage ist unbegrundet. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| I. 1. Als steuerpflichtiger Erwerb bei der Erbschaftsteuer gilt nach § 10\nAbs. 1 Satz 1 ErbStG die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht\nsteuerfrei ist. Von dem Erwerb sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG als\nNachlassverbindlichkeiten abzugsfahig die Kosten der Bestattung des\nErblassers, die Kosten fur ein angemessenes Grabmal, die Kosten fur die\nubliche Grabpflege mit ihrem Kapitalwert fur eine unbestimmte Dauer sowie die\nKosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung,\nRegelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs\nentstehen. Fur diese Kosten wird gemaß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG\ninsgesamt ein Betrag von 10.300 EUR ohne Nachweis abgezogen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| 2\\. a) Soweit ersichtlich ist der Kl der einzige, der meint, jeder von\nmehreren Miterwerbern konne den Erbfallkostenpauschbetrag gemaß § 10 Abs. 5\nNr. 3 Satz 2 ErbStG in voller Hohe von 10.300 EUR in Anspruch nehmen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| b) Der Bundesfinanzhof (BFH) sah sich zur Beantwortung dieser Frage noch\nnicht veranlasst. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde II B 6/04 wegen\ndes Urteils des Finanzgerichts Nurnberg vom 11. Dezember 2003 IV 300/2002\n(Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst -DStRE- 2004,281) wurde sie ihm\nzwar vorgelegt. Er brauchte sie jedoch nicht zu entscheiden, weil dem dortigen\nBeschwerdefuhrer keine Kosten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG\nentstanden waren (s. BFH-Beschluss vom 21. Januar 2005 II B 6/04, Sammlung\nEntscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV- 2005, 1092). \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| c) Mit Urteil vom 11. Dezember 2003 IV 300/2002 (DStRE 2004,281) hat das\nFinanzgericht Nurnberg entschieden, dass bei mehreren Miterwerbern der\nPauschbetrag je Erbfall insgesamt nur einmal berucksichtigt werden konne. Dass\nder Pauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG fur die im\nvorhergehenden Satz 1 genannten Kosten zusammen zu gewahren sei, ergebe sich\nbereits aus der Einleitung des Satzes 2, nach der „fur diese Kosten" der\nBetrag von 20.000 DM (inzwischen 10.300 EUR) abgezogen werde. Wenn mit § 10\nAbs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG gemeint ware, dass jeder einzelne (Mit-)Erwerber am\nErbfall den vollen Pauschbetrag ohne Nachweis abziehen konnte, hatte es der\nEinfugung des Wortes „insgesamt" in dieser Vorschrift nicht bedurft. Zwar\nkonne das Wort "insgesamt" in § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG zusatzlich auch\nauf die im vorhergehenden Satz 1 genannten Kosten bezogen werden; doch mache\nes gleichwohl durch seine Einfugung und seine Stellung im Satz deutlich, dass\nsich der Abzug des Pauschbetrags auf den Erbfall insgesamt beziehe. Dem stehe\nnicht entgegen, dass das ErbStG als Erbanfallsteuer und nicht als\nNachlasssteuer ausgestaltet sei und es in § 10 ErbStG gerade die Bestimmung\nder steuerpflichtigen Bereicherung des Erwerbers enthalte (§ 10 Abs. 1 Satz 1\nErbStG). Denn weil das ErbStG den streitigen Pauschbetrag auf den Erbfall\ninsgesamt beziehe, bedurfe es der Verwendung des Wortes "insgesamt" in § 10\nAbs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG, um insoweit das Abweichen von der sonst gegebenen\nMaßgeblichkeit der Bereicherung des einzelnen Erwerbers deutlich zu machen.\nDemgegenuber konne nicht allein daraus, dass das Gesetz keine Regelung fur die\nVerteilung des Pauschbetrags auf mehrere Miterwerber enthalt, auf das\nGegenteil geschlossen werden. Ferner entfalle die mit dem Pauschbetrag vom\nGesetzgeber ersichtlich bezweckte Vereinfachung nicht dadurch, dass der\nPauschbetrag -wenn auch mit einem gewissen Aufwand- auf die mehreren\nMiterwerber am Erbfall verteilt werden musse. Zudem sei es durchaus\nsachgerecht, dass sich der Pauschbetrag auf den Erbfall insgesamt beziehe.\nDenn insbesondere bei den von der Pauschbetragsregelung erfassten Kosten der\nBestattung, des Grabdenkmals und der Grabpflege wurde es sonst zu einer nicht\nverstandlichen Benachteiligung eines Alleinerben fuhren, der diese Kosten\nallein zu tragen habe, den Pauschbetrag jedoch nur einmal erhalte, wahrend\nmehrere Miterben, denen diese Kosten gemeinsam anfallen, trotz einer fur den\nEinzelnen geringeren Belastung den Pauschbetrag gleichwohl jeweils in voller\nHohe und damit fur den einen Erbfall insgesamt mehrfach erhalten wurden. In\ndem Fall, dass bei einem Erbfall eine großere Zahl von Erwerbern vorhanden sei\nund die Erwerbskosten des einzelnen Erwerbers gering seien, wurde der\nGewahrung des Pauschbetrages von -im dortigen Streitzeitraum- 20.000 DM fur\njeden Erwerber die Wirkung eines zusatzlichen Freibetrags zukommen. Eine\nsolche Wirkung durfe der Bestimmung des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG im\nWege einer Auslegung nicht zugewiesen werden, weil die Freibetrage gesondert\nin § 16 ErbStG geregelt seien. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Mit Urteil vom 14. Mai 1998 IV 128/97 (Entscheidungen der Finanzgerichte\n-EFG - 1998, 1419) hatte das Finanzgericht Nurnberg schon in gleicher Weise\nentschieden. Das Finanzgericht Koln schloss sich in seinem Urteil vom 5.\nJanuar 2000 9 K 8042/98 (juris) dem Finanzgericht Nurnberg an. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| d) Die Finanzverwaltung teilt in R 30 Abs.3 Erbschaftsteuer-Richtlinien 2003\n(ErbStR) die Auffassung der vorgenannten Finanzgerichte. Bei Vorhandensein\nmehrerer Erwerber sei der Pauschbetrag in geeigneter Weise, z.B. entsprechend\neinem gemeinsamen Antrag der Erwerber, aufzuteilen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| e) Auch das Schrifttum versteht § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG einhellig\ndahingehend, dass der Pauschbetrag sich auf den gesamten Erbfall beziehe und\ndemzufolge auch von mehreren Beteiligten insgesamt nur einmal in Anspruch\ngenommen werden konne (Pahlke in Christoffel/Geckle/Pahlke, § 10 ErbStG Rz.\n83; § Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG Rz. 154; Megow/Michel, 6. Aufl. 1974, § 10\nErbStG Rz. 16; Meincke, ErbStG, 14. Aufl. 2006, § 10 Rz. 42; Moench/Weinmann,\nErbStG, § 10 Rz. 89; Petzoldt, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, 1978, §\n10 Rz. 58; Gebel in Troll/Gebel/Julicher, ErbStG, § 10 Rz. 235;\nSoffing/Volkers/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, 2. Aufl. 2003,\nB Erbfallschulden z. 14; Viskorf/Glier/Hubner/Knobel/Schuck, Erbschaft- und\nSchenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 2. Aufl. 2004, § 10 ErbStG Rz. 116;\nWachenhausen, Das neue Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht in der\nBeratungspraxis, 1997, § 2 Rz. 54; Herrmann in Wilms, ErbStG, § 10 Rz. 151). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| 3\\. Der erkennende Senat teilt die Auffassung der Finanzgerichte Nurnberg\nund Koln, der Finanzverwaltung und des Schrifttums. Er schließt sich der\nausfuhrlichen Begrundung des Finanzgerichts Nurnberg in seinem Urteil vom 11.\nDezember 2003 an. Die Auffassung, dass der Erbfallkostenpauschbetrag sich auf\nden gesamten Erbfall bezieht und demzufolge auch von mehreren Beteiligten\ninsgesamt nur einmal in Anspruch genommen werden kann, darf als allgemein\nbezeichnet werden. Sie wird auch durch die Entstehungsgeschichte der\nVorschrift und die bei spateren Änderungen erfolgten Überlegungen des\nGesetzgebers untermauert. Der Erbfallkostenpauschbetrag ist 1974 in das ErbStG\ngelangt(Bundesgesetzblatt I 1974, 933). Auf S. 66 der Bundestagsdrucksache\nVI/3418 ist ausgefuhrt: „Abs. 5 regelt wie der jetzige § 24 Abs. 4 ErbStG,\njedoch genauer, den Abzug der als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfahigen\nSchulden und Lasten. Er enthalt gegenuber der geltenden Regelung in Nummer 3\ninsoweit eine Neuerung, als fur die darin aufgefuhrten Kosten _in einem\nErbfall_ 5000 DM ohne Nachweis abgezogen werden durfen". (Die Hervorhebung ist\ndurch den Urteilsverfasser erfolgt). Bei spateren Entscheidungen uber\nErhohungen des Erbfallkostenpauschbetrages von damals ursprunglich 5.000 DM\nauf heute 10.300 EUR war die Entwicklung der Bestattungskosten in der\nBundesrepublik Deutschland fur die Anpassung des Freibetrages ausschlaggebend\n(vgl. Moench, Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau 1988, 164). Der\nErbfallkostenpauschbetrag sollte die durchschnittlichen Kosten einer\nstandesgemaßen Bestattung abdecken. Eine Vervielfachung des Pauschbetrages bei\nmehreren Erwerbern wurde diesem Zweck widersprechen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung\n(FGO). \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| III. Die Revision wird zugelassen, da die Rechtsfrage grundsatzliche\nBedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 9 \n--- \n| Die Klage ist unbegrundet. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| I. 1. Als steuerpflichtiger Erwerb bei der Erbschaftsteuer gilt nach § 10\nAbs. 1 Satz 1 ErbStG die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht\nsteuerfrei ist. Von dem Erwerb sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG als\nNachlassverbindlichkeiten abzugsfahig die Kosten der Bestattung des\nErblassers, die Kosten fur ein angemessenes Grabmal, die Kosten fur die\nubliche Grabpflege mit ihrem Kapitalwert fur eine unbestimmte Dauer sowie die\nKosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung,\nRegelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs\nentstehen. Fur diese Kosten wird gemaß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG\ninsgesamt ein Betrag von 10.300 EUR ohne Nachweis abgezogen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| 2\\. a) Soweit ersichtlich ist der Kl der einzige, der meint, jeder von\nmehreren Miterwerbern konne den Erbfallkostenpauschbetrag gemaß § 10 Abs. 5\nNr. 3 Satz 2 ErbStG in voller Hohe von 10.300 EUR in Anspruch nehmen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| b) Der Bundesfinanzhof (BFH) sah sich zur Beantwortung dieser Frage noch\nnicht veranlasst. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde II B 6/04 wegen\ndes Urteils des Finanzgerichts Nurnberg vom 11. Dezember 2003 IV 300/2002\n(Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst -DStRE- 2004,281) wurde sie ihm\nzwar vorgelegt. Er brauchte sie jedoch nicht zu entscheiden, weil dem dortigen\nBeschwerdefuhrer keine Kosten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG\nentstanden waren (s. BFH-Beschluss vom 21. Januar 2005 II B 6/04, Sammlung\nEntscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV- 2005, 1092). \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| c) Mit Urteil vom 11. Dezember 2003 IV 300/2002 (DStRE 2004,281) hat das\nFinanzgericht Nurnberg entschieden, dass bei mehreren Miterwerbern der\nPauschbetrag je Erbfall insgesamt nur einmal berucksichtigt werden konne. Dass\nder Pauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG fur die im\nvorhergehenden Satz 1 genannten Kosten zusammen zu gewahren sei, ergebe sich\nbereits aus der Einleitung des Satzes 2, nach der „fur diese Kosten" der\nBetrag von 20.000 DM (inzwischen 10.300 EUR) abgezogen werde. Wenn mit § 10\nAbs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG gemeint ware, dass jeder einzelne (Mit-)Erwerber am\nErbfall den vollen Pauschbetrag ohne Nachweis abziehen konnte, hatte es der\nEinfugung des Wortes „insgesamt" in dieser Vorschrift nicht bedurft. Zwar\nkonne das Wort "insgesamt" in § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG zusatzlich auch\nauf die im vorhergehenden Satz 1 genannten Kosten bezogen werden; doch mache\nes gleichwohl durch seine Einfugung und seine Stellung im Satz deutlich, dass\nsich der Abzug des Pauschbetrags auf den Erbfall insgesamt beziehe. Dem stehe\nnicht entgegen, dass das ErbStG als Erbanfallsteuer und nicht als\nNachlasssteuer ausgestaltet sei und es in § 10 ErbStG gerade die Bestimmung\nder steuerpflichtigen Bereicherung des Erwerbers enthalte (§ 10 Abs. 1 Satz 1\nErbStG). Denn weil das ErbStG den streitigen Pauschbetrag auf den Erbfall\ninsgesamt beziehe, bedurfe es der Verwendung des Wortes "insgesamt" in § 10\nAbs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG, um insoweit das Abweichen von der sonst gegebenen\nMaßgeblichkeit der Bereicherung des einzelnen Erwerbers deutlich zu machen.\nDemgegenuber konne nicht allein daraus, dass das Gesetz keine Regelung fur die\nVerteilung des Pauschbetrags auf mehrere Miterwerber enthalt, auf das\nGegenteil geschlossen werden. Ferner entfalle die mit dem Pauschbetrag vom\nGesetzgeber ersichtlich bezweckte Vereinfachung nicht dadurch, dass der\nPauschbetrag -wenn auch mit einem gewissen Aufwand- auf die mehreren\nMiterwerber am Erbfall verteilt werden musse. Zudem sei es durchaus\nsachgerecht, dass sich der Pauschbetrag auf den Erbfall insgesamt beziehe.\nDenn insbesondere bei den von der Pauschbetragsregelung erfassten Kosten der\nBestattung, des Grabdenkmals und der Grabpflege wurde es sonst zu einer nicht\nverstandlichen Benachteiligung eines Alleinerben fuhren, der diese Kosten\nallein zu tragen habe, den Pauschbetrag jedoch nur einmal erhalte, wahrend\nmehrere Miterben, denen diese Kosten gemeinsam anfallen, trotz einer fur den\nEinzelnen geringeren Belastung den Pauschbetrag gleichwohl jeweils in voller\nHohe und damit fur den einen Erbfall insgesamt mehrfach erhalten wurden. In\ndem Fall, dass bei einem Erbfall eine großere Zahl von Erwerbern vorhanden sei\nund die Erwerbskosten des einzelnen Erwerbers gering seien, wurde der\nGewahrung des Pauschbetrages von -im dortigen Streitzeitraum- 20.000 DM fur\njeden Erwerber die Wirkung eines zusatzlichen Freibetrags zukommen. Eine\nsolche Wirkung durfe der Bestimmung des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG im\nWege einer Auslegung nicht zugewiesen werden, weil die Freibetrage gesondert\nin § 16 ErbStG geregelt seien. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Mit Urteil vom 14. Mai 1998 IV 128/97 (Entscheidungen der Finanzgerichte\n-EFG - 1998, 1419) hatte das Finanzgericht Nurnberg schon in gleicher Weise\nentschieden. Das Finanzgericht Koln schloss sich in seinem Urteil vom 5.\nJanuar 2000 9 K 8042/98 (juris) dem Finanzgericht Nurnberg an. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| d) Die Finanzverwaltung teilt in R 30 Abs.3 Erbschaftsteuer-Richtlinien 2003\n(ErbStR) die Auffassung der vorgenannten Finanzgerichte. Bei Vorhandensein\nmehrerer Erwerber sei der Pauschbetrag in geeigneter Weise, z.B. entsprechend\neinem gemeinsamen Antrag der Erwerber, aufzuteilen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| e) Auch das Schrifttum versteht § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG einhellig\ndahingehend, dass der Pauschbetrag sich auf den gesamten Erbfall beziehe und\ndemzufolge auch von mehreren Beteiligten insgesamt nur einmal in Anspruch\ngenommen werden konne (Pahlke in Christoffel/Geckle/Pahlke, § 10 ErbStG Rz.\n83; § Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG Rz. 154; Megow/Michel, 6. Aufl. 1974, § 10\nErbStG Rz. 16; Meincke, ErbStG, 14. Aufl. 2006, § 10 Rz. 42; Moench/Weinmann,\nErbStG, § 10 Rz. 89; Petzoldt, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, 1978, §\n10 Rz. 58; Gebel in Troll/Gebel/Julicher, ErbStG, § 10 Rz. 235;\nSoffing/Volkers/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, 2. Aufl. 2003,\nB Erbfallschulden z. 14; Viskorf/Glier/Hubner/Knobel/Schuck, Erbschaft- und\nSchenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 2. Aufl. 2004, § 10 ErbStG Rz. 116;\nWachenhausen, Das neue Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht in der\nBeratungspraxis, 1997, § 2 Rz. 54; Herrmann in Wilms, ErbStG, § 10 Rz. 151). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| 3\\. Der erkennende Senat teilt die Auffassung der Finanzgerichte Nurnberg\nund Koln, der Finanzverwaltung und des Schrifttums. Er schließt sich der\nausfuhrlichen Begrundung des Finanzgerichts Nurnberg in seinem Urteil vom 11.\nDezember 2003 an. Die Auffassung, dass der Erbfallkostenpauschbetrag sich auf\nden gesamten Erbfall bezieht und demzufolge auch von mehreren Beteiligten\ninsgesamt nur einmal in Anspruch genommen werden kann, darf als allgemein\nbezeichnet werden. Sie wird auch durch die Entstehungsgeschichte der\nVorschrift und die bei spateren Änderungen erfolgten Überlegungen des\nGesetzgebers untermauert. Der Erbfallkostenpauschbetrag ist 1974 in das ErbStG\ngelangt(Bundesgesetzblatt I 1974, 933). Auf S. 66 der Bundestagsdrucksache\nVI/3418 ist ausgefuhrt: „Abs. 5 regelt wie der jetzige § 24 Abs. 4 ErbStG,\njedoch genauer, den Abzug der als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfahigen\nSchulden und Lasten. Er enthalt gegenuber der geltenden Regelung in Nummer 3\ninsoweit eine Neuerung, als fur die darin aufgefuhrten Kosten _in einem\nErbfall_ 5000 DM ohne Nachweis abgezogen werden durfen". (Die Hervorhebung ist\ndurch den Urteilsverfasser erfolgt). Bei spateren Entscheidungen uber\nErhohungen des Erbfallkostenpauschbetrages von damals ursprunglich 5.000 DM\nauf heute 10.300 EUR war die Entwicklung der Bestattungskosten in der\nBundesrepublik Deutschland fur die Anpassung des Freibetrages ausschlaggebend\n(vgl. Moench, Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau 1988, 164). Der\nErbfallkostenpauschbetrag sollte die durchschnittlichen Kosten einer\nstandesgemaßen Bestattung abdecken. Eine Vervielfachung des Pauschbetrages bei\nmehreren Erwerbern wurde diesem Zweck widersprechen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung\n(FGO). \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| III. Die Revision wird zugelassen, da die Rechtsfrage grundsatzliche\nBedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). \n---\n\n
139,533
olgstut-2003-10-14-1-sch-1602-1-sch-6
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
1 Sch 16/02; 1 Sch 6/03
2003-10-14
2019-01-07 14:39:42
2019-02-12 12:19:01
Beschluss
## Tenor\n\nI. Der Schiedsspruch des Internationalen Schiedsgerichts der Internationalen\nHandelskammer in Paris (Frankreich), bestehend aus Teresa G als\nEinzelschiedsrichterin, vom 12. August 2002 (Aktenzeichen: Fall Nr.\n9781/AC/AER/ACS):\n\nDie Beklagte ... (hier: Antragsgegnerin) wird zur Zahlung folgender Betrage an\ndie Klagerin ... (hier: Antragstellerin) angewiesen:\n\n> 1\\. EUR 536.856,- (entsprechend 1.050.000,- DM)\n\n> 2\\. EUR 184.981,- (entsprechend Lit 358.175.000,-)\n\n> 3\\. EUR 64.068,- (entsprechend Lit 124.052.240,-) zuzuglich Zinsen p.a. ab\n> 1. Januar 1998 bis zur vollstandigen Zahlung wie folgt:\n\n> > - 5 % ab 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 1998\n\n> > - 2,5 % ab 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 1999\n\n> > - 2,5 % ab 1. Januar 2000 bis 31.Dezember 2000\n\n> > - 3,5 % ab 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2001\n\n> > - 3 % ab 1. Januar 2002\n\n> 4\\. EUR 81.341,- (entsprechend Lit 157.000.000,-) zuzuglich Zinsen p.a. ab\n> 1. Januar 1998 bis zur vollstandigen Tilgung wie folgt:\n\n> > - 5 % ab 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 1998\n\n> > - 2,5 % am 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 1999\n\n> > - 2,5 % an 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2000\n\n> > - 3,5 % ab 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2001\n\n> > - 3 % ab 1. Januar 2002\n\n> 5\\. die Verfahrenskosten als Summe der Teilbetrage in Hohe von\n\n> > a) US - $ 63.750,-\n\n> > b) EUR 63.475,-\n\n> > c) SFR 14.447,95\n\nwird fur vollstreckbar erklart.\n\nII. Die Antragsgegnerin tragt die Kosten des Verfahrens uber die\nVollstreckbarerklarung des Schiedsspruchs.\n\nIII. Der Beschluss ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nStreitwert: 1.003.829,95 EUR\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| **A.** \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklarung eines Schiedsspruchs\ndes Internationalen Schiedsgerichts der Internationalen Handelskammer in Paris\n(Frankreich), den Frau Teresa G als Einzelschiedsrichterin in Genf (Schweiz)\nnach der dortigen mundlichen Verhandlung vom 30.7. - 1.8.2001 am 12. August\n2002 erlassen hat. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Parteien schlossen nach eingehenden Vorverhandlungen am 25.3.1996 einen\nVertrag, in welchem sich die Antragsgegnerin zur Lieferung einer\nReifenzerkleinerungsanlage an die Antragstellerin und diese zur Zahlung eines\nKaufpreises in Hohe von DM 1,2 Mio verpflichteten (Anlage B 16, Blatt 425 ff,\nund Blatt 127/128 der Akte 1 Sch 6/03). Dieser Vertrag enthalt unter dem\nAbschnitt "Sonstiges" folgende Regelung: "Die Vertragspartner sind sich\ndaruber einig, dass fur mogliche Streitigkeiten aus diesem Vertrag das Recht\nder BRD anzuwenden ist. Gerichtsstand ist das fur Alpirsbach-Peterzell\nzustandige Gericht". \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Antragstellerin hatte schon am 28.2.1996 zum Zwecke der Finanzierung des\nin Aussicht genommenen Kaufvertrags einen Leasingvertrag mit einer in Italien\nansassigen Firma "..." (nachfolgend "...") geschlossen (Anlage K 11;\nÜbersetzung Blatt 225 d.A. 1 Sch 16/02), der in Ziffer 5 die Rechte des\nLeasingnehmers gegenuber dem Verkaufer bestimmt. Nachdem die Antragsgegnerin\nungeachtet des schon am 25.3.1996 zustande gekommenen Kaufvertrags unter dem\nDatum vom 26.3.1996 nochmals ein "Angebot" an die Antragstellerin zur\nLieferung einer Reifenzerkleinerungsanlage gerichtet hatte (Anlage K 7),\nbestellte ... unter Bezugnahme auf ihre allgemeinen Geschaftsbedingungen mit\nSchreiben vom 3.4.1996 (Anlage K 8 und K 8 Ü, Blatt 143 der Akte 1 Sch 16/02)\nbei der Antragsgegnerin die Reifenzerkleinerungsanlage zu dem von den Parteien\nschon am 25.3.1996 vereinbarten Kaufpreis von DM 1,2 Mio. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 13.5.1996 bestatigte die Antragsgegnerin gegenuber ... die Bestellung\nschriftlich (vgl. Anlage K 9 und K 9 Ü, Blatt 145 der Akte 1 Sch 16/02). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Am 14.5.1996 wurde jedenfalls zwischen der Antragsgegnerin und ... - ob und\ninwieweit auch die Antragstellerin mit einbezogen wurde, ist zwischen den\nParteien streitig - unter Abanderung der Bestellung vom 3.4.1996 eine weitere\nVereinbarung uber die Lieferung der Anlage geschlossen (vgl. Anlage K 10 und K\n10 Ü, Blatt 146). Neben einer Bezugnahme auf das Angebot vom 26.3.1996 und\nnaher geregelten Zahlungs- und Kaufbedingungen (der Antragstellerin wurde die\nPrufung und Abnahme der Anlage uberlassen und die Zahlung der beiden letzten\nRaten in Hohe von 30 % und 10 % wurde von einer Bestatigung der\nAntragstellerin uber die erfolgreiche Abnahme bzw. den ordnungsgemaßen Betrieb\nder Anlage abhangig gemacht), findet sich unter Ziffer 6 lit. b) folgende\nRegelung: \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| "GERICHTSSTAND (teilweise abgeandert) - Dieser Vertrag wird in jeder\nHinsicht vom italienischen Gesetz geregelt und wird als in Italien\nabgeschlossen betrachtet. Jede Streitfrage, die im Zusammenhang mit der\nInterpretation und/oder Erfullung des vorliegenden Vertrages entsteht, wird an\ndie Internationale Handelskammer von Paris ubertragen." \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Unterzeichnet wurde diese Vereinbarung von Vertretern beider Parteien und\nder unter der abschließenden Bemerkung: "zur ausdrucklichen Annahme der\nvorliegenden Abanderungen". Ob damit insbesondere auch die Antragsgegnerin\nPartei der Schiedsgerichtsabrede wurde, ist zwischen den Parteien umstritten. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Anlage wurde im September 1996 an die Antragstellerin geliefert. In der\nFolge erhob die Antragstellerin Mangelrugen, denen die Antragsgegnerin\nteilweise nachging. Im Marz 1997 fand ein Testlauf statt, dessen Ergebnis die\nParteien unterschiedlich bewerten. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Auf die Schiedsklage der Antragsgegnerin gegen vom 29.8.1997 bei der\nInternationalen Handelskammer in Paris verpflichtete der Schiedsrichter P in\neinem am 12.9.2000 in Paris ergangenen Schiedsspruch zur Zahlung des\nRestkaufpreises und wies die Widerklage der ab. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Im vorliegenden Verfahren wurde am 5.12.1997 von der Antragstellerin\nSchiedsklage erhoben. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Durch Schiedsspruch vom 12.8.2002 erkannte das angerufene Schiedsgericht auf\neine Zahlungspflicht der Antragsgegnerin in Hohe der im Beschlusstenor\ngenannten Betrage (Anlage K 58). \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Mit Verfugung des Bezirksgerichtes Genf vom 6.2.2003 wurde der Schiedsspruch\nnach Art 193 Abs. 2 des schweizerischen IPRG in der Schweiz fur rechtskraftig\nund mithin endgultig vollstreckbar erklart (Anlage Ast 3 - Ast 6 in 1 Sch\n6/03). \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Antragstellerin beantragt, \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| den Schiedsspruch im ausgesprochenen Umfang fur vollstreckbar zu erklaren. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Antragsgegnerin beantragt, \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| die Vollstreckbarerklarung abzulehnen und festzustellen, dass der\nSchiedsspruch im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht anzuerkennen ist. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Sie hat folgende Einwande gegen eine Vollstreckbarerklarung des\nSchiedsspruchs erhoben: \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Es fehle an einer Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien, weshalb der\nVersagungsgrund des Art V Abs. 1 lit. a) UNÜ eingreife. Dass eine\nEinzelschiedsrichterin entschieden habe, habe nicht den Regeln der\nSchiedsordnung der Internationalen Handelskammer entsprochen, weshalb gemaß\nArt V Abs. 1 lit. c) UNÜ die Anerkennung zu versagen sei. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Schiedsrichterin habe mit der eingeschlagenen Verfahrensweise in\nverschiedener Hinsicht gegen die vereinbarten Verfahrensregeln verstoßen. So\nhabe sie u.a. das Fragerecht der Antragsgegnerin in der mundlichen Verhandlung\nvor dem Schiedsgericht im Rahmen der Beweisaufnahme unzulassigerweise in\nAnwendung von "common-law"-Regeln beschnitten, Billigkeitsentscheidungen\ngetroffen anstatt nach Recht und Gesetz zu entscheiden und durch eigenmachtige\nHeranziehung von Unterlagen gegen den Beibringungsgrundsatz verstoßen. Der\nVersagungsgrund des Art V Abs. 1 lit d) UNÜ sei damit verwirklicht. Die\nAnerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruches verstoße gegen den\ndeutschen "ordre public" (Art V Abs. 2 lit. b) UNÜ), weil die Schiedsrichterin\nden Grundsatz auf Gewahrung des rechtlichen Gehors verletzt habe, indem sie\nu.a. Beweisantrage der Antragsgegnerin unbeachtet gelassen und sich uber\nstreitigen Parteivortrag hinweggesetzt sowie die schiedsrichterliche\nAufklarungspflicht nicht beachtet habe. Ein weiterer Verstoß gegen den\ndeutschen "ordre public" liege in Verstoßen gegen die Grundsatze der freien\nBeweiswurdigung, in Verstoßen gegen Denkgesetze bei der Auswertung der\nerhobenen Beweise und vorgelegten Unterlagen sowie in der Verwertung nicht\nexistierender Beweise. Schließlich habe die Schiedsrichterin insbesondere\ndadurch, dass sie mit ihrer Entscheidung uber die gestellten Antrage\nhinausgegangen sei, den Beibringungsgrundsatz verletzt, worin ebenfalls ein\nVerstoß gegen den deutschen "ordre public" zu sehen sei. Der Minderungsantrag\nder Antragstellerin, uber den die Schiedsrichterin primar entschieden hat, sei\nnicht von den von den Parteien vereinbarten "Terms of Reference", die den\nStreitgegenstand begrenzten, erfasst gewesen. Schließlich und endlich fehle es\ndem Schiedsspruch auch an einem vollstreckungsfahigen Inhalt. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Wegen des ubrigen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten\nSchriftsatze, je nebst Anlagen, sowie auf das Vorbringen in der mundlichen\nVerhandlung Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung vom 12.8.2003 haben die Parteien die mit\nSchriftsatz vom 23.12.2002 - vor Eingang des vorliegenden Antrags auf\nVollstreckbarerklarung - von der Antragsgegnerin erhobene Klage auf\nFeststellung, dass der Schiedsspruch vom 12.8.2002 in der Bundesrepublik\nDeutschland nicht anzuerkennen und nicht fur vollstreckbar zu erklaren ist,\nubereinstimmend fur erledigt erklart. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| **B.** \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Schiedsspruch ist nach § 1061 Abs. 1 ZPO fur vollstreckbar zu erklaren. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Nach § 1061 Abs. 1 ZPO richtet sich die Vollstreckbarerklarung nach dem\nÜbereinkommen vom 10.7.1958 uber die Anerkennung und Vollstreckung\nauslandischer Schiedsspruche (BGBl. 1961 II, S. 121; im Folgenden UNÜ). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Anerkennungsfreundlichere staatsvertragliche Regelungen, die nach § 1061\nAbs. 1 Satz 2 ZPO unberuhrt bleiben, bestehen nicht. Zwar handelt es sich im\nvorliegenden Fall, in dem der Schiedsspruch in der Schweiz durch ein dort\nansassiges Schiedsgericht erging, um einen schweizerischen Schiedsspruch (vgl.\nBGH NJW 1988, 3090 ff zu einem Schiedsspruch durch ein vom Schiedsgerichtshof\nder Internationalen Handelskammer bestelltes belgisches Schiedsgericht).\nJedoch enthalt das Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und der\nSchweizerischen Eidgenossenschaft uber die gegenseitige Anerkennung und\nVollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedsspruchen vom 2.\nNovember 1929 (RGBl. 1930 II, S. 1065) keine vorrangigen Regelungen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Die formellen Voraussetzungen der Vollstreckbarerklarung nach Art IV UNÜ\nliegen vor (vgl. unten I.). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Nach Art V UNÜ darf die Anerkennung eines Schiedsspruchs nur versagt werden,\nwenn Grunde nach Art V Abs. 1 oder Abs. 2 UNÜ vorliegen. Solche\nVersagungsgrunde hat die Antragsgegnerin nicht zu beweisen vermocht, ein\nVerstoß gegen den "ordre public" kann nicht festgestellt werden (vgl. unten\nII.). \n--- \n--- \nI. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Antragstellerin ist den formellen Antragserfordernissen nach Art. IV des\nfur die Vollstreckbarerklarung des Schiedsspruchs gemaß § 1061 Abs. 1 Satz 1\nZPO maßgeblichen UNÜ nachgekommen. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Der Schiedsspruch vom 12.8.2002, dessen Vollstreckbarerklarung begehrt wird,\nist im Original nebst einer Übersetzung durch einen allgemein beeidigten\nDolmetscher vorgelegt (vgl. Anlage Ast 1 und Ast 2 in der Akte 1 Sch 6/03). \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Gleiches gilt fur die Schiedsvereinbarung (vgl. Anlage Ast 7/8 in 1 Sch\n6/03). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Zudem waren Legalisationsmangel unschadlich, da die Existenz und\nAuthentizitat des Schiedsspruchs unstreitig sind (vgl. zuletzt BGH NJW-RR\n2001, 1059 ff). \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Ein die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung nach Art V UNÜ\nrechtfertigender Grund liegt nicht vor. \n--- \n--- \n1. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Antragsgegnerin kann sich nicht mit Erfolg auf ein Fehlen einer\nSchiedsvereinbarung nach Art. V (1) lit. a) bzw. lit. c) UNÜ berufen. \n--- \n--- \na) \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Sie kann im Vollstreckbarerklarungsverfahren nicht mehr damit gehort werden,\nes habe eine Schiedsvereinbarung im Verhaltnis zur Antragstellerin gefehlt. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Nachdem das Schiedsgericht mit dem ersten Zwischenschiedsspruch vom 7.1.2000\n(K 33 und K 33 Ü, Blatt 236) seine Zustandigkeit auf Grund einer Auslegung der\nVereinbarung vom 14.5.1996 (K 10 und K 10 Ü, Blatt 146) bejaht hatte, hatte\ndie Antragsgegnerin diesen Zwischenschiedsspruch mit der staatsrechtlichen\nBeschwerde nach Art. 190 Abs. 2 lit. b), Art 190 Abs. 3, Art. 191 Abs. 1 Satz\n2 des schweizerischen Bundesgesetzes uber das Internationale Privatrecht (im\nFolgenden: IPRG) in Verbindung mit Art. 85 lit. c), Art. 87 Abs. 1, Art 89\nAbs. 1 des schweizerischen Bundesrechtspflegegesetzes innerhalb einer Frist\nvon 30 Tagen nach Mitteilung des Zwischenschiedsspruches anfechten konnen. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die genannten Vorschriften lauten auszugsweise wie folgt: \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Kapitel 12 IPRG, \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Art 190: \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| (1) Mit der Eroffnung ist der Entscheid endgultig. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| (2) Der Entscheid kann nur angefochten werden: \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| a) wenn der Einzelschiedsrichter vorschriftswidrig ernannt oder das\nSchiedsgericht vorschriftswidrig zusammengesetzt wurde; \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| b) wenn sich das Schiedsgericht zu Unrecht fur zustandig oder unzustandig\nerklart hat; \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| c) wenn das Schiedsgericht uber Streitpunkte entschieden hat, die ihm nicht\nunterbreitet wurden oder wenn es Rechtsbegehren unbeurteilt gelassen hat; \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| d) wenn der Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien oder der Grundsatz\ndes rechtlichen Gehors verletzt wurde; \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| e) wenn der Entscheid mit dem Ordre public unvereinbar ist. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| (3) Vorentscheide konnen nur aus den in Absatz 2 Buchstabe a und b genannten\nGrunden angefochten werden; die Beschwerdefrist beginnt mit der Zustellung des\nVorentscheids. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Art. 191: \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| (1) Einzige Beschwerdeinstanz ist das schweizerische Bundesgericht. Das\nVerfahren richtet sich nach den Bestimmungen des Bundesrechtspflegegesetzes\nbetreffend staatsrechtliche Beschwerde. \n--- \n--- \n(2) ... \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Art 85 des Bundesrechtspflegegesetzes: \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Ferner beurteilt das Bundesgericht: \n--- \n--- \na) ... \n--- \n--- \nb) ... \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| c) Beschwerden gegen Urteile von Schiedsgerichten nach Art 190 ff. des\nBundesgesetzes vom 18. Dezember 1987 uber das Internationale Privatrecht. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Art 87: \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| (1) Gegen selbstandig eroffnete Vor- und Zwischenentscheide uber die\nZustandigkeit und uber ... ist die staatsrechtliche Beschwerde zulassig. Diese\nEntscheide konnen spater nicht mehr angefochten werden. \n--- \n--- \n(2) ... \n--- \n--- \n(3) ... \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Art 89: \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| (1) Die Beschwerde ist binnen 30 Tagen, von der nach dem kantonalen Recht\nmaßgebenden Eroffnung oder Mitteilung des Erlasses oder der Verfugung an\ngerechnet, dem Bundesgericht schriftlich einzureichen. \n--- \n--- \n(2) ... \n--- \n--- \n(3) ... \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Die Parteien hatten am 22.12.1998 in den "Terms of Reference" (K 30/31)\ngrundlegende Bedingungen fur das Schiedsverfahren vereinbart und\nunterzeichnet. Im Abschnitt C. VI ist dort u.a. folgende Regelung getroffen\nworden: \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Das Schiedsverfahren soll gemaß den Regeln der Schlichtungs- und\nSchiedsgerichtsordnung der Internationalen Handelskammer gefuhrt werden. Dort\nwo diese Regeln luckenhaft sind, soll Kapitel 12 des Schweizerischen Gesetzes\nuber das Internationale Privatrecht Anwendung finden. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Damit ist - auch fur Zwischenschiedsspruche - die staatsrechtliche\nBeschwerde eroffnet worden; ihre Nichteinlegung zieht Praklusionswirkungen\nnach sich. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Der Senat schließt sich der standigen Rechtsprechung des BGH an, wonach\nEinwendungen, wozu auch das Fehlen eines Schiedsvertrages zahlt, die im\nAusland (in dem Land, in dem das Schiedsverfahren stattfand) mit einem\nfristgebundenen Rechtsbehelf geltend zu machen gewesen waren, aber nicht\nwurden, fur das inlandische Verfahren der Vollstreckbarerklarung verloren sind\n(vgl. BGH NJW 1984, 2763 ff u.a. zum Fehlen eines Schiedsvertrages; BGHZ 52,\n184 ff zur Ungultigkeit eines Schiedsvertrages; BGH NJW-RR 2001, 1059 ff zur\nBefangenheit eines Schiedsrichters). Soweit ersichtlich, wird der so\nbeschriebene Vorrang einer auslandischen Anfechtungs- oder\nAufhebungsmoglichkeit mit daran anschließender Praklusion fur das inlandische\nVollstreckbarerklarungsverfahren in der Kommentarliteratur ebenfalls\nbefurwortet (vgl. Musielak-Voit, ZPO, 3. Auflage, RN 12 aE zu § 1061 ZPO;\nZoller-Geimer, ZPO, 23. Auflage, RN 28 ff zu § 1061 ZPO). Eventuelle Grunde,\ndie die Antragsgegnerin an der Erhebung der in der Schweiz moglichen\nRechtsbehelfe gehindert haben konnten (vgl. BGH NJW-RR 2001, 1059 ff), sind\nvon dieser nicht geltend gemacht. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| Die von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidungen des BayObLG (NJW-RR\n2001, 431 f.) und des OLG Schleswig (RIW 2000, 706 ff.), die den Standpunkt\neinnehmen, dass das nach § 1061 ZPO n.F. allein noch maßgebende UNÜ in Art V\nkeinen Anknupfungstatbestand fur einen Rugeverlust enthalte und deshalb der zu\n§ 1044 a.F. ergangenen Rechtsprechung des BGH (s.o.) die Grundlage entzogen\nsei, uberzeugen den Senat nicht. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| Beide genannten Entscheidungen sind vor der Entscheidung des BGH vom\n1.2.2001 (NJW-RR 2001, 1059 ff.) ergangen und konnten demnach die dortigen\nAusfuhrungen des BGH zu einem Rugeverlust nicht berucksichtigen. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| Zwar war der Schiedsspruch, der der Entscheidung des BGH vom 1.2.2001 (aaO)\nzugrunde lag, auch noch zu einem Zeitpunkt vor dem Inkrafttreten der\nNeuregelung des Schiedsverfahrensrechts am 1.1.1998 ergangen. Der BGH hatte\nden Vollstreckbarerklarungsantrag aber auch uber § 1044 Abs. 1 ZPO a.F. allein\nunter den Versagungsgesichtspunkten des Art V UNÜ uberpruft. Im Zusammenhang\nmit dem in jenem Verfahren gerugten Verstoß gegen den "ordre public" (Art V\nAbs. 2 lit b) UNÜ) hat der BGH daran festgehalten, dass ein darauf gegrundeter\nVersagungsgrund erst gepruft werden konne, wenn die behauptete Befangenheit\neines Schiedsrichters entweder im Ursprungsland des Schiedsspruchs nicht\ngeltend gemacht werden konnte oder dies erfolglos versucht worden war. Der BGH\nhat es zusammenfassend als sachgerecht erachtet, die Partei, die einen\nAblehnungsgrund geltend macht, grundsatzlich auf die Rechtsschutzmoglichkeiten\nzu verweisen, die nach dem Recht des Schiedsverfahrens - im Schiedsverfahren\nselbst oder vor den Gerichten des Erlassstaates - bestehen (aaO). An diesen\nGrundsatzen hat auch die Einfuhrung des Territorialitatsgrundsatzes in das\ndeutsche Schiedsverfahrensrecht (§ 1025 ZPO) nichts geandert. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| Der Senat halt deshalb auch im vorliegenden Sachverhalt an der\nPraklusionswirkung fest. Das Ergebnis widerspricht auch nicht den\nGrundgedanken des UNÜ, das - wie der Wortlaut des Art V UNÜ ("Die Anerkennung\nund Vollstreckung des Schiedsspruchs darf ... nur versagt werden, wenn...")\nerkennen lasst - in der Regel die Anerkennung des auslandischen Schiedsspruchs\nwill, die Versagung aber als Ausnahme behandelt. Diesem Ziel dient ein\nRugeverlust unter den beschriebenen Voraussetzungen, wie den genannten\nEntscheidungen des BGH zu entnehmen ist. \n--- \n--- \nb) \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| Selbst dann, wenn das Schiedsgericht seine Zustandigkeit zu Unrecht bejaht\nhaben sollte (was nicht der Fall ist, vgl. unten c)), lage in der Anwendung\nder Praklusionsregelung gerade wegen der in der Schweiz zur Verfugung\ngestellten Rechtsbehelfsmoglichkeiten (s.o.) auch kein Verstoß gegen den von\nAmts wegen zu beachtenden "ordre public" nach Art. V (2) lit. b) UNÜ (vgl. BGH\nvom 1.2.2001, aaO). Die gleiche Konsequenz gilt im Übrigen auch fur\ninlandische Schiedsspruche. Fur sie sieht § 1040 Abs. 3 ZPO die befristete\nMoglichkeit einer Anfechtung eines die Zustandigkeit des Schiedsgerichts\nbejahenden Zwischenentscheids vor; die Versaumung des Antrags nach § 1040 Abs.\n3 Satz 2 ZPO schließt den Einwand der Ungultigkeit der Schiedsvereinbarung fur\ndas Schiedsverfahren und fur das Aufhebungs- und\nVollstreckbarerklarungsverfahren aus (vgl. BGH vom 27.3.2003, III ZB 83/02).\nVor diesem Hintergrund kann es bei einem auslandischen Schiedsspruch, der dem\nweniger strengen, namlich einen schwerwiegenden, die Grundlagen des\nstaatlichen und wirtschaftlichen Lebens beruhrenden Verfahrensmangel\nfordernden Regime des "ordre public international" unterliegt (vgl. BGH NJW-RR\n2001, 1059 ff; BGHZ 98, 70 ff; BGHZ 110, 104 ff;), nicht einleuchten, dass das\nim Ausland versaumte Rechtsmittel eine erneute Überprufung im\nVollstreckbarerklarungsverfahren ermoglicht. \n--- \n--- \nc) \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| Das Schiedsgericht hat sich im Übrigen auch zu Recht fur zustandig gehalten.\nDie Parteien haben die Zustandigkeit des Schiedsgerichts vereinbart. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| Dies folgt aus einer Auslegung der Vereinbarung vom 14.5.1996 (K 10 und K 10\nÜ, Blatt 146). Diese ist von der Antragsgegnerin als Lieferantin des\nLeasinggutes, der Leasinggeberin ... und der Antragstellerin als\nLeasingnehmerin unterzeichnet. Es ist kein Anhaltspunkt dafur ersichtlich,\ndass die Antragstellerin mit der Unterschrift ihres Vertreters nur\nVereinbarungen zwischen der Antragsgegnerin und der Leasingnehmerin zur\nKenntnis nehmen sollte, wie von der Antragsgegnerin dargestellt. Die\nUnterschriften aller drei Vertreter der beteiligten Unternehmen erfolgten\nvielmehr "zur ausdrucklichen Annahme der vorliegenden Abanderungen" u.a. zu\nFragen der Annahme, Prufung und Abnahme des Vertragsgegenstandes durch die\nAntragstellerin. Mit der in Ziffer 6 geregelten Vereinbarung uber das "foro\ncompetente" (Gerichtsstand) und der darin erfolgten ausdrucklichen Übertragung\n"jeder Streitfrage im Zusammenhang mit der Interpretation und/oder Erfullung\ndes vorliegenden Vertrages an die Internationale Handelskammer von Paris"\nhaben die Parteien eine rechtsgultige Schiedsabrede getroffen und die fruhere\nGerichtsstandsvereinbarung im hinfallig gewordenen direkten Liefervertrag vom\n25.3.1996 (Blatt 127/128 der Akte 1 Sch 6/03), nach welcher das fur\nAlpirsbach-Peterzell zustandige Gericht berufen sein sollte, nicht bestatigt. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| Das von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 7.8.2003 (S. 15) beantragte\nSachverstandigengutachten dazu, dass auch nach italienischem Recht Kaufvertrag\nund Leasingvertrag trotz des gegebenen inneren, wirtschaftlichen Zusammenhangs\nzwischen beiden Vertragen selbststandige Rechtsverhaltnisse darstellen, die\njeweils "inter partes" und nicht "inter omnes" wirken, ist nicht einzuholen.\nDer Senat geht hiervon aus. Der von den Parteien und der als Leasinggeberin\nunterzeichnete Vertrag vom 14.5.1996 war - um den Sprachgebrauch der\nAntragsgegnerin aufzugreifen - ein Vertrag "inter tres partes". Mit der\nFormulierung "... zur ausdrucklichen Annahme der vorliegenden Abanderungen"\nund mit der Regelung, dass fur jede Streitfrage aus dem "... vorliegenden\nVertrag" die Internationale Handelskammer von Paris zustandig sein soll, ist\nauch zwischen der Antragsgegnerin als Lieferantin bzw. Verkauferin und der\nAntragstellerin als Leasingnehmerin, an die die Anlage zu liefern war und die\ndiese fur die Abnahme zu prufen hatte, eine wirksame Schiedsgerichtsabrede\nzustande gekommen. Das von der Antragsgegnerin vermisste Rechtsverhaltnis, auf\nwelches sich diese Abrede bezog, ist im Übrigen auch darin zu sehen, dass in\nden von der BN ihrer Bestellung zugrunde gelegten AGB (vgl. Anlage K 28, Seite\n88/89) folgender Hinweis enthalten ist: \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| "Das Unternehmen, die Person oder der Rechtstrager, an welchen die Ware\ngeliefert wird, bleibt in eigenem Namen oder da Rechte der Kauferin abgetreten\nwurden weiterhin berechtigt, samtliche Garantieforderungen bezuglich der\nLieferung auf Grund dieses Auftrags geltend zu machen". \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| Diese Bestellung bestatigte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 13.5.1996\n(Anlage K 9 und K 9 Ü, Blatt 145 der Akte 1 Sch 16/02). \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| In Ziffer 5 des Leasingvertrages zwischen ... und der Antragstellerin\n(Anlage K 11, Übersetzung in Blatt 225, 228 d.A. 1 Sch 16/02) ist weiter\nfolgende Regelung zu finden: \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| "... Der Leasingnehmer kann jedoch jede Art von Klage, die dem Leasinggeber\nin seiner Rolle als Kaufer zusteht, direkt gegen den Verkaufer erheben, unter\nAusnahme der Klage zur Vertragsauflosung, wenn dies mit dem Verkaufer\nvereinbart wurde, oder ansonsten im Namen des Leasinggebers, wobei dieser\njedoch in Bezug auf jede Art von Kosten, Schadensersatz und Verpflichtungen\nschadlos gehalten wird". \n--- \n--- \n| 73 \n--- \n| Angesichts der Erklarungen vom 13.5.1996 (s.o) kann sich die Antragsgegnerin\nnicht darauf berufen, die in Ziffer 5 des Leasingvertrages geforderte\nVereinbarung mit ihrer Verkauferin fehle. Die Berechtigung zur Wahrnehmung der\nKauferrechte durch die Antragstellerin hatte sich die Leasinggeberin in ihren\nallgemeinen Geschaftsbedingungen - von der Antragsgegnerin unwidersprochen -\nausbedungen. \n--- \n--- \n| 74 \n--- \n| In der Beurteilung nach deutschem Recht, das nicht zur Anwendung kommt, weil\ndie Parteien im Vertrag vom 14.5.1996 materielles italienisches Recht gewahlt\nhaben, entsprachen die zitierten Regelungen im Leasingvertrag einerseits und\nder Bestellung der ... andererseits entweder einer Ermachtigung oder einer\nAbtretung der Gewahrleistungsrechte an die Leasingnehmerin zur eigenstandigen\nGeltendmachung gegenuber der Antragsgegnerin als Lieferanten. Im Fall der\nAbtretung eines Anspruchs, mit dem eine Schiedsklausel verbunden ist, gilt\ndiese nach der standigen Rechtsprechung des BGH grundsatzlich auch gegenuber\ndem Erwerber des Anspruchs (BGH NJW 1980, 2022 ff; Raeschke-Kessler/Berger,\nRecht und Praxis des Schiedsverfahrens, 3. Auflage, RN 384). Die\nWirkungserstreckung der Schiedsabrede ist demnach deutschem Recht nicht fremd. \n--- \n--- \n2. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| Die Anerkennung des Schiedsspruchs kann auch nicht mit der Begrundung\nversagt werden, die Entscheidung des Schiedsgerichtsverfahrens durch eine\nEinzelschiedsrichterin habe der Antragsgegnerin den "gesetzlichen"\nSchiedsrichter genommen (Art V (1) lit. c) oder d) UNÜ). \n--- \n--- \na) \n--- \n--- \n| 76 \n--- \n| Zum einen hatte die Antragsgegnerin auch dies bereits mit der im\nschweizerischen Recht zur Verfugung gestellten staatsrechtlichen Beschwerde\ngemaß Art 190 (2) lit. a) IPRG geltend machen konnen. Da sie es nicht getan\nhat, kann sie jetzt nicht mehr damit gehort werden. \n--- \n--- \nb) \n--- \n--- \n| 77 \n--- \n| Zum anderen hatte sie den Umstand, dass nicht eine Einzelschiedsrichterin,\nsondern ein Dreierschiedsgericht hatte entscheiden mussen, im\nschiedsrichterlichen Verfahren rugen konnen und mussen, nachdem bereits mit\nSchriftsatz vom 28.2.2001 (K 35) von der Antragstellerin auf die Aufforderung\nder Schiedsrichterin hin, zu Grund und Hohe des Schadensersatzanspruches\numfassend vorzutragen, Anspruche geltend gemacht wurden, die dem Betrag nach\nuber die ursprunglich eingeklagten hinausgingen und die nach der Ansicht der\nAntragsgegnerin, waren sie von vornherein zum Gegenstand der Schiedsklage der\nAntragstellerin gemacht worden, wegen der Bedeutung der Sache zur Ernennung\neines Dreier-Schiedsgerichts durch den Schiedsgerichtshof gefuhrt hatten. \n--- \n--- \naa) \n--- \n--- \n| 78 \n--- \n| Eine entsprechende Rugeobliegenheit sieht Art 33 der seit dem 1.1.1998\ngultigen "ICC Schiedsgerichtsordnung der Internationalen Handelskammer" vor.\nArt 33 lautet wie folgt: \n--- \n--- \n| 79 \n--- \n| "Eine Partei, die mit dem Schiedsverfahren fortfahrt, ohne einen Verstoß\ngegen diese Schiedsgerichtsordnung oder gegen andere auf das Verfahren\nanwendbare Vorschriften, gegen Anordnungen des Schiedsgerichts oder gegen\nAnforderungen aus der Schiedsvereinbarung betreffend die Zusammensetzung des\nSchiedsgerichts oder die Verfahrensfuhrung zu rugen, kann diesen spater nicht\nmehr geltend machen". \n--- \n--- \n| 80 \n--- \n| Die zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung durch die Antragstellerin im\nDezember 1997 noch gultige Schiedsordnung 1988 enthielt eine entsprechende\nRegelung nicht (vgl. Anlage K 32). \n--- \n--- \nbb) \n--- \n--- \n| 81 \n--- \n| Zu rugen hatte die Antragsgegnerin das Tatigwerden der\nEinzelschiedsrichterin - unabhangig davon, ob die Schiedsordnung eine\nentsprechende Rugepflicht unter Hinweis auf die Konsequenzen ausdrucklich, wie\nes die ab 1.1.1998 gultige Schiedsordnung tut, statuierte oder nicht -\nindessen nach allgemein gultigen Verfahrensregeln spatestens in der mundlichen\nVerhandlung vor dem Schiedsgericht, weil das Verbot widerspruchlichen\nVerhaltens ein (auch) dem UNÜ innewohnendes Rechtsprinzip darstellt (vgl. OLG\nSchleswig, aaO, S. 708 mwN). Wenn dieses Verbot zur Annahme einer Heilung\neiner ursprunglich nicht wirksamen Schiedsklausel durch rugelose Einlassung\nfuhren kann (vgl. OLG Schleswig aaO, S. 707), so muss dies erst recht dazu\nfuhren, dass eine Partei, die sich rugelos auf eine mundliche Verhandlung vor\neiner Einzelschiedsrichterin eingelassen hat, die darin angeblich grundende\nfehlerhafte Besetzung des Schiedsgerichts spater nach Treu und Glauben nicht\nmehr geltend machen kann. \n--- \n--- \n| 82 \n--- \n| Die Antragsgegnerin hat nicht behauptet, sie habe eine solche Ruge im\nSchiedsverfahren erhoben. \n--- \n--- \n| 83 \n--- \n| Dies gilt, soweit ersichtlich, auch fur den im Schiedsverfahren von der\nAntragsgegnerin eingereichten Schriftsatz vom 30.4.2001 (Anlage K 42), auf\nwelchen die Antragsgegnerin in der mundlichen Verhandlung vor dem Senat Bezug\nnahm zur Begrundung dafur, sie habe im Schiedsverfahren ein Überschreiten der\nGrenzen des in den "Terms of Reference" vereinbarten Schiedsauftrages durch\nZulassung der erweiterten Antrage der Antragstellerin gerugt. \n--- \n--- \n3. \n--- \n--- \n| 84 \n--- \n| Die Antragsgegnerin hat keine Verstoße gegen das vereinbarte\nschiedsrichterliche Verfahren nachgewiesen, die zur Versagung der Anerkennung\nund Vollstreckung des Schiedsspruches fuhren (Art V. (1) lit. d UNÜ). \n--- \n--- \n| 85 \n--- \n| Die von den Parteien in den "Terms of Reference" fur das Verfahren\nvereinbarte Schiedsordnung und Kapitel 12 IPRG enthalten folgende, das\nschiedsrichterliche Verfahren betreffende Regelungen: \n--- \n--- \n| 86 \n--- \n| Art 11 SchO 1988: \n--- \n--- \n| 87 \n--- \n| Auf das Verfahren vor dem Schiedsrichter sind die Bestimmungen dieser\nSchiedsgerichtsordnung anzuwenden und, soweit diese keine Vorschriften\nenthalt, die Bestimmungen, die von den Parteien oder, falls sie es\nunterlassen, die von dem Schiedsrichter getroffen werden, gleichgultig, ob sie\nsich dabei auf eine nationale Prozessordnung beziehen oder nicht, die auf das\nSchiedsverfahren angewendet werden soll. \n--- \n--- \n| 88 \n--- \n| Kapitel 12, Artikel 182 des IPRG: \n--- \n--- \n| 89 \n--- \n| (1) Die Parteien konnen das schiedsrichterliche Verfahren selber oder durch\nVerweis auf eine schiedsgerichtliche Verfahrensordnung regeln; sie konnen es\nauch einem Verfahrensrecht ihrer Wahl unterstellen. \n--- \n--- \n| 90 \n--- \n| (2) Haben die Parteien das Verfahren nicht selber geregelt, so wird dieses,\nsoweit notig, vom Schiedsgericht festgelegt, sei es direkt, sei es durch\nBezugnahme auf ein Gesetz oder eine schiedsgerichtliche Verfahrensordnung. \n--- \n--- \n| 91 \n--- \n| (3) Unabhangig vom gewahlten Verfahren muss das Schiedsgericht in allen\nFallen die Gleichbehandlung der Parteien sowie ihren Anspruch auf rechtliches\nGehor in einem kontradiktorischen Verfahren gewahrleisten. \n--- \n--- \n| 92 \n--- \n| Unter Beachtung dieser Regelungen hat das Schiedsgericht die Antragsgegnerin\nweder unzulassig in deren Fragerecht in der mundlichen Verhandlung vom 30.7. -\n1.8.2001 beschrankt, noch unzulassigerweise nach Billigkeit statt nach Recht\nund Gesetz oder unter Verstoß gegen den Beibringungsgrundsatz entschieden. \n--- \n--- \na) \n--- \n--- \n| 93 \n--- \n| Die Antragsgegnerin wurde in der mundlichen Verhandlung nicht in ihrem\nFragerecht beschnitten. \n--- \n--- \naa) \n--- \n--- \n| 94 \n--- \n| Sie nimmt mit ihrer entsprechenden Ruge Bezug auf die Verfahrensverfugung\nder Schiedsrichterin vom 7.6.2001 (K 45), von der diese aber mit Mitteilung\nvom 15.6.2001 (K 47), mit ihrer Verfugung vom 2.7.2001 (K 48) und durch die\nVerfahrensgestaltung in der mundlichen Verhandlung vom 30.7. - 1.8.2001 (K 49)\nabgeruckt war. \n--- \n--- \n| 95 \n--- \n| In der Verfugung vom 2.7.2001 hatte die Schiedsrichterin angeordnet, dass\ndie Befragung der Zeugen im Wege der "direct, cross und re-direct examination"\nstattfinden sollte. So wurde in der mundlichen Verhandlung auch verfahren.\nJede Partei konnte zunachst den von ihr benannten Zeugen befragen, dann ging\ndas Fragerecht an die Gegenpartei uber und anschließend hatte Gelegenheit\nbestanden, den eigenen Zeugen nochmals zu befragen. Die Schiedsrichterin\nstellte zu Beginn und auch spater immer wieder eigene Fragen. Es ist nicht\ndargelegt oder sonst erkennbar, in welcher Weise die Antragsgegnerin durch\ndiese Verfahrensweise in ihrem Fragerecht verkurzt worden ist. Der\nProzessbevollmachtigte der Antragsgegnerin, Rechtsanwalt Dr. ..., der diese\nauch im Schiedsverfahren vertreten hat, hat selbst gemaß dem\nVerhandlungsprotokoll vor dem Schiedsgericht (Anlage K 49, Seite 159) auf den\nVorhalt der Schiedsrichterin, sie habe eine "re-direct-examination" der Zeugen\ndurch die jeweils den Zeugen benennende Partei zugelassen und daher die\nZeugenbefragung nicht begrenzt, gerade dies auch eingeraumt. \n--- \n--- \nbb) \n--- \n--- \n| 96 \n--- \n| Daruber hinaus fehlt jeglicher Vortrag der beweisbelasteten Antragsgegnerin\ndazu, in welcher Weise sich die von ihr behauptete Einschrankung des\nFragerechts auf die Entscheidung des Schiedsgerichts ausgewirkt haben konnte.\nIn diesem Zusammenhang hatte es des Vortrags bedurft, welche konkreten Fragen\ndie Antragsgegnerin an den einen oder anderen Zeugen noch gehabt hatte, die zu\nstellen die Verfahrensweise des Schiedsgerichts verhinderte. Nur bei Vortrag\nder Antragsgegnerin in diesem Sinne konnte die Feststellung getroffen werden,\nob sich der behauptete Verfahrensverstoß uberhaupt ausgewirkt haben kann oder\nob eine solche Auswirkung nicht vielmehr ausgeschlossen erscheint. \n--- \n--- \n| 97 \n--- \n| Wenngleich Art V (1) lit. d) UNÜ fur auslandische Schiedsspruche im\nUnterschied zu § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO bei inlandischen Schiedsspruchen\nnicht ausdrucklich eine Auswirkung des geltend gemachten Verfahrensfehlers\npostuliert, besteht dennoch weitgehend Einigkeit daruber, dass nicht jeder\neinfache Verfahrensfehler unabhangig von seiner Bedeutung dazu fuhren kann,\ndass dem nach dem UNÜ zu beurteilenden Schiedsspruch die Anerkennung und\nVollstreckung zu versagen ist. \n--- \n--- \n| 98 \n--- \n| Voit (in: Musielak, aaO, RN 17 zu § 1061 ZPO) halt einen Verfahrensfehler\nnur fur relevant, sofern es moglich erscheint, dass sich dieser auf das\nErgebnis des Schiedsverfahrens ausgewirkt hat. \n--- \n--- \n| 99 \n--- \n| Munch (in: MuKo, aaO, RN 6 und FN 28 zu § 1061 ZPO) weist zwar einerseits\nauf den Verzicht auf das Kausalerfordernis in Art V UNÜ hin, andererseits aber\nauch darauf, dass diese Einschrankung im UNÜ umstritten ist. \n--- \n--- \n| 100 \n--- \n| Gottwald (in: MuKo, aaO, RN 35 zu Art V UNÜ) halt einen wesentlichen\nVerfahrensfehler fur notig, weil es sonst zu weitgehend sei, jeden\nVerfahrensfehler unabhangig von seiner Erheblichkeit ausreichen zu lassen.\nWesentlich sei ein Fehler aber nur dann, wenn er nach dem anzuwendenden\nVerfahrensrecht einen Aufhebungsgrund darstelle; gleiches gelte auch fur die\nKausalitat des Verfahrensfehlers. \n--- \n--- \n| 101 \n--- \n| Schlosser (in: Das Recht der internationalen privaten\nSchiedsgerichtsbarkeit, 2. Auflage, RN 817 f.) lasst zwar jeden\nVerfahrensfehler ausreichen, fordert aber Kausalitat desselben und verweist\n(aaO, FN 4) darauf, dass das Entsprechende im Aufhebungsverfahren wohl\ninternational einhellig anerkannt sei. Kausalitat sei schon dann gegeben, wenn\nnicht ausgeschlossen werden konne, dass die Schiedsrichter bei Vermeidung des\nFehlers zu einem anderen Ergebnis gelangt waren. \n--- \n--- \n| 102 \n--- \n| Schwab/Walter (in: Schiedsgerichtsbarkeit, 6. Auflage, Kapitel 57, RN 13,\nKapitel 24, RN 21 ff) wiederum wollen auf einen erheblichen Verfahrensfehler\nabstellen. \n--- \n--- \n| 103 \n--- \n| Nach Geimer (in: Zoller, ZPO, 23. Auflage, RN 39a zu § 1061 ZPO) kann ein im\nSchiedsverfahren nicht geltend gemachter Verfahrensfehler nur dann\nVersagungsgrund nach Art V (1) UNÜ sein, wenn dieser zugleich die\nAnforderungen an einen Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public\nerfullt, also der in Deutschland schlechthin unabdingbare Mindeststandard an\nVerfahrensgerechtigkeit (Zoller, aaO, RN 31) unterschritten ist bzw. der\nMangel so schwer wiegt, dass er die Grundlagen des staatlichen und\nwirtschaftlichen Lebens in Deutschland beruhrt (vgl. BGHZ 98, 70 ff; BGHZ 110,\n104 ff). \n--- \n--- \n| 104 \n--- \n| Der BGH hat fur die Feststellung eines Verstoßes gegen den\nverfahrensrechtlichen "ordre public international" im Falle der Befangenheit\nvon Schiedsrichtern gefordert, dass sich die Befangenheit des Schiedsrichters\nkonkret ausgewirkt haben muss (vgl. BGH NJW-RR 2001, 1059 ff; BGHZ 98, 70 ff);\nin der letztgenannten Entscheidung hat er sogar verallgemeinernd einen Verstoß\ngegen den "ordre public international" nur dann fur moglich gehalten, wenn die\nEntscheidung des auslandischen Gerichts (und gleiches musse gelten fur die\nAnerkennung von Entscheidungen auslandischer Schiedsgerichte) auf Grund eines\nVerfahrens ergangen sei, das von den Grundprinzipien des deutschen\nVerfahrensrechts in einem solchen Maße abweiche, dass sie nach der deutschen\nRechtsordnung nicht als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren\nergangen angesehen werden konne. Auch dies lasst darauf schließen, dass ein\nkausaler Verstoß zu fordern ist. \n--- \n--- \n| 105 \n--- \n| Der Senat sieht keinen rechtfertigenden Grund dafur, warum - wenn bei einem\nVerstoß gegen den verfahrensrechtlichen "ordre public international"\nKausalitat gefordert wird - bei einem einfachen Verstoß unter dem\nGesichtspunkt des Art V (1) lit. d UNÜ hiervon abgesehen werden sollte. \n--- \n--- \n| 106 \n--- \n| Vor dem Hintergrund dieser Standpunkte ist der Senat unter Bezugnahme auf\nden von Gottwald (s.o.) entwickelten Gedanken zur Wesentlichkeit eines\nVerfahrensfehlers der Auffassung, dass jedenfalls ein einfacher\nVerfahrensfehler, der nach der von den Parteien des Schiedsverfahrens\nvereinbarten Verfahrensordnung (hier: IPRG) nicht einmal zur Aufhebung des\nSchiedsspruchs berechtigt, auch im inlandischen\nVollstreckbarerklarungsverfahren nicht als relevant angesehen werden kann.\nImmerhin haben die Parteien des Schiedsverfahrens das IPRG mit seinen\nbeschrankten Aufhebungsmoglichkeiten ausdrucklich vereinbart. Art 190 (2) IPRG\nfordert als Anfechtungsgrund aber einen Verstoß gegen den "ordre public",\nlasst einen einfachen Verfahrensverstoß also nicht ausreichen. \n--- \n--- \n| 107 \n--- \n| Nach jedem der aufgefuhrten Denkansatze ist der Vortrag der Antragsgegnerin\nzur angeblichen (tatsachlich nicht festzustellenden) Einschrankung des\nFragerechts als nicht zureichend zu beurteilen, weil in keiner Weise beurteilt\nwerden kann, wie sich die angebliche Beschrankung des Fragerechts ausgewirkt\nhaben konnte. \n--- \n--- \nb) \n--- \n--- \n| 108 \n--- \n| Das Schiedsgericht hat auch nicht unzulassigerweise nach Billigkeit ("ex\naequo et bono") statt nach Recht und Gesetz entschieden. \n--- \n--- \n| 109 \n--- \n| Richtig ist allerdings, dass bei einer ausschließlich an\nBilligkeitserwagungen ausgerichteten Entscheidung das von den Parteien\ngewahlte Verfahrensrecht als verletzt angesehen werden musste (vgl. Raeschke-\nKessler/Berger, aaO, RN 972; Musielak-Voit, aaO, RN 16 zu § 1061 ZPO), denn\nhierzu haben die Parteien das Schiedsgericht nicht ermachtigt. \n--- \n--- \n| 110 \n--- \n| Indessen hat die Schiedsrichterin - wie die Begrundung des Schiedsspruchs\ndeutlich macht - weder hinsichtlich des Zinsanspruchs noch zum Gewinnentgang\neine Billigkeitsentscheidung getroffen. \n--- \n--- \naa) \n--- \n--- \n| 111 \n--- \n| Das Schiedsgericht hat, wie der ausfuhrlichen Begrundung im Schiedsspruch zu\nentnehmen ist (vgl. S. 59 des Schiedsspruchs, K 58), der Antragstellerin\nZinsen aus dem Minderungsbetrag nicht aus Billigkeitserwagungen in Hohe der\nvon der Antragstellerin an ... gezahlten Leasingvertragszinsen zuerkannt,\nsondern unter dem ausdrucklich angefuhrten Gesichtspunkt des Schadensersatzes\nnach Art 74 CISG. Diese Vorschrift berechtige nach Minderung den Glaubiger des\nKaufpreisruckzahlungsanspruches, hier also die Antragstellerin, "zu einem\nZinssatz, welcher dem fur das erwahnte Darlehen gezahlten Zinssatz\nentspricht." Das Schiedsgericht hat demnach die Finanzierung des Anlagenkaufs\nim Wege eines Leasingvertrages durch die Antragstellerin als eine Form des\nDarlehens angesehen, eine rechtliche Wurdigung, die der deutschen\nRechtsauffassung nicht vollig fremd ist. Das Schiedsgericht hat den Rahmen der\nvon den Parteien gewahlten Verfahrensvorschriften nicht verlassen. Ob die (von\nder Antragsgegnerin nicht naher angegriffene) Berechnung der Zinsen wie auch\ndie zugrunde liegende rechtliche Bewertung durch das Schiedsgericht sachlich\nzutreffend ist, hat der Senat wegen des Verbots der "revision au fond" (vgl.\nu.a. BGH RIW 1985, 970 ff; BGH MDR 1999, 1281; Hanseatisches OLG Hamburg, OLGR\nHH 2000, 19 - 22) nicht zu beurteilen. \n--- \n--- \nbb) \n--- \n--- \n| 112 \n--- \n| Das Schiedsgericht hat auch den der Antragstellerin zugesprochenen\nentgangenen Gewinn nicht "ex aequo et bono" ermittelt. \n--- \n--- \n| 113 \n--- \n| Den Ausfuhrungen des Schiedsgerichts im Schiedsspruch (aaO, Seite 54 und 62)\nist zu entnehmen, dass sich das Schiedsgericht in Anwendung von Art 74 CISG\nund unter Berufung auf maßgebliche und anerkannte Literatur zum CISG (vgl. FN\n204 auf Seite 54) fur berechtigt gehalten hat, die genaue Schadenshohe auch\nohne naheren Sachvortrag zu errechnen. Ob diese Rechtsanwendung richtig ist\noder aber sachlich zu beanstanden, unterliegt nicht der Prufung des Senats.\nJedenfalls ist auch dem deutschen Recht eine Schadensschatzung nicht unbekannt\n(§ 287 ZPO). Das erforderliche Beweismaß unter der Geltung des Art 74 CISG\nbestimmt sich nach dem Prozessrecht der "lex fori" (vgl. Schlechtriem,\nKommentar zum CISG, 3. Auflage, RN 49 zu Art 74 CISG; Staudinger/Magnus, Art\n74 CISG, RN 61, je mit weiteren Nachweisen). Die Antragsgegnerin halt keinen\nVortrag dazu, ob das maßgebliche, von den Parteien vereinbarte Verfahrensrecht\nein besonderes Beweismaß forderte. \n--- \n--- \n| 114 \n--- \n| Nach Art. 182 (2) IPRG wird das Verfahren, wenn die Parteien es nicht selber\ngeregelt haben, soweit notig, vom Schiedsgericht festgelegt, sei es direkt,\nsei es durch Bezugnahme auf ein Gesetz oder eine schiedsgerichtliche\nVerfahrensordnung. \n--- \n--- \n| 115 \n--- \n| Damit war das Schiedsgericht im Hinblick auf das Beweismaß bis zur Grenze\nder nicht zulassigen bloßen Billigkeitsentscheidung frei. \n--- \n--- \n| 116 \n--- \n| Es ist weder ein Verfahrensfehler festzustellen, noch hat das Schiedsgericht\nmit der Bemessung des Gewinnentgangs gegen grundlegende, allgemein gultige\nGerechtigkeitsvorstellungen im Sinne des "ordre public" verstoßen, dies auch\nunter Berucksichtigung des § 287 ZPO. \n--- \n--- \n| 117 \n--- \n| Das Schiedsgericht hat schließlich den der Antragstellerin entgangenen\nGewinn der Hohe nach den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen\nentnommen, zu denen sich die Antragsgegnerin im Verlauf des lang dauernden\nVerfahrens auf Grund einer Vielzahl von eingeraumten Schriftsatzrechten, die\ndie Antragsgegnerin auch wahrgenommen hat, eingehend außern konnte. \n--- \n--- \ncc) \n--- \n--- \n| 118 \n--- \n| Dass das Schiedsgericht auf Seite 60-61 des Schiedsspruchs (aaO) Zinsen "aus\nGrunden der Vereinfachung" ab 1.1.1998 zugesprochen hat, betraf an der von der\nAntragsgegnerin monierten Stelle des Schiedsspruchs die unmittelbar zuvor der\nAntragstellerin zuerkannten Reparaturkosten, die nach der Beweiswurdigung des\nSchiedsgerichts vollstandig im Jahr 1997 angefallen waren. Da das\nSchiedsgericht zudem Zinsen aus den Reparaturkosten "ab dem Zeitpunkt der\nEntstehung der Mangel bis zur vollstandigen Bezahlung" als zuerkennungsfahig\nansah, hat sich ein eventueller sachlicher Fehler des Schiedsgerichts, das\nsich allerdings wiederum (vgl. FN 224) auf anerkannte Literatur zum CISG\n(Kommentar von Schlechtriem) berufen konnte, hier jedenfalls nicht zuungunsten\nder Antragsgegnerin ausgewirkt. Eine unzulassige Billigkeitsentscheidung liegt\nhierin in keinem Fall. \n--- \n--- \nc) \n--- \n--- \n| 119 \n--- \n| Das Schiedsgericht hat auch nicht in unzulassiger Weise gegen den\n"Beibringungsgrundsatz" verstoßen, den es - so die Antragsgegnerin -\nunabdingbar einhalten musse. Zum einen verlieh Kapitel 12, Art. 182 (2) IPRG,\ndem Schiedsgericht einen das Verfahren betreffenden Gestaltungsspielraum\n(s.o.). Zum anderen sieht Art. 14 der Schiedsgerichtsordnung 1988 unter der\nÜberschrift "Verfahren vor dem Schiedsrichter" u.a. folgendes vor: \n--- \n--- \n| 120 \n--- \n| "Der Schiedsrichter stellt den Sachverhalt in moglichst kurzer Zeit mit\nallen geeigneten Mitteln fest ... Der Schiedsrichter kann außerdem jede andere\nPerson in Gegenwart der Parteien oder in deren Abwesenheit anhoren, falls sie\nordnungsgemaß geladen sind." \n--- \n--- \n| 121 \n--- \n| Aus beiden Regelungen, mit denen sich die Parteien in den "Terms of\nReference" ausdrucklich einverstanden erklart haben, ist ersichtlich, dass der\n"Beibringungsgrundsatz" nach dem Willen der Parteien nicht so stringent\neinzuhalten war, wie es unter der Geltung der ZPO moglicherweise der Fall\ngewesen ware. \n--- \n--- \naa) \n--- \n--- \n| 122 \n--- \n| Das Schiedsgericht hat sich bei der Berechnung der Hohe des\nMinderungsbetrags auf eine Abschreibungs- und tatsachliche Betriebsdauer der\ngelieferten Anlage gestutzt, wie sie den von der Antragstellerin im\nSchiedsverfahren vorgelegten Unterlagen zu entnehmen waren (vgl. Seiten 58-59\ndes Schiedsspruchs, aaO). Hierzu konnte die Antragsgegnerin Stellung nehmen.\nOb die Art und Weise der Berechnung der Minderung sachlich richtig ist,\nentzieht sich der Beurteilung durch den Senat. Zu beanstanden ist das Vorgehen\ndes Schiedsgerichts nicht. \n--- \n--- \nbb) \n--- \n--- \n| 123 \n--- \n| Die Antragsgegnerin moniert auch zu Unrecht, das Schiedsgericht habe ohne\nentsprechenden Vortrag der Antragstellerin eigenmachtig eine Beziehung\nzwischen den von der Antragstellerin vorgelegten Rechnungen zu den geltend\ngemachten Reparaturkosten und den von dieser behaupteten Mangeln der\ngelieferten Anlage hergestellt. Die Antragsgegnerin hatte gerade auf Grund der\nTatsache, dass Rechnungen in das Schiedsgerichtsverfahren eingefuhrt worden\nwaren, gewartig zu sein, dass sich das Schiedsgericht mit diesen wie geschehen\n(vgl. Seite 60 des Schiedsspruchs, aaO) befassen werde. Die\nÜberzeugungsbildung durch das Schiedsgericht ist vom Senat wie von den\nParteien hinzunehmen. Bedeutsame Verfahrensverstoße sind auch in diesem\nZusammenhang nicht zu erkennen. \n--- \n--- \ncc) \n--- \n--- \n| 124 \n--- \n| Da die Antragstellerin in der mundlichen Verhandlung nicht die\nVollstreckbarerklarung des Ausspruchs des Schiedsgerichts zur Mehrwertsteuer\nbeantragt hat, erubrigt sich ein Eingehen auf die damit zusammen hangenden\nRugen der Antragsgegnerin. \n--- \n--- \ndd) \n--- \n--- \n| 125 \n--- \n| Das Schiedsgericht hat auch in nicht angreifbarer Weise Zinsen der\nAntragstellerin zuerkannt. \n--- \n--- \n(1) \n--- \n--- \n| 126 \n--- \n| Soweit die Antragsgegnerin die Zinsen auf den Minderungsbetrag angreift, die\ndas Schiedsgericht entsprechend den Leasingraten bemessen hat, ist dem Senat\neine Überprufung des Schiedsspruchs darauf, ob das Schiedsgericht nach dem\nzutreffend ermittelten materiellen Recht (CISG) mit der Anwendung von Art 74\nCISG richtig entschieden hat, verwehrt (s.o.). \n--- \n--- \n(2) \n--- \n--- \n| 127 \n--- \n| Die Antragstellerin hatte im Schiedsverfahren zwar tatsachlich keinen\nbezifferten Zinsantrag gestellt (Seite 38 des Schriftsatzes vom 9.11.2001, K\n55). Das kann die Versagung der Vollstreckbarerklarung aber nicht\nrechtfertigen. Das Schiedsgericht hat, weil das CISG uber die Hohe von Zinsen\nkeine Regelung beinhaltet, nach einer weitgehend vertretenen Meinung (vgl.\nSchlechtriem/Bacher, CISG, 3. Auflage, RN 27 zu Art 78 CISG) Zinsen nach Art\n1284 Ccit zuerkannt (vgl. Seite 61 und 63 des Schiedsspruchs). Angesichts des\nbestehenden Meinungsstreits zwischen Befurwortern der sogenannten\n"Einheitslosung" und denjenigen, die einen Ruckgriff auf das nationale Recht\nzur Bestimmung der jeweiligen Zinshohe fur richtig halten (vgl.\nSchlechtriem/Bacher, aaO, RN 27 ff) und angesichts der fehlenden\nausdrucklichen Regelung des CISG zur Zinshohe war es unter keinem rechtlichen\nGesichtspunkt des UNÜ zu beanstanden, dass die Antragstellerin den Zinsantrag\nnicht bezifferte, das Schiedsgericht aber auf den gesetzlichen (Mindest-)\nZinssatz nach dem hilfsweise anwendbaren italienischen Recht zuruckgriff. \n--- \n--- \n| 128 \n--- \n| Unter Bestimmtheitsgesichtspunkten bedarf der Tenor des Schiedsspruchs B.5\nund B.6. ("ab 1. Januar 2002 gesetzlicher Zinssatz") zwar fur Zwecke der\nZwangsvollstreckung in Deutschland der Prazision, die aber nach Auffassung des\nSenats aus dem Gesamtzusammenhang der gegebenen Begrundung (Seite 61 und 63\ndes Schiedsspruchs) durch Auslegung dahin zu gewinnen ist, dass das\nSchiedsgericht ab 1. Januar 2002 3 % Zinsen zusprechen wollte (Seite 61 oben). \n--- \n--- \n| 129 \n--- \n| Zu einer entsprechenden klarstellenden Erganzung des Schiedsspruchs ist der\nSenat befugt (vgl. BGH NJW 1990, 3084; NJW 1993, 1801 ff; Kropholler,\nEuropaisches Zivilprozessrecht, 7. Auflage, Art 38, RN 12 ff und 16 zu einer\nim Wege der Auslegung moglichen Konkretisierung eines auslandischen Urteils). \n--- \n--- \n4. \n--- \n--- \n| 130 \n--- \n| Die Antragsgegnerin kann mit ihrer Behauptung, das Schiedsgericht habe sie\nin mehrfacher Hinsicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehor verletzt, im\nVollstreckbarerklarungsverfahren nicht mehr gehort werden. Verstoße gegen das\nrechtliche Gehor sind aber auch nicht festzustellen. Dem Schiedsspruch ist\ndaher auch nicht nach Art. V Abs. 2 lit. b) bzw. Abs. 1 lit. b) UNÜ die\nVollstreckbarerklarung zu versagen. \n--- \n--- \na) \n--- \n--- \n| 131 \n--- \n| Die Antragsgegnerin hatte die (befristete, s.o.) Moglichkeit gehabt, etwaige\nVerletzungen ihres Anspruchs auf rechtliches Gehor, wie sie nunmehr geltend\ngemacht werden, in der Schweiz zum Gegenstand eines Anfechtungsverfahrens vor\ndem schweizerischen Bundesgericht zu machen (vgl. Art 190 (2) lit. d) IPRG).\nSie hat diese Moglichkeit nicht genutzt und auch nichts dazu vorgetragen,\nwarum sie im Einzelnen an einer entsprechenden Geltendmachung in der Schweiz\ngehindert gewesen ware. Sie ist daher mit ihrem jetzigen Vortrag eventueller\nGehorsverletzungen prakludiert. \n--- \n--- \nb) \n--- \n--- \n| 132 \n--- \n| Sieht man von der Praklusionswirkung ab, ergibt die Prufung in der Sache,\ndass die von der Antragsgegnerin behaupteten Verstoße gegen den Anspruch auf\nrechtliches Gehor liegen nicht vorliegen. Nur bei Feststellung einer solchen\nVerletzung aber ware die Anerkennung nach Art V (2) lit. b) UNÜ wegen eines\nVerstoßes gegen die offentliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland oder\naber wegen Verstoßes gegen den Verfahrensgrundsatz des Art V Abs. 1 lit b) UNÜ\n(BGHZ 110, 104 f) zu versagen. \n--- \n--- \n| 133 \n--- \n| Die Parteien haben auch im Schiedsverfahren Anspruch auf rechtliches Gehor.\nDieser stellt einen "Grundpfeiler des heutigen Schiedsgerichtsverfahrens dar"\n(vgl. BGH NJW 1992, 2299f.). Der Anspruch auf rechtliches Gehor im\nSchiedsgerichtsverfahren erfordert, dass das Schiedsgericht das Vorbringen der\nParteien zur Kenntnis nimmt und in Erwagung zieht; der Schiedsspruch muss eine\nStellungnahme zu den wesentlichen Angriffs- und Verteidigungsmitteln\nenthalten. Zudem mussen die Parteien Gelegenheiten haben, sich zu allen\ntatsachlichen Erwagungen zu außern, auf die die Entscheidung des\nSchiedsgerichts gegrundet werden soll. Diesbezuglich gelten im Wesentlichen\nfur inlandische und auslandische Schiedsspruche dieselben Grundsatze. Werden\nsie verletzt, ist einem Schiedsspruch jedenfalls dann die Anerkennung zu\nversagen, wenn die Entscheidung des Schiedsgerichts auf dieser Verletzung\nberuhen kann (BGH NJW 1990, 2199 f). Dabei bedeutet allerdings das Postulat,\ndass die Parteien Gelegenheit haben mussen, sich zu allen tatsachlichen\nErwagungen zu außern, auf die die Entscheidung des Schiedsgerichts gegrundet\nwerden soll, nicht, dass die Parteien unter dem Gesichtspunkt des Art 103 Abs.\n1 GG einen Anspruch auf eine allgemeine Aufklarungs- und Fragepflicht des\nGerichts oder einen Anspruch auf ein Rechtsgesprach hatten; eine Verletzung\nvon Pflichten, wie sie § 139 ZPO n.F. (oder §§ 139, 278 ZPO a.F.) dem\nstaatlichen Gericht auferlegt, beruhrt noch nicht den Schutzbereich des Art\n103 Abs. 1 GG und stellt noch keinen Verstoß gegen den Grundsatz des\nrechtlichen Gehors dar (BGHZ 85, 288 ff; BVerfG NJW 2003, 2524). Der Anspruch\nauf rechtliches Gehor ist deshalb beispielsweise erst dann verletzt, wenn das\nSchiedsgericht in seiner Entscheidung von einer vorher mitgeteilten\nRechtsansicht abweicht und dadurch die Parteien am Vorbringen von Angriffs-\noder Verteidigungsmitteln gehindert werden. (BGH, aaO). \n--- \n--- \n| 134 \n--- \n| Daruber hinaus ist auch das Schiedsgericht nicht gehalten, jedes Vorbringen\nder Parteien in den Grunden des Schiedsspruchs ausdrucklich zu bescheiden;\nvielmehr ist im Regelfall davon auszugehen, dass das Schiedsgericht das\nVorbringen auch ohne ausdruckliche Erwahnung zur Kenntnis genommen hat (BGH\nNJW 1992, 2299f.). Die Antragsgegnerin hat keine Umstande aufgezeigt, die\nausnahmsweise den Schluss zulassen, dass ihr Vorbringen nicht zur Kenntnis\ngenommen worden ware. Im Gegenteil, der Schiedsspruch enthalt auf vielen\nSeiten ausfuhrliche, detaillierte Ausfuhrungen in tatsachlicher und\nrechtlicher Hinsicht dazu, welche der von der Antragstellerin behaupteten\nMangel aus welchen Grunden festzustellen waren und welche Anspruche daraus fur\ndie Antragstellerin erwuchsen. Der Schiedsspruch enthalt außerdem im ersten\nTeilabschnitt (in Ziffer 1. - 4.) - einem Tatbestand in einem deutschen Urteil\nnicht unahnlich - eine ausfuhrliche Zusammenfassung des beiderseitigen\nVorbringens der Parteien sowie der Verfahrensgeschichte, die durch eine ganze\nReihe von verfahrensleitenden Verfugungen der Schiedsrichterin gepragt ist.\nBeide am Schiedsverfahren beteiligten Parteien haben die wiederholt\neingeraumten Schriftsatzrechte auch ausgeubt, zuletzt am 9.11.2001, bevor erst\nmit Verfugung vom 13.2.2002 der Schluss der Verhandlung erklart wurde. \n--- \n--- \n| 135 \n--- \n| Die ausgedehnte Darstellung der Grunde, warum das Schiedsgericht die\ngelieferte Anlage fur mangelhaft erachtet hat, welche Mangel im Einzelnen\nvorlagen, weil die Anlage den vertraglichen Absprachen nicht entsprochen habe,\nwarum das Schiedsgericht welche Schlussfolgerungen aus der von der\nAntragstellerin behaupteten Musterlieferung von Gummigranulat zog, welchen\nZeugen (namlich nach Wurdigung der eingezogenen Beweise nicht nur in der\ndreitagigen mundlichen Verhandlung, sondern auch auf Grund einer Auswertung\ndes umfangreichen Aktenmaterials) es in diesem Zusammenhang Glauben schenkte\nund welche Schlussfolgerungen es im Hinblick auf die Hohe der Anspruche,\nsoweit sie zuerkannt wurden, daraus zog, zeigen in eindrucklicher Art und\nWeise, dass das Schiedsgericht sehr wohl erkannt hatte, welche Streitpunkte\nzwischen den Parteien bestanden, wozu Ausfuhrungen des Schiedsgerichts deshalb\nerforderlich waren und dass es die Darlegungen und Beweisantrage der Parteien\nzur Kenntnis genommen und gepruft hat. \n--- \n--- \naa) \n--- \n--- \n| 136 \n--- \n| Dies gilt insbesondere auch fur den als unzulassigerweise ubergangen\ngerugten, auf die Einvernahme des Zeugen ... im Wege der Rechtshilfe\ngerichteten Beweisantrag der Antragsgegnerin zum Beweisthema "proper\nfunctioning and performance test conducted on 20th March 1997". Das\nSchiedsgericht hat eingehend begrundet, warum es den Testlauf vom 20.3.1997\nnicht fur relevant erachtet hat und dass es auf die Mangelhaftigkeit der\nAnlage unabhangig vom Testergebnis entscheidend ankam. Wenn das Schiedsgericht\naus formellen oder materiellen Grunden, moglicherweise auch fehlerhaft, dem\nBeweisantrag der Antragsgegnerin zum "proper functioning" keine eigenstandige\nBedeutung außerhalb des Testlaufs zugemessen hat, liegt darin keine Verletzung\nvon Art 103 Abs. 1 GG. Auch ist nicht zu erkennen, dass die Vernehmung der\nZeugen zur Frage der Ordnungsgemaßheit der Anlage auf das Ergebnis hatte von\nEinfluss sein konnen, nachdem die Antragsgegnerin - so das Schiedsgericht -\nnach dem Testlauf selbst noch Mangel einraumte. Dafur, dass das Schiedsgericht\nseine Begrundung nur vorgeschoben hat, um zu verdecken, dass es sich mit dem\nVorbringen der Antragsgegnerin uberhaupt nicht befasst hat (vgl. BGH 1990,\n2199 ff), fehlt jeder Anhalt. \n--- \n--- \nbb) \n--- \n--- \n| 137 \n--- \n| Den Minderungsantrag der Antragstellerin hat das Schiedsgericht auch nicht\netwa willkurlich in der rechtlichen Beurteilung vorgezogen. Es hat sich mit\ndiesem und mit dessen sinnvoller Vereinbarkeit mit anderen Anspruchen nach dem\nCISG vielmehr im Wege der Auslegung eingehend auseinander gesetzt (vgl. Seite\n55-57 des Schiedsspruchs). Ob dies den Vorgaben des CISG entsprach, entzieht\nsich wegen des Verbots der "revision au fond" (s.o.) dem Beurteilungsspielraum\ndes Senats. \n--- \n--- \ncc) \n--- \n--- \n| 138 \n--- \n| Gleiches gilt fur die Berechnung der Hohe der Minderung, bei welcher sich\ndas Schiedsgericht an Art 50 CISG orientierte und insbesondere die Ansicht der\nAntragstellerin, der Minderungsantrag richte sich nach den Kosten der\nBeschaffung der Ersatzanlage, verwarf (Seite 57 des Schiedsspruchs). Das\nSchiedsgericht hat auch hier Prozessstoff, zu dem sich die Antragsgegnerin\naußern konnte, weil er ihr bekannt gemacht worden war, verwertet. \n--- \n--- \n5. \n--- \n--- \n| 139 \n--- \n| Es konnen auch keine sonstigen Verstoße gegen den "ordre public" nach Art V\nAbs. 2 lit. b) UNÜ festgestellt werden. \n--- \n--- \n| 140 \n--- \n| Zu unterscheiden ist zwischen dem "ordre public interne" und dem "ordre\npublic international". Das bedeutet, dass in seltenen Fallen selbst dann, wenn\nein inlandischer Schiedsspruch wegen Verstoßes gegen die offentliche Ordnung\naufzuheben ware, der Spruch eines auslandischen Schiedsgerichts wegen der\nunter Umstanden großzugigeren Konventionen des internationalen Rechtsverkehrs\ndennoch Anerkennung finden konnte. Der "ordre public international" ist nur\ndann verletzt, wenn die Entscheidung des auslandischen Gerichts oder\nSchiedsgerichts auf Grund eines Verfahrens ergangen ist, das von den\nGrundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße abweicht,\ndass sie nach der deutschen Rechtsordnung nicht als in einem geordneten\nrechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann. Dem Begriff der\ndeutschen offentlichen Ordnung sind daher bei der Anerkennung auslandischer\nGerichts- und Schiedsgerichtsentscheidungen enge Grenzen gezogen. Das\nschiedsgerichtliche Verfahren musste mit anderen Worten an einem\nschwerwiegenden, die Grundlagen des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens\nberuhrenden Mangel leiden, um dem Schiedsspruch die Anerkennung versagen zu\nkonnen (vgl. BGHZ 98, 70 ff = NJW 1986, 3027 ff; BGHZ 110, 104 ff = NJW 1990,\n2199 ff; BGH NJW 1990, 2201 ff; BGH NJW 1992, 3096 ff). \n--- \n--- \n| 141 \n--- \n| Keiner der von der Antragsgegnerin erhobenen Vorwurfe erfullt die so\nqualifizierten Kriterien hinsichtlich eines Verstoßes gegen die offentliche\nOrdnung nach Art V Abs. 2 lit. b) UNÜ. \n--- \n--- \n| 142 \n--- \n| Die vom Schiedsgericht im Schiedsspruch wiedergegebene Beweiswurdigung ist\nalles andere als willkurlich. Das Schiedsgericht hat sich eingehend mit den\nbehaupteten Mangeln und den Beweismitteln beschaftigt. Dass es dabei zu\nanderen Ergebnissen gelangt ist als die Antragsgegnerin, vermag den Vorwurf\neines nicht fairen, mit den allgemein gultigen Gerechtigkeitsvorstellungen\nnicht vereinbaren Verfahrens nicht zu begrunden. \n--- \n--- \na) \n--- \n--- \n| 143 \n--- \n| Bei der Bewertung des Mangels "unsauberer Schnitt" hat es seine Sicht des\nProblems der Eisenruckstande im Gummigranulat dargelegt und klargestellt,\nwelchen Zusammenhang es zwischen dem "unsauberen Schnitt" und dem nach seiner\nWurdigung der Beweise zu hohen Eisenanteil in den geschnittenen Reifenteilen\nsieht. Kern der Ausfuhrungen des Schiedsgerichts (Seite 45 ff des\nSchiedsspruchs) waren also die herausragenden Eisenteile und Eisenruckstande\nim fertigen Produkt. Die Antragstellerin weist zu Recht darauf hin, dass es\ndie Antragsgegnerin selbst war, die mit ihrem Schreiben vom 2.12.1996 (Anlage\nB 6a) zu erkennen gab, dass sie den Begriff "sauberer Schnitt" im Zusammenhang\nmit der Ruge eines zu hohen Stahlanteils sah. \n--- \n--- \nb) \n--- \n--- \n| 144 \n--- \n| Den Schluss auf eine Kenntnis der Vertreter der Antragsgegnerin vom sog.\nUNICEM-Vertrag der Antragstellerin zog das Schiedsgericht nicht nur aus einem\nSchreiben, sondern aus mehreren Dokumenten. Das Schiedsgericht bewegt sich\ndamit in einem Bereich der Beweiswurdigung, der dem Senat wegen des Verbots\nder "revision au fond" nicht zuganglich ist. \n--- \n--- \nc) \n--- \n--- \n| 145 \n--- \n| Das Schiedsgericht hat auch in nicht zu beanstandender Weise der\nAntragstellerin selbst den Anspruch auf Minderung zuerkannt. Das folgt schon\naus den AGB der und den Bedingungen des Leasingvertrages zwischen und der\nAntragstellerin. \n--- \n--- \nd) \n--- \n--- \n| 146 \n--- \n| Das Schiedsgericht hat auch nicht etwa nicht existierende Beweise verwertet.\nEs hat sich nicht nur auf die Angaben des Zeugen W. R und die Angaben des\nSachverstandigen der Antragstellerin bezogen, sondern diese jeweils in den\nGesamtzusammenhang mit den weiteren ihr vorgelegten Dokumenten gebracht (Seite\n47 und 58 des Schiedsspruchs). \n--- \n--- \ne) \n--- \n--- \n| 147 \n--- \n| Das Schiedsgericht hat sich mit seinem Schiedsspruch auch nicht gegen das\nGebot "ne ultra petita" hinweg gesetzt; es hat sich nicht mit einem\nStreitstoff befasst, der außerhalb seines in den "Terms of Reference" vom\n22.12.1998 umschriebenen Auftrags lag, wie er unter Berucksichtigung der\nmaßgeblichen Umstande zu verstehen war und wie er vom Schiedsgericht\nverstanden wurde. \n--- \n--- \naa) \n--- \n--- \n| 148 \n--- \n| Nach der im Schiedsverfahren gultigen Verfahrensordnung hatte die\nAntragsgegnerin den von ihr behaupteten Verstoß gegen das Verbot, uber\ngestellte Antrage hinauszugehen, in der Schweiz gemaß Art 190 (2) lit c) IPRG\nbei dem schweizerischen Bundesgericht zum Gegenstand einer Anfechtung des\nSchiedsspruchs machen konnen. Da sie dies aber nicht getan hat, ist sie\nnunmehr mit der hierauf gestutzten Ruge im Vollstreckbarerklarungsverfahren\nprakludiert (s.o.). \n--- \n--- \nbb) \n--- \n--- \n| 149 \n--- \n| Unabhangig davon kann ein solcher Verstoß auch nicht festgestellt werden. \n--- \n--- \n| 150 \n--- \n| Die Zulassung des nachtraglich von der Antragstellerin eingefuhrten\nMinderungsantrages ist auch von der SchO 1988 gedeckt. Die "Terms of\nReference" eroffneten mit den Worten "... uber die strittigen Punkte zu\nbefinden, wie sie bisher vorgetragen wurden und wie sie den eingereichten\nUnterlagen und den Ausfuhrungen der Parteien wahrend der Verhandlung zu\nentnehmen sein werden..." dem Schiedsgericht in jedem Falle die Zulassung auch\nspaterer erweiterter Antrage, wenn sie nur - wie geschehen - vor der\nmundlichen Verhandlung schriftsatzlich angekundigt wurden, da auf sie in der\nmundlichen Verhandlung jedenfalls von der Antragstellerin konkludent Bezug\ngenommen wurde. Die Schiedsrichterin hatte zuvor im 2. Zwischenschiedsspruch\nvom 24.11.2000 unangefochten klargestellt, dass die Antragstellerin nicht zur\nAufhebung des Vertrages - dieser Antrag wurde zuruckgewiesen -, wohl aber zur\nGeltendmachung aller Rechte, die auf Erfullung des Vertrages vom 14.5.1996\ngerichtet sind, berechtigt sei und hierzu im Weiteren zum Vortrag zu Grund und\nHohe aufgefordert. Dass der spater hilfsweise gestellte Minderungsantrag Teil\ndieses Gesamtkomplexes war, liegt auf der Hand. \n--- \n--- \nf) \n--- \n--- \n| 151 \n--- \n| Endlich ist das Schiedsgericht mit der vorrangigen Behandlung des\nMinderungsantrages auch nicht in einer gegen den "ordre public" verstoßenden\nWeise uber die gestellten Antrage hinaus gegangen. Wie ausgefuhrt, hat das\nSchiedsgericht die von der Antragstellerin an sich beabsichtigte Reihenfolge\nder Antrage in eine nach Ansicht des Schiedsgerichts mit dem CISG vereinbare\nReihenfolge gestellt und dabei den Parteiwillen der Antragstellerin ausgelegt.\nDiese wehrt sich im Übrigen hiergegen gar nicht, begehrt sie doch die\nVollstreckbarerklarung genau dieses Schiedsspruchs, der ihrem mutmaßlichen\nWillen Geltung verschaffen wollte. \n--- \n--- \n| 152 \n--- \n| Zudem hat der BGH (NJW 1990, 2201 ff) einen eventuellen Verstoß eines\nitalienischen Gerichts gegen das auch in Italien geltende Antragserfordernis\nals nicht so schwerwiegend eingestuft, dass deswegen aus Grunden des deutschen\nverfahrensrechtlichen "ordre public" die Vollstreckbarerklarung zu versagen\nware. \n--- \n--- \n6. \n--- \n--- \n| 153 \n--- \n| Das Schiedsgericht hat die gestellten Antrage entgegen der Darstellung der\nAntragsgegnerin erschopfend abgeurteilt. Das ergibt sich schon aus Abschnitt\nD. des Schiedsspruchs (Seite 72), mit welchem alle anderen Forderungen der\nParteien abgewiesen wurden. \n--- \n--- \n| 154 \n--- \n| Die Antragsgegnerin ware im Übrigen dadurch, dass entsprechend ihrem Vortrag\ndoch nicht alle Antrage der Antragstellerin beschieden worden waren, nicht\nbeschwert, so dass deshalb die Anerkennung des Schiedsspruchs nicht scheitern\nkann. \n--- \n--- \n7. \n--- \n--- \n| 155 \n--- \n| Mit der angefuhrten erganzenden Korrektur zum Zinsausspruch hat der\nSchiedsspruch auch einen vollstreckungsfahigen Inhalt. \n--- \n--- \nIII. \n--- \n--- \n1. \n--- \n--- \n| 156 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO und, soweit die Parteien die\nFeststellungsklage der Antragsgegnerin in der mundlichen Verhandlung vom 12.\nAugust 2003 ubereinstimmend fur erledigt erklart haben, auf § 91 a ZPO. Es\nkann angesichts der Ausfuhrungen unter II., die jedenfalls zu einer\nUnbegrundetheit der von der Antragsgegnerin erhobenen Feststellungsklage\ngefuhrt hatten, dahingestellt bleiben, ob diese uberhaupt zulassig war.\nBedenken gegenuber der Zulassigkeit der Feststellungsklage, die allerdings\nwohl mehrheitlich in der Kommentarliteratur bejaht wird (vgl. Zoller-Geimer,\nZPO, 23. Auflage, RN 1 zu § 1061 ZPO; Musielak-Voit, ZPO, 3.A., RN 9 zu § 1061\nZPO; MuKo-Munch, ZPO, 2. Auflage, RN 11 und 14 zu § 1061 ZPO; Schwab/Walter,\nSchiedsgerichtsbarkeit, 6. Auflage, Kapitel 30, RN 39; Schutze, Schiedsgericht\nund Schiedsverfahren, 3. Auflage, RN 259), konnten - jedenfalls bei\nauslandischen Schiedsspruchen - deshalb gerechtfertigt sein, weil das UNÜ, das\nnach § 1061 ZPO alleiniger Prufungsmaßstab fur etwaige Versagungsgrunde im\nVollstreckbarerklarungsverfahren ist, eine solche vorgeschaltete Klage nicht\nvorsieht. \n--- \n--- \n2. \n--- \n--- \n| 157 \n--- \n| Die Entscheidung zur vorlaufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 1064 Abs. 2\nZPO. \n--- \n---\n\n
139,784
olgkarl-2004-05-26-1-u-1004
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
1 U 10/04
2004-05-26
2019-01-07 14:44:49
2019-02-12 12:19:25
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung des Klagers wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg\nvom 17. Dezember 2003 - 2 O 370/03 - wie folgt abgeandert:\n\nErganzend zum Ausspruch in Nr. 1 des Urteilstenors wird festgestellt, dass\nsich der Beklagte mit der Rucknahme des dort genannten Fahrzeugs in\nAnnahmeverzug befindet.\n\nIm Übrigen wird die Berufung des Klagers zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Berufung des Beklagten wird zuruckgewiesen.\n\n3\\. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte 89 %, der\nKlager 11 %.\n\n4\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager begehrt die Ruckabwicklung eines Kaufvertrages uber ein\ngebrauchtes Kraftfahrzeug wegen arglistigen Verschweigens des tatsachlichen\nBaujahres. \n--- \n| 2 \n--- \n| Auf die tatsachlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Heidelberg\nvom 17. Dezember 2003 wird Bezug genommen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Landgericht hat der Klage in Hohe von 6.367,29 EUR stattgegeben. Es hat\nden Umstand, dass das Fahrzeug bereits funf Jahre und sechs Monate vor dem im\nKaufvertrag angegebenen Datum der Erstzulassung ausgeliefert worden ist, als\nMangel angesehen und ist nach Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass der\nBeklagte diesen Mangel arglistig verschwiegen hat. Den weitergehenden\nZahlungsanspruch hat es als unbegrundet angesehen, weil der Klager fur die\nerfolgte Nutzung des Fahrzeugs Wertersatz zu leisten habe. Gegen dieses Urteil\nwenden sich beide Parteien mit ihrer Berufung. \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Beklagte macht unter Wiederholung und Vertiefung seines\nerstinstanzlichen Vortrags geltend, die Abweichung des Baujahres vom Jahre der\nErstzulassung stelle keinen Mangel dar; jedenfalls sei ihm dieser Mangel beim\nAbschluss des Kaufvertrags nicht bekannt gewesen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Beklagte beantragt: \n--- \n| 6 \n--- \n| Das am 17.12.2003 verkundete Urteil des Landgerichts Heidelberg, Az.: 2 O\n370/03 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 8 \n--- \n| die Berufung des Beklagten zuruckzuweisen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Klager verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Mit seiner Berufung\nmacht der Klager geltend, der geschuldete Nutzungsersatz sei lediglich mit\n716,32 EUR anzusetzen. Ferner begehrt er die Feststellung, dass sich der\nBeklagte in Annahmeverzug befindet. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Klager beantragt: \n--- \n| 11 \n--- \n| 1\\. Das Endurteil des Landgerichts Heidelberg vom 17.12.2003, AZ 2 O 370/03\nwird abgeandert. \n--- \n| 12 \n--- \n| 2\\. Der Beklagte wird verurteilt, an den Klager 7.133,68 EUR nebst Zinsen\nin Hohe von funf Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit dem 28.05.2003 Zug\num Zug gegen Herausgabe des PKW Daimler Benz, Typ 230 CE-124c mit der\nFahrgestellnummer … zu bezahlen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Im Übrigen wird die Klage abgewiesen \n--- \n| 14 \n--- \n| 3\\. Es wird festgestellt, dass der Beklagte sich mit der Rucknahme des\nFahrzeugs in Annahmeverzug befindet. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 16 \n--- \n| die Berufung des Klagers zuruckzuweisen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Er macht geltend, als Nutzungsersatz seien 1.884,00 EUR anzusetzen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten\nSchriftsatze nebst Anlagen Bezug genommen. \n--- \nII. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die zulassige Berufung des Klagers ist nur insoweit begrundet, als er die\nFeststellung des Annahmeverzugs begehrt. Die Berufung des Beklagten ist\ninsgesamt unbegrundet. \n--- \n| 20 \n--- \n| Mit zutreffenden Grunden, die durch das Berufungsvorbringen beider Parteien\nnicht entkraftet werden, hat das Landgericht den vom Klager erklarten\nRucktritt vom Kaufvertrag wegen arglistigen Verschweigens des Baujahres als\nwirksam angesehen und die vom Klager geschuldete Nutzungsentschadigung auf\n1.482,71 EUR geschatzt. \n--- \n| 21 \n--- \n| 1\\. Zutreffend hat das Landgericht entschieden, dass die Abweichung\nzwischen dem Datum der Werksauslieferung des Fahrzeugs und dem im Kaufvertrag\nangegebenen Datum der Erstzulassung einen Sachmangel darstellt. \n--- \n| 22 \n--- \n| a) Zur vereinbarten Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB\ngehorte im vorliegenden Fall, dass das Baujahr des Fahrzeugs jedenfalls nicht\nmehrere Jahre von dem im Vertrag angegebenen Jahr der Erstzulassung abweicht. \n--- \n| 23 \n--- \n| Zwar kann der Kaufer eines Kraftfahrzeuges mangels naherer Angaben nicht\nohne weiteres davon ausgehen, dass das Fahrzeug sofort nach der Herstellung\nzum Straßenverkehr zugelassen worden ist. Ein Kaufer darf aber darauf\nvertrauen, dass zwischen Herstellung und Erstzulassung ein relativ\nuberschaubarer Zeitraum liegt. Wenn die Vertragsparteien das Datum der\nErstzulassung in den Kaufvertrag aufnehmen, liegt darin folglich die\nkonkludente Vereinbarung, dass das Datum der Herstellung jedenfalls nicht\nmehrere Jahre davon abweicht (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Auflage,\nRn. 1275). \n--- \n| 24 \n--- \n| Die vom Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum\nVerkauf von Fahrzeugen als fabrikneu (BGH NJW 1980, 1097, 1098; vgl. auch BGH\nNJW 2003, 2824, 2825) fuhrt zu keiner anderen Beurteilung. Nach dieser\nRechtsprechung darf ein Fahrzeug zwar unabhangig vom Baujahr als fabrikneu\nbezeichnet werden, solange das betreffende Modell noch unverandert hergestellt\nwird. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann daraus aber nicht gefolgert\nwerden, dass das Baujahr generell unerheblich ist. Die Bezeichnung als\nfabrikneu kommt nach der zitierten Rechtsprechung schon angesichts der\nublichen Modellpflege-Zyklen meist nur innerhalb eines Jahres ab Herstellung\nin Betracht. Bei langeren Zeitraumen ist daruber hinaus in zunehmendem Maße\nmit Standschaden zu rechnen, was einen Verkauf als fabrikneu in jedem Fall\nausschließt (BGH NJW 1980, 1097, 1098). \n--- \n| 25 \n--- \n| Beim Verkauf von Gebrauchtwagen gilt grundsatzlich nichts anderes. Auch\nhier darf der Kaufer erwarten, dass das Baujahr nicht wesentlich vom Jahr der\nErstzulassung abweicht. Zwar kann es bei Re-Importen zu großeren Differenzen\nkommen. Mit derartigen Besonderheiten braucht der Kaufer mangels besonderer\nAnhaltspunkte aber nicht zu rechnen. Besondere Anhaltspunkte, aus denen sich\netwas anderes ergeben konnte, sind fur den vorliegenden Fall weder vorgetragen\nnoch sonst ersichtlich. Der Umstand, dass das verkaufte Fahrzeug reimportiert\nworden ist, reicht hierfur nicht aus (ebenso OLG Celle, OLGR 1998, 160). \n--- \n| 26 \n--- \n| b) Das verkaufte Fahrzeug genugt den vertraglichen Anforderungen nicht. \n--- \n| 27 \n--- \n| Dabei kann dahingestellt bleiben, welche zeitliche Differenz gerade noch\nzulassig ware. Der hier bestehende Unterschied von funf Jahren und sechs\nMonaten liegt jedenfalls nicht mehr im Rahmen dessen, womit ein Kaufer\nredlicherweise rechnen muss. Daran andert es nichts, dass zum Zeitpunkt des\nVertragsschlusses auch die Erstzulassung nahezu neun Jahre zurucklag. Das\ntatsachliche Alter des Fahrzeugs uberschreitet mit uber 14 Jahren die genannte\nZeitspanne sowohl bei absoluter als auch bei relativer Betrachtung in einem\nAusmaß, dass das Fahrzeug nicht mehr als vertragsgerecht angesehen werden\nkann. \n--- \n| 28 \n--- \n| 2\\. Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der\nvereinbarte Gewahrleistungsausschluss nicht greift, weil der Beklagte den\nMangel arglistig verschwiegen hat. \n--- \n| 29 \n--- \n| a) Das Landgericht hat aufgrund der Aussagen der von ihm vernommenen Zeugen\ndie Überzeugung gewonnen, dass der Beklagte wusste oder zumindest damit\nrechnete, dass das Fahrzeug bereits 1988 gebaut worden ist, und dies dem\nKlager wissentlich verschwiegen hat. Diese Wurdigung lasst keine Rechtsfehler\nerkennen und ist auch inhaltlich uberzeugend. \n--- \n| 30 \n--- \n| Soweit der Beklagte dem gegenuber geltend macht, dem Wortlaut der\nZeugenaussagen lasse sich nur entnehmen, dass das Turschloss des Fahrzeuges\naus dem Jahr 1988 gestammt habe, nicht aber das Fahrzeug selbst, zeigt er\nkeine konkreten Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Richtigkeit der\ngetroffenen Feststellungen begrunden konnten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). \n--- \n| 31 \n--- \n| Ob der Beklagte positive Kenntnis davon hatte, dass das Fahrzeug bereits im\nJahr 1988 ausgeliefert worden war, oder ob er, wie es das Landgericht als\nmoglich ansieht, nur damit rechnete, ist unerheblich. Ein Verkaufer handelt\nauch dann arglistig, wenn er einen Fehler fur moglich halt und gleichzeitig\nbilligend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Fehler nicht kennt und\nbei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt\ngeschlossen hatte (BGHZ 117, 363, 368 m.w.N.). Das Vorliegen dieser\nVoraussetzungen hat das Landgericht fehlerfrei festgestellt. \n--- \n| 32 \n--- \n| b) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Klager zur\nOffenbarung der ihm bekannten Umstande verpflichtet war. Eine Altersabweichung\num uber funf Jahre ist auch bei einem - vermeintlich - neun Jahre alten\nFahrzeug von zentraler Bedeutung fur die Entscheidung uber den\nVertragsschluss. Selbst wenn das Fahrzeug, wie der Beklagte vortragt, vor dem\nim Vertrag genannten Datum der Erstzulassung nicht benutzt worden ist, hat die\nAltersdifferenz Auswirkungen auf die zu erwartende Restnutzungsdauer des\nFahrzeugs. \n--- \n| 33 \n--- \n| Auch in diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob der Beklagte das Baujahr\ndes Fahrzeuges positiv kannte. Selbst wenn dies nicht der Fall war, hatte er\ndem Klager jedenfalls die ihm bekannten Umstande mitteilen mussen, die nahe\nlegten, dass das Fahrzeug aus dem Jahr 1988 stammte. \n--- \n| 34 \n--- \n| 3\\. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht die vom Klager geschuldete\nNutzungsentschadigung auf 1.482,71 EUR festgesetzt. \n--- \n| 35 \n--- \n| Das Landgericht hat den Wert der Fahrzeugnutzung gemaß § 287 ZPO geschatzt\nund hierzu den Kaufpreis und das Verhaltnis zwischen der vom Kaufer\nzuruckgelegten Strecke und der zum Zeitpunkt der Übergabe zu erwartenden\nRestlaufleistung herangezogen. Diese Methode ist nicht zu beanstanden und wird\nauch von den Parteien nicht in Frage gestellt. \n--- \n| 36 \n--- \n| Entgegen der Auffassung beider Parteien begegnet es keinen Bedenken, dass\ndas Landgericht die zu erwartende Gesamtlaufleistung hier mit 240.000 km\nangesetzt hat. Dieser Betrag liegt innerhalb des nach der Rechtsprechung\nallgemein als zulassig angesehenen Rahmens (vgl. OLG Karlsruhe (Freiburg), NJW\n2003, 1950, 1951 sowie die Übersicht bei Reinking/Eggert, aaO., Rn. 1524).\nWeder der Klager noch der Beklagte zeigen konkrete Anhaltspunkte auf, die die\nvon ihnen postulierte hohere bzw. niedrigere Gesamtlaufleistung als\nwahrscheinlicher oder aus sonstigen Grunden naher liegend erscheinen ließen. \n--- \n| 37 \n--- \n| 4\\. Nach allem ist sowohl die Berufung des Beklagten als auch die Berufung\ndes Klagers, soweit dieser sich gegen die Hohe des zugesprochenen Betrages\nwendet, unbegrundet. \n--- \n| 38 \n--- \n| 5\\. Zulassig und begrundet ist hingegen der - erstmals in der\nBerufungsinstanz gestellte - Antrag auf Feststellung, dass der Beklagte in\nAnnahmeverzug ist. \n--- \n| 39 \n--- \n| a) Die in diesem Antrag liegende Klageanderung ist gemaß § 533 ZPO\nzulassig. Sie ist sachdienlich, und die Entscheidung uber den Antrag kann auf\nder Grundlage des vom Landgericht festgestellten Sachverhalts ergehen. \n--- \n| 40 \n--- \n| b) Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus § 756 ZPO. \n--- \n| 41 \n--- \n| c) Der Beklagte ist durch die mit Schreiben vom 10 Juni 2003 (Anlage K 6)\nausgesprochene Aufforderung, den Kaufpreis Zug um Zug gegen Ruckgabe des\nFahrzeugs zuruckzuzahlen, gemaß § 293 BGB in Annahmeverzug geraten. Ein\ntatsachliches Angebot war gemaß § 295 BGB nicht erforderlich, weil der\nBeklagte die Ruckzahlung des Kaufpreises mit Schreiben vom 16. Mai 2003\nbestimmt und eindeutig verweigert hat (vgl. BGH NJW 1997, 581). \n--- \n| 42 \n--- \n| 6\\. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO. Wegen der\nerstinstanzlichen Kosten verbleibt es bei der Kostenentscheidung im\nangefochtenen Urteil. \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.\n10, 711 und 713 ZPO. \n--- \n| 44 \n--- \n| Grunde, die Revision zuzulassen, lagen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). \n---\n\n
139,851
vghbw-2004-06-14-a-12-s-63304
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
A 12 S 633/04
2004-06-14
2019-01-07 14:45:19
2019-01-17 12:00:01
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag der Klager auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des\nVerwaltungsgerichts Karlsruhe vom 05. November 2003 - A 7 K 13124/02 - wird\nabgelehnt.\n\nDie Klager tragen die Kosten des Verfahrens.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Antrag ist unzulassig, weil er nicht innerhalb der Frist des § 78 Abs.\n4 Satz 1 AsylVfG beim Verwaltungsgericht gestellt worden ist. \n--- \n| 2 \n--- \n| Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist dem fruheren Bevollmachtigten der\nKlager ausweislich des in den Akten befindlichen Empfangsbekenntnisses am\n07.04.2004 zugestellt worden. Nachdem der Bevollmachtigte eine schriftliche\nVollmachtsurkunde vorgelegt hatte, waren - bis zum Bekanntwerden des\nErloschens der Vollmacht - Zustellungen im Verfahren an ihn zu richten (§ 67\nAbs. 3 Satz 3 VwGO). Die durchgefuhrte Zustellung entsprach den gesetzlichen\nVorgaben des § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 174 Abs. 1 ZPO. Die in den Akten\nenthaltene Telekopie genugt zum Nachweis der Zustellung, da sie mit Datum und\nUnterschrift des Adressaten versehen ist (§ 174 Abs. 4 ZPO), wobei die\nDatumsangabe hier in dem automatischen Datumseindruck durch das Faxgerat zu\nsehen ist. Selbst wenn man diesen nicht genugen lassen wurde, ware die\nfehlende Datumsangabe auf dem Empfangsbekenntnis nach § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m.\n§ 189 ZPO mit der am 07.04.2004 erfolgten Rucksendung als geheilt anzusehen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Zustellung wirkte gegenuber den Klagern, obwohl zu diesem Zeitpunkt das\nMandat des fruheren Bevollmachtigten bereits gekundigt worden war. Denn eine\nMandatsniederlegung wird dem Gericht und den anderen Prozessbeteiligten\ngegenuber erst wirksam, wenn sie dem Gericht gegenuber angezeigt worden ist\n(BVerwG, Beschluss vom 29.01.1980, NJW 1980, S. 2269 und Urteil vom\n13.12.1982, NJW 1983, S. 2155; Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/ von Albedyll, VwGO,\n2. Aufl. RdNr. 42 zu § 67). Das spatere Bekanntwerden der Mandatsniederlegung\nbzw. der Mandatskundigung und des Erloschens der Vollmacht fuhrt nicht dazu,\ndass die bis dahin vorgenommenen Handlungen und auch die bis dahin erfolgten\nZustellungen ihre Wirkung verlieren (BVerwG, Urteil vom 13.12.1982, NJW 1983,\nS. 2155). \n--- \n| 4 \n--- \n| Den Klagern kann keine Wiedereinsetzung in die Versaumung der Frist des §\n78 Abs. 4 S. 1 AsylVfG gewahrt werden. Der am 06.05.2004 beim\nVerwaltungsgericht eingegangene Antrag ist verspatet. Nach § 60 Abs. 2 VwGO\nist der Antrag auf Wiedereinsetzung in eine versaumte gesetzliche Frist binnen\nzwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Nach dem Vortrag der\nKlager lag ihnen das Urteil am 16.04.2004 vor. Ab diesem Zeitpunkt war ihnen\nder Zustellungstag und damit der bereits eingetretene Ablauf der Frist fur den\nZulassungsantrag bekannt. Der am 06. Mai 2004 beim Verwaltungsgericht\neingegangene Wiedereinsetzungsantrag wahrt die Zweiwochenfrist des § 60 Abs. 2\nVwGO nicht. \n--- \n| 5 \n--- \n| Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kommt nicht in Betracht, weil die\nKlager nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert waren (§\n60 Abs. 1 VwGO). Es kann dahinstehen, ob sie sich das Verhalten ihres fruheren\nBevollmachtigten zurechnen lassen mussen (so insbes. BVerwG, Beschluss vom\n29.01.1980, NJW 1980, S. 2269), weil ein Prozessbevollmachtigter, der seine\nMandatsniederlegung bzw. die Beendigung des Mandats dem Gericht nicht\nangezeigt und das Empfangsbekenntnis uber das ihm zugestellte Urteil\nunterzeichnet hat, dafur Sorge zu tragen hat, dass innerhalb der durch diese\nZustellung in Lauf gesetzten Frist ein etwa beabsichtigtes Rechtsmittel\neingelegt wird. Denn selbst wenn man diese Verschuldenszurechnung nach § 85\nAbs. 2 ZPO mit der (internen) Mandatskundigung enden lasst (so BVerwG,\nBeschluss vom 05.05.1999, NVwZ 2000, S. 65), ware es den Klagern zum Zeitpunkt\ndes Erhaltes des Urteils moglich gewesen, noch fristgerecht das Rechtsmittel\neinlegen zu lassen. Dass sie dies nicht getan, sondern erst sechs Tage spater\nund damit nach Ablauf der Frist ihren jetzigen Bevollmachtigten aufgesucht\nhaben, stellt ein eigenes Verschulden dar. \n--- \n| 6 \n--- \n| Seit dem 26.11.2003 war den damals noch mandatierten Rechtsanwalten (und\ndamit auch dem dieser Kanzlei damals noch angehorenden jetzigen\nBevollmachtigten) der Tenor der Entscheidung bekannt. Es musste daher\njederzeit mit deren Zustellung gerechnet werden. Wenn die Klager in dieser\nSituation mit Schreiben vom 17.12.2003 das Mandat kundigen und dies nicht dem\nGericht mitteilen und auch nicht fur eine anderweitige Vertretung sorgen, ist\ndies ebenfalls ihnen selbst zuzuschreiben. Das gilt in der hier zu\nbeurteilenden, besonderen Fallkonstellation auch deshalb, weil der jetzige\nProzessbevollmachtigte wahrend des erstinstanzlichen Verfahrens der Kanzlei\nder fruheren Bevollmachtigten angehort und die Klager konkret vertreten hatte.\nEr war in der mundlichen Verhandlung am 05. November 2003 anwesend gewesen und\nes war ihm bekannt, dass eine Entscheidung auf deren Grundlage zugestellt\nwerden wurde. Die Entscheidung selbst war der Kanzlei am 26.11.2003\ntelefonisch bekannt gegeben worden. Wenn er in der Folgezeit die Betreuung der\nKlager weiter ubernimmt, ware es seine Pflicht gewesen, die Änderung in dem\nMandatsverhaltnis dem Verwaltungsgericht selbst mitzuteilen. Eine solche\nMitteilung ist bis heute nicht erfolgt. Dieses Verschulden mussen sich die\nKlager nach dem hier anwendbaren § 85 Abs. 2 VwGO zurechnen lassen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Im Übrigen wird auf § 78 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG verwiesen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 S. 1 VwGO.\nGerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b Abs. 1 AsylVfG). \n---\n\n
139,869
olgkarl-2004-06-18-15-ar-804
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
15 AR 8/04
2004-06-18
2019-01-07 14:45:56
2019-02-12 12:19:30
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Der Antrag der Antragstellerin auf Gerichtsstandsbestimmung wird\nzuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Antragstellerin tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n3\\. Der Gegenstandswert fur das Verfahren der Gerichtsstandsbestimmung wird\nauf 800 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Antragsgegner Ziffer 1 hat im Verfahren 5 O 292/03 des Landgerichts\nHeidelberg Klage erhoben gegen die Antragstellerin. Er macht einen Betrag in\nHohe von 11.330,36 EUR nebst Zinsen geltend. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 05.02.2004 hat die Antragstellerin - Beklagte im\nVerfahren des Landgerichts Heidelberg - Widerklage gegen den Antragsgegner\nZiffer 1 - Klager im Verfahren des Landgerichts Heidelberg - uber einen Betrag\nin Hohe von 2.903,96 EUR nebst Zinsen erhoben. Die Widerklage richtet sich in\ngleicher Hohe auch gegen den Antragsgegner Ziffer 2, der im Verfahren des\nLandgerichts Heidelberg bis dahin nicht beteiligt war, als\nDrittwiderbeklagten. Der Antragsgegner Ziffer 1 hat seinen Wohnsitz im Bezirk\ndes Landgerichts Heidelberg, wahrend der Antragsgegner Ziffer 2\n(Drittwiderbeklagter) seinen Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts Mannheim hat. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 23.02.2004 hat der Drittwiderbeklagte im Verfahren des\nLandgerichts Heidelberg die ortliche und die sachliche Zustandigkeit des\nLandgerichts Heidelberg hinsichtlich der gegen ihn gerichteten Widerklage\ngerugt. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Antragstellerin bittet um eine Gerichtsstandsbestimmung fur die\nWiderklage im Verfahren des Landgerichts Heidelberg. Sie beantragt, das\nLandgericht Heidelberg als sachlich und ortlich zustandig zu bestimmen fur die\ndortige Widerklage gegen beide Antragsgegner. Die Antragsgegner treten diesem\nAntrag entgegen. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung war zuruckzuweisen. Denn die\nVoraussetzungen fur eine Entscheidung gemaß § 36 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO liegen\nnicht vor. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| 1\\. Das Oberlandesgericht Karlsruhe ist zur Entscheidung im Verfahren der\nGerichtsstandsbestimmung zustandig gemaß § 36 Abs. 1 ZPO. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| 2\\. Das Landgericht Heidelberg ist nur fur die Widerklage gegen den\nAntragsgegner Ziffer 1 (ortlich und sachlich) zustandig. Wird gegen den Klager\nin einem Verfahren vor dem Landgericht eine Widerklage gemaß § 33 Abs. 1 ZPO\nerhoben, so ist die sachliche Zustandigkeit des Landgerichts fur die\nWiderklage auch dann gegeben, wenn sie als Klage (bei einem Streitwert bis\n5.000 EUR) vor das Amtsgericht gehoren wurde (vgl. Zoller/Vollkommer, ZPO, 24.\nAufl. 2004, § 33 ZPO Rn. 12 m.N.). Dies gilt allerdings nicht fur die\nDrittwiderklage gegen den Antragsgegner Ziffer 2. § 33 Abs. 1 ZPO begrundet\nfur die Einbeziehung eines Drittwiderbeklagten weder die ortliche noch die\nsachliche Zustandigkeit. Die sachliche und ortliche Zustandigkeit der gegen\neinen - bisher am Prozess nicht beteiligten - Dritten gerichteten Widerklage\nmussen sich vielmehr aus den allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung\nergeben (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl. 2002, § 33 ZPO Rn. 13). Bei einem\nStreitwert von weniger als 5.000 EUR ist dementsprechend die sachliche\nZustandigkeit des Landgerichts Heidelberg fur die (Dritt-) Widerklage gegen\nden Antragsgegner Ziffer 2 nicht gegeben. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Rechtsprechung hat in derartigen Fallen, in denen der Klager und ein\nDritter im Wege der Widerklage als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden\nsollen, vielfach eine Gerichtsstandsbestimmung in entsprechender Anwendung von\n§ 36 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO vorgenommen, um eine gemeinsame Verhandlung der\nWiderklage gegen beide Widerbeklagte zu ermoglichen (vgl. fur die Bestimmung\nder ortlichen Zustandigkeit bei einer Widerklage BGH, NJW 2000, 1871). Eine\nsolche Gerichtsstandsbestimmung kommt vorliegend jedoch nicht in Betracht,\nweil die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO - bei einer\nentsprechenden Anwendung dieser Vorschrift - nicht gegeben sind. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| 3\\. Eine Zustandigkeitsbestimmung gemaß § 36 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO scheidet\naus, wenn an sich ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand gegeben ist. Dies gilt\nauch dann, wenn die Klageanspruche im Wege der Widerklage verfolgt werden\nsollen (BGH, NJW 2000, 1871). Die Bestimmung eines gemeinsam zustandig\nGerichts kommt generell dann nicht in Betracht, wenn die Antragstellerin auch\nohne Gerichtsstandsbestimmung die Moglichkeit hat - oder die Moglichkeit\ngehabt hatte - ihre Anspruche gegen die beiden Widerbeklagten vor einem\ngemeinsam zustandigen Gericht geltend zu machen. So liegt der Fall hier: Die\nAntragstellerin hatte eine gemeinsame Verhandlung uber ihre Anspruche gegen\ndie beiden Widerbeklagten erreichen konnen, wenn sie eine entsprechende Klage\nbeim Amtsgericht Heidelberg erhoben hatte. Wenn es bereits ein gemeinsam\nzustandiges Gericht (das Amtsgericht Heidelberg) gibt, besteht fur eine\nGerichtsstandsbestimmung gemaß § 36 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO (analog) kein\nBedurfnis. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die sachliche Zustandigkeit des Amtsgerichts Heidelberg fur eine etwaige\ngemeinsame Klage der Antragstellerin gegen die beiden Antragsgegner ergibt\nsich aus dem Streitwert (§ 23 Ziffer 1 GVG). Die ortliche Zustandigkeit des\nAmtsgerichts Heidelberg ergibt sich aus § 29 Abs. 1 ZPO (Gerichtsstand des\nErfullungsorts). Die Antragstellerin macht Anspruche geltend gegen die\nWiderbeklagten in deren Eigenschaft als Gesellschafter der E. Networking GbR.\nDie Forderungen sind nach dem Sachvortrag der Antragstellerin Anfang 2001\nentstanden. Nach den vorhandenen Unterlagen (Rechnungen der Antragstellerin an\ndie E. Networking und eigene Rechnungen der E. Networking) hatte die E.\nNetworking GbR noch 2001 einen (Verwaltungs-) Sitz unter der Anschrift I. B.\nin H. Gemaß § 269 Abs. 1 BGB ist der Verwaltungssitz der GbR zum Zeitpunkt der\nEntstehung des Schuldverhaltnisses maßgeblich fur den Erfullungsort, an dem\ndie GbR ihre Zahlungsverpflichtung zu erfullen hatte (vgl. BayObLG, MDR 2002,\n1360). Dieser Erfullungsort ist auch maßgeblich fur den Erfullungsort, an dem\ndie beiden Gesellschafter ihre Verpflichtungen zu erfullen hatten (vgl.\nBayObLG a.a.O.). Daraus ergibt sich auch fur die beiden Antragsgegner\nHeidelberg als Erfullungsort. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| 4\\. Die Entscheidung des Senats bedeutet im Ergebnis zwar, dass eine\ngemeinsame Verhandlung der Widerklage gegen die beiden Widerbeklagten nicht\nmehr moglich ist (wenn die Antragstellerin die Widerklage im Verfahren vor dem\nLandgericht Heidelberg nicht vollstandig zurucknimmt), weil das Landgericht\nHeidelberg nur fur die Widerklage gegen den Antragsgegner Ziffer 1 zustandig\nist. Diese Konsequenz entspricht jedoch der gesetzlichen Regelung in § 36 Abs.\n1 Ziffer 3 ZPO: Wenn die Antragstellerin sich entschließt, eine Klage gegen\nmehrere Streitgenossen vor einem Gericht geltend zu machen, das nur fur die\nKlage gegen einen Streitgenossen zustandig ist, obwohl eine Klageerhebung vor\neinem gemeinsam zustandigen Gericht moglich gewesen ware (Amtsgericht\nHeidelberg), ist dies nachtraglich nicht mehr durch eine\nGerichtsstandsbestimmung korrigierbar. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| 5\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| 6\\. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 3 ZPO. \n--- \n---\n\n
139,896
vg-stuttgart-2004-06-24-11-k-480903
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
11 K 4809/03
2004-06-24
2019-01-07 14:46:10
2019-01-17 12:00:04
Urteil
## Tenor\n\nDie Beklagte wird verpflichtet, dem Klager eine Aufenthaltsbefugnis zu\nerteilen.\n\nDie Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager ist ein am 22.08.1990 im Bundesgebiet geborener vietnamesischer\nStaatsangehoriger. Seine beiden Eltern kamen im Rahmen einer\nRegierungsvereinbarung im Jahr 1987 als Vertragsarbeitnehmer in die DDR. Nach\nÖffnung der Mauer verließen sie am 31.12.1989 die DDR, gelangten in die\nBundesrepublik Deutschland und stellten hier Anfang 1990 einen Asylantrag.\nDieses Asylverfahren der Eltern des Klagers endete im April 1995 endgultig\nnegativ. Fur den Klager selbst und zwei nach ihm ebenfalls im Bundesgebiet\ngeborene jungere Geschwister wurde seinerzeit kein Asylverfahren angestrengt. \n--- \n| 2 \n--- \n| Nach rechtskraftigem Abschluss des Asylverfahrens der Eltern des Klagers\nbeantragte die gesamte Familie - allerdings noch ohne das erst im Jahre 1996\ngeborene jungste Kind - im Jahr 1995 die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis.\nMit Verfugung vom 20.11.1995 lehnte die Beklagte die Erteilung einer\nAufenthaltsbefugnis ab, forderte den Klager auf, die Bundesrepublik\nDeutschland innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe dieser Verfugung zu\nverlassen und drohte ihm andernfalls die Abschiebung nach Vietnam an. Ein\ngegen diese Verfugung eingelegter Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid\ndes Regierungsprasidiums Stuttgart vom 07.01.1999 zuruckgewiesen. Diese\nVerfugung wurde schließlich im Juni 2001 bestandskraftig, nachdem der VGH\nBaden-Wurttemberg einen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein\nvorangegangenes klagabweisendes Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom\n12.04.2001 (11 K 547/01) zuruckgewiesen hat. In diesem Urteil heißt es, ein\nAnspruch der Familie auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 32 AuslG\ni.V.m. der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums uber die\nauslanderrechtliche Behandlung ehemaliger DDR-Vertragsarbeitnehmer aus Angola,\nMozambique und Vietnam vom 18.06.1993 bestehe nicht, da die maßgeblichen\nTatbestandsvoraussetzungen dieses Erlasses nicht erfullt seien. Dasselbe gelte\nmit Blick auf den Erlass des Innenministeriums Baden-Wurttemberg uber die\nHartefallregelung fur auslandische Familien mit langjahrigem Aufenthalt vom\n12.01.2000. Schließlich konne die Familie auch keine Aufenthaltsbefugnis nach\n§ 30 Abs. 3 oder Abs. 4 AuslG erhalten. Ein Abschiebungshindernis\ntatsachlicher oder rechtlicher Art liege nicht vor; sie konnten das\nBundesgebiet freiwillig verlassen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Klager - wie auch die gesamte Familie - war in der Vergangenheit\nverschiedentlich nicht in Besitz eines vietnamesischen Reisepasses. Seit\n24.02.2003 besitzt der Klager einen bis zum 24.02.2006 gultigen\nvietnamesischen Reisepass. Auch die ubrigen Familienmitglieder genugen\ninzwischen der Passpflicht. \n--- \n| 4 \n--- \n| Jedenfalls seit dem rechtskraftigen Abschluss des Asylverfahrens seiner\nEltern wird der Klager im Bundesgebiet geduldet. \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 15.07.2003 beantragte der Klager, und mit ihm die gesamte Familie,\nerneut die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis bei der Beklagten. Ein\nzeitgleich zum Verwaltungsgericht Stuttgart gestellter Antrag auf\neinstweiligen Rechtsschutz (5 K 2821/03) wurde wenig spater zuruckgenommen,\nnachdem das Regierungsprasidium Stuttgart - Bezirksstelle fur Asyl - unter dem\n10.09.2003 mitgeteilt hatte, die Abschiebung stehe nicht unmittelbar bevor. \n--- \n| 6 \n--- \n| Im Verwaltungsverfahren trug der Klager vor, im Unterschied zur Sachlage,\ndie der vorangegangenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom\n12.04.2001 zugrunde gelegen habe, sei das ursprungliche Abschiebungshindernis\nder Passlosigkeit zwischenzeitlich entfallen, nachdem sich die gesamte Familie\ninzwischen freiwillig vietnamesische Reisepasse verschafft habe. Eine\nrechtliche Unmoglichkeit der Abschiebung fur den Klager ergebe sich aber\ndaraus, dass er in Boblingen geboren, aufgewachsen und sprachlich sowie\nkulturell hier integriert sei. Er habe keinen Bezug zu seinem „Heimatstaat"\nVietnam. Er unterscheide sich in nichts von seinen deutschen Mitschulern. Eine\nAbschiebung wurde eine Entwurzelung bedeuten die mit einer erheblichen\nGefahrdung des Kindeswohls, insbesondere der „seelischen Gesundheit"\neinhergehen musste. Eine Abschiebung sei daher rechtlich unzulassig. Eine\nAbschiebung verstoße zudem gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK und sei daher bereits aus\ndiesem Grunde rechtlich nicht moglich. In der Folge stehe dem Klager ein\nAnspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis zu. \n--- \n| 7 \n--- \n| Nach Rucksprache mit dem Regierungsprasidium teilt die Beklagte dem Klager\nunter dem 14.10.2003 mit, nachdem uber Antrage auf Erteilung von\nAufenthaltsbefugnissen bereits des Öfteren entschieden worden sei und sich an\nder Sachlage seit den letzten mehrmals gestellten Antragen auf Erteilung einer\nAufenthaltsbefugnis nichts geandert habe, sei eine neue Prufung und ein daraus\nfolgender Bescheid, der eine Ablehnung zur Folge hatte, entbehrlich. Da somit\nkein neues Sachbescheidungsinteresse gegeben sei, werde auch ein\nrechtsmittelfahiger Bescheid hier nicht ergehen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Klager hat - zunachst gemeinsam mit seinen ubrigen Familienangehorigen\n- am 21.11.2003 das Verwaltungsgericht angerufen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Zur Begrundung verweist der Klager auf sein Vorbringen im\nVerwaltungsverfahren. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 11 \n--- \n| die Beklagte zu verpflichten, dem Klager eine Aufenthaltsbefugnis zu\nerteilen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 13 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Zur Begrundung tragt sie vor, die Familie sei seit mehreren Jahren\nvollziehbar ausreisepflichtig. Ein fruheres Abschiebungshindernis habe sie\naufgrund fehlender Mitwirkung selbst verschuldet. Dass fur die Familie nun\nPasse vorgelegt werden konnten, konne nicht als gunstiger Umstand gewertet\nwerden. Auch sei die Familie nicht wirklich integriert, was der mehrjahrige\nBezug von Sozialhilfe in der Vergangenheit zeige. Mit Blick auf das\nvorangegangene Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.04.2001 sei ein\nneues Sachbescheidungsinteresse vorliegend nicht gegeben. Die Familie konne\nfreiwillig nach Vietnam ausreisen. Die Umstande, dass die Kinder, also auch\nder Klager, bei ihrer Ruckkehr nach Vietnam in ein ihnen fremdes Land\nzuruckkehren mussten, konne keine Berucksichtigung finden. Es liege an den\nEltern, den Kindern die Sprache und Kultur des Heimatlandes entsprechend zu\nvermitteln. Dass dies nicht geschehen sei, gehe zu Lasten der Eltern und konne\nhier nicht als Grund fur die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gewertet\nwerden. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Klager hat in der mundlichen Verhandlung erganzend vorgetragen, er gehe\nzwischenzeitlich in die 7. Klasse der Friedrich-Schiller-Realschule und\nerbringe dort gute Leistungen. Seine aktuelle Note im Fach Deutsch sei 2-3. Er\nsei aktiver Fußballer in der Jugend des TSV Dagersheim. Auch seine Freunde\nseien alles Deutsche. Die Familie lebe vom Erwerbseinkommen der Eltern. Sie\nbewohnten seit 5 Jahren eine Mietwohnung mit vier Zimmern. Zwar wurden die\nEltern uber Satellit das vietnamesische Fernsehen verfolgen. Sie, die Kinder,\nwurden allerdings ausschließlich deutsches Fernsehen gucken. Die Kinder\nuntereinander, also er mit seinen beiden Geschwistern, wurden ausschließlich\ndeutsch sprechen. Sein vietnamesisch sei nicht sehr gut. \n--- \n| 16 \n--- \n| Das Gericht hat nach der mundlichen Verhandlung zunachst nur in der Sache\ndes Klagers entschieden. Das Verfahren der anderen Familienangehorigen wurde\nabgetrennt (11 K 4063/04), die mundliche Verhandlung wiedereroffnet und das\nVerfahren bis zum rechtskraftigen Abschluss im vorliegenden Rechtsstreit\nausgesetzt. \n--- \n| 17 \n--- \n| Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten\nSchriftsatze, die Gerichtsakten, die beigezogenen Akten des\nRegierungsprasidiums Stuttgart und die etwas unubersichtlichen\nVerwaltungsakten der Beklagten verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 18 \n--- \n| Die Klage ist gemaß § 75 VwGO zulassig, nachdem uber den Antrag des Klagers\nauf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis vom 15.07.2003 bis heute nicht\nentschieden ist. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, wegen\nUnanfechtbarkeit ihrer vorangegangenen ablehnenden Verfugung vom 20.11.1995\nbesitze der Klager kein Sachbescheidungsinteresse, weshalb sie seinen Antrag\nals rechtsmissbrauchlich gestellt unbeachtet lassen durfe. Voraussetzung\nhierfur ware, dass keine Grunde vorgetragen oder ersichtlich sind, die dafur\nsprechen konnten, dass ein sachlicher Anlass fur eine erneute Prufung und\nEntscheidung durch sog. Zweitbescheid gegeben sein konnte (Kopp/Ramsauer,\nVwVfG, 7. Aufl., § 22 Rz 57 a.E.). Solche Grunde liegen hier aber vor.\nUnabhangig von der Frage, welcher Bedeutung dem Umstand zukommt, dass der\nKlager nunmehr in Besitz eines vietnamesischen Reisepasses ist, was im\nZeitpunkt der letzten Gerichtsentscheidung am 12.04.2001 nicht der Fall war,\nberuft sich der knapp 15-jahrige Klager auf seine fortgeschrittene Integration\nund ein nun daraus resultierendes rechtliches Abschiebungshindernis (dazu\nsogleich unten). Nachdem die vorangegangene Entscheidung des VG Stuttgart\ninsoweit mehr als drei Jahre zuruckliegt, was angesichts des Alters des\nKlagers eine erhebliche Zeitspanne ist, bestand tatsachlich Anlass fur eine\nneue Prufung und Entscheidung. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Klage ist auch begrundet. Das Unterlassen des beantragten\nVerwaltungsaktes ist rechtswidrig und verletzt den Klager in seinen Rechten,\nda er Anspruch auf die begehrte Aufenthaltsbefugnis hat, weshalb die Beklagte\nentsprechend zu verpflichten war (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und § 114 Satz 1 VwGO). \n--- \n| 20 \n--- \n| a) Allerdings kommt die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs.\n3 AuslG wohl nicht in Betracht. Danach kann einem Auslander, der unanfechtbar\nausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltsbefugnis (nur) erteilt werden, wenn die\nVoraussetzungen des § 55 Abs. 2 AuslG fur eine Duldung vorliegen, weil seiner\nfreiwilligen Ausreise und seiner Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die\ner nicht zu vertreten hat. \n--- \n| 21 \n--- \n| Zwar ist der Klager seit Juni 2001 unanfechtbar ausreisepflichtig, nachdem\nseine Klage gegen die Verfugung der Beklagten vom 20.11.1995 erfolglos blieb.\nDer Abschiebung - oder auch einer freiwillige Ausreise - des Klagers durfte\nderzeit aller Wahrscheinlichkeit nach aber kein tatsachliches\nAbschiebungshindernis entgegenstehen. Nachdem der Klager zwischenzeitlich in\nBesitz eines vietnamesischen Reisepasses gelangen konnte, ist nichts dafur\nvorgetragen oder ersichtlich, dass die vietnamesischen Behorden dem Klager\ngleichwohl die Einreise nach Vietnam verweigern konnten. \n--- \n| 22 \n--- \n| Soweit sich der Klager auf das rechtliche Abschiebungshindernis seiner\nerfolgreichen Integration beruft (dazu sogleich unten), durfte ein\nVertretenmussen i.S.d. § 30 Abs. 3 AuslG vorliegen. Aus der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 30. April 1997 - 1 B 74/97 -, zit. Nach\n<juris>) ergibt sich, dass sich ein Minderjahriger im Rahmen der Anwendung\ndieser Vorschrift das Verhalten seiner Vertretungs- und Erziehungsberechtigten\nwohl zurechnen lassen muss. Die Eltern des Klagers wussten aber spatestens\nseit Abschluss ihres Asylverfahrens im Jahr 1995, dass sie kein Bleiberecht in\nDeutschland besitzen. Es ware im Interesse des Kindeswohls seinerzeit geboten\ngewesen, den Klager auf ein Leben im Heimatland Vietnam vorzubereiten. Dass\ndies nicht in ausreichendem Maße geschehen ist, ist objektiv und subjektiv\nvorwerfbar und durfte eine Anwendung von § 30 Abs. 3 AuslG insoweit\nausschließen. \n--- \n| 23 \n--- \n| b) Dies kann letztlich dahinstehen, denn jedenfalls erfullt der Klager die\ntatbestandlichen Voraussetzungen fur die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis\nnach § 30 Abs. 4. Nach § 30 Abs. 4 AuslG kann einem Auslander, der seit\nmindestens zwei Jahren unanfechtbar ausreisepflichtig ist und eine Duldung\nbesitzt - was beim Klager der Fall ist -, abweichend von § 8 Abs. 1 und 2\nAuslG eine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden, es sei denn, der Auslander\nweigert sich, zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des\nAbschiebungshindernisses zu erfullen. Wie die gesetzliche Formulierung („Im\nubrigen ...") zeigt, kommt es hier - anders als in Anwendung von Abs. 3 der\nVorschrift - auf ein Vetretenmussen gerade nicht an. Auch der Auslander, der\nein gegebenes Abschiebungshindernis selbst aktiv oder jedenfalls ihm rechtlich\nzurechenbar herbeigefuhrt hat, kann sich im Grundsatz auf diese Voraussetzung\nberufen (zur Obliegenheit, an der Beseitigung dieses Hindernisses mitzuwirken,\nsogleich). \n--- \n| 24 \n--- \n| aa) Insoweit jedenfalls ist das vom Klager in Anspruch genommene\nAbschiebungshindernis seiner gelungenen Integration rechtlich von Bedeutung.\nEs ist unter Berucksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles auch\ntatsachlich gegeben. Eine abgeschlossene erfolgreiche Integration eines fast\n15-jahrigen im Bundesgebiet geborenen und aufgewachsenen Auslanders, ist im\nHinblick auf das Schutzgut des "Privatlebens" in Art. 8 Abs. 1 EMRK als\nrechtliches Abschiebungshindernis gemaß Art. 8 Abs. 1 EMRK zu berucksichtigen.\nGemaß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung u.a. seines\nPrivatlebens, zu dem die Gesamtheit der in Deutschland gewachsenen Bindungen\ngehoren; der Eingriff einer offentlichen Behorde in die Ausubung dieses Rechts\nist gemaß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, soweit dieser Eingriff gesetzlich\nvorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen\nGesellschaft fur die nationale Sicherheit, die offentliche Ruhe und Ordnung,\ndas wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung oder zur\nVerhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der\nMoral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (vgl.\nhierzu umfassend Europaischer Gerichtshof fur Menschenrechte, Urteil vom 18.\nFebruar 1991, - 31/1989/191/291 -, Fall Moustaquim gegen Belgien -, InfAuslR\n1991, 149). Dies gebietet insbesondere eine Verhaltnismaßigkeitsprufung in\nBezug auf ein von den Behorden in Anspruch genommenes legitimes Ziel in\nAnsehung des beabsichtigten Eingriffs. Legitim ist ohne Zweifel das Ziel, die\nEinhaltung der aufenthaltsrechtlichen Vorschriften auch im Einzelfall zur\nGeltung zu bringen. Grundsatzlich steht insoweit auch fest, dass der Klager\nkein Aufenthaltsrecht in Deutschland hatte und zur Ausreise verpflichtet war.\nDieses legitime Ziel nunmehr aber zwangsweise durchzusetzen, stellt sich im\nFall des Klagers als unverhaltnismaßig dar, weshalb von einem rechtlichen\nAbschiebungshindernis ausgegangen werden muss. \n--- \n| 25 \n--- \n| Das Gericht sieht die Integration des Klagers - im Unterschied zu\nderjenigen seiner Eltern - weitgehend als erfolgreich abgeschlossen an. Der\nKlager nimmt hier am sozialen Leben teil, besucht - mit Erfolg - eine\nweiterfuhrende Schule, spricht in seiner Umgebung und auch innerhalb der\nFamilie - jedenfalls mit seinen Geschwistern - mehrheitlich deutsch, und weist\nalle Merkmale eines sog. „faktischen Inlanders" auf. Er ist nicht vorbestraft\nund lebt auch nicht unter Inanspruchnahme offentlicher Mittel. Seine\nAbschiebung nach Vietnam wurde sich rein tatsachlich nicht als eine Ruckkehr\nins Heimatland darstellen - vielmehr als eine Art „Verbannung" in die Fremde.\nMit Blick auf die vorzunehmende Verhaltnismaßigkeitsprufung kommt hinzu, dass\ndas Hineinwachsen des Klagers in diese Integration von mehreren Faktoren\nbegunstigt wurde, nicht zuletzt von dem Umstand, dass es den Behorden in der\nVergangenheit einfach nicht gelungen ist, die aufenthaltsrechtliche Situation\nder Familie „in den Griff" zu bekommen. So dauerte etwa allein das\nWiderspruchsverfahren in Bezug auf die Verfugung der Beklagten vom 20.11.1995\nuber drei Jahre, was mit der eingelegten Petition in dieser Zeit nur sehr\nbedingt zu erklaren ist. Selbst im nachfolgenden Klageverfahren vor dem\nVerwaltungsgericht wurde der Verwaltungsprozess - mit Zustimmung der Behorde -\nfast ein Jahr gemaß § 251 ZPO zum Ruhen gebracht. Auch das vorangegangene\nAsylverfahren der Eltern nahm einen Zeitraum von mehr als funf Jahren ein,\nwobei die Eltern jedenfalls in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht\ndurchaus erfolgreich waren. Schließlich ist es den Behorden auch nach dem fur\nsie insoweit erfolgreichen Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12.04.2001 nicht\ngelungen, die ab da bestandskraftige Abschiebungsandrohung durchzusetzen. Dass\nin Bezug auf das jungste Geschwister des Klagers den Verwaltungsakten der\nBeklagten noch nicht einmal irgendeine auslanderrechtliche Vorgehensweise zu\nentnehmen ist, verdeutlicht den Befund. \n--- \n| 26 \n--- \n| Integriert sich ein im Bundesgebiet geborener auslandischer Jugendlicher\naber in all den Jahren auf Grund der genannten Umstande derart erfolgreich -\nwie hier der Klager -, wird das an sich legitime Ziel, die Einhaltung der\naufenthaltsrechtlichen Vorschriften letztendlich doch noch durchzusetzen,\nschließlich unverhaltnismaßig i.S.v. Art. 8 Abs. 1 und 2 EMRK und es ist von\neinem eingetretenen rechtlichen Abschiebungshindernis auszugehen. \n--- \n| 27 \n--- \n| bb) Mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v.\n24.11.1998 - 1 C 8/98 -, BVerwGE 108, 21, = NVwZ 1999, 664 = InfAuslR 1999,\n106) ist allerdings geklart, dass § 30 Abs. 4 AuslG auf die Obliegenheit des\nausreisepflichtigen Auslanders abstellt, alles in seiner Kraft Stehende und\nihm Zumutbare dazu beizutragen, etwaige Abschiebungshindernisse zu uberwinden.\nDen unanfechtbar ausreisepflichtigen Auslander, wie er in § 30 Abs. 4 AuslG\nals Normadressat vorausgesetzt ist, trifft im Grundsatz die Pflicht, die\nBundesrepublik Deutschland zu verlassen. Aus dieser Pflicht folgt dann, dass\nsich der betroffene Auslander in den Stand setzen muss, dieser Ausreisepflicht\nzu genugen. Zu fragen ist insoweit, ob er ihm zumutbare Handlungen zur\nErmoglichung seiner Ausreise unterlasst (BVerwG, Urt. v. 24.11.1998 a.a.O).\nGerade dieser Rechtsgedanke des § 30 Abs. 4 AuslG verfangt vorliegend jedoch\nnicht. Fur den Klager ware es aus den vorstehend dargelegten Grunden nicht\nzumutbar, sein Privatleben i.S.d. Art. 8 Abs. 1 EMRK aufzugeben um seiner\nAusreisepflicht zu genugen. Und einen Verlust seiner erfolgreich\nabgeschlossenen Integration vermag er rein tatsachlich nicht herbeizufuhren. \n--- \n| 28 \n--- \n| cc) Sind somit die Tatbestandvoraussetzungen des § 30 Abs. 4 AuslG erfullt\nund der Beklagten somit ein Ermessen hinsichtlich der Erteilung der\nbeantragten Aufenthaltsbefugnis eroffnet, fuhren die vorstehenden Ausfuhrungen\nzugleich zu der Erkenntnis, dass dieses Ermessen mit Blick auf den Klager -\nund allein auf ihn kommt es insoweit an - „auf Null" reduziert ist. Dem\nUmstand, dass die Eltern des Klagers an seinem Hineinwachsen in die\nfestgestellte Integration moglicherweise vorwerfbar beteiligt waren, kann hier\ngerade keine Bedeutung zukommen. Wurde der Klager trotz des zu konstatierenden\nAbschiebungshindernisses (vgl. oben) auf Grund des Verhaltens seiner Eltern\n„bestraft", ware er zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht. Dies lasst\ndie Rechtsordnung nicht zu. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 18 \n--- \n| Die Klage ist gemaß § 75 VwGO zulassig, nachdem uber den Antrag des Klagers\nauf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis vom 15.07.2003 bis heute nicht\nentschieden ist. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, wegen\nUnanfechtbarkeit ihrer vorangegangenen ablehnenden Verfugung vom 20.11.1995\nbesitze der Klager kein Sachbescheidungsinteresse, weshalb sie seinen Antrag\nals rechtsmissbrauchlich gestellt unbeachtet lassen durfe. Voraussetzung\nhierfur ware, dass keine Grunde vorgetragen oder ersichtlich sind, die dafur\nsprechen konnten, dass ein sachlicher Anlass fur eine erneute Prufung und\nEntscheidung durch sog. Zweitbescheid gegeben sein konnte (Kopp/Ramsauer,\nVwVfG, 7. Aufl., § 22 Rz 57 a.E.). Solche Grunde liegen hier aber vor.\nUnabhangig von der Frage, welcher Bedeutung dem Umstand zukommt, dass der\nKlager nunmehr in Besitz eines vietnamesischen Reisepasses ist, was im\nZeitpunkt der letzten Gerichtsentscheidung am 12.04.2001 nicht der Fall war,\nberuft sich der knapp 15-jahrige Klager auf seine fortgeschrittene Integration\nund ein nun daraus resultierendes rechtliches Abschiebungshindernis (dazu\nsogleich unten). Nachdem die vorangegangene Entscheidung des VG Stuttgart\ninsoweit mehr als drei Jahre zuruckliegt, was angesichts des Alters des\nKlagers eine erhebliche Zeitspanne ist, bestand tatsachlich Anlass fur eine\nneue Prufung und Entscheidung. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Klage ist auch begrundet. Das Unterlassen des beantragten\nVerwaltungsaktes ist rechtswidrig und verletzt den Klager in seinen Rechten,\nda er Anspruch auf die begehrte Aufenthaltsbefugnis hat, weshalb die Beklagte\nentsprechend zu verpflichten war (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und § 114 Satz 1 VwGO). \n--- \n| 20 \n--- \n| a) Allerdings kommt die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs.\n3 AuslG wohl nicht in Betracht. Danach kann einem Auslander, der unanfechtbar\nausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltsbefugnis (nur) erteilt werden, wenn die\nVoraussetzungen des § 55 Abs. 2 AuslG fur eine Duldung vorliegen, weil seiner\nfreiwilligen Ausreise und seiner Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die\ner nicht zu vertreten hat. \n--- \n| 21 \n--- \n| Zwar ist der Klager seit Juni 2001 unanfechtbar ausreisepflichtig, nachdem\nseine Klage gegen die Verfugung der Beklagten vom 20.11.1995 erfolglos blieb.\nDer Abschiebung - oder auch einer freiwillige Ausreise - des Klagers durfte\nderzeit aller Wahrscheinlichkeit nach aber kein tatsachliches\nAbschiebungshindernis entgegenstehen. Nachdem der Klager zwischenzeitlich in\nBesitz eines vietnamesischen Reisepasses gelangen konnte, ist nichts dafur\nvorgetragen oder ersichtlich, dass die vietnamesischen Behorden dem Klager\ngleichwohl die Einreise nach Vietnam verweigern konnten. \n--- \n| 22 \n--- \n| Soweit sich der Klager auf das rechtliche Abschiebungshindernis seiner\nerfolgreichen Integration beruft (dazu sogleich unten), durfte ein\nVertretenmussen i.S.d. § 30 Abs. 3 AuslG vorliegen. Aus der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 30. April 1997 - 1 B 74/97 -, zit. Nach\n<juris>) ergibt sich, dass sich ein Minderjahriger im Rahmen der Anwendung\ndieser Vorschrift das Verhalten seiner Vertretungs- und Erziehungsberechtigten\nwohl zurechnen lassen muss. Die Eltern des Klagers wussten aber spatestens\nseit Abschluss ihres Asylverfahrens im Jahr 1995, dass sie kein Bleiberecht in\nDeutschland besitzen. Es ware im Interesse des Kindeswohls seinerzeit geboten\ngewesen, den Klager auf ein Leben im Heimatland Vietnam vorzubereiten. Dass\ndies nicht in ausreichendem Maße geschehen ist, ist objektiv und subjektiv\nvorwerfbar und durfte eine Anwendung von § 30 Abs. 3 AuslG insoweit\nausschließen. \n--- \n| 23 \n--- \n| b) Dies kann letztlich dahinstehen, denn jedenfalls erfullt der Klager die\ntatbestandlichen Voraussetzungen fur die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis\nnach § 30 Abs. 4. Nach § 30 Abs. 4 AuslG kann einem Auslander, der seit\nmindestens zwei Jahren unanfechtbar ausreisepflichtig ist und eine Duldung\nbesitzt - was beim Klager der Fall ist -, abweichend von § 8 Abs. 1 und 2\nAuslG eine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden, es sei denn, der Auslander\nweigert sich, zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des\nAbschiebungshindernisses zu erfullen. Wie die gesetzliche Formulierung („Im\nubrigen ...") zeigt, kommt es hier - anders als in Anwendung von Abs. 3 der\nVorschrift - auf ein Vetretenmussen gerade nicht an. Auch der Auslander, der\nein gegebenes Abschiebungshindernis selbst aktiv oder jedenfalls ihm rechtlich\nzurechenbar herbeigefuhrt hat, kann sich im Grundsatz auf diese Voraussetzung\nberufen (zur Obliegenheit, an der Beseitigung dieses Hindernisses mitzuwirken,\nsogleich). \n--- \n| 24 \n--- \n| aa) Insoweit jedenfalls ist das vom Klager in Anspruch genommene\nAbschiebungshindernis seiner gelungenen Integration rechtlich von Bedeutung.\nEs ist unter Berucksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles auch\ntatsachlich gegeben. Eine abgeschlossene erfolgreiche Integration eines fast\n15-jahrigen im Bundesgebiet geborenen und aufgewachsenen Auslanders, ist im\nHinblick auf das Schutzgut des "Privatlebens" in Art. 8 Abs. 1 EMRK als\nrechtliches Abschiebungshindernis gemaß Art. 8 Abs. 1 EMRK zu berucksichtigen.\nGemaß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung u.a. seines\nPrivatlebens, zu dem die Gesamtheit der in Deutschland gewachsenen Bindungen\ngehoren; der Eingriff einer offentlichen Behorde in die Ausubung dieses Rechts\nist gemaß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, soweit dieser Eingriff gesetzlich\nvorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen\nGesellschaft fur die nationale Sicherheit, die offentliche Ruhe und Ordnung,\ndas wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung oder zur\nVerhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der\nMoral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (vgl.\nhierzu umfassend Europaischer Gerichtshof fur Menschenrechte, Urteil vom 18.\nFebruar 1991, - 31/1989/191/291 -, Fall Moustaquim gegen Belgien -, InfAuslR\n1991, 149). Dies gebietet insbesondere eine Verhaltnismaßigkeitsprufung in\nBezug auf ein von den Behorden in Anspruch genommenes legitimes Ziel in\nAnsehung des beabsichtigten Eingriffs. Legitim ist ohne Zweifel das Ziel, die\nEinhaltung der aufenthaltsrechtlichen Vorschriften auch im Einzelfall zur\nGeltung zu bringen. Grundsatzlich steht insoweit auch fest, dass der Klager\nkein Aufenthaltsrecht in Deutschland hatte und zur Ausreise verpflichtet war.\nDieses legitime Ziel nunmehr aber zwangsweise durchzusetzen, stellt sich im\nFall des Klagers als unverhaltnismaßig dar, weshalb von einem rechtlichen\nAbschiebungshindernis ausgegangen werden muss. \n--- \n| 25 \n--- \n| Das Gericht sieht die Integration des Klagers - im Unterschied zu\nderjenigen seiner Eltern - weitgehend als erfolgreich abgeschlossen an. Der\nKlager nimmt hier am sozialen Leben teil, besucht - mit Erfolg - eine\nweiterfuhrende Schule, spricht in seiner Umgebung und auch innerhalb der\nFamilie - jedenfalls mit seinen Geschwistern - mehrheitlich deutsch, und weist\nalle Merkmale eines sog. „faktischen Inlanders" auf. Er ist nicht vorbestraft\nund lebt auch nicht unter Inanspruchnahme offentlicher Mittel. Seine\nAbschiebung nach Vietnam wurde sich rein tatsachlich nicht als eine Ruckkehr\nins Heimatland darstellen - vielmehr als eine Art „Verbannung" in die Fremde.\nMit Blick auf die vorzunehmende Verhaltnismaßigkeitsprufung kommt hinzu, dass\ndas Hineinwachsen des Klagers in diese Integration von mehreren Faktoren\nbegunstigt wurde, nicht zuletzt von dem Umstand, dass es den Behorden in der\nVergangenheit einfach nicht gelungen ist, die aufenthaltsrechtliche Situation\nder Familie „in den Griff" zu bekommen. So dauerte etwa allein das\nWiderspruchsverfahren in Bezug auf die Verfugung der Beklagten vom 20.11.1995\nuber drei Jahre, was mit der eingelegten Petition in dieser Zeit nur sehr\nbedingt zu erklaren ist. Selbst im nachfolgenden Klageverfahren vor dem\nVerwaltungsgericht wurde der Verwaltungsprozess - mit Zustimmung der Behorde -\nfast ein Jahr gemaß § 251 ZPO zum Ruhen gebracht. Auch das vorangegangene\nAsylverfahren der Eltern nahm einen Zeitraum von mehr als funf Jahren ein,\nwobei die Eltern jedenfalls in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht\ndurchaus erfolgreich waren. Schließlich ist es den Behorden auch nach dem fur\nsie insoweit erfolgreichen Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12.04.2001 nicht\ngelungen, die ab da bestandskraftige Abschiebungsandrohung durchzusetzen. Dass\nin Bezug auf das jungste Geschwister des Klagers den Verwaltungsakten der\nBeklagten noch nicht einmal irgendeine auslanderrechtliche Vorgehensweise zu\nentnehmen ist, verdeutlicht den Befund. \n--- \n| 26 \n--- \n| Integriert sich ein im Bundesgebiet geborener auslandischer Jugendlicher\naber in all den Jahren auf Grund der genannten Umstande derart erfolgreich -\nwie hier der Klager -, wird das an sich legitime Ziel, die Einhaltung der\naufenthaltsrechtlichen Vorschriften letztendlich doch noch durchzusetzen,\nschließlich unverhaltnismaßig i.S.v. Art. 8 Abs. 1 und 2 EMRK und es ist von\neinem eingetretenen rechtlichen Abschiebungshindernis auszugehen. \n--- \n| 27 \n--- \n| bb) Mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v.\n24.11.1998 - 1 C 8/98 -, BVerwGE 108, 21, = NVwZ 1999, 664 = InfAuslR 1999,\n106) ist allerdings geklart, dass § 30 Abs. 4 AuslG auf die Obliegenheit des\nausreisepflichtigen Auslanders abstellt, alles in seiner Kraft Stehende und\nihm Zumutbare dazu beizutragen, etwaige Abschiebungshindernisse zu uberwinden.\nDen unanfechtbar ausreisepflichtigen Auslander, wie er in § 30 Abs. 4 AuslG\nals Normadressat vorausgesetzt ist, trifft im Grundsatz die Pflicht, die\nBundesrepublik Deutschland zu verlassen. Aus dieser Pflicht folgt dann, dass\nsich der betroffene Auslander in den Stand setzen muss, dieser Ausreisepflicht\nzu genugen. Zu fragen ist insoweit, ob er ihm zumutbare Handlungen zur\nErmoglichung seiner Ausreise unterlasst (BVerwG, Urt. v. 24.11.1998 a.a.O).\nGerade dieser Rechtsgedanke des § 30 Abs. 4 AuslG verfangt vorliegend jedoch\nnicht. Fur den Klager ware es aus den vorstehend dargelegten Grunden nicht\nzumutbar, sein Privatleben i.S.d. Art. 8 Abs. 1 EMRK aufzugeben um seiner\nAusreisepflicht zu genugen. Und einen Verlust seiner erfolgreich\nabgeschlossenen Integration vermag er rein tatsachlich nicht herbeizufuhren. \n--- \n| 28 \n--- \n| cc) Sind somit die Tatbestandvoraussetzungen des § 30 Abs. 4 AuslG erfullt\nund der Beklagten somit ein Ermessen hinsichtlich der Erteilung der\nbeantragten Aufenthaltsbefugnis eroffnet, fuhren die vorstehenden Ausfuhrungen\nzugleich zu der Erkenntnis, dass dieses Ermessen mit Blick auf den Klager -\nund allein auf ihn kommt es insoweit an - „auf Null" reduziert ist. Dem\nUmstand, dass die Eltern des Klagers an seinem Hineinwachsen in die\nfestgestellte Integration moglicherweise vorwerfbar beteiligt waren, kann hier\ngerade keine Bedeutung zukommen. Wurde der Klager trotz des zu konstatierenden\nAbschiebungshindernisses (vgl. oben) auf Grund des Verhaltens seiner Eltern\n„bestraft", ware er zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht. Dies lasst\ndie Rechtsordnung nicht zu. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n \n## Sonstige Literatur\n\n| \n---|--- \n| 30 \n--- \n| Rechtsmittelbelehrung: \n--- \n| 31 \n--- \n| Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg zugelassen wird. Der Antrag auf\nZulassung ist beim Verwaltungsgericht Stuttgart, Augustenstraße 5, 70178\nStuttgart oder Postfach 10 50 52, 70044 Stuttgart, innerhalb eines Monats nach\nZustellung dieses Urteils zu stellen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil\nbezeichnen. \n--- \n| 32 \n--- \n| Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung sind die Grunde darzulegen, aus\ndenen die Berufung zuzulassen ist. Die Begrundung ist bei dem\nVerwaltungsgericht Stuttgart einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen,\nwenn \n--- \n| 33 \n--- \n| 1\\. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, \n--- \n| 34 \n--- \n| 2\\. die Rechtssache besondere tatsachliche oder rechtliche Schwierigkeiten\naufweist, \n--- \n| 35 \n--- \n| 3\\. die Rechtssache grundsatzliche Bedeutung hat, \n--- \n| 36 \n--- \n| 4\\. das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des\nBundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshofe\ndes Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser\nAbweichung beruht oder \n--- \n| 37 \n--- \n| 5\\. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender\nVerfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung\nberuhen kann. \n--- \n| 38 \n--- \n| Vor dem Verwaltungsgerichtshof muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen\nAntrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen\nHochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befahigung zum Richteramt\nvertreten lassen. Das gilt auch fur den Antrag auf Zulassung der Berufung.\nJuristische Personen des offentlichen Rechts und Behorden konnen sich auch\ndurch Beamte oder Angestellte mit Befahigung zum Richteramt sowie\nDiplomjuristen im hoheren Dienst, Gebietskorperschaften auch durch Beamte oder\nAngestellte mit Befahigung zum Richteramt der zustandigen Aufsichtsbehorde\noder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als\nMitglied zugehoren, vertreten lassen. \n--- \n| 39 \n--- \n| Beschluss vom 24. Juni 2004 \n--- \n| 40 \n--- \n| Der Streitwert wird gemaß §§ 25 Abs. 2, 13 Abs. 1 S. 2 GKG auf EUR 4.000,--\nfestgesetzt. \n--- \n| 41 \n--- \n| Rechtsmittelbelehrung: \n--- \n| 42 \n--- \n| Gegen die Festsetzung des Streitwerts ist die Beschwerde an den\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg in Mannheim, Schubertstraße 11, 68165\nMannheim oder Postfach 103264, 68032 Mannheim, gegeben, wenn der Wert des\nBeschwerdegegenstandes 50 EUR ubersteigt. Sie ist beim Verwaltungsgericht\nStuttgart, Augustenstraße 5, 70178 Stuttgart oder Postfach 105052, 70044\nStuttgart, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der\nGeschaftsstelle einzulegen. Die Beschwerde ist nur innerhalb von sechs Monaten\nzulassig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder\ndas Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Ist der Streitwert spater als\neinen Monat vor Ablauf \n--- \n| 43 \n--- \n| dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats\nnach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses\neingelegt werden. \n---\n\n
139,899
olgkarl-2004-06-25-16-uf-5003-ug
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
16 UF 50/03 UG
2004-06-25
2019-01-07 14:46:11
2019-02-12 12:19:33
Beschluss
## Tenor\n\nDas Befangenheitsgesuch der Antragsgegnerin betreffend die vom Senat\neingesetzte Umgangspflegerin Frau X wird zuruckgewiesen.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Mit Beschluss vom 15. April 2004 hat der Senat im Wege der einstweiligen\nAnordnung angeordnet, dass der Antragsteller berechtigt und verpflichtet ist,\nmit seinen ehegemeinsamen Kindern R. M. und N. G. Umgang zu haben. Zur\nAbwicklung der im Einzelnen bestimmten Umgangstermine wurde vom Senat als\nUmgangspflegerin Frau X eingesetzt. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit einem „Antrag auf Ablehnung der Umgangspflegerin aufgrund von\nvoreingenommener Parteilichkeit" uberschriebenen Schriftsatz vom 11. Mai 2004\nhat die Antragsgegnerin sich an den Senat gewandt. In diesem Schriftsatz ist\nunter anderem ausgefuhrt \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Frau X (Umgangspflegerin) wird von einem radikal fur Mannerrechte\neintretenden Verein Namens ... gesponsort. Sie bedankt sich auf ihrer\nInternetseite fur diese Form der Bezahlung bei ihren Vorlesungen\n(http://www.x.de/...). Wo bleibt da die Neutralitat. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Da ich nun die juristischen Formulierungen und Paragraphen nicht kenne,\nsondern nur nach dem gesunden Menschenverstand urteile, halte ich Frau X. fur\nvoreingenommen und parteilich. \n--- \n--- \n... \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Schreibens Bezug\ngenommen. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Ablehnung von Frau X. durch die Antragsgegnerin ist unzulassig. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Das Gesetz sieht eine Ablehnung der Umgangspflegerin wegen\nVoreingenommenheit nicht vor. Die Einrichtung der Umgangspflegschaft enthalt\nrechtlich den teilweisen Entzug - soweit es zur Durchfuhrung des Umgangsrechts\nnotwendig ist - und Übertragung dieses Sorgerechtes auf den Umgangspfleger. Es\nhandelt sich um einen Fall der Pflegschaft, auf den gem. § 1915 Abs. 1 BGB die\nVorschriften uber die Vormundschaft entsprechend anzuwenden sind. Personen,\ndie von vornherein in einem den im § 1795 BGB typisierten Interessenkonflikte\nstehen, sind von der Wahrnehmung des Amtes eines Vormundes und damit auch\neines Umgangspflegers grundsatzlich ausgeschlossen. Der Umgangspfleger ist\ndamit fur einen begrenzten Bereich gesetzlicher Vertreter des Kindes. Als\nsolcher ist er im Gegensatz zum Sachverstandigen und Dolmetscher nicht zur\nUnparteilichkeit verpflichteter Gehilfe des Gerichts, sondern einseitiger\nInteressenvertreter des Kindes im Verfahren. Er hat eine einem Parteivertreter\nahnliche Rechtsstellung und ist gegenuber den Eltern nicht zur Neutralitat und\nObjektivitat verpflichtet, sondern zur Durchfuhrung des Umgangsrechtes.\nInsoweit hat er allein das Kindeswohl zu berucksichtigen. Deshalb finden die\nVorschriften des §§ 15 Abs. 1 S. 1 FGG, 406 Abs. 5 ZPO und §§ 9 S. 2, 6 FGG,\n46 Abs. 2 ZPO - welche die Ablehnung eines Sachverstandigen und eines\nDolmetschers regeln - keine entsprechende Anwendung (vgl. ebenso OLG Celle,\nBeschluss vom 19. Februar 2003, Az.: 15 WF 36/03 - zitiert nach Juris - fur\nden Fall der Ablehnung eines Verfahrenspflegers). \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Im Übrigen ware ein Ablehnungsgesuch bei einer entsprechenden Anwendung der\ngenannten Vorschriften nicht begrundet. Das Schreiben der Antragsgegnerin vom\n11. Mai 2004 enthalt keine Grunde, die die Ablehnung der Umgangspflegerin\nrechtfertigen wurden. Dass Frau X „von einem radikal fur Mannerrechte\neintretenden Verein Namens ... gesponsert" wird, ist nicht glaubhaft gemacht,\nes ergibt sich insbesondere nicht aus den angegebenen Internetseiten, die von\nFrau X. unterhalten wird. Konkrete Vorwurfe werden gegenuber Frau X. nicht\nerhoben. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. \n--- \n---\n\n
139,928
olgkarl-2004-07-01-12-u-8804
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
12 U 88/04
2004-07-01
2019-01-07 14:46:25
2019-02-12 12:19:34
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung gegen das Zwischen-Urteil des Landgerichts Mannheim vom 30.\nDezember 2003 - 3 O 345/03 - wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragt die Beklagte.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDie Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Hohe von 110 % des\naus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die\nGegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Hohe leistet.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager nimmt die Beklagte aus einer Wohngebaudeversicherung wegen eines\nWasserschadens in Anspruch. \n--- \n| 2 \n--- \n| Dem im Jahre 1995 fur das Hausanwesen des Klagers in H abgeschlossenen\nVersicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Wohngebaude-\nVersicherungsbedingungen (VGB 88) zugrunde. \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 03.03.2003 wurde im zweiten Untergeschoss des Hauses des\nurlaubsabwesenden Klagers eine Überschwemmung festgestellt. Die genaue\nSchadensursache ist streitig. \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Klager beziffert den Gesamtschaden auf 47.572,91 EUR. Die Beklagte\nverweigert die Versicherungsleistung. Sie ist der Ansicht, dass der Schaden\ngemaß den VGB 88 nicht versichert sei. Außerdem beruft sie sich auf\nLeistungsfreiheit gemaß § 21 Nr. 1 VGB 88, weil der Klager arglistig versucht\nhabe, uber Tatsachen zu tauschen, die fur den Grund oder fur die Hohe der\nEntschadigung von Bedeutung sind. \n--- \n| 5 \n--- \n| Wegen der weiteren tatsachlichen Feststellungen wird auf das Urteil des\nLandgerichts Bezug genommen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Klager hat im ersten Rechtszug beantragt, \n--- \n| 7 \n--- \n| die Beklagte zu verurteilen, an ihn 47.572,91 EUR nebst 5 % Zinsen uber dem\nDiskontsatz seit 17.04.2003 zu bezahlen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Beklagte hat beantragt, \n--- \n| 9 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Das Landgericht hat den Klagantrag durch Zwischen-Urteil dem Grunde nach\nfur gerechtfertigt erklart. Es geht von einem versicherten Schaden aus,\ngleichgultig, ob man den vom Klager oder den von der Beklagten behaupteten\nSachverhalt zugrunde legt. Auch sei die Beklagte nicht nach § 21 Nr. 1 VGB 88\nvon der Entschadigungspflicht frei geworden. \n--- \n| 11 \n--- \n| Mit der Berufung verfolgt die Beklagte den Klagabweisungsantrag weiter. Das\nlandgerichtliche Urteil sei rechtsfehlerhaft; außerdem sei ihr Sachvortrag\nnicht vollstandig berucksichtigt worden. \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Klager beantragt unter Verteidigung des landgerichtlichen Urteils, \n--- \n| 13 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die\ngewechselten Schriftsatze nebst Anlagen verwiesen. \n--- \nII. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Berufung hat keinen Erfolg. Entgegen der Auffassung der Beklagten\nberuht das landgerichtliche Urteil weder auf einem Rechtsfehler noch bestehen\nZweifel an der Richtigkeit oder Vollstandigkeit der entscheidungserheblichen\nFeststellungen, die eine erneute Feststellung gebieten, vgl. §§ 513, 529 ZPO.\nDie Beklagte ist daher dem Grunde nach zur Erbringung der\nVersicherungsleistung wegen des im Haus des Klagers aufgetretenen\nWasserschadens verpflichtet. \n--- \n| 16 \n--- \n| 1\\. Zutreffend geht das Landgericht sowohl auf der Grundlage des\nKlagervortrags als auch der Sachverhaltsbehauptung der Beklagten von einem\nversicherten Schadensereignis aus. \n--- \n| 17 \n--- \n| a) Nach dem Sachvortrag des Klagers gelangte aus der Zuleitung Wasser in\ndas im Keller befindliche Schwimmbecken, weil die den Zulauf regelnde\nSteuerung des Magnetventils infolge eines Kabelbruchs defekt war. Dadurch sei\ndas Wasser ubergelaufen, in den Öltank-Raum gelangt und habe sich mit Öl\nvermischt. Das Öl-Wasser-Gemisch, das sehr zah gewesen sei, habe zu einer\nVerstopfung des durch den Wurzeleinwuchs verengten Ableitungsrohrs gefuhrt,\nweshalb der Abfluss das Wasser dauerhaft nicht mehr habe auffangen konnen. Das\ndem Schwimmbad zugeleitete Wasser stammt unstreitig nicht aus der offentlichen\nWasserversorgung, sondern wird aus der in unmittelbarer Nahe befindlichen\nH-Quelle zugefuhrt. \n--- \n| 18 \n--- \n| Dieser Sachverhalt erfullt die Merkmale eines nach den vereinbarten VGB 88\nversicherten Leitungswasserschadens. \n--- \n| 19 \n--- \n| Gemaß § 4 Nr. 1 b (hier und nachfolgend: VGB 88) werden entschadigt\nversicherte Sachen, die durch Leitungswasser (§ 6) zerstort oder beschadigt\nwerden. Leitungswasser ist gemaß § 6 Nr. 1 a - unter anderem - Wasser, das aus\nZu- oder Ableitungsrohren der Wasserversorgung bestimmungswidrig ausgetreten\nist. \n--- \n| 20 \n--- \n| Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein\ndurchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verstandiger Wurdigung,\naufmerksamer Durchsicht und Berucksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs\nverstehen muss (BGHZ 123, 83, 85). \n--- \n| 21 \n--- \n| Der durchschnittliche Versicherungsnehmer geht vom Bedingungswortlaut aus.\nDanach begegnet keinem Zweifel, dass gemaß der Sachverhaltsdarstellung des\nKlagers Wasser aus einem Zuleitungsrohr der Wasserversorgung ausgetreten ist.\nDer Austritt ist auch erkennbar bestimmungswidrig erfolgt, da er auf einem\nDefekt der elektrischen Wasserzufuhrsteuerung des Magnetventils der Zuleitung\nberuhte. Dass es sich bei dem zugefuhrten und ausgetretenen Wasser um solches\naus einer offentlichen Wasserversorgung handeln musse, kann der\ndurchschnittliche Versicherungsnehmer dem Bedingungswortlaut bei verstandiger\nWurdigung nicht entnehmen. Entscheidend ist allein der Wasseraustritt aus\neinem Zu- oder Ableitungsrohr „der Wasserversorgung". Demnach ist auch das\nRisiko aus einer leitungsgebundenen Zufuhrung von Quellwasser erfasst, wobei\nes keine Rolle spielt, ob die Zufuhrung einer offentlich-rechtlichen\nGenehmigung bedurft hatte und diese auch vorlag. Ebenso wenig wird, wie das\nLandgericht zutreffend feststellt, danach unterschieden, ob auf dem\nversicherten Grundstuck zwei Wasserversorgungssysteme (fur Wasser der\noffentlichen Wasserversorgung und fur Quellwasser) bestehen (vgl. auch Martin,\nSachversicherungsrecht, 3. Aufl., Rn. E I 29). \n--- \n| 22 \n--- \n| Eine umfassende Absicherung des Leitungswasserrisikos ohne Rucksicht auf\nHerkunft und Genehmigungserfordernisse hinsichtlich der Wasserqualitat ist\nohne weiteres auch mit dem erkennbaren Sinn und Zweck einer Leitungswasser-\nVersicherung vereinbar. Hatte die Beklagte ihr Risiko insoweit begrenzen\nwollen, ware es ihre Sache gewesen, dies in den Bedingungen hinreichend\ndeutlich zum Ausdruck zu bringen. Das ist jedoch nicht geschehen. \n--- \n| 23 \n--- \n| b) Versicherungsschutz besteht auch bei Zugrundelegung des von der\nBeklagten behaupteten Geschehensablaufs. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Beklagte behauptet, es sei zu der Überschwemmung durch einen Ruckstau\ngekommen, der nicht auf einen Wurzeleinwuchs im Abwassersystem, sondern einer\ndurch Wurzeleinwuchs bedingten Verstopfung der Leitung verursacht wurde, die\ndem Grundstuck des Klagers Quellwasser zufuhrt. Dabei halt sie fur moglich,\ndass der Verschluss der Rohrleitung an einer Stelle außerhalb des Grundstucks\ndes Klagers aufgetreten ist. \n--- \n| 25 \n--- \n| Auch ein solcher Schadensverlauf ist bedingungsgemaß versichert. Das Wasser\nist aus einem Zuleitungsrohr der Wasserversorgung ausgetreten im Sinne von § 6\nNr. 1 a VGB 88. Aufgrund des durch den Wurzeleinwuchs bedingten Ruckstaus war\nder Wasseraustritt auch bestimmungswidrig. \n--- \n| 26 \n--- \n| Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt ein Eingreifen der in § 7 Nr. 3\nVGB 88 geregelten Risikobegrenzung nicht in Betracht. Nach § 7 Nr. 3 sind\naußerhalb versicherter Gebaude Frost- und sonstige Bruchschaden an\nZuleitungsrohren der Wasserversorgung versichert, soweit diese Rohre der\nVersorgung versicherter Gebaude oder Anlagen dienen und sich auf dem\nVersicherungsgrundstuck befinden. § 7 Nr. 3 enthalt, wie der verstandige\nVersicherungsnehmer nicht nur dem Wortlaut der Bestimmung, sondern vor allem\nder Regelung des § 4 uber versicherte Gefahren und Schaden entnehmen kann,\neine Regelung speziell fur Bruchschaden an Rohren und Frostschaden an\nsonstigen Leitungswasser fuhrenden Einrichtungen. Die so genannte\nRohrbruchversicherung betrifft ein gesondertes, von dem nach Maßgabe der §§ 4\nNr. 1 b, 6 versicherten Leitungswasserrisiko zu unterscheidendes Risiko.\n„Bruch" benennt dabei, anders als „Leitungswasser", nicht eine versicherte\nGefahr, sondern eine Erscheinungsform des Sachschadens (Martin aaO E I 79).\nDemnach deckt die Rohrbruchversicherung zwar die Kosten der\nRohrbruchbeseitigung selbst, nicht aber Folgeschaden aus einem solchen\nRohrbruch (Muller VersR 1989, 1044; Martin a.a.O. E I 17; a.A., aber\nunzutreffend LG Koln VersR 1989, 586 f). Es kann dahinstehen, ob im Streitfall\nuberhaupt ein Rohrbruch vorliegt und nicht die Verstopfung aufgrund\nWurzeleinwuchses durch eine mangelhafte Konstruktion der Rohre oder\nRohrverbindungen eingetreten ist (vgl. dazu OLG Karlsruhe r+s 2003, 370, 371).\nHierauf kommt es nicht an, weil § 7 Nr. 3 VGB 88, wie der durchschnittliche\nVersicherungsnehmer bei verstandiger Wurdigung erkennt, den reinen\nRohrbruchschaden betrifft, nicht aber Folgeschaden eines - wenn auch durch\nRohrbruch bedingten - Schadens aus dem bestimmungswidrigen Austritt von\nLeitungswasser gemaß § 6 VGB 88, und daher insoweit auch keine\nRisikobegrenzung enthalt (vgl. Muller a.a.O.). \n--- \n| 27 \n--- \n| 2\\. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auf Leistungsfreiheit gemaß § 21\nNr. 1 VGB 88. Gemaß § 21 Nr. 1 VGB 88 ist der Versicherer von der\nEntschadigungspflicht frei, wenn der Versicherungsnehmer versucht, ihn\narglistig uber Tatsachen zu tauschen, die fur den Grund oder fur die Hohe der\nEntschadigung von Bedeutung sind. Diese Voraussetzungen liegen, wie das\nLandgericht ebenfalls zu Recht festgestellt hat, nicht vor. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Beklagte beruft sich insoweit vor allem darauf, der Klager habe ihr\ngegenuber - insbesondere in seinem Antwortschreiben vom 14.04.2003 (Anl. B 6)\n- angegeben, es gebe keine schriftliche Vereinbarung uber den Bezug des\nWassers aus der H-Quelle mit der Stadt H, er durfe es aber zum Nulltarif\nentnehmen; außer dem ins Haus zuruckgestauten Quellwasser gebe es keine\nWasserzufuhr. Beides sei - so die Beklagte - unrichtig gewesen. Das Wasser aus\nder H-Quelle, das in keiner Weise aufbereitet und kontrolliert werde, durfe\nvon den Anrainern nur fur Gartenbewasserung benutzt werden und sei fur\nTrinkwasserzwecke nicht frei gegeben. Außerdem sei der Klager auch an die\noffentliche Wasserversorgung angeschlossen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Auch wenn man den Vortrag der Beklagten als richtig unterstellt, ergibt\nsich hieraus kein gemaß § 21 Nr. 1 VGB 88 zur Leistungsfreiheit fuhrender\nVersuch einer arglistigen Tauschung durch den Klager. \n--- \n| 30 \n--- \n| Soweit die Beklagte behauptet, der Klager habe durch die falschen Angaben\nden Eindruck erwecken wollen, es handle sich bei dem ausgetretenen Wasser um\n„Leitungswasser" im Sinne von Wasser, das aufbereitet und kontrolliert und\nsomit „im Rahmen der offiziellen Trinkwasserversorgung" zugeleitet werde, ist\ndieser Umstand, wie unter 1. festgestellt, fur den Grund der Entschadigung\nohne Bedeutung, da auch die Zuleitung aus einer nicht offentlichen\nWasserversorgung bedingungsgemaß versichert ist. Ebenso wenig ist ersichtlich,\ndass dieser Umstand fur die Hohe der zu leistenden Entschadigung eine Rolle\nspielt. Nur beim Versuch einer Tauschung uber Tatsachen, die fur den Grund\noder die Hohe der Entschadigung tatsachlich von Bedeutung sind, sieht § 21 Nr.\n1 VGB 88 jedoch Leistungsfreiheit vor. \n--- \n| 31 \n--- \n| Im Übrigen hat der Klager den - nach der Version der Beklagten fur die\nVerneinung ihrer Entschadigungspflicht entscheidenden - Umstand, dass er\nWasser aus der Quelle bezieht und dessen Austritt fur den Schaden ursachlich\nwar, ihr gegenuber nicht etwa verschwiegen, sondern von Anfang an angegeben.\nVon daher begegnet es Zweifeln, ob dem Klager uberhaupt ein arglistiges\nVerhalten zur Last gelegt werden kann. Hierauf kommt es jedoch wegen der\nfehlenden Bedeutung fur Grund und Hohe der Entschadigung nicht entscheidend\nan. \n--- \n| 32 \n--- \n| Auf Leistungsfreiheit gemaß § 6 Abs. 3 VVG und § 20 Nr. 2 VGB 88 wegen\nvorsatzlicher Verletzung einer Aufklarungsobliegenheit nach dem Eintritt des\nVersicherungsfalls hat die Beklagte sich nicht berufen. Im Übrigen stunde\neiner Leistungsfreiheit nach dieser Bestimmung gemaß den Grundsatzen der so\ngenannten Relevanzrechtsprechung des BGH entgegen, dass eine etwaige\nvorsatzliche Obliegenheitsverletzung im vorliegenden Fall generell nicht\ngeeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu beeintrachtigen\n(vgl. BGH VersR 1998, 577 m.w.N.). \n--- \n| 33 \n--- \n| 3\\. Da die Beklagte nach allem dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet\nist, die Parteien jedoch auch uber die Hohe des Anspruchs streiten, konnte das\nLandgericht zu Recht gemaß § 304 Abs. 1 ZPO vorab uber den Anspruchsgrund\ndurch Urteil entscheiden. \n--- \n| 34 \n--- \n| 4\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch uber\ndie Vollstreckbarkeit stutzt sich auf die §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Grunde fur\neine Zulassung der Revision gemaß § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht. \n---\n\n
140,009
lsgbw-2004-07-16-l-4-kr-133303
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 4 KR 1333/03
2004-07-16
2019-01-07 14:47:22
2019-01-17 12:00:12
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte den Klager mit einer\nOberschenkelprothese mit dem Kniegelenkssystem C-Leg, einem\nmikroprozessorgesteuerten Einachskniegelenk mit hydraulischer\nStandphasensicherung und Schwungphasensteuerung (C-Leg-Prothese), zu versorgen\nhat. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der ... 1947 geborene Klager ist bei der Beklagten versichert. Er ist als\nSachbearbeiter mit uberwiegend sitzender Burotatigkeit bei der K L AG\nbeschaftigt. Bei ihm wurde wahrend eines stationaren Aufenthalts in der\nChirurgischen Klinik des Stadtischen Klinikums K vom 16. Oktober bis 09.\nNovember 2000 am 21. Oktober 2000 wegen kritischer Ischamie am linken Bein bei\nBypassverschluss nach femoro-poplitealem Bypass links eine geschlossene\nOberschenkelamputation links durchgefuhrt (vgl. Arztbrief des\nAbteilungsdirektors der Abteilung Gefaßchirurgie der genannten Chirurgischen\nKlinik, Prof. Dr. V vom 20. November 2000). Nach dieser stationaren Behandlung\nfand noch eine stationare Anschlussheilbehandlung in der G-S-Klinik in B S\nstatt. Zunachst wurde der Klager mit einer Interimsprothese versorgt. Derzeit\ntragt er eine ihm von der Beklagten Ende 2001 zur Verfugung gestellte Prothese\nmit Cat-Cam-Schaft und mechanisch wirkendem Total-Knee sowie mit Dynamik plus\nFuß. Die Kosten dafur beliefen sich auf DM 20.953,70. Beim Bergabgehen und in\nunebenem Gelande benutzt er zusatzlich eine Gehstutze. Der Klager, der seit\nJuni 2000 arbeitsunfahig (au) krank war, nahm seine Tatigkeit als\nSachbearbeiter im Marz 2001 wieder auf. Bei ihm ist nach dem fruheren\nSchwerbehindertengesetz ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 anerkannt. \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 09. Dezember 2000 hatten die Ärzte der G-S-Klinik dem Klager eine C-Leg-\nProthese verordnet. Daraufhin ging bei der Beklagten am 28. Dezember 2000 der\nKostenvoranschlag der B. G GmbH (Sanitatshaus) vom 13. Dezember 2000 uber eine\nsolche Prothese zum Preis von DM 44.756,65 (= EUR 22.883,71) mit der Bitte um\nGenehmigung ein. Dazu holte die Beklagte eine Stellungnahme des Dr. S vom\nMedizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Wurttemberg ein;\ndieser Arzt erhob Unterlagen zu der verordneten Prothese und fuhrte dann im\nGutachten vom 22. Januar 2001 aus, die Arbeitsgruppe 8 "Heil- und\nHilfsmittelrichtlinien" habe die C-Leg-Prothese dann nicht als begrundbar\nangesehen, wenn der Amputierte mit einer seinem Aktivitatsgrad entsprechend\nangepassten konventionellen Prothesentechnik gut zu gehen vermoge. Zusatzlich\ngelte als Kontraindikation die prothetische Erstversorgung bzw.\nFolgeversorgung nach einer Interimsprothesenversorgung. Beim Klager solle, da\neine vollstandige Endstumpfbelastung noch nicht zu erwarten sei, uber eine\nendgultige prothetische Versorgung erst im Marz 2001 diskutiert werden.\nMedizinisch begrundet sei dann die Versorgung mit einem Cat-Cam-Schaft, da\ndamit ein gutes Gangbild und gleichzeitig eine Schonung der Wirbelsaule und\ndes Gefaßnervenbundels zu erwarten seien. Im Übrigen ware bei der\nProthesenherstellung ein mechanisch wirkendes Kniegelenk, beispielsweise\nTotal-Knee der Firma M zu empfehlen, das einen hohen Sicherheitswert bei\nvorhandener Standphasensicherung besitze. Als Fußversorgung ware der Multi-\nFlex-Fuß oder ein Sure-Flex-Fuß zu empfehlen. Die Versorgung mit einer C-Leg-\nProthese konne zur Zeit medizinisch und sozialmedizinisch nicht empfohlen\nwerden. Mit Bescheid vom 25. Januar 2001 erklarte sich die Beklagte gegenuber\ndem Klager bereit, ihn nach Eintritt der vollstandigen Endstumpfbelastung mit\neiner Prothese, wie sie von Dr. S beschrieben worden sei, zu versorgen; die\nBewilligung einer C-Leg-Prothese sei jedoch abzulehnen. Diesen Bescheid\nubersandte die Beklagte auch dem Sanitatshaus. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Gegen den Bescheid legte der Klager am 06. Marz 2001 Widerspruch ein. Er\nverwies auf das bei der Beklagten bereits am 15. Februar 2001 eingegangene\nSchreiben des Sanitatshauses vom 14. Februar 2001, dem auch weitere Unterlagen\nbeigefugt waren. Darin wurde ausgefuhrt, die Art, wie sich der Klager derzeit\nmit der Interimsprothese fortbewege, bestatige, dass die verordnete Versorgung\nhier absolut angebracht sei. Die beantragte Prothese komme großter Sicherheit\nund potentieller Verminderung des Sturzrisikos nach, sodass der Trager in der\nLage sei, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, Alltagsgeschafte\nselbststandig zu erledigen und, wie im Fall des Klagers, seinen Beruf wieder\nauszuuben. Dr. R vom MDK bezeichnete in seiner Stellungnahme vom 06. Marz 2001\ndie Meinung des Sanitatshauses als nebensachlich und forderte einen arztlich\nbegrundeten Widerspruch. Der Klager reichte dann bei der Beklagten noch das\nAttest des Arztes fur Allgemeinmedizin Dr. S vom 28. Marz 2001 ein, wonach die\nAmputationswunde komplett verheilt und reizlos sei; es bestunden auch keine\nDruckstellen und keine akut atrophiegefahrdeten Bezirke. Die endgultige\nVersorgung mit einer Prothese sei moglich. Am 03. April 2004 ging bei der\nBeklagten ein Kostenvoranschlag des Sanitatshauses vom 29. Marz 2001 fur eine\nProthese mit einem Cat-Cam-Schaft und einem mechanisch wirkenden Modular\nKniegelenk sowie einem C-Walk-Fuß zum Preis von DM 18.894,89 ein. Zur Frage,\nob diese Prothese den Anforderungen im Gutachten vom 22. Januar 2001\nentspreche, erhob die Beklagte ein weiteres Gutachten des Dr. S vom 18. April\n2001; diese Frage bejahte der Gutachter, wies jedoch darauf hin, dass diese\nVersorgung mit dem C-Walk-Fuß im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot\nnicht indiziert sei. Die Beklagte stellte dem Klager danach eine Prothese\nentsprechend dem zweiten Kostenvoranschlag, wie oben dargelegt, zur Verfugung\n(Bescheid vom 28. September 2001). Der Klager verblieb jedoch bei seinem\nBegehren, dass ihm eine C-Leg-Prothese bewilligt werden musse (Schriftsatze\nseiner Bevollmachtigten vom 04. und 15. Mai 2001). Der Widerspruch des Klagers\nblieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten eingesetzten\nWiderspruchsausschusses II vom 11. Juli 2001). In dem Widerspruchsbescheid\nwurde ausgefuhrt, dass die begehrte Versorgung das Maß des Erforderlichen\nuberschreite; unter Berucksichtigung der anfallenden Mehrkosten sei diese als\nunwirtschaftlich anzusehen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit der am 25. Juli 2001 beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhobenen Klage\nlegte der Klager verschiedene Unterlagen vor, vor allem sozialgerichtliche\nEntscheidungen zur C-Leg-Prothese, und verfolgte seinen Anspruch, ihm eine\nentsprechende Prothese nach dem Kostenvoranschlag des Sanitatshauses vom 13.\nDezember 2000 zur Verfugung zu stellen, weiter. Die erstrebte Versorgung\nubersteige nicht das Maß des Notwendigen und sei fur ihn auch aufgrund einer\nindividuellen Einzelfallprufung zweckmaßig und wirtschaftlich. Es sei\nmedizinisch unstreitig, dass beim Tragen der begehrten Prothese nicht nur ein\nerheblicher Sicherheitsgewinn eintrete; vielmehr werde auch der Kreislauf und\nder gesamte Bewegungsapparat in einem bisher noch nicht moglichen Maß\nentlastet. Dies konne auch sein Prozessbevollmachtigter, Rechtsanwalt W,\nbestatigen. Im Hinblick auf sein Alter musse sein Bewegungsapparat jetzt so\nweit wie moglich geschont werden. Mit seiner derzeitigen Prothese erreiche er\nStandfestigkeit nur bei komplett durchgedrucktem Bein. Es traten Probleme auf,\nwenn er sich vorwarts bewege. Dann musse er darauf achten, dass er beim\nAufsetzen des Beines Standfestigkeit erreiche. Dies gelinge nicht immer. Er\nsei deshalb haufiger gesturzt. Zu derartigen Sturzen komme es insbesondere\ndann, wenn er auf das Laufen nicht voll konzentriert sei; es komme auch auf\nden Untergrund an, auf dem er sich bewege. Er wohne im dritten Obergeschoss\neines Hauses ohne Fahrstuhl. Deshalb sei er darauf angewiesen, morgens und\nabends die Treppe hinab- und hinaufzugehen, insbesondere wenn er zu seiner\nArbeit fahre. Der Arbeitgeber habe ihm einen Tiefgaragenplatz zur Verfugung\ngestellt. Dort musse er, um an den Arbeitsplatz zu gelangen, eine kleine\nTreppe hinaufgehen und konne dann einen Fahrstuhl benutzen. Da er\nalleinstehend sei, musse er Einkaufe selbst machen. Außerdem versorge er seine\nMutter, die im selben Haus wohne und halbseitig gelahmt sei. Am rechten Bein\nbestehe eine Arteriosklerose. Deswegen solle es weniger belastet werden. Bei\nlangerem Gehen traten im Bereich der Huftgelenke und der Lendenwirbelsaule\nSchmerzen auf, insbesondere auf der rechten Seite. Dies fuhre er darauf\nzuruck, dass auf der rechten Seite eine Überlastung vorliege. Fruher habe er\nTennis gespielt und Sportkegeln betrieben; dies sei nun nicht mehr moglich; es\nware fur ihn wunschenswert, wenn er wieder langere Strecken spazieren gehen\nkonnte. Das vom SG erhobene Gutachten des Dr. K sei erganzungsbedurftig. Dies\ngelte fur die Beurteilung des Sachverstandigen, dass die Amputation bei ihm\nnicht zwangslaufig zu einem vermehrten Gelenkverschleiß fuhre. Bei allen\nKniegelenken mit fehlender permanenter Standphasensicherung mussten enorme\nKorperkrafte aufgewendet werden, um uberhaupt ein annahernd sicheres Gehen zu\nermoglichen. Auch sei die von ihm weiterhin erstrebte Kniegelenkstechnik fur\neine Erstversorgung geradezu pradestiniert. Er verwende derzeit die\nUnterarmgehstutze nur deshalb, weil er die herkommliche Kniegelenkstechnik als\nFolge des erheblichen Sturzrisikos nicht in vollem Umfang nutzen konne. Es\ngehe nicht darum, sein Gangbild zu verbessern, sondern ausschließlich darum,\nden ubrigen Gelenkapparat in einem hochstmoglichen Maße zu schonen und sicher\nlaufen zu konnen. Es konne ihm auch nicht vorgehalten werden, aus personlicher\nAnschauung die neue Technik nicht selbst beurteilen zu konnen. Denn die\nHersteller der neuen Kniegelenkstechnik boten seit langerer Zeit\nkostenpflichtige Erprobungsmoglichkeiten an; die Leihgebuhren wurden spater\nauf die Anschaffungskosten angerechnet. Auch sei seinem\nProzessbevollmachtigten, Rechtsanwalt W, kein Fall bekannt, bei dem ein\nInteressent nicht auf Anhieb mit dem C-Leg-Kniegelenk zurecht gekommen sei. Er\nberief sich auch auf das Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom\n06. Juni 2002 (B 3 KR 68/01 R = SozR 3-2500 § 33 Nr. 44). Das BSG habe den\nAnspruch auf eine C-Leg-Prothese nicht davon abhangig gemacht, dass der\nProthesentrager zwei kleine Kinder versorgen musse. Es habe ausdrucklich\nfestgestellt, dass auch andere Situationen, insbesondere Gefahrensituationen,\nein schnelles Handeln erforderlich machen konnten, wie beispielsweise bei der\nVersorgung von Kleinkindern; ein solcher vergleichbarer Fall sei bereits\ngegeben, wenn ein Prothesentrager eine breite und verkehrsbelebte Straße\nuberqueren musse. Er sei in der Lage, die erheblichen Gebrauchsvorteile der\nC-Leg-Prothese in vollem Umfang zu nutzen. Es gebe praktisch nur einen Fall,\nin dem ein Prothesentrager diese Gebrauchsvorteile nicht nutzen konne. Dieser\nsei nur dann nur zu bejahen, wenn er beim Gehen zwei Unterarmgehstutzen zur\nHilfe nehmen wurde. Diese Situation liege bei ihm nicht vor. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen.\nDer Anspruch des Klagers sei auch nicht unter Berucksichtigung des Urteils des\nBSG vom 06. Juni 2002 begrundet. Das BSG habe auf die besondere Situation\neiner Mutter mit zwei Kindern abgestellt, die auch die Sicherheit ihrer Kinder\nzu gewahrleisten habe, was oftmals schnelles Eingreifen erfordere. Beim Klager\nkonne nicht festgestellt werden, dass er durch die begehrte Versorgung\nerhebliche Gebrauchsvorteile im Alltagsleben erzielen konne. Sie habe eine\nKosten-Nutzen-Kalkulation im Hinblick auf die erheblichen Mehrkosten\nanzustellen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Das SG erhob das Sachverstandigengutachten des Arztes fur\nChirurgie/Unfallchirurgie Dr. K vom 23. April 2002. Ferner zog es das in einem\nanderen Verfahren erstattete Gutachten des Arztes fur Orthopadie,\nRheumatologie und physikalische und rehabilitative Medizin Prof. Dr. C vom 16.\nDezember 2002 bei. \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Urteil vom 24. Februar 2003, der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am\n07. Marz 2003 zugestellt, verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung des\nBescheids vom 21. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.\nJuli 2001, den Klager mit einer C-Leg-Prothese zu versorgen. Es fuhrte aus,\nvor dem Hintergrund der Vorteile, die das begehrte Hilfsmittel im Alltag nach\ndem Urteil des BSG vom 06. Juni 2002 biete, halte die Kammer die Versorgung\ndes Klagers mit der beantragten Prothese fur erforderlich. Der Klager sei mit\nder herkommlichen Prothese wiederholt gesturzt. Das Risiko eines Sturzes werde\nnach Überzeugung der Kammer bei seiner Versorgung mit dem begehrten\nHilfsmittel deutlich reduziert. Dies betreffe nicht nur einen einzelnen\nLebensbereich, wie etwa Beruf oder Freizeit, sondern wirke sich im gesamten\nAlltag aus. Insbesondere im Straßenverkehr beim Überqueren einer Straße sei\ndas fehlerfreie Funktionieren der Beinprothese unabdingbar. Im Übrigen wird\nauf die Entscheidungsgrunde Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Gegen das Urteils des SG hat die Beklagte am 04. April 2003 mit Fernkopie\nBerufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Nach dem Urteil des BSG\nkonne die streitige Versorgung nur derjenige beanspruchen, der nach arztlicher\nEinschatzung im Alltagsleben dadurch deutliche Gebrauchsvorteile hatte. Dass\ndies beim Klager nicht der Fall sei, habe bereits Dr. S im Gutachten vom 22.\nJanuar 2001 bestatigt, der als Kontraindikation die Situation der\nErstversorgung bzw. der Folgeversorgung nach einer Interimsprothese angenommen\nhabe. Entsprechend dem weiteren Gutachten des Dr. S vom 18. April 2001 habe\nsie dem Klager eine Oberschenkelprothese mit Cat-Cam-Schaft, Total-Knee sowie\nDynamik plus Fuß mit Kosten von DM 20.953,70 zur Verfugung gestellt. Auch der\ngerichtliche Sachverstandige Dr. K habe derzeit im Hinblick auf das Gangbild\ndes Klagers die Versorgung mit der neuen Technik nicht fur erforderlich\ngehalten. Weiter sei zu berucksichtigen, dass der Hersteller des C-Leg, die\nFirma O B, in seinem Indikationskatalog dieses System lediglich fur Amputierte\nmit dem Mobilitatsgrad eines uneingeschrankten Außenbereichsgehers bzw. eines\nuneingeschrankten Außenbereichsgehers mit besonders hohen Anspruchen empfohlen\nhabe. Dazu hat sie den Indikationskatalog mit den Beschreibungen der\nMobilitatsgrade und Therapieziele vorgelegt. Insoweit erfulle der Klager nicht\ndie Indikation eines uneingeschrankten Außenbereichsgehers, weshalb sich die\nFrage ergebe, wie der Klager mit der technischen Weiterentwicklung im Alltag\nzurecht kommen wolle. Das BSG stelle im Übrigen auch auf die korperlichen und\ngeistigen Voraussetzungen sowie auf die personliche Lebensgestaltung des\nProthesentragers ab. Unter Berucksichtigung des Sachverstandigengutachtens des\nDr. K erfulle der Klager nicht die korperlichen Voraussetzungen zur Nutzung\nder vollen Gebrauchsvorteile. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. Februar 2003 aufzuheben und\ndie Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Er halt das angegriffene Urteil fur zutreffend. Er hat Angaben zu seiner\nBerufstatigkeit sowie zu seinen Freizeitaktivitaten vor der Amputation\ngemacht. Er habe aktiv Tennis gespielt und sich in einem Sportverein am\nSportkegeln mit entsprechenden Wettkampfen beteiligt. Diese Sportarten konne\ner mangels ausreichender Prothesenversorgung derzeit nicht ausuben. Ferner\nhabe er bis zur Amputation ausgedehnte Spaziergange unternommen und sei\nrelativ viel mit dem Rad gefahren. Die Spaziergange wolle er sobald als\nmoglich nach einer entsprechenden Prothesenversorgung wieder aufnehmen. Nur\nmit der neuen Technik konne die bei ihm standig vorhandene Sturzgefahr\nerheblich vermindert werden. Die neue Versorgung wurde keinerlei Anpassungs-\nund Gewohnungszeit erforderlich machen. Damit konnte er sein Grundbedurfnis\nauf Gehen, Laufen und Stehen erfullen. Er sei jederzeit in der Lage, die\nerheblichen Gebrauchsvorteile der hydraulischen Technik zu nutzen. Er erfulle\nauch die vom Hersteller dieser Technik aufgestellte Indikation des\nuneingeschrankten Außenbereichsgehers. Falls die Beklagte weiterhin bestreite,\ndass er die erheblichen Gebrauchsvorteile insoweit nutzen konne, moge sie ihm\neine probeweise Nutzung uber einen Monat genehmigen. Die entsprechenden\nLeihgebuhren in Hohe von EUR 1.620,60 wurden dann bei Abnahme der\nentsprechenden Prothese in vollem Umfang angerechnet. Im Übrigen sei auch das\nGutachten des Prof. Dr. C, welches das SG beigezogen habe, in vollem Umfang\nauf ihn anwendbar. Der Klager hat Aufstellungen von Gerichtsentscheidungen zu\nC-Leg eingereicht. Auf diese positiven Entscheidungen von Sozialgerichten und\nLandessozialgerichten stutze er sich ebenfalls (Schriftsatze vom 29. Dezember\n2003 und 08. Juni 2004). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beteiligten haben sich ubereinstimmend mit einer Entscheidung des\nSenats durch Urteil ohne mundliche Verhandlung einverstanden erklart. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten\nVerwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszuge Bezug genommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 17 \n--- \n| Die gemaß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und\nfristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, uber die der Senat mit dem\nEinverstandnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mundliche\nVerhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulassig. Sie ist auch\nbegrundet. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Das SG hatte der Klage nicht stattgeben durfen; der Bescheid der Beklagten\nvom 25. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juli 2001\nist rechtmaßig, soweit die Beklagte die Versorgung des Klagers mit der\nstreitigen Prothese abgelehnt hat. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den\nKlager mit einer C-Leg-Prothese zu versorgen. Ihm geht es nach wie vor darum,\ndass die voll funktionsfahige Prothese, die ihm die Beklagte nach der\nInterimsversorgung im Sinne einer Erstversorgung Ende 2001 zur Verfugung\ngestellt hat, durch eine C-Leg-Prothese ersetzt werden soll. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Anspruchsgrundlage fur das geltend gemachte Begehren ist § 33 Abs. 1 Satz 1\ndes Funften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) in der ab 01. Januar 2004\ngeltenden Fassung. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit\nHorhilfen, Korperersatzstucken, orthopadischen und anderen Hilfsmittel, die im\nEinzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern\noder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als\nallgemeine Gebrauchsgegenstande des taglichen Lebens anzusehen oder nach § 34\nAbs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. \n--- \n| 20 \n--- \n| Insoweit stellt die begehrte Prothese keinen allgemeinen\nGebrauchsgegenstand des taglichen Lebens dar und ware auch nicht nach § 34\nAbs. 4 SGB V ausgeschlossen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Zum Ausgleich einer Behinderung, was hier als Folge der Amputation allein\nin Betracht kommt, ist ein Hilfsmittel nach allgemeiner Meinung dann\nerforderlich, wenn es zur Lebensbetatigung im Rahmen der allgemeinen\nGrundbedurfnisse benotigt wird. Zu den Grundbedurfnissen des taglichen Lebens\ngehoren das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Horen, die Nahrungsaufnahme, das\nAusscheiden, die elementare Korperpflege, das selbststandige Wohnen sowie das\nErschließen eines gewissen geistigen und korperlichen Freiraums. Letzteres\nbezieht sich lediglich auf einen Basisausgleich der Behinderung selbst und\nnicht im Sinne des vollstandigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten\nMoglichkeiten eines Gesunden, mithin nur auf die Moglichkeit der Bewaltigung\nder Entfernungen, die ein Gesunder zu Fuß zurucklegt. Dies erfaßt die\nFahigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu\nverlassen, um bei einem kurzen Spaziergang an die frische Luft zu kommen oder\num die - ublicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu\nerreichen, an denen Alltagsgeschafte zu erledigen sind (vgl. dazu zuletzt BSG,\nUrteil vom 21. November 2002 - B 3 KR 8/02 R -). Die Erforderlichkeit eines\nHilfsmittels ist unter Berucksichtigung der Auswirkungen der Behinderung und\nder konkreten Betreuungssituation zu beurteilen. Das Hilfsmittel darf die\nBehinderung nicht nur in einem unwesentlichen Umfang ausgleichen. Hilfsmittel,\ndie dazu dienen, lediglich die Folgen und Auswirkungen der Behinderung in den\nverschiedenen Lebensbereichen, insbesondere auf beruflichem oder\nwirtschaftlichem Gebiet sowie im Bereich der Freizeitgestaltung einschließlich\nsportlicher Betatigungen zu beseitigen oder zu mildern, mussen die\ngesetzlichen Krankenkassen nicht zur Verfugung stellen. Soweit jedoch\nGrundbedurfnisse betroffen sind, fallt der Ausgleich der Behinderung in die\nLeistungspflicht der Krankenkasse. Hilfsmittel im Sinne der zweiten\nAlternative des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V sind in erster Linie solche, die\neinen unmittelbaren Ausgleich der korperlichen Behinderung selbst bezwecken.\nDas ist dann der Fall, wenn das Hilfsmittel die Ausubung der beeintrachtigten\nKorperfunktion ermoglicht, ersetzt oder erleichtert. Dieser direkte\nFunktionsausgleich wirkt sich in allen Lebensbereichen aus und betrifft ohne\nweiteres Grundbedurfnisse des taglichen Lebens. Hilfsmittel, die nicht\nunmittelbar an der Behinderung ansetzen, den Funktionsausfall vielmehr\nanderweitig ausgleichen oder mindern, fallen demgegenuber nur dann in die\nLeistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen, wenn Grundbedurfnisse\nbetroffen sind. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Vorliegend ist bei dem linksseitig oberschenkelamputierten Klager das\nGrundbedurfnis des Gehens, Laufens und Stehens betroffen, wobei mit der\nbegehrten Oberschenkelprothese ein unmittelbarer Ausgleich der Behinderung\nbezweckt wird, da durch eine derartige Prothese die Ausubung der\nKorperfunktion des amputierten Beins unmittelbar ersetzt wird. Da der Einsatz\nder Beine zur Fortbewegung jederzeit und uberall erforderlich ist, ist der\nEinsatz der im Streit stehenden Prothese an sich nicht auf spezielle\nLebensbereiche begrenzt. Der Senat geht zwar im Hinblick auf das\nSachverstandigengutachten des Dr. K und das urkundenbeweislich zu\nberucksichtigende Gutachten des Prof. Dr. C davon aus, dass die C-Leg-Prothese\nim Vergleich zu einer herkommlichen Prothese, mit der der Klager auch seit\nEnde 2001 versorgt ist, erhebliche Gebrauchsvorteile bietet und das\nGrundbedurfnis des Stehens und Gehens nach dem gegenwartigen Stand der Technik\nso weit wie moglich deckt. Dies fuhrt gleichwohl entgegen der Ansicht des SG\nnicht dazu, dass die Krankenkasse samtliche Versicherte, die ahnlich\nbeeintrachtigt sind wie der Klager, generell mit einer C-Leg-Prothese\nauszustatten hatte, wenn sie, wie hier, mit einer funktionstuchtigen\nherkommlichen Prothese versorgt sind. In diesem Zusammenhang fuhrt das BSG im\nUrteil vom 06. Juni 2002 (= SozR 3-2500 § 33 Nr. 44) aus, dass der\nGebrauchsvorteil der hier streitigen Ausstattung maßgeblich von den\nkorperlichen und geistigen Voraussetzungen des Prothesentragers und seiner\npersonlichen Lebensgestaltung abhange, weshalb nicht jeder derart Betroffene\nin der Lage sei, die Gebrauchsvorteile des C-Leg auch tatsachlich zu nutzen.\nIm Einzelfall fehle es dann an der Erforderlichkeit fur dieses spezielle\nHilfsmittel. Demnach kann nur derjenige Versicherte die Versorgung mit einer\nC-Leg-Prothese beanspruchen, der im Alltagsleben dadurch deutliche\nGebrauchsvorteile hat. Damit durfen sich die Funktionsvorteile nicht nur am\nRande des Alltagslebens auswirken. Sie mussen sich vielmehr auf den\nLebensmittelpunkt des Versicherten beziehen und sich somit bei zahlreichen\nAktivitaten im Alltagsleben positiv auswirken, beispielsweise nicht nur bei\nsportlichen Aktivitaten (BSG, a.a.O.). Diese Voraussetzungen hat das BSG in\ndem erwahnten Verfahren im Falle einer 39-jahrigen Mutter zweier zwei und\nsieben Jahre alter Kinder bejaht und zur Begrundung im wesentlichen darauf\nabgestellt, dass der im Vergleich zu der bisher von ihr verwendeten Prothese\ndeutlich verminderten Sturzgefahr gerade im Umgang mit und bei der\nBeaufsichtigung von ihren kleinen Kindern erhebliche Bedeutung beizumessen sei\nund ferner Verbesserungen des Bewegungsablaufs auf unebenem Gelande sowie beim\nBerg- und Treppabgehen zu verzeichnen seien. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| In dem danach verlangten Sinne ist die streitige C-Leg-Prothese fur den\nKlager nicht erforderlich. Zwar wurde sich die zusatzliche Standsicherheit,\ndie durch eine automatische Steuerung der Prothese erzielt wird, auch im\nAlltagsleben des Klagers positiv auswirken, da das Gehen auf unebenem Gelande\noder beim Berg- und Treppabgehen erleichtert und die Sturzgefahr daher\nverringert wurde. Insoweit stellt der Senat durchaus auch in Rechnung, dass\nder Klager mit der von ihm derzeit verwendeten herkommlichen Prothese\nverschiedentlich gesturzt ist. Dies war nach der Angabe des Klagers von der\nBodenbeschaffenheit abhangig. Dass sich uber diese, sich jedem ahnlich\nbetroffenen Versicherten bietenden allgemeinen Vorteile hinaus im Alltagsleben\nfur den Klager deutliche Gebrauchsvorteile ergeben, kann der Senat allerdings\nnicht feststellen. Auf eventuelle Vorteile, mit der streitigen Prothese vor\nder Amputation ausgeubte sportliche Betatigungen als Prothesentrager wieder\nverrichten zu konnen, kommt es nicht an. Ebensowenig reicht es aus, wenn es\ndem Klager darum geht, mit einer C-Leg-Prothese wieder langere Spaziergange zu\nFuß zurucklegen zu konnen. Insoweit ist auch nicht erkennbar, dass der Klager\nmit der derzeit benutzten Prothese nicht in der Lage ware, zu einem kurzen\nSpaziergang an die frische Luft zu kommen bzw. die uberwiegend im Nahbereich\nder Wohnung liegenden Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschafte zu\nerledigen sind. Dass auch beim Klager, wie bei allen Verkehrsteilnehmern, im\nEinzelfall beim Überqueren einer Straße zu Fuß trotz zu erwartender\nentsprechender Vorsicht rasches Gehen oder sogar Laufen erforderlich sein\nkann, rechtfertigt die zur Verfugungstellung einer C-Leg-Prothese nicht. Auch\nist nicht erkennbar, dass die begehrte Versorgung dem Klager im Vergleich zu\nder ihm derzeit zur Verfugung stehenden Prothese deutliche Gebrauchsvorteile\nim Rahmen seiner Tatigkeit als Sachbearbeiter bei einer Versicherung bietet,\nzumal es sich um eine uberwiegend sitzende Burotatigkeit handelt, die er nach\nder Amputation bereits im Marz 2001 wieder aufgenommen hat. Dass der Klager in\nseinem Wohnumfeld, um seine Wohnung verlassen zu konnen, auch Treppabgehen\nmuss, rechtfertigt ebenfalls allein nicht den Anspruch auf die streitige\nLeistung. Die Erhebung weiterer Gutachten war nicht geboten. \n--- \n| 24 \n--- \n| Darauf, ob die Erforderlichkeit der Versorgung mit einer C-Leg-Prothese,\nwie vom Sachverstandigen Dr. K geaußert, wegen des bei der Untersuchung am 19.\nApril 2002 noch gezeigten Gangbilds mittels Benutzung eines Gehstocks verneint\nwerden konnte, kam es nicht an. Mithin war auch nicht zu prufen, ob der Klager\nvon der Beklagten beispielsweise zunachst die leihweise Zurverfugungstellung\neiner C-Leg-Prothese beanspruchen konnte. Weiter kommt es nicht darauf an, ob\nbei ihm eine kunftige Versorgung mit einer C-Leg-Prothese noch als\nErstversorgung angesehen werden konnte, nachdem er nach der Interimsversorgung\nbereits seit Ende 2001 mit einer herkommlichen Prothese versorgt ist.\nSchließlich war es auch unerheblich, ob der Klager die Voraussetzungen des\n"Indikationskatalogs fur C-Leg" des Herstellers O B erfullt, beispielsweise\nein Amputierter mit dem Mobilitatsgrad eines "uneingeschrankten\nAußenbereichsgehers" bzw. eines "uneingeschrankten Außenbereichsgehers mit\nbesonders hohen Anspruchen" ist. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Danach war das angegriffene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Senat hat die Revision wegen grundsatzlicher Bedeutung der zu\nbeurteilenden Rechtsfrage gemaß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Eine\nweitere Klarung ist im Hinblick auf die Beurteilung vergleichbarer Falle\nangesichts der nach der Entscheidung vom 06. Juni 2002 (SozR 3-2500 § 33 Nr.\n44) verbliebenen Zweifelsfragen wunschenswert. \n--- \n--- \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 17 \n--- \n| Die gemaß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und\nfristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, uber die der Senat mit dem\nEinverstandnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mundliche\nVerhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulassig. Sie ist auch\nbegrundet. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Das SG hatte der Klage nicht stattgeben durfen; der Bescheid der Beklagten\nvom 25. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juli 2001\nist rechtmaßig, soweit die Beklagte die Versorgung des Klagers mit der\nstreitigen Prothese abgelehnt hat. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den\nKlager mit einer C-Leg-Prothese zu versorgen. Ihm geht es nach wie vor darum,\ndass die voll funktionsfahige Prothese, die ihm die Beklagte nach der\nInterimsversorgung im Sinne einer Erstversorgung Ende 2001 zur Verfugung\ngestellt hat, durch eine C-Leg-Prothese ersetzt werden soll. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Anspruchsgrundlage fur das geltend gemachte Begehren ist § 33 Abs. 1 Satz 1\ndes Funften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) in der ab 01. Januar 2004\ngeltenden Fassung. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit\nHorhilfen, Korperersatzstucken, orthopadischen und anderen Hilfsmittel, die im\nEinzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern\noder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als\nallgemeine Gebrauchsgegenstande des taglichen Lebens anzusehen oder nach § 34\nAbs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. \n--- \n| 20 \n--- \n| Insoweit stellt die begehrte Prothese keinen allgemeinen\nGebrauchsgegenstand des taglichen Lebens dar und ware auch nicht nach § 34\nAbs. 4 SGB V ausgeschlossen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Zum Ausgleich einer Behinderung, was hier als Folge der Amputation allein\nin Betracht kommt, ist ein Hilfsmittel nach allgemeiner Meinung dann\nerforderlich, wenn es zur Lebensbetatigung im Rahmen der allgemeinen\nGrundbedurfnisse benotigt wird. Zu den Grundbedurfnissen des taglichen Lebens\ngehoren das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Horen, die Nahrungsaufnahme, das\nAusscheiden, die elementare Korperpflege, das selbststandige Wohnen sowie das\nErschließen eines gewissen geistigen und korperlichen Freiraums. Letzteres\nbezieht sich lediglich auf einen Basisausgleich der Behinderung selbst und\nnicht im Sinne des vollstandigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten\nMoglichkeiten eines Gesunden, mithin nur auf die Moglichkeit der Bewaltigung\nder Entfernungen, die ein Gesunder zu Fuß zurucklegt. Dies erfaßt die\nFahigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu\nverlassen, um bei einem kurzen Spaziergang an die frische Luft zu kommen oder\num die - ublicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu\nerreichen, an denen Alltagsgeschafte zu erledigen sind (vgl. dazu zuletzt BSG,\nUrteil vom 21. November 2002 - B 3 KR 8/02 R -). Die Erforderlichkeit eines\nHilfsmittels ist unter Berucksichtigung der Auswirkungen der Behinderung und\nder konkreten Betreuungssituation zu beurteilen. Das Hilfsmittel darf die\nBehinderung nicht nur in einem unwesentlichen Umfang ausgleichen. Hilfsmittel,\ndie dazu dienen, lediglich die Folgen und Auswirkungen der Behinderung in den\nverschiedenen Lebensbereichen, insbesondere auf beruflichem oder\nwirtschaftlichem Gebiet sowie im Bereich der Freizeitgestaltung einschließlich\nsportlicher Betatigungen zu beseitigen oder zu mildern, mussen die\ngesetzlichen Krankenkassen nicht zur Verfugung stellen. Soweit jedoch\nGrundbedurfnisse betroffen sind, fallt der Ausgleich der Behinderung in die\nLeistungspflicht der Krankenkasse. Hilfsmittel im Sinne der zweiten\nAlternative des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V sind in erster Linie solche, die\neinen unmittelbaren Ausgleich der korperlichen Behinderung selbst bezwecken.\nDas ist dann der Fall, wenn das Hilfsmittel die Ausubung der beeintrachtigten\nKorperfunktion ermoglicht, ersetzt oder erleichtert. Dieser direkte\nFunktionsausgleich wirkt sich in allen Lebensbereichen aus und betrifft ohne\nweiteres Grundbedurfnisse des taglichen Lebens. Hilfsmittel, die nicht\nunmittelbar an der Behinderung ansetzen, den Funktionsausfall vielmehr\nanderweitig ausgleichen oder mindern, fallen demgegenuber nur dann in die\nLeistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen, wenn Grundbedurfnisse\nbetroffen sind. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Vorliegend ist bei dem linksseitig oberschenkelamputierten Klager das\nGrundbedurfnis des Gehens, Laufens und Stehens betroffen, wobei mit der\nbegehrten Oberschenkelprothese ein unmittelbarer Ausgleich der Behinderung\nbezweckt wird, da durch eine derartige Prothese die Ausubung der\nKorperfunktion des amputierten Beins unmittelbar ersetzt wird. Da der Einsatz\nder Beine zur Fortbewegung jederzeit und uberall erforderlich ist, ist der\nEinsatz der im Streit stehenden Prothese an sich nicht auf spezielle\nLebensbereiche begrenzt. Der Senat geht zwar im Hinblick auf das\nSachverstandigengutachten des Dr. K und das urkundenbeweislich zu\nberucksichtigende Gutachten des Prof. Dr. C davon aus, dass die C-Leg-Prothese\nim Vergleich zu einer herkommlichen Prothese, mit der der Klager auch seit\nEnde 2001 versorgt ist, erhebliche Gebrauchsvorteile bietet und das\nGrundbedurfnis des Stehens und Gehens nach dem gegenwartigen Stand der Technik\nso weit wie moglich deckt. Dies fuhrt gleichwohl entgegen der Ansicht des SG\nnicht dazu, dass die Krankenkasse samtliche Versicherte, die ahnlich\nbeeintrachtigt sind wie der Klager, generell mit einer C-Leg-Prothese\nauszustatten hatte, wenn sie, wie hier, mit einer funktionstuchtigen\nherkommlichen Prothese versorgt sind. In diesem Zusammenhang fuhrt das BSG im\nUrteil vom 06. Juni 2002 (= SozR 3-2500 § 33 Nr. 44) aus, dass der\nGebrauchsvorteil der hier streitigen Ausstattung maßgeblich von den\nkorperlichen und geistigen Voraussetzungen des Prothesentragers und seiner\npersonlichen Lebensgestaltung abhange, weshalb nicht jeder derart Betroffene\nin der Lage sei, die Gebrauchsvorteile des C-Leg auch tatsachlich zu nutzen.\nIm Einzelfall fehle es dann an der Erforderlichkeit fur dieses spezielle\nHilfsmittel. Demnach kann nur derjenige Versicherte die Versorgung mit einer\nC-Leg-Prothese beanspruchen, der im Alltagsleben dadurch deutliche\nGebrauchsvorteile hat. Damit durfen sich die Funktionsvorteile nicht nur am\nRande des Alltagslebens auswirken. Sie mussen sich vielmehr auf den\nLebensmittelpunkt des Versicherten beziehen und sich somit bei zahlreichen\nAktivitaten im Alltagsleben positiv auswirken, beispielsweise nicht nur bei\nsportlichen Aktivitaten (BSG, a.a.O.). Diese Voraussetzungen hat das BSG in\ndem erwahnten Verfahren im Falle einer 39-jahrigen Mutter zweier zwei und\nsieben Jahre alter Kinder bejaht und zur Begrundung im wesentlichen darauf\nabgestellt, dass der im Vergleich zu der bisher von ihr verwendeten Prothese\ndeutlich verminderten Sturzgefahr gerade im Umgang mit und bei der\nBeaufsichtigung von ihren kleinen Kindern erhebliche Bedeutung beizumessen sei\nund ferner Verbesserungen des Bewegungsablaufs auf unebenem Gelande sowie beim\nBerg- und Treppabgehen zu verzeichnen seien. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| In dem danach verlangten Sinne ist die streitige C-Leg-Prothese fur den\nKlager nicht erforderlich. Zwar wurde sich die zusatzliche Standsicherheit,\ndie durch eine automatische Steuerung der Prothese erzielt wird, auch im\nAlltagsleben des Klagers positiv auswirken, da das Gehen auf unebenem Gelande\noder beim Berg- und Treppabgehen erleichtert und die Sturzgefahr daher\nverringert wurde. Insoweit stellt der Senat durchaus auch in Rechnung, dass\nder Klager mit der von ihm derzeit verwendeten herkommlichen Prothese\nverschiedentlich gesturzt ist. Dies war nach der Angabe des Klagers von der\nBodenbeschaffenheit abhangig. Dass sich uber diese, sich jedem ahnlich\nbetroffenen Versicherten bietenden allgemeinen Vorteile hinaus im Alltagsleben\nfur den Klager deutliche Gebrauchsvorteile ergeben, kann der Senat allerdings\nnicht feststellen. Auf eventuelle Vorteile, mit der streitigen Prothese vor\nder Amputation ausgeubte sportliche Betatigungen als Prothesentrager wieder\nverrichten zu konnen, kommt es nicht an. Ebensowenig reicht es aus, wenn es\ndem Klager darum geht, mit einer C-Leg-Prothese wieder langere Spaziergange zu\nFuß zurucklegen zu konnen. Insoweit ist auch nicht erkennbar, dass der Klager\nmit der derzeit benutzten Prothese nicht in der Lage ware, zu einem kurzen\nSpaziergang an die frische Luft zu kommen bzw. die uberwiegend im Nahbereich\nder Wohnung liegenden Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschafte zu\nerledigen sind. Dass auch beim Klager, wie bei allen Verkehrsteilnehmern, im\nEinzelfall beim Überqueren einer Straße zu Fuß trotz zu erwartender\nentsprechender Vorsicht rasches Gehen oder sogar Laufen erforderlich sein\nkann, rechtfertigt die zur Verfugungstellung einer C-Leg-Prothese nicht. Auch\nist nicht erkennbar, dass die begehrte Versorgung dem Klager im Vergleich zu\nder ihm derzeit zur Verfugung stehenden Prothese deutliche Gebrauchsvorteile\nim Rahmen seiner Tatigkeit als Sachbearbeiter bei einer Versicherung bietet,\nzumal es sich um eine uberwiegend sitzende Burotatigkeit handelt, die er nach\nder Amputation bereits im Marz 2001 wieder aufgenommen hat. Dass der Klager in\nseinem Wohnumfeld, um seine Wohnung verlassen zu konnen, auch Treppabgehen\nmuss, rechtfertigt ebenfalls allein nicht den Anspruch auf die streitige\nLeistung. Die Erhebung weiterer Gutachten war nicht geboten. \n--- \n| 24 \n--- \n| Darauf, ob die Erforderlichkeit der Versorgung mit einer C-Leg-Prothese,\nwie vom Sachverstandigen Dr. K geaußert, wegen des bei der Untersuchung am 19.\nApril 2002 noch gezeigten Gangbilds mittels Benutzung eines Gehstocks verneint\nwerden konnte, kam es nicht an. Mithin war auch nicht zu prufen, ob der Klager\nvon der Beklagten beispielsweise zunachst die leihweise Zurverfugungstellung\neiner C-Leg-Prothese beanspruchen konnte. Weiter kommt es nicht darauf an, ob\nbei ihm eine kunftige Versorgung mit einer C-Leg-Prothese noch als\nErstversorgung angesehen werden konnte, nachdem er nach der Interimsversorgung\nbereits seit Ende 2001 mit einer herkommlichen Prothese versorgt ist.\nSchließlich war es auch unerheblich, ob der Klager die Voraussetzungen des\n"Indikationskatalogs fur C-Leg" des Herstellers O B erfullt, beispielsweise\nein Amputierter mit dem Mobilitatsgrad eines "uneingeschrankten\nAußenbereichsgehers" bzw. eines "uneingeschrankten Außenbereichsgehers mit\nbesonders hohen Anspruchen" ist. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Danach war das angegriffene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Senat hat die Revision wegen grundsatzlicher Bedeutung der zu\nbeurteilenden Rechtsfrage gemaß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Eine\nweitere Klarung ist im Hinblick auf die Beurteilung vergleichbarer Falle\nangesichts der nach der Entscheidung vom 06. Juni 2002 (SozR 3-2500 § 33 Nr.\n44) verbliebenen Zweifelsfragen wunschenswert. \n--- \n--- \n--- \n---\n\n
140,106
vg-stuttgart-2004-08-11-7-k-516403
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
7 K 5164/03
2004-08-11
2019-01-07 14:52:08
2019-01-17 12:00:18
Urteil
## Tenor\n\nDer Bescheid der Beklagten vom 29.08.2003 wird aufgehoben.\n\nDie Beklagte wird verpflichtet, dem Klager fur September 2003 Leistungen nach\ndem AsylbLG in Hohe von 214,23 EUR zu bewilligen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager begehrt Leistungen nach den Asylbewerberleistungsgesetz\n(AsylbLG). \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der am 29.11.1984 geborene Klager ist algerischer Staatsangehoriger. Sein\nAufenthalt wird nach Ablehnung seines Asylantrags in der Bundesrepublik\nDeutschland derzeit geduldet. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 17.07.2003 beantragte der Klager bei der Beklagten die Gewahrung von\nLeistungen nach dem AsylbLG. Mit Bescheid vom 29.08.2003 lehnte die Beklagte\nunter Berucksichtigung der wirtschaftlichen und personlichen Verhaltnisse des\nKlagers den Antrag fur den Monat September 2003 ab. Sie stellte dabei dem\nBedarf des Klagers in Hohe von 214,23 EUR Einkunfte aus Bundeserziehungsgeld\nin Hohe von 307,00 EUR gegenuber, das an die Lebensgefahrtin des Klagers, ...,\nfur deren Tochter bezahlt wurde. Fur diese hatte der Klager seine Vaterschaft\nanerkannt. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Gegen diesen Bescheid hat der Klager am 10.09.2003 Widerspruch erhoben,\nuber den bislang nicht entschieden wurde. Am 08.12.2003 hat der Klager Klage\nzum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und zur Begrundung geltend gemacht,\nnicht ihm, sondern seiner Lebensgefahrtin werde Erziehungsgeld gewahrt. Seine\nLebensgefahrtin sei selbst Sozialhilfeempfangerin und nicht leistungsfahig,\nsie konne den Klager nicht unterhalten. Es widerspreche dem Zweck des\nErziehungsgeldes, dieses als Unterhaltsleistung zu verwenden. Das\nErziehungsgeld diene vielmehr der Erziehung von Kindern. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager beantragt sinngemaß schriftsatzlich, \n--- \n| 6 \n--- \n| den Bescheid der Beklagten vom 29.08.2003 aufzuheben und die Beklagte zu\nverpflichten, ihm fur September 2003 Leistungen nach dem AsylbLG in Hohe von\n214,23 EUR zu bewilligen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beklagte beantragt schriftsatzlich, \n--- \n| 8 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Sie tragt vor, es sei unstreitig, dass der Klager mit der Mutter des\ngemeinsamen Kindes in eheahnlicher Gemeinschaft zusammen lebe. ... beziehe fur\nsich und die gemeinsame Tochter Sozialhilfeleistungen und\nErziehungsgeldleistungen. Anders als nach § 77 BSHG sei gemaß § 7 Abs. 1 Satz\n1 AsylbLG unabhangig vom Grund der Zahlung und einer etwaigen Zweckbestimmung\njeder wertmaßige Zufluss beachtlich. Die einschrankende Ausnahmevorschrift des\n§ 77 Abs. 1 BSHG sei bei der Bewilligung von Leistungen gemaß §§ 3, 4 und 6\nAsylbLG nicht anwendbar. Das BSHG gehe von einer anderen Bewertung des\nEinkommens- und Vermogenseinsatzes aus als das AsylbLG. Die Berucksichtigung\ndes Erziehungsgeldes bei der Gewahrung von Leistungen nach dem AsylbLG sei\ndaher rechtmaßig. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Behordenakten\nverwiesen, die dem Gericht bei seiner Entscheidung vorgelegen haben. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 11 \n--- \n| Das Gericht hat ohne mundliche Verhandlung entschieden, nachdem die\nBeteiligten hierauf verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die nach § 75 VwGO zulassige Klage ist begrundet. Der Bescheid der\nBeklagten vom 29.08.2003 ist rechtswidrig und verletzt den Klager in seinen\nRechten. Der Klager hat fur September 2003 einen Anspruch auf Leistungen nach\ndem AsylbLG in Hohe von 214,23 EUR. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Klager ist als geduldeter Auslander nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG\nanspruchsberechtigt. Die Hohe des Anspruchs bemisst sich nach § 3 AsylbLG. Bei\neiner Unterbringung außerhalb von Aufnahme- oder vergleichbaren Einrichtungen,\nkann neben dem Taschengeld der weitere Bedarf durch Geldleistungen gem. § 3\nAbs. 2 AsylbLG gedeckt werden. Der von der Beklagten ermittelte Bedarf des\nKlagers fur den genannten Zeitraum wird seiner Hohe nach vom Klager nicht\nangegriffen und kann daher als gegeben unterstellt werden. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Auszahlung von Erziehungsgeld bleibt bei der Berechnung des Einkommens\nhinsichtlich der Gewahrung von Sozialleistungen unberucksichtigt. Dies regelt\n§ 8 BErzGG. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Zu Unrecht aber rechnet die Beklagte das an ... geleistete Erziehungsgeld\nauf den Bedarf des Klagers an. Grundsatzlich ist zwar gem. § 7 Abs. 1 S. 1\nAsylbLG Einkommen und Vermogen, uber das verfugt werden kann, von dem\nLeistungsberechtigten und seinen Familienangehorigen, die im selben Haushalt\nleben, vor Eintritt von Leistungen nach dem AsylbLG aufzubrauchen. Nicht zu\nbeanstanden ist dabei, dass die Beklagte zwar vom sozialhilferechtlichen\nBegriff des Einkommens ausgeht und alle Einkunfte in Geld oder Geldeswert zum\nEinkommen rechnet, dagegen die Ausnahmevorschrift des § 77 Abs. 1 BSHG im\nRahmen der Asylbewerberleistungen nicht anwendet. Auch das Gericht ist der\nAuffassung, dass mangels entsprechender Verweisungsvorschrift die Ausnahmenorm\ndes § 77 BSHG nicht fur Leistungen nach dem AsylbLG Anwendung findet (vgl.\nauch OVG Koblenz, Urteil vom 15.11.2001 - 12 A 11164/01 - FEVS 53, 452). Die\nBeklagte verkennt jedoch, dass nach § 8 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG)\ndas Erziehungsgeld und vergleichbare Leistungen der Lander als Einkommen bei\nSozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhangig ist,\nunberucksichtigt bleibt. Das an ... bezahlte Landeserziehungsgeld ist eine dem\nBundeserziehungsgeld vergleichbare Leistung des Landes Baden-Wurttemberg. Das\nGericht hat auch keinerlei Zweifel, dass Leistungen nach dem AsylbLG\nSozialleistungen im Sinne des BErzGG sind. Etwas anderes ergibt sich auch\nnicht daraus, dass ab 01.01.2005 § 8 Abs. 1 Satz 1 BErzGG ausdrucklich außer\nden Sozialleistungen auch Leistungen nach dem AsylbLG benennt, da es sich\nhierbei lediglich um eine Klarstellung und nicht um eine nachtragliche\nErweiterung des Anwendungsbereichs handelt. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| § 8 BErzGG ist als speziellere Rechtsvorschrift geeignet, den in § 7 Abs. 1\nSatz 1 AsylbLG nicht naher definierten Begriff des Einkommens inhaltlich\neinzuschranken. Nach allgemeinen Grundsatzen fur Normenkonflikte verdrangt auf\nder Ebene gleichrangiger Gesetze die speziellere Norm die allgemeinere\nRegelung (lex spezialis derogat legi generali). Die nach §§ 7 Abs. 1 Satz 2\nAsylbLG, 122 Satz 1, 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG zwar grundsatzlich zulassige\nAnrechnung des Einkommens der nicht ehelichen Lebensgefahrtin des Klagers\nerlaubt im gegebenen Fall somit nicht, die Anrechnung des an die\nLebensgefahrtin geleisteten Erziehungsgeldes als Einkommen der\nHaushaltsgemeinschaft. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 11 \n--- \n| Das Gericht hat ohne mundliche Verhandlung entschieden, nachdem die\nBeteiligten hierauf verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die nach § 75 VwGO zulassige Klage ist begrundet. Der Bescheid der\nBeklagten vom 29.08.2003 ist rechtswidrig und verletzt den Klager in seinen\nRechten. Der Klager hat fur September 2003 einen Anspruch auf Leistungen nach\ndem AsylbLG in Hohe von 214,23 EUR. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Klager ist als geduldeter Auslander nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG\nanspruchsberechtigt. Die Hohe des Anspruchs bemisst sich nach § 3 AsylbLG. Bei\neiner Unterbringung außerhalb von Aufnahme- oder vergleichbaren Einrichtungen,\nkann neben dem Taschengeld der weitere Bedarf durch Geldleistungen gem. § 3\nAbs. 2 AsylbLG gedeckt werden. Der von der Beklagten ermittelte Bedarf des\nKlagers fur den genannten Zeitraum wird seiner Hohe nach vom Klager nicht\nangegriffen und kann daher als gegeben unterstellt werden. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Auszahlung von Erziehungsgeld bleibt bei der Berechnung des Einkommens\nhinsichtlich der Gewahrung von Sozialleistungen unberucksichtigt. Dies regelt\n§ 8 BErzGG. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Zu Unrecht aber rechnet die Beklagte das an ... geleistete Erziehungsgeld\nauf den Bedarf des Klagers an. Grundsatzlich ist zwar gem. § 7 Abs. 1 S. 1\nAsylbLG Einkommen und Vermogen, uber das verfugt werden kann, von dem\nLeistungsberechtigten und seinen Familienangehorigen, die im selben Haushalt\nleben, vor Eintritt von Leistungen nach dem AsylbLG aufzubrauchen. Nicht zu\nbeanstanden ist dabei, dass die Beklagte zwar vom sozialhilferechtlichen\nBegriff des Einkommens ausgeht und alle Einkunfte in Geld oder Geldeswert zum\nEinkommen rechnet, dagegen die Ausnahmevorschrift des § 77 Abs. 1 BSHG im\nRahmen der Asylbewerberleistungen nicht anwendet. Auch das Gericht ist der\nAuffassung, dass mangels entsprechender Verweisungsvorschrift die Ausnahmenorm\ndes § 77 BSHG nicht fur Leistungen nach dem AsylbLG Anwendung findet (vgl.\nauch OVG Koblenz, Urteil vom 15.11.2001 - 12 A 11164/01 - FEVS 53, 452). Die\nBeklagte verkennt jedoch, dass nach § 8 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG)\ndas Erziehungsgeld und vergleichbare Leistungen der Lander als Einkommen bei\nSozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhangig ist,\nunberucksichtigt bleibt. Das an ... bezahlte Landeserziehungsgeld ist eine dem\nBundeserziehungsgeld vergleichbare Leistung des Landes Baden-Wurttemberg. Das\nGericht hat auch keinerlei Zweifel, dass Leistungen nach dem AsylbLG\nSozialleistungen im Sinne des BErzGG sind. Etwas anderes ergibt sich auch\nnicht daraus, dass ab 01.01.2005 § 8 Abs. 1 Satz 1 BErzGG ausdrucklich außer\nden Sozialleistungen auch Leistungen nach dem AsylbLG benennt, da es sich\nhierbei lediglich um eine Klarstellung und nicht um eine nachtragliche\nErweiterung des Anwendungsbereichs handelt. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| § 8 BErzGG ist als speziellere Rechtsvorschrift geeignet, den in § 7 Abs. 1\nSatz 1 AsylbLG nicht naher definierten Begriff des Einkommens inhaltlich\neinzuschranken. Nach allgemeinen Grundsatzen fur Normenkonflikte verdrangt auf\nder Ebene gleichrangiger Gesetze die speziellere Norm die allgemeinere\nRegelung (lex spezialis derogat legi generali). Die nach §§ 7 Abs. 1 Satz 2\nAsylbLG, 122 Satz 1, 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG zwar grundsatzlich zulassige\nAnrechnung des Einkommens der nicht ehelichen Lebensgefahrtin des Klagers\nerlaubt im gegebenen Fall somit nicht, die Anrechnung des an die\nLebensgefahrtin geleisteten Erziehungsgeldes als Einkommen der\nHaushaltsgemeinschaft. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. \n--- \n---\n\n
140,386
olgkarl-2004-10-21-19-u-12003
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
19 U 120/03
2004-10-21
2019-01-07 15:12:14
2019-02-12 12:20:00
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung der Klagerin wird das Urteil des LG Offenburg vom\n27.5.2003 abgeandert und die Widerklage abgewiesen.\n\n2\\. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin unterhalt bei der Beklagten eine Lebensversicherung, verbunden\nmit einer Berufsunfahigkeits-Zusatzversicherung (BUZ), Letztere zu Bedingungen\nentsprechend den BB-BUZ 90 (LG Offenburg - 2 O 362/94, AS 99). Am 23.9.1993\nhatte sie bei einem Verkehrsunfall erhebliche Verletzungen erlitten, in deren\nFolge sie die Beklagte wegen Berufsunfahigkeit auf Versicherungsleistung in\nAnspruch nahm. Durch Urteil des LG Offenburg vom 3.5.1995 (LG Offenburg - 2 O\n362/34) wurde die Beklagte u.a. zur Zahlung einer monatlichen Rente von 802,90\nDM verurteilt, ihre hiergegen gerichtete Berufung blieb ohne Erfolg (OLG\nKarlsruhe - 14 U 119/95). In dem Verfahren war unter den Parteien lediglich\ndie Zumutbarkeit eines Verweisungsberufs im Streit. Im Februar 1997 hat die\nBeklagte, gestutzt auf die Tatsache, dass die Klagerin erfolgreich eine\nUmschulung absolviert hat, der Klagerin die Einstellung der Rentenleistung\nmitgeteilt und sich anschließend im Wege der Vollstreckungsgegenklage mit\ndieser Begrundung gegen die Zwangsvollstreckung aus dem rechtskraftigen Urteil\ngewandt. Das LG (2 O 176/97) hat die Klage abgewiesen, die hiergegen\ngerichtete Berufung blieb wiederum erfolglos (14 U 227/97). Mit Schreiben vom\n13.3.2002 (I 53) hat die Beklagte gestutzt auf ein im Nachprufungsverfahren\ngem. § 7 BB-BUZ eingeholtes arztliches Gutachten (GA Prof. Dr. H. - I 57) mit\nder Begrundung, dass die Klagerin den ursprunglich von ihr ausgeubten Beruf\nwieder vollschichtig ausuben konne, Einstellung der Leistungen zum 1.5.2002\nmitgeteilt. Hieraufhin hat die Klagerin die vorliegende Klage auf Feststellung\ndes Fortbestands der Leistungspflicht erhoben und eine weiterhin bestehende\nbedingungsgemaße Berufsunfahigkeit geltend gemacht. Die Beklagte war der Klage\nentgegengetreten und hat im Wege der Widerklage erneut die Feststellung der\nUnzulassigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des LG Offenburg vom\n3.5.1995 begehrt wegen Wegfalls der Berufsunfahigkeit, woraufhin die Parteien\ndie Feststellungsklage der Klagerin ubereinstimmend fur erledigt erklart\nhaben. Gestutzt auf die Ausfuhrungen des vom LG zu Rate gezogenen\nSachverstandigen Dr. J. in dessen schriftlichen Gutachten (I 263) sowie bei\nseiner Anhorung (I 327) stellte sich die Klagerin auf den Standpunkt, dass die\nBeklagte mit ihrem Vorbringen, sie - die Klagerin - sei wieder berufsfahig,\njedenfalls prakludiert sei, da diesen Ausfuhrungen zufolge davon auszugehen\nsei, dass eine bedingungsgemaße Berufsunfahigkeit bereits seit Herbst 1996\nnicht mehr vorgelegen habe. Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen\ntatsachlichen Feststellungen sowie der weiteren Einzelheiten zum\nerstinstanzlichen Parteivorbringen verwiesen wird, hat das LG der Widerklage\nentsprochen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit ihrer Berufung verfolgt die Klagerin ihren Antrag auf Abweisung der\nWiderklage weiter, wobei sie die vom LG getroffenen tatsachlichen\nFeststellungen nicht angreift, sondern eine fehlerhafte Anwendung der\nPraklusionsvorschriften des § 767 ZPO rugt. Unter erneuter Berufung auf die\nAusfuhrungen des Sachverstandigen, wonach sie bereits seit Herbst 1996 wieder\nberufsfahig gewesen sein soll, macht sie geltend, dass die Beklagte diesen\nUmstand, wenn nicht bereits im ursprunglichen Prozess, so doch im Verfahren\nuber die vorangegangene Vollstreckungsabwehrklage hatte vorbringen mussen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die\nWiderklage abzuweisen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, die Berufung, die sie aus Rechtsgrunden fur\nunbegrundet erachtet, zuruckzuweisen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im\nBerufungsrechtszug wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsatze\nverwiesen, der Gegenstand der mundlichen Verhandlung vor dem Senat war. \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Senat hat Beweis erhoben durch erneute Anhorung des Sachverstandigen Dr.\nJ. Auf die Sitzungsniederschrift des Senats vom 30.9.2004 wird insoweit\nverwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 7 \n--- \n| Die zulassige Berufung ist begrundet. \n--- \n| 8 \n--- \n| Gegen ihre Verurteilung zu kunftigen Rentenzahlungen steht der Beklagten\ngrundsatzlich der Weg der Vollstreckungsabwehrklage nach Maßgabe des § 767 ZPO\noffen, um ihr Leistungsverweigerungsrecht wegen nachtraglichen Wegfalls der\nBerufsunfahigkeit und damit Wegfall ihrer Leistungspflicht aus dem\nVersicherungsverhaltnis durchzusetzen (BGH v. 27.5.1987 - IVa ZR 56/86, VersR\n1987, 808 [809]; Voit/Knappmann in Prolss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 7 BUZ Rz.\n10). Die mit der Widerklage erhobene Vollstreckungsabwehrklage der Beklagten\nerweist sich indessen entgegen dem LG als unbegrundet. \n--- \n| 9 \n--- \n| 1\\. § 767 Abs. 3 ZPO steht der Widerklage entgegen der Ansicht der Klagerin\nnicht entgegen. Zwar war die Beklagte hiernach gehalten, mit der\nvorangegangenen Vollstreckungsgegenklage alle Einwendungen geltend zu machen,\ndie zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen sie imstande war. Den\nnunmehr erhobenen Einwand des Wegfalls der Leistungsverpflichtung geltend zu\nmachen, war die Beklagte in dem vorangegangenen Verfahren indessen nicht\nimstande; denn der Wegfall der Berufsunfahigkeit fuhrt nicht unmittelbar zum\nWegfall der Rentenzahlungsverpflichtung. Nach § 7 Abs. 4 S. 1 BB-BUZ hat der\nWegfall der Berufsunfahigkeit lediglich zur Folge, dass der Versicherer seine\nLeistungen einstellen kann. Voraussetzung fur die Leistungsverweigerung ist\nallerdings, dass er dem Anspruchsberechtigten unter Hinweis auf seine Rechte\naus § 6 BB-BUZ die Leistungseinstellung vorab mitteilt. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Zugang einer entsprechenden formlichen Mitteilung ist Voraussetzung fur\neine Beendigung der Leistungspflicht nach Maßgabe des § 7 Abs. 4 BB-BUZ, d.h.\nfruhestens nach Ablauf eines Monats nach Absendung der Mitteilung (s. BGH v.\n27.5.1987 - IVa ZR 56/86, VersR 1987, 808 [809]; v. 17.2.1993 - IV ZR 206/91,\nMDR 1993, 625 = NJW 1993, 1532 [1534]; OLG Munchen v. 28.3.1996 - 6 U 4793/95,\nOLGReport Munchen 1996, 256 = VersR 1997, 95 [96]; Voit/Knappmann in\nProlss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 7 BUZ Rz. 10). Im Zuge des von ihr im Jahre\n2002 durchgefuhrten Nachprufungsverfahrens gem. § 7 Abs. 1, 2 BB-BUZ hat die\nBeklagte der Klagerin unter dem 13.3.2002 in rechtsgestaltender Weise (s. BGH\nv. 27.5.1987 - IVa ZR 56/86, VersR 1987, 808) wirksam die Leistungseinstellung\nmitgeteilt. Erst ab diesem Zeitpunkt war die Beklagte mithin imstande, ihr\nLeistungsverweigerungsrecht wegen Wegfalls der Berufsunfahigkeit der Klagerin\ngeltend zu machen. Entgegen der Ansicht der Klagerin war die Beklagte nicht\netwa gehalten, vor Erhebung ihrer auf die von der Klagerin durchgefuhrte\nUmschulung gestutzten Klage oder im Verlaufe jenes Prozesses von ihrer\nBerechtigung zur Nachprufung des Gesundheitszustands der Klagerin und ihrer\nFahigkeit, ihren ursprunglichen Beruf wieder ausuben zu konnen, Gebrauch zu\nmachen. \n--- \n| 11 \n--- \n| 2\\. Der Widerklage steht hingegen, wie mit der Berufung zu Recht geltend\ngemacht wird, § 767 Abs. 2 ZPO entgegen, wonach Einwendungen, die den durch\ndas Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, mit der\nVollstreckungsabwehrklage zulassigerweise nur vorgebracht werden konnen, wenn\ndie Grunde, auf denen sie beruhen, erst nach Schluss der mundlichen\nVerhandlung, in denen Einwendungen nach der ZPO spatestens hatten geltend\ngemacht werden mussen, entstanden sind. Mit ihrem Einwand einer vollstandigen\nWiederherstellung der Berufsfahigkeit der Klagerin ist die Beklagte hiernach\naber ausgeschlossen; denn aufgrund der von ihm durchgefuhrten Beweisaufnahme\nist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass bereits im Herbst 1996 bzw. vor\nSchluss der mundlichen Verhandlung uber die Berufung gegen das Urteil des LG\nOffenburg vom 3.5.1995, d.h. am 4.10.1996, die Voraussetzungen fur eine\nbedingungsgemaße Berufsunfahigkeit bei der Klagerin nicht mehr gegeben waren,\nwas in jenem Verfahren aber noch hatte geltend gemacht werden konnen und\nmussen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Dem Sachverstandigen Dr. J. zufolge ist aufgrund der Tatsache, dass die\nVerletzungen der Klagerin im Sprunggelenksbereich knochern verheilt sind und\ndamit auch die Gefahr einer sich entwickelnden Arthrose nicht gegeben war,\ndavon auszugehen, dass dieser Zustand bereits am 4.10.1996 bestand. Da den\narztlichen Unterlagen nichts entnommen werden konne, was auf einen\nungewohnlichen Heilungsverlauf schließen lasse, gehe er, so der\nSachverstandige, davon aus, dass die Klagerin drei Monate nach der Operation\nim Jahre 1993 beide Fuße wieder belasten konnte. Nach der Metallentfernung im\nOktober 1994 seien in den zur Verfugung stehenden arztlichen Unterlagen keine\nKomplikationen beschrieben, und im Regelfall konnten drei Monate nach der\nMetallentfernung beide Beine wieder voll belastet werden. Dafur, dass dies bei\nder Klagerin nicht der Fall war, ergaben sich fur den Sachverstandigen keine\nAnhaltspunkte. Zudem sei es außerordentlich unwahrscheinlich, dass sich nach\nEntfernen der Metallplatten noch zwei Jahre lang Beschwerden einstellen, die\neine Berufsunfahigkeit begrunden konnten. Dass dies ausnahmsweise bei der\nKlagerin gleichwohl der Fall hatte sein konnen, so bei Vorliegen einer\nOsteonekrose oder einer sudeckschen Erkrankung, dafur vermochte der\nSachverstandige in den arztlichen Unterlagen keine Hinweise zu finden, was\naber bei der Schwere der genannten Erkrankungen von den behandelnden Ärzten\nfestgestellt und folglich auch festgehalten worden ware. Zumal der behandelnde\nArzt Dr. Z. unter dem 31.3.1994 (Anlg.-Heft B 3 zu 2 O 362/94) der Klagerin ab\ndem 1.4.1994 eine Beendigung der Arbeitsunfahigkeit und die Moglichkeit einer\ntaglichen Belastung von 1-2 Stunden bescheinigt hat, sei, so der\nSachverstandige, auf einen komplikationslosen Heilungsverlauf zu schließen und\nseiner Ansicht nach davon auszugehen, dass bereits eine deutliche Zeit vor dem\n4.10.1996 eine bedingungsgemaße Berufsunfahigkeit nicht mehr gegeben war.\nDiesen nachvollziehbaren und auch uberzeugenden Ausfuhrungen, den von Seiten\nder Beklagten nichts entgegengesetzt worden ist, folgt der Senat, zumal es\nkeine Anhalte gibt, deren Richtigkeit in Zweifel zu ziehen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Darauf, dass die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt keine Kenntnis davon\nhatte, dass eine bedingungsgemaße Berufsunfahigkeit nicht mehr gegeben war,\nkommt es fur den Einwendungsausschluss nach § 767 Abs. 2 ZPO nicht an (vgl.\nZoller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 767 Rz. 14; Voit/Knappmann in Prolss/Martin,\nVVG, 27. Aufl., § 7 Rz. 5, 13). Zwar war Grundlage der damaligen Entscheidung\nuber die Leistungspflicht der Beklagten die unter den Parteien unstreitige\nTatsache, dass die Klagerin verletzungsbedingt berufsunfahig ist, Mit dem\nEinwand, dass dies tatsachlich nicht der Fall, die Klagerin vielmehr bereits\nvor dem 4.10.1996 (wieder) berufsfahig war und das Urteil sich somit im\nNachhinein als unrichtig erweist, ist die Beklagte gleichwohl ausgeschlossen;\ndenn die Vollstreckungsabwehrklage dient ebenso wenig wie die Abanderungsklage\nnach § 323 ZPO der Beseitigung von Fehlern der Erstentscheidung (vgl. etwa BGH\nNJW-RR 1992, 1091 [1092]). Wenngleich die Beklagte sich nicht darauf beruft,\nvermag die nunmehr festgestellte Unrichtigkeit der Erstentscheidung an der\nrechtskraftigen Verurteilung der Beklagten zur Erbringung von\nVersicherungsleistungen wegen einer bedingungsgemaßen Berufsunfahigkeit nichts\nzu andern: Die Vollstreckungsgegenklage hat aber auch deshalb keinen Erfolg,\nweil nach § 7 BB-BUZ der Wegfall der Leistungsverpflichtung eine Änderung der\ngesundheitlichen Verhaltnisse des Versicherungsnehmers zur Voraussetzung hat\n(vgl. BGH v. 27.5.1987 - IVa ZR 56/86, VersR 1887, 808; OLG Oldenburg NVersZ\n2002, 117 [118]; OLG Karlsruhe VersR 1990, 962). Eine Gesundheitsanderung ggu.\ndem Ausgangsverfahren ist jedoch bei der Klagerin nicht eingetreten, denn\nbereits im Zeitpunkt der rechtskraftigen Feststellung der Leistungspflicht der\nBeklagten mit Urteil des 14. Senats vom 18.10.1996 hat zur Überzeugung des\nSenats eine unfallverletzungsbedingte Berufsunfahigkeit nicht mehr vorgelegen.\nDass die Beklagte aufgrund der damals vorliegenden arztlichen Berichte (s.\nAnl.-Heft zu 2 O 362/94) von einer andauernden Berufsunfahigkeit der Klagerin\nausging und diese unstreitig stellte, ist fur die Frage des Eintritts einer\nVeranderung des Gesundheitszustands i.S.d. § 7 BB-BUZ ohne Belang, auf den\ndamaligen Kenntnisstand der Beklagten oder eine geanderte Einschatzung der\nBerufsunfahigkeit kommt es nach dieser Bestimmung in den\nVersicherungsbedingungen nicht an (s. Voit/Knappmann in Prolss/Martin, VVG,\n27. Aufl., § 7 Rz. 5, 13; OLG Karlsruhe v. 19.1.1989 - 12 U 120/87, VersR\n1990, 961 [962]; OLG Koln v. 13.4.1989 - 5 U 28/87, VersR 1989, 1034). Etwas\nanderes hatte allenfalls dann zu geltend, wenn der Klagerin ein arglistiges\nVerhalten im Ausgangverfahren anzulasten ware. Dafur ist indessen nichts\ndargetan und auch nichts ersichtlich. \n--- \n| 14 \n--- \n| 3\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Mangels Vorliegens\nder Voraussetzungen hierfur (§ 543 Abs. 2 ZPO) war die Revision nicht\nzuzulassen. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 7 \n--- \n| Die zulassige Berufung ist begrundet. \n--- \n| 8 \n--- \n| Gegen ihre Verurteilung zu kunftigen Rentenzahlungen steht der Beklagten\ngrundsatzlich der Weg der Vollstreckungsabwehrklage nach Maßgabe des § 767 ZPO\noffen, um ihr Leistungsverweigerungsrecht wegen nachtraglichen Wegfalls der\nBerufsunfahigkeit und damit Wegfall ihrer Leistungspflicht aus dem\nVersicherungsverhaltnis durchzusetzen (BGH v. 27.5.1987 - IVa ZR 56/86, VersR\n1987, 808 [809]; Voit/Knappmann in Prolss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 7 BUZ Rz.\n10). Die mit der Widerklage erhobene Vollstreckungsabwehrklage der Beklagten\nerweist sich indessen entgegen dem LG als unbegrundet. \n--- \n| 9 \n--- \n| 1\\. § 767 Abs. 3 ZPO steht der Widerklage entgegen der Ansicht der Klagerin\nnicht entgegen. Zwar war die Beklagte hiernach gehalten, mit der\nvorangegangenen Vollstreckungsgegenklage alle Einwendungen geltend zu machen,\ndie zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen sie imstande war. Den\nnunmehr erhobenen Einwand des Wegfalls der Leistungsverpflichtung geltend zu\nmachen, war die Beklagte in dem vorangegangenen Verfahren indessen nicht\nimstande; denn der Wegfall der Berufsunfahigkeit fuhrt nicht unmittelbar zum\nWegfall der Rentenzahlungsverpflichtung. Nach § 7 Abs. 4 S. 1 BB-BUZ hat der\nWegfall der Berufsunfahigkeit lediglich zur Folge, dass der Versicherer seine\nLeistungen einstellen kann. Voraussetzung fur die Leistungsverweigerung ist\nallerdings, dass er dem Anspruchsberechtigten unter Hinweis auf seine Rechte\naus § 6 BB-BUZ die Leistungseinstellung vorab mitteilt. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Zugang einer entsprechenden formlichen Mitteilung ist Voraussetzung fur\neine Beendigung der Leistungspflicht nach Maßgabe des § 7 Abs. 4 BB-BUZ, d.h.\nfruhestens nach Ablauf eines Monats nach Absendung der Mitteilung (s. BGH v.\n27.5.1987 - IVa ZR 56/86, VersR 1987, 808 [809]; v. 17.2.1993 - IV ZR 206/91,\nMDR 1993, 625 = NJW 1993, 1532 [1534]; OLG Munchen v. 28.3.1996 - 6 U 4793/95,\nOLGReport Munchen 1996, 256 = VersR 1997, 95 [96]; Voit/Knappmann in\nProlss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 7 BUZ Rz. 10). Im Zuge des von ihr im Jahre\n2002 durchgefuhrten Nachprufungsverfahrens gem. § 7 Abs. 1, 2 BB-BUZ hat die\nBeklagte der Klagerin unter dem 13.3.2002 in rechtsgestaltender Weise (s. BGH\nv. 27.5.1987 - IVa ZR 56/86, VersR 1987, 808) wirksam die Leistungseinstellung\nmitgeteilt. Erst ab diesem Zeitpunkt war die Beklagte mithin imstande, ihr\nLeistungsverweigerungsrecht wegen Wegfalls der Berufsunfahigkeit der Klagerin\ngeltend zu machen. Entgegen der Ansicht der Klagerin war die Beklagte nicht\netwa gehalten, vor Erhebung ihrer auf die von der Klagerin durchgefuhrte\nUmschulung gestutzten Klage oder im Verlaufe jenes Prozesses von ihrer\nBerechtigung zur Nachprufung des Gesundheitszustands der Klagerin und ihrer\nFahigkeit, ihren ursprunglichen Beruf wieder ausuben zu konnen, Gebrauch zu\nmachen. \n--- \n| 11 \n--- \n| 2\\. Der Widerklage steht hingegen, wie mit der Berufung zu Recht geltend\ngemacht wird, § 767 Abs. 2 ZPO entgegen, wonach Einwendungen, die den durch\ndas Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, mit der\nVollstreckungsabwehrklage zulassigerweise nur vorgebracht werden konnen, wenn\ndie Grunde, auf denen sie beruhen, erst nach Schluss der mundlichen\nVerhandlung, in denen Einwendungen nach der ZPO spatestens hatten geltend\ngemacht werden mussen, entstanden sind. Mit ihrem Einwand einer vollstandigen\nWiederherstellung der Berufsfahigkeit der Klagerin ist die Beklagte hiernach\naber ausgeschlossen; denn aufgrund der von ihm durchgefuhrten Beweisaufnahme\nist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass bereits im Herbst 1996 bzw. vor\nSchluss der mundlichen Verhandlung uber die Berufung gegen das Urteil des LG\nOffenburg vom 3.5.1995, d.h. am 4.10.1996, die Voraussetzungen fur eine\nbedingungsgemaße Berufsunfahigkeit bei der Klagerin nicht mehr gegeben waren,\nwas in jenem Verfahren aber noch hatte geltend gemacht werden konnen und\nmussen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Dem Sachverstandigen Dr. J. zufolge ist aufgrund der Tatsache, dass die\nVerletzungen der Klagerin im Sprunggelenksbereich knochern verheilt sind und\ndamit auch die Gefahr einer sich entwickelnden Arthrose nicht gegeben war,\ndavon auszugehen, dass dieser Zustand bereits am 4.10.1996 bestand. Da den\narztlichen Unterlagen nichts entnommen werden konne, was auf einen\nungewohnlichen Heilungsverlauf schließen lasse, gehe er, so der\nSachverstandige, davon aus, dass die Klagerin drei Monate nach der Operation\nim Jahre 1993 beide Fuße wieder belasten konnte. Nach der Metallentfernung im\nOktober 1994 seien in den zur Verfugung stehenden arztlichen Unterlagen keine\nKomplikationen beschrieben, und im Regelfall konnten drei Monate nach der\nMetallentfernung beide Beine wieder voll belastet werden. Dafur, dass dies bei\nder Klagerin nicht der Fall war, ergaben sich fur den Sachverstandigen keine\nAnhaltspunkte. Zudem sei es außerordentlich unwahrscheinlich, dass sich nach\nEntfernen der Metallplatten noch zwei Jahre lang Beschwerden einstellen, die\neine Berufsunfahigkeit begrunden konnten. Dass dies ausnahmsweise bei der\nKlagerin gleichwohl der Fall hatte sein konnen, so bei Vorliegen einer\nOsteonekrose oder einer sudeckschen Erkrankung, dafur vermochte der\nSachverstandige in den arztlichen Unterlagen keine Hinweise zu finden, was\naber bei der Schwere der genannten Erkrankungen von den behandelnden Ärzten\nfestgestellt und folglich auch festgehalten worden ware. Zumal der behandelnde\nArzt Dr. Z. unter dem 31.3.1994 (Anlg.-Heft B 3 zu 2 O 362/94) der Klagerin ab\ndem 1.4.1994 eine Beendigung der Arbeitsunfahigkeit und die Moglichkeit einer\ntaglichen Belastung von 1-2 Stunden bescheinigt hat, sei, so der\nSachverstandige, auf einen komplikationslosen Heilungsverlauf zu schließen und\nseiner Ansicht nach davon auszugehen, dass bereits eine deutliche Zeit vor dem\n4.10.1996 eine bedingungsgemaße Berufsunfahigkeit nicht mehr gegeben war.\nDiesen nachvollziehbaren und auch uberzeugenden Ausfuhrungen, den von Seiten\nder Beklagten nichts entgegengesetzt worden ist, folgt der Senat, zumal es\nkeine Anhalte gibt, deren Richtigkeit in Zweifel zu ziehen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Darauf, dass die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt keine Kenntnis davon\nhatte, dass eine bedingungsgemaße Berufsunfahigkeit nicht mehr gegeben war,\nkommt es fur den Einwendungsausschluss nach § 767 Abs. 2 ZPO nicht an (vgl.\nZoller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 767 Rz. 14; Voit/Knappmann in Prolss/Martin,\nVVG, 27. Aufl., § 7 Rz. 5, 13). Zwar war Grundlage der damaligen Entscheidung\nuber die Leistungspflicht der Beklagten die unter den Parteien unstreitige\nTatsache, dass die Klagerin verletzungsbedingt berufsunfahig ist, Mit dem\nEinwand, dass dies tatsachlich nicht der Fall, die Klagerin vielmehr bereits\nvor dem 4.10.1996 (wieder) berufsfahig war und das Urteil sich somit im\nNachhinein als unrichtig erweist, ist die Beklagte gleichwohl ausgeschlossen;\ndenn die Vollstreckungsabwehrklage dient ebenso wenig wie die Abanderungsklage\nnach § 323 ZPO der Beseitigung von Fehlern der Erstentscheidung (vgl. etwa BGH\nNJW-RR 1992, 1091 [1092]). Wenngleich die Beklagte sich nicht darauf beruft,\nvermag die nunmehr festgestellte Unrichtigkeit der Erstentscheidung an der\nrechtskraftigen Verurteilung der Beklagten zur Erbringung von\nVersicherungsleistungen wegen einer bedingungsgemaßen Berufsunfahigkeit nichts\nzu andern: Die Vollstreckungsgegenklage hat aber auch deshalb keinen Erfolg,\nweil nach § 7 BB-BUZ der Wegfall der Leistungsverpflichtung eine Änderung der\ngesundheitlichen Verhaltnisse des Versicherungsnehmers zur Voraussetzung hat\n(vgl. BGH v. 27.5.1987 - IVa ZR 56/86, VersR 1887, 808; OLG Oldenburg NVersZ\n2002, 117 [118]; OLG Karlsruhe VersR 1990, 962). Eine Gesundheitsanderung ggu.\ndem Ausgangsverfahren ist jedoch bei der Klagerin nicht eingetreten, denn\nbereits im Zeitpunkt der rechtskraftigen Feststellung der Leistungspflicht der\nBeklagten mit Urteil des 14. Senats vom 18.10.1996 hat zur Überzeugung des\nSenats eine unfallverletzungsbedingte Berufsunfahigkeit nicht mehr vorgelegen.\nDass die Beklagte aufgrund der damals vorliegenden arztlichen Berichte (s.\nAnl.-Heft zu 2 O 362/94) von einer andauernden Berufsunfahigkeit der Klagerin\nausging und diese unstreitig stellte, ist fur die Frage des Eintritts einer\nVeranderung des Gesundheitszustands i.S.d. § 7 BB-BUZ ohne Belang, auf den\ndamaligen Kenntnisstand der Beklagten oder eine geanderte Einschatzung der\nBerufsunfahigkeit kommt es nach dieser Bestimmung in den\nVersicherungsbedingungen nicht an (s. Voit/Knappmann in Prolss/Martin, VVG,\n27. Aufl., § 7 Rz. 5, 13; OLG Karlsruhe v. 19.1.1989 - 12 U 120/87, VersR\n1990, 961 [962]; OLG Koln v. 13.4.1989 - 5 U 28/87, VersR 1989, 1034). Etwas\nanderes hatte allenfalls dann zu geltend, wenn der Klagerin ein arglistiges\nVerhalten im Ausgangverfahren anzulasten ware. Dafur ist indessen nichts\ndargetan und auch nichts ersichtlich. \n--- \n| 14 \n--- \n| 3\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Mangels Vorliegens\nder Voraussetzungen hierfur (§ 543 Abs. 2 ZPO) war die Revision nicht\nzuzulassen. \n---\n\n
140,462
vg-stuttgart-2004-11-09-5-k-205803
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
5 K 2058/03
2004-11-09
2019-01-07 15:15:55
2019-01-17 12:00:38
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDie Klager tragen die Kosten des Verfahrens, die Beigeladene tragt ihre\neigenen außergerichtlichen Kosten selbst.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klager begehren mit ihrer Klage die Einbeziehung der Stadt Stuttgart in\nden Kreis der Stadte, in denen nach der zweiten Verordnung der Landesregierung\nuber einen erweiterten Kundigungsschutz bei umgewandelten Mietwohnungen vom\n11.12.2001 (kurz: Kundigungssperrfristverordnung) die ausreichende Versorgung\nder Bevolkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders\ngefahrdet ist. In die bis 31.12.2006 geltende Kundigungssperrfristverordnung\nsind mit Wirkung vom 01.01.2002 die Stadte Freiburg im Breisgau, Heidelberg,\nKonstanz, Mannheim und Tubingen einbezogen. Die Einbeziehung einer Gemeinde in\ndie Gebietskulisse der Verordnung gewahrt einem Mieter nach einer\nWohnungsumwandlung durch eine bis auf 10 Jahre befristete Sperrfrist bei einer\nEigenbedarfskundigung oder Verwertungskundigung eines Wohnungserwerbers\nerhohten Kundigungsschutz. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klager sind seit 01.07.1977 Mieter einer Wohnung im Gebaude Bebelstr.\n33 in Stuttgart. Diese Wohnung wurde durch Teilungserklarung vom 26.10.1993 in\neine Eigentumswohnung umgewandelt. Die Eintragung des Miteigentumsanteils und\ndes Sondereigentums erfolgte am 13.02.2001 in das Wohnungseigentum-Grundbuch.\nDie Klager ließen vortragen, dass wegen der einzuhaltenden Sperrfrist eine\nKundigung fruhestens zum 30.11.2004 moglich sei. Eigenbedarf sei angemeldet. \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 12.05.2003 haben die Klager beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage\nerhoben und beantragt, \n--- \n| 4 \n--- \n| 1\\. den Beklagten zu verurteilen, \n--- \n| 5 \n--- \n| a) eine Rechtsverordnung i. S. des § 577 a Abs. 2 BGB des Inhalts zu\nerlassen, dass auch der Stadtkreis Stuttgart als Gebiet bestimmt wird, in dem\ndie ausreichende Versorgung der Bevolkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen\nBedingungen besonders gefahrdet ist; \n--- \n| 6 \n--- \n| b) - hilfsweise im Verhaltnis zu dem Antrag zu Ziff. 1 a - die zweite\nVerordnung der Landesregierung uber einen erweiterten Kundigungsschutz bei\numgewandelten Mietwohnungen vom 11.12.2001 dergestalt zu erganzen, dass der\nStadtkreis Stuttgart in die Gebietskulisse der Rechtsverordnung einbezogen\nwird. \n--- \n| 7 \n--- \n| c) - hochst hilfsweise im Verhaltnis zu den Antragen zu Ziff. 1 a und b -\nunter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts uber den Erlass einer\nVerordnung i. S. des Antrages zu Ziff. 1 a, hilfsweise die Erganzung der im\nAntrag zu Ziff. 1 b genannten Verordnung zu entscheiden. \n--- \n| 8 \n--- \n| 2\\. hilfsweise im Verhaltnis zum Antrag zu Ziff. 1 festzustellen, dass der\nBeklagte verpflichtet ist, \n--- \n| 9 \n--- \n| a) eine Rechtsverordnung i.S. des § 577 a Abs. 2 BGB des Inhalts zu\nerlassen, dass der Stadtkreis Stuttgart als Gebiet bestimmt wird, in dem die\nausreichende Versorgung der Bevolkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen\nBedingungen besonders gefahrdet ist; \n--- \n| 10 \n--- \n| b) - hilfsweise im Verhaltnis zum Antrag zu Ziff. 2 a - die zweite\nVerordnung der Landesregierung uber einen erweiterten Kundigungsschutz bei\numgewandelten Mietwohnungen vom 11.12.2001 dergestalt zu erganzen, dass der\nStadtkreis Stuttgart in die Gebietskulisse nach § 1 der genannten\nRechtsverordnung einbezogen wird, \n--- \n| 11 \n--- \n| 3\\. hilfsweise im Verhaltnis zu den Antragen zu Ziff. 1 und 2, fur den\nFall, dass das Verwaltungsgericht eine Normerganzung analog § 47 Abs. 5 VwGO\nbefurworten sollte, den Rechtsstreit an den Verwaltungsgerichtshof Baden-\nWurttemberg zu verweisen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Zur Begrundung tragen sie im wesentlichen vor, sie hatten einen Anspruch\nauf Hereinnahme der Stadt Stuttgart in die Gebietskulisse eines erweiterten\nKundigungsschutzes bei umgewandelten Mietwohnungen gemaß § 577 a Abs. 2 S. 2\nBGB. Fur die Klage sei der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht gegeben.\nUnerheblich sei, dass die Kundigungssperrfristverordnung regelmaßig im\nZusammenhang mit Mietstreitigkeiten Anwendung finde. Entscheidend sei, welchem\nRechtsgebiet die Verordnung zuzuordnen sei. Es handele sich um eine „Quasi-\nWohnraumbewirtschaftung". Die Bestimmung der Gebietskulisse gehore dem\noffentlichen Recht an, sie bestimme einseitig und hoheitlich, ob eine Kommune\nin die Gebietskulisse aufgenommen und in ihrem Gebiet eine abgemilderte Form\nder Wohnraumbewirtschaftung durchgefuhrt werde. Fur einen Anspruch auf\nNormerlass bzw. Normerganzung sei unter den Voraussetzungen des § 40 VwGO der\nRechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eroffnet. Soweit der Burger solche\nRechte auf Erlass von Rechtsnormen durch die Exekutive habe, stehe ihm nach\nArt. 19 Abs. 4 GG zur Durchsetzung seiner Rechte der Rechtsweg offen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Klage sei als allgemeine Leistungsklage zulassig. Gegen die\nFeststellungsklage sei einzuwenden, dass sie gegenuber der Leistungsklage\nsubsidiar sei. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Klager seien auch klagebefugt. Es konne ihnen nicht entgegengehalten\nwerden, dass ihnen noch nicht (wirksam) gekundigt worden sei. Konnte ein\nMieter den Mangel der Normsetzung erst geltend machen, nachdem ihm gekundigt\nworden sei, ware ihm mit einer (erganzenden) Normsetzung wegen der aus\nRechtsgrunden nicht moglichen Ruckwirkung nicht mehr gedient. Die Klage sei\nbegrundet. Die seit 01.01.2002 in Kraft gesetzte Verordnung vom 11.12.2001\nverstoße gegen hoherrangiges Recht. Artikel 80 Abs. 1 GG sei verletzt. Die\nLandesregierung habe einen Korridor im Bereich eines Wohnungsversorgungsgrades\nvon 90 bis 93 % geschaffen, innerhalb dessen dem Votum der Gemeinde\nausschlaggebende Bedeutung beigemessen werde. Die Landesregierung habe damit\ninnerhalb des Korridors die Entscheidung faktisch auf die jeweilige Kommune\nubertragen und dadurch einen Teil der ihr eingeraumten Rechtsetzungsmacht\ndelegiert. Die Bedenken wegen der unzulassigen Delegation wurden noch\nverstarkt, weil die Entscheidung des Gemeinderates der Stadt Stuttgart\npolitisch motiviert gewesen sei. Es handele sich nicht um eine sachliche\nEinschatzung aufgrund einer belastbaren Datenbasis. Die Verwaltung sei auch\nnachweislich anderer Auffassung als der Gemeinderat gewesen. Der Gemeinderat\nhabe sich in seiner Sitzung vom 23.03.2000 und in der vom 15.11.2001 nicht mit\ndem in Rede stehenden erweiterten Kundigungsschutz bei umgewandelten\nMietwohnungen befasst, sondern ausdrucklich mit dem Zweckentfremdungsverbot.\nDaruber hinaus verletze die Kundigungssperrfristverordnung den allgemeinen\nGleichheitssatz, soweit die Landeshauptstadt Stuttgart ihrer Entscheidung\nDaten des stadtischen Amtes fur Wohnungswesen zugrunde gelegt habe, die\noffensichtlich auf andere Weise erhoben worden seien als die Daten des\nStatistischen Landesamtes, auf denen Entscheidungen hinsichtlich der ubrigen\nStadtkreise basierten. Dieser Systembruch fuhre zu einer sachlich nicht zu\nrechtfertigenden Ungleichbehandlung der Normadressaten. Bedenken ergaben sich\ndaruber hinaus aus dem Vergleich der Wohnraumsituation in den Stadten\nStuttgart, Karlsruhe und Mannheim, und zwar auch dann, wenn fur Stuttgart die\nDaten zugrunde gelegt wurden, die das Statistische Landesamt erhoben habe.\nNach dem Stand 1998 habe der Wohnungsversorgungsgrad im Stadtkreis Stuttgart\n89,5 %, im Stadtkreis Karlsruhe 91,2 % und in Mannheim 94,5 % betragen. Im\nVergleich zum Stadtkreis Mannheim hatte der Stadtkreis Stuttgart erst Recht\naufgenommen werden mussen. Die Wohnraumversorgung in Mannheim sei wesentlich\nbesser als in Stuttgart. Als Rechtfertigung konnte allein die von der\nLandesregierung infolge eines Methodenwechsels nunmehr vorgesehene Beteiligung\nder betroffenen Stadtkreise dienen. Dies sei jedoch nicht zulassig. Den\nKlagern stehe auch ein subjektives Recht auf Erlass der Norm zu. Dieses\nsubjektive Recht ergebe sich aus den Grundrechten und dem einfachen Recht. §\n577 a Abs. 2 S. 1 BGB habe das Ziel im Vordergrund, die Mieter gegenuber den\nErwerbern von umgewandelten Wohnungseigentum in den fraglichen Gebieten\nstarker zu schutzen. Der erweiterte Kundigungsschutz stelle sich somit nicht\nlediglich als Rechtsreflex, sondern als Ziel der Regelung dar, weshalb an der\nangestrebten individuellen Begunstigung kein Zweifel bestehe. Weiter sei zu\nberucksichtigen, dass eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes zu\neinem Anspruch des benachteiligten Burgers auf Normerganzung fuhre. Wurden\nbeide Argumente fur einen Normerlass- bzw. Normerganzungsanspruch sowohl\neinfach gesetzlich aus der Ermachtigungsgrundlage als auch\nverfassungsrechtlich aus dem Gleichheitssatz zusammengenommen, so folge\ndaraus, dass der betroffene Mieter nicht lediglich einen Anspruch darauf habe,\ndass die Landesregierung die zweite Verordnung vom 11.12.2001 in einer der\nErmachtigungsgrundlage Rechnung tragenden Weise erganze, sondern konkret\ndarauf, dass der Stadtkreis Stuttgart aus Grunden der Gleichbehandlung in die\nGebietskulisse aufgenommen werde. \n--- \n| 15 \n--- \n| Das beklagte Land beantragt, \n--- \n| 16 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Verwaltungsrechtsweg sei nicht eroffnet. Es mache dabei keinen\nUnterschied, dass die Klager vorliegend nicht die Überprufung einer erfolgten\nAufnahme einer bestimmten Stadt in die Verordnung, sondern die Aufnahme einer\nbestimmten Stadt in den Geltungsbereich der Verordnung begehrten. In beiden\nFallen gehe es letztlich um die Rechtmaßigkeit einer zivilrechtlichen Norm.\nDie Zulassigkeit des Verwaltungsrechtswegs sei auch nicht allein dadurch\ngegeben, dass mit der Schaffung oder Erganzung einer Norm ein hoheitlicher Akt\nder offentlichen Hand eingeklagt werde. Der Verwaltungsrechtsweg sei auch hier\nnur unter den Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eroffnet, also\ninsbesondere, wenn eine offentlich-rechtliche Streitigkeit vorliege. Dies sei\naber gerade nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttemberg vom\n25.06.2003 - 4 S 1999/02 - nicht der Fall. Abgesehen davon zwinge auch Art. 19\nAbs. 4 GG nicht dazu den Verwaltungsrechtsweg zu eroffnen. Sofern der\nVerwaltungsrechtsweg eroffnet sei, ware ein Verfahren nach § 47 VwGO\nstatthaft. \n--- \n| 18 \n--- \n| Es fehle auch an der Klagebefugnis. Es bestehe kein subjektiv-offentliches\nRecht auf Normerlass oder Normerganzung. § 577 a BGB diene nicht der\nBefriedigung von Individualinteressen. Die Einfuhrung der zehnjahrigen\nKundigungssperrfrist solle insgesamt dem Schutz schwacher Mieter vor\nKundigungen dienen. Dieses Ziel sei im offentlichen allgemeinen Interesse\nverfolgt worden. Die Begunstigung der Klager sei daher nur ein Rechtsreflex.\nEin Rechtsanspruch aus Art. 3 GG sei ebenfalls nicht gegeben. Die\nNichtberucksichtigung der Stadt Stuttgart sei nicht willkurlich. Die\nLandesregierung habe nach einem klaren System entschieden, welche Stadte in\ndie Gebietskulisse der Verordnung aufgenommen werden sollten. Das System sei\nnachvollziehbar und begrunde ausreichend die unterschiedliche Behandlung von\nStuttgart und Mannheim. \n--- \n| 19 \n--- \n| Selbst wenn die Klage zulassig ware, ware sie nicht begrundet. Der\nVerordnungsgeber habe bei der Bestimmung der Gebiete einen erheblichen\nBeurteilungsspielraum, der nur sehr beschrankt gerichtlicher Kontrolle\nzuganglich sei. Dementsprechend sei von der Verordnungsermachtigung auch\nunterschiedlich Gebrauch gemacht worden. Letztlich beschranke sich bei solchen\nVerordnungen die gerichtliche Kontrolle auf eine Missbrauchskontrolle. In der\nKundigungssperrfristverordnung seien nur Stadte berucksichtigt worden, die\nbestimmte quantitative und qualitative Kriterien erfullten. Unter anderem sei\nVoraussetzung, dass der rechnerische Versorgungsgrad aller Haushalte mit\nWohnungen - unter Berucksichtigung einer wohnwirtschaftlich gebotenen\nFluktuationsreserve von 3 % - weniger als 93 % ausweise. Fur die Stadte\nKarlsruhe, Stuttgart und Mannheim ergaben sich rechnerische\nWohnungsversorgungsgrade in einem Bereich von 90 bis 93 %. Die Stadt Mannheim\nhabe diesen Bereich erreicht, da bei ihr abweichend von den ubrigen Stadten\nein anderes Berechnungsverfahren bei der Fortschreibung der Haushaltszahlen\nangewendet worden sei. Wahrend bei Stuttgart und den anderen Stadten die\nHaushaltszahlen aus der Volkszahlung 1987 mit einem durchschnittlichen\nVeranderungssatz fur Entwicklung der Haushaltsgroßen in den Gemeinden von\n50.000 bis uber 500.000 Einwohnern aus den Ergebnissen des Mikrozensus Mai\n2000 zugrunde gelegt worden seien, sei bei der Stadt Mannheim die im\nMikrozensus Mai 2000 ermittelte durchschnittliche Haushaltsgroße fur die\nspezifische Großenklasse der Stadt direkt in der Berechnung verwendet worden,\nda bei der Stadt Mannheim diese Zahlen - anders als bei den ubrigen Stadten -\nzu einem erheblich anderen Ergebnis gefuhrt hatten, das aber nach den Angaben\nder Stadt Mannheim der tatsachlichen Wohnungssituation in der Stadt am\nnachsten gekommen sei. Die besondere Handhabung allein bei der Stadt Mannheim\nhabe jedoch keine Auswirkungen auf die Behandlung der Stadt Stuttgart. Hatte\nman auch bei der Stadt Stuttgart den fur ihre Gemeindegroßenklasse ermittelten\nWert aus dem Mikrozensus Mai 2000 direkt zugrunde gelegt, ware der\nWohnungsversorgungsgrad sogar noch etwas angestiegen. Es habe auch keine\nunzulassige Delegation der Entscheidung auf die Gemeinden vorgelegen. Wegen\nder rechnerischen Ungenauigkeiten bei der Bestimmung des\nWohnungsversorgungsgrades habe es vertretbar und geboten erschienen, den\nVerbleib oder Nichtverbleib in der Verordnung nicht allein maßgeblich von der\nUnter- oder Überschreitung eines fixen Grenzwertes von 93 % abhangig zu\nmachen, sondern in einem bestimmten Grenzbereich zusatzliche Kriterien zu\nberucksichtigen. Insoweit habe die Einschatzung der ortlichen\nWohnungssituation durch die Kommune selbst neben der ermittelten quantitativen\nWohnungsversorgung zusatzlich eine starkere Berucksichtigung finden konnen.\nDer kommunale Entschluss sei der Landesregierung nicht nur formell, sondern\nauch inhaltlich zuzurechnen. Es habe auch keinen Systembruch durch\nverschiedene Datengrundlagen gegeben. Die Datengrundlage des\nWirtschaftsministeriums sei weiterhin Teil der Entscheidung seiner\nAbwagungsbasis gewesen. Bereits die Meldung der Stadt Stuttgart an das\nWirtschaftsministerium vom 24.09.2001 mache deutlich, dass auch die Stadt\nStuttgart inzwischen hinsichtlich der Einwohnerzahl bereits von den hoheren\nZahlen des Statistischen Landesamtes ausgegangen sei. Ausweislich der\nTischvorlage der Stadtverwaltung vom 25.10.2001 fur den zustandigen\nGemeinderatsausschuss sei die Stadt von einem hohen Wohnungsversorgungsgrad\nvon 98 % ausgegangen. Der Beschluss habe die seinerzeitige Sicht der Stadt\nwidergespiegelt. Wenn der Gemeinderat formell nur die Wiedereinfuhrung des\nZweckentfremdungsrechts abgelehnt und damit das Vorliegen der besonderen\nGefahrdung der Wohnungsversorgung in der Stadt verneint habe, habe diese\nEntscheidung aufgrund der Verbindung der Sachverhalte direkte Auswirkungen auf\ndie Frage der Wiedereinfuhrung der erweiterten Kundigungssperrfrist in\nStuttgart. Dies sei auch dem Gemeinderat bekannt gewesen. So habe der\nOberburgermeister anlasslich des ersten Gemeinderatsbeschlusses vom 22.03.2000\nzur Vorgangerverordnung, in der der Gemeinderat sich fur eine Streichung der\nStadt aus der Zweckentfremdungsverbotsverordnung ausgesprochen habe,\nmitgeteilt, dass der Gemeinderat auf den Zusammenhang mit der Verordnung uber\neinen erweiterten Kundigungsschutz hingewiesen worden sei. \n--- \n| 20 \n--- \n| Dem Gericht liegen die einschlagigen Akten des Wirtschaftsministeriums vor. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 21 \n--- \n| Die Klage ist im Hauptantrag Nr. 1 a-c als allgemeine Leistungsklage bzw.\nals Bescheidungsklage unzulassig. Der Hilfsantrag Nr. 2 a ist ebenfalls\nunzulassig. Auf den Hilfsantrag Nr. 2 b ist die Klage als Feststellungsklage\nnach § 43 Abs.1 VwGO zulassig, aber nicht begrundet. Der Hilfsantrags Nr. 3\nist gleichfalls unbegrundet. Fur das Klagebegehren der Klager ist der\nRechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO zum Verwaltungsgericht eroffnet. Es\nhandelt sich um eine offentlich-rechtliche Streitigkeit\nnichtverfassungsrechtlicher Art, die nicht einem anderen Gericht ausdrucklich\nzugewiesen ist. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Beteiligten streiten darum, ob die Klager einen Anspruch auf Erlass\nbzw. Erganzung der Kundigungssperrfristverordnung haben, mit der die Stadt\nStuttgart in die sog. Gebietskulisse dieser Verordnung einbezogen wird. Der\nErlass bzw. die Erganzung der Verordnung ist ein Akt der Rechtsetzung. Als\nsolcher unterfallt er als „staatlicher Hoheitsakt" dem offentlichen Recht.\nEine verfassungsrechtliche Streitigkeit liegt nicht vor. Es geht im Kern nicht\num die Anwendung und Auslegung verfassungsrechtlicher Normen, vielmehr um die\nAnwendung des § 577a Abs. 2 BGB und der auf dieser Grundlage ergangenen\nKundigungssperrfristverordnung der Landesregierung vom 11.12.2001. Eine\nverfassungsrechtliche Norm liegt nicht schon deshalb vor, weil\nverfassungsrechtliche Vorschriften eine Rolle spielen. Der Rechtsstreit ist\nauch nicht einem anderen Gericht zugewiesen. Insbesondere handelt es sich\nnicht um einen Antrag auf Normenkontrolle nach § 47 VwGO. Auch die\nAusfuhrungen des VGH Baden-Wurttemberg in seinem Normenkontrollurteil vom\n25.06.2003 - 4 S 1999/02 - (ESVGH 53, 255) stehen der Zulassigkeit des\nVerwaltungsrechtswegs nicht entgegen, worin der Gerichtshof erkannt hat, dass\nder Normenkontrollantrag gegen die o.a. Kundigungssperrfristverordnung nicht\nstatthaft sei. Nach § 47 Abs. 1 VwGO entscheidet der Verwaltungsgerichtshof\n„im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit" uber die Gultigkeit der dort genannten\nRechtsvorschriften. Dieses Erfordernis ist nur dann erfullt, wenn\nRechtsstreitigkeiten, die aus dem Vollzug der zur Überprufung gestellten\nVorschrift entstehen konnen, in die Zustandigkeit der allgemeinen\nVerwaltungsgerichte fallen wurden (standige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwG,\nBeschl. v. 27.07.1995, NVwZ 1996, 63, 65). Rechtsstreitigkeiten, die sich aus\nder Anwendung der Kundigungssperrfristverordnung ergeben konnten, fallen\ndanach ausschließlich in die Zustandigkeit der ordentlichen Gerichte, denn die\nfragliche Kundigungssperrfristverordnung hat ausschließlich mietrechtlichen\nCharakter. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten konnen sich aus der Anwendung\nder Kundigungssperrfristverordnung nicht ergeben. Die Annahme der\nUnzulassigkeit einer abstrakten Normenkontrolle widerspricht auch nicht dem\nAnliegen des Art. 19 Abs. 4 GG, luckenlosen und umfassenden Rechtsschutz zu\ngewahren. Denn die dortigen Vermieter haben die Moglichkeit, die Gultigkeit\nder angefochtenen Verordnung in einem Kundigungsschutzprozess vor den\nordentlichen Gerichten im Wege der Inzidentkontrolle uberprufen zu lassen.\nDiese Erwagungen des Verwaltungsgerichtshofs in seinem Normenkontrollurteil\nvom 25.06.2003 (aaO) fuhren indessen fur den hier vorliegenden Fall nicht\nweiter, wenn namlich der Erlass bzw. die Erganzung der Norm begehrt wird. So\nstellt sich in diesem Zusammenhang bei der Prufung des § 40 VwGO schon nicht\ndie im Normenkontrollverfahren maßgebliche Frage, ob die Rechtsstreitigkeiten,\ndie aus dem Vollzug der erst noch zu erlassenden Vorschrift entstehen konnen,\nin die Zustandigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte fallen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Dennoch bleibt fraglich, ob im Verwaltungsrechtsweg der Erlass einer Norm\nerzwungen werden kann. Dagegen spricht immerhin das Argument, die Gerichte\nseien nach dem Gewaltenteilungsgrundsatz nicht zur Rechtsetzung befugt und\nkonnten deshalb auch nicht den Verordnungsgeber zum Tatigwerden verpflichten,\nauch wenn dieser hier als Teil der Exekutive tatig werde. Dem liegt auch die\nVorstellung zugrunde, dass der Erlass von Rechtsnormen dem Wohl der\nAllgemeinheit dient und nicht dem (einklagbaren) Recht des Einzelnen (vgl.\nBVerwGE, 7, 188; BVerwG Urt. v. 26.1.1962, BVerwGE 13, 328; OVG Koblenz, NJW\n1988, 1684; weitere beachtliche Gegenstimmen in der Literatur: Schenke,\nVerwaltungsprozessrecht, 6. Aufl. (1998), RdNr. 347, 1083; Jorg Schmidt in:\nEyermann, VwGO 10. Aufl., § 47 RdNr. 19; Kalkbrenner, DÖV 1963, 41 (51)). Das\nBundesverwaltungsgericht hat indessen seine fruhere Rechtsprechung aufgegeben\nund es nicht „von vornherein ausgeschlossen", dass fur ein solches\nKlagebegehren unter den Voraussetzungen des § 40 Abs.1 S.1 VwGO der Rechtsweg\nzu den Verwaltungsgerichten gegeben ist (BVerwG, Urteil vom 3.11.1988, BVerwGE\n80, 355; Urteil vom 7.09.1989, NVwZ 1990, 162; zum aktuellen Streitstand vgl.\nSodan, Der Anspruch auf Rechtsetzung und seine prozessuale Durchsetzbarkeit,\nNVwZ 2000, 601). Dem schließt sich das erkennende Gericht an. Soweit ein\nBurger Rechte auf oder beim Erlass von untergesetzlichen Rechtsnormen durch\ndie Exekutive hat, steht ihm nach Art. 19 Abs. 4 GG zur Durchsetzung seiner\nRechte der Rechtsweg offen. Von dieser Rechtsschutzgarantie ist nach den\nVorgaben des Grundgesetzes das hier nicht einschlagige formliche\nGesetzgebungsverfahren ausgenommen. Wohl hat das Bundesverwaltungsgericht in\nseinem Urteil vom 03.11.1988 (aaO) darauf hingewiesen, dass\nIndividualanspruche auf oder beim Erlass von Rechtsnormen wegen der Eigenart\nder rechtsetzenden Tatigkeit des Staates im Allgemeinen nicht bestehen, aber\nnicht undenkbar sind. Diese Einschrankung spricht dafur, dass bei einer\nausreichenden Inzidentkontrolle bei untergesetzlichen Rechtsnormen - hier im\nRahmen eines Kundigungsschutzprozesses - Normerlassklagen vor dem Hintergrund\ndes Art. 19 Abs. 4 GG nicht zulassig sein durften. So kann sich ein Vermieter,\nder sich gegen die Einbeziehung einer Stadt in die Gebietskulisse wendet, in\neinem Kundigungsschutzprozess darauf berufen, dass die Voraussetzungen fur den\nerweiterten Kundigungsschutz nicht (mehr) vorliegen. Denn der erweiterte\nKundigungsschutz tritt ohne Aufhebungsakt des Verordnungsgebers dann außer\nKraft, wenn ein Ende der Mangellage auf dem Wohnungsmarkt insgesamt deutlich\nin Erscheinung getreten und der erweiterte Kundigungsschutz daher\noffensichtlich entbehrlich geworden ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.03.2003,\nNVwZ 2003, 1125, fur den Fall der insoweit vergleichbaren\nZweckentfremdungsverbotsverordnung). Das Zivilgericht kann die hier fragliche\nVerordnung im Rahmen eines Mietrechtsstreits hinsichtlich der Einbeziehung\neiner bestimmten Gemeinde unbeachtet lassen oder verwerfen, sollte es zu\nseiner Überzeugung feststellen, dass die Voraussetzungen fur die\nKundigungssperrfristverordnung nicht (mehr) vorliegen. Im umgekehrten Fall,\ndass ein Mieter sich auf den erweiterten Kundigungsschutz beruft, ohne dass\ndie fragliche Stadt in der Gebietskulisse aufgefuhrt ist, vermag das\nZivilgericht im Rahmen der Inzidentkontrolle die\nKundigungssperrfristverordnung nicht zu erganzen oder zu ersetzen. Selbst wenn\ndas Zivilgericht bei der Tatsachenfeststellung zur Überzeugung kame, dass eine\nbesondere Gefahrdung der Mietwohnungsversorgung und damit eine Mangellage\nvorliege, konnte es nicht selbst Recht setzend tatig werden. Art. 14 Abs. 1 GG\ni.V.m. § 577a Abs. 2 BGB setzen hinsichtlich des Inhalts und Schranken des\nEigentums eine entsprechende formale Rechtsverordnung voraus. Diese kann das\nZivilgericht nicht ersetzen. Von dieser Sichtweise her bleibt es mit der\nbislang bestehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dabei, dass\nvorliegend der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Richtige Klageart ist die Feststellungsklage gemaß § 43 Abs. 1 VwGO. Die in\nNr. 1 a-c enthaltenen Klageantrage sind unstatthaft und damit unzulassig. Zwar\nhat das Bundesverwaltungsgericht die von den Klagern mit ihrem Hauptantrag\nerhobene allgemeine Leistungsklage (fur die Bescheidungsklage gilt nichts\nanderes) nicht schlechthin ausgeschlossen, in seiner Entscheidung vom\n03.11.1988 (a.a.O.) aber eine deutliche Zuruckhaltung in Abgrenzung zur\nFeststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO erkennen lassen. Dem ist\nbeizupflichten. Das Feststellungsbegehren entspricht hier dem im\nGewaltenteilungsgrundsatz begrundeten Gedanken, dass auf die\nEntscheidungsfreiheit der rechtsetzenden Organe gerichtlich nur in dem fur den\nRechtsschutz des Burgers unumganglichen Umfang einzuwirken ist, wie dies\nbereits bei der Zulassigkeit der Normerlassklage uberhaupt zu berucksichtigen\nist. Gegen die allgemeine Leistungsklage und fur die Feststellungsklage nach §\n43 Abs. 1 VwGO spricht außerdem, dass das Verfahren zur Kontrolle einer\nbereits erlassenen Norm gemaß § 47 VwGO als ein „besonders geartetes\nFeststellungsverfahren" ausgestaltet ist (vgl. Sodan, NVwZ 2000, 609 m.w.N.).\nGemessen an dem erwahnten Rechtsgedanken, bei einer Normerlassklage nur in\nunumganglichem Umfang auf die Recht setzende Exekutive einzuwirken, ist allein\nder Klagantrag Nr. 2 b zulassig. Dem stunde die Befugnis der Landesregierung\nnicht entgegen, im Erfolgsfall der Klage anstelle einer Änderung der\nVerordnung auch deren vollstandigen Neuerlass zu erwagen. Die allgemeine\nLeistungsklage ist demnach zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Erlass einer\nuntergesetzlichen Norm nicht statthaft (vgl. zu den Gegenstimmen die Nachweise\nbei Sodan a.a.O., Fußnote 122). Die Subsidiaritatsklausel des § 43 Abs. 2 S. 1\nVwGO seht der Feststellungsklage danach auch nicht entgegen. \n--- \n| 25 \n--- \n| Es liegt in Ansehung der Normerlassklage auch ein feststellungsfahiges\nRechtsverhaltnis i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO vor. Allerdings haben sich vorliegend\ndie Klager mit dem Beklagten nicht vor Erhebung der Klage uber einen Anspruch\nauf Normerlass bzw. Erganzung auseinandergesetzt. Die Beteiligten streiten\nsich aber nunmehr in diesem Klageverfahren darum, ob die Klager einen Anspruch\nauf Erganzung der Kundigungssperrfristverordnung haben bzw. umgekehrt der\nBeklagte zu deren Änderung verpflichtet ist. Ein konkretes Rechtsverhaltnis\ni.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO setzt rechtliche Beziehungen voraus, die sich aus\neinem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden\nNorm fur das Verhaltnis von einer Person zu einer anderen oder zu einer Sache\nergeben, kraft dessen eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss,\nkann oder darf oder nicht tun braucht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.01.1996,\nBVerwGE 100, 262). Hier liegt das Rechtsverhaltnis bereits in den\nRechtsbeziehungen zwischen den Klagern als Mieter und dem Beklagten als\nNormgeber mieterschutzrechtlicher Bestimmungen, aus denen die Klager den vom\nBeklagten abgelehnten Normerlassanspruch begrunden. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Klager haben auch ein berechtigtes Interesse an einer baldigen\nFeststellung. Es reicht aus, dass die Klager geltend machen konnen, dass von\ndem Feststellungsbegehren eigene Rechte der Klager abhangen (vgl. BVerwG,\nUrteil vom 26.01.1996, aaO). Nach den Angaben der Klager soll das\nMietverhaltnis fruhestens zum 30.11.2004 gekundigt werden konnen. Das\nMietrechtsverhaltnis besteht momentan noch. Es ist deshalb jedenfalls\nrechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine geanderte\nKundigungssperrfristverordnung - im Wege der so genannten unechten Ruckwirkung\nim Sinne herkommlicher Terminologie - auch diesen Fall noch erfassen und die\nallerdings bald ablaufende Sperrfrist verlangern konnte (vgl. zur Zulassigkeit\nder Ruckwirkung von Sozialklauseln BGH, Beschluss vom 15.11.2000, NJW 2001,\n1421). \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Klage ist aber nicht begrundet. Die Klager haben keinen Anspruch auf\ndie begehrte Feststellung. Sie konnen nicht verlangen, dass der Beklagte die\nKundigungssperrfristverordnung in ihrem Sinne erganzt und die Stadt Stuttgart\nin die Gebietskulisse einbezieht. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Klager berufen sich zum einen auf den einfachgesetzlichen Anspruch aus\n§ 577 a Abs. 2 BGB. Danach konnen die Landesregierungen durch Rechtsverordnung\neine Kundigungssperre bis zur Dauer von 10 Jahren anordnen, wenn die\nausreichende Versorgung der Bevolkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen\nBedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders\ngefahrdet ist. Zugunsten der Klager geht die Kammer davon aus, dass diese\nRegelung den Klagern als Mieter einer umgewandelten Wohnung auch ein subjektiv\noffentliches Recht auf Tatigwerden verleiht und die Ermachtigung der\nLandesregierung auf Erlass der Verordnung nicht ausschließlich im offentlichen\nInteresse besteht und ihnen damit die Einbeziehung der Stadt Stuttgart in die\nfragliche Verordnung nicht lediglich als so genannter Rechtsreflex zugute\nkame. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Indessen steht den Klagern ein Normsetzungsanspruch aus § 577a Abs. 2 BGB\nnicht zu. Dieser Anspruch scheitert bereits daran, dass § 577a Abs. 2 BGB den\nLandesregierungen den Erlass von Kundigungsbeschrankungen bei\nWohnungsumwandlungen erlaubt, sie jedoch nicht dazu verpflichtet (BVerwG,\nUrteil vom 11.03.1983, - 8 C 102/81 - NJW 1983, 2893 zum vergleichbaren\nZweckentfremdungsverbot). Der gegenteiligen Auffassung der Klager ist nicht zu\nfolgen. Abgesehen davon steht der Landesregierung in diesem\nNormsetzungsbereich ein weiter Einschatzungs-, Gestaltungs- und\nBeurteilungsspielraum zu, der auch Raum lasst, etwa konkurrierende offentliche\nund private Interessen zu berucksichtigen. Diese Beschrankung der\ngerichtlichen Kontrolle im Normsetzungsbereich des Wohnungsrechts ist deshalb\nbesonders gerechtfertigt, weil es hier um die Beurteilung langerfristiger\nEntwicklungen komplexer Art geht, bei denen die Bewertung der erwahnten\nkonkurrierenden offentlichen und privaten Interessen und die Berucksichtigung\nverschiedener quantitativer und qualitativer Gesichtspunkte und Einzeltrends\nauf dem schwer zu beurteilenden Wohnungsmarkt unterschiedlich ausfallen kann\n(vgl. fur deutliche Zuruckhaltung gerichtlicher Kontrolle BVerwG, Urt. v.\n12.12.1979, NJW 1980, 1970; BVerfG, Beschl. v. 12.10.1976, BVerfGE 42, 374,\n395). Die Prufung ist deshalb aufgrund des Beurteilungsspielraums demgemaß\nnicht der vergleichbar, wie sie gemaß § 114 VwGO bei der Nachprufung des\nErmessens bei Verwaltungsakten der Fall ist. Der Vorgang der\nEntscheidungsfindung einschließlich der subjektiven Vorstellungen und Motive\nder daran Beteiligten - also die Betatigung des „Normsetzungsermessens" \\- ist\neiner gerichtlichen Prufung nur eingeschrankt zuganglich (vgl. VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 14.12.1995 - 4 S 93/93 - ; BVerwG, Urteil v. 11.03.1983,\naaO). Vor diesem Hintergrund einer solch eingeschrankten Prufung, die\nletztlich - wie der Beklagte zu Recht ausfuhrt - auf eine Willkur- bzw.\nMissbrauchskontrolle hinauslauft, kann die Entscheidung der Landesregierung in\ndiesem Klageverfahren rechtlich nicht beanstandet werden. Vielmehr halt sich\ndiese im Rahmen des ihr von § 577a Abs. 2 BGB und der Verfassung zustehenden\nSpielraums. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Kundigungsbeschrankungen nach § 577a Abs.2 BGB sollen - wie auch die\nvergleichbaren Bestimmungen zum Zweckentfremdungsverbot - die Sicherung der\n„Versorgung ... mit ... Wohnraum" ermoglichen. Die beim Wort genommenen an\nsich uberflussigen Zusatze „ausreichend" und „angemessen" bekraftigen, dass es\nim Schutzbestreben um die Wohnraumversorgung der Bevolkerung im allgemeinen\nund damit insbesondere der breiteren Bevolkerungsschichten geht (so schon\nBVerwG, Urteil vom 11.03.1983, aaO). Bekampft werden soll eine in dieser\nRichtung gegebene „Mangelsituation", ein in dieser Richtung gegebener Zustand\n„unzureichender Wohnraumversorgung" (BVerfGE 55, 249 ( 258 f.)). Dabei reicht\nallerdings aus, dass die Versorgung „gefahrdet" ist; es genugen mithin latente\nVersorgungsschwierigkeiten, vorausgesetzt allerdings, es handelt sich um\nSchwierigkeiten als Folge der Mangelsituation. Dass fur jedermann ohne\nweiteres eine angemessene Wohnung zu angemessenem Mietzins zu finden ist,\nstellt den „wunschbaren Idealzustand" dar, uberschreitet jedoch den Rahmen\ndessen, was durch diese Mieterschutzbestimmungen gewahrleistet werden soll\n(vgl. BVerfGE 38, 348, 360 = NJW 1975, 727). \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Gefahrdung der zureichenden Wohnraumversorgung muss nach der genannten\nRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts\neine „besondere" sein. Das Tatbestandsmerkmal „besonders" verlangt eine\nqualitative Eigenart. Der Zusatz „besonders" hat - anders ausgedruckt - nicht\ndie Bedeutung, die Zulassigkeit eines erhohten Mieterschutzes bei\nWohnungsumwandlungen von einer quantitativen Steigerung der Unterversorgung\nderart abhangig zu machen, dass eine allgemeine Gefahrdung bei jedem\nrechnerisch nicht voll ausgeglichenen Wohnungsmarkt, eine besondere Gefahrdung\ndagegen erst bei einem Defizit von beispielsweise mehr als 10% anzunehmen\nware. Gegen ein solches Verstandnis des Tatbestandmerkmals „besonders" spricht\nbereits der Wortlaut des § 577a Abs.2 BGB. Nicht die Unterversorgung muss\n„besonders" sein, sondern von der Gefahrdung (der Versorgung) wird gefordert,\ndass sie „besonders" \\- und damit von qualitativ besonderer Beschaffenheit -\nsein muss. Der Akzent liegt dementsprechend (insoweit) darauf, ob sich der\nWohnungsmarkt einer Gemeinde durch sachliche Eigenarten auszeichnet, die\ngeeignet sind, diesen fur breitere Bevolkerungsschichten negativ zu\nbeeinflussen und ihm so eine spezifische Labilitat zu vermitteln. Das pflegt\nvor allem in Ballungsraumen, in Industriestadten, in Stadten mit\nherausgehobener zentraler Lage oder Funktion (Oberzentren) sowie (bei\nentsprechenden Großenverhaltnissen) in Universitatsstadten der Fall zu sein.\nHiervon ging die Landesregierung auch aus, was in dem von den Klagern\nzitierten Redebeitrag des Staatssekretars Dr. Mehrlander wie auch in den Akten\nzum Ausdruck kommt. \n--- \n| 32 \n--- \n| Diese Auslegung des § 577a BGB rechtfertigt sich nach dem Sinn des Gesetzes\nvor allem deshalb, weil eine rein quantitative Betrachtungsweise zu\nsachwidrigen Ergebnissen fuhrte. Durften danach Wohnungsumwandlungen oder\nZweckentfremdungsverbote nur fur solche Gemeinden erlassen werden, in denen\ndas (Wohnraum-)Versorgungsdefizit eine gesteigerte Quantitat erreicht, musste\ndie maßgebende Steigerung einigermaßen exakt beziffert und die Einhaltung der\nsich so ergebenden Schranke vom Verordnungsgeber im einzelnen gepruft werden.\nSteht im Mittelpunkt der Überlegungen die Bezifferung des entscheidenden\n(Grenz-)Defizits , muss zwangslaufig entscheidend auf erfahrungsgemaß nur sehr\nbedingt zuverlassige Statistiken zuruckgegriffen werden, wobei die\nZuverlassigkeit des zur Verfugung stehenden statistischen Materials zusatzlich\nnoch dadurch geschmalert - wenn nicht generell in Frage gestellt - wird, dass\nder Wohnraumbedarf, auf welchen die Kundigungsbeschrankung bei\nWohnungsumwandlungen hinzielt, weder auf seiner Angebots- noch auf seiner\nNachfrageseite statistisch uberhaupt ermittelbar ist und angesichts dessen\nallenfalls mit Hilfe von Unterstellungen aus umfassenderem statistischen\nMaterial herausgerechnet werden konnte. Statistisches Material wird bei der\nstets erheblichen Fluktuation der Großstadtbevolkerung in einer offenen\nGesellschaft und verbreiteten neuen Formen des Zusammenlebens, wie\nnichteheliche Lebensgemeinschaften und Wohngemeinschaften - die sich auf die\nZahl der Haushalte und damit auf den Wohnungsbedarf auswirken - nur bedingt\nzuverlassig und umstritten sein. Umso mehr kommt es angesichts der sehr\nfraglichen Zuverlassigkeit jeden Rechenwerkes auf diesem Gebiet gerade auf die\nunterschiedliche Gewichtigkeit einzelner Rechnungsfaktoren an. Es kommt hinzu,\ndass zum einen seit Jahren mit dem Mikrozensus und Gemeindegroßen gearbeitet\nwird, deren Zuverlassigkeit aufgrund der genannten Grunde fraglich ist, zum\nanderen kommt hinzu, dass der Ruckgriff auf statistische Erhebungen die\nFestlegung eines Stichtags erfordert, und zwar eines Stichtags, der wegen der\nDauer derartiger Erhebungen zwangslaufig zeitlich bereits so weit zuruckliegt,\ndass die Daten schon wieder durch Zeitablauf in Frage gestellt sein konnen.\nDie rechnerische Unsicherheit hat auch die Landesregierung in ihre Erwagungen\neingestellt, wie wiederum den Ausfuhrungen von Staatssekretar Dr. Mehrlander\nentnommen werden kann. Des weiteren ist eine Kundigungsbeschrankung bei\nWohnungsumwandlungen durch Rechtsverordnung nur dann angemessen, wenn sich mit\ndem Erlass der Verordnung die Erwartung verbinden lasst, dass sich dieser\nMieterschutz fur einen gewissen Zeitraum rechtfertigt (in diesem Zusammenhang\nist allerdings anzumerken, dass sich die verhangte 10-jahrige Sperrfrist und\neine 5-jahrige Laufzeit der Kundigungssperrfristverordnung kaum vereinbaren\nlassen). Eine solche Erwartung ist jedoch bei einer rein quantitativen\nBetrachtungsweise prinzipiell fragwurdig. Der Wohnungsmarkt wird in vielen\nGegenden durch eine Labilitat gekennzeichnet, die ihn standig auf viele im\neinzelnen haufig nicht exakt ermittelbare Anstoße reagieren lasst. Wo dies\nzutrifft, ist von nur geringer Aussagekraft, wenn bei einer punktuellen\nBetrachtung des Marktes zufallig die eine oder andere Versorgungslage\nermittelt wird. Sachgerecht ist vielmehr eine insgesamt qualitative\nBetrachtung. Ausschlaggebend kann nicht allein sein, ob das Defizit an einem\nbestimmten Stichtag eine abstrakt festgelegte Grenze uberschreitet oder nicht.\nNach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11.03.1983,\naaO) ware schon durch die Tatsache, dass eine Mangelsituation aus "besonderen"\nGrunden labil ist und infolge dieser Labilitat selbst bei zeitweise\neintretender Entspannung jederzeit kurzfristig wieder in einen starker\nspurbaren Mangel umschlagen kann, eine Kundigungsbeschrankung nach § 577a\nAbs.2 BGB zu verhangen gerechtfertigt, solange nicht ein dauerhaft\nertraglicher Zustand erreicht ist (dort entschieden fur das\nZweckentfremdungsverbot). Die Erwagungen entheben die Landesregierung nicht\nder Pflicht, sich um moglichst zuverlassige statistische Unterlagen zu\nbemuhen. Aber gerade auch wegen der letztlich nicht behebbaren Unsicherheiten\nmuss es weitgehend der Entscheidung des Landesregierung uberlassen bleiben,\nwieweit sie sich auf einzelne Faktoren als maßgebende Indizien einer\nMangelsituation stutzen will. \n--- \n| 33 \n--- \n| In der Sache halt es das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 11.03.1983,\naaO; ebenso Schmidt-Futter, Mietrecht, § 577a RdNr. 18) sogar im Einklang mit\nder Lebenserfahrung, dass selbst dann noch eine Unterversorgung mit Wohnraum\nfur die breiteren Bevolkerungsschichten gegeben ist oder doch in beachtlicher\nWeise droht, wenn der Wohnungsmarkt in seinem vollen Umfang, d. h. bei\nBerucksichtigung des gesamten Angebots und der gesamten Nachfrage, einen\nAusgleich bereits erreicht hat oder sogar schon ein leichtes Übergewicht des\nAngebots erreicht zu haben scheint. Immerhin hat auch die Landesregierung in\nden Vorgangerverordnungen von der Ermachtigung des § 577a Abs.2 BGB weit\ngroßzugiger Gebrauch gemacht, ebenso wie andere Bundeslander, wie der Beklagte\ndargelegt hat. Ob diese Sichtweise uberzeugt, kann hier dahinstehen. Denn\njedenfalls besteht unstreitig in der Landeshauptstadt Stuttgart ein\nWohnungsdefizit - je nach angewandter Statistik - zwischen ca. 10% und 2%. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Hiervon ausgehend ware die Landesregierung rechtlich nicht gehindert\ngewesen, auch die Landeshauptstadt Stuttgart in die Gebietskulisse\naufzunehmen. Denn fur die Annahme der in § 577 a Abs. 2 BGB beschriebenen\nMangelsituation in der oben dargelegten Auspragung durch die Rechtsprechung\nreicht es jedenfalls aus, wenn infolge knappen Wohnungsangebots der\nMarktzugang verengt ist. Es war nach den obigen Ausfuhrungen allerdings\ngeradezu geboten, das Mietwohnungsdefizit auch qualitativ zu bewerten. So\nkonnen weitere Kriterien in die Beurteilung einfließen, etwa die Situation fur\nbesondere Gruppen von Wohnungssuchenden oder auch die Entwicklung des\nortlichen Mietpreisniveaus im Vergleich zu den allgemeinen\nLebenshaltungskosten und eben die Beurteilung der ortlichen Situation durch\ndie Gemeinde selbst. Dem dient die Entscheidung der Landesregierung, nunmehr\nbei einem statistischen Wohnungsversorgungsgrad von 90% - 93% einen Korridor\nzu bilden, in dem der Wille der Kommunen starker berucksichtigt wird. Diese\nEntscheidung halt sich innerhalb des oben naher beschriebenen Beurteilungs-\nund Gestaltungsspielraums im Normsetzungsverfahren. Eine definitive Mangellage\nbzw. eine „besondere Gefahrdung" der Versorgung mit Mietwohnungen bei einem\nVersorgungsgrad von uber 90,03% zu verneinen, ist schon mit Rucksicht auf die\noben erwahnte unzureichende Aussagekraft der einschlagigen Statistiken (zumal\ndie hauseigene Statistik der Landeshauptstadt Stuttgart von einem\nVersorgungsgrad von 98 % ausgeht) und der die Wohnraumversorgung bewertenden\nStellungnahme der Gemeinde weder willkurlich noch missbrauchlich. \n--- \n| 35 \n--- \n| In der Berucksichtigung des gemeindlichen Votums liegt keine unzulassige\nDelegation. Die Klager meinen zu Unrecht, die Landesregierung habe innerhalb\ndes ihr eroffneten Korridors bei einem Wohnungsversorgungsgrad von 90 bis 93 %\ndie Entscheidung faktisch auf die jeweilige Kommune ubertragen und dadurch\neinen Teil der ihr eingeraumten Rechtsetzungsmacht delegiert. Zur Vorbereitung\nder Entscheidung uber den Erlass der Verordnung durch die Landesregierung hat\ndas federfuhrende Wirtschaftsministerium die der fur die Einbeziehung in die\nGebietskulisse in Betracht kommenden Kommunen angehort. Es ist von dem\nwiederholt oben angesprochenen Einschatzungs-, Wertungs- und\nGestaltungsbereich des Verordnungsgebers umfasst, die zum Erlass der\nVerordnung ermachtigende Mangelsituation in gewissen Grenzen naher zu\ndefinieren. So hat die Landesregierung in fruheren Verordnungen bereits in\nStadten mit einer geringeren Unterversorgung von Wohnraum eine Mangelsituation\nbejaht. Es ist auch - wie ausgefuhrt - sachgerecht, die Einschatzung der\nWohnungssituation durch die betroffene Kommune selbst in einem Grenzbereich\nstarker zu berucksichtigen. Trotz Berucksichtigung des Votums bleibt es eine\nformal wie sachlich originare Entscheidung der Landesregierung. Es bleibt der\nLandesregierung auch die Verantwortung, die Entscheidung der jeweiligen\nKommune auf deren inhaltliche Plausibilitat zu prufen. Dies hat die\nLandesregierung aber ersichtlich getan, sie hat sich mit jedem einzelnen Fall\nbefasst und die Stellungnahmen der Stadte gewurdigt. Es kann nicht\nfestgestellt werden, dass die Landesregierung willkurlich oder missbrauchlich\nvorgegangen ist. Vielmehr ist das beklagte Land bei der Behandlung der Stadt\nStuttgart systemgerecht vorgegangen, d. h., es hat sich an die von ihr selbst\ngesetzten Kriterien gehalten. An ihre eigene Vorgabe, in dem Korridor von 90\nbis 93 % die Einschatzung der ortlichen Wohnungsmarktsituation durch die\nKommune trotz der ermittelten quantitativen Wohnungsmarktsituation starker zu\nberucksichtigen, hat sich die Landesregierung gehalten. Aus der Begrundung des\nVerordnungsentwurfs ergibt sich - ausgehend von den Berechnungen des\nStatistischen Landesamts Ende 1998 nach der Fortschreibungsmethode des\nWirtschaftsministeriums unter Berucksichtigung einer 3-prozentigen Fluktuation\nzum September 2001 - ein Versorgungsgrad fur Stuttgart von 90,03%. Die\nLandeshauptstadt Stuttgart hat sich gegenuber dem Wirtschaftsministerium\ndahingehend geaußert, dass sie die Weitergeltung des erweiterten\nKundigungsschutzes nicht befurwortet und sich hierzu auf einen Beschluss des\nGemeinderats bezogen. Die Klager rugen in diesem Zusammenhang, dass sich der\nGemeinderat der Stadt Stuttgart formal nicht mit der Weitergeltung des\nerweiterten Kundigungsschutzes befasst habe, sondern mit dem\nZweckentfremdungsverbot, und außerdem die Heranziehung der stadtischen\nStatistik. Hierzu ist zunachst zu bemerken, dass nach den Angaben der\nLandeshauptstadt Stuttgart der Oberburgermeister den Gemeinderat mundlich\ndaruber informiert habe, dass es auch um den erweiterten Kundigungsschutz bei\nWohnungsumwandlung gehe. Es ware transparenter gewesen, wenn formal der\nGemeinderat auch zu dieser Frage eigenstandig Stellung bezogen hatte. Die\nKammer sieht hierin jedoch keinen Verstoß gegen die vom Land selbst\naufgestellten Kriterien. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Anhorung der\nKommune zur Verordnung keine „laufende Angelegenheit" ist, die gemaß § 44 GemO\nin die Zustandigkeit des Oberburgermeisters fallt, durfte die Landesregierung\ndie nach außen vom Oberburgermeister bekundete Stellungnahme verwerten, zumal\nnach den gesetzlichen Voraussetzungen des § 577 a Abs. 2 BGB keine\nUnterschiede zwischen Zweckentfremdungsverbot und erweitertem Kundigungsschutz\nbestehen. Beide Ermachtigungsgrundlagen stellen in gleicher Weise auf die\nbesondere Gefahrdung der Wohnraumversorgung ab. Es kommt lediglich darauf an,\ndass die Landesregierung die von ihr gesetzten Kriterien auch im Fall der\nStadt Stuttgart einhalt. Unerheblich ist, ob bei der Stadt Stuttgart intern -\nkommunalverfassungsrechtlich - die Willensbildung bis ins Detail ordnungsgemaß\nabgelaufen ist, insbesondere auch, ob die Information der Gemeinderate uber\nden Versorgungsgrad mit Wohnungen umfassend genug war. Die Landesregierung\nhatte nicht gleichsam der Funktion einer Rechtsaufsichtsbehorde entsprechend\ndas Zustandekommen der Willensbildung zu uberprufen. Es war ausreichend, dass\nneben der Berucksichtigung des eigenen Zahlenmaterials die Stadt Stuttgart\nnach außen dem Wirtschaftsministerium gegenuber eine eindeutige Stellungnahme\nabgegeben hat. Auch der Gemeinde steht bei ihrer Willensbildung anlasslich der\nAbgabe einer Stellungnahme ein Wertungs- und Einschatzungsspielraum aus den\noben genannten Grunden zu. Es blieb der Landesregierung unbenommen, die\nStellungnahme der Landeshauptstadt Stuttgart unter diesem besonderen Aspekt\ndes abweichenden Zahlenmaterials zu wurdigen. Abgesehen davon hat die zu\ndiesem Verfahren beigeladene Landeshauptstadt Stuttgart nach wie vor keine\ngegenteilige Erklarung abgegeben. Erganzend ist zu bemerken, dass ausgehend\nvon den Zahlen der Stadt Stuttgart ein Wohnungsversorgungsgrad von 98 %\nvorhanden ware. Ginge man von dieser Zahl aus, ware nach den angewendeten\nKriterien der Landesregierung die Stadt Stuttgart von vornherein nicht in die\nGebietskulisse aufgenommen worden, selbst wenn diese ausdrucklich darum\ngebeten hatte. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs.1 GG liegt nicht vor.\nDie Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 kann unter\nUmstanden zu einem Anspruch des benachteiligten Burgers auf Normerganzung\nfuhren. Den Klagern ist zuzugeben, dass sich nach der allgemein angewandten\nBerechnungsmethode im Fall der Stadt Mannheim ein Versorgungsgrad von 98,28 %\nerrechnet und somit ausgehend von diesem Wert eine Einbeziehung der Stadt\nMannheim in die Gebietskulisse nicht in Betracht gekommen ware. Die\nLandesregierung hat nun im Fall der Stadt Mannheim abweichend eine\nDurchschnittszahl von Personen je Haushalt im Mai 2000 von 1,79 aufgrund des\nMikrozensusergebnisses fur Gemeinden zwischen 200.000 und 500.000 Einwohner in\nBaden-Wurttemberg zugrunde gelegt. Dabei errechnet sich eine\nWohnungsversorgung von 91,1 % bei einer Fluktuationsreserve von 3 %.\nGrundsatzlich liegt ein Gleichheitsverstoß vor, wenn sich fur die\nUngleichbehandlung kein vernunftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender\noder sonst wie einleuchtender sachlicher Grund finden lasst. Eine\nDifferenzierung zwischen verschiedenen Gebieten oder Gemeinden eines Landes\nist - gerade mit Rucksicht auf das qualifizierende Merkmal der besonderen\nGefahrdung - so lange unbedenklich, wie sie zu sachlich vertretbaren, also\nsich nicht jeder Rechtfertigung entziehenden und deshalb willkurlichen\nErgebnissen fuhrt (vgl. zu dem den Landesregierungen eingeraumten\n„Beurteilungsfreiraum" wiederum BVerfGE 38, 348, 363 = NJW 1975, 727 sowie\nBVerwGE 59, 195 ( 199)). Ob danach die Stadte Stuttgart und Mannheim\nunterschiedlich behandelt wurden, braucht nicht weiter erortert zu werden.\nDenn jedenfalls liegt keine Ungleichbehandlung gegenuber der Landeshauptstadt\nStuttgart und erst recht nicht im Verhaltnis zu den Klagern vor, wenn sich -\nwie hier - die Landesregierung im Fall der Landeshauptstadt Stuttgart im\nBerechnungsverfahren an die von ihr selbst gesetzten Kriterien halt und\nlediglich im Falle der Stadt Mannheim hiervon abgewichen ist. Die Klager\nkonnen sich auf ein (systemwidriges) Abweichen im Fall Mannheim nicht berufen,\ndenn „ungleich" \\- wenn uberhaupt - wurde der Stadtkreis Mannheim behandelt.\nEinen Anspruch auf „Gleichheit im Unrecht" gibt es jedoch nicht. Die Klager\nkonnen nur verlangen, dass die Landesregierung im Fall der Landeshauptstadt\nStuttgart entsprechend ihrer allgemeinen Vorgaben fur die Ermittlung einer\nbesonderen Gefahrdung der Wohnraumversorgung systemgerecht entscheidet. Hieran\nhat sich die Landesregierung gehalten. Sie ging in allen ubrigen Fallen,\nnamlich der Stadte Freiburg im Breisgau, Heidelberg, Konstanz und Tubingen\nnach den gleichen Kriterien vor. Lediglich fur die Stadt Mannheim wurde eine\nandere Berechnungsgrundlage toleriert. Ob dieses Verfahren rechtlich\nbedenklich ist, mag auf sich beruhen. Hierauf konnten sich moglicherweise\nbetroffene Vermieter der Stadt Mannheim stutzen, nicht aber umgekehrt ein\nMieter der nicht berucksichtigten Landeshauptstadt Stuttgart. \n--- \n| 37 \n--- \n| Der weiter hilfsweise gestellte Antrag, den Rechtsstreit an den\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg zu verweisen, hat ebenfalls keinen\nErfolg. Ein Normenkontrollantrag liegt nicht vor. Fur eine analoge Anwendung\ndes § 47 VwGO ist mangels Regelungslucke kein Raum. Als Normerganzungsklage\nhat das Verwaltungsgericht die Klage grundsatzlich fur zulassig gehalten und\nsachlich entschieden. Es besteht deshalb schon bereits kein\nRechtsschutzinteresse mehr daran, das angestrebte Ergebnis im Wege einer\nNormerganzung im prozessualen Rahmen des beim Oberverwaltungsgericht\nangesiedelten Normenkontrollverfahrens zuzulassen, abgesehen davon, dass der\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg die Statthaftigkeit des\nNormenkontrollverfahrens bereits fur die hier einschlagige\nKundigungssperrfristverordnung abgelehnt hat. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 21 \n--- \n| Die Klage ist im Hauptantrag Nr. 1 a-c als allgemeine Leistungsklage bzw.\nals Bescheidungsklage unzulassig. Der Hilfsantrag Nr. 2 a ist ebenfalls\nunzulassig. Auf den Hilfsantrag Nr. 2 b ist die Klage als Feststellungsklage\nnach § 43 Abs.1 VwGO zulassig, aber nicht begrundet. Der Hilfsantrags Nr. 3\nist gleichfalls unbegrundet. Fur das Klagebegehren der Klager ist der\nRechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO zum Verwaltungsgericht eroffnet. Es\nhandelt sich um eine offentlich-rechtliche Streitigkeit\nnichtverfassungsrechtlicher Art, die nicht einem anderen Gericht ausdrucklich\nzugewiesen ist. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Beteiligten streiten darum, ob die Klager einen Anspruch auf Erlass\nbzw. Erganzung der Kundigungssperrfristverordnung haben, mit der die Stadt\nStuttgart in die sog. Gebietskulisse dieser Verordnung einbezogen wird. Der\nErlass bzw. die Erganzung der Verordnung ist ein Akt der Rechtsetzung. Als\nsolcher unterfallt er als „staatlicher Hoheitsakt" dem offentlichen Recht.\nEine verfassungsrechtliche Streitigkeit liegt nicht vor. Es geht im Kern nicht\num die Anwendung und Auslegung verfassungsrechtlicher Normen, vielmehr um die\nAnwendung des § 577a Abs. 2 BGB und der auf dieser Grundlage ergangenen\nKundigungssperrfristverordnung der Landesregierung vom 11.12.2001. Eine\nverfassungsrechtliche Norm liegt nicht schon deshalb vor, weil\nverfassungsrechtliche Vorschriften eine Rolle spielen. Der Rechtsstreit ist\nauch nicht einem anderen Gericht zugewiesen. Insbesondere handelt es sich\nnicht um einen Antrag auf Normenkontrolle nach § 47 VwGO. Auch die\nAusfuhrungen des VGH Baden-Wurttemberg in seinem Normenkontrollurteil vom\n25.06.2003 - 4 S 1999/02 - (ESVGH 53, 255) stehen der Zulassigkeit des\nVerwaltungsrechtswegs nicht entgegen, worin der Gerichtshof erkannt hat, dass\nder Normenkontrollantrag gegen die o.a. Kundigungssperrfristverordnung nicht\nstatthaft sei. Nach § 47 Abs. 1 VwGO entscheidet der Verwaltungsgerichtshof\n„im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit" uber die Gultigkeit der dort genannten\nRechtsvorschriften. Dieses Erfordernis ist nur dann erfullt, wenn\nRechtsstreitigkeiten, die aus dem Vollzug der zur Überprufung gestellten\nVorschrift entstehen konnen, in die Zustandigkeit der allgemeinen\nVerwaltungsgerichte fallen wurden (standige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwG,\nBeschl. v. 27.07.1995, NVwZ 1996, 63, 65). Rechtsstreitigkeiten, die sich aus\nder Anwendung der Kundigungssperrfristverordnung ergeben konnten, fallen\ndanach ausschließlich in die Zustandigkeit der ordentlichen Gerichte, denn die\nfragliche Kundigungssperrfristverordnung hat ausschließlich mietrechtlichen\nCharakter. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten konnen sich aus der Anwendung\nder Kundigungssperrfristverordnung nicht ergeben. Die Annahme der\nUnzulassigkeit einer abstrakten Normenkontrolle widerspricht auch nicht dem\nAnliegen des Art. 19 Abs. 4 GG, luckenlosen und umfassenden Rechtsschutz zu\ngewahren. Denn die dortigen Vermieter haben die Moglichkeit, die Gultigkeit\nder angefochtenen Verordnung in einem Kundigungsschutzprozess vor den\nordentlichen Gerichten im Wege der Inzidentkontrolle uberprufen zu lassen.\nDiese Erwagungen des Verwaltungsgerichtshofs in seinem Normenkontrollurteil\nvom 25.06.2003 (aaO) fuhren indessen fur den hier vorliegenden Fall nicht\nweiter, wenn namlich der Erlass bzw. die Erganzung der Norm begehrt wird. So\nstellt sich in diesem Zusammenhang bei der Prufung des § 40 VwGO schon nicht\ndie im Normenkontrollverfahren maßgebliche Frage, ob die Rechtsstreitigkeiten,\ndie aus dem Vollzug der erst noch zu erlassenden Vorschrift entstehen konnen,\nin die Zustandigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte fallen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Dennoch bleibt fraglich, ob im Verwaltungsrechtsweg der Erlass einer Norm\nerzwungen werden kann. Dagegen spricht immerhin das Argument, die Gerichte\nseien nach dem Gewaltenteilungsgrundsatz nicht zur Rechtsetzung befugt und\nkonnten deshalb auch nicht den Verordnungsgeber zum Tatigwerden verpflichten,\nauch wenn dieser hier als Teil der Exekutive tatig werde. Dem liegt auch die\nVorstellung zugrunde, dass der Erlass von Rechtsnormen dem Wohl der\nAllgemeinheit dient und nicht dem (einklagbaren) Recht des Einzelnen (vgl.\nBVerwGE, 7, 188; BVerwG Urt. v. 26.1.1962, BVerwGE 13, 328; OVG Koblenz, NJW\n1988, 1684; weitere beachtliche Gegenstimmen in der Literatur: Schenke,\nVerwaltungsprozessrecht, 6. Aufl. (1998), RdNr. 347, 1083; Jorg Schmidt in:\nEyermann, VwGO 10. Aufl., § 47 RdNr. 19; Kalkbrenner, DÖV 1963, 41 (51)). Das\nBundesverwaltungsgericht hat indessen seine fruhere Rechtsprechung aufgegeben\nund es nicht „von vornherein ausgeschlossen", dass fur ein solches\nKlagebegehren unter den Voraussetzungen des § 40 Abs.1 S.1 VwGO der Rechtsweg\nzu den Verwaltungsgerichten gegeben ist (BVerwG, Urteil vom 3.11.1988, BVerwGE\n80, 355; Urteil vom 7.09.1989, NVwZ 1990, 162; zum aktuellen Streitstand vgl.\nSodan, Der Anspruch auf Rechtsetzung und seine prozessuale Durchsetzbarkeit,\nNVwZ 2000, 601). Dem schließt sich das erkennende Gericht an. Soweit ein\nBurger Rechte auf oder beim Erlass von untergesetzlichen Rechtsnormen durch\ndie Exekutive hat, steht ihm nach Art. 19 Abs. 4 GG zur Durchsetzung seiner\nRechte der Rechtsweg offen. Von dieser Rechtsschutzgarantie ist nach den\nVorgaben des Grundgesetzes das hier nicht einschlagige formliche\nGesetzgebungsverfahren ausgenommen. Wohl hat das Bundesverwaltungsgericht in\nseinem Urteil vom 03.11.1988 (aaO) darauf hingewiesen, dass\nIndividualanspruche auf oder beim Erlass von Rechtsnormen wegen der Eigenart\nder rechtsetzenden Tatigkeit des Staates im Allgemeinen nicht bestehen, aber\nnicht undenkbar sind. Diese Einschrankung spricht dafur, dass bei einer\nausreichenden Inzidentkontrolle bei untergesetzlichen Rechtsnormen - hier im\nRahmen eines Kundigungsschutzprozesses - Normerlassklagen vor dem Hintergrund\ndes Art. 19 Abs. 4 GG nicht zulassig sein durften. So kann sich ein Vermieter,\nder sich gegen die Einbeziehung einer Stadt in die Gebietskulisse wendet, in\neinem Kundigungsschutzprozess darauf berufen, dass die Voraussetzungen fur den\nerweiterten Kundigungsschutz nicht (mehr) vorliegen. Denn der erweiterte\nKundigungsschutz tritt ohne Aufhebungsakt des Verordnungsgebers dann außer\nKraft, wenn ein Ende der Mangellage auf dem Wohnungsmarkt insgesamt deutlich\nin Erscheinung getreten und der erweiterte Kundigungsschutz daher\noffensichtlich entbehrlich geworden ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.03.2003,\nNVwZ 2003, 1125, fur den Fall der insoweit vergleichbaren\nZweckentfremdungsverbotsverordnung). Das Zivilgericht kann die hier fragliche\nVerordnung im Rahmen eines Mietrechtsstreits hinsichtlich der Einbeziehung\neiner bestimmten Gemeinde unbeachtet lassen oder verwerfen, sollte es zu\nseiner Überzeugung feststellen, dass die Voraussetzungen fur die\nKundigungssperrfristverordnung nicht (mehr) vorliegen. Im umgekehrten Fall,\ndass ein Mieter sich auf den erweiterten Kundigungsschutz beruft, ohne dass\ndie fragliche Stadt in der Gebietskulisse aufgefuhrt ist, vermag das\nZivilgericht im Rahmen der Inzidentkontrolle die\nKundigungssperrfristverordnung nicht zu erganzen oder zu ersetzen. Selbst wenn\ndas Zivilgericht bei der Tatsachenfeststellung zur Überzeugung kame, dass eine\nbesondere Gefahrdung der Mietwohnungsversorgung und damit eine Mangellage\nvorliege, konnte es nicht selbst Recht setzend tatig werden. Art. 14 Abs. 1 GG\ni.V.m. § 577a Abs. 2 BGB setzen hinsichtlich des Inhalts und Schranken des\nEigentums eine entsprechende formale Rechtsverordnung voraus. Diese kann das\nZivilgericht nicht ersetzen. Von dieser Sichtweise her bleibt es mit der\nbislang bestehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dabei, dass\nvorliegend der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Richtige Klageart ist die Feststellungsklage gemaß § 43 Abs. 1 VwGO. Die in\nNr. 1 a-c enthaltenen Klageantrage sind unstatthaft und damit unzulassig. Zwar\nhat das Bundesverwaltungsgericht die von den Klagern mit ihrem Hauptantrag\nerhobene allgemeine Leistungsklage (fur die Bescheidungsklage gilt nichts\nanderes) nicht schlechthin ausgeschlossen, in seiner Entscheidung vom\n03.11.1988 (a.a.O.) aber eine deutliche Zuruckhaltung in Abgrenzung zur\nFeststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO erkennen lassen. Dem ist\nbeizupflichten. Das Feststellungsbegehren entspricht hier dem im\nGewaltenteilungsgrundsatz begrundeten Gedanken, dass auf die\nEntscheidungsfreiheit der rechtsetzenden Organe gerichtlich nur in dem fur den\nRechtsschutz des Burgers unumganglichen Umfang einzuwirken ist, wie dies\nbereits bei der Zulassigkeit der Normerlassklage uberhaupt zu berucksichtigen\nist. Gegen die allgemeine Leistungsklage und fur die Feststellungsklage nach §\n43 Abs. 1 VwGO spricht außerdem, dass das Verfahren zur Kontrolle einer\nbereits erlassenen Norm gemaß § 47 VwGO als ein „besonders geartetes\nFeststellungsverfahren" ausgestaltet ist (vgl. Sodan, NVwZ 2000, 609 m.w.N.).\nGemessen an dem erwahnten Rechtsgedanken, bei einer Normerlassklage nur in\nunumganglichem Umfang auf die Recht setzende Exekutive einzuwirken, ist allein\nder Klagantrag Nr. 2 b zulassig. Dem stunde die Befugnis der Landesregierung\nnicht entgegen, im Erfolgsfall der Klage anstelle einer Änderung der\nVerordnung auch deren vollstandigen Neuerlass zu erwagen. Die allgemeine\nLeistungsklage ist demnach zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Erlass einer\nuntergesetzlichen Norm nicht statthaft (vgl. zu den Gegenstimmen die Nachweise\nbei Sodan a.a.O., Fußnote 122). Die Subsidiaritatsklausel des § 43 Abs. 2 S. 1\nVwGO seht der Feststellungsklage danach auch nicht entgegen. \n--- \n| 25 \n--- \n| Es liegt in Ansehung der Normerlassklage auch ein feststellungsfahiges\nRechtsverhaltnis i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO vor. Allerdings haben sich vorliegend\ndie Klager mit dem Beklagten nicht vor Erhebung der Klage uber einen Anspruch\nauf Normerlass bzw. Erganzung auseinandergesetzt. Die Beteiligten streiten\nsich aber nunmehr in diesem Klageverfahren darum, ob die Klager einen Anspruch\nauf Erganzung der Kundigungssperrfristverordnung haben bzw. umgekehrt der\nBeklagte zu deren Änderung verpflichtet ist. Ein konkretes Rechtsverhaltnis\ni.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO setzt rechtliche Beziehungen voraus, die sich aus\neinem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden\nNorm fur das Verhaltnis von einer Person zu einer anderen oder zu einer Sache\nergeben, kraft dessen eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss,\nkann oder darf oder nicht tun braucht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.01.1996,\nBVerwGE 100, 262). Hier liegt das Rechtsverhaltnis bereits in den\nRechtsbeziehungen zwischen den Klagern als Mieter und dem Beklagten als\nNormgeber mieterschutzrechtlicher Bestimmungen, aus denen die Klager den vom\nBeklagten abgelehnten Normerlassanspruch begrunden. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Klager haben auch ein berechtigtes Interesse an einer baldigen\nFeststellung. Es reicht aus, dass die Klager geltend machen konnen, dass von\ndem Feststellungsbegehren eigene Rechte der Klager abhangen (vgl. BVerwG,\nUrteil vom 26.01.1996, aaO). Nach den Angaben der Klager soll das\nMietverhaltnis fruhestens zum 30.11.2004 gekundigt werden konnen. Das\nMietrechtsverhaltnis besteht momentan noch. Es ist deshalb jedenfalls\nrechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine geanderte\nKundigungssperrfristverordnung - im Wege der so genannten unechten Ruckwirkung\nim Sinne herkommlicher Terminologie - auch diesen Fall noch erfassen und die\nallerdings bald ablaufende Sperrfrist verlangern konnte (vgl. zur Zulassigkeit\nder Ruckwirkung von Sozialklauseln BGH, Beschluss vom 15.11.2000, NJW 2001,\n1421). \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Klage ist aber nicht begrundet. Die Klager haben keinen Anspruch auf\ndie begehrte Feststellung. Sie konnen nicht verlangen, dass der Beklagte die\nKundigungssperrfristverordnung in ihrem Sinne erganzt und die Stadt Stuttgart\nin die Gebietskulisse einbezieht. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Klager berufen sich zum einen auf den einfachgesetzlichen Anspruch aus\n§ 577 a Abs. 2 BGB. Danach konnen die Landesregierungen durch Rechtsverordnung\neine Kundigungssperre bis zur Dauer von 10 Jahren anordnen, wenn die\nausreichende Versorgung der Bevolkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen\nBedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders\ngefahrdet ist. Zugunsten der Klager geht die Kammer davon aus, dass diese\nRegelung den Klagern als Mieter einer umgewandelten Wohnung auch ein subjektiv\noffentliches Recht auf Tatigwerden verleiht und die Ermachtigung der\nLandesregierung auf Erlass der Verordnung nicht ausschließlich im offentlichen\nInteresse besteht und ihnen damit die Einbeziehung der Stadt Stuttgart in die\nfragliche Verordnung nicht lediglich als so genannter Rechtsreflex zugute\nkame. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Indessen steht den Klagern ein Normsetzungsanspruch aus § 577a Abs. 2 BGB\nnicht zu. Dieser Anspruch scheitert bereits daran, dass § 577a Abs. 2 BGB den\nLandesregierungen den Erlass von Kundigungsbeschrankungen bei\nWohnungsumwandlungen erlaubt, sie jedoch nicht dazu verpflichtet (BVerwG,\nUrteil vom 11.03.1983, - 8 C 102/81 - NJW 1983, 2893 zum vergleichbaren\nZweckentfremdungsverbot). Der gegenteiligen Auffassung der Klager ist nicht zu\nfolgen. Abgesehen davon steht der Landesregierung in diesem\nNormsetzungsbereich ein weiter Einschatzungs-, Gestaltungs- und\nBeurteilungsspielraum zu, der auch Raum lasst, etwa konkurrierende offentliche\nund private Interessen zu berucksichtigen. Diese Beschrankung der\ngerichtlichen Kontrolle im Normsetzungsbereich des Wohnungsrechts ist deshalb\nbesonders gerechtfertigt, weil es hier um die Beurteilung langerfristiger\nEntwicklungen komplexer Art geht, bei denen die Bewertung der erwahnten\nkonkurrierenden offentlichen und privaten Interessen und die Berucksichtigung\nverschiedener quantitativer und qualitativer Gesichtspunkte und Einzeltrends\nauf dem schwer zu beurteilenden Wohnungsmarkt unterschiedlich ausfallen kann\n(vgl. fur deutliche Zuruckhaltung gerichtlicher Kontrolle BVerwG, Urt. v.\n12.12.1979, NJW 1980, 1970; BVerfG, Beschl. v. 12.10.1976, BVerfGE 42, 374,\n395). Die Prufung ist deshalb aufgrund des Beurteilungsspielraums demgemaß\nnicht der vergleichbar, wie sie gemaß § 114 VwGO bei der Nachprufung des\nErmessens bei Verwaltungsakten der Fall ist. Der Vorgang der\nEntscheidungsfindung einschließlich der subjektiven Vorstellungen und Motive\nder daran Beteiligten - also die Betatigung des „Normsetzungsermessens" \\- ist\neiner gerichtlichen Prufung nur eingeschrankt zuganglich (vgl. VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 14.12.1995 - 4 S 93/93 - ; BVerwG, Urteil v. 11.03.1983,\naaO). Vor diesem Hintergrund einer solch eingeschrankten Prufung, die\nletztlich - wie der Beklagte zu Recht ausfuhrt - auf eine Willkur- bzw.\nMissbrauchskontrolle hinauslauft, kann die Entscheidung der Landesregierung in\ndiesem Klageverfahren rechtlich nicht beanstandet werden. Vielmehr halt sich\ndiese im Rahmen des ihr von § 577a Abs. 2 BGB und der Verfassung zustehenden\nSpielraums. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Kundigungsbeschrankungen nach § 577a Abs.2 BGB sollen - wie auch die\nvergleichbaren Bestimmungen zum Zweckentfremdungsverbot - die Sicherung der\n„Versorgung ... mit ... Wohnraum" ermoglichen. Die beim Wort genommenen an\nsich uberflussigen Zusatze „ausreichend" und „angemessen" bekraftigen, dass es\nim Schutzbestreben um die Wohnraumversorgung der Bevolkerung im allgemeinen\nund damit insbesondere der breiteren Bevolkerungsschichten geht (so schon\nBVerwG, Urteil vom 11.03.1983, aaO). Bekampft werden soll eine in dieser\nRichtung gegebene „Mangelsituation", ein in dieser Richtung gegebener Zustand\n„unzureichender Wohnraumversorgung" (BVerfGE 55, 249 ( 258 f.)). Dabei reicht\nallerdings aus, dass die Versorgung „gefahrdet" ist; es genugen mithin latente\nVersorgungsschwierigkeiten, vorausgesetzt allerdings, es handelt sich um\nSchwierigkeiten als Folge der Mangelsituation. Dass fur jedermann ohne\nweiteres eine angemessene Wohnung zu angemessenem Mietzins zu finden ist,\nstellt den „wunschbaren Idealzustand" dar, uberschreitet jedoch den Rahmen\ndessen, was durch diese Mieterschutzbestimmungen gewahrleistet werden soll\n(vgl. BVerfGE 38, 348, 360 = NJW 1975, 727). \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Gefahrdung der zureichenden Wohnraumversorgung muss nach der genannten\nRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts\neine „besondere" sein. Das Tatbestandsmerkmal „besonders" verlangt eine\nqualitative Eigenart. Der Zusatz „besonders" hat - anders ausgedruckt - nicht\ndie Bedeutung, die Zulassigkeit eines erhohten Mieterschutzes bei\nWohnungsumwandlungen von einer quantitativen Steigerung der Unterversorgung\nderart abhangig zu machen, dass eine allgemeine Gefahrdung bei jedem\nrechnerisch nicht voll ausgeglichenen Wohnungsmarkt, eine besondere Gefahrdung\ndagegen erst bei einem Defizit von beispielsweise mehr als 10% anzunehmen\nware. Gegen ein solches Verstandnis des Tatbestandmerkmals „besonders" spricht\nbereits der Wortlaut des § 577a Abs.2 BGB. Nicht die Unterversorgung muss\n„besonders" sein, sondern von der Gefahrdung (der Versorgung) wird gefordert,\ndass sie „besonders" \\- und damit von qualitativ besonderer Beschaffenheit -\nsein muss. Der Akzent liegt dementsprechend (insoweit) darauf, ob sich der\nWohnungsmarkt einer Gemeinde durch sachliche Eigenarten auszeichnet, die\ngeeignet sind, diesen fur breitere Bevolkerungsschichten negativ zu\nbeeinflussen und ihm so eine spezifische Labilitat zu vermitteln. Das pflegt\nvor allem in Ballungsraumen, in Industriestadten, in Stadten mit\nherausgehobener zentraler Lage oder Funktion (Oberzentren) sowie (bei\nentsprechenden Großenverhaltnissen) in Universitatsstadten der Fall zu sein.\nHiervon ging die Landesregierung auch aus, was in dem von den Klagern\nzitierten Redebeitrag des Staatssekretars Dr. Mehrlander wie auch in den Akten\nzum Ausdruck kommt. \n--- \n| 32 \n--- \n| Diese Auslegung des § 577a BGB rechtfertigt sich nach dem Sinn des Gesetzes\nvor allem deshalb, weil eine rein quantitative Betrachtungsweise zu\nsachwidrigen Ergebnissen fuhrte. Durften danach Wohnungsumwandlungen oder\nZweckentfremdungsverbote nur fur solche Gemeinden erlassen werden, in denen\ndas (Wohnraum-)Versorgungsdefizit eine gesteigerte Quantitat erreicht, musste\ndie maßgebende Steigerung einigermaßen exakt beziffert und die Einhaltung der\nsich so ergebenden Schranke vom Verordnungsgeber im einzelnen gepruft werden.\nSteht im Mittelpunkt der Überlegungen die Bezifferung des entscheidenden\n(Grenz-)Defizits , muss zwangslaufig entscheidend auf erfahrungsgemaß nur sehr\nbedingt zuverlassige Statistiken zuruckgegriffen werden, wobei die\nZuverlassigkeit des zur Verfugung stehenden statistischen Materials zusatzlich\nnoch dadurch geschmalert - wenn nicht generell in Frage gestellt - wird, dass\nder Wohnraumbedarf, auf welchen die Kundigungsbeschrankung bei\nWohnungsumwandlungen hinzielt, weder auf seiner Angebots- noch auf seiner\nNachfrageseite statistisch uberhaupt ermittelbar ist und angesichts dessen\nallenfalls mit Hilfe von Unterstellungen aus umfassenderem statistischen\nMaterial herausgerechnet werden konnte. Statistisches Material wird bei der\nstets erheblichen Fluktuation der Großstadtbevolkerung in einer offenen\nGesellschaft und verbreiteten neuen Formen des Zusammenlebens, wie\nnichteheliche Lebensgemeinschaften und Wohngemeinschaften - die sich auf die\nZahl der Haushalte und damit auf den Wohnungsbedarf auswirken - nur bedingt\nzuverlassig und umstritten sein. Umso mehr kommt es angesichts der sehr\nfraglichen Zuverlassigkeit jeden Rechenwerkes auf diesem Gebiet gerade auf die\nunterschiedliche Gewichtigkeit einzelner Rechnungsfaktoren an. Es kommt hinzu,\ndass zum einen seit Jahren mit dem Mikrozensus und Gemeindegroßen gearbeitet\nwird, deren Zuverlassigkeit aufgrund der genannten Grunde fraglich ist, zum\nanderen kommt hinzu, dass der Ruckgriff auf statistische Erhebungen die\nFestlegung eines Stichtags erfordert, und zwar eines Stichtags, der wegen der\nDauer derartiger Erhebungen zwangslaufig zeitlich bereits so weit zuruckliegt,\ndass die Daten schon wieder durch Zeitablauf in Frage gestellt sein konnen.\nDie rechnerische Unsicherheit hat auch die Landesregierung in ihre Erwagungen\neingestellt, wie wiederum den Ausfuhrungen von Staatssekretar Dr. Mehrlander\nentnommen werden kann. Des weiteren ist eine Kundigungsbeschrankung bei\nWohnungsumwandlungen durch Rechtsverordnung nur dann angemessen, wenn sich mit\ndem Erlass der Verordnung die Erwartung verbinden lasst, dass sich dieser\nMieterschutz fur einen gewissen Zeitraum rechtfertigt (in diesem Zusammenhang\nist allerdings anzumerken, dass sich die verhangte 10-jahrige Sperrfrist und\neine 5-jahrige Laufzeit der Kundigungssperrfristverordnung kaum vereinbaren\nlassen). Eine solche Erwartung ist jedoch bei einer rein quantitativen\nBetrachtungsweise prinzipiell fragwurdig. Der Wohnungsmarkt wird in vielen\nGegenden durch eine Labilitat gekennzeichnet, die ihn standig auf viele im\neinzelnen haufig nicht exakt ermittelbare Anstoße reagieren lasst. Wo dies\nzutrifft, ist von nur geringer Aussagekraft, wenn bei einer punktuellen\nBetrachtung des Marktes zufallig die eine oder andere Versorgungslage\nermittelt wird. Sachgerecht ist vielmehr eine insgesamt qualitative\nBetrachtung. Ausschlaggebend kann nicht allein sein, ob das Defizit an einem\nbestimmten Stichtag eine abstrakt festgelegte Grenze uberschreitet oder nicht.\nNach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11.03.1983,\naaO) ware schon durch die Tatsache, dass eine Mangelsituation aus "besonderen"\nGrunden labil ist und infolge dieser Labilitat selbst bei zeitweise\neintretender Entspannung jederzeit kurzfristig wieder in einen starker\nspurbaren Mangel umschlagen kann, eine Kundigungsbeschrankung nach § 577a\nAbs.2 BGB zu verhangen gerechtfertigt, solange nicht ein dauerhaft\nertraglicher Zustand erreicht ist (dort entschieden fur das\nZweckentfremdungsverbot). Die Erwagungen entheben die Landesregierung nicht\nder Pflicht, sich um moglichst zuverlassige statistische Unterlagen zu\nbemuhen. Aber gerade auch wegen der letztlich nicht behebbaren Unsicherheiten\nmuss es weitgehend der Entscheidung des Landesregierung uberlassen bleiben,\nwieweit sie sich auf einzelne Faktoren als maßgebende Indizien einer\nMangelsituation stutzen will. \n--- \n| 33 \n--- \n| In der Sache halt es das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 11.03.1983,\naaO; ebenso Schmidt-Futter, Mietrecht, § 577a RdNr. 18) sogar im Einklang mit\nder Lebenserfahrung, dass selbst dann noch eine Unterversorgung mit Wohnraum\nfur die breiteren Bevolkerungsschichten gegeben ist oder doch in beachtlicher\nWeise droht, wenn der Wohnungsmarkt in seinem vollen Umfang, d. h. bei\nBerucksichtigung des gesamten Angebots und der gesamten Nachfrage, einen\nAusgleich bereits erreicht hat oder sogar schon ein leichtes Übergewicht des\nAngebots erreicht zu haben scheint. Immerhin hat auch die Landesregierung in\nden Vorgangerverordnungen von der Ermachtigung des § 577a Abs.2 BGB weit\ngroßzugiger Gebrauch gemacht, ebenso wie andere Bundeslander, wie der Beklagte\ndargelegt hat. Ob diese Sichtweise uberzeugt, kann hier dahinstehen. Denn\njedenfalls besteht unstreitig in der Landeshauptstadt Stuttgart ein\nWohnungsdefizit - je nach angewandter Statistik - zwischen ca. 10% und 2%. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Hiervon ausgehend ware die Landesregierung rechtlich nicht gehindert\ngewesen, auch die Landeshauptstadt Stuttgart in die Gebietskulisse\naufzunehmen. Denn fur die Annahme der in § 577 a Abs. 2 BGB beschriebenen\nMangelsituation in der oben dargelegten Auspragung durch die Rechtsprechung\nreicht es jedenfalls aus, wenn infolge knappen Wohnungsangebots der\nMarktzugang verengt ist. Es war nach den obigen Ausfuhrungen allerdings\ngeradezu geboten, das Mietwohnungsdefizit auch qualitativ zu bewerten. So\nkonnen weitere Kriterien in die Beurteilung einfließen, etwa die Situation fur\nbesondere Gruppen von Wohnungssuchenden oder auch die Entwicklung des\nortlichen Mietpreisniveaus im Vergleich zu den allgemeinen\nLebenshaltungskosten und eben die Beurteilung der ortlichen Situation durch\ndie Gemeinde selbst. Dem dient die Entscheidung der Landesregierung, nunmehr\nbei einem statistischen Wohnungsversorgungsgrad von 90% - 93% einen Korridor\nzu bilden, in dem der Wille der Kommunen starker berucksichtigt wird. Diese\nEntscheidung halt sich innerhalb des oben naher beschriebenen Beurteilungs-\nund Gestaltungsspielraums im Normsetzungsverfahren. Eine definitive Mangellage\nbzw. eine „besondere Gefahrdung" der Versorgung mit Mietwohnungen bei einem\nVersorgungsgrad von uber 90,03% zu verneinen, ist schon mit Rucksicht auf die\noben erwahnte unzureichende Aussagekraft der einschlagigen Statistiken (zumal\ndie hauseigene Statistik der Landeshauptstadt Stuttgart von einem\nVersorgungsgrad von 98 % ausgeht) und der die Wohnraumversorgung bewertenden\nStellungnahme der Gemeinde weder willkurlich noch missbrauchlich. \n--- \n| 35 \n--- \n| In der Berucksichtigung des gemeindlichen Votums liegt keine unzulassige\nDelegation. Die Klager meinen zu Unrecht, die Landesregierung habe innerhalb\ndes ihr eroffneten Korridors bei einem Wohnungsversorgungsgrad von 90 bis 93 %\ndie Entscheidung faktisch auf die jeweilige Kommune ubertragen und dadurch\neinen Teil der ihr eingeraumten Rechtsetzungsmacht delegiert. Zur Vorbereitung\nder Entscheidung uber den Erlass der Verordnung durch die Landesregierung hat\ndas federfuhrende Wirtschaftsministerium die der fur die Einbeziehung in die\nGebietskulisse in Betracht kommenden Kommunen angehort. Es ist von dem\nwiederholt oben angesprochenen Einschatzungs-, Wertungs- und\nGestaltungsbereich des Verordnungsgebers umfasst, die zum Erlass der\nVerordnung ermachtigende Mangelsituation in gewissen Grenzen naher zu\ndefinieren. So hat die Landesregierung in fruheren Verordnungen bereits in\nStadten mit einer geringeren Unterversorgung von Wohnraum eine Mangelsituation\nbejaht. Es ist auch - wie ausgefuhrt - sachgerecht, die Einschatzung der\nWohnungssituation durch die betroffene Kommune selbst in einem Grenzbereich\nstarker zu berucksichtigen. Trotz Berucksichtigung des Votums bleibt es eine\nformal wie sachlich originare Entscheidung der Landesregierung. Es bleibt der\nLandesregierung auch die Verantwortung, die Entscheidung der jeweiligen\nKommune auf deren inhaltliche Plausibilitat zu prufen. Dies hat die\nLandesregierung aber ersichtlich getan, sie hat sich mit jedem einzelnen Fall\nbefasst und die Stellungnahmen der Stadte gewurdigt. Es kann nicht\nfestgestellt werden, dass die Landesregierung willkurlich oder missbrauchlich\nvorgegangen ist. Vielmehr ist das beklagte Land bei der Behandlung der Stadt\nStuttgart systemgerecht vorgegangen, d. h., es hat sich an die von ihr selbst\ngesetzten Kriterien gehalten. An ihre eigene Vorgabe, in dem Korridor von 90\nbis 93 % die Einschatzung der ortlichen Wohnungsmarktsituation durch die\nKommune trotz der ermittelten quantitativen Wohnungsmarktsituation starker zu\nberucksichtigen, hat sich die Landesregierung gehalten. Aus der Begrundung des\nVerordnungsentwurfs ergibt sich - ausgehend von den Berechnungen des\nStatistischen Landesamts Ende 1998 nach der Fortschreibungsmethode des\nWirtschaftsministeriums unter Berucksichtigung einer 3-prozentigen Fluktuation\nzum September 2001 - ein Versorgungsgrad fur Stuttgart von 90,03%. Die\nLandeshauptstadt Stuttgart hat sich gegenuber dem Wirtschaftsministerium\ndahingehend geaußert, dass sie die Weitergeltung des erweiterten\nKundigungsschutzes nicht befurwortet und sich hierzu auf einen Beschluss des\nGemeinderats bezogen. Die Klager rugen in diesem Zusammenhang, dass sich der\nGemeinderat der Stadt Stuttgart formal nicht mit der Weitergeltung des\nerweiterten Kundigungsschutzes befasst habe, sondern mit dem\nZweckentfremdungsverbot, und außerdem die Heranziehung der stadtischen\nStatistik. Hierzu ist zunachst zu bemerken, dass nach den Angaben der\nLandeshauptstadt Stuttgart der Oberburgermeister den Gemeinderat mundlich\ndaruber informiert habe, dass es auch um den erweiterten Kundigungsschutz bei\nWohnungsumwandlung gehe. Es ware transparenter gewesen, wenn formal der\nGemeinderat auch zu dieser Frage eigenstandig Stellung bezogen hatte. Die\nKammer sieht hierin jedoch keinen Verstoß gegen die vom Land selbst\naufgestellten Kriterien. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Anhorung der\nKommune zur Verordnung keine „laufende Angelegenheit" ist, die gemaß § 44 GemO\nin die Zustandigkeit des Oberburgermeisters fallt, durfte die Landesregierung\ndie nach außen vom Oberburgermeister bekundete Stellungnahme verwerten, zumal\nnach den gesetzlichen Voraussetzungen des § 577 a Abs. 2 BGB keine\nUnterschiede zwischen Zweckentfremdungsverbot und erweitertem Kundigungsschutz\nbestehen. Beide Ermachtigungsgrundlagen stellen in gleicher Weise auf die\nbesondere Gefahrdung der Wohnraumversorgung ab. Es kommt lediglich darauf an,\ndass die Landesregierung die von ihr gesetzten Kriterien auch im Fall der\nStadt Stuttgart einhalt. Unerheblich ist, ob bei der Stadt Stuttgart intern -\nkommunalverfassungsrechtlich - die Willensbildung bis ins Detail ordnungsgemaß\nabgelaufen ist, insbesondere auch, ob die Information der Gemeinderate uber\nden Versorgungsgrad mit Wohnungen umfassend genug war. Die Landesregierung\nhatte nicht gleichsam der Funktion einer Rechtsaufsichtsbehorde entsprechend\ndas Zustandekommen der Willensbildung zu uberprufen. Es war ausreichend, dass\nneben der Berucksichtigung des eigenen Zahlenmaterials die Stadt Stuttgart\nnach außen dem Wirtschaftsministerium gegenuber eine eindeutige Stellungnahme\nabgegeben hat. Auch der Gemeinde steht bei ihrer Willensbildung anlasslich der\nAbgabe einer Stellungnahme ein Wertungs- und Einschatzungsspielraum aus den\noben genannten Grunden zu. Es blieb der Landesregierung unbenommen, die\nStellungnahme der Landeshauptstadt Stuttgart unter diesem besonderen Aspekt\ndes abweichenden Zahlenmaterials zu wurdigen. Abgesehen davon hat die zu\ndiesem Verfahren beigeladene Landeshauptstadt Stuttgart nach wie vor keine\ngegenteilige Erklarung abgegeben. Erganzend ist zu bemerken, dass ausgehend\nvon den Zahlen der Stadt Stuttgart ein Wohnungsversorgungsgrad von 98 %\nvorhanden ware. Ginge man von dieser Zahl aus, ware nach den angewendeten\nKriterien der Landesregierung die Stadt Stuttgart von vornherein nicht in die\nGebietskulisse aufgenommen worden, selbst wenn diese ausdrucklich darum\ngebeten hatte. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs.1 GG liegt nicht vor.\nDie Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 kann unter\nUmstanden zu einem Anspruch des benachteiligten Burgers auf Normerganzung\nfuhren. Den Klagern ist zuzugeben, dass sich nach der allgemein angewandten\nBerechnungsmethode im Fall der Stadt Mannheim ein Versorgungsgrad von 98,28 %\nerrechnet und somit ausgehend von diesem Wert eine Einbeziehung der Stadt\nMannheim in die Gebietskulisse nicht in Betracht gekommen ware. Die\nLandesregierung hat nun im Fall der Stadt Mannheim abweichend eine\nDurchschnittszahl von Personen je Haushalt im Mai 2000 von 1,79 aufgrund des\nMikrozensusergebnisses fur Gemeinden zwischen 200.000 und 500.000 Einwohner in\nBaden-Wurttemberg zugrunde gelegt. Dabei errechnet sich eine\nWohnungsversorgung von 91,1 % bei einer Fluktuationsreserve von 3 %.\nGrundsatzlich liegt ein Gleichheitsverstoß vor, wenn sich fur die\nUngleichbehandlung kein vernunftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender\noder sonst wie einleuchtender sachlicher Grund finden lasst. Eine\nDifferenzierung zwischen verschiedenen Gebieten oder Gemeinden eines Landes\nist - gerade mit Rucksicht auf das qualifizierende Merkmal der besonderen\nGefahrdung - so lange unbedenklich, wie sie zu sachlich vertretbaren, also\nsich nicht jeder Rechtfertigung entziehenden und deshalb willkurlichen\nErgebnissen fuhrt (vgl. zu dem den Landesregierungen eingeraumten\n„Beurteilungsfreiraum" wiederum BVerfGE 38, 348, 363 = NJW 1975, 727 sowie\nBVerwGE 59, 195 ( 199)). Ob danach die Stadte Stuttgart und Mannheim\nunterschiedlich behandelt wurden, braucht nicht weiter erortert zu werden.\nDenn jedenfalls liegt keine Ungleichbehandlung gegenuber der Landeshauptstadt\nStuttgart und erst recht nicht im Verhaltnis zu den Klagern vor, wenn sich -\nwie hier - die Landesregierung im Fall der Landeshauptstadt Stuttgart im\nBerechnungsverfahren an die von ihr selbst gesetzten Kriterien halt und\nlediglich im Falle der Stadt Mannheim hiervon abgewichen ist. Die Klager\nkonnen sich auf ein (systemwidriges) Abweichen im Fall Mannheim nicht berufen,\ndenn „ungleich" \\- wenn uberhaupt - wurde der Stadtkreis Mannheim behandelt.\nEinen Anspruch auf „Gleichheit im Unrecht" gibt es jedoch nicht. Die Klager\nkonnen nur verlangen, dass die Landesregierung im Fall der Landeshauptstadt\nStuttgart entsprechend ihrer allgemeinen Vorgaben fur die Ermittlung einer\nbesonderen Gefahrdung der Wohnraumversorgung systemgerecht entscheidet. Hieran\nhat sich die Landesregierung gehalten. Sie ging in allen ubrigen Fallen,\nnamlich der Stadte Freiburg im Breisgau, Heidelberg, Konstanz und Tubingen\nnach den gleichen Kriterien vor. Lediglich fur die Stadt Mannheim wurde eine\nandere Berechnungsgrundlage toleriert. Ob dieses Verfahren rechtlich\nbedenklich ist, mag auf sich beruhen. Hierauf konnten sich moglicherweise\nbetroffene Vermieter der Stadt Mannheim stutzen, nicht aber umgekehrt ein\nMieter der nicht berucksichtigten Landeshauptstadt Stuttgart. \n--- \n| 37 \n--- \n| Der weiter hilfsweise gestellte Antrag, den Rechtsstreit an den\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg zu verweisen, hat ebenfalls keinen\nErfolg. Ein Normenkontrollantrag liegt nicht vor. Fur eine analoge Anwendung\ndes § 47 VwGO ist mangels Regelungslucke kein Raum. Als Normerganzungsklage\nhat das Verwaltungsgericht die Klage grundsatzlich fur zulassig gehalten und\nsachlich entschieden. Es besteht deshalb schon bereits kein\nRechtsschutzinteresse mehr daran, das angestrebte Ergebnis im Wege einer\nNormerganzung im prozessualen Rahmen des beim Oberverwaltungsgericht\nangesiedelten Normenkontrollverfahrens zuzulassen, abgesehen davon, dass der\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg die Statthaftigkeit des\nNormenkontrollverfahrens bereits fur die hier einschlagige\nKundigungssperrfristverordnung abgelehnt hat. \n---\n\n
140,472
vghbw-2004-11-11-11-s-220704
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
11 S 2207/04
2004-11-11
2019-01-07 15:16:00
2019-01-17 12:00:38
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag des Klagers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des\nVerwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14. Juli 2004 - 11 K 3719/03 - wird\nabgelehnt.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Zulassungsverfahrens.\n\nDer Streitwert fur das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der am 8.9.2004 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe rechtzeitig gestellte\nAntrag auf Zulassung der Berufung ist abzulehnen, weil der Klager den Antrag\nnicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollstandigen Urteils\nbegrundet hat (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Das Urteil des\nVerwaltungsgerichts, in dessen zutreffender Rechtsmittelbelehrung der Hinweis\nauf die Begrundungsfrist enthalten ist, wurde der Prozessbevollmachtigten des\nKlagers mit hoher Wahrscheinlichkeit am 8.8.2004 gegen Empfangsbekenntnis nach\n§ 174 ZPO (vgl. § 56 Abs. 2 VwGO) zugestellt. Die Antragsbegrundungsfrist\nendete daher mit Ablauf des 8.10.2004. Die schriftliche Begrundung des\nZulassungsantrags ging jedoch erst am 20.10.2004 und damit verspatet beim\nVerwaltungsgerichtshof (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO in der seit 1.9.2004\ngeltenden Fassung vom 24.8.2004, BGBl. I S. 2198) ein. Die vom Klager\nbeantragte Verlangerung der Zulassungsbegrundungsfrist sieht das Gesetz nicht\nvor (anders bei der Berufungsbegrundungsfrist, vgl. § 124a Abs.3 Satz 3, Abs.\n6 Satz 3 VwGO). Grunde, welche die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen\ndie Fristversaumnis rechtfertigen konnten, sind nicht ersichtlich und wurden\nauch nicht geltend gemacht. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Zwar hat die Prozessbevollmachtigte des Klagers als Zustellungsdatum im\nEmpfangsbekenntnis „08.09.04" eingetragen; da es sich beim Empfangsbekenntnis\neines Rechtsanwalts um eine offentliche Urkunde im Sinne des § 418 ZPO\nhandelt, ist damit grundsatzlich auch der volle Beweis dafur erbracht, dass\nder darin angegebene Zustellungszeitpunkt der Wirklichkeit entspricht\n(stRspr., vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.2.2001 - 6 BN 1/01 -, Buchholz 340 § 5\nVwZG Nr. 19). Dies gilt freilich dann nicht, wenn die Urkunde\nDurchstreichungen, Radierungen, Einschaltungen oder sonstige außere Mangel\naufweist, die nach der freien Beweiswurdigung des Gerichts die Beweiskraft der\nUrkunde ganz oder teilweise aufheben oder mindern (vgl. § 419 ZPO; BGH, Urteil\nvom 15.11.1979 - III ZR 93/78 -, NJW 1980, 893; Munchner Kommentar, ZPO, § 419\nRn 1 und 4). Ein derartiger sonstiger außerer Mangel des\nEmpfangsbekenntnisses, der die Beweiskraft zumindest teilweise aufhebt, ist\nvorliegend gegeben: Die zwei Eingangsstempel des Landgerichts Mannheim\n(23.8.2004) bzw. des Verwaltungsgerichts Karlsruhe (26.8.2004), die ebenfalls\noffentliche Urkunden mit der Wirkung des § 418 Abs. 1 ZPO sind (vgl. BVerwG,\nBeschluss vom 1.3.1988 - 7 B 144/87 -, NVwZ 1989, 1058), deren Unrichtigkeit\nzu beweisen der Klager nicht einmal ansatzweise versucht hat (vgl. § 418 Abs.\n2 ZPO), belegen, dass der 8.9.2004 nicht dem wahren Empfangsdatum entsprechen\nkann. Die Beweiskraft des Empfangsbekenntnisses ist damit insoweit aufgehoben. \n--- \n| 3 \n--- \n| Nach der damit moglichen freien Wurdigung des Sachverhalts geht der Senat\ndavon aus, dass sich die Prozessbevollmachtigte des Klagers bei der\nMonatsangabe geirrt hat und das Urteil tatsachlich am 8.8.2004 zugestellt\nworden ist. Dafur spricht, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts vom\n14.7.2004 von der Geschaftsstelle des Verwaltungsgerichts am 20.7.2004\nabgesendet wurde und beim Beklagten bereits am 21.7.2004 einging. Fur einen\ndemgegenuber um sieben Wochen spater liegenden Eingang bei der\nProzessbevollmachtigten des Klagers ist kein plausibler Grund ersichtlich und\nvon ihr auch nicht geltend gemacht worden. Dagegen besteht ein\noffensichtlicher Zusammenhang zwischen dem 8.8.2004 und den fur das\nvorliegende Verfahren bedeutsamen Prozesshandlungen der\nProzessbevollmachtigten des Klagers: Der Zulassungsantrag datiert vom 8.9.2004\nund die - gesetzlich nicht vorgesehene - Verlangerung der\nBerufungszulassungsbegrundungsfrist hat sie am 8.10.2004 beantragt. Sie hat\nsich damit offensichtlich an den gesetzlich vorgesehenen Fristen orientiert:\nDie Berufungszulassung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des\nvollstandigen Urteils zu beantragen (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) und der\nAntrag ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollstandigen\nUrteils zu begrunden (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). \n--- \n| 4 \n--- \n| Die genannten Tatsachen und die Folgerungen, die der Senat daraus fur das\nvorliegende Verfahren zu ziehen beabsichtigte, wurden der\nProzessbevollmachtigten des Klagers mit der Gelegenheit zur Stellungnahme\nbekannt gegeben. Sie ist dem nicht substantiiert entgegengetreten,\ninsbesondere hat sie sich - wie auch schon zu der entsprechenden Anfrage des\nVerwaltungsgerichts - zu dem im Empfangsbekenntnis angegebenen und\nbeanstandeten Zustellungsdatum nicht geaußert. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die\nStreitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 3 iVm. Abs.\n1, 52 Abs. 2 GKG in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom\n5.5.2004 (BGBl. I S. 718). \n--- \n| 6 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n
140,497
olgkarl-2004-11-16-1-ws-32804
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
1 Ws 328/04
2004-11-16
2019-01-07 15:16:12
2019-02-12 12:20:07
Urteil
## Tenor\n\nDer Antrag der Antragstellerin X. auf gerichtliche Entscheidung gegen den\nBescheid der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 28. Juli 2004 - Zs\n1286/04 - wird kostenpflichtig als unbegrundet verworfen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Durch Bescheid vom 28.07.2004 hat die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe\nder Beschwerde der Anzeigeerstatterin gegen die Einstellungsverfugung der\nStaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 11.12. 2003 keine Folge gegeben. Hiergegen\nrichtet sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit der die\nAntragstellerin die Erhebung der offentlichen Klage wegen fahrlassiger\nKorperverletzung im Amt gegen die Amtstrager, die fur die Beschaffenheit der\nAutobahn BAB A 8 Stuttgart - Karlsruhe/ Karlsruhe - Stuttgart im Bereich der\nGemarkung K-G verantwortlich sind, erstrebt. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Antragstellerin war am 24.10.2002 gegen 22.40 Uhr auf der BAB A 8,\nRichtungsfahrbahn Stuttgart - Karlsruhe, bei km 263,5 verunfallt. Sie war,\nnachdem sie einen Lkw uberholt hatte, beim Wiedereinscheren auf die rechte\nFahrbahn eingangs einer langgezogenen Linkskurve auf regennasser Fahrbahn ins\nSchleudern geraten und nach rechts von der Fahrbahn abgekommen. Ihr PKW, ein\nDaimler Chrysler SLK, war anschließend ca. 75 m dem Larmschutzwall entlang\ngeschleudert und hatte sich auf den Leitplanken uberschlagen. Die\nAntragstellerin wurde hierbei schwer verletzt. Nach dem Antragsvorbringen fuhr\nsie „mit den Verkehrsverhaltnissen angepasster Geschwindigkeit", ohne diese\nauch nur bereichsweise zu beziffern. Von einem vor Schleudergefahr warnenden\nVerkehrszeichen ist im Antragsschreiben nicht die Rede. \n--- \n| 3 \n--- \n| II. Die Antragstellerin ist antragsberechtigt fur die von ihr behauptete\nfahrlassige Korperverletzung im Amt, allerdings nur soweit sie selbst - und\nnicht etwa Dritte ( andere verunfallte Personen) - Verletzte ist. \n--- \n| 4 \n--- \n| Der zulassige Antrag ist in der Sache nicht begrundet. Der ablehnende\nBescheid der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vom 28.07.2004 ist nicht zu\nbeanstanden. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat das Ermittlungsverfahren\ngegen Verantwortliche fur die BAB A 8 zu Recht gemaß § 170 Abs. 2 StPO\neingestellt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Ein hinreichender Tatverdacht, dass sich die fur die Verkehrssicherheit auf\nder BAB A 8 im Unfallbereich Verantwortlichen einer Tat nach §§ 340 Abs. 3,\n229 StGB z. N. der Anzeigeerstatterin strafbar gemacht haben, besteht nicht.\nEin sorgfaltswidriges Verhalten der Genannten hat zum Zeitpunkt des Unfalls\nder Antragstellerin nicht vorgelegen. Vielmehr haben die Verantwortlichen bis\nzum Unfall am 24.10.2002 mit den bis dahin getroffenen Maßnahmen der ihnen\nobliegenden Sorgfaltspflicht nach damaligen Kenntnisstand genugt und das nach\ndamaligem Kenntnisstand Gebotene veranlasst. \n--- \n| 6 \n--- \n| 1\\. Vom 01.01.2000 bis 21.08.2002 haben sich in dem Streckenabschnitt der\nBAB A 8, Richtungsfahrbahn Stuttgart - Karlsruhe, in dem die Antragstellerin\nam 24.10.2002 verunfallt war, zwischen km 263,000 und km 263,999 insgesamt 23\nins Unfall-Daten-Informationssystem aufgenommene Verkehrsunfalle ereignet,\ndarunter 11 bei Nasse. Am 21.08.2002 wurde der Sachbereich Verkehr der\nAutobahnpolizeidirektion Karlsruhe, der fur die ortliche\nUnfallursachenforschung zustandig ist, von dem Autobahnpolizeirevier Karlsruhe\nvorab schriftlich auf die Unfalle hingewiesen und um Überprufung gebeten. Nach\nAuswertung der gemeldeten Verkehrsunfalle im fraglichen Streckenabschnitt und\nOrtsbesichtigung der Unfallstrecke auf Antrag der Autobahnpolizeidirektion\nKarlsruhe erging am 27.09.2002 die verkehrsrechtliche Anordnung des\nRegierungsprasidiums Karlsruhe zur Aufstellung der Verkehrszeichen 114 StVO\n(Schleudergefahr bei Nasse oder Schmutz) bei km 263. Die Beschilderung\nerfolgte am 30.09.2002 durch die Autobahnmeisterei Karlsruhe. Am selben Tag\nwurde von der Autobahnpolizeidirektion Karlsruhe die Anordnung einer\nGeschwindigkeitsbeschrankung auf 120 Km/h ca. ab km 260 beantragt. Am\n08.10.2002 erfolgte deswegen eine Vorlage der Unfallhaufungsmeldung beim\nMinisterium fur Umwelt und Verkehr durch das Regierungsprasidium. \n--- \n| 7 \n--- \n| Nachdem es zu weiteren Unfallen gekommen war, wurden in der Folgezeit\nweitere Maßnahmen ergriffen; so wurden am 11.11.2002 Blinklichter auf die\nVerkehrszeichen 114 StVO (Schleudergefahr bei Nasse oder Schmutz) montiert. Am\n12.11.2002 wurden durch die Autobahnmeisterei Karlsruhe ca. ab km 260 Schilder\nfur eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 Km/h aufgestellt. \n--- \n| 8 \n--- \n| 2\\. Die Verantwortlichen fur die BAB A 8 mussten bis zum Unfall der\nAntragstellerin am 24.10.2002 keine weitergehenden Sofortmaßnahmen als die\noben geschilderten treffen. Fur die ihnen von der Antragstellerin zur Last\ngelegte fahrlassige Korperverletzung im Amt fehlt es bereits an einem\nsorgfaltswidrigen Verhalten. \n--- \n| 9 \n--- \n| Bundesfernstraßen sind in einem dem regelmaßigen Verkehrsbedurfnis\ngenugenden Zustand zu unterhalten oder sonst zu verbessern; soweit die Trager\nder Straßenbaulast unter Berucksichtigung ihrer Leistungsfahigkeit zur\nDurchfuhrung von Maßnahmen außerstande sind, haben sie auf einen nicht\nverkehrssicheren Zustand durch Verkehrszeichen hinzuweisen (§ 3 FStrG). Art\nund Maß der hierbei anzuwendenden Sorgfalt bestimmen sich nach den\nAnforderungen, die bei (objektiver) Betrachtung der Gefahrenlage ex ante an\neinen besonnenen und gewissenhaften Menschen, der fur die Verkehrssicherheit\nder BAB verantwortlich ist, in der konkreten Lage zu stellen waren. Hierbei\nwar auf den Kenntnisstand bis zum Unfall der Antragstellerin am 24.10.2002\nabzustellen. Ein erst nach dem Unfall der Antragstellerin erlangtes Wissen war\ndagegen fur die Prufung, ob zum Zeitpunkt des Unfalls eine\nSorgfaltspflichtverletzung vorgelegen hat, nicht maßgeblich. \n--- \n| 10 \n--- \n| 3.a Ziffer 8. 4 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums,\nJustizministeriums und des Verkehrsministeriums uber die Aufgaben der Polizei\nbei Verkehrsunfallen vom 12.12.1995 (GABl. 1996, Bl. 352 ff) befasst sich mit\nuntersuchungsrelevanten Straßenstellen. Solche liegen vor, wenn sich auf einer\nAußerortstrecke von maximal einem Kilometer Lange sechs oder mehr Unfalle\ngleichen Typs oder gleicher Sondermerkmale bzw. mindestens 12 Unfalle\ninnerhalb von 2 Jahren ereignen. Die genannten Unfallgrenzwerte gelten bis zu\neiner mittleren Verkehrsbelastung von 10.000 Kraftfahrzeugen pro Tag. Sie\nkonnen bei hoherer Belastung angepasst werden. Da in dem hier relevanten\nBereich der BAB taglich ca. 34.000 Kraftfahrzeuge in eine Richtung verkehren,\nsind die Unfallgrenzwerte entsprechend zu erhohen, so dass an dieser Stelle\nerst bei 20 oder mehr Unfallen gleichen Typs oder gleicher Sondermerkmale bzw.\nbei mindestens 39 Unfallen eine Straßenstelle anzunehmen ist, die zu\nuntersuchen ist. \n--- \n| 11 \n--- \n| Fur die Beurteilung der untersuchungsrelevanten Straßenstellen werden die\nStatistikdaten des Unfall-Daten-Informationssystems (UDIS) herangezogen. Vom\n01.01.2000 bis 21.08.2002 hatten sich in dem Streckenabschnitt der BAB A 8,\nRichtungsfahrbahn Stuttgart - Karlsruhe, in dem die Antragstellerin am\n24.10.2002 verunfallt war, zwischen km 263 und km 263,9 insgesamt 23 UDIS-\nVerkehrsunfalle ereignet, darunter 11 bei Nasse. Danach ware nur dann von\neiner untersuchungsrelevanten Stelle auszugehen, wenn es sich bei den\nregistrierten Unfallen um solche gleichen Typs oder gleicher Sondermerkmale\ngehandelt hatte, was schon deswegen nicht ohne weiteres auf der Hand liegt,\nweil sich von den genannten Unfallen ein Teil bei Nasse, der andere Teil bei\ntrockener Fahrbahn ereignet hatte. Diese Voraussetzung kann dennoch\nunterstellt werden, weil das fur die Meldung zustandige Autobahnpolizeirevier\nKarlsruhe mit Schreiben vom 21.08.2002 den Sachbereich Verkehr bei der\nAutobahnpolizeidirektion Karlsruhe uber die Unfallzahlen informiert hat, was\nnach Auswertung der Unfalle und einem entsprechenden Antrag beim\nRegierungsprasidium Karlsruhe am 27.09.2002 zu einer verkehrsrechtlichen\nAnordnung zur Aufstellung des Verkehrszeichens 114 StVO (Schleudergefahr bei\nNasse oder Schmutz) und einer Aufstellung der Beschilderung am 30.09.2002\nfuhrte. Die Autobahnpolizei hat zudem am 30.09.2002 die Anordnung einer\nGeschwindigkeitsbeschrankung von 120 Km/h beantragt. \n--- \n| 12 \n--- \n| Dass die Geschwindigkeitsbeschrankung von 120 Km/h nicht sofort angeordnet\nwurde, sondern deren Erforderlichkeit erst gepruft wurde und im Rahmen dessen\ndie Baustoff- und Bodenprufstelle Karlsruhe mit einer Griffigkeitsmessung\nbeauftragt wurde, ist nicht zu beanstanden. Dies gilt auch vor dem\nHintergrund, das im Einfahrtsbereich der Anschlussstelle Karlsbad der\nFahrbahnbelag (offenporiger Asphaltbeton - Flusterbeton -) - es handelte sich\num den gleichen Fahrbahnbelag wie an der Unfallstelle, an der die\nAntragstellerin verunfallt ist - im Jahr 2001 erneuert wurde, nachdem eine\ndamals von der Baustoff- und Bodenprufstelle Karlsruhe durchgefuhrte\nGriffigkeitsmessung zu dem Ergebnis kam, dass die Warnwerte erreicht wurden.\nNach der mittleren Verkehrsbelastung und den vorliegenden Unfallzahlen (am\nUnfalltag ein Unfall bei 34.000 Verkehrsteilnehmern) mussten die Behorden zum\ndamaligen Zeitpunkt nicht von einer solch dringlichen Gefahrenlage ausgehen,\ndie uber die getroffenen Maßnahmen hinaus weitere Sofortmaßnahmen erforderlich\ngemacht hatte, so dass das Ergebnis der in Auftrag gegeben\nGriffigkeitsmessungen abgewartet werden und die Anordnung weiterer Maßnahmen\nvon dem Ergebnis dieser Messungen abhangig gemacht werden konnte. \n--- \n| 13 \n--- \n| b. Die Baustoff- und Bodenprufstelle Karlsruhe fuhrte am 07.11.2002\nGriffigkeitsmessungen (Griptester-Messungen) im fraglichen Bereich der BAB A 8\ndurch. Aus ihrem Schreiben vom 22.11.2002 ergibt sich, dass die Griffigkeit\ndes offenporigen Asphaltbetons insgesamt unterhalb der des alten\nBetondeckenbereichs vor km 260+000 liegt. Nach den Messungen stellte sich der\n1. Fahrstreifen als der griffigste dar. Es gibt einen leichten Abfall bei dem\n2. Fahrstreifen und einen deutlichen Abfall bei dem 3. Fahrstreifen in den\nDurchschnittswerten. Warnwertunterschreitungen gibt es auf dem 3. Fahrstreifen\nim Bereich um 263+000 bis 263+500 bzw. km 264+000 - also in dem Bereich, in\ndem die Anzeigeerstatterin verungluckte - auf einer Lange von mehreren 100 m.\nDer Schwellenwert wird nicht unterschritten. \n--- \n| 14 \n--- \n| In dem o.g. Schreiben wurde zudem daraufhin hingewiesen, dass bei einer\nUnterschreitung des Warnwertes bauliche Maßnahmen noch nicht erforderlich\nwerden, jedoch die weitere Beobachtung der Fahrbahnflache in Verbindung mit\nReibwert-Wiederholungsmessungen in regelmaßigen Abstanden angezeigt ist. Bei\nUnterschreitung des Schwellenwertes sind grundsatzlich bauliche Maßnahmen zur\nErhohung der Fahrbahngriffigkeit angezeigt. \n--- \n| 15 \n--- \n| Bei der Prufung, ob die Verantwortlichen fur die BAB A 8 zum Zeitpunkt des\nUnfalls der Antragstellerin am 24.10.2002 die ihnen obliegende\nSorgfaltspflicht verletzt haben, waren die durch das Schreiben der Baustoff-\nund Bodenprufstelle Karlsruhe vom 22.11.2002 vermittelten Erkenntnisse nicht\nruckwirkend als bereits zum Unfallzeitpunkt bekannt zu unterstellen, sondern\nes war zu prufen, ob sich aus den Feststellungen der Baustoff- und\nBodenprufstelle Karlsruhe konkrete Anhaltspunkte dafur ergaben, dass die\nVerantwortlichen fur die BAB A 8 zum Unfallzeitpunkt bereits uber\nweitergehende Erkenntnisse verfugten, die sie bereits damals zu weiteren\nMaßnahmen - als den bereits getroffenen - verpflichtet hatten. Dies war zu\nverneinen. Aus dem Schreiben der Baustoff- und Bodenprufstelle Karlsruhe vom\n22.11.2002 ergab sich zwar, dass auf einem Fahrbahnstreifen in dem Bereich, in\ndem die Antragstellerin verunfallte, die Warnwerte unterschritten waren;\nallerdings wurde gleichzeitig in dem Schreiben dargelegt, dass bei einer\nUnterschreitung der Warnwerte noch keine baulichen Maßnahmen erforderlich\nwerden, jedoch die weitere Beobachtung der Fahrbahnflache in Verbindung mit\nReibwert-Wiederholungsmessungen in regelmaßigen Abstanden angezeigt sind. Es\nhandelte sich hierbei um die Mitteilung neuer, erst durch die\nGriffigkeitsmessung gewonnener Fakten. Diese Feststellungen ließen aber keinen\nRuckschluss dahingehend zu, dass die Verantwortlichen fur die BAB A 8 zum\nUnfallzeitpunkt uber weitere Erkenntnisse verfugt hatten, die sie zu\nweitergehenden als den damals bereits getroffenen - Aufstellen der\nWarnschilder 114 StVO (Schleudergefahr bei Nasse oder Schmutz) und der Prufung\neiner Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 Km/h - Maßnahmen verpflichtet hatten. \n--- \n| 16 \n--- \n| Anzeichen dafur, dass die Verantwortlichen zum damaligen Zeitpunkt nicht auf\ndie Richtigkeit der durchgefuhrten Messungen und deren Ergebnisse vertrauen\ndurften, liegen nicht vor. \n--- \n| 17 \n--- \n| c. Auch aus dem Gutachten des Instituts fur Materialprufung - Dr. Y. vom\n05.02.2003 - die Richtigkeit des Gutachtens kann dahingestellt bleiben - ergab\nsich ebenfalls kein Hinweis auf etwaige weitere Erkenntnisse der\nVerantwortlichen zum Unfallzeitpunkt, die sie zu weiteren - als den bereits\ngetroffenen Maßnahmen - verpflichtet hatte. \n--- \n| 18 \n--- \n| d. Soweit die Antragstellerin die Beauftragung eines unabhangigen\nSachverstandigen mit der Begutachtung des Fahrbahnbelags im fraglichen Bereich\nfordert, war dem nicht nachzugehen. Denn selbst wenn ein Gutachter jetzt zu\ndem Ergebnis kame, dass die Griffigkeitswerte zum Unfallzeitpunkt schlechtere\nWerte als die in dem Schreiben der Baustoff- und Bodenprufstelle Karlsruhe vom\n22.11.2002 mitgeteilten aufgewiesen hatten, ließen sich aus dieser erst\nnachtraglich gewonnenen Erkenntnis keine erhohten Sorgfaltspflichten der\nVerantwortlichen fur die BAB A 8 fur die Vergangenheit - 24.10.2002 -\nableiten. \n--- \n| 19 \n--- \n| e. Soweit die Antragstellerin im ubrigen vorgetragen hat, dass zum\nUnfallzeitpunkt auf die Schleudergefahr nicht hingewiesen worden sei, ist dies\nnicht zutreffend; denn bereits seit dem 30.09.2002 waren die Verkehrszeichen\n114 StVO (Schleudergefahr bei Nasse oder Schmutz) aufgestellt worden. Die\nAntragstellerin hat diesen Warnhinweis offensichtlich ubersehen oder schlicht\nignoriert. Sie teilt zudem nicht mit, mit welcher Geschwindigkeit sie an der\nUnfallstelle gefahren ist. Bei dieser Sachlage ware die Kausalitat einer etwa\nunterlassenen Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschrankung fur den Unfall der\nAnzeigeerstatterin fraglich. Zudem hatte in einem etwaigen Strafverfahren nach\ndem Zweifelssatz von einer moglicherweise uberhohten Geschwindigkeit und der\nMoglichkeit eines Übersehens des Verkehrsschildes ausgegangen werden mussen.\nHierauf kam es jedoch mangels Sorgfaltspflichtverletzung zum Unfallzeitpunkt\nnicht mehr an. \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 174, 177 StPO. \n---\n\n
140,594
vghbw-2004-12-06-5-s-170404
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
5 S 1704/04
2004-12-06
2019-01-07 15:17:02
2019-01-17 12:00:45
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag wird abgelehnt.\n\nDer Antragsteller tragt die Kosten des Verfahrens einschließlich der\naußergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.\n\nDer Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Unter dem 07.05.2004 erteilte das Eisenbahn-Bundesamt Außenstelle\nKarlsruhe/Stuttgart nach Anhorung u.a. des Antragstellers, eines anerkannten\nBundesverbands fur behinderte Menschen, der Beigeladenen fur den Ruckbau der\nBahnsteige 1 (Hausbahnsteig) und 2 (Mittelbahnsteig) und fur den Neubau eines\nMittelbahnsteiges nebst Fußgangerunterfuhrung im Bahnhof Oberkochen eine\nPlangenehmigung. Das Vorhaben ist Teil eines Gesamtprojekts, das die\nErrichtung eines elektronischen Stellwerks (EStW Heidenheim) und die\nbetriebliche Optimierung der Strecke Aalen-Ulm umfasst. Mit insgesamt mehr als\n30 Einzelvorhaben sollen die Trassierung ertuchtigt, Bahnubergange und\nBahnhofe geandert und Bahnsteige neu errichtet oder umgebaut werden. Dies\ndient der Einfuhrung eines „integralen Fahrplans". Die genehmigte Planung\nsieht vor, dass der bestehende schienengleiche Übergang zum alten\nMittelbahnsteig entfernt wird. Zum neuen Mittelbahnsteig sollen eine\nFußgangerunterfuhrung errichtet und zwei Aufzugsschachte gebaut werden. Der\nEinbau der Aufzuge ist noch nicht vorgesehen. In der Begrundung der\nPlangenehmigung wird ausgefuhrt, die Verpflichtung, Einrichtungen des\noffentlichen Personenverkehrs barrierefrei auszugestalten, werde durch § 2\nAbs. 3 EBO konkretisiert. Nach einer Richtlinie der Beigeladenen sei bei\nweniger als 1000 Reisenden pro Tag und Station ein behindertengerechter Zugang\nnicht erforderlich. Es seien allerdings bauliche Vorkehrungen fur eine spatere\nNachrustung ohne wesentliche Mehrkosten zu treffen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Am 11.06.2004 hat der Antragsteller Klage erhoben und beantragt,\nfestzustellen, dass die Planung gegen § 2 Abs. 3 EBO verstoße. \n--- \n| 3 \n--- \n| Unter dem 01.07.2004 hat das Eisenbahn-Bundesamt die sofortige Vollziehung\nangeordnet und zur Begrundung ausgefuhrt, diese liege im uberwiegenden\nInteresse der Beigeladenen und der Öffentlichkeit. Konne das Vorhaben erst\nnach Abschluss des Klageverfahrens ausgefuhrt werden, entstunden zusatzliche\nKosten fur Sperrpausen und Schienenersatzverkehr in Hohe von 150.000,- bis\n200.000,- EUR. Werde die Fußgangerunterfuhrung nicht gebaut und stattdessen\nder schienengleiche Übergang beibehalten, entstunden weitere Mehrkosten von\netwa 210.000,- EUR pro Jahr. Das Interesse des Antragstellers gehe dahin, dass\ndie Aufzuge gleich eingebaut wurden und nicht erst, wie vorgesehen, bei einer\nwesentlichen Erhohung der Zahl der Reisenden. Diesem Interesse konne auch noch\nim Falle eines Erfolgs seiner Klage entsprochen werden. \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 21.07.2004 hat der Antragsteller beantragt, \n--- \n| 5 \n--- \n| die aufschiebende Wirkung der Klage insoweit wieder herzustellen, als die\nPlangenehmigung die ersatzlose Beseitigung des bestehenden barrierefreien\nZugangs zum Mittelbahnsteig des Bahnhofs Oberkochen ermoglicht. \n--- \n| 6 \n--- \n| Er tragt vor: Mit dem Antrag bezwecke er sicherzustellen, dass der\nbestehende schienengleiche Übergang zum Mittelbahnsteig nicht vor einer\nEntscheidung im Klageverfahren beseitigt werde. Der Antrag sei zulassig,\ninsbesondere statthaft. Eine Verbandsklage nach § 13 BGG habe aufschiebende\nWirkung, gleich ob sie als Klageart sui generis oder als Kombination aus\nFeststellungs- und Anfechtungsklage einzuordnen sei. Mit ihr sollten\ngegenwartige Rechtsbeeintrachtigungen abgewehrt werden konnen. Den anerkannten\nBehindertenverbanden sei eine umfassende Wachterrolle eingeraumt worden. In §\n13 Abs. 2 Satz 2 BGG werde die Gleichgerichtetheit von Feststellungs- und\nGestaltungsklage vorausgesetzt. Zumindest musse der Weg uber § 80 Abs. 5 VwGO\ndeshalb eroffnet sein, weil die „Bestandskraft" der von der Antragsgegnerin\nangeordneten sofortigen Vollziehung einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO\nausschließe. - Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genuge dem\nBegrundungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO nicht. Zutreffend sei, dass er\nkein auf das Behindertengleichstellungsgesetz gestutztes Interesse habe, das\nVorhaben als Ganzes anzufechten. Dies schließe aber eine teilweise\nBeschrankung des Sofortvollzugs nicht aus. Der Bauablauf konne auch so\ngestaltet werden, dass der neue Mittelbahnsteig zwar schon gebaut, der\nschienengleiche Übergang aber erst nach einer Entscheidung im Klageverfahren\nbeseitigt werde. Darauf gehe die Antragsgegnerin nicht ein. § 2 Abs. 3 EBO\nenthalte ein Verschlechterungsverbot. Dem widerspreche es, zur Begrundung der\nsofortigen Vollziehung im Übrigen bestrittene Mehrkosten anzufuhren. In\nBetracht ware auch gekommen, den Sofortvollzug erst dann anzuordnen, wenn der\nneu zu schaffende barrierefreie Zugang in Aalen genutzt werden konne. Auch\ndamit befasse sich die Begrundung des Sofortvollzugs nicht. - Die angefochtene\nPlangenehmigung sei offensichtlich rechtswidrig. Es hatte ein\nPlanfeststellungsverfahren durchgefuhrt werden mussen. Die Antragsgegnerin\nverstoße gegen § 2 Abs. 3 EBO, weil sie sich auf eine aus\nWirtschaftlichkeitsgrunden erlassene Richtlinie der Beigeladenen stutze und\ndabei den gesetzlichen Auftrag, eine moglichst weitgehende Barrierefreiheit zu\nerreichen, nicht beachte. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen, \n--- \n| 8 \n--- \n| den Antrag abzulehnen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Antragsgegnerin tragt vor: Der Antrag musse ohne Erfolg bleiben, weil\ndie angefochtene Plangenehmigung rechtmaßig sei. Der bestehende\nschienengleiche Übergang konne nicht bis zur Entscheidung im Klageverfahren\nerhalten werden, da er gerade durch eine Unterfuhrung ersetzt werden solle.\nDies sei notwendig, weil es in Oberkochen keinen Fahrdienstleiter mehr gebe.\nDieser werde im neuen elektronischen Stellwerk Heidenheim seinen Sitz haben. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beigeladene tragt vor: Der Aussetzungsantrag sei unzulassig. Die\nerhobene Feststellungsklage habe keine aufschiebende Wirkung. Eine solche\nkonne demzufolge auch nicht wiederhergestellt werden. Daran andere die\nunnotige Anordnung der sofortigen Vollziehung durch das Eisenbahn-Bundesamt\nnichts. Der Gesetzgeber habe mit der Ausgestaltung der Verbandsklage nach § 13\nBGG als Feststellungsklage den Verbanden gerade keine mit einer Leistungs-\noder Gestaltungsklage verbundene Rechtsmacht einraumen wollen. Unzulassig sei\nder Antrag auch, weil der Antragsteller in der Sache den sofortigen Einbau von\nAufzugen und damit eine Planerganzung beanspruche. Dies konne er allenfalls\nmit einem Antrag nach § 123 VwGO, nicht aber mit einem Antrag nach § 80 Abs. 5\nVwGO erreichen. Der Aussetzungsantrag sei jedenfalls nicht begrundet.\nInsbesondere habe die Feststellungsklage des Antragstellers keine Aussicht auf\nErfolg. § 2 Abs. 3 EBO enthalte lediglich einen Programmsatz. Konkrete\nAnforderungen fur eine Barrierefreiheit einzelner Anlagen konnten der\nVorschrift nicht entnommen werden. \n--- \n| 11 \n--- \n| II. Der auf den plangenehmigten Ruckbau des schienengleichen Übergangs\nbeschrankte Aussetzungsantrag hat keinen Erfolg. Er ist bereits nicht\nstatthaft. \n--- \n| 12 \n--- \n| Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben nur Widerspruch und Anfechtungsklage\naufschiebende Wirkung. Ein Widerspruchsverfahren gegen eine Plangenehmigung\nfur den Bau oder die Änderung einer Eisenbahnbetriebsanlage findet allgemein\nnicht statt (§ 18 Abs. 2 Satz 4 AEG). Eine gegen eine Plangenehmigung\nstatthafte Anfechtungsklage aus eigener Rechtsbetroffenheit hat der\nAntragsteller nicht erhoben; sie ware auch mangels moglicher Verletzung in\neigenen Rechten offensichtlich unzulassig (§ 42 Abs. 2 VwGO). Eine\nvorhabenbezogene Verbandsfeststellungsklage nach § 13 Abs. 1 Satz 1 des\nBehindertengleichstellungsgesetzes - BGG - hat keine aufschiebende Wirkung\ngemaß § 80 Abs. 1 VwGO. Denn sie ist nicht auf die Aufhebung eines\nVerwaltungsakts gerichtet (§ 42 Abs. 1 VwGO). Dies ergibt sich aus folgendem: \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BGG kann ein nach Absatz 3 anerkannter Verband,\nohne in seinen Rechten verletzt zu sein, nach Maßgabe der\nVerwaltungsgerichtsordnung Klage erheben auf Feststellung eines Verstoßes\ngegen die Vorschriften des Bundesrechts zur Herstellung der Barrierefreiheit\nu.a. in § 2 Abs. 3 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO). Nach § 2 Abs.\n3 EBO sind die Vorschriften dieser Verordnung so anzuwenden, dass die\nBenutzung der Bahnanlagen und Fahrzeuge durch behinderte und alte Menschen\nsowie Kinder und sonstige Personen mit Nutzungsschwierigkeiten ohne besondere\nErschwernisse ermoglicht wird (Satz 1). Die Eisenbahnen sind verpflichtet, zu\ndiesem Zweck „Programme" zur Gestaltung von Bahnanlagen und Fahrzeugen zu\nerstellen mit dem Ziel, eine moglichst weitreichende Barrierefreiheit fur\nderen Nutzung zu erreichen (Satz 2). Dies schließt die Aufstellung eines\nBetriebsprogramms mit den entsprechenden Fahrzeugen ein, deren Einstellung in\nden jeweiligen Zug bekannt zu machen ist (Satz 3). Die Aufstellung der\nProgramme erfolgt nach Anhorung der Spitzenorganisationen von Verbanden, die\nnach § 13 Abs. 3 BGG anerkannt sind (Satz 4). Die Eisenbahnen ubersenden die\nProgramme uber ihre Aufsichtsbehorden an das fur das Zielvereinbarungsregister\nzustandige Bundesministerium (Satz 5). Die zustandigen Aufsichtsbehorden\nkonnen von den Satzen 2 und 3 Ausnahmen zulassen (Satz 6). \n--- \n| 14 \n--- \n| Fur die Zulassigkeit dieser Verbandsklage im Übrigen enthalt § 13 Abs. 2\nBGG eine Reihe von Maßgaben: Die Klage ist nur zulassig, wenn der Verband\ndurch die Maßnahme in seinem satzungsgemaßen Aufgabenbereich beruhrt wird\n(Satz 1). Soweit ein behinderter Mensch selbst seine Rechte durch eine\nGestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hatte verfolgen konnen,\nkann die Klage nach Absatz 1 nur erhoben werden, wenn der Verband geltend\nmacht, dass es sich bei der Maßnahme um einen Fall von allgemeiner Bedeutung\nhandelt (Satz 2). Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Vielzahl\ngleichgelagerter Falle vorliegt (Satz 3). Fur Klagen nach Absatz 1 Satz 1\ngelten die Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung\nentsprechend mit der Maßgabe, dass es eines Vorverfahrens auch dann bedarf,\nwenn die angegriffene Maßnahme von einer obersten Bundes- oder Landesbehorde\nerlassen worden ist (Satz 4). \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Wortlaut der Vorschrift des § 13 Abs. 1 Satz 1 BGG ist eindeutig. Die\ndanach zulassige Verbandsklage kann nur auf Feststellung eines Verstoßes gegen\ndie im einzelnen aufgefuhrten, der Herstellung von Barrierefreiheit (§ 4 BGG)\ndienenden Vorschriften erhoben werden. Damit ist das Rechtsschutzziel von\nVerbandsklagen ausdrucklich auf die Feststellung eines solchen Verstoßes\nbeschrankt (vgl. § 43 Abs. 1 VwGO). Die Verbandsklage gemaß § 13 Abs. 1 Satz 1\nBGG unterscheidet sich insoweit von der naturschutzrechtlichen Verbandsklage,\ndie anerkannten Naturschutzvereinen die Moglichkeit einraumt, gegen bestimmte\nVerwaltungsentscheidungen allgemein den jeweils statthaften Rechtsbehelf nach\nMaßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung einzulegen (§ 61 BNatSchG). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Aus der Systematik des Gesetzes ergibt sich nichts anderes. Insbesondere\nkann aus § 13 Abs. 2 Satz 2 BGG nicht gefolgert werden, der Gesetzgeber habe\nin dieser Vorschrift vorausgesetzt, dass mit einer Verbandsklage nach § 13\nAbs. 1 Satz 1 BGG der gleiche Rechtsschutz erlangt werden kann wie mit einer\nGestaltungsklage eines behinderten Menschen bzw. eines Verbands als\nProzessstandschafter eines behinderten Menschen. Die Klagemoglichkeiten eines\nvon einer Maßnahme betroffenen behinderten Menschen ergeben sich aus der\nVerwaltungsgerichtsordnung. Zusatzlich bestimmt § 12 BGG als ein Fall\ngesetzlicher Prozessstandschaft, dass dann, wenn behinderte Menschen in ihren\nRechten u.a. aus § 8 BGG (Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen\nBau und Verkehr) verletzt werden, an ihrer Stelle und mit ihrem Einverstandnis\nVerbande nach § 13 Abs. 3 BGG, die nicht selbst am Verfahren beteiligt sind,\nRechtsschutz im eigenen Namen beantragen konnen; Gleiches gilt bei Verstoßen\ngegen Vorschriften des Bundesrechts, die einen Anspruch auf Herstellung von\nBarrierefreiheit im Sinne des § 4 BGG vorsehen. In diesen Fallen mussen alle\nVerfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den\nbehinderten Menschen selbst vorliegen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| § 13 Abs. 2 Satz 2 BGG regelt das Verhaltnis zwischen der\nVerbandsfeststellungsklage nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BGG und den\nKlagemoglichkeiten eines behinderten Menschen selbst. Die Regelung lehnt sich\nan die fur allgemeine Feststellungsklagen geltende Subsidiaritatsklausel des §\n43 Abs. 2 VwGO an. Sie bestimmt insoweit, dass die Verbandsfeststellungsklage\nnach § 13 Abs. 1 Satz 1 BGG in Fallen von allgemeiner Bedeutung auch dann\nzulassig ist, wenn eine Gestaltungs- oder Leistungsklage eines behinderten\nMenschen (und damit auch eine Klage im Wege der Prozessstandschaft nach § 12\nBGG) moglich (gewesen) ware. Dies besagt, dass in Fallen ohne allgemeine\nBedeutung die Verbandsfeststellungsklage entsprechend § 43 Abs. 2 VwGO zur\nKlage des Betroffenen bzw. zur Klage des Verbands als Prozessstandschafter des\nBetroffenen subsidiar ist. In Fallen allgemeiner Bedeutung soll eine solche\nSubsidiaritat dagegen nicht bestehen. Ein anerkannter Verband behinderter\nMenschen soll in diesen Fallen, ohne sich auf die Moglichkeit einer\nRechtsverletzung eines bestimmten behinderten Menschen berufen und von diesem\nein Einverstandnis fur eine Klage nach § 12 BGG einholen zu mussen, einen\nVerstoß gegen eine der in § 13 Abs. 1 Satz 1 BGG aufgefuhrten Vorschriften\ngeltend machen konnen. Dass damit die Verbandsfeststellungsklage in Fallen von\nallgemeiner Bedeutung unabhangig von moglichen Klagen eines Betroffenen\nzulassig sein soll, zwingt jedoch nicht zu dem Schluss, die\nVerbandsfeststellungsklage solle in Fallen von allgemeiner Bedeutung\nhinsichtlich des Rechtsschutzziels an die Stelle einer Betroffenenklage\ntreten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beschrankung der Verbandsklage\nnach § 13 Abs. 1 Satz 1 BGG unzweckmaßig ware oder aus anderen Grunden dem\nWillen des Gesetzgebers nicht entsprache. Denn es bleibt die Befugnis eines\nanerkannten Verbands, einem von einer behordlichen Maßnahme betroffenen\nbehinderten Menschen als Prozessstandschafter nach § 12 BGG zur Seite zur\nstehen und in diesem Verfahren fur diesen auch vorlaufigen Rechtsschutz nach §\n80 VwGO zu verlangen. Im Übrigen raumt die Feststellungsklage gemaß § 13 Abs.\n1 Satz 1 BGG dem Verband teilweise auch umfassendere Klagemoglichkeiten ein.\nDenn wie sich aus § 13 Abs. 2 Satz 2 BGG ergibt, ist die Feststellungsklage\nnach § 13 Abs. 1 Satz 1 BGG auch dann zulassig, wenn die beanstandete Maßnahme\ngegenuber den in eigenen Rechten moglicherweise Betroffenen in Bestandskraft\nerwachsen ist, es sei denn, die angefochtene Maßnahme ist aufgrund einer\nEntscheidung in einem verwaltungs- oder sozialgerichtlichen Streitverfahren\nerlassen worden (§ 13 Abs. 1 Satz 2 BGG). \n--- \n| 18 \n--- \n| Bestatigt wird die hier gefundene Auslegung von den Gesetzesmaterialien. In\nder Begrundung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 14/7420) wird zwar im\nallgemeinen Teil unter Nr. 8 ausgefuhrt, das Gesetz begrunde zusatzlich zur\nRegelung der Prozessstandschaft (in § 12 BGG) mit einer offentlich-rechtlichen\nVerbandsklage die Moglichkeit, auch ohne die Klage eines konkret Betroffenen\ngegen eine benachteiligende Regelung vorzugehen. Zu § 13 BGG heißt es, dem\nklagenden Verband werde die Moglichkeit eingeraumt, die tatsachliche Anwendung\nvon Vorschriften durchzusetzen, die dem Schutz behinderter Menschen dienen.\nDies seien nach der Aufzahlung des § 13 zunachst die unmittelbar im\nBehindertengleichstellungsgesetz geregelten Rechte. Allein aus der Verwendung\ndes Wortes „durchsetzen" lasst sich aber nicht herleiten, dass der Gesetzgeber\nder Verbandsklage nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BGG weitergehende Rechtswirkungen\nbeilegen wollte als es im Wortlaut der Vorschrift zum Ausdruck kommt. Im\nGegenteil macht die weitere Begrundung deutlich, dass es ihm mit der\nBeschrankung der Verbandsklage auf eine Feststellungsklage insbesondere darum\nging, den vorhabenbezogenen Rechtsschutz des Betroffenen, auch mit Hilfe eines\nVerbands nach § 12 BGG, um einen von einer Rechtsverletzung bestimmter\nBetroffener losgelosten Rechtsschutz zu erganzen. Denn es heißt dort weiter,\ndass eine Rechtsverfolgung im Wege einer Verbandsklage vor allem in Betracht\nkomme, um eine mit den Vorschriften des Behindertengleichstellungsgesetzes in\nEinklang stehende Verwaltungspraxis herbeizufuhren. In Abgrenzung zu § 12 sei\ndaher die Verbandsklage als Feststellungsklage ausgestaltet. \n--- \n| 19 \n--- \n| Statthaft ist das Aussetzungsbegehren des Antragstellers auch nicht\ndeshalb, weil die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der\nPlangenehmigung gemaß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, wofur im\nVerhaltnis zum Antragsteller im Übrigen kein Anlass bestand. Denn die\nAnordnung der sofortigen Vollziehung andert nichts daran, dass der\nFeststellungsklage nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BGG keine aufschiebende Wirkung\nzukommt und diese deshalb auch nicht gemaß § 80 Abs. 5 VwGO wiederhergestellt\nwerden kann. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Erfolg hatte der Antrag auf vorlaufigen Rechtsschutz auch dann nicht, wenn\nman ihn entgegen seinem eindeutigen Wortlaut, aber entsprechend dem Begehren\nin der Sache (§ 88 VwGO), dahin auslegte, der Antragsteller erstrebe den\nErlass einer einstweiligen Anordnung gemaß § 123 VwGO mit dem Ziel, dass die\nAntragsgegnerin der Beigeladenen aufgibt, die Beseitigung des schienengleichen\nBahnubergangs vorerst, bis zu einer rechtskraftigen Entscheidung in der\nHauptsache, zu unterlassen und ihn weiter benutzbar zu erhalten. Im Rahmen der\nVerbandsfeststellungsklage nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BGG kann ein\nvorhabenbezogener vorlaufiger Rechtsschutz auch nicht nach § 123 VwGO gewahrt\nwerden. Einem solchen Antrag stunde zwar § 123 Abs. 5 VwGO nicht entgegen.\nDenn ein Fall des § 80 bzw. § 80a VwGO liegt wie oben ausgefuhrt nicht vor.\nGemaß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug\nauf den Streitgegenstand jedoch nur treffen, wenn die Gefahr besteht, dass\ndurch eine Veranderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines\nRechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden konnte.\nDaneben sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorlaufigen\nZustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhaltnis zulassig, wenn diese\nRegelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhaltnissen, um wesentliche\nNachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen\nGrunden notig erscheint. \n--- \n| 21 \n--- \n| Es besteht jedoch weder ein Recht des Antragstellers, dessen Verwirklichung\nohne Erlass einer einstweiligen Anordnung vereitelt oder wesentlich erschwert\nwerden konnte, noch liegt ein streitiges Rechtsverhaltnis zwischen dem\nAntragsteller und der Antragsgegnerin vor, das vorlaufiger Regelung fahig\nware. Wie ausgefuhrt, geht das Recht des Antragstellers in Bezug auf die\nPlangenehmigung nicht daruber hinaus, einen Verstoß gegen die in § 13 Abs. 1\nSatz 1 BGG genannten Vorschriften feststellen zu lassen. Dieses Recht wird\ndurch den Vollzug der Plangenehmigung nicht beeintrachtigt. Ein Aufhebungs-\noder Verpflichtungsanspruch kommt insoweit nur einem betroffenen behinderten\nMenschen zu, nicht aber einem anerkannten Verband. Dementsprechend besteht\nauch kein Recht eines anerkannten Verbands auf eine vorlaufige Aussetzung des\nPlanvollzugs. \n--- \n| 22 \n--- \n| Ebensowenig begrunden die Vorschriften des\nBehindertengleichstellungsgesetzes oder des Eisenbahnrechts in Bezug auf die\nim Streit stehende Plangenehmigung ein Rechtsverhaltnis zwischen dem\nAntragsteller und der Antragsgegnerin. Ungeachtet der Frage, ob und ggf.\nwelchen materiellrechtlichen Inhalt § 2 Abs. 3 Satz 1 EBO fur einzelne\nVorhaben uberhaupt hat, ergeben sich aus dieser Vorschrift jedenfalls keine\nmateriellen Rechte eines nach § 13 Abs. 3 BGG anerkannten Verbands. § 2 Abs. 3\nEBO regelt in Bezug auf einzelne Vorhaben nicht einmal Beteiligungsrechte\neines Verbands fur einzelne Planfeststellungs- bzw. Plangenehmigungsverfahren\nnach § 18 AEG (anders als sie anerkannten Naturschutzvereinen nach § 60 Abs. 2\nBNatSchG zustehen). Zu beteiligen sind nach § 2 Abs. 3 Satz 4 EBO allein\nSpitzenorganisationen von Verbanden, die nach § 13 Abs. 3 BGG anerkannt sind,\nbei Aufstellung von Programmen nach § 2 Abs. 3 Satz 2 und 3 EBO, zur\nGestaltung von Bahnanlagen und Fahrzeugen mit dem Ziel, eine moglichst\nweitreichende Barrierefreiheit fur deren Nutzung zu erreichen; dies schließt\ndie Aufstellung eines Betriebsprogramms mit den entsprechenden Fahrzeugen ein.\nDiese allgemeine, von einzelnen Projekten losgeloste Beteiligungsform\nentspricht der in § 5 BGG geregelten Beteiligungsform an allgemeinen\nZielvereinbarungen. Im Übrigen gilt: Selbst wenn man von einem\nBeteiligungsrecht eines Verbands in Bezug auf einzelne Vorhaben ausginge,\nkonnte er vorlaufigen Rechtsschutz nur insoweit begehren, als ihm die\nBeteiligung versagt wird (vgl. zum vorlaufigen Rechtsschutz bei unterbliebener\nBeteiligung eines Personalrats BVerwG, Beschl. v. 27.07.1990 - 6 PB 12.89 -\nBuchholz 250 § 83 BPersVG Nr. 53 = PersR 1990, 297; OVG LSA, Beschl. v.\n26.05.1999 - A 5 S 3/99 - PersR 2000, 162). Darum geht es vorliegend jedoch\nnicht. Der Antragsteller wurde im Plangenehmigungsverfahren beteiligt. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des\nStreitwerts beruht auf § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n
140,698
olgkarl-2004-12-30-19-ar-1404
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
19 AR 14/04
2004-12-30
2019-01-08 11:07:03
2019-02-12 12:20:18
Beschluss
## Tenor\n\nZustandiges Gericht ist das Landgericht T.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin macht aus eigenem und abgetretenem Recht gegen die Beklagten\nSchadensersatzanspruche aus einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage in Form einer\nstillen Beteiligung an einer Fa. W. F. M. Ltd. geltend. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Beklagte zu 1 ist Treuhander der Fa. W. und fur das Einsammeln und\nWeiterleiten der Anlegergelder im Inland zustandig gewesen. Der Beklagte zu 2\nwar Leiter des „Informationsburos Deutschland" und fur den Vertrieb der von\nder Fa. W. angebotenen stillen Beteiligungen in Deutschland verantwortlich.\nDer Beklagte zu 3 hat der Klagerin und dem Zedenten die Kapitalanlage an der\nFa. W. vermittelt. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Klagerin stutzt die Schadensersatzanspruche gegen den Beklagten zu 1\nauf pVV des Treuhandvertrags zugunsten Dritter sowie auf unerlaubte Handlung\nwegen der Verletzung kapitalmarktrechtlicher Vorschriften, gegen den Beklagten\nzu 2 ebenfalls auf unerlaubte Handlung im Zusammenhang mit der Verletzung\nkapitalmarktrechtlicher Vorschriften und gegen den Beklagten zu 3 auf\nfehlerhafte Anlageberatung. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Beklagten zu 1 und 2 haben ihren Wohnsitz in W. und M., der Beklagte zu\n3 hat seinen Wohnsitz in D. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Klagerin hat gegen die Beklagten Mahnbescheide beantragt und darin als\nfur das streitige Verfahren zustandige Gericht jeweils das Landgericht F.\nangegeben. Nachdem die Beklagten (durch den Beklagten zu 1 als\nProzessbevollmachtigten fur alle) Widerspruch eingelegt haben, wurde das\nVerfahren an das Landgericht F. abgegeben. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| In der Anspruchsbegrundung hat die Klagerin beantragt, das Verfahren\ninsgesamt an das Landgericht T. zu verweisen und beim Oberlandesgericht\nFreiburg Antrag auf Bestimmung des Landgerichts T. als zustandiges Gericht\ngemaß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gestellt. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beklagten sind dem Antrag entgegengetreten und haben geltend gemacht,\nsie wurden sich beim Landgericht rugelos einlassen. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Das Oberlandesgericht Karlsruhe ist gemaß § 36 Abs. 2 ZPO zur Entscheidung\nuber den Antrag auf Bestimmung des zustandigen Gerichts berufen. \n--- \n--- \nIII. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Auf den Antrag der Klagerin war als zustandiges Gericht nach § 36 Abs. 1\nNr. 3 ZPO das Landgericht T. zu bestimmen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Klagerin nimmt die drei Beklagten als Gesamtschuldner in Anspruch; ein\ngemeinsamer Gerichtsstand der Beklagten besteht nicht. Auch wenn nach dem\nKlagvortrag - auf den es ankommt - fur beide Beklagten der Gerichtsstand der\nunerlaubten Handlung mit dem Gerichtsstand am Wohnsitz der Klagerin als\nEintrittsort des Schadens nach § 32 ZPO begrundet ist (vgl. Vollkommer in\nZoller, ZPO 24. Aufl. § 32 Rdn. 16), so gilt dies nicht fur den geltend\ngemachten Anspruch gegen den Beklagten zu 3 (vgl. Vollkommer aaO Rdn. 12). \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Ein gemeinsamer Gerichtsstand ergibt sich auch nicht daraus, dass die\nKlagerin in allen drei Mahnbescheiden als das fur das streitige Verfahren\nzustandige Gericht gemaß § 690 Abs. 1 Nr. 5 ZPO das Landgericht F. angegeben\nhat. Zwar bindet diese Wahl des Gerichtsstands grundsatzlich gemaß § 35 ZPO\n(vgl. BayObLG RPflG 2003, 139), dies gilt aber nicht, wenn das bezeichnete\nGericht nicht zustandig ist (vgl. BayObLG aaO). Damit bleibt es bei der\nZulassigkeit des Verfahrens nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Auch der Umstand, dass sich die Beklagten beim Landgericht F. auf die Klage\neinlassen wollen, begrundet (noch) nicht die Zustandigkeit des Landgerichts F.\nAllerdings wurde durch die rugelose Einlassung nach § 39 ZPO das Landgericht\nF. zustandig. Jedoch sind die Beklagten bis zur mundlichen Verhandlung vor dem\nLandgericht F. - die bisher nicht stattgefunden hat - nicht an ihre\nAnkundigung gebunden (vgl. Vollkommer aaO § 40 Rdn. 8). \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Eine Prorogation gemaß § 38 ZPO - die wiederum eine\nGerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ausschließen wurde - ist\nnicht getroffen worden. Das Zustandekommen eines Prorogationsvertrages richtet\nsich nach materiell-rechtlichen Vorschriften (Vollkommer aaO § 38 Rdn. 5). In\nder Bezeichnung des Landgerichts F. als das fur das streitige Verfahren\nzustandige Gericht liegt aber kein Angebot auf Abschluss eines\nProrogationsvertrages - auch wenn ersichtlich unter keinem Gesichtspunkt das\nLandgericht F. fur das Verfahren zustandig sein konnte. Vielmehr soll im Fall\nder Angabe eines offensichtlich nicht zustandigen Gerichts nach § 690 Abs. 1\nNr. 5 ZPO der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids zuruckgewiesen werden\n(Vollkommer aaO § 690 Rdn. 17). Weitergehende Rechtsfolgen sind der\n„Falschangabe" nicht beizumessen. \n--- \n--- \nIV. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Senat halt es fur angemessen, das Landgericht T. als zustandiges\nGericht zu bestimmen. Dies ist der Gerichtsstand des Beklagten zu 1, der auch\ndie Beklagten zu 2 und 3 vertritt und der damit auch Zugang zu allen\nInformationen durch die Beklagten zu 2 und 3 hat. \n--- \n---\n\n
140,782
vg-freiburg-2005-04-26-4-k-5103
157
Verwaltungsgericht Freiburg
vg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 K 51/03
2005-04-26
2019-01-08 15:52:19
2019-01-17 12:00:57
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDie Klagerin tragt die Kosten des Verfahrens.\n\nDie Berufung wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin wendet sich gegen die Anordnung der Beseitigung eines\nStellplatzes auf ihrem Grundstuck Flst.-Nr. … der Gemarkung F., G.- Straße 71. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die an der - im Stadtteil W. von Norden nach Suden verlaufenden - G.- Straße\ngelegenen, meist Ende des 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts errichteten\nVillengebaude sind fast durchweg etwa funf bis sechs Meter von der\nstraßenseitigen Grundstucksgrenze zuruckversetzt. Zur Straße hin sind\nVorgarten angepflanzt, uber die Fußwege zum Eingang und teilweise auch\ngepflasterte oder geteerte Einfahrten zu neben oder hinter den Gebauden\ngelegenen Garagen oder Stellplatzen fuhren. Das mit einer etwa 1908/10\nerrichteten zweigeschossigen Villa bebaute Grundstuck der Klagerin befindet\nsich im sudlichen Bereich der G.- Straße zwischen L.- und M.- . Im Norden des\nGrundstucks fuhrt neben einer Zufahrt zu einer im ruckwartigen Grundstucksteil\ngelegenen Garage ein Fußweg zur Eingangstur des Gebaudes. \n--- \n| 3 \n--- \n| Fur das Gebiet ostlich und westlich der G.- Straße existiert kein unter\nGeltung des Bundesbaugesetzes bzw. des Baugesetzbuchs erlassener\nBebauungsplan. 1881 bzw. 1882 wurden fur den nordlich der L.- O. Straße\ngelegenen Teil der G.- Straße Straßenfluchten bzw. - kanten und, 5 bis 6 m von\ndiesen zuruckversetzt, Baufluchten festgestellt. Mit Entschließung des\nGroßherzoglich Badischen Bezirksrats vom 26.07.1888 wurde fur die - damals\nnoch geplante - Verlangerung der G.- Straße zwischen L.- Straße und M.- Straße\neine Straßenbreite von 18 m und eine „Bauflucht beiderseits auf 4,50 m Abstand\nhinter der Straßenkante" festgesetzt. Am 28.11.1895 beschloss der Bezirksrat\nfur die Ostseite der verlangerten G.- Straße eine Verlegung der Straßenkante\num 1,5 m nach Westen und damit einen Abstand zwischen Straßenkante bzw.\nStraßenflucht und Bauflucht von 6 m. \n--- \n| 4 \n--- \n| In den Jahren 1999 bis 2000 wurde die Villa auf dem Grundstuck der Klagerin\nrenoviert und umgebaut. Am 27.10.2000 wurde vom Bauordnungsamt der Beklagten\nvor Ort festgestellt, dass nicht nur die Zufahrt zur Garage bzw. der Zugang\nzur Haustur des Gebaudes neu angelegt, sondern dass daruber hinaus, sudlich\nanschließend, im Bereich zwischen straßenseitiger Grundstucksgrenze und der\netwa 5,50 m zuruckversetzten westlichen Gebaudewand, eine Flache von etwa 5\nauf 4,5 m Meter mit Pflastersteinen fur einen Stellplatz bzw. Stellplatze\nbefestigt worden war. Der Architekt der Klagerin trug dazu unter Anderem vor,\ndie Pflasterung stelle weder ein Gebaude noch einen Bauteil dar, musse also\nkeine Bauflucht einhalten. Darauf, wie das Pflaster genutzt werde, komme es\nnicht an. Es sei außerdem von allgemeinem Interesse, dass moglichst viele Pkw\nauf den Grundstucken und nicht auf der Straße abgestellt wurden. Schrag\ngegenuber, auf dem Grundstuck G.- Straße …, befinde sich außerdem unmittelbar\nhinter dem Zaun ebenfalls ein befestigter Stellplatz, der standig als solcher\nbenutzt werde. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Bescheid vom 16.10.2001 gab die Beklagte der Klagerin auf, die in der\nVorzone des Grundstucks angelegten Stellplatze bzw. die Wendeplatte zuruck zu\nbauen. Die Pflasterung im Bereich vor der Bauflucht und außerhalb des Zugangs\nzum Gebaude sowie außerhalb der Garagenzufahrt sei zu entfernen. Zur\nBegrundung wurde im Wesentlichen ausgefuhrt: Nach § 65 Satz 1 LBO konne der\nteilweise oder vollstandige Abbruch einer Anlage angeordnet werden, wenn sie\nformell und materiell rechtswidrig sei und nicht auf andere Weise rechtmaßige\nZustande geschaffen werden konnten. Diese Voraussetzungen seien erfullt. Das\nGrundstuck liege im Bereich eines Baufluchtenplans, der beidseitig entlang der\nG.- Straße eine Bauflucht festsetze. Diese Bauflucht unterteile das Grundstuck\nin eine uberbaubare und eine nicht uberbaubare Grundstucksflache. Die\nangelegten Stellplatze lagen im Bereich der nicht uberbaubaren\nGrundstucksflache und widersprachen somit den Festsetzungen im\nBaufluchtenplan. Das Vorhaben konne auch nicht gemaß § 23 Abs. 5 BauNVO oder\nmit Hilfe einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zugelassen werden. Die\nFestsetzung einer nicht uberbaubaren Grundstucksflache im einfachen\nBebauungsplan habe zur Folge, dass eine Regelung im Sinne des § 23 Abs. 5 Satz\n1 BauNVO vorliege, die eine Zulassung von baulichen Anlagen nach § 23 Abs. 5\nSatz 2 BauNVO ausschließe. Grunde des Wohls der Allgemeinheit, die eine\nBefreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erforderten, seien nicht ersichtlich, weil\ndas Bauvorhaben ausschließlich privaten Zwecken diene. Die Befreiung ware\nzudem stadtebaulich nicht vertretbar, da ein Prazedenzfall fur die gesamte\nUmgebung geschaffen wurde. Es seien auch keine Grunde dafur erkennbar, dass\ndie Durchfuhrung des Bebauungsplans zu einer offensichtlich nicht\nbeabsichtigten Harte fuhren wurde. Der von der Klagerin als Vergleichsfall\nangefuhrte Stellplatz auf dem Grundstuck G.- Straße … sei baurechtlich nicht\ngenehmigt und gleichfalls unzulassig. Ein baurechtliches Verfahren zur\nSchaffung rechtmaßiger Zustande werde eingeleitet. Im Übrigen ware das\nVorhaben auch nicht nach § 34 BauGB zulassig, da sich die bauliche Anlage\nnicht in den begrunten und mit Ausnahme der Grundstuckszugange unversiegelten\nVorgartenbereich einfuge. Die Ruckbauverfugung liege im Ermessen der\nBaubehorde. Ein weniger belastendes Mittel sei nicht ersichtlich. Die\nVerfugung sei auch angemessen, da dem harmonischen Gesamtbild der Umgebung\nmehr Gewicht beizumessen sei als den privaten Interessen der\nGrundstuckseigentumerin. \n--- \n| 6 \n--- \n| Der von der Klagerin am die Klagerin am 16.11.2001 eingelegte Widerspruch\nwurde vom Regierungsprasidium F. mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2002\nzuruckgewiesen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Am 13.01.2003 hat die Klagerin Klage erhoben. Zur Begrundung wird\nvorgetragen: Es bestunden Zweifel an der Wirksamkeit des Baufluchtenplans. So\nverfuge die Beklagte nicht mehr uber ein Original dieses Plans. Abgesehen\ndavon hatten Baufluchten zwar dazu gefuhrt, dass Gebaude an dieser Linie\nhatten errichtet werden mussen. Dies habe aber nur fur Gebaude und nicht fur\nNebenanlagen, insbesondere nicht fur Stellplatze, gegolten. Außerdem habe es\ndamals noch keinen Kfz-Verkehr gegeben, der planerisch hatte gesteuert werden\nmussen. Deswegen hatten die Interessen der Grundstuckseigentumer an der\nErrichtung von Stellplatzen bei der Abwagung nicht berucksichtigt werden\nkonnen. Voraussetzung fur die Überleitung eines Plans nach § 173 Abs. 3 BBauG\nsei jedoch unter anderem, dass eine gerechte Abwagung der beruhrten privaten\nund offentlichen Interessen stattgefunden habe. Die Zulassigkeit von\nStellplatzen konne auch deshalb nicht nach einem Plan aus dem 19. Jahrhundert\nbeurteilt werden, weil heute Stellplatze und Garagen bauordnungsrechtlich\ngrundsatzlich auf den Grundstucken nachgewiesen werden mussten und die\nBauleitplanung daher soweit wie moglich die Voraussetzung fur die Erfullung\nder Stellplatzpflicht schaffen musse. Jedenfalls sei die Bauflucht durch\nabweichende tatsachliche Entwicklungen außer Kraft getreten. Der uber die auf\nvielen Grundstucken vorhandenen Zufahrten fuhrende Verkehr sei fur die\nUmgebungsbebauung deutlich storender und damit stadtebaulich relevanter als\nein Stellplatz unmittelbar an der Straße. Die Funktionslosigkeit der Baulinie\nergebe sich aber zudem aus den zahlreichen Stellplatzen, die in der G.-\nStraße, aber auch in angrenzenden Straßen der naheren Umgebung zugelassen\nworden seien bzw. zumindest geduldet wurden. So fanden sich Stellplatze bzw.\nGaragen vor der Bauflucht auf den Grundstucken B.- Straße … und …, Sch.-\nStraße …, … und …, G.- Straße …, …, …, …, … und …, H.- Straße …, …, … und …\nsowie S.- Straße …, …, … und …. Zudem wurden die vorhandenen befestigten\nZufahrten im vorderen Grundstucksbereich vielfach zum Abstellen von\nKraftfahrzeugen genutzt. Die Zulassigkeit des Stellplatzes richte sich daher\nnach § 34 BauGB. Er fuge sich in die nahere Umgebung ein, weil sich schrag\ngegenuber ihrem Grundstuck auf dem Grundstuck G.- Straße 60 seit etwa vierzig\nJahren ein befestigter Stellplatz befinde, der von der Beklagten geduldet\nwerde. Bis heute habe sie nicht dessen Ruckbau angeordnet. Fursorglich werde\ndarauf hingewiesen, dass jedenfalls eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zu\ngewahren ware. Dabei sei zu berucksichtigen, dass angeboten worden sei, den\nStellplatz durch eine Hecke zu verdecken, und dass direkt gegenuber bereits\nseit etwa 1963 ein Stellplatz bestehe. Die Beseitigungsverfugung sei zudem\nunbestimmt. Sie verstoße gegen Art. 3 GG, weil es im gesamten Stadtbereich\neine Vielzahl von Stellplatzen außerhalb von Baufluchten gebe. Die Verfugung\nsei auch im Übrigen ermessensfehlerhaft. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 9 \n--- \n| den Bescheid der Beklagten vom 16.10.2001 und den Widerspruchsbescheid des\nRegierungsprasidiums F. vom 09.12.2002 aufzuheben. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 11 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Erganzend zu den Grunden in den angefochtenen Bescheiden wird dargelegt: Die\nBeklagte sei immer davon ausgegangen, dass die amtlich festgestellten\nBaufluchten uberbaubare und nicht uberbaubare Grundstucksflachen definierten.\nDies werde durch die Genehmigungspraxis des Bauordnungsamts sowie die\ntatsachlichen Verhaltnisse dokumentiert. So seien in der naheren Umgebung in\nden letzten Jahren im ruckwartigen Bereich der Grundstucke bzw. seitlich der\nGebaude mehrere Garagen bzw. Stellplatze genehmigt worden (G.- Straße …, …, …,\n…, …, …, …, … und …), aber nie in der - abgesehen von dem Grundstuck G.-\nStraße … \\- noch intakten Vorgartenzone. In Entwurfen zu einer\nVorgartensatzung aus den Jahren 1982, 2000 und 2004 sei jeweils vorgesehen\ngewesen, die Errichtung von Garagen und Stellplatzen in den Vorzonen zu\nverbieten. Das Vorhaben, eine entsprechende Satzung zu erlassen, sei noch\nnicht aufgegeben worden; es werde aber insbesondere uber die Frage diskutiert,\nfur welche Stadtteile die Satzung gelten solle. Eine Ausnahme von der\nFestsetzung der Bauflucht im Baufluchtenplan gem. § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO\nwerde nicht erteilt. Der Beklagten sei zwar insoweit ein Ermessensspielraum\neroffnet, innerhalb dessen die Interessen des Bauherrn, der Nachbarn und der\nAllgemeinheit unter- und gegeneinander abzuwagen seien. Auch spreche fur das\nInteresse der Klagerin, dass die Einfahrt in die Garage nicht einfach und der\nStellplatz bereits fertiggestellt sei und dass dieser aufgrund der massiven\nEinfriedigungen nicht besonders augenfallig in Erscheinung trete. Auf der\nanderen Seite sei aber zu bedenken, dass die Zufahrt auch anders hatte\nangelegt werden konnen. Ferner konne der Stellplatz ohne großen Aufwand wieder\nbeseitigt werden. Entscheidend spreche fur ein Interesse der Allgemeinheit an\neiner Beseitigung des Stellplatzes, dass dieser trotz seiner Unauffalligkeit\neine negative Vorbildwirkung ausuben wurde. Eine Selbstbindung der Verwaltung\nbestehe nicht. Der Stellplatz auf dem Grundstuck G.- Straße 60 sei ebenfalls\nnicht genehmigt. Die Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB oder\neiner Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB schieden aus. Ausnahmen seien im Plan\nnicht vorgesehen. Bei einer Befreiung waren die Grundzuge der Planung\nbetroffen. Selbst wenn man von einer Unwirksamkeit des Baufluchtenplans\nausginge, ware das Bauvorhaben unzulassig, weil es sich nicht nach § 34 Abs. 1\nBauGB in die Eigenart der naheren Umgebung einfugen wurde. Der Stellplatz auf\ndem Grundstuck G.- Straße 60 ware nur dann als vorhandene Bebauung zu\nberucksichtigen, wenn er von der zustandigen Behorde in einer Weise geduldet\nworden ware, die keinen Zweifel daran lasse, dass sich diese mit dem\nVorhandensein der Anlage abgefunden habe. Eine derartige Duldung habe hier\nnicht bestanden. Sie habe erst im Laufe des vorliegenden Verfahrens Kenntnis\nvon der Anlage erhalten. Rechtmaßige Zustande konnten auch nicht auf andere\nWeise hergestellt werden. \n--- \n| 13 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung hat die Kammer das Grundstuck der Klagerin\nFlst.-Nr. …, G.- Straße …, sowie die nahere Umgebung in Augenschein genommen.\nWegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift\nverwiesen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Dem Gericht liegen die von der Beklagten vorgelegten Baugenehmigungsakten,\ndie Widerspruchsakten des Regierungsprasidiums F. sowie die Akten des\nTiefbauamts der „Hauptstadt F." uber Straßen und Wege - W. - H.- Gebiet - aus\nden Jahren 1887 bis 1908 und ein von der Beklagten vorgelegtes\n„Straßenverzeichnis" (jeweils ein Heft) vor. Der Inhalt dieser Akten und der\nGerichtsakten war Gegenstand der mundlichen Verhandlung; hierauf wird\nerganzend Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, aber nicht begrundet. Der Bescheid der Beklagten\nvom 16.10.2001 und der Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums F. vom\n09.12.2002 sind rechtmaßig und verletzen den Klager nicht in seinen Rechten (§\n113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). \n--- \n| 16 \n--- \n| Rechtsgrundlage der Verfugung vom 16.10.2001, mit der der Klagerin - in\nhinreichend bestimmter Form - aufgegeben wurde, den auf ihrem Grundstuck neben\nder Zufahrt bzw. dem ebenfalls gepflasterten Weg zur Eingangstur ihres\nGebaudes angelegten Stellplatz zuruckzubauen und die Pflasterung zu entfernen,\nist § 65 Satz 1 LBO. Danach kann der teilweise oder vollstandige Abbruch einer\nAnlage, die im Widerspruch zu offentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet\nwurde, angeordnet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmaßige Zustande\nhergestellt werden konnen. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift\nliegen vor (dazu unter I.); ein Ermessensfehler der Behorde ist nicht\nerkennbar (II.). \n--- \nI. \n--- \n| 17 \n--- \n| 1\\. Nach standiger Rechtsprechung (vgl. nur VGH Bad.-Wurtt., Urt. v.\n16.06.2003 - 3 S 2436/02 - , BRS 66 Nr. 195, m.w.N.) setzt der Erlass einer\nAbbruchverfugung voraus, dass das betreffende Vorhaben nicht durch eine\nBaugenehmigung oder eine Zustimmung (§ 70 LBO) gedeckt ist (sog. formelle\nBaurechtswidrigkeit) und seit seiner Errichtung fortlaufend im Widerspruch zum\nmateriellen Baurecht steht (materielle Baurechtswidrigkeit). Das ist hier der\nFall. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Klagerin bedurfte zur Pflasterung der etwa 22,5 qm großen Flache\nsudlich der Zufahrt zur Garage bzw. dem Weg zur Haustur, die unstreitig als\nStellplatzflache genutzt werden soll, zwar keiner Baugenehmigung (vgl. §§ 49\nAbs. 1, 50 Abs. 1 i.V.m. Nr. 64 des Anhangs zu § 50 LBO). Der Stellplatz, der\nein Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB darstellt (vgl. dazu Krautzberger\nin: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: 01.09.2004, § 29 Rd.-Nrn. 28 und\n50 ff., m.w.N.), widerspricht jedoch Bauplanungsrecht und ist damit materiell-\nrechtlich unzulassig. Seine planungsrechtliche Zulassigkeit richtet sich nach\n§ 30 Abs. 1 BauGB, sofern und soweit vom Bestehen eines einfachen oder\nqualifizierten Bebauungsplans auszugehen ist, ansonsten bzw. gegebenenfalls\nerganzend nach § 34 BauGB (vgl. § 30 Abs. 3 BauGB). Er verstoßt gegen\nFestsetzungen eines Ortsstraßenplans der Beklagten aus dem Jahr 1888, der als\nubergeleiteter einfacher - Bebauungsplan weiterhin anzuwenden ist (dazu unter\na). Im Übrigen ware er auch bei einer Beurteilung nach § 34 BauGB nicht\nzulassig, weil er sich nicht in die nahere Umgebung einfugt (b). \n--- \n| 19 \n--- \n| a) Der Stellplatz widerspricht der 1888 in einem Ortsstraßenplan\nfestgesetzten Bauflucht, die zur Folge hatte und auch noch heute hat, dass der\nBereich zwischen straßenseitiger Grundstucksgrenze und der ostlich davon,\nentlang der westlichen Außenwand des heutigen Hauptgebaudes, verlaufenden\nBauflucht nicht uberbaubar ist. \n--- \n| 20 \n--- \n| aa) Nach den von der Beklagten vorgelegten Akten des Tiefbauamts „der\nHauptstadt F." uber „Straßen und Wege, W., H.- Gebiet" aus den Jahren 1887 bis\n1908 ist davon auszugehen, dass unter Geltung des Badischen\nOrtsstraßengesetzes - Bad. OStrG - vom 20.02.1868 (Großherzogliches\nRegierungsblatt S. 286 ff.) in der Fassung vom 03.03.1880 (Gesetz- und\nVerordnungsblatt = G. u. V.O.B., S. 47 ff.) jedenfalls fur die ostlich der G.-\nStraße und zwischen M.- Straße sowie L.- Straße gelegenen Grundstucke in einer\nEntfernung von zunachst 4,5 m, spater - nach Verlegung der Straßenkante bzw.\n-flucht durch Entscheidung vom 28.11.1895 - von 6 m von der Straßenkante, eine\nvon Norden nach Suden verlaufende Bauflucht festgesetzt worden ist. Dabei kann\noffen bleiben, ob einer oder mehrere der in den Akten enthaltenen Plane mit\nder betreffenden Bauflucht das Original des Ortsstraßenplans darstellen oder\nnur Abschriften. Allein der Verlust eines Bebauungsplandokuments kann namlich\nnicht zur Annahme der Unwirksamkeit oder dem Außerkrafttreten des betreffenden\nPlans fuhren (BVerwG, Beschl. v. 01.04.1997 - 4 B 206.96 -, NVwZ 1997, 890;\nUrt. v. 17.06.1993 - 4 C 7.91 - NVwZ 1994, 281; ebenso VGH Bad.-Wurtt., Urt.\nv. 23.01.1998 - 8 S 2430/97 - und v. 04.12.2003 - 5 S 1746/02 -, BauR 2004,\n1498 [Ls.], juris). Vielmehr kann das Bestehen einer planerischen Festsetzung\nauch mit Hilfe anderer Unterlagen nachgewiesen werden, die die betreffende\nFestsetzung enthalten oder beschreiben. Das ist hier der Fall. Die Bauflucht\nostlich der G.- Straße ist Gegenstand diverser in den vorliegenden Akten\nenthaltener Dokumente (Abschrift der Bekanntmachung des Erkenntnisses des\nBezirksrats vom 26.07.1988 uber Festsetzung der Bauflucht in einer Entfernung\nvon 4,5 m von der Straßenkante, VAS. 59; Ausfertigung einer Entscheidung des\nBezirksrats vom 28.11.1895 „die Abanderung der Bauflucht an der G.- Straße\nbetreffend", VAS. 198; vgl. auch VAS. 181 ff., 199, 337, 347 ff.) und ist in\nmehreren Planen als „beantragte Bauflucht" (VAS. 115), als Bauflucht (VAS. 61,\n65, 91, 151) bzw. als „amtlich genehmigte und beibehaltene Bauflucht" (VAS.\n191, 207) eingezeichnet. Sie ist zudem in einem Übersichtsplan neueren Datums\nuber die in der weiteren Umgebung der G.- Straße genehmigten Straßenkanten und\nBaufluchten (Anlage zur Niederschrift uber die mundliche Verhandlung vom\n26.04.2005 in diesem Verfahren) enthalten. \n--- \n| 21 \n--- \n| Anhaltspunkte dafur, dass die Festsetzung unwirksam gewesen ware, bestehen\nnicht. Insbesondere kann nicht allein wegen des Fehlens weiterer Unterlagen\nuber das Feststellungsverfahren (z.B. des Großherzoglich Badischen\nBezirksrats) mehr oder weniger spekulativ die Moglichkeit von Mangeln im\nRechtssetzungsverfahren unterstellt werden (BVerwG, Beschl. v. 01.04.1997 - 4\nB 206.96 -, a.a.O.). \n--- \n| 22 \n--- \n| bb) Die nach dem Badischen Ortsstraßengesetz festgesetzte Bauflucht\nentsprach im Wesentlichen einer Baulinie nach heutigem Recht (vgl. § 23 Abs.\n1, 2 und 5 BauNVO). Sie hat zur Folge, dass der Bereich zwischen\nstraßenseitiger Grundstucksgrenze und der ostlich davon, entlang der\nwestlichen Außenwand des Gebaudes auf dem Grundstuck der Klagerin,\nverlaufenden Bauflucht nicht uberbaubar ist. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Festsetzung einer Bauflucht in einem Ortsstraßenplan nach dem Badischen\nOrtsstraßengesetz (vom 20.02.1868, vom 03.03.1880, vom 26.06.1890, vom\n06.07.1896, vom 20.08.1904, vom 15.10.1908 oder spater) hatte - wie heute die\nFestsetzung einer Baulinie (vgl. § 23 Abs. 2 BauNVO) - die Folge, dass Gebaude\nmit ihrer zur Straße gerichteten Gebaudewand entlang dieser Linie errichtet\nwerden mussten. Sie durften die Linie dabei namlich nicht nur - wie das bei\nBaugrenzen nach heutigem Recht der Fall ist (vgl. § 23 Abs. 3 BauNVO) - nicht\nuberschreiten, sondern auch - wie bei Baulinien nach heutigem Recht (vgl. § 23\nAbs. 2 BauNVO) - nicht hinter dieser zuruckbleiben (so genannte positive\nFunktion der Bauflucht). Dem Wortlaut der entsprechenden Vorschriften nach\n(vgl. aber Walz, Badisches Ortsstraßenrecht, 1900, Art. 7, S. 119, 121; Flad,\nDas badische Ortsstraßengesetz, 1909, S. 214) galt diese Verpflichtung\nzunachst wohl nur fur Gebaude und Gebaudeteile, die uber die Straßenoberflache\nhinausragten, und auch spater nur fur Gebaude. So bestimmten Art. 7 Bad. OStrG\n1868 und 1880 (abgedruckt bei Walz, a.a.O.): „Den Bauunternehmern gegenuber\nhat die Feststellung des Bauplans die Wirkung, dass fur die auszufuhrenden\nBauten die festgesetzte Straßenhohe und fur die nach der Ortsstraße gerichtete\nSeite eines Gebaudes, soweit sie uber die Straßenflache hervorragt, die\nfestgestellte Bauflucht maßgebend ist." § 9 Bad. OStrG 1908 (abgedruckt bei\nFlad, a.a.O.) lautete: „Fur Bauten auf dem an die geplanten Ortsstraßen\nangrenzenden Gelande hat die Feststellung des Ortsstraßenplans die Wirkung,\ndass dafur die festgesetzte Straßenhohe und fur die nach der Ortsstraße\ngerichtete Gebaudeseite mit der aus Abs. 3 und 4 sich ergebenden Einschrankung\ndie festgestellte Bauflucht maßgeblich ist". \n--- \n| 24 \n--- \n| Daruber hinaus fuhrte eine solche, nicht mit der Straßenkante bzw.\nStraßenflucht zusammenfallende, Bauflucht aber dazu, dass fur den zwischen\nStraßenflucht und Bauflucht gelegenen Bereich (der als so genannte\n„Vorgartenflache" dem Straßenkorper zuzurechnen war) grundsatzlich ein\nBauverbot bestand (so genannte negative Funktion). Auch nach heutigem Recht\ngibt es neben der in § 23 Abs. 2 BauNVO im Wesentlichen nur die fur Gebaude\nbzw. Gebaudeteile geregelten positiven Funktion einer Baulinie diese weitere\nRechtsfolge (§ 23 Abs. 1 und 5 BauNVO; vgl. hierzu Fickert/Fieseler, BauNVO,\n10. Aufl. 2002, § 23 Rd.-Nrn. 12.2 und 20; Bielenberg, in:\nErnst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., Band 5, § 23 BauNVO Rd.-Nr. 55). Mit der\nFestsetzung einer Bauflucht nach dem Badischen Ortsstraßengesetz konnte nicht\nnur eine Flache fur eine mogliche Straßenverbreiterung freigehalten werden;\nvielmehr diente sie bei Wohnstraßen auch bzw. allein der Verschonerung des\nStraßenbilds und der Verbesserung der Licht- und Luftverhaltnisse (Walz,\na.a.O., S. 41 f.; vgl. auch Roth, Badische LBO, II. Aufl. 1909, S. 66 f., 242\nf.). Diese negative Funktion der Straßenplane war zwar in dem Badischen\nOrtsstraßengesetz zunachst nicht ausdrucklich geregelt, wurde aber in anderen\nVorschriften stillschweigend vorausgesetzt. So bestimmte Art. 17 Bad. OStrG\n1868, dass Eigentumer, die „einer angeordneten Vorgartenanlage wegen" genotigt\nwerden, „einen Teil ihres Gelandes unuberbaut liegen zu lassen", keine\nEntschadigung verlangen konnen (ahnlich § 28 Bad. OStrG 1896; vgl. zum Ganzen\nausfuhrlich Walz, a.a.O., Art. 7 , S. 114 ff., Art. 28, S. 297 ff.; Flad,\na.a.O, S. 75 f., 213). In § 9 Abs. 2 Bad. OStrG 1908 wurde erstmals\nausdrucklich geregelt, dass die Planfeststellung unter anderem „hinsichtlich\ndes Vorgartengelandes die Wirkung" hat, „dass die Überbauung sowie der Um- und\nAusbau daselbst bestehender Gebaude .... untersagt ist". Die Geltung dieses\nBauverbots war dabei weder auf Gebaude noch etwa auf Bauten im Sinne der\njeweils geltenden Badischen Landesbauordnung beschrankt; vielmehr erfasste es\nalle Maßnahmen baulicher Art, einschließlich unterirdischer, wie zum Beispiel\nKeller. Das „Vorgartengelande" war insgesamt nicht uberbaubar (vgl. dazu\nausfuhrlich Walz, a.a.O., Art. 28, 299 ff.; ahnlich heute: vgl. § 23 Abs. 5\nBauNVO, vgl. Bielenberg, a.a.O., BauNVO, § 23 Rd.-Nr. 55). Ausgenommen waren\nanfanglich allenfalls Einfriedigungen oder solche Bauten, die mit der\nBestimmung einer Ortsstraße vereinbar oder geradezu als „Zubehor" einer\nsolchen anzusehen seien, z.B. Anschlagsaulen, Bedurfnisanstalten, offentliche\nDenkmaler, Ruhebanke, Marktstande (so Walz, a.a.O., Art. 28, S. 303 ff., 318).\nAb Inkrafttreten des Ortsstraßengesetzes vom 15.10.1908 konnten außerdem unter\nbestimmten Voraussetzungen Ausnahmen gestattet werden (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 2,\nAbs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 Bad. OStrG 1908). \n--- \n| 25 \n--- \n| cc) Der Ortsstraßenplan aus dem Jahr 1888 mit der uber das Grundstuck der\nKlagerin fuhrenden Bauflucht ist mit den angefuhrten Rechtsfolgen nach § 173\ndes Bundesbaugesetzes - BBauG - 1960 wirksam ubergeleitet worden und heute\nnoch als so genannter einfacher Bebauungsplan zu beachten. \n--- \n| 26 \n--- \n| Nach § 173 Abs. 3 BBauG 1960 gelten bei Inkrafttreten des Gesetzes (gemeint\nist das Inkrafttreten des Ersten bis Dritten Teils des BBauG 1960 am\n29.06.1961) bestehende baurechtliche Vorschriften und festgestellte\nstadtebauliche Plane als Bebauungsplane fort, soweit sie verbindliche\nRegelungen der in § 9 BBauG 1960 bezeichneten Art enthalten, also einen Inhalt\nhatten, der nach § 9 BBauG 1960 Inhalt eines Bebauungsplans sein kann (vgl.\nBVerwG, Urt. v. 20.10.1972 - IV C 14.71 -, BVerwGE 41, 67). Das ist bei der im\nOrtsstraßenplan festsetzten Bauflucht der Fall (vgl. § 9 Abs. 1 b BBauG 1960). \n--- \n| 27 \n--- \n| Es bestehen keine Anhaltspunkte dafur, dass der Plan deshalb nicht wirksam\nubergeleitet worden ware, weil er zum Zeitpunkt seiner Feststellung - nach den\ndamals geltenden Anforderungen - oder aber zum Zeitpunkt der Überleitung nicht\ndem Gebot gerechter Abwagung der beruhrten Belange entsprochen hatte (vgl. zu\nden Anforderungen im Einzelnen BVerwG, Urt. v. 20.10.1972 - IV C 14.71 -,\na.a.O., und v. 11.05.1973 - IV C 39.70 -, Buchholz 406.11 § 173 BBauG Nr. 12).\nDabei ist zu berucksichtigen, dass die Anforderungen an den Abwagungsvorgang\nund das Abwagungsergebnis nicht den Maßstaben des Bundesbaugesetzes 1960 oder\ndes Baugesetzbuchs entsprechen konnen und mussen (BVerwG, Beschl. v.\n29.12.1988 und v. 20.10.1972, a.a.O.). Da bei ubergeleiteten alten Planen der\nAbwagungsvorgang regelmaßig - und so auch im vorliegenden Fall - nicht mehr\nnachvollzogen werden kann, weil er nicht oder nicht vollstandig dokumentiert\nist oder weil eine solche Dokumentation untergegangen ist, kommt dem im Inhalt\ndes Plans zum Ausdruck kommenden Abwagungsergebnis die maßgebliche Bedeutung\nfur die Beurteilung einer rechtsstaatlichen Abwagung zu. Eine Überleitung\nkommt hiernach (nur) dann nicht in Betracht, wenn sich aus den konkreten\nFestsetzungen des betreffenden Plans ergibt, dass der Ausgleich der\nkonkurrierenden Interessen außer Verhaltnis zur objektiven Gewichtigkeit\neinzelner Belange steht bzw. stand (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.10.1972, a.a.O.).\nDas ist hier nicht ersichtlich. Insbesondere kann nicht allein aufgrund der\nTatsache, dass Stellplatze fur Kraftfahrzeuge zum Zeitpunkt der Festsetzung\nder Bauflucht nicht bekannt waren und deren planerische Bedeutung nicht nur\nwegen der Zunahme des Verkehrs, sondern auch wegen der bauordnungsrechtlichen\nStellplatzpflicht erst spater immer mehr zunahm, auf einen relevanten\nAbwagungsfehler geschlossen werden. Abgesehen davon, dass es auch Ende des 19.\nJahrhunderts bereits Abstellplatze bzw. Remisen fur Droschken und Kutschen\ngegeben haben durfte, ist es bauplanerischen Festsetzungen immanent, dass bei\nihrem Erlass nicht immer jede zukunftige Entwicklung vorhergesehen und in die\nAbwagung einbezogen werden kann. Auch zum Zeitpunkt der Überleitung 1960\nerscheint die Festsetzung von ihrem Ergebnis her nicht abwagungsfehlerhaft.\nSchließlich ist zu bedenken, dass im ruckwartigen Bereich der Grundstucke in\nder Regel genugend Raum fur Stellplatze und Garagen vorhanden war und dieser\noffensichtlich auch als solcher genutzt wurde (nach den vorliegenden Kopien\nalter Plane fur die etwa 1908 bis 1910 errichtete Villa des Klagers war\nbereits damals im Keller ein „Automobilraum" mit einer Zufahrt von Westen her\nvorhanden, vgl. AS. 49 der Baugenehmigungsakten). \n--- \n| 28 \n--- \n| Der danach wirksam ubergeleitete Plan gilt gemaß § 233 Abs. 3 BauGB weiter\nfort. Entgegen der Auffassung der Klagerin ist er auch nicht wegen\nFunktionslosigkeit außer Kraft getreten. Allein das Verstreichen eines langen\nZeitraums fuhrt nicht zum Unwirksamwerden einer bauplanungsrechtlichen\nFestsetzung. Funktionslos kann ein Plan oder konnen einzelne Festsetzungen\neines Plans zwar werden, wenn die Festsetzungen auf unabsehbare Zeit\nschlechterdings nicht mehr realisiert werden konnen, ihre sinnvolle\nDurchsetzung mithin ganzlich unmoglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.1977 -\nIV C 39.75 -, BRS 32 Nr. 28). Die tatsachliche Bebauung entlang der G.- Straße\nhat sich aber hier nicht in einer solchen Weise entwickelt, dass die\nfestgesetzte, ostlich der G.- Straße von der M.- Straße bis zur L.- Straße\nfuhrende Bauflucht erkennbar aufgegeben worden ware oder sich nicht mehr\nverwirklichen ließe. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Auswirkungen der Festsetzungen aus den Jahren 1888 auf die Anordnung\nder vorhandenen Gebaude und baulichen Anlagen sind im Gegenteil sehr deutlich\nerkennbar. Die Kammer hat bei der Inaugenscheinnahme des Grundstucks der\nKlagerin und der naheren Umgebung in der mundlichen Verhandlung festgestellt,\ndass - abgesehen von untergeordneten Gebaudeteilen wie Erkern - alle\nHauptgebaude mit ihrer straßenseitigen Gebaudewand einen Abstand von etwa 5,50\nm zur Grenze des Grundstucks zum angrenzenden Gehweg einhalten. Warum der\nAbstand nicht 6 m betragt, wie im Ortsstraßenplan in der Fassung von 1895\nvorgesehen, kann hier offen bleiben; moglicherweise wurde wegen des Gehwegs\neine Verbreiterung der Straßenflache erforderlich. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Bauflucht ist im Übrigen auch hinsichtlich ihrer weiteren Rechtsfolge\neines Bauverbots fur den Bereich zwischen Bauflucht und Straßenkante - heute\nGrundstucksgrenze - ersichtlich weiter relevant. Dieser Bereich ist bei allen\nostlich der G.- Straße zwischen der M.- Straße und der L.- Straße gelegenen\nGrundstucken als Vorgarten angelegt und genutzt (G.- Straße …, …, …, … und …)\nbzw. begrunt (nicht bebautes, im ruckwartigen Bereich als Parkplatz genutztes\nGrundstuck Flst.-Nr. …). Die in der „Vorzone" vorhandenen Einfriedigungen und\nZufahrten zu hinter der Bauflucht gelegenen Stellplatzen und die Zugange zu\nden Hauseingangen konnten wohl - wie ausgefuhrt - als Ausnahmen zugelassen\nwerden .(z.B. nach § 9 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Bad. OStrG 1908). Ihr\nVorhandensein beeintrachtigt jedenfalls - im Gegensatz zu Stellplatzen fur\nKraftfahrzeuge - das mit der Festsetzung einer Bauflucht ebenfalls verfolgte\nZiel der Verschonerung des Straßenbilds nur unerheblich und fuhrt daher nicht\nzur Funktionslosigkeit der Bauflucht. \n--- \n| 31 \n--- \n| Auch die Tatsache, dass im hier zu betrachtenden Abschnitt zwischen der M.-\nStraße und der L.- Straße auf einem Grundstuck, dem Grundstuck Flst.-Nr. …,\nG.- Straße …, einer der Stellplatze etwa einen halben bis einen Meter in diese\n„Vorgartenzone" hineinragt, bedeutet nicht, dass das durch die Bauflucht\nbewirkte Bauverbot insgesamt unwirksam geworden ware. \n--- \n| 32 \n--- \n| dd) Der danach weiter zu beachtenden Bauflucht widerspricht der auf dem\nGrundstuck der Klagerin bereits angelegte Stellplatz, weil er vor dieser und\ndamit auf einer nicht uberbaubaren Flache errichtet wurde. Wie ausgefuhrt,\ngalt und gilt das als Folge der Bauflucht bestehende Bauverbot fur die Flache\nzwischen Bauflucht und Straßenkante grundsatzlich fur jede bauliche Anlage,\nvor allem auch fur einen Stellplatz. Dabei ist nicht nur die mit\nPflastersteinen oder mit anderen Materialien befestigte Erdoberflache in den\nBlick zu nehmen, sondern auch dessen bestimmungsgemaße Nutzung zum\nregelmaßigen Abstellen eines Kraftfahrzeugs zu berucksichtigen (vgl. § 2 Abs.\n8 Satz 1 LBO, Sauter, LBO, Stand: Dez. 2004, § 2 Rd.-Nr. 104). \n--- \n| 33 \n--- \n| b) Die Beklagte hat im Übrigen zu Recht darauf abgestellt, dass der\nStellplatz selbst dann als planungsrechtlich unzulassig anzusehen ware, wenn\nder Ortsstraßenplan mit der Bauflucht aus dem 19. Jahrhundert wegen\nanfanglicher Unwirksamkeit, fehlender Überleitung oder nachtraglichem\nAußerkrafttreten nicht anzuwenden ware. Er ware dann insgesamt nach § 34 Abs.\n1 BauGB zu beurteilen. Der Stellplatz fugt sich jedoch hinsichtlich der\nGrundstucksflache, die uberbaut werden soll, nicht ein im Sinne des § 34 Abs.\n1 Satz 1 BauGB. \n--- \n| 34 \n--- \n| Nach dieser Vorschrift ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile\nein Vorhaben zulassig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung,\nder Bauweise und der Grundstucksflache, die uberbaut werden soll, in die\nEigenart der naheren Umgebung einfugt und die Erschließung gesichert ist. Zur\nnaheren Umgebung zu rechnen sind dabei nach Auffassung der Kammer bei der hier\nstreitigen Frage, ob die Errichtung eines Stellplatzes hinsichtlich der\nuberbaubaren Grundstucksflache im Bereich zwischen Straße und Hauptgebaude\nbauplanungsrechtlich zulassig ist, nur die ostlich der G.- Straße gelegenen\nGrundstucke G.- Straße …, …, … und … . Nach Westen hin stellt die G.- Straße\ninsoweit eine deutlich Zasur da, nach Norden das Wegegrundstuck Flst.-Nr. …\n(auf dem fruher eine Bahnlinie verlief) und das unbebaute Grundstuck Flst.-Nr.\n… . Die danach maßgebliche Umgebungsbebauung entspricht der, die sich bei\nFestsetzung einer Baulinie nach heutigem Recht ergabe (vgl. zu „faktischen\nBaugrenzen oder Baulinien": BVerwG, Urt. v. 21.11.1980 - 4 C 30.78 -, DVBl\n1981, 100; Beschl. v. 23.11.1998 - 4 B 29.98 -, NVwZ-RR 1999, 364 u.v.\n06.11.1997 - 4 B 172.97 -, NVwZ-RR 1998, 539; Sofker, a.a.O., § 34 Rd.-Nr.\n47). Wie ausgefuhrt, befinden sich die straßenseitigen Außenwande der\nvorhandenen Gebaude in einer Entfernung von etwa 5,50 m zum Gehweg. Die\nVorgarten bzw. der Bereich vor dieser Linie sind jeweils als Garten angelegt\nund bei allen Grundstucken - bis auf die Einfriedigungen an der\nstraßenseitigen Grundstucksgrenze und die Zufahrten zu Stellplatzen oder\nGaragen im hinteren Bereich der Grundstucke sowie die Fußwege zu den Gebauden\n- frei von baulichen Anlagen. In die so gepragte nahere Umgebung fugt sich ein\nStellplatz im Vorgarten hinsichtlich der uberbaubaren Grundstucksflache nicht\nein. Dabei ist auch insoweit nicht allein die Pflasterung maßgeblich, sondern\ndie Nutzung als Abstellplatz. Wie ausgefuhrt, ist ein Stellplatz namlich zur\nNutzung zum regelmaßigen Abstellen eines Kraftfahrzeugs bestimmt und\nunterscheidet sich dadurch maßgeblich von den Zufahrten, selbst wenn darauf ab\nund zu vorubergehend Kraftfahrzeuge, zum Beispiel von Besuchern, geparkt\nwerden sollten. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Kammer weist erganzend darauf hin, dass der Stellplatz auf dem\nGrundstuck der Klagerin selbst dann nicht nach § 34 BauGB planungsrechtlich\nzulassig ware, wenn man zur maßgeblichen Umgebungsbebauung zudem die westlich\nder G.- Straße gelegenen Grundstucke G.- Straße …, …, …, … und … rechnen\nwurde. Auch auf diesen Grundstucken ist die Bauflucht deutlich zu erkennen.\nAllerdings befindet sich auf dem Grundstuck G.- Straße … direkt hinter dem\nstraßenseitigen Zaun ein Stellplatz. Dieser ist jedoch nach dem Vortrag der\nBeklagten weder genehmigt noch will sie ihn dulden. Der Eigentumer des\nGrundstucks wurde bereits zur Frage einer Beseitigung angehort. Der Vertreter\nder Klagerin hat zwar in der mundlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass\ndem Bauordnungsamt vom Eigentumer des Grundstucks G.- Straße … bereits 1982 im\nZusammenhang mit einem Antrag auf Abgeschlossenheitsbescheinigung Plane und\nPhotos mit dem Stellplatz vorgelegt worden seien und ausweislich eines\nVermerks damals eine Ortsbesichtigung durchgefuhrt worden sei, so dass das\nBauordnungsamt Kenntnis von dem Stellplatz gehabt habe. Nicht genehmigte und\nnicht genehmigungsfahige bauliche Anlagen sind jedoch nur zu berucksichtigen,\nwenn sie von den zustandigen Behorden in einer Weise geduldet werden, die\nkeinen Zweifel daran lasst, dass sie sich mit dem Vorhandensein der\nbetreffenden Anlage abgefunden haben (BVerwG, Urt. v. 06.11.1968 - 4 C 31.66\n-, BVerwGE 31, 22; Sofker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 34 Rd.-Nr.\n35 m.w.N.). Davon kann hier wohl eher nicht ausgegangen werden. Letztlich kann\ndiese Frage hier aber offen bleiben. Abgesehen davon steht der Stellplatz auf\ndem Grundstuck G.- Straße … namlich in einem solchen Kontrast zu der ubrigen\nBebauung, dass er als Fremdkorper unbeachtlich ware (vgl. BVerwG, Beschl. v.\n11.02.2000 - 4 B 1.00 -, BRS 63 Nr. 102, m.w.N.). \n--- \n| 36 \n--- \n| 2\\. Es ist nicht erkennbar, dass auf andere Weise als durch eine\nBeseitigung des Stellplatzes wieder rechtmaßige Zustande hergestellt werden\nkonnen (§ 65 Satz 1 LBO). \n--- \n| 37 \n--- \n| Ein bloße Nutzungsuntersagung ware kaum kontrollierbar und daher kein\ngeeignetes Mittel zur Schaffung rechtmaßiger Zustande. Geht man von der\nGeltung der 1888 festgestellten Bauflucht als ubergeleitete planerische\nFestsetzung aus, kame zwar neben einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB (vgl.\ndazu unten) eine Genehmigung des Stellplatzes unter Erteilung einer Ausnahme\nin Betracht. Die Erteilung einer solchen Ausnahme hat die Beklagte auch\ninzident gepruft, aber abgelehnt. Diese Entscheidung lasst sich rechtlich\nnicht beanstanden. Dabei kann offen bleiben, ob eine entsprechende\nausnahmsweise Zulassung in entsprechender Anwendung von Art. 7 Abs. 2 Bad.\nOStrG 1868/1880/1890, nach § 9 Abs. 4 Bad. OStrG 1908 oder nach § 23 Abs. 5\nBauNVO (i.d.F. v. 26.06.192 oder in der heute geltenden Fassung) und ob die\njeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen erfullt sind. Denn nach all diesen\nVorschriften steht die Bewilligung einer Ausnahme im Ermessen der Behorde (zu\nArt. 7 Abs. 2 Bad. OStrG 1896 vgl. Walz, a.a.O., Art. 7, S. 126 f.; im Übrigen\nergibt sich das aus dem Wortlaut der jeweiligen Vorschrift) und sind bei der\nEntscheidung vergleichbare Kriterien heranzuziehen. Die entsprechenden\nErmessenserwagungen der Beklagten zu § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO lassen sich\nnicht beanstanden. Die Beklagte hat das stadtebauliche (offentliche) Interesse\nan der Einhaltung des Bauverbots fur den Vorgartenbereich - das gegebenenfalls\nin Einklang steht mit den Interessen anderer Straßenanlieger, welche in\nBeachtung der festgesetzten Bauflucht auf eine Bebauung ihres Grundstucks uber\ndie Bauflucht hinaus verzichtet haben und welche die durch die Baulinie\ngeschaffene Vorgartenzone erhalten wissen wollen - gegen das Interesse der\nKlagerin an der Errichtung des Stellplatzes ermessensfehlerfrei abgewogen.\nDabei durfte sie insbesondere darauf abstellen, dass der Stellplatz trotz\nseiner Unauffalligkeit eine „negative Vorbildwirkung" ausuben wurde, weil dann\nauch ahnliche andere Vorhaben genehmigt (oder zumindest geduldet) werden\nmussten, was zu einem grundlegenden Wandel des Erscheinungsbilds der G.-\nStraße fuhren wurde. In der mundlichen Verhandlung hat der Vertreter der\nBeklagten verdeutlicht, dass demgegenuber dem - mit dem privaten Interesse der\nKlagerin an der Herstellung auf ihrem Grundstuck einher gehenden -\noffentlichen Interesse an der Entlastung des offentlichen Verkehrsraums vom\nruhenden Verkehr weniger Bedeutung beigemessen werde. Tatsachlich kommt diesem\nInteresse auch seit der Novellierung der Landesbauordnung im Jahr 1995 ein\nanderer (geringerer) Stellenwert zu, als das fruher der Fall war (vgl. dazu\nVGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 29.11.1978, BauR 1979, 219 ). So hat die (neue)\nRegelung in § 37 Abs. 1 LBO - trotz (bekanntermaßen) weiterhin gestiegener\nKfz-Zulassungen pro Haushalt - eine Reduzierung der Zahl der notwendigen\nStellplatze pro Wohnung bewirkt und bei sonstigen Stellplatzen hat der\nGesetzgeber den Gemeinden in § 74 Abs. 2 Nrn. 3, 5 und 6 LBO ein\nInstrumentarium zur Einschrankung der Stellplatze auf Privatgrundstucken an\ndie Hand gegeben, um u. a. aus stadtebaulichen Grunden Anreize zur\nVerminderung des Individualverkehrs zu setzen (vgl. Sauter, a.a.O., § 74\nRd.-Nrn. 70 f.). \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB liegen aus\nden von der Beklagten im Bescheid vom 16.10.2001 angefuhrten Grunden nicht\nvor. Abgesehen davon, dass durch eine Befreiung wohl die Grundzuge der Planung\nberuhrt waren, erfordern weder Grunde des Wohls der Allgemeinheit eine\nBefreiung (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) noch fuhrt das wegen der Bauflucht fur die\nVorzone geltende Bauverbot zu einer offenbar nicht beabsichtigte Harte (§ 31\nAbs. 2 Nr. 3 BauGB). Eine Abweichung ware wegen der angefuhrten negativen\nVorbildwirkung auch nicht stadtebaulich vertretbar (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB). \n--- \nII. \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Beseitigungsanordnung ist ermessensfehlerfrei erfolgt. \n--- \n| 40 \n--- \n| Sie verstoßt entgegen der Auffassung der Klagerin nicht gegen den\nGleichbehandlungsgrundsatz. Es ist schon kein tatsachlich gleich gelagerter\nFall bekannt oder von Seiten der Klagerin vorgetragen, in dem die Beklagte\neinen Stellplatz genehmigt oder in einer Weise geduldet hat, dass dessen\nBeseitigung nicht mehr verlangt werden konnte. Bezuglich des schrag gegenuber\ndem Grundstuck der Klagerin auf dem Grundstuck G.- Straße … vorhandenen\nStellplatzes ist ein Verfahren zur Überprufung der Rechtmaßigkeit eingeleitet\nworden, das lediglich im Hinblick auf das vorliegende Verfahren ruht.\nAbgesehen davon wurde er nach den Angaben der Klagerin bereits 1963 errichtet.\nBei der Entscheidung uber den Erlass einer Abbruch- bzw. Beseitigungsverfugung\nkann aber der Zeitpunkt der Errichtung der betreffenden baulichen Anlage ein\nmaßgeblicher Gesichtspunkt sein. Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied\nzum vorliegenden Fall. Soweit die Klagerin auf Stellplatze in der weiteren\nUmgebung ihres Grundstucks oder gar im gesamten Stadtgebiet abhebt, verkennt\nsie, dass diese sich von dem ihren von der Sach- und von der Rechtslage her\nebenfalls unterscheiden durften. So gibt es zum Beispiel Straßen, entlang\nderer die Gebaude zwar eine Bauflucht einhalten, davor aber keine durchgehend\ngrune Vorgartenzone mehr besteht, weil diese ganz oder teilweise bebaut oder\nbefestigt wurde. In solchen Fallen kann die Errichtung eines Stellplatzes\ndurchaus materiell-rechtlich zulassig sein. Selbst wenn die Beklagte aber in\nder Vergangenheit - etwa wegen einer anderen Gewichtung der Bedeutung von\nunbebauten „Vorzonen" \\- einzelne Stellplatze genehmigt oder geduldet haben\nsollte, wurde dies im Übrigen nicht bedeuten, dass sie nicht im Hinblick auf\ngeanderte Konzepte oder tatsachliche Umstande, wie etwa die Schaffung von\nAnliegerparkplatzen, nicht mehr gegen rechtswidrige Stellplatzflachen vorgehen\ndurfte. \n--- \n| 41 \n--- \n| Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte noch in den letzten\nJahren in vergleichbaren Fallen entsprechende Stellplatze entlang von Straßen\nmit einer festgesetzten Bauflucht nach dem Badischen Ortsstraßengesetz oder\neiner Baulinie nach heutigem Recht und im wesentlichen noch durchgehend\nbegrunten Vorgarten zugelassen hatte. Der Vertreter der Beklagten hat vielmehr\ndeutlich gemacht, dass es ein besonderes Anliegen der Beklagten sei, die noch\nintakten Vorgarten als solche zu erhalten und zu schutzen. Deswegen sei schon\nseit mehr als zwei Jahrzehnten vorgesehen, eine „Vorgartensatzung" zu\nerlassen, nach der unter Anderem die Errichtung von Stellplatzen im\n„Vorgartenbereich", also unabhangig davon, ob eine Baulinie/Bauflucht besteht\n- verboten werden solle. Im September 2004 sei ein entsprechender Entwurf\nTagesordnungspunkt einer Bauausschusssitzung gewesen, jedoch im Hinblick auf\ndie streitige Frage, welche Stadtteile in den Geltungsbereich einbezogen\nwerden sollten, abgesetzt worden. Das Vorhaben, eine solche entsprechende\nSatzung zu erlassen, sei aber damit nicht aufgegeben worden. \n--- \n| 42 \n--- \n| Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist auch nicht deswegen anzunehmen, weil\nder Vertreter der Beklagten in der mundlichen Verhandlung nicht ausschließen\nkonnte, dass es im Stadtgebiet weitere, dem Bauordnungsamt jedoch nicht\nbekannte Stellplatze geben konnte, deren Beseitigung verlangt werden musste,\nund erlauterte, dass man nicht uber genugend Personal verfuge, um\ndiesbezuglich regelmaßige Kontrollen durchzufuhren. Es liegt namlich auf der\nHand, dass es der Baurechtsbehorde nicht moglich ist, in regelmaßigen\nAbstanden samtliche baulichen Anlagen in ihrem Zustandigkeitsbereich auf ihre\nformelle und materielle Baurechtswidrigkeit zu uberprufen. Es verstoßt daher\nnicht gegen das Willkurverbot, wenn sie sich grundsatzlich darauf beschrankt,\nbei konkretem Anlass, zum Beispiel nach einer Feststellung anlasslich einer\nOrtsbesichtigung, einem Baugenehmigungsverfahren o. Ä., eine Überprufung\neinzuleiten (vgl. dazu Sauter, a.a.O., § 65 Rd.-Nrn. 54 ff., m.w.N.). Das ist\nden Angaben des Vertreters der Beklagten nach der Fall. Sobald bekannt werde,\ndass ein baurechtlich nicht zulassiger Stellplatz in ahnlichen Fallen im\nVorgartenbereich errichtet worden sei oder errichtet werde, schreite das\nBauordnungsamt dagegen ein bzw. leite eine Überprufung ein. \n--- \n| 43 \n--- \n| Auch im Übrigen sind keine Ermessensfehler ersichtlich. Dabei ist zu\nberucksichtigen, dass eine Baurechtsbehorde grundsatzlich in Übereinstimmung\nmit dem Zweck der Ermachtigung und damit rechtmaßig handelt, wenn sie die\nBeseitigung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage\nanordnet. Es entspricht regelmaßig ordnungsgemaßer Ermessensbetatigung, unter\ndem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Prazedenzfallen\ndie Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen.\nDie Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn ganz\nkonkrete Anhaltspunkte dafur sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen\n(VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -, BRS 66 Nr. 195, m.w.N.;\nSauter, a.a.O., § 65 Rd.-Nr. 44 m.w.N.). \n--- \n| 44 \n--- \n| Es ist daher insgesamt nicht zu beanstanden und insbesondere mit dem\nGrundsatz der Verhaltnismaßigkeit zu vereinbaren, dass die Beklagte dem\noffentlichen Interesse an der Erhaltung einer unbebauten Vorgartenzone und dem\n„harmonischen Gesamtbild der Umgebung" (Bescheid v. 16.10.2001) großeres\nGewicht beigemessen hat als dem der Klagerin an der Errichtung eines\nStellplatzes. Dabei durfte der Vorzone entlang der G.- Straße eine besondere\nBedeutung zuzumessen sein, weil der Charakter dieser Straße nicht nur durch\ndie Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts errichteten auffallenden\nVillen und Gebaude, sondern auch durch die begrunten Vorgarten maßgeblich\nbestimmt wird. \n--- \n| 45 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 46 \n--- \n| Die Zulassung der Berufung beruht darauf, dass die Rechtssache\ngrundsatzliche Bedeutung hat (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).\nDie Frage, ob eine nach dem Badischen Ortsstraßengesetz festgesetzte und\nubergeleitete Bauflucht die Folge hat, dass die Errichtung eines Stellplatzes\nim Bereich zwischen Straßenflucht und Bauflucht planungsrechtlich unzulassig\nist, in der (ober- und hochstrichterlichen) Rechtsprechung nicht hinreichend\ngeklart ist. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, aber nicht begrundet. Der Bescheid der Beklagten\nvom 16.10.2001 und der Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums F. vom\n09.12.2002 sind rechtmaßig und verletzen den Klager nicht in seinen Rechten (§\n113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). \n--- \n| 16 \n--- \n| Rechtsgrundlage der Verfugung vom 16.10.2001, mit der der Klagerin - in\nhinreichend bestimmter Form - aufgegeben wurde, den auf ihrem Grundstuck neben\nder Zufahrt bzw. dem ebenfalls gepflasterten Weg zur Eingangstur ihres\nGebaudes angelegten Stellplatz zuruckzubauen und die Pflasterung zu entfernen,\nist § 65 Satz 1 LBO. Danach kann der teilweise oder vollstandige Abbruch einer\nAnlage, die im Widerspruch zu offentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet\nwurde, angeordnet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmaßige Zustande\nhergestellt werden konnen. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift\nliegen vor (dazu unter I.); ein Ermessensfehler der Behorde ist nicht\nerkennbar (II.). \n--- \nI. \n--- \n| 17 \n--- \n| 1\\. Nach standiger Rechtsprechung (vgl. nur VGH Bad.-Wurtt., Urt. v.\n16.06.2003 - 3 S 2436/02 - , BRS 66 Nr. 195, m.w.N.) setzt der Erlass einer\nAbbruchverfugung voraus, dass das betreffende Vorhaben nicht durch eine\nBaugenehmigung oder eine Zustimmung (§ 70 LBO) gedeckt ist (sog. formelle\nBaurechtswidrigkeit) und seit seiner Errichtung fortlaufend im Widerspruch zum\nmateriellen Baurecht steht (materielle Baurechtswidrigkeit). Das ist hier der\nFall. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Klagerin bedurfte zur Pflasterung der etwa 22,5 qm großen Flache\nsudlich der Zufahrt zur Garage bzw. dem Weg zur Haustur, die unstreitig als\nStellplatzflache genutzt werden soll, zwar keiner Baugenehmigung (vgl. §§ 49\nAbs. 1, 50 Abs. 1 i.V.m. Nr. 64 des Anhangs zu § 50 LBO). Der Stellplatz, der\nein Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB darstellt (vgl. dazu Krautzberger\nin: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: 01.09.2004, § 29 Rd.-Nrn. 28 und\n50 ff., m.w.N.), widerspricht jedoch Bauplanungsrecht und ist damit materiell-\nrechtlich unzulassig. Seine planungsrechtliche Zulassigkeit richtet sich nach\n§ 30 Abs. 1 BauGB, sofern und soweit vom Bestehen eines einfachen oder\nqualifizierten Bebauungsplans auszugehen ist, ansonsten bzw. gegebenenfalls\nerganzend nach § 34 BauGB (vgl. § 30 Abs. 3 BauGB). Er verstoßt gegen\nFestsetzungen eines Ortsstraßenplans der Beklagten aus dem Jahr 1888, der als\nubergeleiteter einfacher - Bebauungsplan weiterhin anzuwenden ist (dazu unter\na). Im Übrigen ware er auch bei einer Beurteilung nach § 34 BauGB nicht\nzulassig, weil er sich nicht in die nahere Umgebung einfugt (b). \n--- \n| 19 \n--- \n| a) Der Stellplatz widerspricht der 1888 in einem Ortsstraßenplan\nfestgesetzten Bauflucht, die zur Folge hatte und auch noch heute hat, dass der\nBereich zwischen straßenseitiger Grundstucksgrenze und der ostlich davon,\nentlang der westlichen Außenwand des heutigen Hauptgebaudes, verlaufenden\nBauflucht nicht uberbaubar ist. \n--- \n| 20 \n--- \n| aa) Nach den von der Beklagten vorgelegten Akten des Tiefbauamts „der\nHauptstadt F." uber „Straßen und Wege, W., H.- Gebiet" aus den Jahren 1887 bis\n1908 ist davon auszugehen, dass unter Geltung des Badischen\nOrtsstraßengesetzes - Bad. OStrG - vom 20.02.1868 (Großherzogliches\nRegierungsblatt S. 286 ff.) in der Fassung vom 03.03.1880 (Gesetz- und\nVerordnungsblatt = G. u. V.O.B., S. 47 ff.) jedenfalls fur die ostlich der G.-\nStraße und zwischen M.- Straße sowie L.- Straße gelegenen Grundstucke in einer\nEntfernung von zunachst 4,5 m, spater - nach Verlegung der Straßenkante bzw.\n-flucht durch Entscheidung vom 28.11.1895 - von 6 m von der Straßenkante, eine\nvon Norden nach Suden verlaufende Bauflucht festgesetzt worden ist. Dabei kann\noffen bleiben, ob einer oder mehrere der in den Akten enthaltenen Plane mit\nder betreffenden Bauflucht das Original des Ortsstraßenplans darstellen oder\nnur Abschriften. Allein der Verlust eines Bebauungsplandokuments kann namlich\nnicht zur Annahme der Unwirksamkeit oder dem Außerkrafttreten des betreffenden\nPlans fuhren (BVerwG, Beschl. v. 01.04.1997 - 4 B 206.96 -, NVwZ 1997, 890;\nUrt. v. 17.06.1993 - 4 C 7.91 - NVwZ 1994, 281; ebenso VGH Bad.-Wurtt., Urt.\nv. 23.01.1998 - 8 S 2430/97 - und v. 04.12.2003 - 5 S 1746/02 -, BauR 2004,\n1498 [Ls.], juris). Vielmehr kann das Bestehen einer planerischen Festsetzung\nauch mit Hilfe anderer Unterlagen nachgewiesen werden, die die betreffende\nFestsetzung enthalten oder beschreiben. Das ist hier der Fall. Die Bauflucht\nostlich der G.- Straße ist Gegenstand diverser in den vorliegenden Akten\nenthaltener Dokumente (Abschrift der Bekanntmachung des Erkenntnisses des\nBezirksrats vom 26.07.1988 uber Festsetzung der Bauflucht in einer Entfernung\nvon 4,5 m von der Straßenkante, VAS. 59; Ausfertigung einer Entscheidung des\nBezirksrats vom 28.11.1895 „die Abanderung der Bauflucht an der G.- Straße\nbetreffend", VAS. 198; vgl. auch VAS. 181 ff., 199, 337, 347 ff.) und ist in\nmehreren Planen als „beantragte Bauflucht" (VAS. 115), als Bauflucht (VAS. 61,\n65, 91, 151) bzw. als „amtlich genehmigte und beibehaltene Bauflucht" (VAS.\n191, 207) eingezeichnet. Sie ist zudem in einem Übersichtsplan neueren Datums\nuber die in der weiteren Umgebung der G.- Straße genehmigten Straßenkanten und\nBaufluchten (Anlage zur Niederschrift uber die mundliche Verhandlung vom\n26.04.2005 in diesem Verfahren) enthalten. \n--- \n| 21 \n--- \n| Anhaltspunkte dafur, dass die Festsetzung unwirksam gewesen ware, bestehen\nnicht. Insbesondere kann nicht allein wegen des Fehlens weiterer Unterlagen\nuber das Feststellungsverfahren (z.B. des Großherzoglich Badischen\nBezirksrats) mehr oder weniger spekulativ die Moglichkeit von Mangeln im\nRechtssetzungsverfahren unterstellt werden (BVerwG, Beschl. v. 01.04.1997 - 4\nB 206.96 -, a.a.O.). \n--- \n| 22 \n--- \n| bb) Die nach dem Badischen Ortsstraßengesetz festgesetzte Bauflucht\nentsprach im Wesentlichen einer Baulinie nach heutigem Recht (vgl. § 23 Abs.\n1, 2 und 5 BauNVO). Sie hat zur Folge, dass der Bereich zwischen\nstraßenseitiger Grundstucksgrenze und der ostlich davon, entlang der\nwestlichen Außenwand des Gebaudes auf dem Grundstuck der Klagerin,\nverlaufenden Bauflucht nicht uberbaubar ist. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Festsetzung einer Bauflucht in einem Ortsstraßenplan nach dem Badischen\nOrtsstraßengesetz (vom 20.02.1868, vom 03.03.1880, vom 26.06.1890, vom\n06.07.1896, vom 20.08.1904, vom 15.10.1908 oder spater) hatte - wie heute die\nFestsetzung einer Baulinie (vgl. § 23 Abs. 2 BauNVO) - die Folge, dass Gebaude\nmit ihrer zur Straße gerichteten Gebaudewand entlang dieser Linie errichtet\nwerden mussten. Sie durften die Linie dabei namlich nicht nur - wie das bei\nBaugrenzen nach heutigem Recht der Fall ist (vgl. § 23 Abs. 3 BauNVO) - nicht\nuberschreiten, sondern auch - wie bei Baulinien nach heutigem Recht (vgl. § 23\nAbs. 2 BauNVO) - nicht hinter dieser zuruckbleiben (so genannte positive\nFunktion der Bauflucht). Dem Wortlaut der entsprechenden Vorschriften nach\n(vgl. aber Walz, Badisches Ortsstraßenrecht, 1900, Art. 7, S. 119, 121; Flad,\nDas badische Ortsstraßengesetz, 1909, S. 214) galt diese Verpflichtung\nzunachst wohl nur fur Gebaude und Gebaudeteile, die uber die Straßenoberflache\nhinausragten, und auch spater nur fur Gebaude. So bestimmten Art. 7 Bad. OStrG\n1868 und 1880 (abgedruckt bei Walz, a.a.O.): „Den Bauunternehmern gegenuber\nhat die Feststellung des Bauplans die Wirkung, dass fur die auszufuhrenden\nBauten die festgesetzte Straßenhohe und fur die nach der Ortsstraße gerichtete\nSeite eines Gebaudes, soweit sie uber die Straßenflache hervorragt, die\nfestgestellte Bauflucht maßgebend ist." § 9 Bad. OStrG 1908 (abgedruckt bei\nFlad, a.a.O.) lautete: „Fur Bauten auf dem an die geplanten Ortsstraßen\nangrenzenden Gelande hat die Feststellung des Ortsstraßenplans die Wirkung,\ndass dafur die festgesetzte Straßenhohe und fur die nach der Ortsstraße\ngerichtete Gebaudeseite mit der aus Abs. 3 und 4 sich ergebenden Einschrankung\ndie festgestellte Bauflucht maßgeblich ist". \n--- \n| 24 \n--- \n| Daruber hinaus fuhrte eine solche, nicht mit der Straßenkante bzw.\nStraßenflucht zusammenfallende, Bauflucht aber dazu, dass fur den zwischen\nStraßenflucht und Bauflucht gelegenen Bereich (der als so genannte\n„Vorgartenflache" dem Straßenkorper zuzurechnen war) grundsatzlich ein\nBauverbot bestand (so genannte negative Funktion). Auch nach heutigem Recht\ngibt es neben der in § 23 Abs. 2 BauNVO im Wesentlichen nur die fur Gebaude\nbzw. Gebaudeteile geregelten positiven Funktion einer Baulinie diese weitere\nRechtsfolge (§ 23 Abs. 1 und 5 BauNVO; vgl. hierzu Fickert/Fieseler, BauNVO,\n10. Aufl. 2002, § 23 Rd.-Nrn. 12.2 und 20; Bielenberg, in:\nErnst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., Band 5, § 23 BauNVO Rd.-Nr. 55). Mit der\nFestsetzung einer Bauflucht nach dem Badischen Ortsstraßengesetz konnte nicht\nnur eine Flache fur eine mogliche Straßenverbreiterung freigehalten werden;\nvielmehr diente sie bei Wohnstraßen auch bzw. allein der Verschonerung des\nStraßenbilds und der Verbesserung der Licht- und Luftverhaltnisse (Walz,\na.a.O., S. 41 f.; vgl. auch Roth, Badische LBO, II. Aufl. 1909, S. 66 f., 242\nf.). Diese negative Funktion der Straßenplane war zwar in dem Badischen\nOrtsstraßengesetz zunachst nicht ausdrucklich geregelt, wurde aber in anderen\nVorschriften stillschweigend vorausgesetzt. So bestimmte Art. 17 Bad. OStrG\n1868, dass Eigentumer, die „einer angeordneten Vorgartenanlage wegen" genotigt\nwerden, „einen Teil ihres Gelandes unuberbaut liegen zu lassen", keine\nEntschadigung verlangen konnen (ahnlich § 28 Bad. OStrG 1896; vgl. zum Ganzen\nausfuhrlich Walz, a.a.O., Art. 7 , S. 114 ff., Art. 28, S. 297 ff.; Flad,\na.a.O, S. 75 f., 213). In § 9 Abs. 2 Bad. OStrG 1908 wurde erstmals\nausdrucklich geregelt, dass die Planfeststellung unter anderem „hinsichtlich\ndes Vorgartengelandes die Wirkung" hat, „dass die Überbauung sowie der Um- und\nAusbau daselbst bestehender Gebaude .... untersagt ist". Die Geltung dieses\nBauverbots war dabei weder auf Gebaude noch etwa auf Bauten im Sinne der\njeweils geltenden Badischen Landesbauordnung beschrankt; vielmehr erfasste es\nalle Maßnahmen baulicher Art, einschließlich unterirdischer, wie zum Beispiel\nKeller. Das „Vorgartengelande" war insgesamt nicht uberbaubar (vgl. dazu\nausfuhrlich Walz, a.a.O., Art. 28, 299 ff.; ahnlich heute: vgl. § 23 Abs. 5\nBauNVO, vgl. Bielenberg, a.a.O., BauNVO, § 23 Rd.-Nr. 55). Ausgenommen waren\nanfanglich allenfalls Einfriedigungen oder solche Bauten, die mit der\nBestimmung einer Ortsstraße vereinbar oder geradezu als „Zubehor" einer\nsolchen anzusehen seien, z.B. Anschlagsaulen, Bedurfnisanstalten, offentliche\nDenkmaler, Ruhebanke, Marktstande (so Walz, a.a.O., Art. 28, S. 303 ff., 318).\nAb Inkrafttreten des Ortsstraßengesetzes vom 15.10.1908 konnten außerdem unter\nbestimmten Voraussetzungen Ausnahmen gestattet werden (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 2,\nAbs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 Bad. OStrG 1908). \n--- \n| 25 \n--- \n| cc) Der Ortsstraßenplan aus dem Jahr 1888 mit der uber das Grundstuck der\nKlagerin fuhrenden Bauflucht ist mit den angefuhrten Rechtsfolgen nach § 173\ndes Bundesbaugesetzes - BBauG - 1960 wirksam ubergeleitet worden und heute\nnoch als so genannter einfacher Bebauungsplan zu beachten. \n--- \n| 26 \n--- \n| Nach § 173 Abs. 3 BBauG 1960 gelten bei Inkrafttreten des Gesetzes (gemeint\nist das Inkrafttreten des Ersten bis Dritten Teils des BBauG 1960 am\n29.06.1961) bestehende baurechtliche Vorschriften und festgestellte\nstadtebauliche Plane als Bebauungsplane fort, soweit sie verbindliche\nRegelungen der in § 9 BBauG 1960 bezeichneten Art enthalten, also einen Inhalt\nhatten, der nach § 9 BBauG 1960 Inhalt eines Bebauungsplans sein kann (vgl.\nBVerwG, Urt. v. 20.10.1972 - IV C 14.71 -, BVerwGE 41, 67). Das ist bei der im\nOrtsstraßenplan festsetzten Bauflucht der Fall (vgl. § 9 Abs. 1 b BBauG 1960). \n--- \n| 27 \n--- \n| Es bestehen keine Anhaltspunkte dafur, dass der Plan deshalb nicht wirksam\nubergeleitet worden ware, weil er zum Zeitpunkt seiner Feststellung - nach den\ndamals geltenden Anforderungen - oder aber zum Zeitpunkt der Überleitung nicht\ndem Gebot gerechter Abwagung der beruhrten Belange entsprochen hatte (vgl. zu\nden Anforderungen im Einzelnen BVerwG, Urt. v. 20.10.1972 - IV C 14.71 -,\na.a.O., und v. 11.05.1973 - IV C 39.70 -, Buchholz 406.11 § 173 BBauG Nr. 12).\nDabei ist zu berucksichtigen, dass die Anforderungen an den Abwagungsvorgang\nund das Abwagungsergebnis nicht den Maßstaben des Bundesbaugesetzes 1960 oder\ndes Baugesetzbuchs entsprechen konnen und mussen (BVerwG, Beschl. v.\n29.12.1988 und v. 20.10.1972, a.a.O.). Da bei ubergeleiteten alten Planen der\nAbwagungsvorgang regelmaßig - und so auch im vorliegenden Fall - nicht mehr\nnachvollzogen werden kann, weil er nicht oder nicht vollstandig dokumentiert\nist oder weil eine solche Dokumentation untergegangen ist, kommt dem im Inhalt\ndes Plans zum Ausdruck kommenden Abwagungsergebnis die maßgebliche Bedeutung\nfur die Beurteilung einer rechtsstaatlichen Abwagung zu. Eine Überleitung\nkommt hiernach (nur) dann nicht in Betracht, wenn sich aus den konkreten\nFestsetzungen des betreffenden Plans ergibt, dass der Ausgleich der\nkonkurrierenden Interessen außer Verhaltnis zur objektiven Gewichtigkeit\neinzelner Belange steht bzw. stand (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.10.1972, a.a.O.).\nDas ist hier nicht ersichtlich. Insbesondere kann nicht allein aufgrund der\nTatsache, dass Stellplatze fur Kraftfahrzeuge zum Zeitpunkt der Festsetzung\nder Bauflucht nicht bekannt waren und deren planerische Bedeutung nicht nur\nwegen der Zunahme des Verkehrs, sondern auch wegen der bauordnungsrechtlichen\nStellplatzpflicht erst spater immer mehr zunahm, auf einen relevanten\nAbwagungsfehler geschlossen werden. Abgesehen davon, dass es auch Ende des 19.\nJahrhunderts bereits Abstellplatze bzw. Remisen fur Droschken und Kutschen\ngegeben haben durfte, ist es bauplanerischen Festsetzungen immanent, dass bei\nihrem Erlass nicht immer jede zukunftige Entwicklung vorhergesehen und in die\nAbwagung einbezogen werden kann. Auch zum Zeitpunkt der Überleitung 1960\nerscheint die Festsetzung von ihrem Ergebnis her nicht abwagungsfehlerhaft.\nSchließlich ist zu bedenken, dass im ruckwartigen Bereich der Grundstucke in\nder Regel genugend Raum fur Stellplatze und Garagen vorhanden war und dieser\noffensichtlich auch als solcher genutzt wurde (nach den vorliegenden Kopien\nalter Plane fur die etwa 1908 bis 1910 errichtete Villa des Klagers war\nbereits damals im Keller ein „Automobilraum" mit einer Zufahrt von Westen her\nvorhanden, vgl. AS. 49 der Baugenehmigungsakten). \n--- \n| 28 \n--- \n| Der danach wirksam ubergeleitete Plan gilt gemaß § 233 Abs. 3 BauGB weiter\nfort. Entgegen der Auffassung der Klagerin ist er auch nicht wegen\nFunktionslosigkeit außer Kraft getreten. Allein das Verstreichen eines langen\nZeitraums fuhrt nicht zum Unwirksamwerden einer bauplanungsrechtlichen\nFestsetzung. Funktionslos kann ein Plan oder konnen einzelne Festsetzungen\neines Plans zwar werden, wenn die Festsetzungen auf unabsehbare Zeit\nschlechterdings nicht mehr realisiert werden konnen, ihre sinnvolle\nDurchsetzung mithin ganzlich unmoglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.1977 -\nIV C 39.75 -, BRS 32 Nr. 28). Die tatsachliche Bebauung entlang der G.- Straße\nhat sich aber hier nicht in einer solchen Weise entwickelt, dass die\nfestgesetzte, ostlich der G.- Straße von der M.- Straße bis zur L.- Straße\nfuhrende Bauflucht erkennbar aufgegeben worden ware oder sich nicht mehr\nverwirklichen ließe. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Auswirkungen der Festsetzungen aus den Jahren 1888 auf die Anordnung\nder vorhandenen Gebaude und baulichen Anlagen sind im Gegenteil sehr deutlich\nerkennbar. Die Kammer hat bei der Inaugenscheinnahme des Grundstucks der\nKlagerin und der naheren Umgebung in der mundlichen Verhandlung festgestellt,\ndass - abgesehen von untergeordneten Gebaudeteilen wie Erkern - alle\nHauptgebaude mit ihrer straßenseitigen Gebaudewand einen Abstand von etwa 5,50\nm zur Grenze des Grundstucks zum angrenzenden Gehweg einhalten. Warum der\nAbstand nicht 6 m betragt, wie im Ortsstraßenplan in der Fassung von 1895\nvorgesehen, kann hier offen bleiben; moglicherweise wurde wegen des Gehwegs\neine Verbreiterung der Straßenflache erforderlich. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Bauflucht ist im Übrigen auch hinsichtlich ihrer weiteren Rechtsfolge\neines Bauverbots fur den Bereich zwischen Bauflucht und Straßenkante - heute\nGrundstucksgrenze - ersichtlich weiter relevant. Dieser Bereich ist bei allen\nostlich der G.- Straße zwischen der M.- Straße und der L.- Straße gelegenen\nGrundstucken als Vorgarten angelegt und genutzt (G.- Straße …, …, …, … und …)\nbzw. begrunt (nicht bebautes, im ruckwartigen Bereich als Parkplatz genutztes\nGrundstuck Flst.-Nr. …). Die in der „Vorzone" vorhandenen Einfriedigungen und\nZufahrten zu hinter der Bauflucht gelegenen Stellplatzen und die Zugange zu\nden Hauseingangen konnten wohl - wie ausgefuhrt - als Ausnahmen zugelassen\nwerden .(z.B. nach § 9 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Bad. OStrG 1908). Ihr\nVorhandensein beeintrachtigt jedenfalls - im Gegensatz zu Stellplatzen fur\nKraftfahrzeuge - das mit der Festsetzung einer Bauflucht ebenfalls verfolgte\nZiel der Verschonerung des Straßenbilds nur unerheblich und fuhrt daher nicht\nzur Funktionslosigkeit der Bauflucht. \n--- \n| 31 \n--- \n| Auch die Tatsache, dass im hier zu betrachtenden Abschnitt zwischen der M.-\nStraße und der L.- Straße auf einem Grundstuck, dem Grundstuck Flst.-Nr. …,\nG.- Straße …, einer der Stellplatze etwa einen halben bis einen Meter in diese\n„Vorgartenzone" hineinragt, bedeutet nicht, dass das durch die Bauflucht\nbewirkte Bauverbot insgesamt unwirksam geworden ware. \n--- \n| 32 \n--- \n| dd) Der danach weiter zu beachtenden Bauflucht widerspricht der auf dem\nGrundstuck der Klagerin bereits angelegte Stellplatz, weil er vor dieser und\ndamit auf einer nicht uberbaubaren Flache errichtet wurde. Wie ausgefuhrt,\ngalt und gilt das als Folge der Bauflucht bestehende Bauverbot fur die Flache\nzwischen Bauflucht und Straßenkante grundsatzlich fur jede bauliche Anlage,\nvor allem auch fur einen Stellplatz. Dabei ist nicht nur die mit\nPflastersteinen oder mit anderen Materialien befestigte Erdoberflache in den\nBlick zu nehmen, sondern auch dessen bestimmungsgemaße Nutzung zum\nregelmaßigen Abstellen eines Kraftfahrzeugs zu berucksichtigen (vgl. § 2 Abs.\n8 Satz 1 LBO, Sauter, LBO, Stand: Dez. 2004, § 2 Rd.-Nr. 104). \n--- \n| 33 \n--- \n| b) Die Beklagte hat im Übrigen zu Recht darauf abgestellt, dass der\nStellplatz selbst dann als planungsrechtlich unzulassig anzusehen ware, wenn\nder Ortsstraßenplan mit der Bauflucht aus dem 19. Jahrhundert wegen\nanfanglicher Unwirksamkeit, fehlender Überleitung oder nachtraglichem\nAußerkrafttreten nicht anzuwenden ware. Er ware dann insgesamt nach § 34 Abs.\n1 BauGB zu beurteilen. Der Stellplatz fugt sich jedoch hinsichtlich der\nGrundstucksflache, die uberbaut werden soll, nicht ein im Sinne des § 34 Abs.\n1 Satz 1 BauGB. \n--- \n| 34 \n--- \n| Nach dieser Vorschrift ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile\nein Vorhaben zulassig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung,\nder Bauweise und der Grundstucksflache, die uberbaut werden soll, in die\nEigenart der naheren Umgebung einfugt und die Erschließung gesichert ist. Zur\nnaheren Umgebung zu rechnen sind dabei nach Auffassung der Kammer bei der hier\nstreitigen Frage, ob die Errichtung eines Stellplatzes hinsichtlich der\nuberbaubaren Grundstucksflache im Bereich zwischen Straße und Hauptgebaude\nbauplanungsrechtlich zulassig ist, nur die ostlich der G.- Straße gelegenen\nGrundstucke G.- Straße …, …, … und … . Nach Westen hin stellt die G.- Straße\ninsoweit eine deutlich Zasur da, nach Norden das Wegegrundstuck Flst.-Nr. …\n(auf dem fruher eine Bahnlinie verlief) und das unbebaute Grundstuck Flst.-Nr.\n… . Die danach maßgebliche Umgebungsbebauung entspricht der, die sich bei\nFestsetzung einer Baulinie nach heutigem Recht ergabe (vgl. zu „faktischen\nBaugrenzen oder Baulinien": BVerwG, Urt. v. 21.11.1980 - 4 C 30.78 -, DVBl\n1981, 100; Beschl. v. 23.11.1998 - 4 B 29.98 -, NVwZ-RR 1999, 364 u.v.\n06.11.1997 - 4 B 172.97 -, NVwZ-RR 1998, 539; Sofker, a.a.O., § 34 Rd.-Nr.\n47). Wie ausgefuhrt, befinden sich die straßenseitigen Außenwande der\nvorhandenen Gebaude in einer Entfernung von etwa 5,50 m zum Gehweg. Die\nVorgarten bzw. der Bereich vor dieser Linie sind jeweils als Garten angelegt\nund bei allen Grundstucken - bis auf die Einfriedigungen an der\nstraßenseitigen Grundstucksgrenze und die Zufahrten zu Stellplatzen oder\nGaragen im hinteren Bereich der Grundstucke sowie die Fußwege zu den Gebauden\n- frei von baulichen Anlagen. In die so gepragte nahere Umgebung fugt sich ein\nStellplatz im Vorgarten hinsichtlich der uberbaubaren Grundstucksflache nicht\nein. Dabei ist auch insoweit nicht allein die Pflasterung maßgeblich, sondern\ndie Nutzung als Abstellplatz. Wie ausgefuhrt, ist ein Stellplatz namlich zur\nNutzung zum regelmaßigen Abstellen eines Kraftfahrzeugs bestimmt und\nunterscheidet sich dadurch maßgeblich von den Zufahrten, selbst wenn darauf ab\nund zu vorubergehend Kraftfahrzeuge, zum Beispiel von Besuchern, geparkt\nwerden sollten. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Kammer weist erganzend darauf hin, dass der Stellplatz auf dem\nGrundstuck der Klagerin selbst dann nicht nach § 34 BauGB planungsrechtlich\nzulassig ware, wenn man zur maßgeblichen Umgebungsbebauung zudem die westlich\nder G.- Straße gelegenen Grundstucke G.- Straße …, …, …, … und … rechnen\nwurde. Auch auf diesen Grundstucken ist die Bauflucht deutlich zu erkennen.\nAllerdings befindet sich auf dem Grundstuck G.- Straße … direkt hinter dem\nstraßenseitigen Zaun ein Stellplatz. Dieser ist jedoch nach dem Vortrag der\nBeklagten weder genehmigt noch will sie ihn dulden. Der Eigentumer des\nGrundstucks wurde bereits zur Frage einer Beseitigung angehort. Der Vertreter\nder Klagerin hat zwar in der mundlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass\ndem Bauordnungsamt vom Eigentumer des Grundstucks G.- Straße … bereits 1982 im\nZusammenhang mit einem Antrag auf Abgeschlossenheitsbescheinigung Plane und\nPhotos mit dem Stellplatz vorgelegt worden seien und ausweislich eines\nVermerks damals eine Ortsbesichtigung durchgefuhrt worden sei, so dass das\nBauordnungsamt Kenntnis von dem Stellplatz gehabt habe. Nicht genehmigte und\nnicht genehmigungsfahige bauliche Anlagen sind jedoch nur zu berucksichtigen,\nwenn sie von den zustandigen Behorden in einer Weise geduldet werden, die\nkeinen Zweifel daran lasst, dass sie sich mit dem Vorhandensein der\nbetreffenden Anlage abgefunden haben (BVerwG, Urt. v. 06.11.1968 - 4 C 31.66\n-, BVerwGE 31, 22; Sofker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 34 Rd.-Nr.\n35 m.w.N.). Davon kann hier wohl eher nicht ausgegangen werden. Letztlich kann\ndiese Frage hier aber offen bleiben. Abgesehen davon steht der Stellplatz auf\ndem Grundstuck G.- Straße … namlich in einem solchen Kontrast zu der ubrigen\nBebauung, dass er als Fremdkorper unbeachtlich ware (vgl. BVerwG, Beschl. v.\n11.02.2000 - 4 B 1.00 -, BRS 63 Nr. 102, m.w.N.). \n--- \n| 36 \n--- \n| 2\\. Es ist nicht erkennbar, dass auf andere Weise als durch eine\nBeseitigung des Stellplatzes wieder rechtmaßige Zustande hergestellt werden\nkonnen (§ 65 Satz 1 LBO). \n--- \n| 37 \n--- \n| Ein bloße Nutzungsuntersagung ware kaum kontrollierbar und daher kein\ngeeignetes Mittel zur Schaffung rechtmaßiger Zustande. Geht man von der\nGeltung der 1888 festgestellten Bauflucht als ubergeleitete planerische\nFestsetzung aus, kame zwar neben einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB (vgl.\ndazu unten) eine Genehmigung des Stellplatzes unter Erteilung einer Ausnahme\nin Betracht. Die Erteilung einer solchen Ausnahme hat die Beklagte auch\ninzident gepruft, aber abgelehnt. Diese Entscheidung lasst sich rechtlich\nnicht beanstanden. Dabei kann offen bleiben, ob eine entsprechende\nausnahmsweise Zulassung in entsprechender Anwendung von Art. 7 Abs. 2 Bad.\nOStrG 1868/1880/1890, nach § 9 Abs. 4 Bad. OStrG 1908 oder nach § 23 Abs. 5\nBauNVO (i.d.F. v. 26.06.192 oder in der heute geltenden Fassung) und ob die\njeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen erfullt sind. Denn nach all diesen\nVorschriften steht die Bewilligung einer Ausnahme im Ermessen der Behorde (zu\nArt. 7 Abs. 2 Bad. OStrG 1896 vgl. Walz, a.a.O., Art. 7, S. 126 f.; im Übrigen\nergibt sich das aus dem Wortlaut der jeweiligen Vorschrift) und sind bei der\nEntscheidung vergleichbare Kriterien heranzuziehen. Die entsprechenden\nErmessenserwagungen der Beklagten zu § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO lassen sich\nnicht beanstanden. Die Beklagte hat das stadtebauliche (offentliche) Interesse\nan der Einhaltung des Bauverbots fur den Vorgartenbereich - das gegebenenfalls\nin Einklang steht mit den Interessen anderer Straßenanlieger, welche in\nBeachtung der festgesetzten Bauflucht auf eine Bebauung ihres Grundstucks uber\ndie Bauflucht hinaus verzichtet haben und welche die durch die Baulinie\ngeschaffene Vorgartenzone erhalten wissen wollen - gegen das Interesse der\nKlagerin an der Errichtung des Stellplatzes ermessensfehlerfrei abgewogen.\nDabei durfte sie insbesondere darauf abstellen, dass der Stellplatz trotz\nseiner Unauffalligkeit eine „negative Vorbildwirkung" ausuben wurde, weil dann\nauch ahnliche andere Vorhaben genehmigt (oder zumindest geduldet) werden\nmussten, was zu einem grundlegenden Wandel des Erscheinungsbilds der G.-\nStraße fuhren wurde. In der mundlichen Verhandlung hat der Vertreter der\nBeklagten verdeutlicht, dass demgegenuber dem - mit dem privaten Interesse der\nKlagerin an der Herstellung auf ihrem Grundstuck einher gehenden -\noffentlichen Interesse an der Entlastung des offentlichen Verkehrsraums vom\nruhenden Verkehr weniger Bedeutung beigemessen werde. Tatsachlich kommt diesem\nInteresse auch seit der Novellierung der Landesbauordnung im Jahr 1995 ein\nanderer (geringerer) Stellenwert zu, als das fruher der Fall war (vgl. dazu\nVGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 29.11.1978, BauR 1979, 219 ). So hat die (neue)\nRegelung in § 37 Abs. 1 LBO - trotz (bekanntermaßen) weiterhin gestiegener\nKfz-Zulassungen pro Haushalt - eine Reduzierung der Zahl der notwendigen\nStellplatze pro Wohnung bewirkt und bei sonstigen Stellplatzen hat der\nGesetzgeber den Gemeinden in § 74 Abs. 2 Nrn. 3, 5 und 6 LBO ein\nInstrumentarium zur Einschrankung der Stellplatze auf Privatgrundstucken an\ndie Hand gegeben, um u. a. aus stadtebaulichen Grunden Anreize zur\nVerminderung des Individualverkehrs zu setzen (vgl. Sauter, a.a.O., § 74\nRd.-Nrn. 70 f.). \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB liegen aus\nden von der Beklagten im Bescheid vom 16.10.2001 angefuhrten Grunden nicht\nvor. Abgesehen davon, dass durch eine Befreiung wohl die Grundzuge der Planung\nberuhrt waren, erfordern weder Grunde des Wohls der Allgemeinheit eine\nBefreiung (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) noch fuhrt das wegen der Bauflucht fur die\nVorzone geltende Bauverbot zu einer offenbar nicht beabsichtigte Harte (§ 31\nAbs. 2 Nr. 3 BauGB). Eine Abweichung ware wegen der angefuhrten negativen\nVorbildwirkung auch nicht stadtebaulich vertretbar (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB). \n--- \nII. \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Beseitigungsanordnung ist ermessensfehlerfrei erfolgt. \n--- \n| 40 \n--- \n| Sie verstoßt entgegen der Auffassung der Klagerin nicht gegen den\nGleichbehandlungsgrundsatz. Es ist schon kein tatsachlich gleich gelagerter\nFall bekannt oder von Seiten der Klagerin vorgetragen, in dem die Beklagte\neinen Stellplatz genehmigt oder in einer Weise geduldet hat, dass dessen\nBeseitigung nicht mehr verlangt werden konnte. Bezuglich des schrag gegenuber\ndem Grundstuck der Klagerin auf dem Grundstuck G.- Straße … vorhandenen\nStellplatzes ist ein Verfahren zur Überprufung der Rechtmaßigkeit eingeleitet\nworden, das lediglich im Hinblick auf das vorliegende Verfahren ruht.\nAbgesehen davon wurde er nach den Angaben der Klagerin bereits 1963 errichtet.\nBei der Entscheidung uber den Erlass einer Abbruch- bzw. Beseitigungsverfugung\nkann aber der Zeitpunkt der Errichtung der betreffenden baulichen Anlage ein\nmaßgeblicher Gesichtspunkt sein. Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied\nzum vorliegenden Fall. Soweit die Klagerin auf Stellplatze in der weiteren\nUmgebung ihres Grundstucks oder gar im gesamten Stadtgebiet abhebt, verkennt\nsie, dass diese sich von dem ihren von der Sach- und von der Rechtslage her\nebenfalls unterscheiden durften. So gibt es zum Beispiel Straßen, entlang\nderer die Gebaude zwar eine Bauflucht einhalten, davor aber keine durchgehend\ngrune Vorgartenzone mehr besteht, weil diese ganz oder teilweise bebaut oder\nbefestigt wurde. In solchen Fallen kann die Errichtung eines Stellplatzes\ndurchaus materiell-rechtlich zulassig sein. Selbst wenn die Beklagte aber in\nder Vergangenheit - etwa wegen einer anderen Gewichtung der Bedeutung von\nunbebauten „Vorzonen" \\- einzelne Stellplatze genehmigt oder geduldet haben\nsollte, wurde dies im Übrigen nicht bedeuten, dass sie nicht im Hinblick auf\ngeanderte Konzepte oder tatsachliche Umstande, wie etwa die Schaffung von\nAnliegerparkplatzen, nicht mehr gegen rechtswidrige Stellplatzflachen vorgehen\ndurfte. \n--- \n| 41 \n--- \n| Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte noch in den letzten\nJahren in vergleichbaren Fallen entsprechende Stellplatze entlang von Straßen\nmit einer festgesetzten Bauflucht nach dem Badischen Ortsstraßengesetz oder\neiner Baulinie nach heutigem Recht und im wesentlichen noch durchgehend\nbegrunten Vorgarten zugelassen hatte. Der Vertreter der Beklagten hat vielmehr\ndeutlich gemacht, dass es ein besonderes Anliegen der Beklagten sei, die noch\nintakten Vorgarten als solche zu erhalten und zu schutzen. Deswegen sei schon\nseit mehr als zwei Jahrzehnten vorgesehen, eine „Vorgartensatzung" zu\nerlassen, nach der unter Anderem die Errichtung von Stellplatzen im\n„Vorgartenbereich", also unabhangig davon, ob eine Baulinie/Bauflucht besteht\n- verboten werden solle. Im September 2004 sei ein entsprechender Entwurf\nTagesordnungspunkt einer Bauausschusssitzung gewesen, jedoch im Hinblick auf\ndie streitige Frage, welche Stadtteile in den Geltungsbereich einbezogen\nwerden sollten, abgesetzt worden. Das Vorhaben, eine solche entsprechende\nSatzung zu erlassen, sei aber damit nicht aufgegeben worden. \n--- \n| 42 \n--- \n| Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist auch nicht deswegen anzunehmen, weil\nder Vertreter der Beklagten in der mundlichen Verhandlung nicht ausschließen\nkonnte, dass es im Stadtgebiet weitere, dem Bauordnungsamt jedoch nicht\nbekannte Stellplatze geben konnte, deren Beseitigung verlangt werden musste,\nund erlauterte, dass man nicht uber genugend Personal verfuge, um\ndiesbezuglich regelmaßige Kontrollen durchzufuhren. Es liegt namlich auf der\nHand, dass es der Baurechtsbehorde nicht moglich ist, in regelmaßigen\nAbstanden samtliche baulichen Anlagen in ihrem Zustandigkeitsbereich auf ihre\nformelle und materielle Baurechtswidrigkeit zu uberprufen. Es verstoßt daher\nnicht gegen das Willkurverbot, wenn sie sich grundsatzlich darauf beschrankt,\nbei konkretem Anlass, zum Beispiel nach einer Feststellung anlasslich einer\nOrtsbesichtigung, einem Baugenehmigungsverfahren o. Ä., eine Überprufung\neinzuleiten (vgl. dazu Sauter, a.a.O., § 65 Rd.-Nrn. 54 ff., m.w.N.). Das ist\nden Angaben des Vertreters der Beklagten nach der Fall. Sobald bekannt werde,\ndass ein baurechtlich nicht zulassiger Stellplatz in ahnlichen Fallen im\nVorgartenbereich errichtet worden sei oder errichtet werde, schreite das\nBauordnungsamt dagegen ein bzw. leite eine Überprufung ein. \n--- \n| 43 \n--- \n| Auch im Übrigen sind keine Ermessensfehler ersichtlich. Dabei ist zu\nberucksichtigen, dass eine Baurechtsbehorde grundsatzlich in Übereinstimmung\nmit dem Zweck der Ermachtigung und damit rechtmaßig handelt, wenn sie die\nBeseitigung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage\nanordnet. Es entspricht regelmaßig ordnungsgemaßer Ermessensbetatigung, unter\ndem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Prazedenzfallen\ndie Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen.\nDie Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn ganz\nkonkrete Anhaltspunkte dafur sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen\n(VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -, BRS 66 Nr. 195, m.w.N.;\nSauter, a.a.O., § 65 Rd.-Nr. 44 m.w.N.). \n--- \n| 44 \n--- \n| Es ist daher insgesamt nicht zu beanstanden und insbesondere mit dem\nGrundsatz der Verhaltnismaßigkeit zu vereinbaren, dass die Beklagte dem\noffentlichen Interesse an der Erhaltung einer unbebauten Vorgartenzone und dem\n„harmonischen Gesamtbild der Umgebung" (Bescheid v. 16.10.2001) großeres\nGewicht beigemessen hat als dem der Klagerin an der Errichtung eines\nStellplatzes. Dabei durfte der Vorzone entlang der G.- Straße eine besondere\nBedeutung zuzumessen sein, weil der Charakter dieser Straße nicht nur durch\ndie Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts errichteten auffallenden\nVillen und Gebaude, sondern auch durch die begrunten Vorgarten maßgeblich\nbestimmt wird. \n--- \n| 45 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 46 \n--- \n| Die Zulassung der Berufung beruht darauf, dass die Rechtssache\ngrundsatzliche Bedeutung hat (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).\nDie Frage, ob eine nach dem Badischen Ortsstraßengesetz festgesetzte und\nubergeleitete Bauflucht die Folge hat, dass die Errichtung eines Stellplatzes\nim Bereich zwischen Straßenflucht und Bauflucht planungsrechtlich unzulassig\nist, in der (ober- und hochstrichterlichen) Rechtsprechung nicht hinreichend\ngeklart ist. \n---\n\n
140,789
olgkarl-2005-04-28-19-u-3305
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
19 U 33/05
2005-04-28
2019-01-08 15:52:21
2019-02-12 12:20:22
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung des Klagers wird das Urteil des Landgerichts vom\n25.01.2005 abgeandert:\n\nEs wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klager von allen\naus dem Schadensfall vom 19.01.2004 entstandenen Verpflichtungen gegenuber\nseinem Arbeitgeber, der M. H. GmbH, freizustellen.\n\n2\\. Die Beklagte tragt die Kosten beider Instanzen.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die\nVollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 110 % des\naufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Klager\nzuvor in Hohe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit\nleistet.\n\n4\\. Die Revision wird zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| **I.** \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager begehrt Versicherungsschutz in der - bei der Beklagten\nbestehenden - privaten Haftpflichtversicherung wegen Schadensersatzanspruchen\nseines Arbeitgebers. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Am Morgen des 19.01.2004 war das Fahrzeug seines Arbeitgebers, das dem\nKlager zur Benutzung uberlassen war, durch einen Heizlufter in Brand geraten.\nDiesen hatte der Klager zuvor in das Fahrzeuginnere gestellt, um die vereisten\nFront- und Seitenscheiben abzutauen und sich danach entfernt. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Beklagte hat ihre Einstandspflicht unter Berufung auf verschiedene\nvertragliche Haftungsausschlusse, insbesondere auf die „Benzinklausel" der Nr.\nIII. 1. der besonderen Bedingungen zur Privathaftpflicht, abgelehnt. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Das Landgericht ist dieser Auffassung beigetreten und hat die Klage\nabgewiesen. Der Klager sei Fahrzeugfuhrer im Sinne dieser Ausschlussklausel,\nda das Enteisen der Scheiben der unmittelbaren Vorbereitung der Fahrt gedient\nhabe und deshalb mit dem Fahrzeuggebrauch in einem inneren Zusammenhang stehe,\nso dass die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung und nicht die Beklagte\neintrittspflichtig sei. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Fur die Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens und der Entscheidung\nwird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit seiner Berufung wendet sich der Klager gegen die Anwendung der\n„Benzinklausel". Die Annahme des Landgerichts, der Klager sei Fuhrer des\nFahrzeugs gewesen, obwohl er sich wahrend des „Abtauens" in seiner Wohnung\naufgehalten habe, entbehre jeder Grundlage. Diese Auslegung sei vom Wortsinn\ndes Begriffes „Fahrzeugfuhrer" nicht mehr gedeckt, so dass der Schaden nicht\nvon § 10 AKB erfasst und in der Privathaftpflicht zu regulieren sei. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Er beantragt daher: \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Unter Abanderung des am 25.01.2005 verkundeten Urteil des Landgerichts, 4 O\n364/04, wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klager von\nallen aus dem Schadensfall vom 19.01.2004 entstandenen Verpflichtungen\ngegenuber seinem Arbeitgeber, der M. H. GmbH, freizustellen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und stellt den Antrag, \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Fur die Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die gewechselten\nSchriftsatze der Parteien vom 22.02.2005 (II 13) und vom 7.03.2005 (II 35)\nBezug genommen. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die zulassige Berufung ist begrundet, so dass das landgerichtliche Urteil\nabzuandern und dem zulassigen (BGH NJW 1999, 3774) Feststellungsbegehren des\nKlagers stattzugeben ist. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Fur den streitgegenstandlichen Schadensfall besteht Versicherungsschutz in\nder - bei der Beklagten unterhaltenen - Privathaftpflichtversicherung. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Weder greifen die bereits durch die landgerichtliche Entscheidung\nverneinten Haftungsausschlusse ein noch ist eine Deckung nach Nr. III. 1. der\n- fur den streitgegenstandlichen Versicherungsvertrag - geltenden Besonderen\nBedingungen und Risikobeschreibungen fur die Haftpflichtversicherung privater\nRisiken (BBR Privat, Anlage zum SS der Beklagten vom 29.03.2005; II 94 ff.)\nausgeschlossen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| 1\\. Zunachst zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass eine\nEintrittspflicht der Beklagten nicht gem. § 4 Abs. 1 Nr. 6 a AHB ausscheidet. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Klager nutzte das Fahrzeug nicht im Rahmen eines der in § 4 Abs. 1 Nr.\n6a AHB genannten Besitzmittlungsverhaltnisse, insbesondere ist eine Leihe (§\n598 BGB) nicht anzunehmen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass dem Klager die Fahrt mit dem\nFahrzeug gestattet war, um Arbeitskollegen auf dem Weg zur Baustelle abzuholen\nund zur Arbeit zu bringen oder selbst zur Arbeit zu gelangen. Eine private\nNutzung war ihm nicht erlaubt (Protokoll uber die Anhorung des Klagers vom\n25.01.2005, I 85f.), Kosten hatte der Klager keine zu tragen. Unter diesen\nUmstanden durfte der Klager das Fahrzeug lediglich zu einem vom Arbeitgeber\nbestimmten Zweck nutzen, ohne dass ihm gleichzeitig auch der Besitz ubertragen\nworden ware, so dass er nur die Stellung eines Besitzdieners (§ 855 BGB)\ninnehatte. Dies genugt fur den genannten Haftungsausschluss nicht\n(Prolls/Martin- Voit/Knappmann, VVG, 27. Auflage, § 4 AHB Rn. 40 m.N.). Die\nAuffassung der Beklagten, es habe eine Leihe jeweils fur eine Nacht\nvorgelegen, da dem Arbeitgeber des Klagers in der Zeit von Arbeitsende bis zum\nnachsten Morgen eine Einwirkungsmoglichkeit genommen gewesen sei und der\nKlager am Schadenstag auch keine anderen Arbeiter abzuholen gehabt hatte,\ntrifft nicht zu. Entscheidend ist das fur die gesamte Nutzungsdauer\nmaßgebliche Rechtsverhaltnis, da eine unterschiedliche Bewertung fur einzelne\nZeitraume im Hinblick auf einen einheitlichen Parteiwillen lebensfremd\nerscheint. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| 2\\. Auf einen Haftungsausschluss gem. § 4 I Nr. 6 b AHB hat sich die\nBeklagte schon nicht berufen. Ob das Enteisen des Firmenfahrzeugs als\nbetriebliche Tatigkeit anzusehen ware (Littbarski, AHB-Kommentar, 2001, § 4\nRn. 243), kann deshalb dahinstehen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| 3\\. Ebenfalls im Ergebnis zutreffend verneint das Landgericht eine\nLeistungsfreiheit gem. § 61 VVG. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Dabei verkennt die Entscheidung jedoch, dass § 61 VVG in der\nHaftpflichtversicherung schon keine Anwendung findet, sondern durch § 152 VVG\nals lex specialis verdrangt wird. Ein Haftungsausschluss kame deshalb nur dann\nin Betracht, wenn der Klager (zumindest bedingt) vorsatzlich auch hinsichtlich\ndes konkreten Schadenseintritts gehandelt hatte (Prolls/Martin a.a.O., § 152\nRn. 5). Dies ist weder behauptet noch bei dem gegebenen Sachverhalt\nanzunehmen. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| 4\\. Da eine (vollstandige) Haftungsbeschrankung des Klagers gegenuber\nseinem Arbeitgeber schon nicht behauptet ist und die Beklagte daruber hinaus\nsogar die Auffassung vertritt, der Klager habe grob fahrlassig gehandelt, kann\noffen bleiben, in welchem Umfang aus dem Arbeitsverhaltnis folgende\nHaftungserleichterungen Anspruche gegen den Klager einschranken. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| 5\\. Streitentscheidend ist daher schließlich die Frage, ob\nVersicherungsschutz bei der Beklagten nach Nr. III. 1. der - fur den\nstreitgegenstandlichen Versicherungsvertrag geltenden - Besonderen Bedingungen\nund Risikobeschreibungen fur die Haftpflichtversicherung privater Risiken (BBR\nPrivat) ausgeschlossen ist. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Nach Nr. III.1. BBR ist _„ nicht versichert die Haftpflicht des\nEigentumers, Besitzers, Halters oder Fuhrers eines Kraftfahrzeugs (...) wegen\nSchaden, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht werden"._ \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Sinn und Zweck dieser so genannten „Benzinklausel" ist, Überschneidungen\nzwischen von § 10 AKB gedeckten Versicherungsfallen und solchen, fur die die\nPrivathaftpflicht eintritt, zu vermeiden. Dabei kommt, da ansonsten eine\nsystemwidrige Lucke entstunde, dem Begriff des Besitzers keine eigenstandige\nBedeutung zu (Prolls/Martin a.a.O., PrivatHaftpfl. Nr. 3 Rn. 6), so dass die\n(private) Haftpflicht des Fremdbesitzers, der weder Halter noch Fuhrer ist\n(darunter sind in der Rechtsprechung vor allem die Falle der Reparaturarbeiten\nam fremden Fahrzeug gefasst worden; vgl. OLG Hamm NJW-RR 1993, 537), unberuhrt\nbleibt. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Dieser Haftungsausschluss ist vorliegend nicht einschlagig, da der Klager\nden Schaden nicht als _F uhrer beim Gebrauch_ des Fahrzeugs verursacht hat. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| a. Die Anwendung der „Benzinklausel" scheitert nicht bereits daran, dass im\nvorliegenden Fall der Schaden nicht an Rechtsgutern Dritter, sondern an dem\nversicherten Fahrzeug selbst eingetreten ist. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Vom Anwendungsbereich erfasst sind auch diejenigen Schaden, die Gegenstand\neiner besonderen Mitversicherung (hier: § 12 AKB) sein konnen (BGH VersR 1986,\n537). Dafur spricht insbesondere, dass Schaden am versicherten Fahrzeug\ngrundsatzlich zunachst dem versicherten Risiko der Kraftfahrzeughaftpflicht\nunterfallen und erst gem. § 11 AKB ausdrucklich ausgenommen werden.\nAusschlusse sind fur die Eroffnung des Anwendungsbereichs der „Benzinklausel"\naber gerade ohne Belang (Prolls/Martin, a.a.O., Privathaftpfl.Vers Nr. 3 Rn.\n10 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| b. Der Klager hat die schadensstiftende Handlung jedoch nicht als Fuhrer\nbeim Gebrauch des Fahrzeuges vorgenommen. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Der Begriff des Fuhrers ist in diesem Zusammenhang auf der Grundlage des §\n10 II AKB zu definieren. Da heute der Fahrzeuggebrauch und nicht der engere\nBegriff des Betriebs (i.S.v. § 7 StVG) fur § 10 AKB maßgeblich ist, ist auch\ndas Merkmal der Tatigkeit als Fahrer nicht mehr entsprechend eingeschrankt (so\nnoch BGH VersR 1972, 455; im Einzelnen: Stiefel/Hofmann,\nKraftfahrtversicherung, 17. Auflage, § 10 AKB Rn. 44). § 10 AKB erfasst (im\nSinne eines moglichst luckenlosen Schutzes von Verkehrsopfern) damit\ngrundsatzlich auch solche Vorgange, bei denen ein „Betrieb" des Fahrzeugs\n(noch) nicht vorliegt, sondern nur Vorbereitungsmaßnahmen zu einem unmittelbar\nbevorstehenden Fahrtantritt getroffen werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn\nes sich um solche Tatigkeiten handelt, die zum Kreis der Verrichtungen eines\nFahrers zu rechnen sind und im Zusammenhang mit einer konkreten Fahrt\nvorgenommen werden, bei der die in Anspruch genommene Person das Fahrzeug\nlenken soll (Stiefel/Hofmann a.a.O: Rn. 46 m.N.). \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Mit dieser Einordnung korrespondiert auch die Definition des Gebrauchs\ni.S.d. Nr. III. 1. BBR, wobei ein Gebrauch außerhalb des Straßenverkehrs\ngrundsatzlich ausreicht und auch typisches Fahrerhandeln zur Vorbereitung der\nbevorstehenden Fahrt erfasst sein kann. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Dann jedoch setzt die Anwendung der „Benzinklausel" (also die Zuordnung zum\nRisikobereich der Kraftfahrzeugversicherung) voraus, dass das Fahrzeug im\nZusammenhang mit der schadensstiftenden Verrichtung aktuell, unmittelbar,\nzeitlich und ortlich nahe eingesetzt wird (Prolls/Martin a.a.O. Privathaftpfl.\nNr. 3 Rn. 7, BGH VersR 1989, 1187), also sich dabei ein spezifisches Risiko\ndes Kfz-Gebrauchs verwirklicht oder die Gefahr vom Fahrzeug selbst ausgeht\n(Veith/Grafe/Betz, Der Versicherungsprozess, 2005, § 9 Rn. 356 ff.). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Indem der Klager die Scheiben enteist hat, hat er zwar seinen eigenen\nFahrtantritt vorbereitet, wollte das Fahrzeug also als Fuhrer nutzen. Jedoch\nhat sich bei dieser Verrichtung, die unstreitig schon nicht in den\n_unmittelbaren_ Fahrtantritt mundete, da der Klager fur mindestens zehn\nMinuten nochmals in seine Wohnung zuruckkehrte (um zu fruhstucken oder zu\ntelefonieren), nicht die spezifische Gefahr des Fahrzeuges verwirklicht.\nVielmehr hat sich ein Risiko realisiert, das dem Gebrauch des Heizlufters und\nnicht demjenigen des Fahrzeuges anhaftet (vgl. dazu auch den Fall eines\nwegrollenden Einkaufswagens, wenn das Wegrollen nicht unmittelbar durch den\nBeladevorgang beeinflusst war, sowie zu der in diesen Fallen des Be- und\nEntladens uneinheitlichen Rechtsprechung: Veith/Grafe/Betz a.a.O., § 9 Rn.\n372f. m.N.). \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| 6\\. Fur die lediglich begehrte Feststellung einer\nFreistellungsverpflichtung kann die zwischen den Parteien streitige Hohe des\ngegen den Klager erhobenen Schadensersatzanspruches dahinstehen. \n--- \n--- \nIII. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung uber\ndie vorlaufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Revision ist zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), da die Auslegung der\nMerkmale des Fuhrers sowie des Gebrauchs in der in Privat- und\nBetriebshaftpflicht gebrauchlichen Benzinklausel schon angesichts der Vielzahl\nder Anwendungsfalle eine klarungsbedurftige und bisher in der Rechtsprechung\nnicht einheitlich behandelte Frage darstellt. \n--- \n---\n\n
140,892
vghbw-2005-05-31-7-s-244502
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
7 S 2445/02
2005-05-31
2019-01-08 16:52:46
2019-01-17 12:01:04
Urteil
## Tenor\n\nAuf die Berufung der Klager wird das Urteil des Verwaltungsgerichts\nSigmaringen vom 7. Marz 2001 - 1 K 2505/99 - geandert. Der Beklagte wird\nverpflichtet, den Klagern fur den Zeitraum 01.04.1999 bis zum 30.10.1999 Hilfe\nzur Erziehung fur die beantragte Legastheniker-Therapie zu bewilligen. Der\nBescheid des Beklagten vom 17.06.1999 und der Widerspruchsbescheid vom\n27.10.1999 werden aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zuruck gewiesen.\n\nDie Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszugen tragen\nder Beklagte zu 1/3 und die Klager zu 2/3.\n\nDie Revision wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klager sind die Eltern des am 1984 geborenen Sohnes M, bei dem nach dem\nfacharztlichen Gutachten des Dr. med. ... vom 22.03.1999 eine\nTeilleistungsstorung im Sinne einer Lese-/Rechtschreibschwache vorliegt. \n--- \n| 2 \n--- \n| Am 02.03.1999 beantragten die Klager beim Beklagten die Übernahme der\nKosten fur eine lerntherapeutische Heilbehandlung zur Behebung der Lese-\nRechtschreibschwache. Mit Schreiben vom 31.03.1999, beim Beklagten eingegangen\nam 01.04.1999, legten die Klager u.a. den Therapievertrag vom 27.07.1998, die\nlerntherapeutische Stellungnahme des Instituts fur Legastheniker-Therapie\nReutlingen vom 09.05.1998, die Stellungnahme der Haupt- und Realschule\nBurladingen vom 13.11.1998 sowie den Befundbericht des Dr. med. ... vom\n22.03.1999 vor. Nach dem Therapievertrag vom 27.07.1998 soll mit dem Sohn der\nKlager ab Sept./Okt. 1998 eine lerntherapeutische Heilbehandlung durchgefuhrt\nwerden. Zur Begrundung der Notwendigkeit der Maßnahme bezogen sich die Klager\nauf die Stellungnahme des Instituts fur Legastheniker-Therapie Reutlingen vom\n09.05.1998. In ihrer Stellungnahme vom 13.11.1998 teilte die Schule des Sohnes\nder Klager mit, dass die Lese-/Rechtschreibschwache seit Jahren bekannt sei,\ndass sie aber spezielle Forderungen weder in der Vergangenheit habe anbieten\nkonnen, noch solche im laufenden Schuljahr in Aussicht stellen konne. M sei\nfleißig, engagiert und pflichtbewusst mit ordentlichen bis guten Leistungen in\nden anderen Fachern. Die Durchfuhrung außerschulischer Maßnahmen zur Behebung\nder Lese-/Rechtschreibschwache werde befurwortet. \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Gesundheitsamt des Beklagten verneinte zwar eine drohende seelische\nBehinderung, hielt eine Legastheniker-Therapie aber dennoch fur erforderlich. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Bescheid vom 17.06.1999 lehnte der Beklagte den Antrag der Klager ab.\nEine Behinderung oder das akute Drohen einer Behinderung habe nicht\nfestgestellt werden konnen, weshalb Leistungen der Eingliederungshilfe nicht\nin Betracht kamen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Widerspruch der Klager wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.10.1999\nzuruck gewiesen. Im Widerspruchsbescheid ist ausgefuhrt: § 35a SGB VIII gehe\nals speziellere Regelung einer Anwendung von § 27 SGB VIII vor. Deren\nVoraussetzungen lagen aber nicht vor, weil keine Behinderung vorliege oder\ndrohe. \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Widerspruchsbescheid wurde den Klagern am 03.11.1999 zugestellt. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klager haben am 02.12.1999 Klage zum Verwaltungsgericht Sigmaringen\nerhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgen. Sie machten geltend, dass\ndie Leistungsvoraussetzungen des § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII gegeben seien;\nauf § 35 a SGB VIII komme es nicht an. Fur die Therapie vom Januar 1999 bis\nMai 2000 seien Kosten in Hohe von insgesamt 6.420,00 DM entstanden. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Klager haben beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 17.06.1999 und\nden Widerspruchsbescheid vom 27.10.1999 aufzuheben und den Beklagten zu\nverpflichten, ihnen Hilfe zur Erziehung fur die Legastheniker-Therapie vom\n01.01.1999 bis zum 31.05.2000 zu gewahren. \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat deren Abweisung\nbeantragt. \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit Urteil vom 07.03.2001 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.\nIn den Entscheidungsgrunden heißt es u.a.: Die tatbestandlichen\nVoraussetzungen des § 35 a Abs. 1 SGB VIII, der auch nur vom Sohn der Klager\nselbst geltend gemacht werden konnte, seien nicht erfullt. Ein Anspruch ergebe\nsich auch nicht aus § 27 SGB VIII. Fur den Zeitraum 01.12.1999 bis 31.05.2000\nscheide ein Anspruch bereits deshalb aus, weil der maßgebliche\nLeistungszeitraum durch den Erlass des Widerspruchsbescheids limitiert werde.\nNach § 27 SGB VIII konnten die Kosten fur eine Legastheniker-Therapie auch\nnicht ubernommen werden, weil es sich um keine Hilfe zur Erziehung handele.\nZwar sei aufgrund der Lese-/Rechtschreibschwache eine Defizitsituation beim\nSohn der Klager festzustellen, § 27 SGB VIII erlaube aber nicht jedwede\nMaßnahme, sondern nur Hilfen, die ihrer Art nach Hilfe zur Erziehung\ndarstellten. Eine solche Erziehungsmaßnahme liege aber nicht vor, weil eine\nMaßnahme, die unter § 35a SGB VIII falle, nicht gleichzeitig als Hilfe zur\nErziehung nach § 27 SGB VIII bewilligt werden konne. Dies gelte jedenfalls fur\ndie Neufassung von § 27 SGB VIII. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das\nUrteil vom 07.03.2001 Bezug genommen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Das Urteil wurde dem Prozessbevollmachtigten der Klager am 21.03.2001\nzugestellt. \n--- \n| 12 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 20.04.2001, beim Verwaltungsgericht eingegangen am\n20.04.2001, haben die Klager die Zulassung der Berufung beantragt. Mit\nBeschluss vom 29.10.2002 hat der Senat die Berufung zugelassen. Dieser\nBeschluss wurde dem Prozessbevollmachtigten der Klager am 08.11.2002\nzugestellt. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Berufung wurde mit Schriftsatz vom 04.12.2002, beim\nVerwaltungsgerichtshof eingegangen am 05.12.2002, begrundet. Wegen der\nEinzelheiten der Berufungsbegrundung wird auf den Schriftsatz vom 04.12.2002\nBezug genommen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Klager beantragen, \n--- \n| 15 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 07.03.2001 - 1 K 2505/99\n- zu andern und den Beklagten zu verpflichten, ihnen fur die Zeit vom\n01.01.1999 bis zum 31.05.2000 Hilfe zur Erziehung fur die Legastheniker-\nTherapie zu bewilligen sowie den Bescheid vom 17.06.1999 und den\nWiderspruchsbescheid vom 02.10.1999 aufzuheben. \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 17 \n--- \n| die Berufung zuruck zu weisen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen der Einzelheiten wird auf\nden Schriftsatz vom 16.01.2003 verwiesen. \n--- \n| 19 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die in der Sache angefallenen\nGerichtsakten sowie die dem Senat vorliegenden Behordenakten Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 20 \n--- \n| Der Senat kann uber die Berufung gemaß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2\nVwGO ohne mundliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr\nEinverstandnis erklart haben. \n--- \n| 21 \n--- \n| Die zugelassene Berufung ist auch im Übrigen zulassig, insbesondere\nfristgerecht begrundet worden. Die Berufung ist aber nur teilweise begrundet. \n--- \n| 22 \n--- \n| I. 1. Keinen Erfolg hat die Berufung fur den Zeitraum vom 01.01.1999 bis\nzum 31.03.1999. Nach der Rechtsprechung des BVerwG, der der Senat folgt,\nsetzen Leistungen der Jugendhilfe grundsatzlich eine vorherige Antragstellung\ngegenuber dem Trager der offentlichen Jugendhilfe voraus (BVerwG, Urteil vom\n28.09.2000 - FEVS 52, 532). Beschafft sich der Betroffene ohne Zustimmung des\nJugendhilfetragers die Hilfe selbst, so ist der Jugendhilfetrager\ngrundsatzlich nicht verpflichtet, die bereits entstandenen Kosten zu\nubernehmen. Eine Ausnahme kommt insoweit nur in Betracht, wenn die\nBedarfsdeckung unaufschiebbar ist. Von einer solchen unaufschiebbaren\nNotwendigkeit kann im vorliegenden Fall aber nicht ausgegangen werden. Die\nLese-/Rechtschreibschwache war den Klagern und auch der Schule seit Jahren\nbekannt, wie sich beispielsweise aus der Stellungnahme der Schule vom\n13.11.1998 ergibt. Bei dieser Sachlage war es den Klagern aber zumutbar, sich\nvor Einleitung der Maßnahme, insbesondere auch vor Abschluss des\nTherapievertrages mit dem Beklagten in Verbindung zu setzen, die Bedarfslage\nzu unterbreiten und die Gewahrung von Hilfe ausdrucklich zu beantragen. Die\nverspatete Antragstellung fuhrt aber nicht zum volligen Wegfall des Anspruchs.\nDenn die streitgegenstandliche lerntherapeutische Heilbehandlung zeichnet sich\ndadurch aus, dass sie zeitabschnittsbezogen und jeweils selbstandig und damit\ntrennbar erbracht werden kann. Insbesondere sieht auch der Therapievertrag vom\n27.07.1998 eine Kundigungsmoglichkeit zum Monatsende vor. Ist die selbst\nbeschaffte Leistung aber derart trennbar, kann hinsichtlich der\nLeistungsabschnitte, die zwar aufgrund des zuvor abgeschlossenen Vertrages,\naber erst nach Antragstellung beim Jugendhilfetrager erbracht worden sind, ein\nAnspruch auf Kostenubernahme bestehen. \n--- \n| 23 \n--- \n| 2\\. Kein Anspruch steht den Klagern auch fur den Zeitraum 01.11.1999 bis\nzum 31.05.2000 zu. Denn bei einem Streit um die Gewahrung von Jugendhilfe kann\nein Hilfeanspruch grundsatzlich nur in dem zeitlichen Umfang zum Gegenstand\nverwaltungsgerichtlicher Kontrolle gemacht werden, in dem der Leistungstrager\nden Hilfefall geregelt hat. Dies ist regelmaßig der Zeitraum bis zur letzten\nVerwaltungsentscheidung, also bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids\n(BVerwGE 64, 224 <226>). Anderes kann zwar fur von vornherein zeitlich\nbegrenzte Hilfen geltend. Von einem solchen zeitlich absehbaren Wegfall des\nHilfebedarfs kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden. Denn nach dem von\nden Klagern vorgelegten Therapievertrag vom 27.07.1998 sollte die Maßnahme ab\nSeptember/Oktober 1998 beginnen; eine zeitliche Befristung ist nicht\nvorgesehen. Aus dem gleichfalls vorgelegten Behandlungsplan vom 06.03.1999\nbesteht ein außerschulischer Forderbedarf fur mindestens zweieinhalb Jahre,\nwas ebenfalls gegen einen zeitlich feststehenden Bedarfszeitraum spricht. \n--- \n| 24 \n--- \n| II. Erfolg hat die Berufung aber hinsichtlich des verbliebenen Zeitraums\n01.04. 1999 bis 31.10.1999. Insoweit hat das Verwaltungsgericht die Klage zu\nUnrecht abgewiesen. Denn der Bescheid des Beklagten vom 17.06.1999 und dessen\nWiderspruchsbescheid vom 27.10.1999 sind rechtswidrig. Die Klager haben fur\ndiesen Zeitraum einen Anspruch auf die Bewilligung von Hilfe fur die\ndurchgefuhrte Legastheniker-Therapie. \n--- \n| 25 \n--- \n| 1\\. Die Klager haben einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung aus § 27 SGB\nVIII. Der erkennende Senat hat die Anwendbarkeit von § 27 SGB VIII (in der\nFassung vom 16.06.1990 <BGBl. I S. 1163>) in seinem Urteil vom 29.05.1995 - 7\nS 259/94 - ESVGH 45, 292 fur Falle der Lese-/Rechtschreibschwache bejaht (vgl.\ninsoweit auch den Beschluss des 2. Senats des VGH Baden-Wurttemberg vom\n06.12.1999 - 2 S 891/98 - FEVS 51, 471). Der Senat halt an seiner Auffassung\nauch unter Geltung der fur den streitgegenstandlichen Zeitraum maßgeblichen\nNeufassung von § 27 SGB VIII (in der Fassung des Gesetzes vom 08.12.1998\n<BGBl. I S. 3546>) fest. Anders als das Verwaltungsgericht und der 9. Senat\ndes Verwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttemberg (Urteil vom 06.04.2005 - 9 S\n2633/03) ist er nicht der Auffassung, dass die Einfuhrung von § 35 a SGB VIII\ndie Gewahrung von Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII fur Falle der\nLese-/Rechtschreibschwache durchweg ausschließt. Zutreffend ist allerdings die\nErwagung des Verwaltungsgerichts, dass Leistungen nach § 35 a SGB VIII an das\nKind bzw. den Jugendlichen der Gewahrung von Hilfe zur Erziehung an die Eltern\nvorgehen, wenn die besondere Voraussetzungen dieser Norm gegeben sind. Der\nvorliegende Fall zeichnet sich aber dadurch aus, dass der Sohn der Klager\ngerade nicht die Voraussetzungen des § 35 a SGB VIII erfullt, nach dem\nfacharztlichen Gutachten vom 22.03.1999 sowie der Stellungnahme des\nGesundheitsamtes vom 17.05.1999, der Stellungnahme der Haupt- und\nWerkrealschule Burladingen vom 13.11.1998 und der lerntherapeutischen\nStellungnahme des Instituts fur Legastheniker-Therapie Reutlingen vom\n09.05.1998 aber außer Frage steht, dass beim Sohn der Klager ein erhebliches\nDefizit vorliegt, das der erzieherischen Reaktion bedarf. Wollte man den\nEltern von Kindern oder Jugendlichen in solcher Situation Hilfe zur Erziehung\ndurchweg versagen, wurde dies dazu fuhren, dass man entweder eine weitere\nVerschlechterung des Zustandes des Kindes bis zum Eintritt einer akuten oder\ndrohenden Behinderung abwarten musste, um dann nach § 35 a SGB VIII helfen zu\nkonnen, oder aber, falls eine solche Verschlechterung nicht eintreten sollte,\ndas erhebliche erzieherische Defizit, das das Kind auf seinem weiteren\nLebensweg massiv beeintrachtigen kann und in aller Regel auch beeintrachtigen\nwird, unbeachtet und untherapiert ließe. Weder die eine noch die andere\nAlternative erscheint dem erkennenden Senat als zumutbar. Im vorliegenden Fall\nist zusatzlich zu berucksichtigen, dass die Lese-/Rechtschreibschwache fur den\nSohn der Klager in der Vergangenheit bereits erhebliche Nachteile mit sich\ngebracht hat, die eine psychotherapeutische Behandlung erforderlich gemacht\nhaben. \n--- \n| 26 \n--- \n| Einem solchen Normverstandnis steht auch nicht der Wortlaut der Vorschrift\nentgegen. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII wird Hilfe zur Erziehung\ninsbesondere nach Maßgabe der - vorliegend nicht einschlagigen - §§ 28 bis 35\ngewahrt. Aus dem Wortlaut folgt aber auch, dass die in § 27 Abs. 2 SGB VIII\nerfolgte Aufzahlung der Hilfeformen nicht abschließend ist, sondern dass es\ndaneben atypische Konstellationen geben kann, fur die ebenfalls Hilfe zur\nErziehung in Betracht kommt. So hat das BVerwG mit Urteil vom 12.12.2002\n(BVerwGE 117, 261 = NJW 2003, 2399) entschieden, dass fur die gemeinsame\nUnterbringung von Mutter und Kind in einer Mutter-und-Kind-Einrichtung des\nStrafvollzugs Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII in Betracht kommt (vgl.\nzu einer ahnlichen Problematik auch Hessischer VGH, DVBl 2001, 576 und FEVS\n52, 462). \n--- \n| 27 \n--- \n| Auch die strikte systematische Unterscheidung in Hilfearten, die\nausschließlich familienunterstutzend, -erganzend oder - ersetzend seien und\nsolche Hilfen, die schulerganzend oder -ersetzend seien (so der VGH Baden-\nWurttemberg, Urteil vom 06.04.2005 - 9 S 2633/03 - <UA S. 11> unter Bezugnahme\nauf Kunkel, ZfJ 1997, 315 <316>), erscheint dem erkennenden Senat nicht\nzwingend. Die Erziehung des Kindes erfolgt in der hier interessierenden Phase\nder schulischen Ausbildung und Erziehung immer im Zusammenwirken der\nErziehungsberechtigten, regelmaßig der Eltern, und des Staates, dem durch Art.\n7 Abs. 1 GG ein eigenstandiges Erziehungsrecht zugebilligt ist. Eine strikte\nTrennung beider Verantwortungsbereiche ist hier schon begrifflich nicht\nmoglich. Die Befugnisse und Pflichten beider Seiten sind vielmehr vielfaltig\nverzahnt und - hinsichtlich der schulischen Entwicklung - durch Informations-,\nMitwirkungs- und Wahlrechte der Eltern gekennzeichnet. Ob und wo in dieser\nPhase die elterliche oder schulische Erziehung uberwiegt, hangt dabei immer\nauch von der konkreten familiaren und schulischen Situation ab. So ist nicht\nzu ubersehen, dass die Schule sich zunehmend mit Erziehungsproblemen\nkonfrontiert sieht, die eigentlich der elterlichen Erziehungsverantwortung\nzuzurechnen sind. Umgekehrt sehen sich Eltern immer wieder gezwungen,\nErziehungsleistungen zu erbringen, die eigentlich der Schule uberantwortet\nsind. Von daher ist es auch nicht systemwidrig, dass der Anspruch auf Hilfe\nzur Erziehung nicht dem Kind, sondern den Eltern zusteht. Diese Zuordnung\ntragt lediglich der parallelen Verantwortung der Eltern auch wahrend der Phase\nder schulischen Ausbildung und Erziehung Rechnung. Ob ein das Einsetzen der\nJugendhilfe rechtfertigendes erzieherisches Defizit festzustellen ist, kann\ndamit nicht davon abhangig sein, ob ein Erziehungsproblem eigentlich von der\nSchule gemeistert werden musste, sondern nur davon, ob ein solches Defizit\nvorliegt. Denn der staatliche Erziehungsauftrag und das Elternrecht haben\nsich, isoliert betrachtet und auch in ihrem Zusammenwirken, immer am\nKindeswohl zu orientieren. Dem Vorrang der schulischen Problemlosung fur den\nBereich der Legasthenie tragt ausschließlich das Nachrangprinzip des 10 Abs. 1\nSGB VIII Rechnung, das allerdings voraussetzt, dass das Kind die erforderliche\nHilfe tatsachlich von der Schule erlangen kann, was vorliegend - wie so oft -\ngerade nicht der Fall ist. \n--- \n| 28 \n--- \n| 2\\. Die Voraussetzungen des § 27 SGB VIII liegen vor. \n--- \n| 29 \n--- \n| a) Voraussetzung fur die Gewahrung von Leistungen der Hilfe zur Erziehung\nist, dass ohne diese Leistungen eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen\nentsprechende Erziehung nicht gewahrleistet ist. Eine nahere Konkretisierung\nnimmt das Gesetz nicht vor, um nicht bestimmten Zuschreibungsprozessen (wie\netwa Verwahrlosung oder Entwicklungsstorung) Vorschub zu leisten; vielmehr\nsoll mit der Wahl des Begriffs Kindeswohl die Entwicklung bis zu einem\ngewissen Grad offen gehalten werden. Fur den Rechtsanspruch auf\nErziehungshilfe ist deshalb nicht mehr - wie unter der Geltung des\nJugendwohlfahrtsgesetzes - Voraussetzung, dass die familiare Erziehung\ndefizitar ist, sondern es wird generell auf Defizitsituationen abgestellt.\nEntscheidend ist also, ob das, was fur die Sozialisation, Ausbildung und\nErziehung des Kindes oder Jugendlichen erforderlich ist, tatsachlich vorhanden\nist. Dessen Wohl ist demnach dann nicht (mehr) gewahrleistet, wenn die\nkonkrete Lebenssituation durch Mangel (z.B. an padagogischer Unterstutzung\noder an Ausbildungsmoglichkeit) oder soziale Benachteiligung gekennzeichnet\nist und das Sozialisationsfeld des Minderjahrigen nicht in der Lage ist, aus\neigenen Kraften diese Mangel- und Defizitsituation abzubauen und deshalb\nerzieherische Hilfsbedurftigkeit besteht. \n--- \n| 30 \n--- \n| b) Gemaß § 27 Abs. 3 SGB VIII umfasst Hilfe zur Erziehung insbesondere die\nGewahrung padagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Sie\nsoll bei Bedarf Ausbildungs- und Beschaftigungsmaßnahmen i.S.d. § 13 Abs. 2\neinschließen. Zu den padagogischen Leistungen zahlen alle Hilfeleistungen und\n-maßnahmen, die direkt oder indirekt auf die Entwicklung der Personlichkeit\ndes Kindes oder Jugendlichen einwirken und seiner Entwicklung zu einer\neigenverantwortlichen und gemeinschaftsfahigen Personlichkeit im Sinne der\nallgemeinen Aufgaben- und Zielvorstellungen des § 1 SGB VIII dienen. Im Rahmen\nder padagogischen Leistungen ist die zur Zielsetzung notwendige Therapie zu\nwahlen; mit dieser kann es notwendig sein, neben padagogischen Fachkraften\nauch andere Fachkrafte wie Psychologen und Ärzte einzubeziehen. Aufgrund der\nim Verwaltungsverfahren eingeholten bzw. vorgelegten Bescheinigungen und\nStellungnahmen von Ärzten, des Instituts fur Legastheniker-Therapie,\nReutlingen sowie der Schule steht es fur den erkennenden Senat fest, dass im\nhier maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung beim Sohn der Klager\nTeilleistungsstorungen in den Bereichen Lesen und Rechtschreibung vorhanden\nwaren, die zur Vermeidung weiterer psychosozialer Storungen einer gezielten\nBehandlung bedurften. Die fur das Einsetzen der Hilfe zur Erziehung\nerforderliche Defizitsituation lag somit vor, weil das Sozialisationsfeld des\nSohnes der Klager, nicht in der Lage war, dieses Defizit abzubauen. Hierzu war\nvielmehr eine besondere padagogische Therapie erforderlich, die nur durch\nhierfur besonders ausgebildete Padagogen geleistet werden kann. \n--- \n| 31 \n--- \n| c) Gemaß § 27 Abs. 2 SGB VIII wird Hilfe zur Erziehung insbesondere nach\nMaßgabe der §§ 28 bis 35 gewahrt. Es handelt sich also um keine abschließende,\nsondern nur um eine beispielhafte Aufzahlung. Art und Umfang der Hilfe richten\nsich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall (§ 27 Abs. 2 Satz 2 SGB-\nVIII). Bedenken gegen die Eignung des Instituts fur Legastheniker-Therapie fur\ndie Durchfuhrung der erforderlichen padagogischen und therapeutischen\nLeistungen hat der Beklagte nicht vorgebracht; solche Bedenken sind auch nicht\nersichtlich. \n--- \n| 32 \n--- \n| d) Der Bewilligung von Hilfe zur Erziehung steht auch nicht die vorrangige\nZustandigkeit der Schule entgegen. Zwar gehort es zu den Aufgaben der Schulen,\ndurch besondere Fordermaßnahmen in Fallen ausgepragter Lese-/\nRechtschreibschwache Hilfe zu leisten. Jedoch greift der Nachrang der\noffentlichen Jugendhilfe (§ 10 Abs. 1 SGB VIII) nur dann ein, wenn die\nerforderliche Hilfe von anderer Seite tatsachlich erlangt werden kann, die\nHilfe also prasent ist. Dies war aber im vorliegenden Fall gerade nicht\nmoglich, wie sich aus der Stellungnahme der Haupt- und Werkrealschule\nBurladingen vom 13.11.1998 ergibt. Nach dieser Stellungnahme der Schule wird\ndie von den Klagern durchgefuhrte außerschulische Maßnahme fur erforderlich\ngehalten und ausdrucklich befurwortet. \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtskosten\nwerden gemaß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Revision ist gemaß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Von\ngrundsatzlicher Bedeutung ist die Frage, ob fur eine Legastheniker-Therapie\nHilfe ausschließlich nach den besonderen Voraussetzungen des § 35 a SGB VIII\noder auch nach § 27 SGB VIII als Hilfe zur Erziehung gewahrt werden kann. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 20 \n--- \n| Der Senat kann uber die Berufung gemaß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2\nVwGO ohne mundliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr\nEinverstandnis erklart haben. \n--- \n| 21 \n--- \n| Die zugelassene Berufung ist auch im Übrigen zulassig, insbesondere\nfristgerecht begrundet worden. Die Berufung ist aber nur teilweise begrundet. \n--- \n| 22 \n--- \n| I. 1. Keinen Erfolg hat die Berufung fur den Zeitraum vom 01.01.1999 bis\nzum 31.03.1999. Nach der Rechtsprechung des BVerwG, der der Senat folgt,\nsetzen Leistungen der Jugendhilfe grundsatzlich eine vorherige Antragstellung\ngegenuber dem Trager der offentlichen Jugendhilfe voraus (BVerwG, Urteil vom\n28.09.2000 - FEVS 52, 532). Beschafft sich der Betroffene ohne Zustimmung des\nJugendhilfetragers die Hilfe selbst, so ist der Jugendhilfetrager\ngrundsatzlich nicht verpflichtet, die bereits entstandenen Kosten zu\nubernehmen. Eine Ausnahme kommt insoweit nur in Betracht, wenn die\nBedarfsdeckung unaufschiebbar ist. Von einer solchen unaufschiebbaren\nNotwendigkeit kann im vorliegenden Fall aber nicht ausgegangen werden. Die\nLese-/Rechtschreibschwache war den Klagern und auch der Schule seit Jahren\nbekannt, wie sich beispielsweise aus der Stellungnahme der Schule vom\n13.11.1998 ergibt. Bei dieser Sachlage war es den Klagern aber zumutbar, sich\nvor Einleitung der Maßnahme, insbesondere auch vor Abschluss des\nTherapievertrages mit dem Beklagten in Verbindung zu setzen, die Bedarfslage\nzu unterbreiten und die Gewahrung von Hilfe ausdrucklich zu beantragen. Die\nverspatete Antragstellung fuhrt aber nicht zum volligen Wegfall des Anspruchs.\nDenn die streitgegenstandliche lerntherapeutische Heilbehandlung zeichnet sich\ndadurch aus, dass sie zeitabschnittsbezogen und jeweils selbstandig und damit\ntrennbar erbracht werden kann. Insbesondere sieht auch der Therapievertrag vom\n27.07.1998 eine Kundigungsmoglichkeit zum Monatsende vor. Ist die selbst\nbeschaffte Leistung aber derart trennbar, kann hinsichtlich der\nLeistungsabschnitte, die zwar aufgrund des zuvor abgeschlossenen Vertrages,\naber erst nach Antragstellung beim Jugendhilfetrager erbracht worden sind, ein\nAnspruch auf Kostenubernahme bestehen. \n--- \n| 23 \n--- \n| 2\\. Kein Anspruch steht den Klagern auch fur den Zeitraum 01.11.1999 bis\nzum 31.05.2000 zu. Denn bei einem Streit um die Gewahrung von Jugendhilfe kann\nein Hilfeanspruch grundsatzlich nur in dem zeitlichen Umfang zum Gegenstand\nverwaltungsgerichtlicher Kontrolle gemacht werden, in dem der Leistungstrager\nden Hilfefall geregelt hat. Dies ist regelmaßig der Zeitraum bis zur letzten\nVerwaltungsentscheidung, also bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids\n(BVerwGE 64, 224 <226>). Anderes kann zwar fur von vornherein zeitlich\nbegrenzte Hilfen geltend. Von einem solchen zeitlich absehbaren Wegfall des\nHilfebedarfs kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden. Denn nach dem von\nden Klagern vorgelegten Therapievertrag vom 27.07.1998 sollte die Maßnahme ab\nSeptember/Oktober 1998 beginnen; eine zeitliche Befristung ist nicht\nvorgesehen. Aus dem gleichfalls vorgelegten Behandlungsplan vom 06.03.1999\nbesteht ein außerschulischer Forderbedarf fur mindestens zweieinhalb Jahre,\nwas ebenfalls gegen einen zeitlich feststehenden Bedarfszeitraum spricht. \n--- \n| 24 \n--- \n| II. Erfolg hat die Berufung aber hinsichtlich des verbliebenen Zeitraums\n01.04. 1999 bis 31.10.1999. Insoweit hat das Verwaltungsgericht die Klage zu\nUnrecht abgewiesen. Denn der Bescheid des Beklagten vom 17.06.1999 und dessen\nWiderspruchsbescheid vom 27.10.1999 sind rechtswidrig. Die Klager haben fur\ndiesen Zeitraum einen Anspruch auf die Bewilligung von Hilfe fur die\ndurchgefuhrte Legastheniker-Therapie. \n--- \n| 25 \n--- \n| 1\\. Die Klager haben einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung aus § 27 SGB\nVIII. Der erkennende Senat hat die Anwendbarkeit von § 27 SGB VIII (in der\nFassung vom 16.06.1990 <BGBl. I S. 1163>) in seinem Urteil vom 29.05.1995 - 7\nS 259/94 - ESVGH 45, 292 fur Falle der Lese-/Rechtschreibschwache bejaht (vgl.\ninsoweit auch den Beschluss des 2. Senats des VGH Baden-Wurttemberg vom\n06.12.1999 - 2 S 891/98 - FEVS 51, 471). Der Senat halt an seiner Auffassung\nauch unter Geltung der fur den streitgegenstandlichen Zeitraum maßgeblichen\nNeufassung von § 27 SGB VIII (in der Fassung des Gesetzes vom 08.12.1998\n<BGBl. I S. 3546>) fest. Anders als das Verwaltungsgericht und der 9. Senat\ndes Verwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttemberg (Urteil vom 06.04.2005 - 9 S\n2633/03) ist er nicht der Auffassung, dass die Einfuhrung von § 35 a SGB VIII\ndie Gewahrung von Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII fur Falle der\nLese-/Rechtschreibschwache durchweg ausschließt. Zutreffend ist allerdings die\nErwagung des Verwaltungsgerichts, dass Leistungen nach § 35 a SGB VIII an das\nKind bzw. den Jugendlichen der Gewahrung von Hilfe zur Erziehung an die Eltern\nvorgehen, wenn die besondere Voraussetzungen dieser Norm gegeben sind. Der\nvorliegende Fall zeichnet sich aber dadurch aus, dass der Sohn der Klager\ngerade nicht die Voraussetzungen des § 35 a SGB VIII erfullt, nach dem\nfacharztlichen Gutachten vom 22.03.1999 sowie der Stellungnahme des\nGesundheitsamtes vom 17.05.1999, der Stellungnahme der Haupt- und\nWerkrealschule Burladingen vom 13.11.1998 und der lerntherapeutischen\nStellungnahme des Instituts fur Legastheniker-Therapie Reutlingen vom\n09.05.1998 aber außer Frage steht, dass beim Sohn der Klager ein erhebliches\nDefizit vorliegt, das der erzieherischen Reaktion bedarf. Wollte man den\nEltern von Kindern oder Jugendlichen in solcher Situation Hilfe zur Erziehung\ndurchweg versagen, wurde dies dazu fuhren, dass man entweder eine weitere\nVerschlechterung des Zustandes des Kindes bis zum Eintritt einer akuten oder\ndrohenden Behinderung abwarten musste, um dann nach § 35 a SGB VIII helfen zu\nkonnen, oder aber, falls eine solche Verschlechterung nicht eintreten sollte,\ndas erhebliche erzieherische Defizit, das das Kind auf seinem weiteren\nLebensweg massiv beeintrachtigen kann und in aller Regel auch beeintrachtigen\nwird, unbeachtet und untherapiert ließe. Weder die eine noch die andere\nAlternative erscheint dem erkennenden Senat als zumutbar. Im vorliegenden Fall\nist zusatzlich zu berucksichtigen, dass die Lese-/Rechtschreibschwache fur den\nSohn der Klager in der Vergangenheit bereits erhebliche Nachteile mit sich\ngebracht hat, die eine psychotherapeutische Behandlung erforderlich gemacht\nhaben. \n--- \n| 26 \n--- \n| Einem solchen Normverstandnis steht auch nicht der Wortlaut der Vorschrift\nentgegen. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII wird Hilfe zur Erziehung\ninsbesondere nach Maßgabe der - vorliegend nicht einschlagigen - §§ 28 bis 35\ngewahrt. Aus dem Wortlaut folgt aber auch, dass die in § 27 Abs. 2 SGB VIII\nerfolgte Aufzahlung der Hilfeformen nicht abschließend ist, sondern dass es\ndaneben atypische Konstellationen geben kann, fur die ebenfalls Hilfe zur\nErziehung in Betracht kommt. So hat das BVerwG mit Urteil vom 12.12.2002\n(BVerwGE 117, 261 = NJW 2003, 2399) entschieden, dass fur die gemeinsame\nUnterbringung von Mutter und Kind in einer Mutter-und-Kind-Einrichtung des\nStrafvollzugs Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII in Betracht kommt (vgl.\nzu einer ahnlichen Problematik auch Hessischer VGH, DVBl 2001, 576 und FEVS\n52, 462). \n--- \n| 27 \n--- \n| Auch die strikte systematische Unterscheidung in Hilfearten, die\nausschließlich familienunterstutzend, -erganzend oder - ersetzend seien und\nsolche Hilfen, die schulerganzend oder -ersetzend seien (so der VGH Baden-\nWurttemberg, Urteil vom 06.04.2005 - 9 S 2633/03 - <UA S. 11> unter Bezugnahme\nauf Kunkel, ZfJ 1997, 315 <316>), erscheint dem erkennenden Senat nicht\nzwingend. Die Erziehung des Kindes erfolgt in der hier interessierenden Phase\nder schulischen Ausbildung und Erziehung immer im Zusammenwirken der\nErziehungsberechtigten, regelmaßig der Eltern, und des Staates, dem durch Art.\n7 Abs. 1 GG ein eigenstandiges Erziehungsrecht zugebilligt ist. Eine strikte\nTrennung beider Verantwortungsbereiche ist hier schon begrifflich nicht\nmoglich. Die Befugnisse und Pflichten beider Seiten sind vielmehr vielfaltig\nverzahnt und - hinsichtlich der schulischen Entwicklung - durch Informations-,\nMitwirkungs- und Wahlrechte der Eltern gekennzeichnet. Ob und wo in dieser\nPhase die elterliche oder schulische Erziehung uberwiegt, hangt dabei immer\nauch von der konkreten familiaren und schulischen Situation ab. So ist nicht\nzu ubersehen, dass die Schule sich zunehmend mit Erziehungsproblemen\nkonfrontiert sieht, die eigentlich der elterlichen Erziehungsverantwortung\nzuzurechnen sind. Umgekehrt sehen sich Eltern immer wieder gezwungen,\nErziehungsleistungen zu erbringen, die eigentlich der Schule uberantwortet\nsind. Von daher ist es auch nicht systemwidrig, dass der Anspruch auf Hilfe\nzur Erziehung nicht dem Kind, sondern den Eltern zusteht. Diese Zuordnung\ntragt lediglich der parallelen Verantwortung der Eltern auch wahrend der Phase\nder schulischen Ausbildung und Erziehung Rechnung. Ob ein das Einsetzen der\nJugendhilfe rechtfertigendes erzieherisches Defizit festzustellen ist, kann\ndamit nicht davon abhangig sein, ob ein Erziehungsproblem eigentlich von der\nSchule gemeistert werden musste, sondern nur davon, ob ein solches Defizit\nvorliegt. Denn der staatliche Erziehungsauftrag und das Elternrecht haben\nsich, isoliert betrachtet und auch in ihrem Zusammenwirken, immer am\nKindeswohl zu orientieren. Dem Vorrang der schulischen Problemlosung fur den\nBereich der Legasthenie tragt ausschließlich das Nachrangprinzip des 10 Abs. 1\nSGB VIII Rechnung, das allerdings voraussetzt, dass das Kind die erforderliche\nHilfe tatsachlich von der Schule erlangen kann, was vorliegend - wie so oft -\ngerade nicht der Fall ist. \n--- \n| 28 \n--- \n| 2\\. Die Voraussetzungen des § 27 SGB VIII liegen vor. \n--- \n| 29 \n--- \n| a) Voraussetzung fur die Gewahrung von Leistungen der Hilfe zur Erziehung\nist, dass ohne diese Leistungen eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen\nentsprechende Erziehung nicht gewahrleistet ist. Eine nahere Konkretisierung\nnimmt das Gesetz nicht vor, um nicht bestimmten Zuschreibungsprozessen (wie\netwa Verwahrlosung oder Entwicklungsstorung) Vorschub zu leisten; vielmehr\nsoll mit der Wahl des Begriffs Kindeswohl die Entwicklung bis zu einem\ngewissen Grad offen gehalten werden. Fur den Rechtsanspruch auf\nErziehungshilfe ist deshalb nicht mehr - wie unter der Geltung des\nJugendwohlfahrtsgesetzes - Voraussetzung, dass die familiare Erziehung\ndefizitar ist, sondern es wird generell auf Defizitsituationen abgestellt.\nEntscheidend ist also, ob das, was fur die Sozialisation, Ausbildung und\nErziehung des Kindes oder Jugendlichen erforderlich ist, tatsachlich vorhanden\nist. Dessen Wohl ist demnach dann nicht (mehr) gewahrleistet, wenn die\nkonkrete Lebenssituation durch Mangel (z.B. an padagogischer Unterstutzung\noder an Ausbildungsmoglichkeit) oder soziale Benachteiligung gekennzeichnet\nist und das Sozialisationsfeld des Minderjahrigen nicht in der Lage ist, aus\neigenen Kraften diese Mangel- und Defizitsituation abzubauen und deshalb\nerzieherische Hilfsbedurftigkeit besteht. \n--- \n| 30 \n--- \n| b) Gemaß § 27 Abs. 3 SGB VIII umfasst Hilfe zur Erziehung insbesondere die\nGewahrung padagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Sie\nsoll bei Bedarf Ausbildungs- und Beschaftigungsmaßnahmen i.S.d. § 13 Abs. 2\neinschließen. Zu den padagogischen Leistungen zahlen alle Hilfeleistungen und\n-maßnahmen, die direkt oder indirekt auf die Entwicklung der Personlichkeit\ndes Kindes oder Jugendlichen einwirken und seiner Entwicklung zu einer\neigenverantwortlichen und gemeinschaftsfahigen Personlichkeit im Sinne der\nallgemeinen Aufgaben- und Zielvorstellungen des § 1 SGB VIII dienen. Im Rahmen\nder padagogischen Leistungen ist die zur Zielsetzung notwendige Therapie zu\nwahlen; mit dieser kann es notwendig sein, neben padagogischen Fachkraften\nauch andere Fachkrafte wie Psychologen und Ärzte einzubeziehen. Aufgrund der\nim Verwaltungsverfahren eingeholten bzw. vorgelegten Bescheinigungen und\nStellungnahmen von Ärzten, des Instituts fur Legastheniker-Therapie,\nReutlingen sowie der Schule steht es fur den erkennenden Senat fest, dass im\nhier maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung beim Sohn der Klager\nTeilleistungsstorungen in den Bereichen Lesen und Rechtschreibung vorhanden\nwaren, die zur Vermeidung weiterer psychosozialer Storungen einer gezielten\nBehandlung bedurften. Die fur das Einsetzen der Hilfe zur Erziehung\nerforderliche Defizitsituation lag somit vor, weil das Sozialisationsfeld des\nSohnes der Klager, nicht in der Lage war, dieses Defizit abzubauen. Hierzu war\nvielmehr eine besondere padagogische Therapie erforderlich, die nur durch\nhierfur besonders ausgebildete Padagogen geleistet werden kann. \n--- \n| 31 \n--- \n| c) Gemaß § 27 Abs. 2 SGB VIII wird Hilfe zur Erziehung insbesondere nach\nMaßgabe der §§ 28 bis 35 gewahrt. Es handelt sich also um keine abschließende,\nsondern nur um eine beispielhafte Aufzahlung. Art und Umfang der Hilfe richten\nsich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall (§ 27 Abs. 2 Satz 2 SGB-\nVIII). Bedenken gegen die Eignung des Instituts fur Legastheniker-Therapie fur\ndie Durchfuhrung der erforderlichen padagogischen und therapeutischen\nLeistungen hat der Beklagte nicht vorgebracht; solche Bedenken sind auch nicht\nersichtlich. \n--- \n| 32 \n--- \n| d) Der Bewilligung von Hilfe zur Erziehung steht auch nicht die vorrangige\nZustandigkeit der Schule entgegen. Zwar gehort es zu den Aufgaben der Schulen,\ndurch besondere Fordermaßnahmen in Fallen ausgepragter Lese-/\nRechtschreibschwache Hilfe zu leisten. Jedoch greift der Nachrang der\noffentlichen Jugendhilfe (§ 10 Abs. 1 SGB VIII) nur dann ein, wenn die\nerforderliche Hilfe von anderer Seite tatsachlich erlangt werden kann, die\nHilfe also prasent ist. Dies war aber im vorliegenden Fall gerade nicht\nmoglich, wie sich aus der Stellungnahme der Haupt- und Werkrealschule\nBurladingen vom 13.11.1998 ergibt. Nach dieser Stellungnahme der Schule wird\ndie von den Klagern durchgefuhrte außerschulische Maßnahme fur erforderlich\ngehalten und ausdrucklich befurwortet. \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtskosten\nwerden gemaß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Revision ist gemaß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Von\ngrundsatzlicher Bedeutung ist die Frage, ob fur eine Legastheniker-Therapie\nHilfe ausschließlich nach den besonderen Voraussetzungen des § 35 a SGB VIII\noder auch nach § 27 SGB VIII als Hilfe zur Erziehung gewahrt werden kann. \n--- \n \n## Sonstige Literatur\n\n| \n---|--- \n| 35 \n--- \n| Rechtsmittelbelehrung \n--- \n| 36 \n--- \n| Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision an das\nBundesverwaltungsgericht zu. \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Revision ist bei dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg,\nSchubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim,\ninnerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils schriftlich einzulegen.\nDie Revisionsfrist ist auch gewahrt, wenn die Revision innerhalb der Frist bei\ndem Bundesverwaltungsgericht schriftlich oder in elektronischer Form nach\nMaßgabe der Verordnung der Bundesregierung uber den elektronischen\nRechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26.\nNovember 2004 (BGBl. I S. 3091) eingelegt wird. \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Revision muss das angefochtene Urteil bezeichnen. \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils\nzu begrunden. Die Begrundung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz\n1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen. \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Begrundung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte\nRechtsnorm und, soweit Verfahrensmangel gerugt werden, die Tatsachen angeben,\ndie den Mangel ergeben. \n--- \n| 41 \n--- \n| Fur das Revisionsverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch fur die\nEinlegung der Revision und fur die Revisionsbegrundung. Danach muss sich jeder\nBeteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen\nRechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des\nHochschulrahmengesetzes mit Befahigung zum Richteramt als Bevollmachtigten\nvertreten lassen. Juristische Personen des offentlichen Rechts und Behorden\nkonnen sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befahigung zum Richteramt\nsowie Diplomjuristen im hoheren Dienst, Gebietskorperschaften auch durch\nBeamte oder Angestellte mit Befahigung zum Richteramt der zustandigen\nAufsichtsbehorde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes,\ndem sie als Mitglied zugehoren, vertreten lassen. \n---\n\n
140,955
olgstut-2005-06-16-13-u-22604
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
13 U 226/04
2005-06-16
2019-01-08 16:53:26
2019-02-12 12:20:28
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung des Klagers gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des\nLandgerichts Stuttgart vom 5.11.2004 wird\n\n**_zur uckgewiesen._ **\n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDer Klager kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe von\n110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der\nZwangsvollstreckung Sicherheit in Hohe von 110 % des zu vollstreckenden\nBetrages leistet.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\nStreitwert der Berufung: EUR 413.206,35\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager macht gegen den Beklagten Zahlungsanspruche aus einem\nWartungsvertrag mit der Schuldnerin geltend. Der Beklagte rechnet mit\nSchadensersatzanspruchen wegen Schmiergeldzahlungen auf. Zu den Einzelheiten\nwird auf die Feststellungen im Urteil des Landgerichts verwiesen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Das Landgericht wies die Klage ab. Dagegen legte der Klager Berufung ein. \n--- \n| 3 \n--- \n| Er tragt vor, entgegen der Auffassung des Landgerichts habe der Beklagte\nden Nachweis der Schmiergeldzahlung durch die Schuldnerin an ... nicht\nerbracht. Das Landgericht habe bei seiner Entscheidung nicht berucksichtigt,\ndass an die Beweiswurdigung von Vernehmungsprotokollen hohe Anforderungen zu\nstellen seien. Das Landgericht habe auch nicht beachtet, dass ein im Wege des\nUrkundenbeweises eingefuhrtes Vernehmungsprotokoll nur eingeschrankte\nBeweiskraft habe. Daruber hinaus sei der Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt,\nweil auch die Vernehmung des Zeugen ... verwertet worden sei, obwohl weder auf\ndessen Vernehmung verzichtet worden sei, noch dieser die Aussage verweigert\nhabe. Schließlich habe sich das Landgericht nicht mit der Erklarung des Zeugen\n... auseinandergesetzt, in der dieser eine Zahlung an ... in Abrede gestellt\nhabe. Der Zeuge sei zu vernehmen, zumindest aber das Protokoll uber dessen\nVernehmung zu berucksichtigen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Selbst im Falle einer Schmiergeldzahlung sei kein Schadensersatzanspruch\ngem. § 826 BGB gegeben. Die Unwirksamkeit der Schmiergeldabrede zwischen der\nSchuldnerin und ... schlage nicht auf den Hauptvertrag durch, weshalb im\nVerhaltnis der Parteien keine vorsatzliche sittenwidrige Schadigung vorliegen\nkonne. \n--- \n| 5 \n--- \n| Fur einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo fehle es an einem\nSchaden. Den Anscheinsbeweis zugunsten des Beklagten habe er erschuttert. Zum\nersten habe die Schuldnerin ohnehin das gunstigste Angebot abgegeben, weshalb\neine Schmiergeldzahlung fur die Auftragsvergabe gar nicht erforderlich gewesen\nsei. Zum zweiten hatten auch die von dem Beklagten hinzugezogenen unabhangigen\nExperten die Auftragserteilung an sie empfohlen. Zum dritten habe der Beklagte\nselbst erklart, dass ihm kein Schaden entstanden sei. Zum vierten habe der\ndamalige Geschaftsfuhrer des Beklagten, ..., gegenuber der Schuldnerin klar\ngemacht, dass sie aufgrund der Schmiergeldzahlungen keinen besseren Preis\nbekommen konne, so dass der Zahlung kein finanzieller Vorteil fur die\nSchuldnerin gegenubergestanden habe, vielmehr sich nur deren Gewinn vermindert\nhabe. \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 7 \n--- \n| unter Abanderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart \n--- \n| 8 \n--- \n| \\- den Beklagten zu verurteilen, an den Klager EUR 413.206,35 zuzuglich\nZinsen hieraus in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit\n13.12.2001 zu zahlen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 10 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen, \n--- \nII. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die zulassige Berufung des Klagers hat keinen Erfolg. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die unstreitige Werklohnforderung des Klagers gegen den Beklagten ist durch\ndie Aufrechnung des Beklagten mit Gegenforderungen aus Schadensersatz\nerloschen (§§ 387 ff. BGB). \n--- \n| 13 \n--- \n| 1\\. Anspruch des Beklagten aus culpa in contrahendo \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Klager haftet gegenuber dem Beklagten wegen Verschuldens der\nSchuldnerin aus Vertragsverhandlungen. Sie hat eine vorvertragliche\nAufklarungspflicht verletzt, weshalb der Klager den hierdurch verursachten\nSchaden zu ersetzen hat, der im Ergebnis in der Provisionszahlung der\nSchuldnerin in Hohe von 1 Mio DM (EUR 511.291,80) an den Planer ... besteht. \n--- \n| 15 \n--- \n| a) Provision \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Klager greift die Feststellungen des Landgerichts zur Provisionsabrede\nzwischen der Schuldnerin und ... spatestens im Jahr 1992 (Seite 10 des\nUrteils) nicht an. Seine Angriffe richten sich ausschließlich dagegen, dass\nnach dem Inhalt des Urteils im Jahre 1996 eine Provision in Hohe von DM 1 Mio\ngezahlt worden ist und diese im Zusammenhang mit dem Bau des\nRestmullheizkraftwerkes Boblingen steht. \n--- \n| 17 \n--- \n| Das Landgericht kommt jedoch vollig zu Recht zu dem entsprechenden Schluss. \n--- \n| 18 \n--- \n| Soweit der Klager bemangelt, dass das Landgericht nicht berucksichtigt\nhabe, dass an die Beweiswurdigung von Vernehmungsprotokollen eines\nBeschuldigten im Strafverfahren hohe Anforderungen zu stellen seien und diesen\nUrkunden nur eingeschrankte Beweiskraft zukomme, fehlt es diesen allgemeinen\nAusfuhrungen an einer Konkretisierung fur den vorliegenden Fall. Der Klager\nbringt nicht vor, inwieweit die Beweiswurdigung des Landgerichts fehlerhaft\nist. \n--- \n| 19 \n--- \n| Zu Unrecht rugt der Klager die Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes,\nweil das Protokoll uber die Vernehmung des Zeugen ... im Strafverfahren\nverwertet worden ist, ohne dass die Parteien auf dessen Vernehmung verzichtet\nhaben und ohne dass dieser von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch\ngemacht hat. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass die Vernehmung\ndieses Zeugen von keiner Partei beantragt worden ist. Das Protokoll uber\ndessen Vernehmung befindet sich jedoch in den Strafakten, deren Beiziehung der\nKlager selbst wiederholt beantragt hat, und kann deshalb im Wege des\nUrkundenbeweises verwertet werden. \n--- \n| 20 \n--- \n| Soweit der Klager vorbringt, dass der Zeuge ..., dessen Vernehmungen nach\ndem Inhalt der Protokolle des Strafverfahrens gegen eine Provisionszahlung\nsprechen wurden, nicht vernommen worden sei, ist dessen Vernehmung erstmals in\nzweiter Instanz beantragt worden. Dieses neue Beweismittel ist gem. § 531 Abs.\n2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Zu Unrecht bemangelt der Klager auch, das Landgericht habe die\nVernehmungsprotokolle aus den Strafakten des Landgerichts Stuttgart nur\nselektiv herangezogen, weil es die entlastenden Angaben des Zeugen ...\nubergangen habe. Dabei kann dahinstehen, dass Starke sowohl im Strafverfahren\nvor dem Landgericht Stuttgart als auch im Strafverfahren gegen ... vor dem\nLandgericht Hamburg dabei blieb, dass im Jahre 1996 keine Provisionszahlung in\nHohe von ca. 1 Million an Dr. Reimer erfolgt ist. Das Urteil enthalt gem. §\n313 ZPO nur eine kurze Zusammenfassung der Erwagungen, auf denen die\nEntscheidung beruht. Es besteht deshalb keine Veranlassung zu der Annahme,\ndass das Landgericht diese Angaben des Zeugen nicht berucksichtigt hat. Dass\nseine Aussage im angegriffenen Urteil nicht erwahnt wird, kann auf\nunterschiedlichen Grunden, auch auf der mangelnden Glaubhaftigkeit seiner\nAngaben oder der mangelnden Glaubwurdigkeit seiner Person beruhen. Im ubrigen\nerscheint der Zeuge tatsachlich unglaubwurdig. Die Feststellungen des\nLandgerichts im angegriffenen Urteil (Seite 7 unten und Seite 8 oben), die auf\ndem Inhalt der Strafakten beruhen, zwingen zu der Annahme, dass ... und ...\nbei der Erlangung der Provisionszahlung zusammengewirkt haben und es ... bei\nseinen Angaben sowohl in den Strafakten des Landgerichts Stuttgart als auch\nvor dem Landgerichts Hamburg in der Strafsache gegen ... lediglich um die\nEntlastung von ... ging. So sieht es auch das Landgericht Hamburg in seinem\nUrteil (Bl. 374 d.A.), in dem es den Zeugen als berufsmaßigen Geldwascher\nbezeichnet. \n--- \n| 22 \n--- \n| b) Aufklarungspflichtverletzung \n--- \n| 23 \n--- \n| Nach standiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes besteht bei\nVertragsverhandlungen, auch wenn die Parteien entgegengesetzte Interessen\nverfolgen, die Pflicht, den anderen Teil uber solche Umstande aufzuklaren, die\nden Vertragszweck vereiteln konnen und daher fur seinen Entschluss von\nwesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der\nVerkehrsauffassung erwarten durfte (BGHZ 114, Seite 87). \n--- \n| 24 \n--- \n| Nach diesen Grundsatzen war die Schuldnerin zumindest vor Abschluss des\nLieferungsvertrages im Februar 1996 verpflichtet, den Beklagten daruber in\nKenntnis zu setzen, dass sie ..., der dem mit der Generalplanung und\nOberbauleitung beauftragten Ingenieurburo ... in maßgeblicher Position\nangehorte, eine Provision versprochen hatte. Dieser Pflicht ist die\nSchuldnerin nicht nachgekommen. Die diesbezuglichen Feststellungen des\nLandgerichts werden vom Klager in der Berufung nicht angegriffen. \n--- \n| 25 \n--- \n| c) Kausalitat und Schaden \n--- \n| 26 \n--- \n| Dem Beklagten ist durch die Aufklarungspflichtverletzung ein Schaden in\nHohe von 1 Million DM entstanden. \n--- \n| 27 \n--- \n| Der auf culpa in contrahendo gestutzte Schadensersatzanspruch ist\ngrundsatzlich auf Ersatz des Vertrauensschadens gerichtet. Halt der\nGeschadigte am Vertrag fest, so muss er grundsatzlich so behandelt werden, als\nware es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem\ngunstigeren Preis abzuschließen. \n--- \n| 28 \n--- \n| Steht demnach dem Besteller wegen der unterbliebenen Aufklarung durch den\nUnternehmer aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen ein\nSchadensersatzanspruch zu und halt er am Vertrag fest, so muss der Betrag als\nersatzfahiger Schaden anerkannt werden, um den er die Werkleistung zu teuer\nbezahlt hat. Dabei kommt es nicht auf den - hypothetischen und ohnehin kaum zu\nfuhrenden - Nachweis an, ob der Vertragsgegner sich mit einem Vertragsschluss\nzu einer niedrigeren Vergutung auch einverstanden erklart hatte. Fur den\nSchadensersatzanspruch kommt es vielmehr darauf an, wie sich der Besteller bei\nKenntnis der ihm verheimlichten Umstande verhalten hatte. Verbleibende\nUnklarheiten gehen dabei zu Lasten des aufklarungspflichtigen Unternehmers\n(BGH aaO). \n--- \n| 29 \n--- \n| Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der Beklagte bei Kenntnis\ndavon, dass eine Schmiergeldzahlung an ... zu erfolgen hat, fur die\nDurchfuhrung seines Bauvorhabens weniger aufgewendet hatte, als er letztlich\nbezahlt hat. Er kann deshalb Herabsetzung des durch die Provision verteuerten\nWerklohnes und die Ruckzahlung des durch die Provision verursachten\nMehrbetrages verlangen (BGH aaO). \n--- \n| 30 \n--- \n| Dabei kann dahingestellt bleiben, ob man mit dem Landgericht nur einen\nentsprechenden Anscheinsbeweis zugunsten des Beklagten annehmen kann. Die\nEntscheidung des Bundesgerichtshofes in BGHZ 114, Seite 87 spricht eher fur\neine Beweislastumkehr. Selbst wenn man aber lediglich einen Anscheinsbeweis\nzugrunde legt, hat der Klager diesen nicht erschuttert. \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Klager kann sich nicht damit verteidigen (Bl. 331 d. A. 1.\nSpiegelstrich), dass die Schmiergeldzahlung unter Berucksichtigung der\nVergabe-Vorschriften nicht zu einem Schaden des Beklagten gefuhrt habe. Dabei\nkann dahinstehen, dass die Schuldnerin das gunstigste Angebot abgegeben hat,\nso dass die Vergabe zwingend an diese hat erfolgen mussen. Dies fuhrt jedoch\nnicht zu einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs. Fur die Frage des\nKausalzusammenhangs kommt es nicht auf den Zuschlag, sondern auf den Preis an.\nZugunsten des Beklagten kann davon ausgegangen werden, dass das Angebot der\nSchuldnerin - unabhangig von seinem ohnehin schon gunstigsten Preis - ohne\nSchmiergeldzahlung um 1 Million billiger gewesen ware. \n--- \n| 32 \n--- \n| Soweit der Klager in diesem Zusammenhang vorbringt, dass die Schuldnerin\nauch ohne Schmiergeldabrede den selben Preis verlangt hatte, ubersieht er,\ndass es hierauf nach der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofes nicht\nankommt. Es ist ausschließlich darauf abzustellen, wie der Beklagte gehandelt\nhatte, wenn ihm die Schuldnerin vor Abschluss des Liefervertrages pflichtgemaß\nmitgeteilt hatte, dass eine Schmiergeldabrede zugunsten von Dr. Reimer\nbesteht. Ungeachtet der ubrigen Konsequenzen fur das Bieterverfahren und fur\ndie Schuldnerin als Bieterin hatte der Beklagte angesichts der Nichtigkeit der\nSchmiergeldabrede den Preis um 1 Million DM gedruckt. \n--- \n| 33 \n--- \n| Aus dem selben Grund kann sich der Klager auch nicht auf die Einschatzung\nder vom Beklagten herangezogenen Experten ... und ... berufen (Bl. 332 d. A.\nSpiegelstrich am Ende), die die Vorschlage der Schuldnerin als wirtschaftlich\nund technisch absolut sinnvoll erachteten. \n--- \n| 34 \n--- \n| Zu Unrecht legt der Klager (Bl. 331 d. A. 3. Spiegelstrich) den Inhalt des\nSchreibens des Beklagten an die Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 26.7.2001\n(Bl. 228 d.A.) dahingehend aus, dass der Beklagte erklart, es sei kein Schaden\nentstanden. Abgesehen davon, dass der Klager das vorangegangene Anschreiben\nder Staatsanwaltschaft nicht zitiert, geht aus dem Schreiben deutlichst\nhervor, dass es allein um die Frage geht, ob die aufgrund des Vertrages\nerbrachten Leistungen und Abrechnungen ordnungsgemaß erfolgt sind oder ob hier\nuber die Schmiergeldabrede hinaus weitere Unregelmaßigkeiten aufgetreten sind.\nDas Zustandekommen des Vertrages auf dem Hintergrund der Schmiergeldabrede ist\nnicht Gegenstand des Schreibens. \n--- \n| 35 \n--- \n| Unerheblich ist der Hinweis des Klagers (Bl. 332 d. A. Spiegelstrich) auf\ndie Angaben des Zeugen ..., nach denen die Schmiergeldzahlung nicht zu einem\nbesseren Preis fur die Schuldnerin gefuhrt habe und somit lediglich deren\nGewinn geschmalert habe. Der Klager stellt auch hier wieder zu Unrecht auf die\nPerspektive der Schuldnerin ab. Der Bundesgerichtshof legt ausdrucklich klar,\ndass es nicht darauf ankommt, ob sich der Unternehmer ohne Schmiergeldzahlung\nmit einem niedrigeren Preis einverstanden erklart hatte. Damit kommt es aber\nim Umkehrschluss fur die Schadensentstehung nicht darauf an, ob die\nSchuldnerin durch das Schmiergeld einen hoheren Preis erzielt hat. Es kommt\nauch hier einzig und allein darauf an, wie sich der Beklagte verhalten hatte,\nwenn er vor Abschluss des Liefervertrages im Jahre 1996 pflichtgemaß uber die\nSchmiergeldabrede aufgeklart worden ware. Bei Kenntnis der Schmiergeldabrede\nhatte er unter Berucksichtigung von deren Nichtigkeit den Preis um 1 Million\nDM gedruckt. \n--- \n| 36 \n--- \n| Soweit der Klager in seiner Replik den Kausalzusammenhang zwischen\nSchmiergeldzahlung und Auftragserteilung in Abrede stellt (Bl. 390 d.A.), kann\nauf die zutreffenden Ausfuhrungen des Landgerichts auf Seite 10 des Urteils\n(letzter Absatz) verwiesen werden. \n--- \n| 37 \n--- \n| 2\\. Anspruch des Beklagten aus vorsatzlicher sittenwidriger Schadigung \n--- \n| 38 \n--- \n| Der Beklagte kann seinen Schadensersatzanspruch auch auf vorsatzliche\nsittenwidrige Schadigung gem. § 826 BGB stutzen. \n--- \n| 39 \n--- \n| Entgegen der Auffassung des Klagers erstreckt sich die Nichtigkeit der\nsittenwidrigen Schmiergeldabrede regelmaßig auch auf den durch das Schmiergeld\nzustande gekommenen Hauptvertrag. Etwas anderes gilt nur, wenn die\nSchmiergeldzahlung auf den Inhalt des Hauptvertrages ausnahmsweise keinen\nEinfluss gehabt haben kann (BGH WM 2000, 21). \n--- \n| 40 \n--- \n| Der Klager lasst in seiner Berufungsbegrundung diese standige\nRechtsprechung des Bundesgerichtshofes unerwahnt und zitiert lediglich einen\nderartigen Ausnahmefall (BGH NJW 1999, 2266), in dem ein Nachteil fur den\nAuftraggeber verneint worden ist, weil der Architekt als Auftragnehmer mit\nseiner Honorarrechnung ordnungsgemaß nach HOAI abgerechnet hat. Diese\nRechtsprechung ist aber nicht auf den vorliegenden Fall ubertragbar, denn der\nPreis der Schuldnerin ist nicht durch der HOAI vergleichbare Vorschriften\nvorgegeben. \n--- \n| 41 \n--- \n| Auch im ubrigen ist ein Ausnahmefall nicht ersichtlich. Der vom\nBundesgerichtshof (NJW-RR 1990, 442) entschiedene Fall lag so, dass aufgrund\nder zeitlichen Abfolge ein Einfluss der Schmiergeldabrede auf den Inhalt des\nHauptvertrages ausgeschlossen war. Diese Ausnahme hat jedoch bereits das\nLandgericht mit zutreffender Begrundung (Seite 10 des Urteils) verneint.\nSoweit es fur die Frage eines Ausnahmefalles darauf ankommt, ob sich die\nSchmiergeldabrede im Preis niedergeschlagen hat, gelten die Ausfuhrungen zum\nSchaden beim Anspruch aus culpa in contrahendo entsprechend. \n--- \n| 42 \n--- \n| 3\\. Die Entscheidung uber die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die\nEntscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. \n--- \n| 43 \n--- \n| 4\\. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache weder\ngrundsatzliche Bedeutung hat noch fur die Fortbildung des Rechts oder zur\nSicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des\nRevisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO). \n---\n\n
141,175
lsgbw-2005-08-01-l-7-as-287505-er-b
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 7 AS 2875/05 ER-B
2005-08-01
2019-01-08 17:33:01
2019-01-17 12:01:21
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners wird der\nBeschluss des Sozialgerichts Ulm vom 20. Juni 2005 geandert:\n\nDer Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der\nAntragstellerin Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Hohe ab dem 13. Mai 2005\nvorlaufig als Darlehen zu gewahren.\n\nBei der Berechnung der Hohe der Leistung hat der Antragsgegner davon\nauszugehen, dass:\n\n1\\. kein verwertbares Vermogen vorhanden ist (und zwar weder in Form von\nBarmitteln, noch als unangemessenes Kraftfahrzeug oder unangemessen große\nEigentumswohnung)\n\n2\\. die der Antragstellerin im Marz 2005 zugeflossene Eigenheimzulage in Hohe\nvon 3.323,40 EUR kein anrechenbares Einkommen darstellt.\n\nDie einstweilige Anordnung wird - unter dem Vorbehalt des Weiterbestehens der\nHilfebedurftigkeit - zeitlich begrenzt bis langstens 31. Dezember 2005.\n\nIm Übrigen werden die Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners\nzuruckgewiesen\n\nDer Antragsgegner hat der Antragstellerin auch die Kosten des\nBeschwerdeverfahrens zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| In diesem Verfahren geht es um die vorlaufige Bewilligung und Auszahlung\nvon Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem zweiten Buch des\nSozialgesetzbuches (SGB II). Die Antragstellerin bezog bis zum 25.01.2005\nArbeitslosengeld nach dem SGB III. Sie lebt mit ihrem 1989 geborenen Sohn in\neiner Eigentumswohnung, die sie 1999 erworben hat. Seit dem Jahr 2000 erhielt\nsie eine Eigenheimzulage in Hohe von jahrlich 6.560,00 DM (entspricht 3.223,40\nEUR), die zuletzt am 15.03.2005 ausbezahlt wurde. Den genannten Betrag\nverbrauchte sie noch im Marz 2005 fur eine Abschlusszahlung fur eine\nnotwendige Dachsanierung des Hauses und in diesem Zusammenhang angefallene\nRechtsanwaltskosten sowie fur die Eintragung im Grundbuch. Wegen verschiedener\nBaumangel hatte sie sich in einem außergerichtlichen Vergleich mit dem\nBautrager und Verkaufer der Wohnung dahingehend geeinigt, dass eine letzte\nKaufpreisrate nicht zu bezahlen und dafur die wegen der Baumangel notwendige\nSanierung von ihr selber auf eigene Kosten zu bewerkstelligen war und dass um\ndie Frage der Wohnflache (Erreichung der verkauften 97 m²) nicht mehr\ngestritten werde. \n--- \n| 2 \n--- \n| Ihren am 11.01.2005 gestellten Antrag auf Gewahrung von Leistungen zum\nLebensunterhalt nach SGB II (Alg II) lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom\n23.02.2005 ab. In der Begrundung wird ausgefuhrt, das selbst genutzte\nHausgrundstuck sei von angemessener Große und sei nicht als Vermogen zu\nberucksichtigen. Der vorhandene PKW habe einen Zeitwert von ca. 9.786.- EUR\nund ubersteige damit die Grenze des Angemessenen, die mit 5.000.- EUR\nanzusetzen sei. Außerdem bestehe eine Lebensversicherung mit einem\nRuckkaufswert von 6.627.- EUR; auch seien verschiedene Barmittel angegeben\nworden. Insgesamt summierten sich diese Werte auf ein Vermogen von uber\n20.000.- EUR. Damit sei die maßgebliche Freigrenze von 8.800,00 EUR (44\nLebensjahre x 200,00 EUR) uberschritten. \n--- \n| 3 \n--- \n| Im anschließenden Widerspruchsverfahren machte die Antragstellerin geltend,\nder Freibetrag fur notwendige Anschaffungen sei ubersehen worden. Ein Betrag\nvon 6.596,63 EUR auf dem Girokonto sei bereits am 14. Januar fur die Bezahlung\neiner Handwerkerrechnung verbraucht gewesen und habe zum Zeitpunkt der\nBescheiderteilung und der Entstehung des Alg-II-Anspruchs nicht zur Verfugung\ngestanden. Die Sanierung sei wegen Mangeln der Dachisolierung dringend\nnotwendig gewesen. Die Lebensversicherung sei durch eine Vertragserganzung mit\neinem Verwertungsausschluss nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II versehen und deshalb\nnicht anrechenbar. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2005 wies der Antragsgegner diesen\nWiderspruch zuruck und stutzte sich zur Begrundung nunmehr darauf, dass allein\nwegen des ubersteigenden Wertes des Kraftfahrzeuges ein Anspruch auf Alg II\nausgeschlossen sei. Daneben sei die Lebensversicherung verwertbares Vermogen.\nIn einem auf dem Widerspruchsbescheid angebrachten Vermerk „außerhalb des\nWiderspruchsverfahrens" berief sich der Antragsgegner außerdem darauf, die\nEigentumswohnung sei aufgrund ihres Wertes und der Große nicht mehr als\nangemessen anzusehen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Antragstellerin hat gegen diesen Widerspruchsbescheid am 13.05.2005\nKlage erhoben, die beim Sozialgericht (SG) Ulm unter dem Aktenzeichen S 2 AS\n1345/05 noch anhangig ist. Gleichzeitig hat sie Antrag auf Erlass einer\neinstweiligen Anordnung gestellt. Mit Beschluss vom 20.06.2005 hat das SG den\nAntragsgegner verpflichtet, „der Antragstellerin ab dem 26. Januar 2005 bis\nzum rechtskraftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens S 2 AS 1345/05\nArbeitslosengeld II zu gewahren." \n--- \n| 6 \n--- \n| In der Begrundung fuhrt das SG aus, der Vermogensfreibetrag belaufe sich im\nFalle der Antragstellerin auf insgesamt 14.400,00 EUR, da ein Freibetrag fur\nden minderjahrigen Sohn und zwei Freibetrage fur Anschaffungen berucksichtigt\nwerden mussten. Das Barvermogen sei vor der Entstehung eines Anspruchs auf Alg\nII verbraucht gewesen und konne deshalb nicht angerechnet werden. \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Bedarf der Antragstellerin und ihres Sohnes sei richtigerweise auf\n829,62 EUR zu errechnen. Dem stehe neben den vom Antragsgegner angerechneten\nZahlungen ein Einkommen aus einer im April aufgenommenen, geringfugigen\nBeschaftigung in Hohe von 160,00 EUR monatlich gegenuber, welches um den\nAbsetzbetrag nach § 30 Ziff. 1 SGB II zu verringern sei. Insgesamt habe die\nAntragstellerin ein Einkommen von 800,79 EUR, weshalb der Bedarf auch ab April\n2005 ihr Einkommen ubersteige. Aus den Akten ist ersichtlich, dass als\nEinkommen der Antragstellerin das ihr zufließende Kindergeld,\nUnterhaltszahlungen des Vaters fur ihren Sohn sowie ein Zwolftel der\nEigenheimzulage angenommen wird. \n--- \n| 8 \n--- \n| Hiergegen haben der Antragsgegner am 14.07. und die Antragstellerin am\n20.07.2005 Beschwerde erhoben. Die Antragstellerin wendet sich vor allem gegen\ndie Anrechnung der Eigenheimzulage als Einkommen. Der Antragsgegner kommt in\neiner neuerlichen Berechnung und in Abweichung von den bisherigen Begrundungen\nzu dem Ergebnis, dass das Einkommen den anzuerkennenden Bedarf ubersteige.\nAußerdem sei die Eigentumswohnung nicht nur in der Große, sondern auch nach\nihrem Wert unangemessen. Lege man - wie es den Richtlinien des Landkreis- und\nStadtetages entspreche - die Wohnflachen des § 39 des 2. Wohnungsbaugesetzes\nzugrunde, konne man von 120 m² ausgehen, die allerdings fur eine vierkopfige\nFamilie gedacht seien. Diese Flache sei um jeweils 20 m² zu verringern, wenn\nweniger Personen in der Wohnung lebten. Es sei deshalb nur eine Wohnflache von\n80 m² als angemessen anzusehen. Die Wohnung musse verkauft werden, um\neventuelle Bedarfe zu decken. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 9 \n--- \n| Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes\n(SGG) form- und fristgerecht eingelegten Beschwerden, denen das SG nicht\nabgeholfen hat (§ 174 SGG), sind zulassig. Die Beschwerde der Antragstellerin\nist im Wesentlichen begrundet. Die Beschwerde des Antragsgegners fuhrt\nlediglich zur Modifikation des Ausspruchs (darlehensweise Gewahrung und Beginn\nder Leistung). \n--- \n| 10 \n--- \n| Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht\nein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf\nden Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine\nVeranderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des\nAntragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden konnte. Einstweilige\nAnordnungen sind auch zur Regelung eines vorlaufigen Zustands in Bezug auf ein\nstreitiges Rechtsverhaltnis zulassig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung\nwesentlicher Nachteile notig erscheint (Satz 2 a.a.O.). \n--- \n| 11 \n--- \n| Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich\nnicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits\nbestehenden Rechtszustands geht (Sicherungsanordnung (Abs. 2 Satz 1 a.a.O.)),\nnur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht (vgl.\ndazu Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 86b Rdnr. 25 ff; Funke-Kaiser in Bader,\nVwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnr. 7, 11.). Der Erlass einer einstweiligen\nAnordnung verlangt grundsatzlich die - summarische - Prufung der\nErfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer\nvorlaufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)\nBuchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 37; Schoch in Schoch/Schmidt-\nAßmann/Pietzner, VwGO § 123 Rdnr. 64, 73 ff., 80 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow,\nVwGO § 123 Rdnr. 78 ff.). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs\n(Anordnungsanspruch) und die Eilbedurftigkeit der erstrebten einstweiligen\nRegelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG\ni.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Dabei sind die diesbezuglichen\nAnforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorlaufigen\nRechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre\nGrundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997,\n479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05\n(http://www.bverfg.de/entscheidungen)); Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 3.\nAuflage, § 123 Rdnr. 58; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnr. 95, 99 ff.).\nDie Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher bei besonders folgenschweren\nBeeintrachtigungen u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prufen;\nggf. ist eine Folgenabwagung vorzunehmen (vgl. BVerfG NVwZ 1997, a.a.O.\nBeschluss vom 12.05.2005 a.a.O.). Maßgebend fur die Beurteilung der\nAnordnungsvoraussetzungen sind regelmaßig die Verhaltnisse im Zeitpunkt der\ngerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Hamburgisches Oberverwaltungsgericht\n(OVG), Beschluss vom 4.04.1990 - Bs IV 8/90 - (JURIS); Bayerischer\nVerwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 24.08.1994 - 12 CE 94.2401 (JURIS);\nSchoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O. Rdnrn. 165 ff.; Puttler in\nSodan/Ziekow, a.a.O. Rdnr. 79; Funke-Kaiser a.a.O. Rdnr. 62). \n--- \n| 12 \n--- \n| Auf die Beschwerde des Antragsgegners ist die Leistungsverpflichtung auf\ndie darlehensweise Bewilligung zu beschranken. Im Hinblick auf die\nVorlaufigkeit einer einstweiligen Anordnung ist in aller Regel bei\nSozialleistungen nur eine darlehensweise Gewahrung auszusprechen, um eine\nspatere Ruckgangigmachung nicht unnotig zu erschweren. Damit wird dem\nvorlaufigen Charakter der einstweiligen Anordnung am ehesten entsprochen (VGH\nBaden-Wurttemberg, Beschluss vom 19.03.1993, VBlBW 1994, 109; OVG Brandenburg,\nBeschluss vom 17.12.2003, FEVS 55, 262 m.w.N.; vgl. auch Finkelnburg/Jank,\nVorlaufiger Rechtsschutz, 4. Aufl. Rdnr. 1243). Sollte sich die Auffassung des\nAntragsgegners als richtig erweisen, ware es der Antragstellerin moglich und\nzumutbar, aus ihrem Vermogen die gewahrten Leistungen zuruckzuzahlen. Damit\nstellt sich die Frage eines eventuellen dauerhaften Verlustes und damit der\n(endgultigen) Vorwegnahme der Hauptsache nicht, wobei der Senat gerade im\nBereich von Leistungen zum Lebensunterhalt zu der Auffassung neigt, dass ein\nsolches generelles Verbot nicht existiert (vgl. hierzu Funke-Kaiser a.a.O.\nRdnr. 58 und Puttler in Sodan/Ziekow a.a.O. Rdnr. 12 m.w.N.). \n--- \n| 13 \n--- \n| Weiter ist auf die Beschwerde des Antragsgegners der angefochtene Beschluss\ndahingehend zu andern, dass eine Verpflichtung zur Bewilligung von Leistungen\nvor dem Zeitpunkt der Beantragung der einstweiligen Anordnung beim\nSozialgericht (13.05.2005) nicht in Frage kommt. Dies beruht auf dem auch fur\ndas Recht des SGB II geltenden Grundsatz, dass Hilfe zum Lebensunterhalt im\nWege einer einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwartigen\nNotlage zu erfolgen hat und nicht ruckwirkend zu bewilligen ist, wenn nicht\nein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht ist (vgl. hierzu OVG\nBrandenburg, a.a.O. und Finkelnburg/Jank a.a.O. Rdnr. 1245 m.w.N.). \n--- \n| 14 \n--- \n| Auf die Beschwerde der Antragstellerin ist der Antragsgegner zur Gewahrung\neiner hoheren Leistung als im angefochtenen Beschluss ausgesprochen zu\nverpflichten. Der streitige Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt, der\neiner vorlaufigen Regelung bedarf (Anordnungsanspruch), ist bei der im\nVerfahren des vorlaufigen Rechtsschutzes zulassigen summarischen Prufung der\nSach- und Rechtslage aller Voraussicht nach gegeben. Der Anordnungsgrund, die\nbesondere Dringlichkeit, ergibt sich daraus, dass es sich um Leistungen zur\nBestreitung des Lebensunterhaltes handelt, die nunmehr bereits seit langerem\nausstehen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Antragstellerin hat fur sich und ihren minderjahrigen Sohn Anspruch auf\ndie Regelleistung nach § 20 Abs. 1 und 2 SGB II, ohne dass anrechenbares\nVermogen dem entgegenstunde. Dabei ist nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 SGB II\nin Übereinstimmung mit dem SG ein Freibetrag von 14.400,00 EUR fur die\nAntragstellerin und den mit ihr in Haushaltsgemeinschaft lebenden\nminderjahrigen Sohn X. anzusetzen. Fest steht auch, dass der am 13.01.2005 auf\ndem Girokonto der Antragstellerin eingegangene Betrag von 6.000,00 EUR nicht\nzu diesem Vermogen gehoren kann, weil er zum Zeitpunkt des Entstehens des Alg\nII-Anspruches, am 26.01.2005, nicht vorhanden war. Vermogen im Sinne des § 12\nSGB II ist nur aktuell vorhandenes und nicht fruher bestehendes oder\nzwischenzeitlich verbrauchtes. Nach den aus den Akten ersichtlichen Zahlen\nuber sonstige Vermogensgegenstande wird der genannte Betrag der\nVermogensgrenze nicht annahernd erreicht. Dabei ist zu beachten, dass entgegen\nder Auffassung des Antragsgegners die vorhandene Lebensversicherung nicht\nverwertbar ist. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II,\nwonach geldwerte Anspruche, die der Altersvorsorge dienen, bis zur Hohe von\n13.000,00 EUR abzusetzen sind, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den\nRuhestand aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann. Die\nentsprechende Verwertungsausschlussklausel zu diesem Versicherungsvertrag mit\ndem Datum 05.01.2005 ist nachgewiesen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Verwertbares Vermogen ist auch nicht die von der Antragstellerin und ihrem\nSohn bewohnte Eigentumswohnung, da hierfur diese zum Schonvermogen i.S.v. § 12\nAbs. 3 Nr. 4 SBG II gehoren durfte. Nach dieser Vorschrift ist als Vermogen\nnicht zu berucksichtigen ein selbst genutztes Hausgrundstuck von angemessener\nGroße oder eine entsprechende Eigentumswohnung. Entgegen der Auffassung des\nAntragsgegners spielt bei der Anwendung dieser Vorschrift der Wert der Wohnung\nkeine Rolle, weshalb es nicht darauf ankommt, wie hoch dieser konkret ist (so\nauch Eicher/Spellbrink, SGB II, Rdnr. 70 zu § 12). Dies folgt bereits aus dem\ngegenuber § 90 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 SGB XII, der dasselbe Problem in der\nSozialhilfe nach SGB XII regelt, anderen Wortlaut der Norm. Man kann dem\nGesetzgeber des SGB II und XII nicht unterstellen, er habe die Nennung des\nWertes des Grundstucks in § 12 SGB II vergessen, weshalb der Senat derzeit\nkeine - wie immer ausfullungsbedurftige - Lucke erkennen kann. \n--- \n| 17 \n--- \n| Was die Angemessenheit unter dem Gesichtspunkt der Große angeht, gibt es\nhierzu keine naheren gesetzlichen Vorgaben. Der Senat geht fur das hier zu\nentscheidende Verfahren mit dem Antragsgegner davon aus, dass es angebracht\nsein kann, in Übereinstimmung mit der fruheren Praxis in der Sozialhilfe die\nAngemessenheit anhand der Wohnungsgroßen des inzwischen außer Kraft getretenen\n2. Wohnungsbaugesetzes zu ermitteln ist. Nach dessen § 39 Abs. 1 Nr. 1 werden\nmit offentlichen Mitteln Eigentumswohnungen bis zu 120 Quadratmeter gefordert,\nalso als angemessen angesehen. Fur die vom Antragsgegner vorgenommene\nReduzierung der Flache fehlt es an einer ausreichenden Begrundung. Eine solche\nergibt sich insbesondere nicht aus den in der Beschwerdeschrift zitierten\nVorschriften. Die einschlagigen §§ 39 Abs. 1 Nr. 1 und 82 des 2.\nWohnungsbaugesetzes lassen lediglich eine Überschreitung der genannten Flache\nbei Haushalten mit uber vier Personen zu, nicht aber eine Unterschreitung.\nEntsprechend sieht auch die Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums\nzur Wohnraumforderung (GABl 2002, 194) unter 3.4.2 nur eine Erhohung der\nWohnflachen bei großeren Haushalten vor, nicht hingegen eine Reduzierung bei\nkleineren. \n--- \n| 18 \n--- \n| Unabhangig von dieser Rechtslage hat der Antragsgegner bei der Frage der\nangemessenen Wohnungsgroße auch nicht berucksichtigt, dass an den\nWohnflachenannahmen Zweifel angebracht sind. Die Wohnung der Antragstellerin\nbesteht aus zwei Ebenen, wovon eine, eine so genannte Galerie, direkt unter\ndem Dach darstellt. Nach den dem Senat vorliegenden Planzeichnungen ist es\ndurchaus fraglich, ob und ggf. in welchem Umfang die Raumlichkeiten in diesem\nBereich Wohnraume im Sinne des § 2 Abs. 7 der Landesbauordnung (LBO) sind und\ndeshalb der Wohnflache zuzurechnen sind. Die dafur erforderlichen Maße (lichte\nHohe von 2,2 m uber die Halfte der Grundflache; vgl. § 34 Abs. 1 LBO) werden\nmoglicherweise nicht erreicht. \n--- \n| 19 \n--- \n| Dazu kommt in im hier zu entscheidenden Fall Folgendes: Der Antragsgegner\nhat die auch bei Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung sich aufdrangende\nFrage nicht gepruft, ob die Verwertung der Wohnung eine besondere Harte im\nSinne von § 9 Abs. 4 SGB II darstellen konnte. Solange diese Entscheidung\nnicht getroffen ist, ist eine Verwertung ohnehin unzumutbar. Bei dieser\nPrufung musste auch die oben angesprochene Frage der wirklichen Wohnungsgroße\nvom Antragsgegner berucksichtigt werden. \n--- \n| 20 \n--- \n| Der vorhandene PKW durfte ebenfalls kein anrechenbares Vermogen darstellen.\nDie vom Antragsgegner fur die Wertgrenze von 5.000.- EUR gegebene Begrundung\nhebt maßgeblich auf eine innerdienstliche Weisung der Bundesagentur fur Arbeit\nund eine Einigung des Stadtetages ab. Im Hinblick auf die Zielsetzung des SGB\nII (vgl § 1 SGB II) mit der Betonung der Eigenverantwortung und dem Grundsatz\ndes Forderns (§ 2 SGB II) ist der Arbeitssuchende - gerade im landlichen\nBereich, in dem die Antragstellerin lebt - auf ein Kraftfahrzeug angewiesen.\nDies sollte keines mit „außerst geringem Wert" sein, weil solche in der Regel\naltere und damit eher reparaturanfallige Modelle sein werden. Mit einem Wert\nvon unter 10.000.- EUR erscheint das Fahrzeug nicht unangemessen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Dem Anspruch der Antragstellerin steht auch kein bedarfsdeckendes Einkommen\ngegenuber. Bei dessen Errechnung darf die im Marz ausbezahlte Eigenheimzulage\nim konkreten Fall nicht als zu berucksichtigendes Einkommen (§ 11 Abs. 1 SGB\nII) angesehen werden. Zwar zahlt zu den Einnahmen grundsatzlich jeglicher\nZufluss. Fur Zahlungen, die fur einen langeren Zeitraum erfolgen, bestimmt § 2\nAbs. 3 der auf der Grundlage des § 13 SGB II erlassenen Verordnung (Alg II-V),\ndass die Einmalzahlung dem Grunde nach auf die Folgezeit entsprechend den\nSatzen des § 12 SGB II zu verteilen ist. Damit ist aber noch nichts uber die\nFrage der Anrechenbarkeit selber gesagt. Diese richtet sich nach § 11 Abs. 3\nNr. 1a SGB II. Danach sind zweckbestimmte Einnahmen, die einem anderen Zweck\nals Leistungen nach dem SGB II dienen und die Lage des Empfangers nicht so\ngunstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht\ngerechtfertigt waren, nicht als Einkommen zu berucksichtigen. Diese\nVoraussetzungen durften fur die im Marz ausbezahlte Eigenheimzulage 2005\nvorliegen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 28.05.2003 (5 C\n41/02, DVBl 2004, 54 = NVwZ-RR 2004, 112) zu der einen ahnlichen Fall im\nfruheren Sozialhilferecht regelnden Vorschrift des § 77 Abs. 1 BSHG\nausgefuhrt, dass die Eigenheimzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz vom 15.\nDezember 1995 in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. 03.1997 (BGBl. I, S.\n734 - EigZulG -) keine zweckbestimmte Leistung sei. Diese Auslegung beruht\naber wesentlich auf dem Wortlaut des § 77 Abs. 1 BSHG der in den hier\nmaßgeblichen Punkten lautet: „Leistungen, die aufgrund offentlich-rechtlicher\nVorschriften zu einem ausdrucklich genannten Zweck gewahrt werden ..". Dagegen\nwar nach der Vorgangervorschrift des § 194 Abs. 3 Nr 4 SGB III a.F. im Bereich\nder Arbeitslosenhilfe die Eigenheimzulage ausdrucklich von der Bewertung als\nanrechenbares Einkommen ausgenommen. Nunmehr verlangt § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB\nII nur, dass es sich um zweckbestimmte Einnahmen handelt, die einem anderen\nZweck als die Leistungen nach SGB II dienen. Bereits der unterschiedliche\nWortlaut legt es nahe, diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes als\nnicht maßgeblich fur das Recht des SGB II anzusehen. Der Senat stimmt in\ndiesem Punkt dem LSG Niedersachsen-Bremen zu, das im Beschluss vom 25.04.2005\n- L 8 AS 39/05 ER - ausgefuhrt hat, die Darlehen zum Erwerb eines begunstigten\nObjektes wurden gekundigt, wenn sie nicht bedient wurden, was letztlich die\nFolge habe, dass das Objekt verkauft oder versteigert werden musse. Damit\nentfallt auch der Anspruch auf die Zulage (vgl § 11 Abs. 3 EigZulG). Daraus\nist zu schließen, dass die Eigenheimzulage einem Zweck dient, namlich dem der\nBildung von Wohnungseigentum fur bestimmte Schichten der Bevolkerung. § 2 Abs.\n1 des EigZulG bestimmt demgemaß, dass begunstigt (im Sinne des Gesetzes) die\nHerstellung oder Anschaffung einer Wohnung in einem im Inland belegenen\neigenen Haus oder in einer im Inland belegenen eigenen Eigentumswohnung ist.\nNach § 5 EigZulG durfen die dort genannten Einkommensgrenzen nicht\nuberschritten werden. Der Anspruch entsteht mit Beginn der Nutzung der\nhergestellten oder angeschafften Wohnung zu eigenen Wohnzwecken (§ 10 EigZulG)\nund besteht nur fur die Kalenderjahre, in denen der Anspruchsberechtigte die\nWohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt (§ 4 Satz 1 EigZulG). Damit wird\nklargestellt, dass es dem Gesetzgeber des Eigenheimzulagegesetzes nicht um\nVermogensbildung als solche, sondern um die Schaffung von Wohnraum fur\nbestimmte Bevolkerungsschichten geht. Dass dies so ist, ergibt sich auch aus\nder in § 6 Abs. 1 des Eigenheimzulagegesetzes enthaltenen Beschrankung auf\neine Wohnung. Schließlich errechnet sich die Eigenheimzulage gemaß § 8 des\nGesetzes auf der Grundlage der konkreten Herstellungs- oder Anschaffungskosten\nzuzuglich der Aufwendungen fur Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen\ninnerhalb eines bestimmten Zeitraums. Bei dieser Sachlage spricht viel dafur,\ndass die Eigenheimzulage in der Tat nicht der Sicherung der Wohnung als\nLebensmittelpunkt, sondern der Sicherung der Wohnung als privilegiertem\nEigentum i.S.v. § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II dient. Damit hat sie einen anderen\nZweck als die Sicherung der Kosten der Unterkunft im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr.\n1 i.V.m. § 22 SGB II (so auch LSG Hamburg, Beschluss vom 07.07.2005 - L 5 B\n116/05 ER AS m.w.N. und unter Hinweis auf den sachlich gleichen Beschluss des\nLSG Schleswig-Holstein vom 08.06.2005 - L 10 B 99/05 ER AS; vgl auch\nHauck/Noftz, SGB II, Rdnr. 235 f zu § 11; die Gegenmeinung von Bruhl in LPK-\nSGB II Rdnr. 43 zu § 11 kann nicht uberzeugen, da aus den Regelungen des\nEigZulG ein Zweck erkennbar ist, den der Gesetzgeber verfolgt). Diese\nAuslegung muss jedenfalls dann gelten, wenn die Eigenheimzulage tatsachlich\nfur den vom Gesetz vorgesehenen Zweck verwendet worden ist oder verwendet\nwird. \n--- \n| 23 \n--- \n| Nach den Angaben der Antragstellerin und ihren dazu vorgelegten Belegen\nsteht fur den Senat außer Zweifel, dass die im Marz ausbezahlte\nEigenheimzulage 2005 fur eine notwendige Sanierung des Daches des von ihr\nbewohnten Hauses verwendet worden ist und fur Kosten im Zusammenhang mit der\nEintragung als Eigentumerin und fur Kosten, die aufgrund der Sachmangel der\nverkauften Wohnung entstanden sind. Dies durfte aller Voraussicht nach eine\nzweckbestimmte Verwendung der Mittel darstellen, weshalb eine fiktive\nAnrechnung dieses nicht mehr vorhandenen Geldes als Einkommen in den\nFolgemonaten nicht zulassig ist. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die weiteren Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 SGB II, dass die Einnahmen die\nLage der Antragstellerin nicht so gunstig beeinflussen, dass daneben\nLeistungen nach SGB II nicht gerechtfertigt sind, sind nach Auffassung des\nSenats erfullt. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Angesichts der Unklarheit der\nerstinstanzlichen Entscheidung und des uberwiegenden Obsiegens der\nAntragstellerin erschien eine Quotelung der Kostentragung nicht angemessen. \n--- \n| 26 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 9 \n--- \n| Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes\n(SGG) form- und fristgerecht eingelegten Beschwerden, denen das SG nicht\nabgeholfen hat (§ 174 SGG), sind zulassig. Die Beschwerde der Antragstellerin\nist im Wesentlichen begrundet. Die Beschwerde des Antragsgegners fuhrt\nlediglich zur Modifikation des Ausspruchs (darlehensweise Gewahrung und Beginn\nder Leistung). \n--- \n| 10 \n--- \n| Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht\nein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf\nden Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine\nVeranderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des\nAntragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden konnte. Einstweilige\nAnordnungen sind auch zur Regelung eines vorlaufigen Zustands in Bezug auf ein\nstreitiges Rechtsverhaltnis zulassig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung\nwesentlicher Nachteile notig erscheint (Satz 2 a.a.O.). \n--- \n| 11 \n--- \n| Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich\nnicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits\nbestehenden Rechtszustands geht (Sicherungsanordnung (Abs. 2 Satz 1 a.a.O.)),\nnur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht (vgl.\ndazu Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 86b Rdnr. 25 ff; Funke-Kaiser in Bader,\nVwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnr. 7, 11.). Der Erlass einer einstweiligen\nAnordnung verlangt grundsatzlich die - summarische - Prufung der\nErfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer\nvorlaufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)\nBuchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 37; Schoch in Schoch/Schmidt-\nAßmann/Pietzner, VwGO § 123 Rdnr. 64, 73 ff., 80 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow,\nVwGO § 123 Rdnr. 78 ff.). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs\n(Anordnungsanspruch) und die Eilbedurftigkeit der erstrebten einstweiligen\nRegelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG\ni.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Dabei sind die diesbezuglichen\nAnforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorlaufigen\nRechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre\nGrundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997,\n479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05\n(http://www.bverfg.de/entscheidungen)); Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 3.\nAuflage, § 123 Rdnr. 58; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnr. 95, 99 ff.).\nDie Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher bei besonders folgenschweren\nBeeintrachtigungen u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prufen;\nggf. ist eine Folgenabwagung vorzunehmen (vgl. BVerfG NVwZ 1997, a.a.O.\nBeschluss vom 12.05.2005 a.a.O.). Maßgebend fur die Beurteilung der\nAnordnungsvoraussetzungen sind regelmaßig die Verhaltnisse im Zeitpunkt der\ngerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Hamburgisches Oberverwaltungsgericht\n(OVG), Beschluss vom 4.04.1990 - Bs IV 8/90 - (JURIS); Bayerischer\nVerwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 24.08.1994 - 12 CE 94.2401 (JURIS);\nSchoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O. Rdnrn. 165 ff.; Puttler in\nSodan/Ziekow, a.a.O. Rdnr. 79; Funke-Kaiser a.a.O. Rdnr. 62). \n--- \n| 12 \n--- \n| Auf die Beschwerde des Antragsgegners ist die Leistungsverpflichtung auf\ndie darlehensweise Bewilligung zu beschranken. Im Hinblick auf die\nVorlaufigkeit einer einstweiligen Anordnung ist in aller Regel bei\nSozialleistungen nur eine darlehensweise Gewahrung auszusprechen, um eine\nspatere Ruckgangigmachung nicht unnotig zu erschweren. Damit wird dem\nvorlaufigen Charakter der einstweiligen Anordnung am ehesten entsprochen (VGH\nBaden-Wurttemberg, Beschluss vom 19.03.1993, VBlBW 1994, 109; OVG Brandenburg,\nBeschluss vom 17.12.2003, FEVS 55, 262 m.w.N.; vgl. auch Finkelnburg/Jank,\nVorlaufiger Rechtsschutz, 4. Aufl. Rdnr. 1243). Sollte sich die Auffassung des\nAntragsgegners als richtig erweisen, ware es der Antragstellerin moglich und\nzumutbar, aus ihrem Vermogen die gewahrten Leistungen zuruckzuzahlen. Damit\nstellt sich die Frage eines eventuellen dauerhaften Verlustes und damit der\n(endgultigen) Vorwegnahme der Hauptsache nicht, wobei der Senat gerade im\nBereich von Leistungen zum Lebensunterhalt zu der Auffassung neigt, dass ein\nsolches generelles Verbot nicht existiert (vgl. hierzu Funke-Kaiser a.a.O.\nRdnr. 58 und Puttler in Sodan/Ziekow a.a.O. Rdnr. 12 m.w.N.). \n--- \n| 13 \n--- \n| Weiter ist auf die Beschwerde des Antragsgegners der angefochtene Beschluss\ndahingehend zu andern, dass eine Verpflichtung zur Bewilligung von Leistungen\nvor dem Zeitpunkt der Beantragung der einstweiligen Anordnung beim\nSozialgericht (13.05.2005) nicht in Frage kommt. Dies beruht auf dem auch fur\ndas Recht des SGB II geltenden Grundsatz, dass Hilfe zum Lebensunterhalt im\nWege einer einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwartigen\nNotlage zu erfolgen hat und nicht ruckwirkend zu bewilligen ist, wenn nicht\nein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht ist (vgl. hierzu OVG\nBrandenburg, a.a.O. und Finkelnburg/Jank a.a.O. Rdnr. 1245 m.w.N.). \n--- \n| 14 \n--- \n| Auf die Beschwerde der Antragstellerin ist der Antragsgegner zur Gewahrung\neiner hoheren Leistung als im angefochtenen Beschluss ausgesprochen zu\nverpflichten. Der streitige Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt, der\neiner vorlaufigen Regelung bedarf (Anordnungsanspruch), ist bei der im\nVerfahren des vorlaufigen Rechtsschutzes zulassigen summarischen Prufung der\nSach- und Rechtslage aller Voraussicht nach gegeben. Der Anordnungsgrund, die\nbesondere Dringlichkeit, ergibt sich daraus, dass es sich um Leistungen zur\nBestreitung des Lebensunterhaltes handelt, die nunmehr bereits seit langerem\nausstehen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Antragstellerin hat fur sich und ihren minderjahrigen Sohn Anspruch auf\ndie Regelleistung nach § 20 Abs. 1 und 2 SGB II, ohne dass anrechenbares\nVermogen dem entgegenstunde. Dabei ist nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 SGB II\nin Übereinstimmung mit dem SG ein Freibetrag von 14.400,00 EUR fur die\nAntragstellerin und den mit ihr in Haushaltsgemeinschaft lebenden\nminderjahrigen Sohn X. anzusetzen. Fest steht auch, dass der am 13.01.2005 auf\ndem Girokonto der Antragstellerin eingegangene Betrag von 6.000,00 EUR nicht\nzu diesem Vermogen gehoren kann, weil er zum Zeitpunkt des Entstehens des Alg\nII-Anspruches, am 26.01.2005, nicht vorhanden war. Vermogen im Sinne des § 12\nSGB II ist nur aktuell vorhandenes und nicht fruher bestehendes oder\nzwischenzeitlich verbrauchtes. Nach den aus den Akten ersichtlichen Zahlen\nuber sonstige Vermogensgegenstande wird der genannte Betrag der\nVermogensgrenze nicht annahernd erreicht. Dabei ist zu beachten, dass entgegen\nder Auffassung des Antragsgegners die vorhandene Lebensversicherung nicht\nverwertbar ist. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II,\nwonach geldwerte Anspruche, die der Altersvorsorge dienen, bis zur Hohe von\n13.000,00 EUR abzusetzen sind, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den\nRuhestand aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann. Die\nentsprechende Verwertungsausschlussklausel zu diesem Versicherungsvertrag mit\ndem Datum 05.01.2005 ist nachgewiesen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Verwertbares Vermogen ist auch nicht die von der Antragstellerin und ihrem\nSohn bewohnte Eigentumswohnung, da hierfur diese zum Schonvermogen i.S.v. § 12\nAbs. 3 Nr. 4 SBG II gehoren durfte. Nach dieser Vorschrift ist als Vermogen\nnicht zu berucksichtigen ein selbst genutztes Hausgrundstuck von angemessener\nGroße oder eine entsprechende Eigentumswohnung. Entgegen der Auffassung des\nAntragsgegners spielt bei der Anwendung dieser Vorschrift der Wert der Wohnung\nkeine Rolle, weshalb es nicht darauf ankommt, wie hoch dieser konkret ist (so\nauch Eicher/Spellbrink, SGB II, Rdnr. 70 zu § 12). Dies folgt bereits aus dem\ngegenuber § 90 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 SGB XII, der dasselbe Problem in der\nSozialhilfe nach SGB XII regelt, anderen Wortlaut der Norm. Man kann dem\nGesetzgeber des SGB II und XII nicht unterstellen, er habe die Nennung des\nWertes des Grundstucks in § 12 SGB II vergessen, weshalb der Senat derzeit\nkeine - wie immer ausfullungsbedurftige - Lucke erkennen kann. \n--- \n| 17 \n--- \n| Was die Angemessenheit unter dem Gesichtspunkt der Große angeht, gibt es\nhierzu keine naheren gesetzlichen Vorgaben. Der Senat geht fur das hier zu\nentscheidende Verfahren mit dem Antragsgegner davon aus, dass es angebracht\nsein kann, in Übereinstimmung mit der fruheren Praxis in der Sozialhilfe die\nAngemessenheit anhand der Wohnungsgroßen des inzwischen außer Kraft getretenen\n2. Wohnungsbaugesetzes zu ermitteln ist. Nach dessen § 39 Abs. 1 Nr. 1 werden\nmit offentlichen Mitteln Eigentumswohnungen bis zu 120 Quadratmeter gefordert,\nalso als angemessen angesehen. Fur die vom Antragsgegner vorgenommene\nReduzierung der Flache fehlt es an einer ausreichenden Begrundung. Eine solche\nergibt sich insbesondere nicht aus den in der Beschwerdeschrift zitierten\nVorschriften. Die einschlagigen §§ 39 Abs. 1 Nr. 1 und 82 des 2.\nWohnungsbaugesetzes lassen lediglich eine Überschreitung der genannten Flache\nbei Haushalten mit uber vier Personen zu, nicht aber eine Unterschreitung.\nEntsprechend sieht auch die Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums\nzur Wohnraumforderung (GABl 2002, 194) unter 3.4.2 nur eine Erhohung der\nWohnflachen bei großeren Haushalten vor, nicht hingegen eine Reduzierung bei\nkleineren. \n--- \n| 18 \n--- \n| Unabhangig von dieser Rechtslage hat der Antragsgegner bei der Frage der\nangemessenen Wohnungsgroße auch nicht berucksichtigt, dass an den\nWohnflachenannahmen Zweifel angebracht sind. Die Wohnung der Antragstellerin\nbesteht aus zwei Ebenen, wovon eine, eine so genannte Galerie, direkt unter\ndem Dach darstellt. Nach den dem Senat vorliegenden Planzeichnungen ist es\ndurchaus fraglich, ob und ggf. in welchem Umfang die Raumlichkeiten in diesem\nBereich Wohnraume im Sinne des § 2 Abs. 7 der Landesbauordnung (LBO) sind und\ndeshalb der Wohnflache zuzurechnen sind. Die dafur erforderlichen Maße (lichte\nHohe von 2,2 m uber die Halfte der Grundflache; vgl. § 34 Abs. 1 LBO) werden\nmoglicherweise nicht erreicht. \n--- \n| 19 \n--- \n| Dazu kommt in im hier zu entscheidenden Fall Folgendes: Der Antragsgegner\nhat die auch bei Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung sich aufdrangende\nFrage nicht gepruft, ob die Verwertung der Wohnung eine besondere Harte im\nSinne von § 9 Abs. 4 SGB II darstellen konnte. Solange diese Entscheidung\nnicht getroffen ist, ist eine Verwertung ohnehin unzumutbar. Bei dieser\nPrufung musste auch die oben angesprochene Frage der wirklichen Wohnungsgroße\nvom Antragsgegner berucksichtigt werden. \n--- \n| 20 \n--- \n| Der vorhandene PKW durfte ebenfalls kein anrechenbares Vermogen darstellen.\nDie vom Antragsgegner fur die Wertgrenze von 5.000.- EUR gegebene Begrundung\nhebt maßgeblich auf eine innerdienstliche Weisung der Bundesagentur fur Arbeit\nund eine Einigung des Stadtetages ab. Im Hinblick auf die Zielsetzung des SGB\nII (vgl § 1 SGB II) mit der Betonung der Eigenverantwortung und dem Grundsatz\ndes Forderns (§ 2 SGB II) ist der Arbeitssuchende - gerade im landlichen\nBereich, in dem die Antragstellerin lebt - auf ein Kraftfahrzeug angewiesen.\nDies sollte keines mit „außerst geringem Wert" sein, weil solche in der Regel\naltere und damit eher reparaturanfallige Modelle sein werden. Mit einem Wert\nvon unter 10.000.- EUR erscheint das Fahrzeug nicht unangemessen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Dem Anspruch der Antragstellerin steht auch kein bedarfsdeckendes Einkommen\ngegenuber. Bei dessen Errechnung darf die im Marz ausbezahlte Eigenheimzulage\nim konkreten Fall nicht als zu berucksichtigendes Einkommen (§ 11 Abs. 1 SGB\nII) angesehen werden. Zwar zahlt zu den Einnahmen grundsatzlich jeglicher\nZufluss. Fur Zahlungen, die fur einen langeren Zeitraum erfolgen, bestimmt § 2\nAbs. 3 der auf der Grundlage des § 13 SGB II erlassenen Verordnung (Alg II-V),\ndass die Einmalzahlung dem Grunde nach auf die Folgezeit entsprechend den\nSatzen des § 12 SGB II zu verteilen ist. Damit ist aber noch nichts uber die\nFrage der Anrechenbarkeit selber gesagt. Diese richtet sich nach § 11 Abs. 3\nNr. 1a SGB II. Danach sind zweckbestimmte Einnahmen, die einem anderen Zweck\nals Leistungen nach dem SGB II dienen und die Lage des Empfangers nicht so\ngunstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht\ngerechtfertigt waren, nicht als Einkommen zu berucksichtigen. Diese\nVoraussetzungen durften fur die im Marz ausbezahlte Eigenheimzulage 2005\nvorliegen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 28.05.2003 (5 C\n41/02, DVBl 2004, 54 = NVwZ-RR 2004, 112) zu der einen ahnlichen Fall im\nfruheren Sozialhilferecht regelnden Vorschrift des § 77 Abs. 1 BSHG\nausgefuhrt, dass die Eigenheimzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz vom 15.\nDezember 1995 in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. 03.1997 (BGBl. I, S.\n734 - EigZulG -) keine zweckbestimmte Leistung sei. Diese Auslegung beruht\naber wesentlich auf dem Wortlaut des § 77 Abs. 1 BSHG der in den hier\nmaßgeblichen Punkten lautet: „Leistungen, die aufgrund offentlich-rechtlicher\nVorschriften zu einem ausdrucklich genannten Zweck gewahrt werden ..". Dagegen\nwar nach der Vorgangervorschrift des § 194 Abs. 3 Nr 4 SGB III a.F. im Bereich\nder Arbeitslosenhilfe die Eigenheimzulage ausdrucklich von der Bewertung als\nanrechenbares Einkommen ausgenommen. Nunmehr verlangt § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB\nII nur, dass es sich um zweckbestimmte Einnahmen handelt, die einem anderen\nZweck als die Leistungen nach SGB II dienen. Bereits der unterschiedliche\nWortlaut legt es nahe, diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes als\nnicht maßgeblich fur das Recht des SGB II anzusehen. Der Senat stimmt in\ndiesem Punkt dem LSG Niedersachsen-Bremen zu, das im Beschluss vom 25.04.2005\n- L 8 AS 39/05 ER - ausgefuhrt hat, die Darlehen zum Erwerb eines begunstigten\nObjektes wurden gekundigt, wenn sie nicht bedient wurden, was letztlich die\nFolge habe, dass das Objekt verkauft oder versteigert werden musse. Damit\nentfallt auch der Anspruch auf die Zulage (vgl § 11 Abs. 3 EigZulG). Daraus\nist zu schließen, dass die Eigenheimzulage einem Zweck dient, namlich dem der\nBildung von Wohnungseigentum fur bestimmte Schichten der Bevolkerung. § 2 Abs.\n1 des EigZulG bestimmt demgemaß, dass begunstigt (im Sinne des Gesetzes) die\nHerstellung oder Anschaffung einer Wohnung in einem im Inland belegenen\neigenen Haus oder in einer im Inland belegenen eigenen Eigentumswohnung ist.\nNach § 5 EigZulG durfen die dort genannten Einkommensgrenzen nicht\nuberschritten werden. Der Anspruch entsteht mit Beginn der Nutzung der\nhergestellten oder angeschafften Wohnung zu eigenen Wohnzwecken (§ 10 EigZulG)\nund besteht nur fur die Kalenderjahre, in denen der Anspruchsberechtigte die\nWohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt (§ 4 Satz 1 EigZulG). Damit wird\nklargestellt, dass es dem Gesetzgeber des Eigenheimzulagegesetzes nicht um\nVermogensbildung als solche, sondern um die Schaffung von Wohnraum fur\nbestimmte Bevolkerungsschichten geht. Dass dies so ist, ergibt sich auch aus\nder in § 6 Abs. 1 des Eigenheimzulagegesetzes enthaltenen Beschrankung auf\neine Wohnung. Schließlich errechnet sich die Eigenheimzulage gemaß § 8 des\nGesetzes auf der Grundlage der konkreten Herstellungs- oder Anschaffungskosten\nzuzuglich der Aufwendungen fur Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen\ninnerhalb eines bestimmten Zeitraums. Bei dieser Sachlage spricht viel dafur,\ndass die Eigenheimzulage in der Tat nicht der Sicherung der Wohnung als\nLebensmittelpunkt, sondern der Sicherung der Wohnung als privilegiertem\nEigentum i.S.v. § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II dient. Damit hat sie einen anderen\nZweck als die Sicherung der Kosten der Unterkunft im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr.\n1 i.V.m. § 22 SGB II (so auch LSG Hamburg, Beschluss vom 07.07.2005 - L 5 B\n116/05 ER AS m.w.N. und unter Hinweis auf den sachlich gleichen Beschluss des\nLSG Schleswig-Holstein vom 08.06.2005 - L 10 B 99/05 ER AS; vgl auch\nHauck/Noftz, SGB II, Rdnr. 235 f zu § 11; die Gegenmeinung von Bruhl in LPK-\nSGB II Rdnr. 43 zu § 11 kann nicht uberzeugen, da aus den Regelungen des\nEigZulG ein Zweck erkennbar ist, den der Gesetzgeber verfolgt). Diese\nAuslegung muss jedenfalls dann gelten, wenn die Eigenheimzulage tatsachlich\nfur den vom Gesetz vorgesehenen Zweck verwendet worden ist oder verwendet\nwird. \n--- \n| 23 \n--- \n| Nach den Angaben der Antragstellerin und ihren dazu vorgelegten Belegen\nsteht fur den Senat außer Zweifel, dass die im Marz ausbezahlte\nEigenheimzulage 2005 fur eine notwendige Sanierung des Daches des von ihr\nbewohnten Hauses verwendet worden ist und fur Kosten im Zusammenhang mit der\nEintragung als Eigentumerin und fur Kosten, die aufgrund der Sachmangel der\nverkauften Wohnung entstanden sind. Dies durfte aller Voraussicht nach eine\nzweckbestimmte Verwendung der Mittel darstellen, weshalb eine fiktive\nAnrechnung dieses nicht mehr vorhandenen Geldes als Einkommen in den\nFolgemonaten nicht zulassig ist. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die weiteren Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 SGB II, dass die Einnahmen die\nLage der Antragstellerin nicht so gunstig beeinflussen, dass daneben\nLeistungen nach SGB II nicht gerechtfertigt sind, sind nach Auffassung des\nSenats erfullt. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Angesichts der Unklarheit der\nerstinstanzlichen Entscheidung und des uberwiegenden Obsiegens der\nAntragstellerin erschien eine Quotelung der Kostentragung nicht angemessen. \n--- \n| 26 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG). \n---\n\n
141,279
vg-sigmaringen-2005-09-01-2-k-102103
159
Verwaltungsgericht Sigmaringen
vg-sigmaringen
Sigmaringen
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 K 1021/03
2005-09-01
2019-01-08 18:43:53
2019-01-17 12:01:27
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDie Klagerin tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin wendet sich gegen das Verbot, ihr Produkt „... Mistelkrauttee"\nin Verkehr zu bringen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin zeigte im Jahr 1978 beim Bundesinstitut fur Arzneimittel und\nMedizinprodukte (BfArM) einen Mistelkrauttee als im Verkehr befindliches\nArzneimittel an. Ein Nachzulassungsantrag wurde nicht mehr gestellt, die\nfiktive Zulassung als Arzneimittel wurde 1992 geloscht. \n--- \n| 3 \n--- \n| Bei einer Probenentnahme in einer Apotheke in Dresden durch das dortige\nLebensmitteluberwachungsamt wurde am 24.05.2002 festgestellt, dass die\nKlagerin Mistelkrauttee mit folgender Umverpackung in Verkehr bringt: \n--- \n... \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Landesuntersuchungsanstalt fur Gesundheits- und Veterinarwesen Sachsen\ngab eine Stellungnahme ab, dass das Produkt als Arzneimittel einzustufen sei. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Klagerin wurde vom Regierungsprasidium Tubingen am 14.08.2003 zur\nEinstufung des Produkts als Arzneimittel angehort und teilte mit, das Produkt\nsei seit 01.01.1993 so im Handel und eindeutig als Lebensmittel deklariert.\nMisteltee sei als Lebensmittel einstufen, weil er keine andere Zweckbestimmung\nhabe als zur Ernahrung oder zum Genuss. In den Monografien der Kommission E\n„Visci albi herba" vom 05.12.1984 und „Visci albi stipites" vom 29.06.1994 sei\neine pharmakologische Wirkung verneint worden. Eine Zulassung als Arzneimittel\nsei deswegen nicht moglich. Die spater ermoglichte traditionelle Zulassung von\nMisteltee als Arzneimittel bestatige das, weil dabei nur Pflanzen\nberucksichtigt wurden, die unbedenklich seien und deren therapeutische\nWirksamkeit nicht belegt sei. Der Teeaufguss ergebe ein hellgrunes\naromatisches Getrank. Mistelkraut sei in der Inventarliste Lebensmitteldrogen\nder Wirtschaftsvereinigung Krauter- und Fruchtetee (WKF) ohne\nMengenbeschrankung aufgefuhrt, weil es keine Arzneimittel-Eigenschaften habe.\nMisteltee habe ernahrungsphysiologisch wichtige Bestandteile (bis zu 4,7%\nwasserlosliche Polisacharide, bis zu 9,3% wasserlosliche Eiweiße, bis zu 20,3%\nGesamteiweiß). Seine Verwendung als Lebensmittel habe eine alte Tradition; die\nMistel sei fruher als Viehfutter und in Notzeiten als Mistelmehl als\nNahrungsmittel eingesetzt worden. In Danemark sei Mistelkraut als Lebensmittel\nanerkannt. Es gebe verschiedene Pflanzen, die sowohl Lebensmittel als auch\nArzneimittel sein konnten; die Auffassungen dazu seien momentan stark im\nWandel begriffen. So konnten z.B. arzneiliche wirkende Drogen wie\nPfefferminze, Kamille, Fenchel oder Brennnessel unstrittig auch als\nLebensmittel eingesetzt werden, die Einteilung habe dann anhand der Aufmachung\ndes Produkts zu erfolgen, die hier lebensmittelgemaß sei. \n--- \n| 6 \n--- \n| Das Regierungsprasidium Tubingen erließ am 07.05.2003 eine Anordnung,\nwonach (1.) das Produkt „... Misteltee" ein Fertigarzneimittel sei. Mangels\narzneimittelrechtlicher Zulassung sei es nicht verkehrsfahig. Das weitere\nInverkehrbringen im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes (Bundesrepublik\nDeutschland) werde solange untersagt, bis eine arzneimittelrechtliche\nZulassung vorliege. Fur diese Entscheidung wurde (2.) eine Gebuhr von 200,-\nEUR erhoben. Zur Begrundung wurde ausgefuhrt, fur die Einordnung als Arznei-\noder Lebensmittel sei die uberwiegende Zweckbestimmung entscheidend;\nmaßgeblich sei dabei die allgemeine Verkehrsauffassung. Fur Mistelkraut\nexistiere keine gefestigte Verkehrsauffassung als Lebensmittel, sondern nur\nals Arzneimittel. Nach den maßgeblichen „Leitsatzen fur Tee, teeahnliche\nErzeugnisse, deren Extrakte und Zubereitungen" gehore Mistelkraut nicht zu den\nteeahnlichen Erzeugnissen. Dies ergebe sich auch aus Veroffentlichungen des\nArbeitskreises Lebensmittelchemischer Sachverstandiger der Lander und des\nBundesinstituts fur Verbraucherschutz und Veterinarmedizin (ALS) und der\nSachverstandigen der Arzneimitteluntersuchungsstellen der Lander. Es seien\nzahlreiche Arzneimittel mit Mistelkraut auf dem Markt, darunter auch funf\nMistelkraut-Arzneitees. In der Volksmedizin werde Misteltee traditionell als\nHeilmittel bei Bluthochdruck, Schwindelanfallen und Arteriosklerose\nangewendet. Daruber hinaus seien parenteral angewandte Mistelpraparate in der\nKrebstherapie bekannt, insbesondere zur Immunstarkung. Die auf ein\nArzneimittel gerichtete Verbrauchererwartung werde durch die Aufmachung des\nProdukts bestarkt, insbesondere durch \n--- \n| 7 \n--- \n| \\- die hervorgehobene Kennzeichnung in roter Schrift als „Apothekentee", \n--- \n| 8 \n--- \n| \\- die Aussagen „Qualitat aus Ihrer Apotheke", „Dieser Tee ist nur in\nApotheken erhaltlich", „Seit uber 50 Jahren fur Ihre Gesundheit" \n--- \n| 9 \n--- \n| \\- die Angabe „morgens und abends 1 Glas/Tasse Tee trinken" im Sinne einer\nDosierungsanleitung \n--- \n| 10 \n--- \n| \\- die arzneimitteltypischen Angaben „verwendbar bis ..." anstelle eines\nMindesthaltbarkeitsdatums und einer Chargenbezeichnung (Ch.-B.) auf den\nFilterbeuteln oder deren Einzelverpackung. \n--- \n| 11 \n--- \n| Auf die Monografien der Kommission E komme es nicht an, da es fur die\nDefinition eines Arzneimittels unerheblich sei, ob es tatsachlich eine\ntherapeutische Wirkung entfalte. Es sei auch unerheblich, ob Mistelkraut in\nDanemark als Lebensmittel zugelassen sei; insoweit liege keine komplette\nHarmonisierung der einschlagigen Rechtsvorschriften vor. Die Verwendung von\nMistelmehl als Nahrungsmittel in Notzeiten liege mehrere Generationen zuruck\nund prage die Verbrauchererwartung nicht mehr. Da es auf die uberwiegende\nVerbrauchererwartung ankomme, sei es schließlich auch unerheblich, ob der\nHersteller sein Produkt als Lebensmittel bezeichne. Die Anordnung wurde der\nKlagerin am 13.05.2003 zugestellt. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Klagerin hat am 10.06.2003 beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage\nerhoben. Sie halt die Anordnung des Regierungsprasidiums fur rechtswidrig,\nweil ihr Mistelkrauttee als Lebensmittel einzustufen sei. Sie macht geltend,\nsie habe bereits 1992 auf eine Zulassung als Arzneimittel verzichtet, weil der\nerforderliche Wirksamkeitsnachweis nicht vorgelegen hatte; eine Zulassung als\ntraditionell angewandtes Arzneimittel sei damals noch nicht moglich gewesen,\nsondern erst spater eingefuhrt worden. Es sei auch eindeutig als Lebensmittel\ngekennzeichnet, auf der Umverpackung werde es als „wohlschmeckend und\naromatisch mit arttypischer Note" ausgelobt. Ein Produkt konne nur dann nicht\nals Lebensmittel eingestuft werden, wenn positiv festgestellt sei, dass es\nuberwiegend zu anderen Zwecken als Ernahrung und Genuss bestimmt sei. Sie\nmacht geltend, es liege keine Verkehrsanschauung vor, wonach Mistelkraut per\nse als Arzneimittel einzustufen sei, sondern es sei auch eine allgemeine\nVerkehrsanschauung als Lebensmittel gegeben. Die Mistel habe eine alte\nTradition als Lebensmittel und werde als u.a. als Zutat fur Krauterbrot und\nauch sonst als aromatisierendes Mittel in Lebensmitteln verwendet.\nMistelkrauttee sei in den vergangenen zehn Jahren verstarkt als\nwohlschmeckender Krautertee in das Bewusstsein der Verbraucher gelangt.\nMisteltees eigneten sich aufgrund ihres kraftigen, sehr aromatischen\nGeschmacks besonders als Durstloscher. Zahlreiche andere Teehersteller und\nVersandhandler im Internet brachten ebenfalls Mistel als Bestandteil von\nTeemischungen oder reinen Misteltee als Lebensmittel in Verkehr. Fur\nNaturheilkunde und Krebstherapie seien vor allem Blatter und Beeren der Mistel\nvon Bedeutung; Mistelkrauttee bestehe jedoch aus getrockneten Zweigen der\nMistel. Fur die Verkehrsauffassung durfe auch nicht alleine auf die Leitsatze\nder Deutschen Lebensmittelbuchkommission fur Tee, teeahnliche Erzeugnisse,\nderen Extrakte und Zubereitungen abgestellt werden; diese stellten lediglich\nBeurteilungsmerkmale fur ubliche teeahnliche Erzeugnisse auf, schlossen aber\nnicht aus, dass andere Produkte ebenfalls als teeahnliche Erzeugnisse zu\nqualifizieren seien. Es mussten z.B. auch die Richtlinien des Bundes fur\nLebensmittelrecht und Lebensmittelkunde oder einzelner Verbande der\nLebensmittelwirtschaft, Handelsbrauche, Rezepte aus Kochbuchern, Gutachten von\nSachverstandigen der Lebensmittelaufsichtsbehorden, aber auch\nVerbraucherumfragen herangezogen werden. Ein durchschnittlich informiertes,\naufmerksames und verstandiges Publikum werde bei der Beurteilung eines\nProduktes eher fundierte wissenschaftliche und pharmazeutische Erkenntnisse\nzugrunde legen als Veroffentlichungen in den Print- und Massenmedien und im\nInternet. Dadurch komme der Listung in der „Inventarliste Lebensmitteldrogen"\nder Wirtschaftsvereinigung Krauter- und Fruchtetee Bedeutung zu, nach der\nMistelkraut sowohl als Heilpflanze als auch als Genussmittel eingesetzt werden\nkonne. Gerade im Bereich der traditionellen Arzneimittel gemaß § 109a AMG sei\neine Reihe von Produkten auf dem Markt, die auch im Bereich der Lebensmittel\nliegen konnten, z.B. Holunderbluten, Lindenbluten, Kamillenbluten,\nThymiankraut, Melissenblatter, Pfefferminzblatter, Fenchel. Die angesprochenen\nVerkehrskreise konnten hier nur anhand der konkreten Produktaufmachung und der\nDarreichungsform entscheiden, ob das Erzeugnis der Ernahrung, dem Genuss oder\nals Arzneimittel diene. Es musse dann letztlich dem Inverkehrbringer\nuberlassen bleiben, ob er das Produkt als Lebens- oder Arzneimittel in Verkehr\nbringen mochte. Der ausschließliche Vertrieb uber Apotheken und die Hinweise\nauf die Apotheke auf der Verpackung seien nicht Bestandteil der\nVerkehrsbezeichnung „... Misteltee". Sie konnten nicht zur Qualifikation als\nArzneimittel fuhren, weil in Apotheken auch Lebensmittel veraußert werden\ndurften. Der ubrige Text kennzeichne das Produkt als Lebensmittel,\ninsbesondere werde auf den Geschmack hingewiesen. Auf die Empfehlung, „morgens\nund abends 1 Glas/Tasse Tee trinken" konne in Zukunft verzichtet werden. Das\nHaltbarkeitsdatum werde auf aktuellen Verpackungen nicht mehr mit „verwendbar\nbis ..." angegeben, sondern als Mindesthaltbarkeitsdatum. Die Bezeichnung auf\nden Filterbeuteln und Einzelverpackungen in der Umverpackung sei ein\nuntergeordneter Kennzeichnungsmangel, der alsbald behoben werde. Es sei aber\nunverhaltnismaßig, die Untersagung darauf zu stutzen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 14 \n--- \n| den Bescheid des Regierungsprasidiums Tubingen vom 7. Mai 2003 aufzuheben. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Beklagte beantragt schriftsatzlich unter Bezugnahme auf die\nangefochtene Entscheidung, \n--- \n| 16 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Erganzend macht er geltend, die Klagerin bringe ihren Mistelkrauttee uber\nApotheken in den Verkehr, was Einfluss auf die Verbraucherauffassung habe. Die\nBeratung in Apotheken trage auch selbst zur Formung der Verbraucherauffassung\nbei; dazu legt er die Auswertung einer Umfrage unter Apothekern vor („Mistel\nin der Krebsmedizin und Beratungsapotheke", DAZ 2003, Heft 41, S. 67ff).\nDaruber hinaus werde die Verbrauchererwartung durch Darstellungen und\nVeroffentlichungen in Print- und anderen Massenmedien und im Internet\nmitbestimmt, wo haufig uber die Mistel als Heilpflanze berichtet werde. Die\nVerbraucherauffassung sei außerdem durch eine lange Tradition der Verwendung\nder Mistel als Heilmittel gepragt. Es seien auch andere Produkte, etwa Dragees\nmit Bestandteilen der Mistel, in Verkehr, die mit pharmakologischen Wirkungen\ndeklariert seien. Aus alledem ergebe sich, dass die Mistel an sich, unabhangig\ndavon, welche Bestandteile der Pflanze verwendet wurden, nach der maßgebenden\nVerbraucherauffassung nicht zur Ernahrung oder zum Genuss, sondern fur\nheilende Zwecke und damit arzneilich verwendet werde. \n--- \n| 18 \n--- \n| Es ist Beweis erhoben worden durch Einholung von Sachverstandigengutachten\ndes Chemischen und Veterinaruntersuchungsamtes Karlsruhe vom 19.04.2004 und\ndes Bundesinstituts fur Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom\n06.06.2005. \n--- \n| 19 \n--- \n| Dem Gericht lagen die einschlagigen Akten des Regierungsprasidiums Tubingen\nvor, auf die wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens\nebenso verwiesen wird wie auf die vorliegende Gerichtsakte. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 20 \n--- \n| 1\\. Die Klage ist zulassig, aber nicht begrundet. Der angefochtene Bescheid\ndes Regierungsprasidiums Tubingen vom 07.05.2003 ist rechtmaßig und verletzt\ndie Klagerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). \n--- \n| 21 \n--- \n| a) Die angefochtene Verfugung, die der Klagerin das Inverkehrbringen des\nErzeugnisses „... Mistelkrauttee" bis zum Vorliegen einer\narzneimittelrechtlichen Zulassung untersagt, hat ihre Rechtsgrundlage in § 69\nAbs. 1 AMG in der zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides gultigen Fassung\nvom 11.12.1998 (BGBl. I S. 3586). Danach treffen die zustandigen Behorden die\nnotwendigen Anordnungen zur Beseitigung festgestellter Verstoße gegen das\nArzneimittelrecht und zur Verhutung bereits eingetretener Verstoße (Satz 1);\ninsbesondere konnen sie das Inverkehrbringen untersagen, wenn eine\nerforderliche Zulassung als Arzneimittel nicht vorliegt (Satz 2 Nr. 1). \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Zulassungspflicht bestimmt sich nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG. Danach\ndurfen Fertigarzneimittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG sind,\nnur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zustandige\nBundesoberbehorde zugelassen sind. Da das im Streit befindliche Praparat im\nVoraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten\nVerpackung in den Verkehr gebracht wird, handelt es sich nach § 4 Abs. 1 AMG\num ein solches Fertigarzneimittel \n--- \n| 23 \n--- \n| Das Regierungsprasidium Tubingen ist im Ergebnis zu Recht davon\nausgegangen, dass es sich bei dem von der Klagerin hergestellten und in\nVerkehr gebrachten Erzeugnis „... Mistelkrauttee" um ein Arzneimittel im Sinne\ndes § 2 Abs. 1 AMG handelt, das einer Zulassung bedarf. Arzneimittel sind\nStoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung\nam oder im menschlichen Korper Krankheiten, Leiden, Korperschaden oder\nkrankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhuten, zu erkennen (§ 2\nAbs. 1 Nr. 1 AMG) oder die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des\nKorpers oder seelischer Zustande zu beeinflussen (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG). Keine\nArzneimittel sind demgegenuber Lebensmittel im Sinne des § 1 des Lebensmittel-\nund Bedarfsgegenstandegesetzes - LMBG - (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG). Lebensmittel\nim Sinne des § 1 Abs. 1 LMBG sind Stoffe, die dazu bestimmt sind, von Menschen\nverzehrt zu werden; ausgenommen sind Stoffe, die uberwiegend dazu bestimmt\nsind, zu anderen Zwecken als zur Ernahrung oder zum Genuss verzehrt zu werden.\nFur die Einordnung eines Produkts als Arzneimittel (§ 2 AMG) oder als\nLebensmittel (§ 1 LMBG) kommt es damit entscheidend darauf an, zu welchem\nZweck der Mensch es zu sich nimmt, wozu es also „bestimmt ist". Fur die\nuberwiegende Zweckbestimmung ist nicht der rechtliche Einstufungswille des\nHerstellers oder Vertreibers maßgeblich, sondern die allgemeine\nVerkehrsanschauung, d.h. wie sich der Verwendungszweck des Produkts fur den\ndurchschnittlich informierten, aufmerksamen und verstandigen\nDurchschnittsverbraucher darstellt. Objektive Kriterien dafur sind vor allem\ndie Bezeichnung des Produkts, seine stoffliche Zusammensetzung, die\nAufmachung, Darreichungsform und Verpackung des Produkts,\nDosierungsempfehlungen und sonstige Angaben des Herstellers oder Vertreibers,\nPreisgestaltung, etwaige Werbeaussagen und die Art des Vertriebs. Die\nVerkehrsanschauung wird auch regelmaßig an eine etwa schon bestehende\nAuffassung uber den Verwendungszweck vergleichbarer Mittel anknupfen (vgl.\nBVerwG, Urteil v. 24.11.1994, - 3 C 23/93 -, BVerwGE 97, 132ff; Urteil v.\n18.12.1997, - 3 C 46/96 -, BVerwGE 106, 90ff; BGH, Urt.v. 10.02.2000, - I ZR\n97/98 - „L-Carnitin", GRUR 2000, 528-530; Urteil v. 11.07.2002, - I ZR 273/99\n-, ZLR 2002, 660-666; VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss v. 14.05.1996, - 10 S\n256/96 -, Urteil vom 15.01.1999 - 10 S 1797/97 -, OLG Frankfurt/Main, Urteil\nv. 11.12.1998, - 24 U 18/97 -, zitiert nach juris; vgl. zur Abgrenzung auch\nStreit, internistische praxis 41 (2001), 449-462). Die Vorstellung der\nVerbraucher von der Zweckbestimmung eines Produkts hinsichtlich seiner\nInhaltsstoffe kann auch durch veroffentlichte Auffassungen der\npharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaften beeinflusst werden. Die\nBezeichnung eines Produkts als Lebensmittel auf der Verpackung bewirkt alleine\nnoch nicht, dass es als Lebensmittel einzustufen ist, und umgekehrt sind weder\ndie Darreichungsform noch die Verpackung noch der Vertrieb allein uber\nApotheken fur sich genommen ein ausreichender Hinweis auf ein Arzneimittel,\nwenn es sich um apothekenubliche Ware handelt (vgl. BGH, Urt. v. 10.02.2000,\na.a.O., 530). Bei Stoffen und Zubereitungen, die nach diesen Kriterien sowohl\nzu Ernahrungs- oder Genusszwecken als auch zu therapeutischen Zwecken bestimmt\nsind, ist maßgeblich, welche Zweckbestimmung uberwiegt. Überwiegt die\nZweckbestimmung als Lebensmittel, ist damit eine Einordnung des Produktes\n(zugleich) als Arzneimittel ausgeschlossen, auch wenn es die Merkmale des\nArzneimittelbegriffs in § 2 Abs. 1 AMG aufweist (BVerwG, Urt. v. 18.12.1997,\na.a.O.; VGH Baden-Wurttemberg, Urt. v. 15.01.1999, a.a.O.). \n--- \n| 24 \n--- \n| b) Nach diesen Grundsatzen ist das Produkt „... Mistelkrauttee", so wie es\nvon der Klagerin in den Verkehr gebracht wird, nicht als Lebensmittel, sondern\nals Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 5 AMG einzuordnen. Diese\nEinschatzung beruht zunachst auf dem Sachverstandigengutachten des\nBundesinstituts fur Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 06.06.2005.\nEs bestehen auch keine Bedenken, das Gutachten des Chemischen und\nVeterinaruntersuchungsamtes (CVUA) Karlsruhe vom 26.02.2004 mit Erganzung vom\n19.04.2004 heranzuziehen. Die Beamten des CVUA Karlsruhe sind zwar Beamte des\nLandes Baden-Wurttemberg, das in diesem Verfahren Beklagter ist. Es handelt\nsich aber nicht um eine Behorde, die dem Regierungsprasidium Tubingen\nnachgeordnet ware, wie die Klagerin meint, sondern um eine Sonderbehorde, die\naus dem hierarchischen Behordenaufbau ausgegliedert und nicht weisungsgebunden\nist. Am bisherigen Verwaltungsverfahren gegen die Klagerin waren Beamte des\nCVUA Karlsruhe auch nicht federfuhrend beteiligt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom\n06.10.1998, - 3 B 35/08 -, NVwZ 1999, 184-186; Beschluss vom 30.12.1997, - 11\nB 3/97 -, NVwZ 1998, 334 - 336 und VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss vom\n21.07.1997, - 9 S 1580/97 -, VBlBW 1998, 56-57). Außerdem beruht die\nEinschatzung des Gerichts auf den Angaben auf der Verpackung des Produkts und\nauf dem Umstand, dass die Klagerin es in ihrer Produktreihe „... Apothekentee"\nausschließlich in Apotheken verkauft, wo auch andere Mistelkrauttees mit\nidentischen Inhaltsstoffen erhaltlich sind, die uber eine Zulassung als\nArzneimittel gemaß § 109a AMG verfugen. Schließlich beruht die Einschatzung\nauch auf den umfangreichen Veroffentlichungen und Internetrecherchen, die dem\nGericht wahrend des Verfahrens vorgelegt wurden. Dabei handelt es sich - neben\nden verschiedenen Monografien der Kommission E zur Mistel, der Inventarliste\nLebensmitteldrogen der Wirtschaftsvereinigung Krauter- und Fruchtetee und den\nLeitsatze fur Tee und teeahnliche Erzeugnisse - vor allem um\nVeroffentlichungen zur Verwendung der Mistel in Fachbuchern und -zeitschriften\nund im Internet sowie um Ausdrucke aus dem Angebot diverser Internetanbieter\nan Mistelkrauttee und Krauterteemischungen, die Mistelkraut enthalten. Dabei\nwar allein der Verwendungszweck von Mistelkraut als Tee in den Blick zu\nnehmen; auf die Verkehrsauffassung zur Verwendung von Mistelextrakten als\nInjektion zur parenteralen Anwendung kommt es hier ebenso wenig an wie auf den\ndie Bestimmung von Mistelmehl als Zutat von Krauterbrot oder als\nErsatznahrungsmittel in Notzeiten. Es ist auch nur der Verwendungszweck im\nGeltungsbereich des Arzneimittelgesetzes maßgeblich, die Verkehrsauffassung\nund die Rechtslage in anderen europaischen Landern wie Danemark oder der\nSlowakei sind nicht entscheidungserheblich. Bei Anwendung der oben genannten\nKriterien ergibt sich aus alldem fur das Gericht, dass das streitige Produkt\nnach der allgemeinen Verkehrsauffassung in Deutschland uberwiegend zur\nVerwendung als Arzneimittel bestimmt ist. \n--- \n| 25 \n--- \n| aa) Allein die Bezeichnung des Produkts „... Misteltee" lasst noch keinen\nSchluss auf eine uberwiegende Zweckbestimmung als Lebensmittel zu. Einerseits\nwerden Misteltee und Krauterteemischungen mit dem Inhaltsstoff Mistelkraut als\nLebensmittel angeboten, und zwar sowohl im Internethandel als auch im\nLebensmittel-Einzelhandel und in Drogerien. Andererseits ergibt sich aus den\nGutachten der CVUA Karlsruhe vom 26.02.2004 und des BfArM vom 06.06.2005, dass\nzahlreiche Produkte mit der Bezeichnung „Misteltee" und „Mistelkrauttee" uber\neine Zulassung als Arzneimittel nach § 109a AMG verfugen und mit den Hinweisen\n„traditionell angewendet" und „zur Starkung der Kreislauffunktion" bzw.\n„kreislaufunterstutzend" als Arzneitee in Apotheken angeboten werden. Nach dem\nGutachten des BfArM sind insgesamt 62 Mistelkrautpraparate in dieser Weise als\nArzneimittel zugelassen, davon funf Arzneitees aus reinem Mistelkraut. \n--- \n| 26 \n--- \n| bb) Das Produkt der Klagerin unterscheidet sich in der stofflichen\nZusammensetzung nicht von den oben genannten Mistelkrauttees, die uber eine\nZulassung als Arzneimittel nach § 109a AMG verfugen und damit eindeutig zur\nVerwendung als Arzneimittel bestimmt sind. Nach den Angaben auf der Verpackung\nist der Misteltee der Klagerin in Teebeutel abgepackt, die jeweils 2,0 g\nMistelkraut (viscum album L) enthalten, also getrocknete und gemahlene junge\nZweige der Mistelpflanze mit Blattern, Bluten und Fruchten. Nach den Angaben\ndes BfArM ist die Darreichungsform in Teebeuteln a 2,0g bei den zugelassenen\nArzneitees ebenso verbreitet wie die Darreichungsform als lose Ware. Der vom\nCVUA Karlsruhe zum Vergleich untersuchte „... Mistelkrauttee", der uber eine\nZulassung als Arzneimittel nach § 109a AMG verfugt, weist die gleiche\nstoffliche Zusammensetzung auf und wird ebenfalls in Filterbeuteln a 2,0 g\nangeboten. Die Untersuchung der Proben durch das CVUA Karlsruhe ergab etwas\ngeringere Fullmengen, wobei der Arzneitee „... Mistelkrauttee" mit 1,96 g pro\nTeebeutel sogar noch etwas weniger Mistelkraut enthielt als das Produkt der\nKlagerin mit 1,97 g pro Teebeutel. Ob Mistelkraut in dieser Darreichungsform\nals Teebeutel mit etwas weniger als 2,0 g tatsachlich pharmakologische\nWirkungen entfaltet oder nicht, kann in diesem Zusammenhang offen bleiben,\nweil eine ganze Reihen anderer Produkte mit der gleichen stofflichen\nZusammensetzung als traditionell angewandte Arzneimittel zugelassen und damit\nauch zur Verwendung als solche bestimmt sind. \n--- \n| 27 \n--- \n| cc) Die Listung von Mistelkraut in der „Inventarliste Lebensmitteldrogen"\ndes Wirtschaftsverbandes Krauter- und Fruchtetee e.V. (WKF) fuhrt noch nicht\nzu einer uberwiegenden Verkehrsauffassung als Lebensmittel, weil es sich um\neine Einordnung von Seiten der Hersteller handelt und nicht etwa um die\nErwartung des Verbrauchers. In einer Anmerkung des WKF zu dieser Liste (DLR\n2000, 172ff) wird ausgefuhrt, dass sie zur Einordnung von Inhaltsstoffen\nbeitragen soll, die in Deutschland zumindest in der Ernahrung noch keine oder\nkaum eine Rolle gespielt haben, und dass die Zweckbestimmung speziell bei\nKrautertees von den Umstanden abhangt, unter denen sie in Verkehr gebracht\nwerden. Die Inventarliste wird in Fachkreisen kontrovers diskutiert, wobei\neine Verkehrsauffassung fur Mistelkrauttee als Lebensmittel teilweise\nausdrucklich verneint wird (vgl. Grundig/Hey, DLR 2002, 35ff; Streit,\ninternistische praxis 41 [2001], 449-462; a.A. etwa Schneider, DLR 2002,\n125ff). Andererseits lasst sich aus den „Leitsatzen fur Tee, teeahnliche\nErzeugnisse, deren Extrakte und Zubereitungen" vom 02.12.1998 (BAnz. Nr. 66a\nvom 09.04.1999) kein Umkehrschluss ziehen, wie der Beklagte es tut. Die\nLeitsatze enthalten unter II. nur besondere Beurteilungsmerkmale fur einige\nubliche teeahnliche Erzeugnisse, aber keine abschließende Aufzahlung aller\nublichen teeahnlichen Erzeugnisse. \n--- \n| 28 \n--- \n| dd) Die Aufmachung und Verpackung, mit der die Klagerin das Produkt auf den\nMarkt bringt, ermoglicht keine klare Zuordnung des Produkts: Die Abbildung auf\nder Verpackung zeigt eine Mistelpflanze mit Blattern und Beeren und\nunterscheidet sich insoweit nicht von dem zum Vergleich herangezogenen\nArzneitee „... Mistelkrauttee". Die Angabe „verwendbar bis" als Verfallsdatum\nstellt einen Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Kennzeichnungsvorschriften\ndar (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 7 Abs. 2 Lebensmittel-\nKennzeichnungsverordnung - LMKV), entspricht aber ebenso wie die Verwendung\neiner Chargenbezeichnung (Ch.-B.) der fur Fertigarzneimittel vorgeschriebenen\nKennzeichnung (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 9 AMG). Daraus alleine ergibt\nsich allerdings noch keine Aussage uber einen Verwendungszweck als\nArzneimittel, zumal sich beide Angaben nur ganz untergeordnet auf der\nUnterseite der Verpackung bzw. auf der Umhullung der Teebeutel in der\nUmverpackung wiederfinden. Die Anpreisung „wohlschmeckend und aromatisch mit\narttypischer Note" deutet wiederum auf eine Bestimmung zum Verzehr als\nLebensmittel hin, ausdruckliche Hinweise auf kreislauffordernde oder\n-unterstutzende Wirkungen enthalt die Verpackung des Produkts nicht.\nAndererseits ist die aufgedruckte Dosierungsempfehlung, morgens und abends 1\nGlas/ 1 Tasse zu trinken, bei einem wohlschmeckenden und aromatischen Lebens-\noder Genussmittel nicht nachvollziehbar. Dass die Klagerin sich bereit erklart\nhat, auf diese Empfehlung kunftig zu verzichten, ist fur die Entscheidung des\nGerichts nicht maßgeblich, da sie jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung\ndes Regierungsprasidiums verwendet wurde; auch die wahrend des Klageverfahrens\nvon der CVUA Karlsruhe erhobene Warenprobe enthalt noch diesen Aufdruck. Die\ngleiche Dosierungsempfehlung und die gleichen Hinweise zur Zubereitung durch\nAnsetzen mit kaltem Wasser uber mehrere Stunden hinweg finden sich z.B. auch\nin Fachbuchern uber Heilpflanzen, die Misteltee als Hausmittel gegen leichte\nnervose Herzstorungen empfehlen (vgl. Manfred Pahlow, Heilpflanzen, S. 233,\n234, AS 46/47 der Gerichtsakte; ebenso DAB 1999, Monographie Mistelkraut, AS\n120-122 der Gerichtsakte). Das Gericht geht deshalb davon aus, dass sich die\naufgedruckten Dosierungsempfehlung an Personen richtet, denen diese\nVerwendungsmoglichkeit bekannt ist. Die Angabe „Aus der Natur - Fur ihre\nGesundheit" durfte sich nach der Anordnung auf der Verpackung sowohl allgemein\nauf die Klagerin als auch auf das konkrete Produkt beziehen, so dass es als\ngesundheitsfordernd angepriesen wird. \n--- \n| 29 \n--- \n| ee) Der apothekenexklusive Vertrieb des Produkts, die Bezeichnung als\n„Apothekentee", „Qualitat aus ihrer Apotheke" und der Aufdruck „Dieser Tee ist\nnur in Apotheken erhaltlich" weisen ebenfalls eher auf einen Verwendungszweck\nals Arzneimittel hin als auf ein wohlschmeckendes und aromatisches\nLebensmittel. Soweit die Klagerin auf die Rechtsprechung des\nBundesgerichtshofes verweist, wonach vom Vertrieb uber Apotheken noch nicht\nauf eine Zweckbestimmung als Arzneimittel geschlossen werden konne (vgl. BGH,\nUrt.v. 10.02.2000, - I ZR 97/98 - „L-Carnitin", GRUR 2000, 528-530; Urteil v.\n11.07.2002, - I ZR 273/99 -, ZLR 2002, 660-666 m.w.N.), beziehen sich diese\nauf Nahrungserganzungsmittel, die in § 25 Nr. 6 Apothekenbetriebsordnung\ni.d.F. vom 26.09.1995 (BGBl. I, 1195ff - ApBetrO) ausdrucklich als\napothekenubliche Ware aufgefuhrt waren. Dazu gehorten auch Tee und teeahnliche\nErzeugnisse, allerdings nur, soweit sie nicht uberwiegend dazu bestimmt sind,\nzum Genuss verzehrt zu werden. Daraus folgt fur das Gericht, dass die von der\nKlagerin angestrebte Einordnung ihres Mistelkrauttees als wohlschmeckendes und\naromatisches Lebensmittel, das uberwiegend zum Genuss bestimmt ist, und eine\nEinstufung als apothekenubliche Ware i.S.d. § 25 Nr. 6 ApBetrO a.F. sich\ngegenseitig ausschließen. Dies gilt umso mehr, nachdem § 25 ApBetrO durch das\nGKV-Modernisierungsgesetz (vom 14.11.2003, BGBl. I, 2190, - GMG) geandert\nwurde: Apothekenublich sind nunmehr nach § 25 Nr. 2 ApBetrO n.F. Mittel, die\nder Gesundheit von Menschen mittelbar oder unmittelbar dienen oder diese\nfordern. Daraus folgt fur das Gericht, dass fur den Mistelkrauttee der\nKlagerin, der ausschließlich in Apotheken verkauft wird, eine uberwiegende\nZweckbestimmung bestehen muss, der Gesundheit zu dienen oder diese zu fordern.\nAnsonsten ware der gewahlte Vertriebsweg als exklusiver „Apothekentee" weder\nnachvollziehbar noch rechtlich zulassig. \n--- \n| 30 \n--- \n| Dies wird belegt durch die Ergebnisse einer Umfrage „Mistel in der\nKrebsmedizin und Beratungsapotheke" (DAZ 2003, 67ff, AS 41-45 der\nGerichtsakte.) Die Umfrage richtete sich an Apotheker und Apothekerinnen, also\njenen Personenkreis, uber den der Mistelkrauttee der Klagerin ausschließlich\nverkauft wird, der die Erwartungshaltung seiner Kunden kennt und der sie ggf.\nzum Verwendungszweck des Produkts beraten wird. Im Themenblock „Allgemeine\nFragen zum Anwendungskontext der Mistel" wurde unter C.1 die Frage gestellt,\nwelcher Kategorie die Mistel zugeordnet wird. 40% der Befragten ordneten sie\nals Immunmodulator ein, 28% als anthroposophisches Heilmittel, 20% als\nklassisches Phytopraparat, 10% als Zytostatikum und lediglich 1% als\nunspezifisches Additivum. Die Verwendung als aromatisches und wohlschmeckendes\nGetrank wurde dagegen uberhaupt nicht genannt. Daraus ist zu schließen, dass\ndie Befragten keine Verbrauchererwartung oder besondere Nachfrage nach\nMistelkrauttee als Lebensmittel mit besonderen geschmacklichen Eigenschaften\nregistriert und ihre Kunden auch nicht in dieser Richtung beraten haben. \n--- \n| 31 \n--- \n| ff) Schließlich ergibt sich auch aus den umfangreichen Publikationen und\nInternetrecherchen, die von den Beteiligten vorgelegt wurden, eine\nuberwiegende Verkehrsauffassung, dass Mistelkrauttee zur Verwendung als\nArzneimittel bestimmt ist. In den Sachverstandigengutachten des CVUA Karlsruhe\nund des BfArM wird darauf hingewiesen, dass Misteltee in der Volksmedizin u.a.\ngegen Bluthochdruck, Schwindelgefuhl, Blutandrang im Kopf, ausbleibende\nMenstruation, Gelenkerkrankungen, Epilepsie, Arteriosklerose empfohlen wird.\nDas ergibt sich auch aus den vom Beklagten vorgelegten Publikationen und\nInternetrecherchen (vgl. z.B. AS 53, 55, 56, 58, 60 der Gerichtsakte; ebenso\nManfred Pahlow, Heilpflanzen, S. 233, 234, AS 46/47 der Gerichtsakte). Im\nDeutschen Arzneimittelbuch (DAB), das ublicherweise in Apotheken als\nNachschlagewerk bereitgehalten wird, ist Mistelkraut ebenfalls als Teedroge\nzur unterstutzenden Behandlung von milden Formen der Hypertonie und\nBluthochdruck, bei Schwindelgefuhl und Blutandrang zum Kopf aufgefuhrt; dabei\nwird allerdings betont, dass die Anwendung rein empirisch erfolgt und eine\nrationale Begrundung bisher nicht vorliegt (vgl. Auszuge aus dem DAB 1999 und\n2004, AS 120-122 und 132-134 der Gerichtsakte). Dies ergibt sich auch aus den\nMonografien der Kommission E „Visci albi stipites" vom 03.05.1994 und „Visci\nalbi herba" vom 05.12.1984, auf die sich die Klagerin bezieht; dort wird\nausgefuhrt, dass die blutdrucksenkenden Wirkungen und die therapeutische\nWirksamkeit von Mistelkraut als Tee bei milden Formen der Hypertonie nicht\nbelegt sind bzw. einer Überprufung bedurfen. Ein solcher klinischer\nWirksamkeitsnachweis ist fur das Bestehen einer Verkehrsauffassung zum\nVerwendungszweck als Arzneimittel aber - entgegen der Auffassung der Klagerin\n- nicht erforderlich. Im Gegenteil war es anderen Herstellern sogar moglich,\naufgrund dieser Verkehrsauffassung fur Mistelkrauttee eine Zulassung als\ntraditionell angewandtes Arzneimittel nach § 109a AMG zu erhalten, ohne dass\nein klinischer Wirksamkeitsnachweis vorliegt. Die Anforderungen an die\nWirksamkeit sind nach § 109a Abs. 3 Satz 1 und 2 AMG auch erfullt, wenn das\nMittel bestimmte Anwendungsgebiete beansprucht, die von einer eigens dafur\nberufenen Kommission unter Berucksichtigung der Besonderheiten des Mittels und\nder tradierten und dokumentierten Erfahrung festgelegt werden. Fur\nMistelkrauttee ist in der Aufstellung dieser Anwendungsgebiete unter Nr. 257\nausgefuhrt (vgl. Anlage 3 zum Gutachten des BfArM, AS 123-125 der\nGerichtsakte): \n--- \n| 32 \n--- \n| „zur Unterstutzung der Kreislauffunktion. Diese Angabe beruht\nausschließlich auf Überlieferung und langjahriger Erfahrung." \n--- \n| 33 \n--- \n| Fur das Gericht folgt aus dem Umstand, dass Mistelkrauttee aufgrund\nlangjahriger Erfahrung und Überlieferung ein Anwendungsgebiet als Mittel zur\nKreislaufunterstutzung beansprucht, auch eine entsprechende langjahrige und\ngefestigte Verkehrsauffassung. Nach der Überzeugung des Gerichts ist sie\njedenfalls fur das Produkt der Klagerin auch die uberwiegende. Ob fur die\nzahlreichen Mistelkrauttees anderer Anbieter, die in Lebensmittelmarkten,\nTeeladen oder in Internetshops verkauft werden, eine Verkehrserwartung als\nLebensmittel besteht, kann in diesem Zusammenhang offen bleiben, weil die\nKlagerin sich von diesen Tees bewusst und gezielt abgrenzt, indem sie ihren\nMistelkrauttee als „Apothekentee" ausschließlich in Apotheken in Verkehr\nbringt. Wie oben bereits ausgefuhrt, uberwiegt jedenfalls dort die\nVerkehrserwartung, dass Mistelkrauttee nicht dem Genuss und der Ernahrung,\nsondern der Gesundheit dient und damit zur Verwendung als Arzneimittel\nbestimmt ist. \n--- \n| 34 \n--- \n| Nach alldem ist das Produkt der Klagerin als Arzneimittel anzusehen, das\neiner arzneimittelrechtlichen Zulassung bedarf, sie aber nicht besitzt. \n--- \n| 35 \n--- \n| c) Ermessensfehler sind bei der Verfugung, mit der das Inverkehrbringen des\nProduktes bis zum Vorliegen einer arzneimittelrechtlichen Zulassung untersagt\nwird, nicht ersichtlich. Es ist auch nicht erkennbar, dass ein Ruckruf oder\neine Sicherstellung der Ware die Klagerin weniger belasten wurde. Soweit das\nRegierungsprasidium falschlicherweise von der Verwendung einer\nChargenbezeichnung und des Aufdrucks „verwendbar bis..." anstelle eines\nMindesthaltbarkeitsdatums auf eine Einordnung als Arzneimittel geschlossen\noder dies im Umkehrschluss aus den „Leitsatzen fur Tee, teeahnliche\nErzeugnisse, deren Extrakte und Zubereitungen" gefolgert hat, handelt es sich\num die Beurteilung des gesetzlichen Tatbestandes und nicht um\nErmessenserwagungen zur Auswahl unter den in § 69 Abs. 1 genannten Maßnahmen. \n--- \n| 36 \n--- \n| Soweit die Klagerin geltend macht, sie habe gar nicht die Moglichkeit, fur\nihr Produkt eine Zulassung als Arzneimittel zu erlangen, weil die\nerforderlichen Wirksamkeitsnachweise nicht zu erbringen seien, ist darauf\nhinzuweisen, dass sie aus eigenem Entschluss im Jahr 1992 auf die Zulassung\nals Arzneimittel verzichtet hat. Damit hat die Klagerin damals darauf\nverzichtet, dieses Produkt als Arzneimittel in Verkehr zu bringen. Als im Jahr\n1994 die Zulassung als traditionell angewandtes Arzneimittel nach § 109a AMG\nermoglicht wurde, konnte sie davon nicht mehr profitieren, weil die fiktive\nZulassung des Produkts nach § 105 AMG bereits erloschen war. Im Rahmen eines\nneuen Antrags hatte die Klagerin moglicherweise schon damals eine\nGleichbehandlung mit anderen Herstellern erreichen konnen, die ihren Antrag\naufrechterhalten und eine Zulassung fur Mistelkrauttee nach § 109a AMG\nerhalten hatten. Mit Inkrafttreten des 14. Gesetzes zur Änderung des\nArzneimittelgesetzes vom 29.08.2005 (verkundet am 05.09.2005, BGBl. I, 2570)\nwird jetzt auch ein vereinfachtes Verfahren zur Registrierung traditioneller\npflanzlicher Arzneimittel eingefuhrt (vgl. § 39a - 39d AMG n.F.), das die\nKlagerin fur ihren Mistelkrauttee ohne weiteres wahrnehmen kann. Dabei handelt\nes sich aber um Fragen, die im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung zu\nklaren sind; fur die hier angefochtene Untersagungsverfugung, die lediglich\ndas arzneimittelrechtliche Zulassungsverfahren sicherstellen soll, kommt es\ndarauf nicht an. \n--- \n| 37 \n--- \n| 2\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 20 \n--- \n| 1\\. Die Klage ist zulassig, aber nicht begrundet. Der angefochtene Bescheid\ndes Regierungsprasidiums Tubingen vom 07.05.2003 ist rechtmaßig und verletzt\ndie Klagerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). \n--- \n| 21 \n--- \n| a) Die angefochtene Verfugung, die der Klagerin das Inverkehrbringen des\nErzeugnisses „... Mistelkrauttee" bis zum Vorliegen einer\narzneimittelrechtlichen Zulassung untersagt, hat ihre Rechtsgrundlage in § 69\nAbs. 1 AMG in der zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides gultigen Fassung\nvom 11.12.1998 (BGBl. I S. 3586). Danach treffen die zustandigen Behorden die\nnotwendigen Anordnungen zur Beseitigung festgestellter Verstoße gegen das\nArzneimittelrecht und zur Verhutung bereits eingetretener Verstoße (Satz 1);\ninsbesondere konnen sie das Inverkehrbringen untersagen, wenn eine\nerforderliche Zulassung als Arzneimittel nicht vorliegt (Satz 2 Nr. 1). \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Zulassungspflicht bestimmt sich nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG. Danach\ndurfen Fertigarzneimittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG sind,\nnur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zustandige\nBundesoberbehorde zugelassen sind. Da das im Streit befindliche Praparat im\nVoraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten\nVerpackung in den Verkehr gebracht wird, handelt es sich nach § 4 Abs. 1 AMG\num ein solches Fertigarzneimittel \n--- \n| 23 \n--- \n| Das Regierungsprasidium Tubingen ist im Ergebnis zu Recht davon\nausgegangen, dass es sich bei dem von der Klagerin hergestellten und in\nVerkehr gebrachten Erzeugnis „... Mistelkrauttee" um ein Arzneimittel im Sinne\ndes § 2 Abs. 1 AMG handelt, das einer Zulassung bedarf. Arzneimittel sind\nStoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung\nam oder im menschlichen Korper Krankheiten, Leiden, Korperschaden oder\nkrankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhuten, zu erkennen (§ 2\nAbs. 1 Nr. 1 AMG) oder die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des\nKorpers oder seelischer Zustande zu beeinflussen (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG). Keine\nArzneimittel sind demgegenuber Lebensmittel im Sinne des § 1 des Lebensmittel-\nund Bedarfsgegenstandegesetzes - LMBG - (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG). Lebensmittel\nim Sinne des § 1 Abs. 1 LMBG sind Stoffe, die dazu bestimmt sind, von Menschen\nverzehrt zu werden; ausgenommen sind Stoffe, die uberwiegend dazu bestimmt\nsind, zu anderen Zwecken als zur Ernahrung oder zum Genuss verzehrt zu werden.\nFur die Einordnung eines Produkts als Arzneimittel (§ 2 AMG) oder als\nLebensmittel (§ 1 LMBG) kommt es damit entscheidend darauf an, zu welchem\nZweck der Mensch es zu sich nimmt, wozu es also „bestimmt ist". Fur die\nuberwiegende Zweckbestimmung ist nicht der rechtliche Einstufungswille des\nHerstellers oder Vertreibers maßgeblich, sondern die allgemeine\nVerkehrsanschauung, d.h. wie sich der Verwendungszweck des Produkts fur den\ndurchschnittlich informierten, aufmerksamen und verstandigen\nDurchschnittsverbraucher darstellt. Objektive Kriterien dafur sind vor allem\ndie Bezeichnung des Produkts, seine stoffliche Zusammensetzung, die\nAufmachung, Darreichungsform und Verpackung des Produkts,\nDosierungsempfehlungen und sonstige Angaben des Herstellers oder Vertreibers,\nPreisgestaltung, etwaige Werbeaussagen und die Art des Vertriebs. Die\nVerkehrsanschauung wird auch regelmaßig an eine etwa schon bestehende\nAuffassung uber den Verwendungszweck vergleichbarer Mittel anknupfen (vgl.\nBVerwG, Urteil v. 24.11.1994, - 3 C 23/93 -, BVerwGE 97, 132ff; Urteil v.\n18.12.1997, - 3 C 46/96 -, BVerwGE 106, 90ff; BGH, Urt.v. 10.02.2000, - I ZR\n97/98 - „L-Carnitin", GRUR 2000, 528-530; Urteil v. 11.07.2002, - I ZR 273/99\n-, ZLR 2002, 660-666; VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss v. 14.05.1996, - 10 S\n256/96 -, Urteil vom 15.01.1999 - 10 S 1797/97 -, OLG Frankfurt/Main, Urteil\nv. 11.12.1998, - 24 U 18/97 -, zitiert nach juris; vgl. zur Abgrenzung auch\nStreit, internistische praxis 41 (2001), 449-462). Die Vorstellung der\nVerbraucher von der Zweckbestimmung eines Produkts hinsichtlich seiner\nInhaltsstoffe kann auch durch veroffentlichte Auffassungen der\npharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaften beeinflusst werden. Die\nBezeichnung eines Produkts als Lebensmittel auf der Verpackung bewirkt alleine\nnoch nicht, dass es als Lebensmittel einzustufen ist, und umgekehrt sind weder\ndie Darreichungsform noch die Verpackung noch der Vertrieb allein uber\nApotheken fur sich genommen ein ausreichender Hinweis auf ein Arzneimittel,\nwenn es sich um apothekenubliche Ware handelt (vgl. BGH, Urt. v. 10.02.2000,\na.a.O., 530). Bei Stoffen und Zubereitungen, die nach diesen Kriterien sowohl\nzu Ernahrungs- oder Genusszwecken als auch zu therapeutischen Zwecken bestimmt\nsind, ist maßgeblich, welche Zweckbestimmung uberwiegt. Überwiegt die\nZweckbestimmung als Lebensmittel, ist damit eine Einordnung des Produktes\n(zugleich) als Arzneimittel ausgeschlossen, auch wenn es die Merkmale des\nArzneimittelbegriffs in § 2 Abs. 1 AMG aufweist (BVerwG, Urt. v. 18.12.1997,\na.a.O.; VGH Baden-Wurttemberg, Urt. v. 15.01.1999, a.a.O.). \n--- \n| 24 \n--- \n| b) Nach diesen Grundsatzen ist das Produkt „... Mistelkrauttee", so wie es\nvon der Klagerin in den Verkehr gebracht wird, nicht als Lebensmittel, sondern\nals Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 5 AMG einzuordnen. Diese\nEinschatzung beruht zunachst auf dem Sachverstandigengutachten des\nBundesinstituts fur Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 06.06.2005.\nEs bestehen auch keine Bedenken, das Gutachten des Chemischen und\nVeterinaruntersuchungsamtes (CVUA) Karlsruhe vom 26.02.2004 mit Erganzung vom\n19.04.2004 heranzuziehen. Die Beamten des CVUA Karlsruhe sind zwar Beamte des\nLandes Baden-Wurttemberg, das in diesem Verfahren Beklagter ist. Es handelt\nsich aber nicht um eine Behorde, die dem Regierungsprasidium Tubingen\nnachgeordnet ware, wie die Klagerin meint, sondern um eine Sonderbehorde, die\naus dem hierarchischen Behordenaufbau ausgegliedert und nicht weisungsgebunden\nist. Am bisherigen Verwaltungsverfahren gegen die Klagerin waren Beamte des\nCVUA Karlsruhe auch nicht federfuhrend beteiligt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom\n06.10.1998, - 3 B 35/08 -, NVwZ 1999, 184-186; Beschluss vom 30.12.1997, - 11\nB 3/97 -, NVwZ 1998, 334 - 336 und VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss vom\n21.07.1997, - 9 S 1580/97 -, VBlBW 1998, 56-57). Außerdem beruht die\nEinschatzung des Gerichts auf den Angaben auf der Verpackung des Produkts und\nauf dem Umstand, dass die Klagerin es in ihrer Produktreihe „... Apothekentee"\nausschließlich in Apotheken verkauft, wo auch andere Mistelkrauttees mit\nidentischen Inhaltsstoffen erhaltlich sind, die uber eine Zulassung als\nArzneimittel gemaß § 109a AMG verfugen. Schließlich beruht die Einschatzung\nauch auf den umfangreichen Veroffentlichungen und Internetrecherchen, die dem\nGericht wahrend des Verfahrens vorgelegt wurden. Dabei handelt es sich - neben\nden verschiedenen Monografien der Kommission E zur Mistel, der Inventarliste\nLebensmitteldrogen der Wirtschaftsvereinigung Krauter- und Fruchtetee und den\nLeitsatze fur Tee und teeahnliche Erzeugnisse - vor allem um\nVeroffentlichungen zur Verwendung der Mistel in Fachbuchern und -zeitschriften\nund im Internet sowie um Ausdrucke aus dem Angebot diverser Internetanbieter\nan Mistelkrauttee und Krauterteemischungen, die Mistelkraut enthalten. Dabei\nwar allein der Verwendungszweck von Mistelkraut als Tee in den Blick zu\nnehmen; auf die Verkehrsauffassung zur Verwendung von Mistelextrakten als\nInjektion zur parenteralen Anwendung kommt es hier ebenso wenig an wie auf den\ndie Bestimmung von Mistelmehl als Zutat von Krauterbrot oder als\nErsatznahrungsmittel in Notzeiten. Es ist auch nur der Verwendungszweck im\nGeltungsbereich des Arzneimittelgesetzes maßgeblich, die Verkehrsauffassung\nund die Rechtslage in anderen europaischen Landern wie Danemark oder der\nSlowakei sind nicht entscheidungserheblich. Bei Anwendung der oben genannten\nKriterien ergibt sich aus alldem fur das Gericht, dass das streitige Produkt\nnach der allgemeinen Verkehrsauffassung in Deutschland uberwiegend zur\nVerwendung als Arzneimittel bestimmt ist. \n--- \n| 25 \n--- \n| aa) Allein die Bezeichnung des Produkts „... Misteltee" lasst noch keinen\nSchluss auf eine uberwiegende Zweckbestimmung als Lebensmittel zu. Einerseits\nwerden Misteltee und Krauterteemischungen mit dem Inhaltsstoff Mistelkraut als\nLebensmittel angeboten, und zwar sowohl im Internethandel als auch im\nLebensmittel-Einzelhandel und in Drogerien. Andererseits ergibt sich aus den\nGutachten der CVUA Karlsruhe vom 26.02.2004 und des BfArM vom 06.06.2005, dass\nzahlreiche Produkte mit der Bezeichnung „Misteltee" und „Mistelkrauttee" uber\neine Zulassung als Arzneimittel nach § 109a AMG verfugen und mit den Hinweisen\n„traditionell angewendet" und „zur Starkung der Kreislauffunktion" bzw.\n„kreislaufunterstutzend" als Arzneitee in Apotheken angeboten werden. Nach dem\nGutachten des BfArM sind insgesamt 62 Mistelkrautpraparate in dieser Weise als\nArzneimittel zugelassen, davon funf Arzneitees aus reinem Mistelkraut. \n--- \n| 26 \n--- \n| bb) Das Produkt der Klagerin unterscheidet sich in der stofflichen\nZusammensetzung nicht von den oben genannten Mistelkrauttees, die uber eine\nZulassung als Arzneimittel nach § 109a AMG verfugen und damit eindeutig zur\nVerwendung als Arzneimittel bestimmt sind. Nach den Angaben auf der Verpackung\nist der Misteltee der Klagerin in Teebeutel abgepackt, die jeweils 2,0 g\nMistelkraut (viscum album L) enthalten, also getrocknete und gemahlene junge\nZweige der Mistelpflanze mit Blattern, Bluten und Fruchten. Nach den Angaben\ndes BfArM ist die Darreichungsform in Teebeuteln a 2,0g bei den zugelassenen\nArzneitees ebenso verbreitet wie die Darreichungsform als lose Ware. Der vom\nCVUA Karlsruhe zum Vergleich untersuchte „... Mistelkrauttee", der uber eine\nZulassung als Arzneimittel nach § 109a AMG verfugt, weist die gleiche\nstoffliche Zusammensetzung auf und wird ebenfalls in Filterbeuteln a 2,0 g\nangeboten. Die Untersuchung der Proben durch das CVUA Karlsruhe ergab etwas\ngeringere Fullmengen, wobei der Arzneitee „... Mistelkrauttee" mit 1,96 g pro\nTeebeutel sogar noch etwas weniger Mistelkraut enthielt als das Produkt der\nKlagerin mit 1,97 g pro Teebeutel. Ob Mistelkraut in dieser Darreichungsform\nals Teebeutel mit etwas weniger als 2,0 g tatsachlich pharmakologische\nWirkungen entfaltet oder nicht, kann in diesem Zusammenhang offen bleiben,\nweil eine ganze Reihen anderer Produkte mit der gleichen stofflichen\nZusammensetzung als traditionell angewandte Arzneimittel zugelassen und damit\nauch zur Verwendung als solche bestimmt sind. \n--- \n| 27 \n--- \n| cc) Die Listung von Mistelkraut in der „Inventarliste Lebensmitteldrogen"\ndes Wirtschaftsverbandes Krauter- und Fruchtetee e.V. (WKF) fuhrt noch nicht\nzu einer uberwiegenden Verkehrsauffassung als Lebensmittel, weil es sich um\neine Einordnung von Seiten der Hersteller handelt und nicht etwa um die\nErwartung des Verbrauchers. In einer Anmerkung des WKF zu dieser Liste (DLR\n2000, 172ff) wird ausgefuhrt, dass sie zur Einordnung von Inhaltsstoffen\nbeitragen soll, die in Deutschland zumindest in der Ernahrung noch keine oder\nkaum eine Rolle gespielt haben, und dass die Zweckbestimmung speziell bei\nKrautertees von den Umstanden abhangt, unter denen sie in Verkehr gebracht\nwerden. Die Inventarliste wird in Fachkreisen kontrovers diskutiert, wobei\neine Verkehrsauffassung fur Mistelkrauttee als Lebensmittel teilweise\nausdrucklich verneint wird (vgl. Grundig/Hey, DLR 2002, 35ff; Streit,\ninternistische praxis 41 [2001], 449-462; a.A. etwa Schneider, DLR 2002,\n125ff). Andererseits lasst sich aus den „Leitsatzen fur Tee, teeahnliche\nErzeugnisse, deren Extrakte und Zubereitungen" vom 02.12.1998 (BAnz. Nr. 66a\nvom 09.04.1999) kein Umkehrschluss ziehen, wie der Beklagte es tut. Die\nLeitsatze enthalten unter II. nur besondere Beurteilungsmerkmale fur einige\nubliche teeahnliche Erzeugnisse, aber keine abschließende Aufzahlung aller\nublichen teeahnlichen Erzeugnisse. \n--- \n| 28 \n--- \n| dd) Die Aufmachung und Verpackung, mit der die Klagerin das Produkt auf den\nMarkt bringt, ermoglicht keine klare Zuordnung des Produkts: Die Abbildung auf\nder Verpackung zeigt eine Mistelpflanze mit Blattern und Beeren und\nunterscheidet sich insoweit nicht von dem zum Vergleich herangezogenen\nArzneitee „... Mistelkrauttee". Die Angabe „verwendbar bis" als Verfallsdatum\nstellt einen Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Kennzeichnungsvorschriften\ndar (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 7 Abs. 2 Lebensmittel-\nKennzeichnungsverordnung - LMKV), entspricht aber ebenso wie die Verwendung\neiner Chargenbezeichnung (Ch.-B.) der fur Fertigarzneimittel vorgeschriebenen\nKennzeichnung (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 9 AMG). Daraus alleine ergibt\nsich allerdings noch keine Aussage uber einen Verwendungszweck als\nArzneimittel, zumal sich beide Angaben nur ganz untergeordnet auf der\nUnterseite der Verpackung bzw. auf der Umhullung der Teebeutel in der\nUmverpackung wiederfinden. Die Anpreisung „wohlschmeckend und aromatisch mit\narttypischer Note" deutet wiederum auf eine Bestimmung zum Verzehr als\nLebensmittel hin, ausdruckliche Hinweise auf kreislauffordernde oder\n-unterstutzende Wirkungen enthalt die Verpackung des Produkts nicht.\nAndererseits ist die aufgedruckte Dosierungsempfehlung, morgens und abends 1\nGlas/ 1 Tasse zu trinken, bei einem wohlschmeckenden und aromatischen Lebens-\noder Genussmittel nicht nachvollziehbar. Dass die Klagerin sich bereit erklart\nhat, auf diese Empfehlung kunftig zu verzichten, ist fur die Entscheidung des\nGerichts nicht maßgeblich, da sie jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung\ndes Regierungsprasidiums verwendet wurde; auch die wahrend des Klageverfahrens\nvon der CVUA Karlsruhe erhobene Warenprobe enthalt noch diesen Aufdruck. Die\ngleiche Dosierungsempfehlung und die gleichen Hinweise zur Zubereitung durch\nAnsetzen mit kaltem Wasser uber mehrere Stunden hinweg finden sich z.B. auch\nin Fachbuchern uber Heilpflanzen, die Misteltee als Hausmittel gegen leichte\nnervose Herzstorungen empfehlen (vgl. Manfred Pahlow, Heilpflanzen, S. 233,\n234, AS 46/47 der Gerichtsakte; ebenso DAB 1999, Monographie Mistelkraut, AS\n120-122 der Gerichtsakte). Das Gericht geht deshalb davon aus, dass sich die\naufgedruckten Dosierungsempfehlung an Personen richtet, denen diese\nVerwendungsmoglichkeit bekannt ist. Die Angabe „Aus der Natur - Fur ihre\nGesundheit" durfte sich nach der Anordnung auf der Verpackung sowohl allgemein\nauf die Klagerin als auch auf das konkrete Produkt beziehen, so dass es als\ngesundheitsfordernd angepriesen wird. \n--- \n| 29 \n--- \n| ee) Der apothekenexklusive Vertrieb des Produkts, die Bezeichnung als\n„Apothekentee", „Qualitat aus ihrer Apotheke" und der Aufdruck „Dieser Tee ist\nnur in Apotheken erhaltlich" weisen ebenfalls eher auf einen Verwendungszweck\nals Arzneimittel hin als auf ein wohlschmeckendes und aromatisches\nLebensmittel. Soweit die Klagerin auf die Rechtsprechung des\nBundesgerichtshofes verweist, wonach vom Vertrieb uber Apotheken noch nicht\nauf eine Zweckbestimmung als Arzneimittel geschlossen werden konne (vgl. BGH,\nUrt.v. 10.02.2000, - I ZR 97/98 - „L-Carnitin", GRUR 2000, 528-530; Urteil v.\n11.07.2002, - I ZR 273/99 -, ZLR 2002, 660-666 m.w.N.), beziehen sich diese\nauf Nahrungserganzungsmittel, die in § 25 Nr. 6 Apothekenbetriebsordnung\ni.d.F. vom 26.09.1995 (BGBl. I, 1195ff - ApBetrO) ausdrucklich als\napothekenubliche Ware aufgefuhrt waren. Dazu gehorten auch Tee und teeahnliche\nErzeugnisse, allerdings nur, soweit sie nicht uberwiegend dazu bestimmt sind,\nzum Genuss verzehrt zu werden. Daraus folgt fur das Gericht, dass die von der\nKlagerin angestrebte Einordnung ihres Mistelkrauttees als wohlschmeckendes und\naromatisches Lebensmittel, das uberwiegend zum Genuss bestimmt ist, und eine\nEinstufung als apothekenubliche Ware i.S.d. § 25 Nr. 6 ApBetrO a.F. sich\ngegenseitig ausschließen. Dies gilt umso mehr, nachdem § 25 ApBetrO durch das\nGKV-Modernisierungsgesetz (vom 14.11.2003, BGBl. I, 2190, - GMG) geandert\nwurde: Apothekenublich sind nunmehr nach § 25 Nr. 2 ApBetrO n.F. Mittel, die\nder Gesundheit von Menschen mittelbar oder unmittelbar dienen oder diese\nfordern. Daraus folgt fur das Gericht, dass fur den Mistelkrauttee der\nKlagerin, der ausschließlich in Apotheken verkauft wird, eine uberwiegende\nZweckbestimmung bestehen muss, der Gesundheit zu dienen oder diese zu fordern.\nAnsonsten ware der gewahlte Vertriebsweg als exklusiver „Apothekentee" weder\nnachvollziehbar noch rechtlich zulassig. \n--- \n| 30 \n--- \n| Dies wird belegt durch die Ergebnisse einer Umfrage „Mistel in der\nKrebsmedizin und Beratungsapotheke" (DAZ 2003, 67ff, AS 41-45 der\nGerichtsakte.) Die Umfrage richtete sich an Apotheker und Apothekerinnen, also\njenen Personenkreis, uber den der Mistelkrauttee der Klagerin ausschließlich\nverkauft wird, der die Erwartungshaltung seiner Kunden kennt und der sie ggf.\nzum Verwendungszweck des Produkts beraten wird. Im Themenblock „Allgemeine\nFragen zum Anwendungskontext der Mistel" wurde unter C.1 die Frage gestellt,\nwelcher Kategorie die Mistel zugeordnet wird. 40% der Befragten ordneten sie\nals Immunmodulator ein, 28% als anthroposophisches Heilmittel, 20% als\nklassisches Phytopraparat, 10% als Zytostatikum und lediglich 1% als\nunspezifisches Additivum. Die Verwendung als aromatisches und wohlschmeckendes\nGetrank wurde dagegen uberhaupt nicht genannt. Daraus ist zu schließen, dass\ndie Befragten keine Verbrauchererwartung oder besondere Nachfrage nach\nMistelkrauttee als Lebensmittel mit besonderen geschmacklichen Eigenschaften\nregistriert und ihre Kunden auch nicht in dieser Richtung beraten haben. \n--- \n| 31 \n--- \n| ff) Schließlich ergibt sich auch aus den umfangreichen Publikationen und\nInternetrecherchen, die von den Beteiligten vorgelegt wurden, eine\nuberwiegende Verkehrsauffassung, dass Mistelkrauttee zur Verwendung als\nArzneimittel bestimmt ist. In den Sachverstandigengutachten des CVUA Karlsruhe\nund des BfArM wird darauf hingewiesen, dass Misteltee in der Volksmedizin u.a.\ngegen Bluthochdruck, Schwindelgefuhl, Blutandrang im Kopf, ausbleibende\nMenstruation, Gelenkerkrankungen, Epilepsie, Arteriosklerose empfohlen wird.\nDas ergibt sich auch aus den vom Beklagten vorgelegten Publikationen und\nInternetrecherchen (vgl. z.B. AS 53, 55, 56, 58, 60 der Gerichtsakte; ebenso\nManfred Pahlow, Heilpflanzen, S. 233, 234, AS 46/47 der Gerichtsakte). Im\nDeutschen Arzneimittelbuch (DAB), das ublicherweise in Apotheken als\nNachschlagewerk bereitgehalten wird, ist Mistelkraut ebenfalls als Teedroge\nzur unterstutzenden Behandlung von milden Formen der Hypertonie und\nBluthochdruck, bei Schwindelgefuhl und Blutandrang zum Kopf aufgefuhrt; dabei\nwird allerdings betont, dass die Anwendung rein empirisch erfolgt und eine\nrationale Begrundung bisher nicht vorliegt (vgl. Auszuge aus dem DAB 1999 und\n2004, AS 120-122 und 132-134 der Gerichtsakte). Dies ergibt sich auch aus den\nMonografien der Kommission E „Visci albi stipites" vom 03.05.1994 und „Visci\nalbi herba" vom 05.12.1984, auf die sich die Klagerin bezieht; dort wird\nausgefuhrt, dass die blutdrucksenkenden Wirkungen und die therapeutische\nWirksamkeit von Mistelkraut als Tee bei milden Formen der Hypertonie nicht\nbelegt sind bzw. einer Überprufung bedurfen. Ein solcher klinischer\nWirksamkeitsnachweis ist fur das Bestehen einer Verkehrsauffassung zum\nVerwendungszweck als Arzneimittel aber - entgegen der Auffassung der Klagerin\n- nicht erforderlich. Im Gegenteil war es anderen Herstellern sogar moglich,\naufgrund dieser Verkehrsauffassung fur Mistelkrauttee eine Zulassung als\ntraditionell angewandtes Arzneimittel nach § 109a AMG zu erhalten, ohne dass\nein klinischer Wirksamkeitsnachweis vorliegt. Die Anforderungen an die\nWirksamkeit sind nach § 109a Abs. 3 Satz 1 und 2 AMG auch erfullt, wenn das\nMittel bestimmte Anwendungsgebiete beansprucht, die von einer eigens dafur\nberufenen Kommission unter Berucksichtigung der Besonderheiten des Mittels und\nder tradierten und dokumentierten Erfahrung festgelegt werden. Fur\nMistelkrauttee ist in der Aufstellung dieser Anwendungsgebiete unter Nr. 257\nausgefuhrt (vgl. Anlage 3 zum Gutachten des BfArM, AS 123-125 der\nGerichtsakte): \n--- \n| 32 \n--- \n| „zur Unterstutzung der Kreislauffunktion. Diese Angabe beruht\nausschließlich auf Überlieferung und langjahriger Erfahrung." \n--- \n| 33 \n--- \n| Fur das Gericht folgt aus dem Umstand, dass Mistelkrauttee aufgrund\nlangjahriger Erfahrung und Überlieferung ein Anwendungsgebiet als Mittel zur\nKreislaufunterstutzung beansprucht, auch eine entsprechende langjahrige und\ngefestigte Verkehrsauffassung. Nach der Überzeugung des Gerichts ist sie\njedenfalls fur das Produkt der Klagerin auch die uberwiegende. Ob fur die\nzahlreichen Mistelkrauttees anderer Anbieter, die in Lebensmittelmarkten,\nTeeladen oder in Internetshops verkauft werden, eine Verkehrserwartung als\nLebensmittel besteht, kann in diesem Zusammenhang offen bleiben, weil die\nKlagerin sich von diesen Tees bewusst und gezielt abgrenzt, indem sie ihren\nMistelkrauttee als „Apothekentee" ausschließlich in Apotheken in Verkehr\nbringt. Wie oben bereits ausgefuhrt, uberwiegt jedenfalls dort die\nVerkehrserwartung, dass Mistelkrauttee nicht dem Genuss und der Ernahrung,\nsondern der Gesundheit dient und damit zur Verwendung als Arzneimittel\nbestimmt ist. \n--- \n| 34 \n--- \n| Nach alldem ist das Produkt der Klagerin als Arzneimittel anzusehen, das\neiner arzneimittelrechtlichen Zulassung bedarf, sie aber nicht besitzt. \n--- \n| 35 \n--- \n| c) Ermessensfehler sind bei der Verfugung, mit der das Inverkehrbringen des\nProduktes bis zum Vorliegen einer arzneimittelrechtlichen Zulassung untersagt\nwird, nicht ersichtlich. Es ist auch nicht erkennbar, dass ein Ruckruf oder\neine Sicherstellung der Ware die Klagerin weniger belasten wurde. Soweit das\nRegierungsprasidium falschlicherweise von der Verwendung einer\nChargenbezeichnung und des Aufdrucks „verwendbar bis..." anstelle eines\nMindesthaltbarkeitsdatums auf eine Einordnung als Arzneimittel geschlossen\noder dies im Umkehrschluss aus den „Leitsatzen fur Tee, teeahnliche\nErzeugnisse, deren Extrakte und Zubereitungen" gefolgert hat, handelt es sich\num die Beurteilung des gesetzlichen Tatbestandes und nicht um\nErmessenserwagungen zur Auswahl unter den in § 69 Abs. 1 genannten Maßnahmen. \n--- \n| 36 \n--- \n| Soweit die Klagerin geltend macht, sie habe gar nicht die Moglichkeit, fur\nihr Produkt eine Zulassung als Arzneimittel zu erlangen, weil die\nerforderlichen Wirksamkeitsnachweise nicht zu erbringen seien, ist darauf\nhinzuweisen, dass sie aus eigenem Entschluss im Jahr 1992 auf die Zulassung\nals Arzneimittel verzichtet hat. Damit hat die Klagerin damals darauf\nverzichtet, dieses Produkt als Arzneimittel in Verkehr zu bringen. Als im Jahr\n1994 die Zulassung als traditionell angewandtes Arzneimittel nach § 109a AMG\nermoglicht wurde, konnte sie davon nicht mehr profitieren, weil die fiktive\nZulassung des Produkts nach § 105 AMG bereits erloschen war. Im Rahmen eines\nneuen Antrags hatte die Klagerin moglicherweise schon damals eine\nGleichbehandlung mit anderen Herstellern erreichen konnen, die ihren Antrag\naufrechterhalten und eine Zulassung fur Mistelkrauttee nach § 109a AMG\nerhalten hatten. Mit Inkrafttreten des 14. Gesetzes zur Änderung des\nArzneimittelgesetzes vom 29.08.2005 (verkundet am 05.09.2005, BGBl. I, 2570)\nwird jetzt auch ein vereinfachtes Verfahren zur Registrierung traditioneller\npflanzlicher Arzneimittel eingefuhrt (vgl. § 39a - 39d AMG n.F.), das die\nKlagerin fur ihren Mistelkrauttee ohne weiteres wahrnehmen kann. Dabei handelt\nes sich aber um Fragen, die im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung zu\nklaren sind; fur die hier angefochtene Untersagungsverfugung, die lediglich\ndas arzneimittelrechtliche Zulassungsverfahren sicherstellen soll, kommt es\ndarauf nicht an. \n--- \n| 37 \n--- \n| 2\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. \n---\n\n
141,305
vg-stuttgart-2005-09-09-17-k-182305
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
17 K 1823/05
2005-09-09
2019-01-08 18:44:07
2019-01-17 12:01:28
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager, der zuletzt Amtsrat (A 12) war, befindet sich seit 01.09.1996\nim Ruhestand. \n--- \n| 2 \n--- \n| Zusammen mit der Mitteilung 2/05 uber die Zusammensetzung der Bezuge im\nApril 2005 wurde er daruber informiert, dass sich der Grundbetrag der\nmonatlichen Sonderzahlungen um einen Beitrag fur Pflegeleistungen von 0,75 v.\nH. vermindere. Diese Kurzung folge der Regelung, dass Rentnerinnen und Rentner\nden monatlichen Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung seit April 2004 in\nvoller Hohe selbst bezahlen mussten. Dagegen wandte sich der Klager mit\nWiderspruch vom 03.05.2005. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2005 wies das Landesamt fur Besoldung\nund Versorgung Baden-Wurttemberg (LBV) den Widerspruch zuruck. Zur Begrundung\nfuhrte es aus, die Hoherbelastung der Rentner mit Beitragen zur gesetzlichen\nPflegeversicherung sei wirkungsgleich auf Versorgungsempfanger des Beklagten\nubertragen worden. Versorgungsbezuge konnten nicht uber gesetzliche\nVorschriften hinaus geleistet werden. \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 06.06.2005 hat der Klager Klage erhoben. Er beruft sich zusatzlich\ndarauf, die Kurzung verstoße gegen hergebrachte Grundsatze des\nBerufsbeamtentums. Die wirkungsgleiche Übertragung der die Rentner\nbetreffenden Regelungen sei systemwidrig. Es bestehe eine Ungleichbehandlung\ngegenuber den aktiven Beamten, bei denen keine solche Kurzung stattgefunden\nhabe. Die Sonderzahlung sei Bestandteil sowohl der Dienst- als auch der\nVersorgungsbezuge. Es bestehe keine Ermachtigung fur die Lander,\nunterschiedliche Regelungen fur Beamte und Versorgungsempfanger zu treffen.\nAuch im Sonderzahlungsgesetz sei keine unterschiedliche Behandlung vorgesehen.\nEine Rechtfertigung fur die Kurzung lasse sich nicht aus der Streichung des\nUrlaubsgeldes fur aktive Beamte entnehmen. Die vom LBV herangezogene\nBegrundung solle nur die Kurzung der Versorgungsbezuge rechtfertigen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager beantragt bei sachdienlicher Auslegung, \n--- \n| 6 \n--- \n| den Widerspruchsbescheid des LBV vom 09.05.2005 aufzuheben und den\nBeklagten zu verurteilen, ihm ab dem 01.04.2005 Versorgungsbezuge mit der\nMaßgabe zu zahlen, dass als Grundbetrag nach § 5 Abs. 2 Nr. 1\nLandessonderzahlungsgesetz 5,33 % der dort genannten Bezuge zugrunde gelegt\nwerden. \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 8 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Er beruft sich zusatzlich darauf, es liege kein Verstoß gegen hergebrachte\nGrundsatze des Berufsbeamtentums vor. Auch werde nicht gegen den\nGleichheitssatz verstoßen. Aktive Beamte und Versorgungsempfanger seien\ninsoweit nicht vergleichbar. Beamte seien im Ergebnis durch die Streichung des\nUrlaubsgeldes schlechter gestellt worden als Versorgungsempfanger. Es\nbestunden auch sachliche Grunde fur die wirkungsgleiche Übertragung der\ngeanderten Regelungen fur die Beitrage zur gesetzlichen Pflegeversicherung auf\nVersorgungsempfanger. Denn das System der Beamtenpensionen werde von den\nAuswirkungen des demographischen Wandels genau so betroffen wie die\ngesetzliche Rentenversicherung. \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit Beschluss vom 06.09.2005 ist der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur\nEntscheidung ubertragen worden. \n--- \n| 11 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen\nBehordenakten verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| Mit Einverstandnis der Beteiligten kann uber die Klage ohne mundliche\nVerhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 13 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nicht begrundet. Der Klager hat keinen Anspruch auf\ndie geltend gemachten hoheren Versorgungsbezuge. \n--- \n| 14 \n--- \n| Das LBV hat - dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig - die\nVorschriften des Landessonderzahlungsgesetzes in der Fassung des Art. 1 des\nHaushaltsstrukturgesetzes 2005 vom 01.03.2005 (GBl. S. 145) - LSZG - richtig\nangewandt. Es hat dabei nach § 8 Satz 2 i.V.m. § 5 Abs. 3 S. 2 LSZG und i.V.m.\nArt. 6 Abs. 2 Haushaltsstrukturgesetz 2005 4,33% des Grundbetrages i.S.v. § 8\nS. 1 LSZG angesetzt. \n--- \n| 15 \n--- \n| Entgegen der Auffassung des Klagers sind die Änderungen des\nLandessonderzahlungsgesetzes durch Art. 1 Nr. 1, 2 Haushaltsstrukturgesetz\n2005 nicht verfassungswidrig und auch sonst rechtmaßig. \n--- \n| 16 \n--- \n| Artikel 33 Abs. 5 GG, wonach das Recht des offentlichen Dienstes unter\nBerucksichtigung der hergebrachten Grundsatze des Berufsbeamtentums zu regeln\nist, wird durch die Rechtsanderung nicht beruhrt. Denn der Schutz dieser\nVorschrift erfasst weder das sogenannte 13. Monatsgehalt noch Urlaubsgeld\n(BVerfG, Beschl. v. 30.03.1977, BVerfGE 44, 249; LAG Berlin, Urt. v.\n01.10.2004 - 13 Sa 1258/04 - <juris>). \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Kurzung des monatlichen Zuschlags, die nur Versorgungsempfanger, aber\nnicht aktive Beamte betrifft, verstoßt nicht gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG\ngeregelten allgemeinen Gleichheitssatz. Die Gruppe der aktiven Beamten und der\nVersorgungsempfanger muss nicht (immer) gleich behandelt werden. Denn der\nBemessung der Besoldung und der Versorgungsbezuge liegen wesentlich\nunterschiedliche Lebenssachverhalte zugrunde (VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v.\n28.07.2004 - 4 S 1132/04 -). \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Landesgesetzgeber bedurfte auch keiner ausdrucklichen Ermachtigung,\nunterschiedliche Regelungen fur Beamte und Versorgungsempfanger zu treffen.\nDer Bund hat durch Art. 18 Abs. 1 Nr. 1 Bundesbesoldungs- und\n-versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004 vom 10.09.2003 (BGBl. I S. 1797) das\nGesetz uber die Gewahrung einer jahrlichen Sonderzuwendung aufgehoben und\ndamit seine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 a Abs. 1 GG\naufgegeben. Damit haben die Lander und so auch der Beklagte die umfassende\nZustandigkeit, fur ihren eigenen Bereich Gesetze zur Leistung von\nSonderzahlungen an ihre aktiven Beamten und ihre Versorgungsberechtigten zu\nerlassen (Kummel/Ritter, Beamtenversorgungsgesetz, [Stand Dezember 2004], § 50\nRdNr. 26). \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Neuregelung ist im Übrigen auch materiell-rechtlich nicht zu\nbeanstanden. So kann das Versorgungsniveau aller Versorgungssysteme bei der\nBemessung einer amtsangemessenen Versorgung mit berucksichtigt werden (BVerfG,\nBeschl. v. 14.10.2003, ZBR 2004, 47). Dies muss erst recht fur Nebenleistungen\nwie Sonderzahlungen gelten. \n--- \n| 20 \n--- \n| Schließlich steht dem Klager nicht ein "Besitzstand" zu, der die\nNeuregelung rechtswidrig machte. Ein Beamter hat grundsatzlich keinen Anspruch\ndarauf, dass die Versorgungsregelungen, unter der er in das Beamtenverhaltnis\nbzw. den Ruhestand (ein)getreten ist, ihm unverandert erhalten bleiben\n(BVerfG, Beschl. v. 30.09.1987, BVerfGE 76, 256). Daruber hinaus hat der\nGesetzgeber einen weiten Spielraum politischen Ermessens, innerhalb dessen er\ndie Versorgung der Beamten den besonderen Gegebenheiten, den tatsachlichen\nNotwendigkeiten sowie der fortschreitenden Entwicklung anpassen und\nverschiedenartige Gesichtspunkte berucksichtigen kann (BVerfG, Beschl. v.\n30.09.1987, a.a.O.). \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Zulassung der Berufung durch das\nVerwaltungsgericht gemaß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4\nVwGO liegen nicht vor. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| Mit Einverstandnis der Beteiligten kann uber die Klage ohne mundliche\nVerhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 13 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nicht begrundet. Der Klager hat keinen Anspruch auf\ndie geltend gemachten hoheren Versorgungsbezuge. \n--- \n| 14 \n--- \n| Das LBV hat - dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig - die\nVorschriften des Landessonderzahlungsgesetzes in der Fassung des Art. 1 des\nHaushaltsstrukturgesetzes 2005 vom 01.03.2005 (GBl. S. 145) - LSZG - richtig\nangewandt. Es hat dabei nach § 8 Satz 2 i.V.m. § 5 Abs. 3 S. 2 LSZG und i.V.m.\nArt. 6 Abs. 2 Haushaltsstrukturgesetz 2005 4,33% des Grundbetrages i.S.v. § 8\nS. 1 LSZG angesetzt. \n--- \n| 15 \n--- \n| Entgegen der Auffassung des Klagers sind die Änderungen des\nLandessonderzahlungsgesetzes durch Art. 1 Nr. 1, 2 Haushaltsstrukturgesetz\n2005 nicht verfassungswidrig und auch sonst rechtmaßig. \n--- \n| 16 \n--- \n| Artikel 33 Abs. 5 GG, wonach das Recht des offentlichen Dienstes unter\nBerucksichtigung der hergebrachten Grundsatze des Berufsbeamtentums zu regeln\nist, wird durch die Rechtsanderung nicht beruhrt. Denn der Schutz dieser\nVorschrift erfasst weder das sogenannte 13. Monatsgehalt noch Urlaubsgeld\n(BVerfG, Beschl. v. 30.03.1977, BVerfGE 44, 249; LAG Berlin, Urt. v.\n01.10.2004 - 13 Sa 1258/04 - <juris>). \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Kurzung des monatlichen Zuschlags, die nur Versorgungsempfanger, aber\nnicht aktive Beamte betrifft, verstoßt nicht gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG\ngeregelten allgemeinen Gleichheitssatz. Die Gruppe der aktiven Beamten und der\nVersorgungsempfanger muss nicht (immer) gleich behandelt werden. Denn der\nBemessung der Besoldung und der Versorgungsbezuge liegen wesentlich\nunterschiedliche Lebenssachverhalte zugrunde (VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v.\n28.07.2004 - 4 S 1132/04 -). \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Landesgesetzgeber bedurfte auch keiner ausdrucklichen Ermachtigung,\nunterschiedliche Regelungen fur Beamte und Versorgungsempfanger zu treffen.\nDer Bund hat durch Art. 18 Abs. 1 Nr. 1 Bundesbesoldungs- und\n-versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004 vom 10.09.2003 (BGBl. I S. 1797) das\nGesetz uber die Gewahrung einer jahrlichen Sonderzuwendung aufgehoben und\ndamit seine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 a Abs. 1 GG\naufgegeben. Damit haben die Lander und so auch der Beklagte die umfassende\nZustandigkeit, fur ihren eigenen Bereich Gesetze zur Leistung von\nSonderzahlungen an ihre aktiven Beamten und ihre Versorgungsberechtigten zu\nerlassen (Kummel/Ritter, Beamtenversorgungsgesetz, [Stand Dezember 2004], § 50\nRdNr. 26). \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Neuregelung ist im Übrigen auch materiell-rechtlich nicht zu\nbeanstanden. So kann das Versorgungsniveau aller Versorgungssysteme bei der\nBemessung einer amtsangemessenen Versorgung mit berucksichtigt werden (BVerfG,\nBeschl. v. 14.10.2003, ZBR 2004, 47). Dies muss erst recht fur Nebenleistungen\nwie Sonderzahlungen gelten. \n--- \n| 20 \n--- \n| Schließlich steht dem Klager nicht ein "Besitzstand" zu, der die\nNeuregelung rechtswidrig machte. Ein Beamter hat grundsatzlich keinen Anspruch\ndarauf, dass die Versorgungsregelungen, unter der er in das Beamtenverhaltnis\nbzw. den Ruhestand (ein)getreten ist, ihm unverandert erhalten bleiben\n(BVerfG, Beschl. v. 30.09.1987, BVerfGE 76, 256). Daruber hinaus hat der\nGesetzgeber einen weiten Spielraum politischen Ermessens, innerhalb dessen er\ndie Versorgung der Beamten den besonderen Gegebenheiten, den tatsachlichen\nNotwendigkeiten sowie der fortschreitenden Entwicklung anpassen und\nverschiedenartige Gesichtspunkte berucksichtigen kann (BVerfG, Beschl. v.\n30.09.1987, a.a.O.). \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Zulassung der Berufung durch das\nVerwaltungsgericht gemaß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4\nVwGO liegen nicht vor. \n---\n\n
141,442
vg-karlsruhe-2005-11-09-a-10-k-1230203
158
Verwaltungsgericht Karlsruhe
vg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
A 10 K 12302/03
2005-11-09
2019-01-08 19:28:40
2019-01-17 12:01:37
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass beim Klager in Bezug\nauf Afghanistan die Voraussetzungen von § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegen.\n\nDer Bescheid des Bundesamts fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge vom\n10.08.2000 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.\n\nIm Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n2\\. Der Klager tragt ¾, die Beklagte ¼ der Kosten des gerichtskostenfreien\nVerfahrens. Der Bundesbeauftragte fur Asylangelegenheiten tragt seine\naußergerichtlichen Kosten selbst.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager, ein am ... in Kandahar/Afghanistan geborener, lediger\nafghanischer Staatsangehoriger hinduistischen Glaubens, begehrt die\nAnerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung der Voraussetzungen des\n§ 60 Abs.1 AufenthG, hilfsweise des Vorliegens von Abschiebungshindernissen,\nsowie die Aufhebung einer gegen ihn ergangenen Abschiebungsandrohung. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager reiste nach eigenen Angaben Mitte 2000 ins Bundesgebiet ein. \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 31.07.2000 begehrte er seine Anerkennung als Asylberechtigter, die\nFeststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs.1 AuslG sowie von\nAbschiebungshindernissen nach § 53 AuslG. Zu seiner personlichen Anhorung am\n08.08.2000 in der Außenstelle des Bundesamtes fur die Anerkennung\nauslandischer Fluchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) in Karlsruhe erschien er\nauf Ladung durch Aushang nicht. Zuvor hatte er am 03.08.2000 nach einem\nAktenvermerk des Bundesamts mit Hilfe eines dolmetschenden anderen\nAsylbewerbers auf Urdu erklart, er sei als Kleinkind nach Indien geschickt\nworden, in Afghanistan habe er seitdem nie gelebt. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Bescheid vom 10.08.2000 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klagers\nab (Nr. 1) und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 AuslG\nnicht vorliegen (Nr. 2) und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG ebenfalls\nnicht gegeben sind (Nr. 3). Gleichzeitig forderte das Bundesamt den Klager\nauf, das Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe, im Falle einer\nKlageerhebung innerhalb eines Monats nach dem unanfechtbaren Abschluss des\nAsylverfahrens zu verlassen und drohte ihm fur den Fall der nicht\nfristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Afghanistan an (Nr. 4). Der\nBescheid wurde am 14.08.2000 zugestellt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 24.08.2000 hat der Klager Klage erhoben, mit der er nach\nzwischenzeitlichem Ruhen des Verfahrens zuletzt beantragt, \n--- \n| 6 \n--- \n| die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes fur die\nAnerkennung auslandischer Fluchtlinge vom 10.08.2000 zu verpflichten, ihn als\nAsylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des\n§ 60 Abs.1 AufenthG vorliegen; hilfsweise festzustellen, dass\nAbschiebungshindernisse nach § 60 Abs.2 bis 7 AufenthG vorliegen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Zur Begrundung macht er im Wesentlichen geltend: Er sei dem Druck der\nMachthaber ausgesetzt gewesen, die Religion zu wechseln. Er habe standig\nbefurchten mussen, entweder in den Burgerkrieg verwickelt zu werden oder\nÜbergriffen der Moslems ausgesetzt zu sein. Das sei Anlass zur Flucht auf dem\nLandweg nach Pakistan und von dort auf dem Luftweg nach Frankfurt gewesen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Begrundung des\nangefochtenen Bescheides, \n--- \n| 9 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Bundesbeauftragte fur Asylangelegenheiten hat sich nicht geaußert. \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Klager wurde in der mundlichen Verhandlung zu seinen Asylgrunden\ngehort. Dabei hat er im Wesentlichen angegeben: Er sei einmal in Indien\ngewesen, habe dort auch die Schule besucht, das sei aber nicht lang gewesen.\nEr sei damals etwa 9 oder 10 Jahre alt gewesen, als er nach Indien gegangen\nsei. Das sei etwa 1994 gewesen. Dort sei er 4 bis 5 Jahre bei einem Onkel\ngeblieben. Vor seiner Reise nach Deutschland sei er aber noch in Afghanistan\nbei seinen Eltern gewesen. Dort sei er etwa 6 bis 7 Monate geblieben. Die\nEltern hatten in Kabuli Bazar bei Kandahar gewohnt. Sein Vater habe in einem\nLaden gearbeitet. Es sei ein Lebensmittelgeschaft gewesen. Zuletzt habe er ihn\nangerufen, dass sie beabsichtigten, Afghanistan zu verlassen, da sie große\nProbleme hatten. Sie hatten gesagt, es gebe Krieg. Er habe nicht personlich\nmit seinem Vater gesprochen, sondern sein Onkel. Er sei zu dieser Zeit in der\nSchule gewesen. Das sei in dem Jahr gewesen, wo er hergekommen sei, also 2001.\nEs sei etwa 7 bis 8 Monate nach der Einreise gewesen. (Auf Frage nach\nseitherigem Kontakt mit seinem Vater:) Seine Eltern hatten gewusst, dass er\nsich bei seinem Onkel in Stuttgart aufhalte. Seither habe er keinen Kontakt\nmehr zu ihnen. Er wisse nicht, wo sie seien. Sein Onkel lebe in Stuttgart, er\nsei schon seit 20 Jahren hier. Leider wisse er nicht, wo seine Eltern seien,\ner sei hilflos und ihm kamen ofter die Tranen. Es mache ihm ziemlich zu\nschaffen. Sie hatten viele Verwandte in Afghanistan gehabt, aber als er von\nIndien zuruckgekommen sei, habe er nicht gewusst, wo diese gewesen seien,\nseine Eltern hatten das Haus gar nicht mehr verlassen. Die anderen Verwandten\nhatten teils in Kandahar, teils in anderen Stadten gewohnt. Wo genau sie\ngewohnt hatten, wisse er nicht, weil er noch sehr jung gewesen sei. Sein Onkel\nhabe auch keinen Kontakt zu seinen Eltern, weil sie kein Telefon in\nAfghanistan hatten. Sein Vater habe damals angerufen, seither nicht mehr. Die\ndamalige Verbindung sei auch abgebrochen. (Auf Frage, ob ihm in Afghanistan\netwas zugestoßen sei:) Man habe ihn so gut wie gar nicht aus dem Haus\ngelassen, nicht mal in den Tempel, weil seine Eltern Angst gehabt hatten.\nDamals seien noch die Taliban in Kandahar gewesen, das wisse er vom Horen-\nSagen. Sein Vater habe gesagt, er solle nicht rausgehen, es sei gefahrlich.\nHindus hatten gar keine Freiheit. (Auf Frage nach seinem Reiseweg:) Sein Vater\nhabe erzahlt, er sei um seine Ausreise bemuht. Eines Tages sei jemand\ngekommen, der gesagt habe, er bringe ihn zu seinem Onkel nach Deutschland. Mit\neinem Pkw und einem Lkw sei er fortgebracht worden, etwa nach einer Stunde\nFahrt sei eine Übernachtung eingelegt worden, am nachsten Tag sei die Reise\nmit dem Pkw fortgesetzt worden, der zwei bis drei Stunden gefahren sei.\nGenaues konne er nicht sagen. Sie seien dann in einer Stadt gewesen, von da\nsei er mit dem Zug nach Karatchi gefahren. Dort sei er ca. eine Woche\ngeblieben. Es habe aber mehr nach Land als nach Stadt ausgesehen. Dann sei er\nmit dem Flugzeug von Karatchi direkt nach Frankfurt/Main gekommen. Unterlagen\ndaruber habe er nicht. Es sei ein Begleiter dabei gewesen, dem habe er nur\nfolgen sollen. (Auf Frage nach Geschwistern in Afghanistan:) Er habe noch eine\nkleine Schwester. Sie musse so 12 oder 13 gewesen sein, als er sie zuletzt\ngesehen habe. Er gehe davon aus, dass sie bei den Eltern sein musse. (Auf\nFrage nach seinen heutigen Befurchtungen:) Er wisse gar nicht, wohin er solle.\nEr habe keine Angehorigen mehr, keine Familie. Er sei Hindu, das sei aber ein\nmuslimischer Staat. Jetzt wisse er uberhaupt nicht, was ihm widerfahre. Er\nwisse gar nicht, in welcher Sprache er kommunizieren solle. (Auf Frage, in\nwelcher Sprache er mit einem vor seiner Verhandlung anwesenden anderen\nDolmetscher gesprochen habe, der erklart hatte, er habe mit dem Klager „Hindi-\nUrdu" gesprochen:) Mit ihm habe ich mich in Hindi verstandigt. (Auf Frage nach\nErsparnissen:) Er sei Auszubildender, bekomme 500 EUR monatlich, davon zahle\ner 400 EUR Miete, 80 EUR bezahle er fur seinen Fahrschein. Er habe deshalb oft\nSchwierigkeiten mit dem Geld. Deshalb sei er auf seinen Onkel angewiesen. Er\nmache eine Ausbildung zum Fertigungsmechaniker Montage bei Daimler-Chrysler in\nSindelfingen, die bis September 2007 dauere. \n--- \n| 12 \n--- \n| Hinsichtlich des ubrigen Vorbringens der Beteiligten sowie der weiteren\nEinzelheiten des Sachverhaltes wird auf die gewechselten Schriftsatze, den\nInhalt der beigezogenen Behordenakten, die Niederschrift uber die mundliche\nVerhandlung sowie die dem Klager mitgeteilten und zum Gegenstand der\nVerhandlung gemachten Erkenntnismittel verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 13 \n--- \n| Das Gericht konnte in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten sowie des\nBundesbeauftragten fur Asylangelegenheiten uber die Klage verhandeln und\nentscheiden, da von der Beklagten auf die Einhaltung der Ladungsfrist und vom\nBundesbeauftragten auf die Formlichkeiten der Ladung uberhaupt verzichtet\nwurde (Schriftsatze v. 04.02.1994 u. 31.07.1995). \n--- \n| 14 \n--- \n| Nach der maßgebenden Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen\nEntscheidung (§ 77 Abs. 1 Halbs. 1 AsylVfG) ist der Streitgegenstand neu zu\nbestimmen. Denn mit Außerkrafttreten des Auslandergesetzes am 01.01.2005 und\ngleichzeitig mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes wurde § 51 Abs. 1\nAuslG durch § 60 Abs. 1 AufenthG und § 53 AuslG durch § 60 Abs. 2 bis 7\nAufenthG ersetzt (vgl. Art. 1 u. 15 Abs. 3 Nr. 1 ZuwandG). Da das Bundesamt\ninfolge der Klageerhebung und der dadurch gem. § 77 Abs. 1 Halbs. 1 AsylVfG\nbewirkten Hinausschiebung der maßgebenden Sach- und Rechtslage verpflichtet\nist, die Rechtmaßigkeit seines Bescheides bis zur gerichtlichen Entscheidung\nfortlaufend unter Kontrolle zu halten, musste es heute feststellen, dass die\nVoraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG oder Abschiebungshindernisse nach §\n60 Abs. 2 bis 7 AufenhaltG vorliegen (vgl. §§ 13 Abs. 1, 2, 24 Abs. 2, 31 Abs.\n2, Abs. 3 S. 1 AsylVfG). Seine noch nicht bestandskraftigen Entscheidungen zum\nNicht-Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und von\nAbschiebungshindernissen nach § 53 AuslG erstrecken sich daher ungeachtet\ndessen, dass insoweit eine Übergangsregelung fur anhangige\nasylverfahrensrechtliche Streitigkeiten fehlt, nunmehr kraft Gesetzes auf das\nNicht-Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG einerseits und\nvon Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG andererseits. Die\nzulassige Klage ist nur zum Teil begrundet. Dem Klager steht der geltend\ngemachte Anspruch auf Asylanerkennung und auf Feststellung der Voraussetzungen\ndes § 60 Abs. 1 AufenthG nicht zu (I.); auch der Hilfsantrag auf Feststellung\ndes Vorliegens von Abschiebungshindernissen hat nur teilweise Erfolg (II.).\nDie Abschiebungsandrohung des Bundesamtes ist ebenfalls teilweise rechtswidrig\nund verletzt den Klager insoweit in seinen Rechten (III.). \n--- \n| 15 \n--- \n| I. Politische Verfolgung liegt vor, wenn dem Einzelnen durch seinen\nHeimatstaat oder durch Maßnahmen Dritter, die diesem Staat zurechenbar sind,\nin Anknupfung an seine politische Überzeugung, seine religiose\nGrundentscheidung oder fur ihn unverfugbare Merkmale, die sein Anderssein\npragen (z. B. seine Ethnie oder Volkszugehorigkeit), gezielt\nRechtsgutverletzungen zugefugt werden, die ihn nach ihrer Intensitat und\nSchwere aus der ubergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit\nausgrenzen (BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, BVerfGE 80, 315, 333 ff.). \n--- \n| 16 \n--- \n| Als derartige Rechtsgutverletzungen kommen zunachst Verfolgungsmaßnahmen mit\nGefahr fur Leib und Leben oder Beschrankungen der physischen\n(Bewegungs-)Freiheit in Betracht. Erheblich sind indes auch etwa\nBeschrankungen des Rechts auf freie Religionsausubung, wenn diese nach ihrer\nIntensitat und Schwere die Menschenwurde verletzen (BVerfG, Beschl. v.\n02.07.1980, BVerfGE 54, 341, 357; B. v. 02.07.1987, BVerfGE 76, 143, 158),\nwenn der Glaubige mit anderen Worten durch die ihm auferlegten Einschrankungen\nund Verhaltenspflichten als religios gepragte Personlichkeit in ahnlich\nschwerer Weise wie bei Eingriffen in die korperliche Unversehrtheit oder die\nphysische Freiheit in Mitleidenschaft gezogen wird (BVerfG, Urt. v.\n25.10.1988, BVerfGE 80, 321, 324 m. w. N. und BVerwG, Urt. v. 20.01.2004,\nBVerwGE 120, 16). \n--- \n| 17 \n--- \n| Da das Asylgrundrecht auf dem Zufluchtgedanken beruht und von seinem\nTatbestand her grundsatzlich den Kausalzusammenhang Verfolgung - Flucht - Asyl\nvoraussetzt (BVerfG, Beschl. v. 26.11.1986, BVerfGE 74, 51, 60, sowie Beschl.\nv. 10.07.1989, a. a. O., S. 344), ist von wesentlicher Bedeutung, ob der\nAsylbewerber verfolgt oder unverfolgt ausgereist ist. Beachtliche\nWahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung bei Ruckkehr wird fur die\nAnerkennung des unverfolgt Ausgereisten als asylberechtigt verlangt. Ergibt\ndie ruckschauende Betrachtung dagegen, dass der Asylsuchende "vorverfolgt",\nalso bereits verfolgt gewesen oder vor unmittelbar mit beachtlicher\nWahrscheinlichkeit drohender politischer Verfolgung geflohen ist, so kommt die\nAsylgewahrung regelmaßig nur dann nicht in Betracht, wenn er in seinem eigenen\nStaat wieder Schutz finden und eine Verfolgungswiederholung mit hinreichender\nSicherheit ausgeschlossen werden kann (BVerfG, Beschl. v. 26.11.1986, a. a.\nO., S. 64 ff. u. v. 10.07.1989, a. a. O., S. 344 ff.; BVerwG, Urt. v.\n15.05.1990, BVerwGE 85, 139 u. v. 20.11.1990, BVerwGE 87, 152). Dieser\nherabgestufte Prognosemaßstab setzt aber eine Verknupfung zwischen erlittener\nund kunftig drohender Verfolgung fur die Frage der Schutzgewahrung voraus.\nEine situationsbedingte Vorverfolgung fuhrt daher nur bei der Gefahr der\nWiederholung einer gleichartigen Verfolgung zur Anwendung des herabgestuften\nMaßstabs. Er ist nur dann anzuwenden, wenn bei einer am Gedanken der\nZumutbarkeit der Ruckkehr ausgerichteten wertenden Betrachtung ein innerer\nZusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und der mit dem Asylbegehren\ngeltend gemachten Gefahr erneuter Verfolgung dergestalt besteht, dass bei\nRuckkehr des Asylsuchenden mit einem Wiederaufleben der bereits einmal\nerlittenen Verfolgung zu rechnen ist oder nach den gesamten Umstanden das\nRisiko der Wiederholung einer gleichartigen Verfolgung besteht. Ist die\n(vermutete) politische Überzeugung oder Gesinnung des Asylsuchenden\nAnknupfungspunkt der Verfolgung, ist zu prufen, ob eine darauf beruhende\nVorverfolgung auch unter veranderten politischen Verhaltnissen - wie etwa bei\neinem Regimewechsel - ein Wiederholungsrisiko indiziert (BVerwG, Urt. v.\n18.02.1997, BVerwGE 104 ,97). \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Glaubhaftmachung der Asylgrunde setzt eine schlussige, nachprufbare\nDarlegung voraus. Der Asylsuchende muss unter Angabe genauer Einzelheiten\neinen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr\nunterstellt - ergibt, dass ihm bei verstandiger Wurdigung politische\nVerfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Jedenfalls im Bezug auf\ndie in seine eigene Sphare fallenden Ereignisse und personlichen Erlebnisse\nhat er eine Schilderung abzugeben, die geeignet ist, seinen Anspruch luckenlos\nzu tragen (BVerwG, Urt. v. 24.03.1987, Buchholz 402.25, § 1 AsylVfG Nr. 64 m.\nw. N.). Ein im Laufe des Asylverfahrens sich widersprechendes oder sich\nsteigerndes Vorbringen kann die Glaubwurdigkeit des Asylsuchenden in Frage\nstellen; berichtigt der Asylsuchende in einem spateren Vortrag sein fruheres\nVorbringen, so muss er uberzeugende Grunde darlegen, weshalb sein fruheres\nVorbringen falsch gewesen ist, will er nicht den Eindruck der\nUnglaubwurdigkeit erwecken (BVerwG, Urt. v. 12.11.1985, Buchholz 402.25, § 1\nAsylVfG Nr. 41). \n--- \n| 19 \n--- \n| Vorverfolgung kann fur den Klager nicht angenommen werden, obwohl er in der\nmundlichen Verhandlung den Aktenvermerk des Bundesamtes vom 03.08.2000 nicht\nbestatigt hat, dass er bereits als Kleinkind nach Indien verbracht worden sei\nund seither nie in Afghanistan gelebt habe. Vielmehr hat er dies in der\nmundlichen Verhandlung dahin richtig gestellt, dass er nach Ruckkehr aus\nIndien fur einige Monate bei seinen Eltern in einem Ort nahe Kandahar gewesen\nsei. Er hat aber fur diese Zeit keine Ereignisse angegeben, die sich als auch\nnur unmittelbar drohende politische Verfolgung darstellen. Vielmehr soll man\nihn so gut wie gar nicht aus dem Haus gelassen haben. Zu den damals im Raum\nKandahar herrschenden Taliban kann er keinen Kontakt gehabt haben, weil er von\nderen Anwesenheit erklartermaßen nur vom Horen-Sagen gewusst hat. Diesem\nVortrag lasst sich eine politische Vorverfolgung des Klagers nicht entnehmen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Deshalb kommt es nicht darauf an, ob es dem Klager geglaubt werden kann,\ndass er auf dem Luftweg eingereist ist, obwohl er zum Nachweis keinerlei\nUnterlagen vorgelegt hat, oder ob er nicht vielmehr auf dem Landweg eingereist\nsein muss, was zur Folge hatte, dass er sich nicht auf Art. 16 a Abs. 1 GG\nberufen konnte (Art. 16 a Abs. 2 GG, § 26 a Abs. 1 AsylVfG). \n--- \n| 21 \n--- \n| Politische Verfolgung hat der damit unverfolgt ausgereiste Klager auch bei\nseiner Ruckkehr nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befurchten.\nSubjektive Nachfluchtgrunde sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Auch\nobjektive Nachfluchtgrunde liegen nicht vor. \n--- \n| 22 \n--- \n| Es ist z.T. allgemeinkundig (das sind u.a. Tatsachen, uber die sich\njedermann ohne besondere Fachkunde aus allgemein zuganglichen, zuverlassigen\nQuellen sicher unterrichten kann, vgl. z.B. Kopp/Schenke, VwGO, § 98 Rn. 23 u.\nDawin in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 108 Rn. 16, jeweils m.w.N.)\nund ergibt sich im Übrigen aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten\nErkenntnismitteln, dass die politischen und militarischen Ereignisse seit dem\n11.09.2001 in Afghanistan eine drastische Veranderung der Verhaltnisse mit\nsich gebracht haben. Diese lasst sich in groben Zugen wie folgt\nzusammenfassen: \n--- \n| 23 \n--- \n| Das fruhere Regime der Taliban, deren (quasi-)staatliche Macht Gegenstand\nrechtlicher Auseinandersetzungen war (vgl. nur z.B. BVerfG, Kammerbeschl. v.\n10.08.2000, InfAuslR 2000, 521, u. BVerwG, Urt. v. 04.11.1997 - 9 C 34.96 -,\nv. 19.05.1998 - 9 C 5.98 - u. v. 20.02.2001 - 1 C 30.00 - u.a.), wurde durch\ndie Truppen einer internationalen Koalition zumindest derart nachhaltig\ngeschwacht, dass im Dezember 2001 in Kabul eine Interimsregierung unter Hamid\nKarzai eingesetzt werden konnte. Dieser wurde im Juni 2002 von der Loya Jirga\nzum Interimsprasidenten gewahlt. Fur den Schutz des Landes und der Regierung\nwurde mit Mandat der Vereinten Nationen die International Security Assistance\nForce (ISAF) eingesetzt, an der auch deutsche Soldaten beteiligt sind.\nAußerdem bekampft die Operation „Enduring Freedom" weiterhin im Land\nverbliebene oder in Randgebieten wieder einsickernde Taliban- und Al Qaida-\nKampfer. Am 04.01.2004 wurde eine afghanische Verfassung mit einem\numfangreichen Menschenrechtskatalog verabschiedet, deren Überwachung der\nverfassungsrechtlichen Status genießenden Unabhangigen Afghanischen\nMenschenrechtskommission MRK obliegt. Im Oktober 2004 fanden\nPrasidentschaftswahlen statt, aus denen Hamid Karzai mit mehr als 55 Prozent\nals Sieger hervorging. Das UN-Mandat wurde vom UN-Sicherheitsrat im Marz 2005\num ein weiteres Jahr verlangert, worauf die Vereinten Nationen im September\n2005 vorzeitig das ISAF-Mandat verlangerten. Am 18.09.2005 fanden\nParlamentswahlen statt. Deren Ergebnis ist noch nicht offiziell verkundet.\nPolizei und Armee sind im Aufbau. Die Zentralregierung hat indessen keine\nlandesweite Macht. In zahlreichen Provinzen herrschen lokale Machthaber und\nKommandeure, deren Verhalten dem Einfluss der Zentralregierung entzogen ist. \n--- \n| 24 \n--- \n| Daruber, dass die Zentralregierung Personen oder Personengruppen politisch\nverfolgt, liegen keine Erkenntnisse vor (vgl. den Inhalt des Lageberichts des\nAuswartigen Amtes vom 21.06.2005). Schon deshalb kann landesweite Verfolgung\nnicht angenommen werden, sofern es in anderen Regionen politische Verfolgung\ndurch (quasi-)staatliche Akteure geben sollte. \n--- \n| 25 \n--- \n| Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass Hindus in Afghanistan im\nHinblick auf ihren Glauben mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und landesweit\neine Gruppenverfolgung bzw. gruppengerichtete Verfolgung droht. Das gilt\ninsbesondere fur Kabul. Der Sachverstandige Dr. D. (Stellungnahme v.\n05.02.2004 an VG Wiesbaden) ist in neuen Recherchen zu dem Ergebnis gelangt,\ndass dort 2000 bis 3000 Hindus leben, die versuchen, in ihren alten\nWohngebieten im Westen von Kabul unter dem Schutz der internationalen ISAF-\nTruppe ihre Kultur und Religion zu leben. Die Tempel seien wieder geoffnet,\nVersammlungen wurden abgehalten und einige kulturelle Institutionen seien\nentstanden. Von Verfolgungsmaßnahmen erwahnt der Sachverstandige nichts. Unter\ndiesen Umstanden scheidet eine gruppengerichtete landesweite Verfolgung von\nHindus in Afghanistan aus. \n--- \n| 26 \n--- \n| Der Klager hat auch keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des\n§ 60 Abs.1 AufenthG. Danach darf in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951\nuber die Rechtsstellung der Fluchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559 - Genfer\nFluchtlingskonvention, GFK) ein Auslander nicht in einen Staat abgeschoben\nwerden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion,\nStaatsangehorigkeit, seiner Zugehorigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe\noder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist (Satz 1). Dies gilt auch\nfur Auslander, die im Bundesgebiet die Rechtsstellung auslandischer\nFluchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als auslandische\nFluchtlinge im Sinne des Abkommens uber die Rechtsstellung der Fluchtlinge\nanerkannt sind (Satz 2). Eine Verfolgung wegen der Zugehorigkeit zu einer\nbestimmten sozialen Gruppe kann auch dann vorliegen, wenn die Bedrohung des\nLebens, der korperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das\nGeschlecht anknupft (Satz 3). Eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 kann\nausgehen von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder\nwesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) nichtstaatlichen\nAkteuren, sofern Staat, Parteien und Organisationen, die den Staat oder\nwesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, einschließlich\ninternationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht\nwillens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhangig davon,\nob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es\nsei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative (Satz 4). \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Bestimmung des § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG gibt - ebenso wie der bisherige\n§ 51 Abs. 1 AuslG - das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK wieder. Das\nBundesverwaltungsgericht hatte deshalb bereits zu § 51 Abs. 1 AuslG\nentschieden, dass die Vorschrift so auszulegen und anzuwenden ist, dass die\nBegriffe des Fluchtlings im Sinne der Art. 1 A Nr. 2, Art. 33 GFK und dem des\nvon politischer Verfolgung Bedrohten im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG\nubereinstimmen (BVerwG, Urt. v. 18.01.1994 - 9 C 48.92 -, BVerwGE 95, 42 m. w.\nN.). Auch und gerade mit Blick auf die nunmehr in § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG\naufgenommene ausdruckliche Verweisung auf die Anwendung der Genfer\nFluchtlingskonvention ist an dieser Rechtsprechung unverandert festzuhalten\n(BVerwG, Urt. v. 08.02.2005, DVBl 2005, 982). Eine wesentliche Rechtsanderung\ngegenuber der Vorlauferregelung des § 51 Abs. 1 AuslG durfte lediglich\ninsoweit eingetreten sein, als als Voraussetzung staatlicher Verfolgung - etwa\nin Burgerkriegsgebieten - im Hinblick auf § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG nicht mehr\nauf die effektive Gebietsgewalt des Staates abzustellen sein durfte (so noch\nBVerwG, Urt. v. 18.01.1994 a. a. O.), sondern unter bestimmten Umstanden auch\nvon nichtstaatlichen Akteuren ausgehen kann. Hiervon abgesehen ist weiter\ndavon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG\nhinsichtlich der Verfolgungshandlung, des anzuwendenden Prognosemaßstabs, des\ngeschutzten Rechtsguts und des politischen Charakters der Verfolgung mit den\nVoraussetzungen des Asylanspruchs nach Art. 16 a Abs. 1 GG ubereinstimmen\n(vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 18.02.1992, DVBl. 1992, 843). \n--- \n| 28 \n--- \n| Nach alledem ergibt sich aus den vorstehenden Ausfuhrungen zu Art. 16 a GG\nzugleich, dass auch ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60\nAbs. 1 AufenthG nicht gegeben ist. Es ist auch kein Anhaltspunkt dafur\nersichtlich, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG gegeben\nsein konnten. \n--- \n| 29 \n--- \n| II. Der Klager hat auch keinen Anspruch auf den hilfsweise begehrten\nAbschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG. Fur Folter (Absatz 2),\nTodesstrafe (Absatz 3) und ein formliches Auslieferungsersuchen (Absatz 4)\nfehlt es an jedem Anhaltspunkt. Auch fur ein Abschiebungshindernis nach § 60\nAbs. 5 AufenthG (Unzulassigkeit der Abschiebung nach der EMRK) bietet der\nVortrag des Klagers keine konkreten Anknupfungspunkte. Das ergibt sich\nsinngemaß schon aus den vorstehenden Ausfuhrungen zu Art. 16 a GG und § 60\nAbs. 1 AufenthG. \n--- \n| 30 \n--- \n| Dem Klager drohen bei einer unterstellten Ruckkehr aber landesweit Gefahren,\ndie ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 AufenthG begrunden. \n--- \n| 31 \n--- \n| Eine konkret - individuelle Gefahrdung gem. Satz 1 der Vorschrift im Fall\nder Ruckkehr nach Afghanistan hat der Klager allerdings nicht glaubhaft\ngemacht. Er beruft sich vielmehr nur auf allgemeine Gefahren im Sinne von Satz\n2. \n--- \n| 32 \n--- \n| Dennoch muss die Klage insoweit Erfolg haben. \n--- \n| 33 \n--- \n| Wegen Gefahren in Afghanistan, denen die Bevolkerung oder die\nBevolkerungsgruppe, der der Klager angehort, allgemein ausgesetzt ist, kann\ngrundsatzlich Abschiebungsschutz unmittelbar nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht\ngewahrt werden, da insoweit die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG\nentgegensteht. Danach konnen die Auswirkungen solcher allgemeiner Gefahren auf\nden einzelnen Auslander nur aufgrund einer Entscheidung der obersten\nLandesbehorde nach § 60 a Abs. 1 S. 1 AufenthG - die in Baden-Wurttemberg\nderzeit nicht vorliegt - zur Aussetzung der Abschiebung fuhren. \n--- \n| 34 \n--- \n| Eine Überwindung dieser Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG kommt\naber auf der Grundlage einer verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7\nAufenthG (vgl. hierzu grundsatzlich BVerwG, Urt. v. 12.07.2001, BVerwGE 114,\n379 zu § 53 Abs. 6 AuslG) in Betracht. Die Überwindung der Sperrwirkung setzt\nzum ersten voraus, dass dem betroffenen Auslander kein gleichwertiger Schutz\ngewahrt wird. Ist der Asylbewerber anderweitig in einer Form vor Abschiebung\ngeschutzt, die dem Schutz durch einen Erlass nach § 60 a Abs. 1 S. 1 AufenthG\nentspricht, so bedarf er nicht des zusatzlichen Schutzes der\nverfassungskonformen Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG. Außerdem dient es der\nVerfahrens- und Prozessokonomie, das Bundesamt und die Gerichte von der -\nunter Umstanden aufwandigen - Prufung der zweiten Voraussetzung, namlich einer\nextremen Gefahrenlage (dazu unten), zu entlasten, wenn der Aufenthalt des\nAuslanders wegen eines anderweitigen Bleiberechts oder\nAbschiebungshindernisses ohnehin nicht in engem zeitlichem Zusammenhang mit\ndem negativen Abschluss des Asylverfahrens beendet werden kann. Ebenso wie bei\n§ 60 a Abs. 1 AufenthG kommt es ausschließlich darauf an, ob der Erlass im\nmaßgeblichen Zeitpunkt besteht und anwendbar ist. Gleichwertig ist der\nanderweitige Schutz, wenn er dem entspricht, den der Auslander bei Vorliegen\neines Erlasses nach § 60 a Abs. 1 AufenthG hatte. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die danach maßgeblichen Voraussetzungen fur die Verpflichtung der Beklagten\nzur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 7 AufenthG\naufgrund einer allgemeinen Gefahrenlage liegen hier vor. Denn die Gewahrung\nvon Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7\nAufenthG scheitert fur den Klager nach dem obigen Maßstab nicht schon daran,\ndass ihm gleichwertiger Abschiebungsschutz aufgrund der derzeitigen Erlasslage\ngewahrt wird (unten 1.) und auch eine extreme Gefahrenlage liegt fur ihn vor\n(unten 2.). \n--- \n| 36 \n--- \n| 1\\. Da sich die Frage nach der Gleichwertigkeit auf den Abschiebungsschutz\nbezieht und beschrankt, ist es freilich rechtlich unerheblich, wenn eine\nErlasslage auch von der Moglichkeit der freiwilligen Ruckkehr der Betroffenen\nin ihren Heimatstaat ausgeht und deshalb die Erteilung einer\nAufenthaltsbefugnis fur Betroffene ausschließt. Folgt aus dem Nachrang der\nverfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG deren Nichtanwendung\ndann, wenn der Auslander bereits eine den vergleichbar wirksamen\nAbschiebungsschutz vermittelnde Duldung besitzt oder diese ihm aufgrund der\nauslanderrechtlichen Erlasslage gewahrt wird oder gewahrt werden muss, so\nkommt es nicht darauf an, ob der Schutz auf rechtlichen - insbesondere\ninlandsbezogenen - Abschiebungshindernissen, die auch die Zumutbarkeit der\nfreiwilligen Ruckkehr ausschließen, oder lediglich auf faktischen\nAbschiebungshindernissen beruht. Denn auch der auf § 60 a AufenthG beruhende\nAbschiebungsschutz umfasst keine Feststellung zur Zumutbarkeit einer\nfreiwilligen Ruckkehr, da er nach politischem Ermessen gewahrt wird.\nAbschiebungsschutz in diesem Sinne kann auch dann gewahrt werden, wenn dieser\nweder einfachgesetzlich noch verfassungsrechtlich zwingend geboten ist ( vgl.\nVGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 16.09.2004 - A 2 S 471/02 -, juris, zum Irak). \n--- \n| 37 \n--- \n| Aufgrund des derzeit vorliegenden Erlasses des Innenministeriums Baden-\nWurttemberg vom 15.04.2005, geandert am 01.08.2005 - 4-13-AFG/8 -, der auf den\nBeschlussen der Standigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der\nLander vom 19.11.2004 und vom 23./24.06.2005 beruht, werden afghanischen\nStaatsangehorigen auch Duldungen erteilt bzw. verlangert. Anders als nach der\nvorherigen Erlasslage sind (fur den mit Vorrang zuruckzufuhrenden\nPersonenkreis) diese Duldungen aber mit der „Auflage" zu versehen, dass sie\nerloschen, sobald der Auslander mit Beginn der Zwangsmaßnahme uber die\nAbschiebung in Kenntnis gesetzt wird, bzw. sie sollen grundsatzlich (sonstiger\nPersonenkreis) mit dieser „auflosenden Bedingung" erteilt werden (s. III. des\nErlasses). Dem liegt zugrunde, dass sich die Innenministerkonferenz einig war,\ndass nunmehr die Voraussetzungen fur den Beginn der Ruckfuhrung nach\nAfghanistan gegeben seien. Wer nicht unter eine - zusatzlich beschlossene -\nbesondere Bleiberechtsregelung (dazu unten) falle, musse ausreisen, sei es\nfreiwillig oder im Wege der Abschiebung (vgl. den Bericht „Konferenz der\nInnenminister und -senatoren Juni 2005 in Stuttgart" unter www.im.baden-\nwuerttemberg.de). Dementsprechend geht der Erlass davon aus, dass\ngrundsatzlich alle afghanischen Staatsangehorigen zwangsweise ruckgefuhrt\nwerden konnen. Es wird lediglich fur einen bestimmten Personenkreis (I. 1. und\n2. des Erlasses) ein Vorrang der Ruckfuhrung aufgestellt, der aber nichts\ndaran andert, dass auch die ubrigen afghanischen Staatsangehorigen der\nRuckfuhrungsmoglichkeit unterliegen, was lediglich unter dem Vorbehalt\nvorheriger Abstimmung mit dem Innenministerium steht. Nach dieser Regelung\nobliegt es folglich allein der von objektiven Umstanden, insbesondere in\nAfghanistan, unabhangigen Entschließung der mit der Ruckfuhrung betrauten\nBehorden, wann die erteilten Duldungen enden. Das kann jederzeit der Fall\nsein. Anders als nach der vorherigen Erlasslage (dazu noch Einzelrichterurteil\nder Kammer v. 01.04.2005 - A 10 K 11994/03 -, beruhend auf Kammerurteil v.\n18.05.2004 - A 10 K 11551/03 -) fehlt es damit an der Gleichwertigkeit des\ngegenwartigen Abschiebungsschutzes mit einem solchen nach § 60 a AufenthG, der\neine gewisse Bestandigkeit der Aussetzung der Abschiebung in Abhangigkeit von\neiner Veranderung der tatsachlichen Verhaltnisse oder doch jedenfalls der\npolitischen Entschließung beinhaltet. \n--- \n| 38 \n--- \n| Unerheblich ist es, dass fur einen bestimmten Personenkreis ein Bleiberecht\neingefuhrt wurde (vgl. Anordnung des Innenministeriums Baden-Wurttemberg nach\n§ 23 AufenthG fur afghanische Staatsangehorige v. 01.08.2005 - 4-13-AFG/13 -).\nDerartige Bleiberechtsregelungen haben - sofern nicht im Einzelfall zugunsten\ndes Betroffenen bereits von ihnen Gebrauch gemacht wurde, was beim Klager\nschon deshalb nicht der Fall sein kann, weil sein Asylverfahren noch anhangig\nist (vgl. IV. der Anordnung) - bei der Beurteilung des gleichwertigen\nAbschiebungsschutzes außer Betracht zu bleiben (vgl. BVerwG, Urt. v.\n12.07.2001, a.a.O.). Denn das wurde die Entscheidung des Gerichts mit den\nverbleibenden Unwagbarkeiten einer Inzidentprufung uber die voraussichtliche\nEntscheidung der Auslanderbehorde belasten, ohne Bindungswirkung zu entfalten. \n--- \n| 39 \n--- \n| Mithin oblag es der Kammer, die zweite Voraussetzung der\nverfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG zu prufen. \n--- \n| 40 \n--- \n| 2\\. Eine extreme Gefahrenlage ist fur den Klager gegeben. \n--- \n| 41 \n--- \n| Nach der standigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die\nKammer folgt, durfen das Bundesamt fur die Anerkennung auslandischer\nFluchtlinge (heute Bundesamt fur Migration und Fluchtlinge) und die\nVerwaltungsgerichte sich uber die in den Regelungen der §§ 53 Abs. 6 S. 1 und\n2, 54 AuslG (heute §§ 60 Abs. 7 S. 1 und 2, 60 a AufenthG) zum Ausdruck\nkommende gesetzgeberische Kompetenzentscheidung grundsatzlich nicht\nhinwegsetzen; sie haben diese Entscheidung des Bundesgesetzgebers wegen ihrer\nBindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) vielmehr zu respektieren. Sie\ndurfen daher im Einzelfall Auslandern, die einer gefahrdeten Gruppe angehoren,\nfur die ein Abschiebestopp nach § 54 AuslG (heute § 60 a AufenthG) nicht\nbesteht, nur dann ausnahmsweise Schutz vor einer Abschiebung in\nverfassungskonformer Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG (heute § 60 Abs. 7\nAufenthG) zusprechen, wenn keine anderen Abschiebungshindernisse nach § 53\nAuslG (heute § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG) gegeben sind, eine Abschiebung aber\nVerfassungsrecht verletzen wurde. Das ist (nur) dann der Fall, wenn der\nAuslander im Zielstaat der Abschiebung - regelmaßig dem Heimatstaat - einer\nextremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt ware, dass er im Falle seiner\nAbschiebung dorthin „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten\nVerletzungen ausgeliefert sein wurde" (vgl. grundlegend BVerwG, Urt. v.\n17.10.1995, BVerwGE 99, 324 ff., sowie Urt. v. 08.12.1998, BVerwGE 108, 77 ff;\nB. v. 25.10.1999, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 25; Urt. v. 12.07.2001,\na.a.O.). Dabei ist nicht erforderlich, dass die genannten Folgen sofort,\ngewissermaßen noch am Tag der Ankunft im Abschiebezielstaat, eintreten. Die\nGefahr besteht auch dann, wenn der Auslander mangels jeglicher Lebensgrundlage\ndem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden wurde (BVerwG, B. v.\n26.01.1999, NVwZ 1999, 668 = InfAuslR 1999, 265). Voraussetzung ist weiter,\ndass die extreme Gefahrenlage landesweit besteht oder ein Ausweichen nicht\nmoglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.1995, a.a.O., u. Urt. v. 02.09.1997,\nBVerwGE 105, 187 m. w. N.). \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Entscheidung, ob eine solche extreme Gefahrenlage vorliegt, ist von\njedem Gericht auf der Grundlage der von ihm verwerteten tatsachlichen\nErkenntnisse in eigener Verantwortung zu entscheiden (BVerwG, Urt. v.\n12.07.2001 - 1 C 5.01 - , juris). Sie ist stets anhand einer sogenannten\nGesamtschau, namlich mit Blick auf samtliche dem Auslander drohenden Gefahren\nzu beantworten (BVerwG, B. v. 25.02.2000, Buchholz a.a.O. Nr. 31).\nIndividuelle Gefahrdungen, die sich aus allgemeinen Gefahren im Sinn des § 60\nAbs. 7 S. 2 AufenthG ergeben, konnen dessen „Sperrwirkung" auch dann nicht\nuberwinden, wenn sie auch durch Umstande in der Person oder in den\nLebensverhaltnissen des Auslanders begrundet oder verstarkt werden, aber\ngleichwohl insgesamt nur typische Auswirkungen der allgemeinen Gefahrenlage\nsind (BVerwG, Urt. v. 08.12.1998, a.a.O. m. w. N.). \n--- \n| 43 \n--- \n| Es geht somit um die Frage, ob die allgemeinen in Afghanistan drohenden\nGefahren im Hinblick auf Minen, die Sicherheitslage und die Versorgungslage -\nund seien sie auch durch individuelle Umstande verstarkt - die Annahme einer\nextremen Gefahrenlage im bezeichneten Sinn rechtfertigen. Das ist jedenfalls\nbezuglich der Versorgungslage unter Berucksichtigung der beim Klager\nvorliegenden Besonderheiten der Fall. Denn die dargelegten - engen -\nVoraussetzungen liegen zur Überzeugung des Gerichts zum maßgeblichen Zeitpunkt\nder mundlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) vor. \n--- \n| 44 \n--- \n| Das ergibt sich allerdings noch nicht aus der Gefahrdung durch Minen.\nInsoweit hat die Kammer schon in ihrer bisherigen Rechtsprechung (z.B.\nEinzelrichterurt. v. 28.08.2002 -A 10 K 11964/02 -, zuruckgehend auf\nKammerurt. v. 24.04.2002 - A 10 K 10307/98 -) ausgefuhrt: \n--- \n| 45 \n--- \n| „Die Gefahr, Opfer einer der zahlreichen in afghanischem Boden liegenden\nMinen zu werden, besteht nicht mit der erforderlichen gesteigerten\nWahrscheinlichkeit. Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten\nErkenntnismitteln ... ergibt sich, dass die Vereinten Nationen von mindestens\n10 Millionen Minen ausgehen und dass im Durchschnitt jeden Monat 65 Afghanen\nOpfer von Minen werden. So bedruckend diese Zahl auch ist, lasst sie doch\nersichtlich nicht die Annahme zu, dass jeder Ruckkehrer zumal in den auch von\nden Hilfsorganisationen erfassten Stadten wie der Millionenstadt Kabul, die\nvon Minen bereits weitaus besser geraumt sind als landliche Gebiete,\n„gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen\nausgeliefert" wurde. Auch die zu den Landminen hinzugetretene Gefahr durch den\nhohen Anteil an Blindgangern unter den von der US-Luftwaffe eingesetzten\nStreubomben ... besteht nicht in den als Ruckkehrer-Zielort in Betracht\nkommenden Stadten, sondern in den Zielgebieten der US-Luftwaffe in den\nvermeintlichen Ruckzugsgebieten der Taliban und der Al Qaida. Diese\nzusatzliche Gefahr gebietet deshalb keine andere Beurteilung." \n--- \n| 46 \n--- \n| Daran ist festzuhalten. Inzwischen ist das Minenraumungsprogramm der\nVereinten Nationen fortgeschritten, die Bundesregierung hat deutsche\nMinenraumexperten entsandt, die im Rahmen dieses Programms lokale\nOrganisationen mit Hundestaffeln unterweisen und beaufsichtigen, und UNHCR\nfuhrt an den Ruckkehrerrouten Minen-Schulungsprogramme durch (AA, Lagebericht\nv. 21.06.2005, S. 11). Wenn auch Afghanistan fruhestens 2012 minenfrei sein\nwird, ist die Gefahr doch nicht derart groß, dass man jeden Ruckkehrer\ngleichsam sehenden Auges der Wahrscheinlichkeit aussetzen wurde, ihr zum Opfer\nzu fallen. \n--- \n| 47 \n--- \n| Gleiches gilt fur die Prognose, ob und mit welcher Wahrscheinlichkeit\nRuckkehrer Opfer der unzureichenden und noch immer instabilen Sicherheitslage\nwerden konnen. Insoweit hat die Kammer schon in ihrer bisherigen\nRechtsprechung (a.a.O.) ausgefuhrt: \n--- \n| 48 \n--- \n| „Zumindest in der Region in und um Kabul sorgt die internationale\nSchutztruppe ISAF in Zusammenarbeit mit afghanischen Kraften fur jedenfalls so\nweit reichende Sicherheit, dass die Annahme, jeder Ruckkehrer werde „gleichsam\nsehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert",\nausgeschlossen erscheint. Es ist auch zu erwarten, dass das Mandat der ISAF\nverlangert wird, jedenfalls aber Truppen der USA in Afghanistan verbleiben,\nbis eine ausgebildete afghanische Armee zur Verfugung steht ... Außerdem ist\nder Wiederaufbau einer afghanischen Polizei bereits in die Wege geleitet;\nHilfe hierbei leistet die Bundesrepublik Deutschland durch Entsendung von\nPolizeikraften ... Das Mandat der ISAF und der Bundeswehr ist verlangert\nworden ...; die Tatsache, dass beide Mandate auf den Bereich Kabul beschrankt\nsind, andert daran nichts. Trotz aller nach wie vor bestehenden Unsicherheiten\nund Mangel in der Sicherheitslage kommt insoweit die Annahme einer Situation,\ndie die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG in verfassungskonformer\nAuslegung erfullt, nicht in Betracht." \n--- \n| 49 \n--- \n| Auch daran ist fur den maßgeblichen Zeitpunkt der mundlichen Verhandlung\nfestzuhalten. Nach den Erkenntnissen des Auswartigen Amtes (Lagebericht v.\n21.06.2005, S. 5, 12) hat sich die Sicherheitslage zwar landesweit nicht\nverbessert. In etlichen Provinzen herrscht Gewalt zwischen militarischen und\npolitischen rivalisierenden Gruppen, so dass dorthin eine Ruckkehr nicht ohne\nRisiko fur Leib und Leben moglich ist. Insbesondere im Suden und Osten ist es\nseit Sommer 2003 zu gewaltsamen Übergriffen von Taliban gekommen, doch werden\ndiese im Osten, Sudosten und Suden mit uber 18.000 Kampfern der Anti-Terror-\nKoalition bekampft. Im Raum Kabul ist die Sicherheitslage zwar noch fragil,\naber wegen der ISAF-Truppen vergleichsweise zufrieden stellend. Von UNHCR wird\nsie dort seit Mitte 2002 fur freiwillige Ruckkehrer als „ausreichend sicher"\nbezeichnet. \n--- \n| 50 \n--- \n| Die Auswertung der von der Kammer gefuhrten Pressesammlung hat fur das Jahr\n2005 folgendes Bild ergeben: Zwar hat es bis Oktober 2005 in Afghanistan\nallein in diesem Jahr etwa 1.400 Tote gegeben (vgl. Berliner Zeitung v.\n20.10.2005; AP/dpa v. 19.10.2005; SZ v. 12.10., 15.09. u. 02.06.2005; NZZ v.\n19.09.2005). Dabei ist aber zu berucksichtigen, dass es sich weniger um\nZivilisten als vornehmlich um Taliban-Kampfer (z.B. SZ v. 31.10./01.11.,\n22.09., 12.09.2005; dpa v. 04.10.2005; FAZ v. 07.09., 23.08., 30.06.,\n24.06.2005; FASZ v. 28.08.2005; NZZ v. 26.08., 16.08., 27.07., 04.07., 16.06.,\n11.05., 20.04.2005; Die Welt v. 30.07., 18.07., 21.06.2005; FR v. 22.04.2005),\nUS-Soldaten, afghanische Soldaten oder Polizisten (z.B. SZ v. 31.10./01.11.,\n29.09., 26.09., 22.09., 11.07., 07.07.2005; dpa v. 04.10., 12.07.2005; FAZ v.\n22.08., 30.06.2005; NZZ v. 18.08., 04.07., 11.05.2005; FR v. 26.07.2005; Die\nWelt v. 21.06.2005) sowie um Mitarbeiter von Hilfsorganisationen gehandelt hat\n(z.B. SZ v. 13.10.2005; FAZ v. 07.09.2005). In der Zeit vor der Parlamentswahl\nwaren auch gelegentlich Kandidaten die Ziele von Gewalttaten. Die meisten\nOpfer entfielen auf den Suden/Sudosten des Landes (z.B. SZ v. 31.10./01.11.,\n13.10., 12.10., 22.09., 16.08., 02.06.2005; dpa v. 11.10., 04.10., 12.07.2005;\nNZZ v. 15.09., 26.08., 18.08., 27.07., 04.07., 16.06., 30.05., 11.05.2005; FAZ\nv. 07.09., 22.08., 24.06.2005; FR v. 29.08., 25.07.2005; Die Welt v. 30.07.,\n18.07., 21.06.2005; AP v. 20.05.2005; TAZ v. 04.04.2005). Fur den Raum Kabul\nwird dagegen verhaltnismaßig wenig uber Opfer der Sicherheitslage berichtet\n(z.B. SZ v. 29.09.2005: Bomben auf Armee-Ausbildungszentrum, v. 12.09.2005:\nSchusse auf Verteidigungsminister; FAZ v. 22.08.2005: Bombe auf Mitarbeiter\nder US-Botschaft, v. 13.05.2005: Tote u. Verletzte bei Demonstrationen wegen\nKoranschandungen durch US-Streitkrafte in Guantanamo; FR v. 26.07.2005:\nAnschlag auf Polizisten; Die Welt v. 31.05.2005: 2 Anschlage auf NATO-Ziele;\nNZZ v. 11.05.2005 u. SZ v. 10.05.2005: Selbstmordattentat auf Internet-Cafe).\nAußerdem hatte die Gewaltanwendung im Vorfeld der Parlamentswahlen deutlich\nzugenommen (NZZ v. 26.08.2005), die inzwischen am 18.09.2005 durchgefuhrt\nworden sind. \n--- \n| 51 \n--- \n| Insgesamt folgt daraus, dass die Sicherheitslage in Afghanistan zwar\naußerordentlich problematisch, aber nicht landesweit so beschaffen ist, dass\nRuckkehrer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten\nVerletzungen ausgesetzt werden. \n--- \n| 52 \n--- \n| Etwas anderes gilt aber unter Berucksichtigung der individuellen Lage des\nKlagers fur die im Vordergrund der Befurchtungen der meisten Ruckkehrer und\nauch Beobachter stehende Versorgungslage, die in jungerer Zeit schon Anlass\nfur verschiedene Verwaltungsgerichte war, betroffenen afghanischen\nStaatsangehorigen den Schutz von § 53 Abs. 6 AuslG zuzuerkennen (vgl. z. B.\nOVG Hamburg, Urt. v. 23.02.2001, InfAuslR 2001, 373, und Urt. v. 06.07.2001 -\n1 Bf 549/98.A -; OVG Bautzen, Urt.v. 29.02.2000 - A 4 B 4289/97 -; VG\nDarmstadt, Urt. v. 27.06.2002 -2 E 30447/99.A- , samtlich juris). Eine\nvergleichbare Zuspitzung der Versorgungslage lasst sich auch zum hier\nmaßgeblichen Zeitpunkt der mundlichen Verhandlung feststellen (Abweichung von\nder mit der Anwesenheit zahlreicher Hilfsorganisationen in Afghanistan und\nderen flexibler Reaktion auf unvorhergesehene Lageverscharfungen begrundeten\nfruheren Rechtsprechung der Kammer, z.B. Urt. v. 24.04. u. 28.08.2002, a.a.O.;\nebenso noch VG Sigmaringen, Urt. v. 18.07.2005 - A 2 K 11626/03 - ; VG Stade,\nUrt. v. 29.11.2004 - 6 A 1694/03 - fur den Raum Kabul; VG Arnsberg, Urt. v.\n18.11.2004 - 6 K 4553/03.A - ebenfalls fur Kabul, samtlich juris). Das beruht\nauf folgenden Erwagungen: \n--- \n| 53 \n--- \n| Es ergibt sich zwar weiterhin aus den zum Gegenstand des Verfahrens\ngemachten Erkenntnismitteln und ist auch allgemeinkundig, dass in Afghanistan\nauch derzeit noch zahlreiche supranationale, staatliche und auch private\nHilfsorganisationen die Versorgung der notleidenden Bevolkerung einschließlich\nRuckkehrern zu sichern versuchen. Gleichwohl ist die Versorgungslage außerst\nproblematisch. \n--- \n| 54 \n--- \n| Das Auswartige Amt (Lagebericht v. 21.06.2005) bezeichnet die\nWirtschaftslage Afghanistans als einem der armsten Lander der Welt als\n„desolat". Die humanitare Situation stehe mit Blick auf die etwa vier\nMillionen zuruckgekehrten Fluchtlinge, vornehmlich aus Pakistan, vor „großen\nHerausforderungen" (jeweils S. 5). Die Wohnraumversorgung sei unzureichend,\nknapp und die Preise in Kabul seien hoch (S. 27). Die Versorgungslage in Kabul\nund anderen großen Stadten habe sich grundsatzlich verbessert, in anderen\nGebieten sei sie weiter „nicht zufrieden stellend bis vollig unzureichend" (S.\n27). Humanitare Hilfe sei weiterhin „von erheblicher Bedeutung"; sie werde im\nNorden durch Zugangsprobleme, im Suden und Osten durch Sicherheitsprobleme\nerschwert (S. 27). Die medizinische Versorgung sei vollig unzureichend, selbst\nin Kabul (S. 27). Ruckkehrer konnten „auf Schwierigkeiten stoßen", wenn sie\naußerhalb eines Familienverbandes oder nach langerer Abwesenheit im westlich\ngepragten Ausland zuruckkehrten und ihnen ein soziales oder familiares\nNetzwerk sowie ortliche Kenntnisse fehlten (S. 6, 27). Freiwillige Ruckkehrer\nzu ihren Angehorigen und zum Teil auch in die ehemaligen Unterkunfte\nstrapazierten die nur sehr knappen Ressourcen an Wohnraum und Versorgung noch\nweiter (S. 28). UNHCR habe mit verschiedenen Organisationen eine Vereinbarung\nuber die Errichtung von Unterkunften geschlossen; bis Ende 2003 seien knapp\n70.000 gebaut worden, 2004 wegen fehlender Finanzen nur noch 27.000 (S. 29).\nDie Fortsetzung der Hilfsoperationen von UNHCR und IOM (International\nOrganisation for Migration) seien von neuen Unterstutzungszusagen der\nGeberlander abhangig (S. 29). \n--- \n| 55 \n--- \n| Schon dieses vom Auswartigen Amt gezeichnete Bild erscheint außerst duster. \n--- \n| 56 \n--- \n| Noch dusterer stellt es sich nach dem „Bericht uber eine Untersuchung in\nAfghanistan im Zeitraum Marz/April 2005" dar („Ruckkehr nach Afghanistan" v.\nJuni 2005, herausgegeben v. Informationsverbund Asyl e.V. und der Stiftung Pro\nAsyl, verfasst v. Rechtsanwaltin V. Arendt-Rojahn, Vizeprasidentin des VG\nFrankfurt/Main E. Buchberger, Rechtsanwalt A. Schreckmann, Rechtsanwalt V.\nPfaff u. M. B. El- Mogaddedi, im Folgenden „Bericht"). Hierin wird aufgrund\nvon Beobachtungen und Gesprachen mit fachkundigen Personen in Afghanistan im\nGroßen und Ganzen in Übereinstimmung mit dem Auswartigen Amt im Einzelnen\ndargelegt: Afghanistan gehore zu den armsten Landern der Welt. Etwa 70 % der\nBevolkerung litten an Unterernahrung. Fur 2005 sei mit Pakistan und Iran die\nRuckkehr von 700.000 Fluchtlingen vereinbart. Die meisten europaischen Lander\nhielten - anders als Deutschland bezuglich seiner etwa 16.000 Fluchtlinge -\nzwangsweise Ruckfuhrungen derzeit fur verfruht. Danemark, Frankreich,\nGroßbritannien und die Niederlande hatten sog. Drei-Parteien-Abkommen jeweils\nmit Afghanistan und UNHCR zur Regelung der Ruckkehr afghanischer Fluchtlinge\ngeschlossen, in deren Rahmen sie auch nicht freiwillige Ruckfuhrungen\nvornahmen, auch mit Pakistan, Iran und Australien bestunden derartige\nAbkommen. Ein entsprechendes Abkommen mit Deutschland sei dagegen im Januar\n2005 nicht zustande gekommen. Neben der Arbeitslosigkeit sei die\nObdachlosigkeit das großte Problem fur Ruckkehrer. Das Land sei dem Zustrom\nder Ruckkehrer nicht mehr gewachsen. Ohne Obdach sei es unmoglich, Arbeit zu\nbekommen (alles S. 1). Fast die Halfte des afghanischen Etats von 678\nMillionen (US-) Dollar entfalle auf das Innen- und das\nVerteidigungsministerium (S. 3), wahrend dem Ministerium fur Fluchtlinge und\nRepatriierung nur ca. 2 Millionen Dollar zur Verfugung stunden. Von den von\nden Geberlandern versprochenen 13,4 Milliarden Dollar seien etwa 9 Milliarden\nin den Hilfsfonds eingeflossen, davon seien nur 3,9 Milliarden freigegeben.\nDie Anwesenheit von uber 2.000 Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) mindere\ndie Defizite wegen oft eigennutziger Interessen und des Beitragens zur\nWohnungsverknappung und zur Mietpreisexplosion nicht (S. 4). Die\nRuckkehrerproblematik uberfordere Staat und Gesellschaft vollig, was zur\nSteigerung der - auch organisierten - Kriminalitat beitrage (S. 5). Im Rahmen\ndes Programms zur Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration (sog. DDR-\nProgramm) seien rund 45.000 Personen entwaffnet und knapp 40.000 auch\ndemobilisiert worden, von denen 38.000 an aus Fordermitteln finanzierten\nArbeitsbeschaffungsmaßnahmen teilnahmen. Sie traten mit den Ruckkehrern in\nKonkurrenz (S. 6). Der Aufbau der Justiz sei uber Anfange nicht hinausgekommen\n(S. 7). Die medizinische Versorgung sei vollig unzureichend (S. 8).\nVersorgungsbedurftige Alte und Kranke hatten außerhalb der Großfamilie kaum\nÜberlebenschancen (S. 12). Ruckkehrer aus Europa, die nicht mehr in die eigene\nFamilie zuruckkehren konnten, konnten auch nicht mehr auf ein soziales Netz\nder Nachbarschaftshilfe zuruckgreifen (S. 13). Die Ruckforderung einer\nImmobilie sei mit großten Schwierigkeiten verbunden (ebenfalls S. 13). Der\nunbestrittene Besitz von Grundeigentum sei aber unabdingbare Voraussetzung fur\ndie Zuteilung von Baumaterial fur eine Unterkunft durch UNHCR. Seit Fruhjahr\n2002 seien mehr als 3 Millionen Menschen mit UN-Unterstutzung zuruckgekehrt,\ndavon etwa 2,3 Millionen aus Pakistan und 800.000 aus Iran. Daneben gebe es\neine erhebliche Zahl von nicht registrierten Ruckkehrern. UNHCR sei\ngrundsatzlich nur fur die registrierten Fluchtlinge zustandig, die Unterkunft\nfur eine Nacht erhielten und am nachsten Tag registriert und weitergeleitet\nwurden, jedenfalls aber das Lager verlassen mussten (S. 14). Sie erhielten je\nnach Entfernung vom Herkunftsort zwischen 4 und 34 Dollar Reisegeld und ein\nStartgeld von 12 Dollar. Da die Ruckkehr in die Herkunftsregion nur bedingt\ngelinge, seien die großen Stadte enorm angewachsen, was die ohnehin kaum\nvorhandene Infrastruktur belaste und die Regierung vor schier unlosbare\nProbleme stelle; eines der großten davon sei die Obdachlosigkeit. Die\nMietpreise in Kabul seien auch dank der NGOs exorbitant in die Hohe geschossen\nund uberstiegen selbst mittelstandische Monatseinkommen bei weitem. Auf dem\nArbeitsmarkt stunden die Ruckkehrer in Konkurrenz zur ubrigen Bevolkerung, fur\ndie selbst schon keine Arbeit vorhanden sei (alles S. 15). Akademiker wurden\nbei Hilfsorganisationen unterwertig beschaftigt und verdrangten damit andere.\nRuckkehrer ohne Grundeigentum, Aufnahme in einer Familie oder Unterkunft und\nLebensgrundlage in einer Stadt konnten entweder in das Ausgangsland\nzuruckkehren oder in einem der Camps landen, die sich an verschiedenen Orten\n(Kabul, Mazar-e-Sharif, Herat, Jalababad) als slumartige Lager entwickelt\nhatten. Im letzten Winter habe es seitens der Hilfsorganisationen dort je\neinen Sack Kohle und Mehl a 49 kg pro Familie, 5 Liter Öl und 2 Decken\ngegeben. Es seien Frauen, Kinder und alte Menschen gestorben. Die afghanische\nRegierung wolle keine Unterstutzung gewahren, etwa durch Zelte, um eine\nVerfestigung zu vermeiden, sondern andere Losungen finden (alles S. 16), z.B.\nin Ruinen. Auch UNHCR wolle eine Zeltkultur vermeiden und daher keinen\nweiteren Zuwachs fordern. Regierungsvertreter und NGOs wurden zu helfen\nversuchen, aber das Ausmaß des Elends sei so gewaltig, dass die meisten ohne\nHilfe auskommen mussten (S. 17). Die Regionen der großen Stadte, vor allem\nKabul, sahen sich einem nicht zu bewaltigenden Fluchtlingsstrom gegenuber, der\nnicht abbreche, weil Pakistan und Iran auf Ruckkehr drangten. Jeder Ruckkehrer\nohne große finanzielle Mittel stelle eine nicht verkraftbare Belastung dar.\nAbgeschobene Personen fielen weder unter das Mandat von UNHCR noch der IOM\n(International Organisation for Migration). Hilfe konne insoweit nur im Rahmen\ntrilateraler Abkommen geleistet werden. Ohne Aufnahme in den Schutz einer\nFamilie erscheine die Ruckkehr außerst schwierig und sei fur bestimmte\nPersonengruppen ausgeschlossen (alles S. 20). Die geschilderten\nWohnungsprobleme bestunden besonders auch fur Ruckkehrer (S. 21). Das Angebot\nan Arbeit durch die NGOs sei gesattigt. Sie stellten auch hohe Anforderungen\nwie englische Sprachkenntnisse. Mangels Wachstum und eigener Produktion gebe\nes in anderen Bereichen nur schwer Arbeit, allenfalls als ambulanter\nStraßenhandler, wovon es aber schon unzahlige gebe. Landwirtschaft falle wegen\nder Verminung der Felder weitgehend aus (alles S. 22). Hilflos außerhalb des\nFamilienverbandes seien neben Frauen auch Kranke und Alte (S. 23). \n--- \n| 57 \n--- \n| Ein ahnliches Bild zeichnet der Sachverstandige Dr. D. (Stellungnahme v.\n24.07.2004 an OVG Bautzen): Die Verhaltnisse, mit denen sich abgeschobene\nAsylbewerber konfrontiert sehen wurden, seien katastrophal zu nennen. Die\nsoziale Lage in Afghanistan mache es Ruckkehrern praktisch unmoglich, sich\neine Existenz aufzubauen. Innerhalb kurzester Zeit hatten 1,5 Millionen\nRuckkehrer Kabul uberschwemmt, wo sich die Hilfsorganisationen nicht in der\nLage gesehen hatten, fur eine derartige Masse Menschen Nahrungsmittel und\nUnterkunfte zu stellen und ihnen eine wirtschaftliche Perspektive zu eroffnen\n(S. 46). Internationale Organisationen legten bei der Auswahl der\nHilfsbedurftigen strenge Maßstabe an und unterstellten einem Ruckkehrer aus\nEuropa die finanzielle Besserstellung. Das Heer der Tagelohner und\nArbeitslosen lasse die Aussicht auf Arbeit gering erscheinen (S. 47). In den\nZeltlagern seien die hygienischen Verhaltnisse ebenfalls katastrophal. Von der\nBevolkerungszahl von uber 3 Millionen in Kabul sei etwa die Halfte mittellose\nFluchtlinge, weshalb die Hilfsangebote nur einen kleinen Teil erreichten (S.\n48). In anderen Landesteilen sei die Situation noch aussichtsloser.\nLebensmittelpreise und Mieten seien in astronomische Hohen gestiegen, auch\nwegen der zahlreichen Helfer (S. 49). Von den den Hilfsorganisationen\nzugeflossenen Mitteln entfalle fast ein Viertel auf die Gehalter, ein weiterer\nTeil fließe in dunkle Kanale (S. 50). Wenn ein Ruckkehrer, der seine eigene\nExistenz nicht sichern konne, nicht auf Unterstutzung im Lande, etwa durch\nverwandtschaftliche Beziehungen, rechnen konne, sei die Versorgung in einem\nlebensbedrohlichen Maß ungesichert (S. 50). \n--- \n| 58 \n--- \n| Aus den Verlautbarungen von UNHCR selbst ergibt sich folgendes Bild: Er\nbeziffert die Zahl der Ruckkehrer seit Ende 2001 auf 3,5 Millionen mit UNHCR-\nHilfe und weitere 700.000 ohne solche. Die Entscheidung der pakistanischen\nRegierung zur Schließung von Fluchtlingslagern mit der Folge starken\nAnwachsens der Ruckkehrwilligen habe die UNHCR-Operationen unter signifikanten\nDruck gebracht. Es seien Programme zur Ansiedlung in den Herkunftsgebieten\nentwickelt worden und dazu 24.000 Ruckkehrer-Unterkunfte im ganzen Land gebaut\nworden. Mit Iran sei eine Verlangerung des Drei-Parteien-Abkommens bis Marz\n2006 erreicht worden. Die Prioritat fur 2005 bleibe die freiwillige Ruckkehr\naus Pakistan und Iran. Es werde mit der Überwachung sowohl freiwillig wie\ngezwungen Zuruckkehrender fortgefahren, auch am Flughafen Kabul aus Nicht-\nNachbarstaaten, woher bis Ende August 2005 1.237 Personen zuruckgefuhrt worden\nseien, die Mehrheit aus Großbritannien im Rahmen des Drei-Parteien-Abkommens\n(s. UNHCR „Afghan Operation Update" Sept. 2005). Das Maximum an Ruckkehrern\naus Pakistan und Iran werde 2005/2006 erwartet. Eine Herausforderung werde\n2006 die Beschaffung von Behausung und Land fur die Ruckkehrer sein, eine\nandere der hohe Anteil an Ruckkehrern ohne regulare Einkommensquelle (10 %)\noder abhangig von Lohnarbeit (25 %) (s. UNHCR „Country Operations Plan -\nOverview, Planning Year 2006" v. 01.09.2005). Die von UNHCR unterstutzte\nRuckkehr laufe so ab, dass in einem entsprechenden Zentrum in Pakistan oder\nIran bzw. - bei ferneren Landern - in einem UNHCR-Buro Registrierung und\nUnterschrift vorgenommen wurden. Nach Einreise musse dann beim nachsten\nZahlungszentrum eine Vorstellung erfolgen, bei der 12 Dollar\nNiederlassungshilfe als Ersatz fur fruhere Lebensmittelhilfe ausbezahlt\nwurden. Die Zahl dieser Zentren sei 2004 von 12 auf 8 reduziert worden. 2002\nbis 2004 seien fast 78 Millionen Dollar an derartigen Barzahlungen erfolgt.\n2005 wurden etwa 705.000 Ruckkehrer erwartet, wofur 13 Millionen Dollar\nveranschlagt seien (UNHCR „Voluntary Repatriation" v. 23.08.2005). Etwa 45 %\nder freiwilligen Ruckkehrer in stadtische Gebiete verließen sich auf\nTagelohnerarbeit als erste Einkommensquelle (UNHCR „Protection" v.\n23.08.2005). Die in 25 Jahren zerstorten Unterkunfte betrugen etwa 500.000.\nViele Ruckkehrer hatten keine Wahl als mit Verwandten oder Freunden in oft\nuberfullten Unterkunften zu leben. Bei der Versorgung mit Baumaterial hatten\nFamilien mit Land aber ohne Mittel Prioritat (UNHCR „Shelter" v. 23.08.2005).\nDer Mangel an Beschaftigungsverhaltnissen sei das großte Hindernis fur die\nReintegration der Ruckkehrer (UNHCR „Income & Coexistence" v. 23.08.2005). \n--- \n| 59 \n--- \n| Der Presse ist weiter zu entnehmen: Kabul ist in den letzten drei Jahren die\nam schnellsten wachsende Stadt der Welt mit einem Wachstum von 1 auf 3\nMillionen (NZZ v. 04.10.2005). Die Fluchtlinge in Kabul hausen in zerrissenen\nPlachen des UNO-Fluchtlingswerks entlang der Ausfallstraßen (ebenfalls NZZ v.\n04.10.2005). Der Wiederaufbauprozess bleibt weiter hinter den Planungen zuruck\n(FAZ v. 09.09.2005 u. Die Welt v. 30.07.2005). Von den 2.600 NROs werden viele\nder Verschwendung beschuldigt (FR v. 15.08.2005 u. FAZ v. 04.06.2005). Die\nNROs verdrangen private Firmen aus dem Baugewerbe, weshalb bereits ein\nbeschrankendes Gesetz erlassen worden ist (FAZ v. 04.06.2005 u. FR v.\n18.05.2005). Der vergangene Winter hat laut Deutschem Rotem Kreuz den Menschen\nsehr zugesetzt (AP v. 20.05.2005). Afghanistan ist eines der armsten Lander\nder Welt, mehr als die Halfte der Bevolkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze\n(Stern v. 21.02.2005). \n--- \n| 60 \n--- \n| Weiter ist bei der Beurteilung zu berucksichtigen, dass die internationalen\nHilfsorganisationen derzeit auch wegen anderer internationaler Katastrophen\nstark gefordert sind. Nach der allgemeinkundigen Tsunami-Katastrophe in\nSudost-Asien hat der UN-Generalsekretar im Oktober 2005 einen dramatischen\nHilfsappell wegen des Erdbebens in Pakistan mit mehr als 3 Millionen\nObdachlosen an die Weltoffentlichkeit gerichtet (SZ v. 27.10.2005). UNHCR und\ndas Welternahrungsprogramm WFP haben an die Geberlander appelliert, der\nReduzierung von Nahrungsmittelhilfe fur Afrikas Fluchtlinge ein Ende zu setzen\n(UNHCR-Veroffentlichung v. 14.09.2005). \n--- \n| 61 \n--- \n| In Wurdigung dieser Gesamtumstande muss zur Überzeugung der Kammer zwar\nnicht befurchtet werden, dass bei einer Ruckkehr jeder afghanische\nStaatsangehorige „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten\nVerletzungen ausgeliefert" wurde. Das muss aber fur die Bevolkerungsgruppe der\nlangjahrig in Europa ansassigen nicht freiwillig zuruckkehrenden Fluchtlinge\nangenommen werden, die nicht auf den Ruckhalt von Verwandten oder\nBekannten/Freunden in Afghanistan und/oder dortigen erreichbaren Grundbesitz\nzuruckgreifen konnen und/oder uber fur ein Leben am Existenzminimum\nausreichende Ersparnisse verfugen und die deshalb außer Stande sind, aus\neigener Kraft fur ihre Existenz zu sorgen. \n--- \n| 62 \n--- \n| Denn diese Ruckkehrer haben keinerlei realistische Chance, der\nObdachlosigkeit und der Arbeitslosigkeit zu entgehen. Ein Unterkommen ware\nallenfalls in den Zeltlagern denkbar, die aber bereits uberfullt sind und\nderen Verfestigung und Vergroßerung von den Hilfsorganisationen nicht\ngewunscht wird mit der Folge, dass diese keine weiteren Zelte zur Verfugung\nstellen. Selbst eine Betatigung als Tagelohner ist angesichts des Heeres von\nfreiwilligen Ruckkehrern, die sich um solche Einkommensquellen bemuhen, so gut\nwie ausgeschlossen. Die abgeschobenen Ruckkehrer unterfallen auch nicht dem\nMandat von UNHCR und konnen deshalb auch nicht mit ausreichender humanitarer\nHilfe rechnen. Insgesamt sind die Hilfsorganisationen durch den gewaltigen\nZustrom der freiwilligen Ruckkehrer, insbesondere aus Pakistan und Iran, der\nauch im Jahr 2006 anhalten wird, derart an ihre Grenzen gestoßen, dass sie\nzusatzliche nicht freiwillige Ruckkehrer, deren Betreuung und Versorgung\nfolglich auch nicht vorbereitet werden kann und die nicht fur sich selbst\nsorgen konnen, nicht mehr verkraften konnen. Solche Ruckkehrer sind daher der\nernstlichen Gefahr ausgesetzt, mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen\nsicheren Hungertod ausgeliefert zu sein. Diese Gefahr verstarkt sich noch\ndurch den bevorstehenden Winter. \n--- \n| 63 \n--- \n| Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass bereits uber 1.000 afghanische\nStaatsangehorige nicht freiwillig zuruckgekehrt, sondern zwangsweise\nzuruckgefuhrt worden sind, ohne dass bekannt geworden ware, dass sie dem\nHungertod zum Opfer gefallen seien oder auch nur ernsthaft davon bedroht\ngewesen waren. Denn diese Ruckfuhrungen erfolgten samtlich im Rahmen der\nabgeschlossenen Drei-Parteien-Vereinbarungen, in der Mehrzahl aus\nGroßbritannien. Sie waren deshalb auch in Afghanistan vorbereitet und\nbegleitet, wahrend dies bei Abschiebungen aus Deutschland mangels eines\nsolchen Abkommens nicht der Fall ist (entgegen den noch im Urteil v.\n24.04.2002 - A 10 K 10307/98 - geaußerten Erwartungen der Kammer). \n--- \n| 64 \n--- \n| Auch die Zahl der in Afghanistan tatigen Hilfsorganisationen vermag an\ndieser Beurteilung nichts zu andern. Immerhin konnten sie nicht verhindern,\ndass - wie erwahnt - in den Fluchtlingslagern bereits geschwachte Menschen zu\nTode gekommen sind. Auch ist die hohe Zahl deswegen zu relativieren, weil\ngegen zahlreiche NGOs Vorwurfe der Eigennutzigkeit erhoben werden und deshalb\nZweifel an ihrer Effektivitat angebracht erscheinen. \n--- \n| 65 \n--- \n| Der Klager gehort auch der genannten Gruppe an. Er hat in der mundlichen\nVerhandlung glaubhaft bekundet, zwar bei seiner Ausreise noch Familie im Raum\nKandahar gehabt zu haben, namlich seine Eltern und eine jungere Schwester. Zu\ndiesen habe er aber nach ihrer im Fruhjahr 2001 erfolgten telefonischen\nÄußerung der Absicht, diesen Raum wegen des drohenden Krieges zu verlassen,\nseit kurz nach seiner Einreise ins Bundesgebiet keinen Kontakt mehr gehabt.\nSie seien dort telefonisch nicht erreichbar und hatten sich seither nicht mehr\nbei ihm bzw. seinem Onkel gemeldet. Unter den allgemeinkundigen Umstanden, die\nseither die Umwalzungen in Afghanistan bewirkt haben, ist die hieraus gezogene\nSchlussfolgerung des Klagers, dass sich seine Familie nicht mehr dort\naufhalte, nicht nur nachvollziehbar, sondern uberwiegend wahrscheinlich. Ob\nsie sich anderswo in Afghanistan aufhalt, ist unklar. Dass der Klager sie ggf.\nan einem anderen Ort in Afghanistan zu finden vermag, ist so gut wie\nausgeschlossen. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Klager\nbei einer Ruckkehr nach Afghanistan in das Netz einer Familie aufgenommen\nwerden kann. Auch dass er dort uber Grundbesitz verfugt, kann unter diesen\nUmstanden nicht ernsthaft unterstellt werden. Dass der Klager als\nAuszubildender in Deutschland keine Ersparnisse anhaufen konnte, die ihm ein\nLeben am Existenzminimum in Afghanistan erlauben, glaubt ihm die Kammer\nebenfalls, weil es der Lebenserfahrung entspricht. \n--- \n| 66 \n--- \n| Deshalb kommt es nicht darauf an, ob eine andere Beurteilung geboten ware,\nwenn der Klager noch Familie im Raum Kandahar hatte; in diesem Fall ware zu\nerwagen, ob ihm die Ruckkehr dorthin angesichts der dortigen\nSicherheitsprobleme u.a. mit den Taliban (dazu Auswartiges Amt, Lagebericht\nvom 21.06.2006, S. 13 und S. 30 zur Straße Kabul - Kandahar) moglich und\nzumutbar ware. \n--- \n| 67 \n--- \n| III. Da dem Klager somit in verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7\nAufenthG Abschiebungsschutz zu gewahren ist, ist der angefochtene Bescheid\naufzuheben, soweit er entgegensteht. Das betrifft insbesondere Nr. 3 des\nBescheids und die unter dessen Nr. 4 verfugte Abschiebungsandrohung, soweit\nAfghanistan in ihr nicht als Staat bezeichnet worden ist, in den der Klager\nnicht abgeschoben werden darf, sondern als Zielstaat der Abschiebung benannt\nworden ist (§§ 34 Abs. 1 S. 1 AsylVfG, 59 Abs. 1, Abs. 3 S. 2 AufenthG). Im\nÜbrigen bleibt die Rechtmaßigkeit der Androhung dagegen unberuhrt (§ 59 Abs. 3\nS. 3 AufenthG). \n--- \n| 68 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 S. 1, 162 Abs. 3 VwGO, wobei\ndie Kammer das Unterliegen des Klagers mit ¾, sein Obsiegen mit ¼ bewertet;\ndas Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83 b AsylVfG). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 13 \n--- \n| Das Gericht konnte in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten sowie des\nBundesbeauftragten fur Asylangelegenheiten uber die Klage verhandeln und\nentscheiden, da von der Beklagten auf die Einhaltung der Ladungsfrist und vom\nBundesbeauftragten auf die Formlichkeiten der Ladung uberhaupt verzichtet\nwurde (Schriftsatze v. 04.02.1994 u. 31.07.1995). \n--- \n| 14 \n--- \n| Nach der maßgebenden Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen\nEntscheidung (§ 77 Abs. 1 Halbs. 1 AsylVfG) ist der Streitgegenstand neu zu\nbestimmen. Denn mit Außerkrafttreten des Auslandergesetzes am 01.01.2005 und\ngleichzeitig mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes wurde § 51 Abs. 1\nAuslG durch § 60 Abs. 1 AufenthG und § 53 AuslG durch § 60 Abs. 2 bis 7\nAufenthG ersetzt (vgl. Art. 1 u. 15 Abs. 3 Nr. 1 ZuwandG). Da das Bundesamt\ninfolge der Klageerhebung und der dadurch gem. § 77 Abs. 1 Halbs. 1 AsylVfG\nbewirkten Hinausschiebung der maßgebenden Sach- und Rechtslage verpflichtet\nist, die Rechtmaßigkeit seines Bescheides bis zur gerichtlichen Entscheidung\nfortlaufend unter Kontrolle zu halten, musste es heute feststellen, dass die\nVoraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG oder Abschiebungshindernisse nach §\n60 Abs. 2 bis 7 AufenhaltG vorliegen (vgl. §§ 13 Abs. 1, 2, 24 Abs. 2, 31 Abs.\n2, Abs. 3 S. 1 AsylVfG). Seine noch nicht bestandskraftigen Entscheidungen zum\nNicht-Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und von\nAbschiebungshindernissen nach § 53 AuslG erstrecken sich daher ungeachtet\ndessen, dass insoweit eine Übergangsregelung fur anhangige\nasylverfahrensrechtliche Streitigkeiten fehlt, nunmehr kraft Gesetzes auf das\nNicht-Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG einerseits und\nvon Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG andererseits. Die\nzulassige Klage ist nur zum Teil begrundet. Dem Klager steht der geltend\ngemachte Anspruch auf Asylanerkennung und auf Feststellung der Voraussetzungen\ndes § 60 Abs. 1 AufenthG nicht zu (I.); auch der Hilfsantrag auf Feststellung\ndes Vorliegens von Abschiebungshindernissen hat nur teilweise Erfolg (II.).\nDie Abschiebungsandrohung des Bundesamtes ist ebenfalls teilweise rechtswidrig\nund verletzt den Klager insoweit in seinen Rechten (III.). \n--- \n| 15 \n--- \n| I. Politische Verfolgung liegt vor, wenn dem Einzelnen durch seinen\nHeimatstaat oder durch Maßnahmen Dritter, die diesem Staat zurechenbar sind,\nin Anknupfung an seine politische Überzeugung, seine religiose\nGrundentscheidung oder fur ihn unverfugbare Merkmale, die sein Anderssein\npragen (z. B. seine Ethnie oder Volkszugehorigkeit), gezielt\nRechtsgutverletzungen zugefugt werden, die ihn nach ihrer Intensitat und\nSchwere aus der ubergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit\nausgrenzen (BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, BVerfGE 80, 315, 333 ff.). \n--- \n| 16 \n--- \n| Als derartige Rechtsgutverletzungen kommen zunachst Verfolgungsmaßnahmen mit\nGefahr fur Leib und Leben oder Beschrankungen der physischen\n(Bewegungs-)Freiheit in Betracht. Erheblich sind indes auch etwa\nBeschrankungen des Rechts auf freie Religionsausubung, wenn diese nach ihrer\nIntensitat und Schwere die Menschenwurde verletzen (BVerfG, Beschl. v.\n02.07.1980, BVerfGE 54, 341, 357; B. v. 02.07.1987, BVerfGE 76, 143, 158),\nwenn der Glaubige mit anderen Worten durch die ihm auferlegten Einschrankungen\nund Verhaltenspflichten als religios gepragte Personlichkeit in ahnlich\nschwerer Weise wie bei Eingriffen in die korperliche Unversehrtheit oder die\nphysische Freiheit in Mitleidenschaft gezogen wird (BVerfG, Urt. v.\n25.10.1988, BVerfGE 80, 321, 324 m. w. N. und BVerwG, Urt. v. 20.01.2004,\nBVerwGE 120, 16). \n--- \n| 17 \n--- \n| Da das Asylgrundrecht auf dem Zufluchtgedanken beruht und von seinem\nTatbestand her grundsatzlich den Kausalzusammenhang Verfolgung - Flucht - Asyl\nvoraussetzt (BVerfG, Beschl. v. 26.11.1986, BVerfGE 74, 51, 60, sowie Beschl.\nv. 10.07.1989, a. a. O., S. 344), ist von wesentlicher Bedeutung, ob der\nAsylbewerber verfolgt oder unverfolgt ausgereist ist. Beachtliche\nWahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung bei Ruckkehr wird fur die\nAnerkennung des unverfolgt Ausgereisten als asylberechtigt verlangt. Ergibt\ndie ruckschauende Betrachtung dagegen, dass der Asylsuchende "vorverfolgt",\nalso bereits verfolgt gewesen oder vor unmittelbar mit beachtlicher\nWahrscheinlichkeit drohender politischer Verfolgung geflohen ist, so kommt die\nAsylgewahrung regelmaßig nur dann nicht in Betracht, wenn er in seinem eigenen\nStaat wieder Schutz finden und eine Verfolgungswiederholung mit hinreichender\nSicherheit ausgeschlossen werden kann (BVerfG, Beschl. v. 26.11.1986, a. a.\nO., S. 64 ff. u. v. 10.07.1989, a. a. O., S. 344 ff.; BVerwG, Urt. v.\n15.05.1990, BVerwGE 85, 139 u. v. 20.11.1990, BVerwGE 87, 152). Dieser\nherabgestufte Prognosemaßstab setzt aber eine Verknupfung zwischen erlittener\nund kunftig drohender Verfolgung fur die Frage der Schutzgewahrung voraus.\nEine situationsbedingte Vorverfolgung fuhrt daher nur bei der Gefahr der\nWiederholung einer gleichartigen Verfolgung zur Anwendung des herabgestuften\nMaßstabs. Er ist nur dann anzuwenden, wenn bei einer am Gedanken der\nZumutbarkeit der Ruckkehr ausgerichteten wertenden Betrachtung ein innerer\nZusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und der mit dem Asylbegehren\ngeltend gemachten Gefahr erneuter Verfolgung dergestalt besteht, dass bei\nRuckkehr des Asylsuchenden mit einem Wiederaufleben der bereits einmal\nerlittenen Verfolgung zu rechnen ist oder nach den gesamten Umstanden das\nRisiko der Wiederholung einer gleichartigen Verfolgung besteht. Ist die\n(vermutete) politische Überzeugung oder Gesinnung des Asylsuchenden\nAnknupfungspunkt der Verfolgung, ist zu prufen, ob eine darauf beruhende\nVorverfolgung auch unter veranderten politischen Verhaltnissen - wie etwa bei\neinem Regimewechsel - ein Wiederholungsrisiko indiziert (BVerwG, Urt. v.\n18.02.1997, BVerwGE 104 ,97). \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Glaubhaftmachung der Asylgrunde setzt eine schlussige, nachprufbare\nDarlegung voraus. Der Asylsuchende muss unter Angabe genauer Einzelheiten\neinen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr\nunterstellt - ergibt, dass ihm bei verstandiger Wurdigung politische\nVerfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Jedenfalls im Bezug auf\ndie in seine eigene Sphare fallenden Ereignisse und personlichen Erlebnisse\nhat er eine Schilderung abzugeben, die geeignet ist, seinen Anspruch luckenlos\nzu tragen (BVerwG, Urt. v. 24.03.1987, Buchholz 402.25, § 1 AsylVfG Nr. 64 m.\nw. N.). Ein im Laufe des Asylverfahrens sich widersprechendes oder sich\nsteigerndes Vorbringen kann die Glaubwurdigkeit des Asylsuchenden in Frage\nstellen; berichtigt der Asylsuchende in einem spateren Vortrag sein fruheres\nVorbringen, so muss er uberzeugende Grunde darlegen, weshalb sein fruheres\nVorbringen falsch gewesen ist, will er nicht den Eindruck der\nUnglaubwurdigkeit erwecken (BVerwG, Urt. v. 12.11.1985, Buchholz 402.25, § 1\nAsylVfG Nr. 41). \n--- \n| 19 \n--- \n| Vorverfolgung kann fur den Klager nicht angenommen werden, obwohl er in der\nmundlichen Verhandlung den Aktenvermerk des Bundesamtes vom 03.08.2000 nicht\nbestatigt hat, dass er bereits als Kleinkind nach Indien verbracht worden sei\nund seither nie in Afghanistan gelebt habe. Vielmehr hat er dies in der\nmundlichen Verhandlung dahin richtig gestellt, dass er nach Ruckkehr aus\nIndien fur einige Monate bei seinen Eltern in einem Ort nahe Kandahar gewesen\nsei. Er hat aber fur diese Zeit keine Ereignisse angegeben, die sich als auch\nnur unmittelbar drohende politische Verfolgung darstellen. Vielmehr soll man\nihn so gut wie gar nicht aus dem Haus gelassen haben. Zu den damals im Raum\nKandahar herrschenden Taliban kann er keinen Kontakt gehabt haben, weil er von\nderen Anwesenheit erklartermaßen nur vom Horen-Sagen gewusst hat. Diesem\nVortrag lasst sich eine politische Vorverfolgung des Klagers nicht entnehmen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Deshalb kommt es nicht darauf an, ob es dem Klager geglaubt werden kann,\ndass er auf dem Luftweg eingereist ist, obwohl er zum Nachweis keinerlei\nUnterlagen vorgelegt hat, oder ob er nicht vielmehr auf dem Landweg eingereist\nsein muss, was zur Folge hatte, dass er sich nicht auf Art. 16 a Abs. 1 GG\nberufen konnte (Art. 16 a Abs. 2 GG, § 26 a Abs. 1 AsylVfG). \n--- \n| 21 \n--- \n| Politische Verfolgung hat der damit unverfolgt ausgereiste Klager auch bei\nseiner Ruckkehr nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befurchten.\nSubjektive Nachfluchtgrunde sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Auch\nobjektive Nachfluchtgrunde liegen nicht vor. \n--- \n| 22 \n--- \n| Es ist z.T. allgemeinkundig (das sind u.a. Tatsachen, uber die sich\njedermann ohne besondere Fachkunde aus allgemein zuganglichen, zuverlassigen\nQuellen sicher unterrichten kann, vgl. z.B. Kopp/Schenke, VwGO, § 98 Rn. 23 u.\nDawin in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 108 Rn. 16, jeweils m.w.N.)\nund ergibt sich im Übrigen aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten\nErkenntnismitteln, dass die politischen und militarischen Ereignisse seit dem\n11.09.2001 in Afghanistan eine drastische Veranderung der Verhaltnisse mit\nsich gebracht haben. Diese lasst sich in groben Zugen wie folgt\nzusammenfassen: \n--- \n| 23 \n--- \n| Das fruhere Regime der Taliban, deren (quasi-)staatliche Macht Gegenstand\nrechtlicher Auseinandersetzungen war (vgl. nur z.B. BVerfG, Kammerbeschl. v.\n10.08.2000, InfAuslR 2000, 521, u. BVerwG, Urt. v. 04.11.1997 - 9 C 34.96 -,\nv. 19.05.1998 - 9 C 5.98 - u. v. 20.02.2001 - 1 C 30.00 - u.a.), wurde durch\ndie Truppen einer internationalen Koalition zumindest derart nachhaltig\ngeschwacht, dass im Dezember 2001 in Kabul eine Interimsregierung unter Hamid\nKarzai eingesetzt werden konnte. Dieser wurde im Juni 2002 von der Loya Jirga\nzum Interimsprasidenten gewahlt. Fur den Schutz des Landes und der Regierung\nwurde mit Mandat der Vereinten Nationen die International Security Assistance\nForce (ISAF) eingesetzt, an der auch deutsche Soldaten beteiligt sind.\nAußerdem bekampft die Operation „Enduring Freedom" weiterhin im Land\nverbliebene oder in Randgebieten wieder einsickernde Taliban- und Al Qaida-\nKampfer. Am 04.01.2004 wurde eine afghanische Verfassung mit einem\numfangreichen Menschenrechtskatalog verabschiedet, deren Überwachung der\nverfassungsrechtlichen Status genießenden Unabhangigen Afghanischen\nMenschenrechtskommission MRK obliegt. Im Oktober 2004 fanden\nPrasidentschaftswahlen statt, aus denen Hamid Karzai mit mehr als 55 Prozent\nals Sieger hervorging. Das UN-Mandat wurde vom UN-Sicherheitsrat im Marz 2005\num ein weiteres Jahr verlangert, worauf die Vereinten Nationen im September\n2005 vorzeitig das ISAF-Mandat verlangerten. Am 18.09.2005 fanden\nParlamentswahlen statt. Deren Ergebnis ist noch nicht offiziell verkundet.\nPolizei und Armee sind im Aufbau. Die Zentralregierung hat indessen keine\nlandesweite Macht. In zahlreichen Provinzen herrschen lokale Machthaber und\nKommandeure, deren Verhalten dem Einfluss der Zentralregierung entzogen ist. \n--- \n| 24 \n--- \n| Daruber, dass die Zentralregierung Personen oder Personengruppen politisch\nverfolgt, liegen keine Erkenntnisse vor (vgl. den Inhalt des Lageberichts des\nAuswartigen Amtes vom 21.06.2005). Schon deshalb kann landesweite Verfolgung\nnicht angenommen werden, sofern es in anderen Regionen politische Verfolgung\ndurch (quasi-)staatliche Akteure geben sollte. \n--- \n| 25 \n--- \n| Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass Hindus in Afghanistan im\nHinblick auf ihren Glauben mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und landesweit\neine Gruppenverfolgung bzw. gruppengerichtete Verfolgung droht. Das gilt\ninsbesondere fur Kabul. Der Sachverstandige Dr. D. (Stellungnahme v.\n05.02.2004 an VG Wiesbaden) ist in neuen Recherchen zu dem Ergebnis gelangt,\ndass dort 2000 bis 3000 Hindus leben, die versuchen, in ihren alten\nWohngebieten im Westen von Kabul unter dem Schutz der internationalen ISAF-\nTruppe ihre Kultur und Religion zu leben. Die Tempel seien wieder geoffnet,\nVersammlungen wurden abgehalten und einige kulturelle Institutionen seien\nentstanden. Von Verfolgungsmaßnahmen erwahnt der Sachverstandige nichts. Unter\ndiesen Umstanden scheidet eine gruppengerichtete landesweite Verfolgung von\nHindus in Afghanistan aus. \n--- \n| 26 \n--- \n| Der Klager hat auch keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des\n§ 60 Abs.1 AufenthG. Danach darf in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951\nuber die Rechtsstellung der Fluchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559 - Genfer\nFluchtlingskonvention, GFK) ein Auslander nicht in einen Staat abgeschoben\nwerden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion,\nStaatsangehorigkeit, seiner Zugehorigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe\noder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist (Satz 1). Dies gilt auch\nfur Auslander, die im Bundesgebiet die Rechtsstellung auslandischer\nFluchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als auslandische\nFluchtlinge im Sinne des Abkommens uber die Rechtsstellung der Fluchtlinge\nanerkannt sind (Satz 2). Eine Verfolgung wegen der Zugehorigkeit zu einer\nbestimmten sozialen Gruppe kann auch dann vorliegen, wenn die Bedrohung des\nLebens, der korperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das\nGeschlecht anknupft (Satz 3). Eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 kann\nausgehen von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder\nwesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) nichtstaatlichen\nAkteuren, sofern Staat, Parteien und Organisationen, die den Staat oder\nwesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, einschließlich\ninternationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht\nwillens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhangig davon,\nob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es\nsei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative (Satz 4). \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Bestimmung des § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG gibt - ebenso wie der bisherige\n§ 51 Abs. 1 AuslG - das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK wieder. Das\nBundesverwaltungsgericht hatte deshalb bereits zu § 51 Abs. 1 AuslG\nentschieden, dass die Vorschrift so auszulegen und anzuwenden ist, dass die\nBegriffe des Fluchtlings im Sinne der Art. 1 A Nr. 2, Art. 33 GFK und dem des\nvon politischer Verfolgung Bedrohten im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG\nubereinstimmen (BVerwG, Urt. v. 18.01.1994 - 9 C 48.92 -, BVerwGE 95, 42 m. w.\nN.). Auch und gerade mit Blick auf die nunmehr in § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG\naufgenommene ausdruckliche Verweisung auf die Anwendung der Genfer\nFluchtlingskonvention ist an dieser Rechtsprechung unverandert festzuhalten\n(BVerwG, Urt. v. 08.02.2005, DVBl 2005, 982). Eine wesentliche Rechtsanderung\ngegenuber der Vorlauferregelung des § 51 Abs. 1 AuslG durfte lediglich\ninsoweit eingetreten sein, als als Voraussetzung staatlicher Verfolgung - etwa\nin Burgerkriegsgebieten - im Hinblick auf § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG nicht mehr\nauf die effektive Gebietsgewalt des Staates abzustellen sein durfte (so noch\nBVerwG, Urt. v. 18.01.1994 a. a. O.), sondern unter bestimmten Umstanden auch\nvon nichtstaatlichen Akteuren ausgehen kann. Hiervon abgesehen ist weiter\ndavon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG\nhinsichtlich der Verfolgungshandlung, des anzuwendenden Prognosemaßstabs, des\ngeschutzten Rechtsguts und des politischen Charakters der Verfolgung mit den\nVoraussetzungen des Asylanspruchs nach Art. 16 a Abs. 1 GG ubereinstimmen\n(vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 18.02.1992, DVBl. 1992, 843). \n--- \n| 28 \n--- \n| Nach alledem ergibt sich aus den vorstehenden Ausfuhrungen zu Art. 16 a GG\nzugleich, dass auch ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60\nAbs. 1 AufenthG nicht gegeben ist. Es ist auch kein Anhaltspunkt dafur\nersichtlich, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG gegeben\nsein konnten. \n--- \n| 29 \n--- \n| II. Der Klager hat auch keinen Anspruch auf den hilfsweise begehrten\nAbschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG. Fur Folter (Absatz 2),\nTodesstrafe (Absatz 3) und ein formliches Auslieferungsersuchen (Absatz 4)\nfehlt es an jedem Anhaltspunkt. Auch fur ein Abschiebungshindernis nach § 60\nAbs. 5 AufenthG (Unzulassigkeit der Abschiebung nach der EMRK) bietet der\nVortrag des Klagers keine konkreten Anknupfungspunkte. Das ergibt sich\nsinngemaß schon aus den vorstehenden Ausfuhrungen zu Art. 16 a GG und § 60\nAbs. 1 AufenthG. \n--- \n| 30 \n--- \n| Dem Klager drohen bei einer unterstellten Ruckkehr aber landesweit Gefahren,\ndie ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 AufenthG begrunden. \n--- \n| 31 \n--- \n| Eine konkret - individuelle Gefahrdung gem. Satz 1 der Vorschrift im Fall\nder Ruckkehr nach Afghanistan hat der Klager allerdings nicht glaubhaft\ngemacht. Er beruft sich vielmehr nur auf allgemeine Gefahren im Sinne von Satz\n2. \n--- \n| 32 \n--- \n| Dennoch muss die Klage insoweit Erfolg haben. \n--- \n| 33 \n--- \n| Wegen Gefahren in Afghanistan, denen die Bevolkerung oder die\nBevolkerungsgruppe, der der Klager angehort, allgemein ausgesetzt ist, kann\ngrundsatzlich Abschiebungsschutz unmittelbar nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht\ngewahrt werden, da insoweit die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG\nentgegensteht. Danach konnen die Auswirkungen solcher allgemeiner Gefahren auf\nden einzelnen Auslander nur aufgrund einer Entscheidung der obersten\nLandesbehorde nach § 60 a Abs. 1 S. 1 AufenthG - die in Baden-Wurttemberg\nderzeit nicht vorliegt - zur Aussetzung der Abschiebung fuhren. \n--- \n| 34 \n--- \n| Eine Überwindung dieser Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG kommt\naber auf der Grundlage einer verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7\nAufenthG (vgl. hierzu grundsatzlich BVerwG, Urt. v. 12.07.2001, BVerwGE 114,\n379 zu § 53 Abs. 6 AuslG) in Betracht. Die Überwindung der Sperrwirkung setzt\nzum ersten voraus, dass dem betroffenen Auslander kein gleichwertiger Schutz\ngewahrt wird. Ist der Asylbewerber anderweitig in einer Form vor Abschiebung\ngeschutzt, die dem Schutz durch einen Erlass nach § 60 a Abs. 1 S. 1 AufenthG\nentspricht, so bedarf er nicht des zusatzlichen Schutzes der\nverfassungskonformen Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG. Außerdem dient es der\nVerfahrens- und Prozessokonomie, das Bundesamt und die Gerichte von der -\nunter Umstanden aufwandigen - Prufung der zweiten Voraussetzung, namlich einer\nextremen Gefahrenlage (dazu unten), zu entlasten, wenn der Aufenthalt des\nAuslanders wegen eines anderweitigen Bleiberechts oder\nAbschiebungshindernisses ohnehin nicht in engem zeitlichem Zusammenhang mit\ndem negativen Abschluss des Asylverfahrens beendet werden kann. Ebenso wie bei\n§ 60 a Abs. 1 AufenthG kommt es ausschließlich darauf an, ob der Erlass im\nmaßgeblichen Zeitpunkt besteht und anwendbar ist. Gleichwertig ist der\nanderweitige Schutz, wenn er dem entspricht, den der Auslander bei Vorliegen\neines Erlasses nach § 60 a Abs. 1 AufenthG hatte. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die danach maßgeblichen Voraussetzungen fur die Verpflichtung der Beklagten\nzur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 7 AufenthG\naufgrund einer allgemeinen Gefahrenlage liegen hier vor. Denn die Gewahrung\nvon Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7\nAufenthG scheitert fur den Klager nach dem obigen Maßstab nicht schon daran,\ndass ihm gleichwertiger Abschiebungsschutz aufgrund der derzeitigen Erlasslage\ngewahrt wird (unten 1.) und auch eine extreme Gefahrenlage liegt fur ihn vor\n(unten 2.). \n--- \n| 36 \n--- \n| 1\\. Da sich die Frage nach der Gleichwertigkeit auf den Abschiebungsschutz\nbezieht und beschrankt, ist es freilich rechtlich unerheblich, wenn eine\nErlasslage auch von der Moglichkeit der freiwilligen Ruckkehr der Betroffenen\nin ihren Heimatstaat ausgeht und deshalb die Erteilung einer\nAufenthaltsbefugnis fur Betroffene ausschließt. Folgt aus dem Nachrang der\nverfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG deren Nichtanwendung\ndann, wenn der Auslander bereits eine den vergleichbar wirksamen\nAbschiebungsschutz vermittelnde Duldung besitzt oder diese ihm aufgrund der\nauslanderrechtlichen Erlasslage gewahrt wird oder gewahrt werden muss, so\nkommt es nicht darauf an, ob der Schutz auf rechtlichen - insbesondere\ninlandsbezogenen - Abschiebungshindernissen, die auch die Zumutbarkeit der\nfreiwilligen Ruckkehr ausschließen, oder lediglich auf faktischen\nAbschiebungshindernissen beruht. Denn auch der auf § 60 a AufenthG beruhende\nAbschiebungsschutz umfasst keine Feststellung zur Zumutbarkeit einer\nfreiwilligen Ruckkehr, da er nach politischem Ermessen gewahrt wird.\nAbschiebungsschutz in diesem Sinne kann auch dann gewahrt werden, wenn dieser\nweder einfachgesetzlich noch verfassungsrechtlich zwingend geboten ist ( vgl.\nVGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 16.09.2004 - A 2 S 471/02 -, juris, zum Irak). \n--- \n| 37 \n--- \n| Aufgrund des derzeit vorliegenden Erlasses des Innenministeriums Baden-\nWurttemberg vom 15.04.2005, geandert am 01.08.2005 - 4-13-AFG/8 -, der auf den\nBeschlussen der Standigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der\nLander vom 19.11.2004 und vom 23./24.06.2005 beruht, werden afghanischen\nStaatsangehorigen auch Duldungen erteilt bzw. verlangert. Anders als nach der\nvorherigen Erlasslage sind (fur den mit Vorrang zuruckzufuhrenden\nPersonenkreis) diese Duldungen aber mit der „Auflage" zu versehen, dass sie\nerloschen, sobald der Auslander mit Beginn der Zwangsmaßnahme uber die\nAbschiebung in Kenntnis gesetzt wird, bzw. sie sollen grundsatzlich (sonstiger\nPersonenkreis) mit dieser „auflosenden Bedingung" erteilt werden (s. III. des\nErlasses). Dem liegt zugrunde, dass sich die Innenministerkonferenz einig war,\ndass nunmehr die Voraussetzungen fur den Beginn der Ruckfuhrung nach\nAfghanistan gegeben seien. Wer nicht unter eine - zusatzlich beschlossene -\nbesondere Bleiberechtsregelung (dazu unten) falle, musse ausreisen, sei es\nfreiwillig oder im Wege der Abschiebung (vgl. den Bericht „Konferenz der\nInnenminister und -senatoren Juni 2005 in Stuttgart" unter www.im.baden-\nwuerttemberg.de). Dementsprechend geht der Erlass davon aus, dass\ngrundsatzlich alle afghanischen Staatsangehorigen zwangsweise ruckgefuhrt\nwerden konnen. Es wird lediglich fur einen bestimmten Personenkreis (I. 1. und\n2. des Erlasses) ein Vorrang der Ruckfuhrung aufgestellt, der aber nichts\ndaran andert, dass auch die ubrigen afghanischen Staatsangehorigen der\nRuckfuhrungsmoglichkeit unterliegen, was lediglich unter dem Vorbehalt\nvorheriger Abstimmung mit dem Innenministerium steht. Nach dieser Regelung\nobliegt es folglich allein der von objektiven Umstanden, insbesondere in\nAfghanistan, unabhangigen Entschließung der mit der Ruckfuhrung betrauten\nBehorden, wann die erteilten Duldungen enden. Das kann jederzeit der Fall\nsein. Anders als nach der vorherigen Erlasslage (dazu noch Einzelrichterurteil\nder Kammer v. 01.04.2005 - A 10 K 11994/03 -, beruhend auf Kammerurteil v.\n18.05.2004 - A 10 K 11551/03 -) fehlt es damit an der Gleichwertigkeit des\ngegenwartigen Abschiebungsschutzes mit einem solchen nach § 60 a AufenthG, der\neine gewisse Bestandigkeit der Aussetzung der Abschiebung in Abhangigkeit von\neiner Veranderung der tatsachlichen Verhaltnisse oder doch jedenfalls der\npolitischen Entschließung beinhaltet. \n--- \n| 38 \n--- \n| Unerheblich ist es, dass fur einen bestimmten Personenkreis ein Bleiberecht\neingefuhrt wurde (vgl. Anordnung des Innenministeriums Baden-Wurttemberg nach\n§ 23 AufenthG fur afghanische Staatsangehorige v. 01.08.2005 - 4-13-AFG/13 -).\nDerartige Bleiberechtsregelungen haben - sofern nicht im Einzelfall zugunsten\ndes Betroffenen bereits von ihnen Gebrauch gemacht wurde, was beim Klager\nschon deshalb nicht der Fall sein kann, weil sein Asylverfahren noch anhangig\nist (vgl. IV. der Anordnung) - bei der Beurteilung des gleichwertigen\nAbschiebungsschutzes außer Betracht zu bleiben (vgl. BVerwG, Urt. v.\n12.07.2001, a.a.O.). Denn das wurde die Entscheidung des Gerichts mit den\nverbleibenden Unwagbarkeiten einer Inzidentprufung uber die voraussichtliche\nEntscheidung der Auslanderbehorde belasten, ohne Bindungswirkung zu entfalten. \n--- \n| 39 \n--- \n| Mithin oblag es der Kammer, die zweite Voraussetzung der\nverfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG zu prufen. \n--- \n| 40 \n--- \n| 2\\. Eine extreme Gefahrenlage ist fur den Klager gegeben. \n--- \n| 41 \n--- \n| Nach der standigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die\nKammer folgt, durfen das Bundesamt fur die Anerkennung auslandischer\nFluchtlinge (heute Bundesamt fur Migration und Fluchtlinge) und die\nVerwaltungsgerichte sich uber die in den Regelungen der §§ 53 Abs. 6 S. 1 und\n2, 54 AuslG (heute §§ 60 Abs. 7 S. 1 und 2, 60 a AufenthG) zum Ausdruck\nkommende gesetzgeberische Kompetenzentscheidung grundsatzlich nicht\nhinwegsetzen; sie haben diese Entscheidung des Bundesgesetzgebers wegen ihrer\nBindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) vielmehr zu respektieren. Sie\ndurfen daher im Einzelfall Auslandern, die einer gefahrdeten Gruppe angehoren,\nfur die ein Abschiebestopp nach § 54 AuslG (heute § 60 a AufenthG) nicht\nbesteht, nur dann ausnahmsweise Schutz vor einer Abschiebung in\nverfassungskonformer Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG (heute § 60 Abs. 7\nAufenthG) zusprechen, wenn keine anderen Abschiebungshindernisse nach § 53\nAuslG (heute § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG) gegeben sind, eine Abschiebung aber\nVerfassungsrecht verletzen wurde. Das ist (nur) dann der Fall, wenn der\nAuslander im Zielstaat der Abschiebung - regelmaßig dem Heimatstaat - einer\nextremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt ware, dass er im Falle seiner\nAbschiebung dorthin „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten\nVerletzungen ausgeliefert sein wurde" (vgl. grundlegend BVerwG, Urt. v.\n17.10.1995, BVerwGE 99, 324 ff., sowie Urt. v. 08.12.1998, BVerwGE 108, 77 ff;\nB. v. 25.10.1999, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 25; Urt. v. 12.07.2001,\na.a.O.). Dabei ist nicht erforderlich, dass die genannten Folgen sofort,\ngewissermaßen noch am Tag der Ankunft im Abschiebezielstaat, eintreten. Die\nGefahr besteht auch dann, wenn der Auslander mangels jeglicher Lebensgrundlage\ndem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden wurde (BVerwG, B. v.\n26.01.1999, NVwZ 1999, 668 = InfAuslR 1999, 265). Voraussetzung ist weiter,\ndass die extreme Gefahrenlage landesweit besteht oder ein Ausweichen nicht\nmoglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.1995, a.a.O., u. Urt. v. 02.09.1997,\nBVerwGE 105, 187 m. w. N.). \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Entscheidung, ob eine solche extreme Gefahrenlage vorliegt, ist von\njedem Gericht auf der Grundlage der von ihm verwerteten tatsachlichen\nErkenntnisse in eigener Verantwortung zu entscheiden (BVerwG, Urt. v.\n12.07.2001 - 1 C 5.01 - , juris). Sie ist stets anhand einer sogenannten\nGesamtschau, namlich mit Blick auf samtliche dem Auslander drohenden Gefahren\nzu beantworten (BVerwG, B. v. 25.02.2000, Buchholz a.a.O. Nr. 31).\nIndividuelle Gefahrdungen, die sich aus allgemeinen Gefahren im Sinn des § 60\nAbs. 7 S. 2 AufenthG ergeben, konnen dessen „Sperrwirkung" auch dann nicht\nuberwinden, wenn sie auch durch Umstande in der Person oder in den\nLebensverhaltnissen des Auslanders begrundet oder verstarkt werden, aber\ngleichwohl insgesamt nur typische Auswirkungen der allgemeinen Gefahrenlage\nsind (BVerwG, Urt. v. 08.12.1998, a.a.O. m. w. N.). \n--- \n| 43 \n--- \n| Es geht somit um die Frage, ob die allgemeinen in Afghanistan drohenden\nGefahren im Hinblick auf Minen, die Sicherheitslage und die Versorgungslage -\nund seien sie auch durch individuelle Umstande verstarkt - die Annahme einer\nextremen Gefahrenlage im bezeichneten Sinn rechtfertigen. Das ist jedenfalls\nbezuglich der Versorgungslage unter Berucksichtigung der beim Klager\nvorliegenden Besonderheiten der Fall. Denn die dargelegten - engen -\nVoraussetzungen liegen zur Überzeugung des Gerichts zum maßgeblichen Zeitpunkt\nder mundlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) vor. \n--- \n| 44 \n--- \n| Das ergibt sich allerdings noch nicht aus der Gefahrdung durch Minen.\nInsoweit hat die Kammer schon in ihrer bisherigen Rechtsprechung (z.B.\nEinzelrichterurt. v. 28.08.2002 -A 10 K 11964/02 -, zuruckgehend auf\nKammerurt. v. 24.04.2002 - A 10 K 10307/98 -) ausgefuhrt: \n--- \n| 45 \n--- \n| „Die Gefahr, Opfer einer der zahlreichen in afghanischem Boden liegenden\nMinen zu werden, besteht nicht mit der erforderlichen gesteigerten\nWahrscheinlichkeit. Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten\nErkenntnismitteln ... ergibt sich, dass die Vereinten Nationen von mindestens\n10 Millionen Minen ausgehen und dass im Durchschnitt jeden Monat 65 Afghanen\nOpfer von Minen werden. So bedruckend diese Zahl auch ist, lasst sie doch\nersichtlich nicht die Annahme zu, dass jeder Ruckkehrer zumal in den auch von\nden Hilfsorganisationen erfassten Stadten wie der Millionenstadt Kabul, die\nvon Minen bereits weitaus besser geraumt sind als landliche Gebiete,\n„gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen\nausgeliefert" wurde. Auch die zu den Landminen hinzugetretene Gefahr durch den\nhohen Anteil an Blindgangern unter den von der US-Luftwaffe eingesetzten\nStreubomben ... besteht nicht in den als Ruckkehrer-Zielort in Betracht\nkommenden Stadten, sondern in den Zielgebieten der US-Luftwaffe in den\nvermeintlichen Ruckzugsgebieten der Taliban und der Al Qaida. Diese\nzusatzliche Gefahr gebietet deshalb keine andere Beurteilung." \n--- \n| 46 \n--- \n| Daran ist festzuhalten. Inzwischen ist das Minenraumungsprogramm der\nVereinten Nationen fortgeschritten, die Bundesregierung hat deutsche\nMinenraumexperten entsandt, die im Rahmen dieses Programms lokale\nOrganisationen mit Hundestaffeln unterweisen und beaufsichtigen, und UNHCR\nfuhrt an den Ruckkehrerrouten Minen-Schulungsprogramme durch (AA, Lagebericht\nv. 21.06.2005, S. 11). Wenn auch Afghanistan fruhestens 2012 minenfrei sein\nwird, ist die Gefahr doch nicht derart groß, dass man jeden Ruckkehrer\ngleichsam sehenden Auges der Wahrscheinlichkeit aussetzen wurde, ihr zum Opfer\nzu fallen. \n--- \n| 47 \n--- \n| Gleiches gilt fur die Prognose, ob und mit welcher Wahrscheinlichkeit\nRuckkehrer Opfer der unzureichenden und noch immer instabilen Sicherheitslage\nwerden konnen. Insoweit hat die Kammer schon in ihrer bisherigen\nRechtsprechung (a.a.O.) ausgefuhrt: \n--- \n| 48 \n--- \n| „Zumindest in der Region in und um Kabul sorgt die internationale\nSchutztruppe ISAF in Zusammenarbeit mit afghanischen Kraften fur jedenfalls so\nweit reichende Sicherheit, dass die Annahme, jeder Ruckkehrer werde „gleichsam\nsehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert",\nausgeschlossen erscheint. Es ist auch zu erwarten, dass das Mandat der ISAF\nverlangert wird, jedenfalls aber Truppen der USA in Afghanistan verbleiben,\nbis eine ausgebildete afghanische Armee zur Verfugung steht ... Außerdem ist\nder Wiederaufbau einer afghanischen Polizei bereits in die Wege geleitet;\nHilfe hierbei leistet die Bundesrepublik Deutschland durch Entsendung von\nPolizeikraften ... Das Mandat der ISAF und der Bundeswehr ist verlangert\nworden ...; die Tatsache, dass beide Mandate auf den Bereich Kabul beschrankt\nsind, andert daran nichts. Trotz aller nach wie vor bestehenden Unsicherheiten\nund Mangel in der Sicherheitslage kommt insoweit die Annahme einer Situation,\ndie die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG in verfassungskonformer\nAuslegung erfullt, nicht in Betracht." \n--- \n| 49 \n--- \n| Auch daran ist fur den maßgeblichen Zeitpunkt der mundlichen Verhandlung\nfestzuhalten. Nach den Erkenntnissen des Auswartigen Amtes (Lagebericht v.\n21.06.2005, S. 5, 12) hat sich die Sicherheitslage zwar landesweit nicht\nverbessert. In etlichen Provinzen herrscht Gewalt zwischen militarischen und\npolitischen rivalisierenden Gruppen, so dass dorthin eine Ruckkehr nicht ohne\nRisiko fur Leib und Leben moglich ist. Insbesondere im Suden und Osten ist es\nseit Sommer 2003 zu gewaltsamen Übergriffen von Taliban gekommen, doch werden\ndiese im Osten, Sudosten und Suden mit uber 18.000 Kampfern der Anti-Terror-\nKoalition bekampft. Im Raum Kabul ist die Sicherheitslage zwar noch fragil,\naber wegen der ISAF-Truppen vergleichsweise zufrieden stellend. Von UNHCR wird\nsie dort seit Mitte 2002 fur freiwillige Ruckkehrer als „ausreichend sicher"\nbezeichnet. \n--- \n| 50 \n--- \n| Die Auswertung der von der Kammer gefuhrten Pressesammlung hat fur das Jahr\n2005 folgendes Bild ergeben: Zwar hat es bis Oktober 2005 in Afghanistan\nallein in diesem Jahr etwa 1.400 Tote gegeben (vgl. Berliner Zeitung v.\n20.10.2005; AP/dpa v. 19.10.2005; SZ v. 12.10., 15.09. u. 02.06.2005; NZZ v.\n19.09.2005). Dabei ist aber zu berucksichtigen, dass es sich weniger um\nZivilisten als vornehmlich um Taliban-Kampfer (z.B. SZ v. 31.10./01.11.,\n22.09., 12.09.2005; dpa v. 04.10.2005; FAZ v. 07.09., 23.08., 30.06.,\n24.06.2005; FASZ v. 28.08.2005; NZZ v. 26.08., 16.08., 27.07., 04.07., 16.06.,\n11.05., 20.04.2005; Die Welt v. 30.07., 18.07., 21.06.2005; FR v. 22.04.2005),\nUS-Soldaten, afghanische Soldaten oder Polizisten (z.B. SZ v. 31.10./01.11.,\n29.09., 26.09., 22.09., 11.07., 07.07.2005; dpa v. 04.10., 12.07.2005; FAZ v.\n22.08., 30.06.2005; NZZ v. 18.08., 04.07., 11.05.2005; FR v. 26.07.2005; Die\nWelt v. 21.06.2005) sowie um Mitarbeiter von Hilfsorganisationen gehandelt hat\n(z.B. SZ v. 13.10.2005; FAZ v. 07.09.2005). In der Zeit vor der Parlamentswahl\nwaren auch gelegentlich Kandidaten die Ziele von Gewalttaten. Die meisten\nOpfer entfielen auf den Suden/Sudosten des Landes (z.B. SZ v. 31.10./01.11.,\n13.10., 12.10., 22.09., 16.08., 02.06.2005; dpa v. 11.10., 04.10., 12.07.2005;\nNZZ v. 15.09., 26.08., 18.08., 27.07., 04.07., 16.06., 30.05., 11.05.2005; FAZ\nv. 07.09., 22.08., 24.06.2005; FR v. 29.08., 25.07.2005; Die Welt v. 30.07.,\n18.07., 21.06.2005; AP v. 20.05.2005; TAZ v. 04.04.2005). Fur den Raum Kabul\nwird dagegen verhaltnismaßig wenig uber Opfer der Sicherheitslage berichtet\n(z.B. SZ v. 29.09.2005: Bomben auf Armee-Ausbildungszentrum, v. 12.09.2005:\nSchusse auf Verteidigungsminister; FAZ v. 22.08.2005: Bombe auf Mitarbeiter\nder US-Botschaft, v. 13.05.2005: Tote u. Verletzte bei Demonstrationen wegen\nKoranschandungen durch US-Streitkrafte in Guantanamo; FR v. 26.07.2005:\nAnschlag auf Polizisten; Die Welt v. 31.05.2005: 2 Anschlage auf NATO-Ziele;\nNZZ v. 11.05.2005 u. SZ v. 10.05.2005: Selbstmordattentat auf Internet-Cafe).\nAußerdem hatte die Gewaltanwendung im Vorfeld der Parlamentswahlen deutlich\nzugenommen (NZZ v. 26.08.2005), die inzwischen am 18.09.2005 durchgefuhrt\nworden sind. \n--- \n| 51 \n--- \n| Insgesamt folgt daraus, dass die Sicherheitslage in Afghanistan zwar\naußerordentlich problematisch, aber nicht landesweit so beschaffen ist, dass\nRuckkehrer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten\nVerletzungen ausgesetzt werden. \n--- \n| 52 \n--- \n| Etwas anderes gilt aber unter Berucksichtigung der individuellen Lage des\nKlagers fur die im Vordergrund der Befurchtungen der meisten Ruckkehrer und\nauch Beobachter stehende Versorgungslage, die in jungerer Zeit schon Anlass\nfur verschiedene Verwaltungsgerichte war, betroffenen afghanischen\nStaatsangehorigen den Schutz von § 53 Abs. 6 AuslG zuzuerkennen (vgl. z. B.\nOVG Hamburg, Urt. v. 23.02.2001, InfAuslR 2001, 373, und Urt. v. 06.07.2001 -\n1 Bf 549/98.A -; OVG Bautzen, Urt.v. 29.02.2000 - A 4 B 4289/97 -; VG\nDarmstadt, Urt. v. 27.06.2002 -2 E 30447/99.A- , samtlich juris). Eine\nvergleichbare Zuspitzung der Versorgungslage lasst sich auch zum hier\nmaßgeblichen Zeitpunkt der mundlichen Verhandlung feststellen (Abweichung von\nder mit der Anwesenheit zahlreicher Hilfsorganisationen in Afghanistan und\nderen flexibler Reaktion auf unvorhergesehene Lageverscharfungen begrundeten\nfruheren Rechtsprechung der Kammer, z.B. Urt. v. 24.04. u. 28.08.2002, a.a.O.;\nebenso noch VG Sigmaringen, Urt. v. 18.07.2005 - A 2 K 11626/03 - ; VG Stade,\nUrt. v. 29.11.2004 - 6 A 1694/03 - fur den Raum Kabul; VG Arnsberg, Urt. v.\n18.11.2004 - 6 K 4553/03.A - ebenfalls fur Kabul, samtlich juris). Das beruht\nauf folgenden Erwagungen: \n--- \n| 53 \n--- \n| Es ergibt sich zwar weiterhin aus den zum Gegenstand des Verfahrens\ngemachten Erkenntnismitteln und ist auch allgemeinkundig, dass in Afghanistan\nauch derzeit noch zahlreiche supranationale, staatliche und auch private\nHilfsorganisationen die Versorgung der notleidenden Bevolkerung einschließlich\nRuckkehrern zu sichern versuchen. Gleichwohl ist die Versorgungslage außerst\nproblematisch. \n--- \n| 54 \n--- \n| Das Auswartige Amt (Lagebericht v. 21.06.2005) bezeichnet die\nWirtschaftslage Afghanistans als einem der armsten Lander der Welt als\n„desolat". Die humanitare Situation stehe mit Blick auf die etwa vier\nMillionen zuruckgekehrten Fluchtlinge, vornehmlich aus Pakistan, vor „großen\nHerausforderungen" (jeweils S. 5). Die Wohnraumversorgung sei unzureichend,\nknapp und die Preise in Kabul seien hoch (S. 27). Die Versorgungslage in Kabul\nund anderen großen Stadten habe sich grundsatzlich verbessert, in anderen\nGebieten sei sie weiter „nicht zufrieden stellend bis vollig unzureichend" (S.\n27). Humanitare Hilfe sei weiterhin „von erheblicher Bedeutung"; sie werde im\nNorden durch Zugangsprobleme, im Suden und Osten durch Sicherheitsprobleme\nerschwert (S. 27). Die medizinische Versorgung sei vollig unzureichend, selbst\nin Kabul (S. 27). Ruckkehrer konnten „auf Schwierigkeiten stoßen", wenn sie\naußerhalb eines Familienverbandes oder nach langerer Abwesenheit im westlich\ngepragten Ausland zuruckkehrten und ihnen ein soziales oder familiares\nNetzwerk sowie ortliche Kenntnisse fehlten (S. 6, 27). Freiwillige Ruckkehrer\nzu ihren Angehorigen und zum Teil auch in die ehemaligen Unterkunfte\nstrapazierten die nur sehr knappen Ressourcen an Wohnraum und Versorgung noch\nweiter (S. 28). UNHCR habe mit verschiedenen Organisationen eine Vereinbarung\nuber die Errichtung von Unterkunften geschlossen; bis Ende 2003 seien knapp\n70.000 gebaut worden, 2004 wegen fehlender Finanzen nur noch 27.000 (S. 29).\nDie Fortsetzung der Hilfsoperationen von UNHCR und IOM (International\nOrganisation for Migration) seien von neuen Unterstutzungszusagen der\nGeberlander abhangig (S. 29). \n--- \n| 55 \n--- \n| Schon dieses vom Auswartigen Amt gezeichnete Bild erscheint außerst duster. \n--- \n| 56 \n--- \n| Noch dusterer stellt es sich nach dem „Bericht uber eine Untersuchung in\nAfghanistan im Zeitraum Marz/April 2005" dar („Ruckkehr nach Afghanistan" v.\nJuni 2005, herausgegeben v. Informationsverbund Asyl e.V. und der Stiftung Pro\nAsyl, verfasst v. Rechtsanwaltin V. Arendt-Rojahn, Vizeprasidentin des VG\nFrankfurt/Main E. Buchberger, Rechtsanwalt A. Schreckmann, Rechtsanwalt V.\nPfaff u. M. B. El- Mogaddedi, im Folgenden „Bericht"). Hierin wird aufgrund\nvon Beobachtungen und Gesprachen mit fachkundigen Personen in Afghanistan im\nGroßen und Ganzen in Übereinstimmung mit dem Auswartigen Amt im Einzelnen\ndargelegt: Afghanistan gehore zu den armsten Landern der Welt. Etwa 70 % der\nBevolkerung litten an Unterernahrung. Fur 2005 sei mit Pakistan und Iran die\nRuckkehr von 700.000 Fluchtlingen vereinbart. Die meisten europaischen Lander\nhielten - anders als Deutschland bezuglich seiner etwa 16.000 Fluchtlinge -\nzwangsweise Ruckfuhrungen derzeit fur verfruht. Danemark, Frankreich,\nGroßbritannien und die Niederlande hatten sog. Drei-Parteien-Abkommen jeweils\nmit Afghanistan und UNHCR zur Regelung der Ruckkehr afghanischer Fluchtlinge\ngeschlossen, in deren Rahmen sie auch nicht freiwillige Ruckfuhrungen\nvornahmen, auch mit Pakistan, Iran und Australien bestunden derartige\nAbkommen. Ein entsprechendes Abkommen mit Deutschland sei dagegen im Januar\n2005 nicht zustande gekommen. Neben der Arbeitslosigkeit sei die\nObdachlosigkeit das großte Problem fur Ruckkehrer. Das Land sei dem Zustrom\nder Ruckkehrer nicht mehr gewachsen. Ohne Obdach sei es unmoglich, Arbeit zu\nbekommen (alles S. 1). Fast die Halfte des afghanischen Etats von 678\nMillionen (US-) Dollar entfalle auf das Innen- und das\nVerteidigungsministerium (S. 3), wahrend dem Ministerium fur Fluchtlinge und\nRepatriierung nur ca. 2 Millionen Dollar zur Verfugung stunden. Von den von\nden Geberlandern versprochenen 13,4 Milliarden Dollar seien etwa 9 Milliarden\nin den Hilfsfonds eingeflossen, davon seien nur 3,9 Milliarden freigegeben.\nDie Anwesenheit von uber 2.000 Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) mindere\ndie Defizite wegen oft eigennutziger Interessen und des Beitragens zur\nWohnungsverknappung und zur Mietpreisexplosion nicht (S. 4). Die\nRuckkehrerproblematik uberfordere Staat und Gesellschaft vollig, was zur\nSteigerung der - auch organisierten - Kriminalitat beitrage (S. 5). Im Rahmen\ndes Programms zur Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration (sog. DDR-\nProgramm) seien rund 45.000 Personen entwaffnet und knapp 40.000 auch\ndemobilisiert worden, von denen 38.000 an aus Fordermitteln finanzierten\nArbeitsbeschaffungsmaßnahmen teilnahmen. Sie traten mit den Ruckkehrern in\nKonkurrenz (S. 6). Der Aufbau der Justiz sei uber Anfange nicht hinausgekommen\n(S. 7). Die medizinische Versorgung sei vollig unzureichend (S. 8).\nVersorgungsbedurftige Alte und Kranke hatten außerhalb der Großfamilie kaum\nÜberlebenschancen (S. 12). Ruckkehrer aus Europa, die nicht mehr in die eigene\nFamilie zuruckkehren konnten, konnten auch nicht mehr auf ein soziales Netz\nder Nachbarschaftshilfe zuruckgreifen (S. 13). Die Ruckforderung einer\nImmobilie sei mit großten Schwierigkeiten verbunden (ebenfalls S. 13). Der\nunbestrittene Besitz von Grundeigentum sei aber unabdingbare Voraussetzung fur\ndie Zuteilung von Baumaterial fur eine Unterkunft durch UNHCR. Seit Fruhjahr\n2002 seien mehr als 3 Millionen Menschen mit UN-Unterstutzung zuruckgekehrt,\ndavon etwa 2,3 Millionen aus Pakistan und 800.000 aus Iran. Daneben gebe es\neine erhebliche Zahl von nicht registrierten Ruckkehrern. UNHCR sei\ngrundsatzlich nur fur die registrierten Fluchtlinge zustandig, die Unterkunft\nfur eine Nacht erhielten und am nachsten Tag registriert und weitergeleitet\nwurden, jedenfalls aber das Lager verlassen mussten (S. 14). Sie erhielten je\nnach Entfernung vom Herkunftsort zwischen 4 und 34 Dollar Reisegeld und ein\nStartgeld von 12 Dollar. Da die Ruckkehr in die Herkunftsregion nur bedingt\ngelinge, seien die großen Stadte enorm angewachsen, was die ohnehin kaum\nvorhandene Infrastruktur belaste und die Regierung vor schier unlosbare\nProbleme stelle; eines der großten davon sei die Obdachlosigkeit. Die\nMietpreise in Kabul seien auch dank der NGOs exorbitant in die Hohe geschossen\nund uberstiegen selbst mittelstandische Monatseinkommen bei weitem. Auf dem\nArbeitsmarkt stunden die Ruckkehrer in Konkurrenz zur ubrigen Bevolkerung, fur\ndie selbst schon keine Arbeit vorhanden sei (alles S. 15). Akademiker wurden\nbei Hilfsorganisationen unterwertig beschaftigt und verdrangten damit andere.\nRuckkehrer ohne Grundeigentum, Aufnahme in einer Familie oder Unterkunft und\nLebensgrundlage in einer Stadt konnten entweder in das Ausgangsland\nzuruckkehren oder in einem der Camps landen, die sich an verschiedenen Orten\n(Kabul, Mazar-e-Sharif, Herat, Jalababad) als slumartige Lager entwickelt\nhatten. Im letzten Winter habe es seitens der Hilfsorganisationen dort je\neinen Sack Kohle und Mehl a 49 kg pro Familie, 5 Liter Öl und 2 Decken\ngegeben. Es seien Frauen, Kinder und alte Menschen gestorben. Die afghanische\nRegierung wolle keine Unterstutzung gewahren, etwa durch Zelte, um eine\nVerfestigung zu vermeiden, sondern andere Losungen finden (alles S. 16), z.B.\nin Ruinen. Auch UNHCR wolle eine Zeltkultur vermeiden und daher keinen\nweiteren Zuwachs fordern. Regierungsvertreter und NGOs wurden zu helfen\nversuchen, aber das Ausmaß des Elends sei so gewaltig, dass die meisten ohne\nHilfe auskommen mussten (S. 17). Die Regionen der großen Stadte, vor allem\nKabul, sahen sich einem nicht zu bewaltigenden Fluchtlingsstrom gegenuber, der\nnicht abbreche, weil Pakistan und Iran auf Ruckkehr drangten. Jeder Ruckkehrer\nohne große finanzielle Mittel stelle eine nicht verkraftbare Belastung dar.\nAbgeschobene Personen fielen weder unter das Mandat von UNHCR noch der IOM\n(International Organisation for Migration). Hilfe konne insoweit nur im Rahmen\ntrilateraler Abkommen geleistet werden. Ohne Aufnahme in den Schutz einer\nFamilie erscheine die Ruckkehr außerst schwierig und sei fur bestimmte\nPersonengruppen ausgeschlossen (alles S. 20). Die geschilderten\nWohnungsprobleme bestunden besonders auch fur Ruckkehrer (S. 21). Das Angebot\nan Arbeit durch die NGOs sei gesattigt. Sie stellten auch hohe Anforderungen\nwie englische Sprachkenntnisse. Mangels Wachstum und eigener Produktion gebe\nes in anderen Bereichen nur schwer Arbeit, allenfalls als ambulanter\nStraßenhandler, wovon es aber schon unzahlige gebe. Landwirtschaft falle wegen\nder Verminung der Felder weitgehend aus (alles S. 22). Hilflos außerhalb des\nFamilienverbandes seien neben Frauen auch Kranke und Alte (S. 23). \n--- \n| 57 \n--- \n| Ein ahnliches Bild zeichnet der Sachverstandige Dr. D. (Stellungnahme v.\n24.07.2004 an OVG Bautzen): Die Verhaltnisse, mit denen sich abgeschobene\nAsylbewerber konfrontiert sehen wurden, seien katastrophal zu nennen. Die\nsoziale Lage in Afghanistan mache es Ruckkehrern praktisch unmoglich, sich\neine Existenz aufzubauen. Innerhalb kurzester Zeit hatten 1,5 Millionen\nRuckkehrer Kabul uberschwemmt, wo sich die Hilfsorganisationen nicht in der\nLage gesehen hatten, fur eine derartige Masse Menschen Nahrungsmittel und\nUnterkunfte zu stellen und ihnen eine wirtschaftliche Perspektive zu eroffnen\n(S. 46). Internationale Organisationen legten bei der Auswahl der\nHilfsbedurftigen strenge Maßstabe an und unterstellten einem Ruckkehrer aus\nEuropa die finanzielle Besserstellung. Das Heer der Tagelohner und\nArbeitslosen lasse die Aussicht auf Arbeit gering erscheinen (S. 47). In den\nZeltlagern seien die hygienischen Verhaltnisse ebenfalls katastrophal. Von der\nBevolkerungszahl von uber 3 Millionen in Kabul sei etwa die Halfte mittellose\nFluchtlinge, weshalb die Hilfsangebote nur einen kleinen Teil erreichten (S.\n48). In anderen Landesteilen sei die Situation noch aussichtsloser.\nLebensmittelpreise und Mieten seien in astronomische Hohen gestiegen, auch\nwegen der zahlreichen Helfer (S. 49). Von den den Hilfsorganisationen\nzugeflossenen Mitteln entfalle fast ein Viertel auf die Gehalter, ein weiterer\nTeil fließe in dunkle Kanale (S. 50). Wenn ein Ruckkehrer, der seine eigene\nExistenz nicht sichern konne, nicht auf Unterstutzung im Lande, etwa durch\nverwandtschaftliche Beziehungen, rechnen konne, sei die Versorgung in einem\nlebensbedrohlichen Maß ungesichert (S. 50). \n--- \n| 58 \n--- \n| Aus den Verlautbarungen von UNHCR selbst ergibt sich folgendes Bild: Er\nbeziffert die Zahl der Ruckkehrer seit Ende 2001 auf 3,5 Millionen mit UNHCR-\nHilfe und weitere 700.000 ohne solche. Die Entscheidung der pakistanischen\nRegierung zur Schließung von Fluchtlingslagern mit der Folge starken\nAnwachsens der Ruckkehrwilligen habe die UNHCR-Operationen unter signifikanten\nDruck gebracht. Es seien Programme zur Ansiedlung in den Herkunftsgebieten\nentwickelt worden und dazu 24.000 Ruckkehrer-Unterkunfte im ganzen Land gebaut\nworden. Mit Iran sei eine Verlangerung des Drei-Parteien-Abkommens bis Marz\n2006 erreicht worden. Die Prioritat fur 2005 bleibe die freiwillige Ruckkehr\naus Pakistan und Iran. Es werde mit der Überwachung sowohl freiwillig wie\ngezwungen Zuruckkehrender fortgefahren, auch am Flughafen Kabul aus Nicht-\nNachbarstaaten, woher bis Ende August 2005 1.237 Personen zuruckgefuhrt worden\nseien, die Mehrheit aus Großbritannien im Rahmen des Drei-Parteien-Abkommens\n(s. UNHCR „Afghan Operation Update" Sept. 2005). Das Maximum an Ruckkehrern\naus Pakistan und Iran werde 2005/2006 erwartet. Eine Herausforderung werde\n2006 die Beschaffung von Behausung und Land fur die Ruckkehrer sein, eine\nandere der hohe Anteil an Ruckkehrern ohne regulare Einkommensquelle (10 %)\noder abhangig von Lohnarbeit (25 %) (s. UNHCR „Country Operations Plan -\nOverview, Planning Year 2006" v. 01.09.2005). Die von UNHCR unterstutzte\nRuckkehr laufe so ab, dass in einem entsprechenden Zentrum in Pakistan oder\nIran bzw. - bei ferneren Landern - in einem UNHCR-Buro Registrierung und\nUnterschrift vorgenommen wurden. Nach Einreise musse dann beim nachsten\nZahlungszentrum eine Vorstellung erfolgen, bei der 12 Dollar\nNiederlassungshilfe als Ersatz fur fruhere Lebensmittelhilfe ausbezahlt\nwurden. Die Zahl dieser Zentren sei 2004 von 12 auf 8 reduziert worden. 2002\nbis 2004 seien fast 78 Millionen Dollar an derartigen Barzahlungen erfolgt.\n2005 wurden etwa 705.000 Ruckkehrer erwartet, wofur 13 Millionen Dollar\nveranschlagt seien (UNHCR „Voluntary Repatriation" v. 23.08.2005). Etwa 45 %\nder freiwilligen Ruckkehrer in stadtische Gebiete verließen sich auf\nTagelohnerarbeit als erste Einkommensquelle (UNHCR „Protection" v.\n23.08.2005). Die in 25 Jahren zerstorten Unterkunfte betrugen etwa 500.000.\nViele Ruckkehrer hatten keine Wahl als mit Verwandten oder Freunden in oft\nuberfullten Unterkunften zu leben. Bei der Versorgung mit Baumaterial hatten\nFamilien mit Land aber ohne Mittel Prioritat (UNHCR „Shelter" v. 23.08.2005).\nDer Mangel an Beschaftigungsverhaltnissen sei das großte Hindernis fur die\nReintegration der Ruckkehrer (UNHCR „Income & Coexistence" v. 23.08.2005). \n--- \n| 59 \n--- \n| Der Presse ist weiter zu entnehmen: Kabul ist in den letzten drei Jahren die\nam schnellsten wachsende Stadt der Welt mit einem Wachstum von 1 auf 3\nMillionen (NZZ v. 04.10.2005). Die Fluchtlinge in Kabul hausen in zerrissenen\nPlachen des UNO-Fluchtlingswerks entlang der Ausfallstraßen (ebenfalls NZZ v.\n04.10.2005). Der Wiederaufbauprozess bleibt weiter hinter den Planungen zuruck\n(FAZ v. 09.09.2005 u. Die Welt v. 30.07.2005). Von den 2.600 NROs werden viele\nder Verschwendung beschuldigt (FR v. 15.08.2005 u. FAZ v. 04.06.2005). Die\nNROs verdrangen private Firmen aus dem Baugewerbe, weshalb bereits ein\nbeschrankendes Gesetz erlassen worden ist (FAZ v. 04.06.2005 u. FR v.\n18.05.2005). Der vergangene Winter hat laut Deutschem Rotem Kreuz den Menschen\nsehr zugesetzt (AP v. 20.05.2005). Afghanistan ist eines der armsten Lander\nder Welt, mehr als die Halfte der Bevolkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze\n(Stern v. 21.02.2005). \n--- \n| 60 \n--- \n| Weiter ist bei der Beurteilung zu berucksichtigen, dass die internationalen\nHilfsorganisationen derzeit auch wegen anderer internationaler Katastrophen\nstark gefordert sind. Nach der allgemeinkundigen Tsunami-Katastrophe in\nSudost-Asien hat der UN-Generalsekretar im Oktober 2005 einen dramatischen\nHilfsappell wegen des Erdbebens in Pakistan mit mehr als 3 Millionen\nObdachlosen an die Weltoffentlichkeit gerichtet (SZ v. 27.10.2005). UNHCR und\ndas Welternahrungsprogramm WFP haben an die Geberlander appelliert, der\nReduzierung von Nahrungsmittelhilfe fur Afrikas Fluchtlinge ein Ende zu setzen\n(UNHCR-Veroffentlichung v. 14.09.2005). \n--- \n| 61 \n--- \n| In Wurdigung dieser Gesamtumstande muss zur Überzeugung der Kammer zwar\nnicht befurchtet werden, dass bei einer Ruckkehr jeder afghanische\nStaatsangehorige „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten\nVerletzungen ausgeliefert" wurde. Das muss aber fur die Bevolkerungsgruppe der\nlangjahrig in Europa ansassigen nicht freiwillig zuruckkehrenden Fluchtlinge\nangenommen werden, die nicht auf den Ruckhalt von Verwandten oder\nBekannten/Freunden in Afghanistan und/oder dortigen erreichbaren Grundbesitz\nzuruckgreifen konnen und/oder uber fur ein Leben am Existenzminimum\nausreichende Ersparnisse verfugen und die deshalb außer Stande sind, aus\neigener Kraft fur ihre Existenz zu sorgen. \n--- \n| 62 \n--- \n| Denn diese Ruckkehrer haben keinerlei realistische Chance, der\nObdachlosigkeit und der Arbeitslosigkeit zu entgehen. Ein Unterkommen ware\nallenfalls in den Zeltlagern denkbar, die aber bereits uberfullt sind und\nderen Verfestigung und Vergroßerung von den Hilfsorganisationen nicht\ngewunscht wird mit der Folge, dass diese keine weiteren Zelte zur Verfugung\nstellen. Selbst eine Betatigung als Tagelohner ist angesichts des Heeres von\nfreiwilligen Ruckkehrern, die sich um solche Einkommensquellen bemuhen, so gut\nwie ausgeschlossen. Die abgeschobenen Ruckkehrer unterfallen auch nicht dem\nMandat von UNHCR und konnen deshalb auch nicht mit ausreichender humanitarer\nHilfe rechnen. Insgesamt sind die Hilfsorganisationen durch den gewaltigen\nZustrom der freiwilligen Ruckkehrer, insbesondere aus Pakistan und Iran, der\nauch im Jahr 2006 anhalten wird, derart an ihre Grenzen gestoßen, dass sie\nzusatzliche nicht freiwillige Ruckkehrer, deren Betreuung und Versorgung\nfolglich auch nicht vorbereitet werden kann und die nicht fur sich selbst\nsorgen konnen, nicht mehr verkraften konnen. Solche Ruckkehrer sind daher der\nernstlichen Gefahr ausgesetzt, mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen\nsicheren Hungertod ausgeliefert zu sein. Diese Gefahr verstarkt sich noch\ndurch den bevorstehenden Winter. \n--- \n| 63 \n--- \n| Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass bereits uber 1.000 afghanische\nStaatsangehorige nicht freiwillig zuruckgekehrt, sondern zwangsweise\nzuruckgefuhrt worden sind, ohne dass bekannt geworden ware, dass sie dem\nHungertod zum Opfer gefallen seien oder auch nur ernsthaft davon bedroht\ngewesen waren. Denn diese Ruckfuhrungen erfolgten samtlich im Rahmen der\nabgeschlossenen Drei-Parteien-Vereinbarungen, in der Mehrzahl aus\nGroßbritannien. Sie waren deshalb auch in Afghanistan vorbereitet und\nbegleitet, wahrend dies bei Abschiebungen aus Deutschland mangels eines\nsolchen Abkommens nicht der Fall ist (entgegen den noch im Urteil v.\n24.04.2002 - A 10 K 10307/98 - geaußerten Erwartungen der Kammer). \n--- \n| 64 \n--- \n| Auch die Zahl der in Afghanistan tatigen Hilfsorganisationen vermag an\ndieser Beurteilung nichts zu andern. Immerhin konnten sie nicht verhindern,\ndass - wie erwahnt - in den Fluchtlingslagern bereits geschwachte Menschen zu\nTode gekommen sind. Auch ist die hohe Zahl deswegen zu relativieren, weil\ngegen zahlreiche NGOs Vorwurfe der Eigennutzigkeit erhoben werden und deshalb\nZweifel an ihrer Effektivitat angebracht erscheinen. \n--- \n| 65 \n--- \n| Der Klager gehort auch der genannten Gruppe an. Er hat in der mundlichen\nVerhandlung glaubhaft bekundet, zwar bei seiner Ausreise noch Familie im Raum\nKandahar gehabt zu haben, namlich seine Eltern und eine jungere Schwester. Zu\ndiesen habe er aber nach ihrer im Fruhjahr 2001 erfolgten telefonischen\nÄußerung der Absicht, diesen Raum wegen des drohenden Krieges zu verlassen,\nseit kurz nach seiner Einreise ins Bundesgebiet keinen Kontakt mehr gehabt.\nSie seien dort telefonisch nicht erreichbar und hatten sich seither nicht mehr\nbei ihm bzw. seinem Onkel gemeldet. Unter den allgemeinkundigen Umstanden, die\nseither die Umwalzungen in Afghanistan bewirkt haben, ist die hieraus gezogene\nSchlussfolgerung des Klagers, dass sich seine Familie nicht mehr dort\naufhalte, nicht nur nachvollziehbar, sondern uberwiegend wahrscheinlich. Ob\nsie sich anderswo in Afghanistan aufhalt, ist unklar. Dass der Klager sie ggf.\nan einem anderen Ort in Afghanistan zu finden vermag, ist so gut wie\nausgeschlossen. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Klager\nbei einer Ruckkehr nach Afghanistan in das Netz einer Familie aufgenommen\nwerden kann. Auch dass er dort uber Grundbesitz verfugt, kann unter diesen\nUmstanden nicht ernsthaft unterstellt werden. Dass der Klager als\nAuszubildender in Deutschland keine Ersparnisse anhaufen konnte, die ihm ein\nLeben am Existenzminimum in Afghanistan erlauben, glaubt ihm die Kammer\nebenfalls, weil es der Lebenserfahrung entspricht. \n--- \n| 66 \n--- \n| Deshalb kommt es nicht darauf an, ob eine andere Beurteilung geboten ware,\nwenn der Klager noch Familie im Raum Kandahar hatte; in diesem Fall ware zu\nerwagen, ob ihm die Ruckkehr dorthin angesichts der dortigen\nSicherheitsprobleme u.a. mit den Taliban (dazu Auswartiges Amt, Lagebericht\nvom 21.06.2006, S. 13 und S. 30 zur Straße Kabul - Kandahar) moglich und\nzumutbar ware. \n--- \n| 67 \n--- \n| III. Da dem Klager somit in verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7\nAufenthG Abschiebungsschutz zu gewahren ist, ist der angefochtene Bescheid\naufzuheben, soweit er entgegensteht. Das betrifft insbesondere Nr. 3 des\nBescheids und die unter dessen Nr. 4 verfugte Abschiebungsandrohung, soweit\nAfghanistan in ihr nicht als Staat bezeichnet worden ist, in den der Klager\nnicht abgeschoben werden darf, sondern als Zielstaat der Abschiebung benannt\nworden ist (§§ 34 Abs. 1 S. 1 AsylVfG, 59 Abs. 1, Abs. 3 S. 2 AufenthG). Im\nÜbrigen bleibt die Rechtmaßigkeit der Androhung dagegen unberuhrt (§ 59 Abs. 3\nS. 3 AufenthG). \n--- \n| 68 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 S. 1, 162 Abs. 3 VwGO, wobei\ndie Kammer das Unterliegen des Klagers mit ¾, sein Obsiegen mit ¼ bewertet;\ndas Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83 b AsylVfG). \n--- \n \n## Sonstige Literatur\n\n| \n---|--- \n| 69 \n--- \n| Rechtsmittelbelehrung \n--- \n| 70 \n--- \n| Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg zugelassen wird. Der Antrag auf\nZulassung der Berufung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des\nUrteils beim Verwaltungsgericht Karlsruhe, Postfach 11 14 51, 76064 Karlsruhe,\noder Nordliche Hildapromenade 1, 76133 Karlsruhe, zu stellen. \n--- \n| 71 \n--- \n| Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die\nGrunde, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung ist\nnur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsatzliche Bedeutung hat oder das\nUrteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des\nBundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshofe\ndes Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser\nAbweichung beruht oder ein in § 138 VwGO bezeichneter Verfahrensmangel geltend\ngemacht wird und vorliegt. \n--- \n| 72 \n--- \n| Lasst der Verwaltungsgerichtshof die Berufung zu, wird das Antragsverfahren\nals Berufungsverfahren fortgesetzt. \n--- \n| 73 \n--- \n| Bei der Beantragung der Zulassung der Berufung muss sich jeder Beteiligte\ndurch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im\nSinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befahigung zum Richteramt als\nBevollmachtigten vertreten lassen. \n--- \n| 74 \n--- \n| Juristische Personen des offentlichen Rechts und Behorden konnen sich auch\ndurch Beamte oder Angestellte mit der Befahigung zum Richteramt sowie\nDiplomjuristen im hoheren Dienst vertreten lassen. \n---\n\n
141,636
vghbw-2005-12-15-5-s-184705
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
5 S 1847/05
2005-12-15
2019-01-08 22:10:58
2019-01-17 12:01:49
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag der Klagerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des\nVerwaltungsgerichts Karlsruhe vom 25. Juli 2005 - 3 K 1559/04 - wird\nabgelehnt.\n\nDie Klagerin tragt die Kosten des Zulassungsverfahrens.\n\nDer Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Antrag, die Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil\nzuzulassen, hat keinen Erfolg. Denn aus dem Antragsvorbringen ergibt sich\nnicht, dass die geltend gemachten Zulassungsgrunde vorliegen. Teilweise sind\nsie bereits nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). \n--- \n| 2 \n--- \n| Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124\nAbs. 2 Nr. 1 VwGO). \n--- \n| 3 \n--- \n| Zu Recht hat das Verwaltungsgericht das Vorhaben der Klagerin - die\nErrichtung eines Wohnhauses „in zweiter Reihe" \\- hinsichtlich der\nGrundstucksflache, die uberbaut werden soll, gemaß § 34 Abs. 1 BauGB\nbeurteilt. Ein qualifizierter Bebauungsplan (§ 30 Abs. 1 BauGB), der die\nAnwendung von § 34 Abs. 1 BauGB uberhaupt ausschließen wurde (BVerwG, Urt. v.\n12.01.1968 - IV 167.65 - BVerwGE 29, 49 = DVBl 1968, 515), liegt nicht vor.\nEbenso wenig ist ein einfacher Bebauungsplan (§ 30 Abs. 3 BauGB) vorhanden,\nder abschließende Regelungen zu den uberbaubaren Grundstucksflachen enthalt.\nZwar gelten die Feststellungen der Bau- und Straßenfluchten im Ortsstraßenplan\n„Gewann Altfeld Grunwinkel" der Beklagten vom 02.11.1937 als Festsetzungen\ngemaß § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG 1960, § 233 Abs. 3 BauGB fort. Das\nVerwaltungsgericht hat ihnen aber zutreffend die Bedeutung beigemessen, dass\nsie nur die Bebauung des Grundstucks in seinem vorderen, der jeweiligen Straße\nzugewandten, nicht aber im jeweiligen ruckwartigen Bereich regeln. \n--- \n| 4 \n--- \n| § 9 des badischen Ortsstraßengesetzes v. 15.10.1908 regelte als „positive\nWirkung" der Planfeststellung im Ortsstraßenplan, dass fur Bauten auf dem an\ndie geplante Ortsstraße angrenzenden Gelande die festgesetzte Straßenhohe und\nBauflucht maßgebend ist, das heißt, es musste war an die Bauflucht herangebaut\nwerden. Als „negative Wirkung" der Planfeststellung war eine Bebauung auf dem\nin die kunftige Straße fallenden Gelande untersagt (Flad, Das badische\nOrtsstraßengesetz, 1909, S. 213 ff.). Damit war bei entsprechender Festsetzung\ndie Bebauung eines Grundstucks in die Tiefe zwar nicht ausgeschlossen, sie war\naber auch nicht ausdrucklich gestattet. Ihre Zulassigkeit ergab sich vielmehr\nallein dann, wenn Beschrankungen nach anderen (Bau-)Vorschriften fehlten.\nDamit entspricht eine in einem nach dem badischen Ortsstraßengesetz von 1908\nfestgestellte Bau- und Straßenflucht einer Baulinie im Sinne von § 23 Abs. 2\nSatz 1 BauNVO. Sie regelte nicht, in welcher Tiefe ein Grundstuck bebaut\nwerden durfte. Nur mit diesem Inhalt konnte sie bei Inkrafttreten des\nBundesbaugesetzes 1960 ubergeleitet werden (vgl. auch, zum badischen\nOrtsstraßengesetz von 1896, VG Freiburg, Urt. v. 26.04.2005 - 4 K 1322/03 -\nund, zum badischen Ortsstraßengesetz von 1868, VG Freiburg, Urt. v. 26.04.2005\n- 4 K 51/03 -; Walz, Das Badische Ortsstraßenrecht, 1900, S. 52 ff.). Die\nKlagerin uberschatzt die rechtliche Bedeutung einer Bau- und Straßenflucht\nnach dem badischen Ortsstraßenrecht, wenn sie der Auffassung ist, mit jener\nsei die uberbaubare Grundstucksflache abschließend dahin geregelt worden, dass\ndie hinter der Bau- und Straßenflucht gelegene Grundstucksflache in vollem\nUmfang bebaubar gewesen sei, solange es an einer Beschrankung in einer\nortlichen Bauordnung gemaß dem alten badischen Bauordnungsrecht gefehlt habe\n(vgl. etwa § 30 Abs. 2 Badische Landesbauordnung 1935). \n--- \n| 5 \n--- \n| Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klagerin\nherangezogenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 12.01.1968\n- IV 167.65 - a.a.O.). Diese bezieht sich nicht auf die Feststellung von\nBaufluchten nach dem Straßenrecht, sondern auf die Festsetzung von Baugrenzen\noder Baulinien nach einem im Jahr 1960 festgestellten stadtebaulichen\n„Durchfuhrungsplan", der gemaß § 173 Abs. 1 Satz 1 BBauG fortgalt. Insoweit\nhat das Bundesverwaltungsgericht zwar ausgefuhrt, dass ein qualifizierter\nBebauungsplan die uberbaubaren Grundstucksflachen nicht in ihrem exakten\nAusmaß festsetzen musse, sondern es ausreiche, dass er „Festsetzungen … uber\ndie uberbaubaren Grundstucksflachen" enthalte. Seien in einem Bebauungsplan\ndie uberbaubaren Flachen nicht nach allen vier Seiten durch Baugrenzen oder\nBaulinien bestimmt, sei dieser jedoch nur dann qualifiziert und schließe er\nnur dann die Anwendung von § 34 Abs. 1 BauGB aus, wenn die beschrankte\nFestsetzung vom Planungstrager als eine erschopfende gewollt sei, wenn also\nmit anderen Worten der Planungstrager eine uneingeschrankte ruckwartige\nBebauung habe zulassen wollen. Dies konne bei Bebauungsplanen, die unter der\nGeltung des Bundesbaugesetzes aufgestellt worden seien, in der Regel\nangenommen werden. Dies gelte aber nicht ohne Weiteres bei ubergeleiteten\nPlanen, zumal dann, wenn sie zu einer Zeit erlassen worden seien, in der die\nvon ihnen erfassten Vorhaben nach anderen Vorschriften weitergehenden\nplanungsrechtlichen Anforderungen unterlegen hatten. \n--- \n| 6 \n--- \n| Nach diesen Grundsatzen kann die Festlegung von Bau- und Straßenfluchten in\neinem Ortsstraßenplan nach dem badischen Ortsstraßengesetz von 1908 nicht als\nerschopfende Regelung der uberbaubaren Grundstucksflachen beurteilt werden.\nDie Auffassung der Klagerin, ein unter der Geltung des badischen\nOrtsstraßengesetzes 1908 beschlossener Ortsstraßenplan lege abschließend die\nuberbaubaren Grundstucksflachen fest, wenn diese nicht abweichend in einer\nortlichen Bauordnung geregelt worden seien, trifft nicht zu. Denn die mit dem\nbadischen Ortsstraßengesetz 1908 verfolgten Belange betreffen allein Straßen.\nDie Bebaubarkeit von Grundstucken wird darin nur geregelt, soweit sie die\nSubstanz der Straße oder das Straßenbild betrifft. Über eine abschließende\nRegelung der Bebaubarkeit der anliegenden Grundstucke war nach den\neinschlagigen Bestimmungen des Baurechts zu entscheiden. So konnten etwa gemaß\n§ 30 Abs. 2 der Badischen Landesbauordnung 1935 durch eine ortliche (nach dem\nbadischen Polizeistrafrecht zu erlassende) Bauordnung ruckwartige Baugrenzen\n(hintere Baulinien) festgesetzt werden, uber die hinaus die hinteren Teile der\nGrundstucke nicht bebaut werden durften. Sollte die letzte, bei Inkrafttreten\ndes Bundesbaugesetzes 1960 noch geltende Bauordnung der Beklagten aus dem Jahr\n1958 insoweit keine Bestimmungen getroffen haben, stunde ein solches\nUnterlassen der Beklagten nicht einer positiven Regelung der uberbaubaren\nGrundstucksflache in der gesamten Tiefe gleich, die im Übrigen gemaß § 30 Abs.\n2 der Badischen Landesbauordnung nicht vorgesehen (und wohl auch nicht\nnotwendig) war. Anders als das alte wurttembergischen Baurecht regelte das\nalte badische Baurecht die ruckwartige Bebaubarkeit von Grundstucken auch\nnicht in Anknupfung an nach Ortsstraßenrecht festgestellte Bau- und\nStraßenfluchten. Nur das wurttembergische Recht enthielt seit dem\nInkrafttreten von Art. 1a Abs. 2 und 4 Wurtt. BauO in der Fassung des\nÄnderungsgesetzes vom 15.12.1933 (RegBl. S. 443) eine Bestimmung, dass ein\nGrundstuck im ruckwartigen Bereich - mit einer Tiefe von 50 m hinter einer\nBaulinie - bebaut werden konnte (vgl. Senatsurt. v. 04.12.2003 - 5 S 1746/02 -\nJuris; VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 17.02.1995 - 8 S 2183/94 - VBlBW 1995, 400;\nUrt. v. 23.01.1998 - 8 S 2447/97 - NuR 1999, 332 -; Urt. v. 23.01.1998 - 8 S\n2430/97 - PBauE § 173 BBauG 1960 Nr. 1). \n--- \n| 7 \n--- \n| Nur am Rande bemerkt der Senat, dass die auf materielles Polizeirecht\ngestutzten Bauordnungen der Beklagten, soweit sie gemaß § 173 Abs. 3 BBauG\n1960 ubergeleitet werden konnten, mit Ablauf der fur Polizeiverordnungen\ngeltenden 20-Jahresfrist ohnehin außer Kraft getreten sind (Senatsurt. v.\n02.02.1994 - 5 S 2927/93 - Juris; Senatsbeschl. v. 22.03.2004 - 5 S 103/04 -;\nVGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 22.10.1993 - 8 S 3087/92 - VBlBW 1994, 280 und\nBeschl. v. 25.05.1994 - 3 S 1360/93 - Juris). Auch deshalb ließe sich aus\neiner dort fehlenden Beschrankung der Bebauungstiefe nichts (mehr) fur einen\n(abgeleiteten) Inhalt der fortgeltenden Bau- und Straßenflucht herleiten. \n--- \n| 8 \n--- \n| Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils\nbestehen auch nicht deshalb, weil das Verwaltungsgericht zur Beurteilung des\nEinfugens nach der Grundstucksflache, die uberbaut werden soll, als nahere\nUmgebung nur das Straßengeviert betrachtet hat, in dem das Baugrundstuck\nliegt, und nicht auch das ostlich angrenzende Gebiet jenseits der\nAltfeldstraße bis zur Hopfenstraße. Die Klagerin macht geltend, das\nBaugrundstuck werde auch noch durch die Bebauung in jenem Gebiet gepragt,\nbefasst sich insoweit aber nicht naher mit den entsprechenden Ausfuhrungen des\nVerwaltungsgerichts. Dieses ist unter Hinweis auf die einschlagige\nRechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs zutreffend davon ausgegangen, dass\nunter dem Blickwinkel der uberbaubaren Grundstucksflache der Umkreis der zu\nbeachtenden vorhandenen Bebauung in der Regel enger zu begrenzen ist als etwa\nbei der Ermittlung der Gebietsart (VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 23.09.1993 - 8 S\n1281/93 - Juris; Senatsbeschl. v. 03.09.2003 - 5 S 1570/03 -) und dass\nregelmaßig das Straßengeviert, in dem das Baugrundstuck liegt, die nahere\nUmgebung darstellt (VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 14.10.1980 - 8 S 659/80 - BRS 36\nNr. 135). Anders kann es zwar sein, wenn eine sogenannte Hinterlandbebauung in\nden Nachbargevierten gang und gabe ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.1980 - 4 C\n30.78 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 79 = BRS 36 Nr. 56; Beschl. v.\n04.10.1995 - 4 B 68.95 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 176 = NVwZ-RR 1996,\n375). Solche Umstande hat das Verwaltungsgericht aber nicht feststellen\nkonnen. Sie ergeben sich insbesondere nicht bereits daraus, dass auf zwei\njenseits der Altfeldstraße gelegenen Grundstucken eine ruckwartige Bebauung\nvorhanden ist. \n--- \n| 9 \n--- \n| In der so festgelegten naheren Umgebung hat das Verwaltungsgericht die\ntatsachlich uberbauten Grundstucksflachen zutreffend ermittelt und bewertet.\nDabei ist es zu Recht nicht auf die Bebauung der Grundstucke Flst.Nrn. 14182/4\nund 14182/3 eingegangen. Denn diese Grundstucke sind zwar von der\nAltfeldstraße bzw. von der Hausackerstraße betrachtet im ruckwartigen Teil\nbebaut, liegen aber jeweils auch an der Hopfenstraße. Demzufolge handelt es\nsich insoweit nicht um eine stadtebauliche Spannungen begrundende, die\nBebauung im Straßengeviert verdichtende „ruckwartige" Bebauung, wie sie die\nKlagerin anstrebt. \n--- \n| 10 \n--- \n| Aus den vorstehenden Grunden weist die Rechtssache weder hinsichtlich der\n„Beurteilung des Ortsstraßenplans als abschließende Regelung der uberbaubaren\nGrundstucksflache" noch hinsichtlich der Bestimmung der naheren Umgebung im\nSinne von § 34 Abs. 1 BauGB besondere tatsachliche oder rechtliche\nSchwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). \n--- \n| 11 \n--- \n| Ferner ergibt sich aus dem Vorbringen der Klagerin nicht, dass die geltend\ngemachten Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) vorliegen. Aus diesem\nlasst sich bereits nicht ersehen, welche Verfahrensvorschrift das\nVerwaltungsgericht jeweils verletzt haben soll. Sinngemaß wendet sich die\nKlagerin uberwiegend nur gegen die jeweilige rechtliche Beurteilung durch das\nVerwaltungsgericht. Soweit sie sinngemaß geltend macht, das Verwaltungsgericht\nhabe seine Aufklarungspflicht verletzt (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), genugt das\nVorbringen bereits nicht dem Darlegungserfordernis (vgl. etwa BVerwG, Beschl.\nv. 19.08.1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133(nF) VwGO Nr. 26 = NJW 1997,\n3328). \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des\nStreitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 1 GKG. \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n
141,695
olgkarl-2006-04-11-16-uf-3606
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
16 UF 36/06
2006-04-11
2019-01-08 22:21:12
2019-02-12 13:10:13
Beschluss
## Tenor\n\nDem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe fur die beabsichtigte Berufung\nversagt.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien sind Eheleute und leben seit August 2003 getrennt. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Auf Klage der Klagerin wurde der Beklagte verurteilt, fur das ehegemeinsame\nKind A., geboren am … .2004, (wohl ab Januar 2006) 100 % des Regelbetrages\n(West) nach der Regelbetrag-Verordnung (West) von 207,00 EUR abzuglich 5,00\nEUR anteiligen Kindergeldes (Ziffer 1 des Urteils), fur das ehegemeinsame Kind\nA., geboren am … 1999, 100 % des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung\n(West) von 247,00 EUR (wohl ab Januar 2006) sowie mit Ziffer 3 des Urteils,\nUnterhaltsruckstande fur die Monate Oktober bis Dezember 2005 von insgesamt\n1.094,00 Euro zu Handen der Klagerin zu zahlen. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Antragsteller beantragt mit am 22.02.2006 eingegangenen Schriftsatz\nProzesskostenhilfe, um gegen das ihm am 25.01.2006 zugestellte Urteil Berufung\neinzulegen, mit der er unter Hinweis auf seine Leistungsunfahigkeit (wohl)\nAufhebung des Urteils und Abweisung der Klage verlangen mochte. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe fur den zweiten Rechtszug\nfur die beabsichtigte Berufung hat keine hinreichende Erfolgsaussicht (§ 114\nZPO). \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der am 14.09.1969 geborene Antragsteller hat im Jahr 2002 eine Ausbildung\nbei der Gewerbeschule Weinheim als Industriemechaniker, Maschinen- und\nSystemtechnik, absolviert und diese mit dem Durchschnitt aus den Noten der\nPrufungsfacher von 2,6 bestanden (Abschlusszeugnis vom …). Er arbeitet seit\nFruhjahr 2003 im Angestelltenverhaltnis als Taxifahrer und hat ein monatliches\nEinkommen von weniger als dem notwendigen Selbstbehalt. Bis einschließlich\nOktober 2005 hat er pro Kind Unterhalt von 122,00 Euro monatlich gezahlt. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Das Familiengericht hat ihm ein Einkommen angerechnet, mit dem er\njedenfalls den Mindestunterhalt fur die Kinder erwirtschaften konne. Er habe\nnicht vorgetragen, dass er alle Anstrengungen unternommen hat, um in seinem\nerlernten Beruf arbeiten zu konnen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit seinem Prozesskostenhilfegesuch tragt der Antragsteller vor, er arbeite\nvollschichtig, d. h. 40 Stunden pro Woche als angestellter Taxifahrer. Es sei\neine durch nichts belegbare Unterstellung des Familiengerichts, dass ein\n36jahriger gelernter Industriemechaniker uberhaupt einen Arbeitsplatz finde. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Das Familiengericht hat zutreffend den Antragsteller zur Zahlung von 100 %\ndes Regelbetrages (West) verurteilt. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass er außerstande sei, ein\nNettoeinkommen von 1.500,00 Euro zu verdienen, das ihn in die Lage versetzen\nwurde, nach Abzug von 5 % und unter Berucksichtigung des notwendigen\nSelbstbehalts von 890,00 Euro 100 % des Regelbetrages (West) zu zahlen. Er ist\nfur die mangelnde Leistungsfahigkeit darlegungs- und beweispflichtig. Die\nerhohte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB legt dem Antragsteller\neine erweiterte Arbeitsverpflichtung unter gesteigerter Ausnutzung seiner\nArbeitskraft auf, die ihn auch verpflichtet, in zumutbaren Grenzen einen Orts-\nund Berufswechsel vorzunehmen, wenn er nur auf dieser Weise im Sinn des § 1603\nAbs. 2 Satz 1 seine Unterhaltspflicht, jedenfalls das Existenzminimum der\nKinder sicher zu stellen, erfullen kann (BGH FamRZ 1980, 1113; BGH FamRZ 1993,\n1283). Nach Verletzung der gesteigerten Erwerbsobliegenheit wird ein Einkommen\nfiktiv hinzugerechnet, wobei Voraussetzung eine reale Arbeitsmarktchance ist.\nDass er nicht in der Lage sei, ein Einkommen in der angenommenen Hohe von\n1.500,00 Euro zu verdienen, hat er nicht dargetan. Er hat keine konkreten\nausreichenden Bemuhungen vorgebracht. Seine jahrelange Tatigkeit als\nTaxifahrer hat ihm gezeigt, dass er in diesem Beruf kein Einkommen erzielt,\ndass das Existenzminimum der Kinder sicherstellen kann. Er hatte sich auch\nanderweitig in anderen Berufen bewerben mussen. \n--- \n---\n\n
141,769
ag-konstanz-2006-04-27-5-f-15305
55
Amtsgericht Konstanz
ag-konstanz
Konstanz
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
5 F 153/05
2006-04-27
2019-01-08 22:21:48
2019-01-17 12:01:57
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n2\\. Die Kosten des Verfahrens werden dem Klager auferlegt.\n\n3\\. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung oder\nHinterlegung in Hohe von 100% des beizutreibenden Betrages vorlaufig\nvollstreckbar.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager wurde am 27.9.2001 geboren. Er ist das Kind der Frau … und des\nBeklagten. Seine Eltern waren nie miteinander verheiratet. Er lebt seit seiner\nGeburt uberwiegend bei seiner Mutter und wird von dieser erzogen, betreut und\nversorgt. Der Beklagte leistet Kindesunterhalt in Hohe von 135% des\nRegelunterhalts. Die Festsetzung der Unterhaltshohe erfolgte einvernehmlich\nzwischen den Eltern. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager nimmt den Beklagten nun auf Zahlung von Mehrbedarf in Anspruch: \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| insgesamt 550 EUR fur die Monate in Oktober 2004 bis August 2005 fur die\nKosten, die durch den Besuch des Kindergartens … in … entstanden sind. Dies\nsind monatlich 50 EUR, knapp die Halfte der angefallenen monatlichen Gebuhr in\nHohe von 101,50 EUR. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Daruber hinaus verlangt er monatlich ab November 2005 je 461 EUR sowie\nRuckstande in Hohe von 922 EUR fur die Monate September und Oktober 2005 fur\nKosten, die durch den Besuch der … School in Birmingham entstanden sind und\nkunftig entstehen. Dies ist wiederum die Halfte der in der Vergangenheit\nzwischen September 2005 und Juli 2006 angefallenen Gebuhr in Hohe von\nmonatsdurchschnittlich 963 EUR. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager wurde von seiner Mutter im Zuge ihres Umzuges nach Birmingham\nzum Zwecke der Promotion zum Besuch der dortigen … School angemeldet.\nGunstigere Unterbringungsmoglichkeiten waren in Birmingham nicht zu erhalten. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Klager behauptet, der Beklagte habe die Übernahme der halftigen\naußerhauslichen Betreuungskosten zugesagt. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Klager beantragt: \n--- \n--- \n1. \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Beklagte wird verurteilt, an den Klager einen monatlichen Mehrbedarf in\nHohe von 461,00 Euro zu bezahlen, beginnend mit dem Monat November 2005,\nspatestens zahlbar bis jeweils des ersten Werktag eines Monats. \n--- \n--- \n2. \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Beklagte wird verurteilt, an den Klager ruckstandigen Mehrbedarf fur\ndie Monate September 2005 und Oktober 2005 in Hohe von 922,00 Euro nebst\nZinsen in Hohe von 5 Prozentpunkte uber den Basiszinssatz seit dem 04.10.2005\nzu bezahlen. \n--- \n--- \n3. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Beklagte wird verurteilt, fur die Monate Oktober 2004 bis August 2005\neinen Mehrbedarf in Hohe von insgesamt 550,00 Euro zu bezahlen nebst Zinsen in\nHohe von 5 Prozentpunkte uber den Basiszinssatz hieraus seit 22.08.2005. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Beklagte beantragt Klageabweisung. \n--- \n--- \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Beklagte hat nach Beweisaufnahme eingeraumt, gegenuber der Mutter des\nKlagers zugesagt zu haben, sich mit monatlich 100 EUR an den Betreuungskosten\nfur den Klager zu beteiligen. Er behauptet, er habe aber gegenuber der Mutter\ndes Klagers schon vor der Abreise nach Birmingham zu bedenken gegeben, dass er\ndaruber hinaus nicht leistungsfahig sei, schon wegen der immensen\nUmgangskosten, die durch den Umzug nach England auf ihn zukommen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen … . Auf die\nSitzungsniederschrift vom 21.3.2006 wird verwiesen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nicht begrundet. \n--- \n--- \nI. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der von Klager geltend gemachte Anspruch kann nicht als Mehrbedarf im Sinne\nvon § 1610 Abs. 2 BGB zugesprochen werden. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Ein eigener Anspruch des Klagers gegen den barunterhaltspflichtigen\nBeklagten ware unter dem Gesichtspunkt eines Zusatzbedarfes nur dann gegeben,\nwenn die Unterbringung aus in der Person des Kindes liegenden Grunden\nerforderlich ware (OLG Karlsruhe, NJW RR 1999, 4; Wendl/Staudigl-Scholz,\nUnterhaltsR, 6. Aufl., § 2, Rdnrn. 317;Eschenbruch/Wohlgemuth,\nUnterhaltsprozess, 3. Aufl., Rdnr. 3043 - derzeit h.M.). Solche Grunde sind\nnicht vorgetragen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Zwar kann der Besuch eines Kindergartens als padagogisch erwunscht gelten,\nvgl. § 2 KindergartenG Baden-Wurttemberg. Der Klager verlangt jedoch nicht\nlediglich die halftige Erstattung der ublichen Kindergartengebuhren, sondern\nmacht erheblich hohere Kosten fur einen Hort geltend. Dafur, dass er aus\npadagogischen Grunden in einer derartigen Einrichtung betreut werden musste,\nist nichts vorgetragen oder ersichtlich. Der Besuch der … School in Birmingham\nwurde nur deshalb erforderlich, weil die Mutter des Klagers zum Zwecke der\nPromotion dorthin verzog. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die so entstandenen Betreuungskosten sind mit solchen Betreuungskosten\nvergleichbar, die entstehen, um einem berufstatigen Elternteil die Aufnahme\neiner Erwerbstatigkeit zu ermoglichen. Solche Kosten werden als berufsbedingte\nAufwendungen dieses Elternteils behandelt (vgl. OLG Karlsruhe a. a. O., Scholz\na. a. O.). Dass hierbei insbesondere nicht verheiratete, betreuende\nElternteile, denen ein Unterhaltsanspruch gegen den anderen Elternteil wegen\nZeitablaufs nicht mehr zusteht (§1615 l BGB) erheblich benachteiligt werden,\nliegt auf der Hand. Sie mussen nicht nur fur ihren eigenen Unterhalt sorgen,\nobwohl sie hieran bei Wahrnehmung ihrer Erziehungsaufgaben nach traditionellem\nVerstandnis entweder ganz oder zumindest teilweise verhindert sind und also im\nRegelfall ihre komplette Freizeit fur die elterliche Erziehung des Kindes\neinsetzen, sondern mussen daruber hinaus - neben dieser im Rahmen einer Ehe\nals uberobligationsmaßig qualifizierten Erwerbstatigkeit - auch noch auf den\nTeil ihres Einkommens verzichten, de durch die Kosten einer die\nErwerbstatigkeit uberhaupt erst ermoglichenden Betreuung ihres Kindes\nentstehen. Diese Benachteiligung wird jedoch vom Gesetzgeber in Kauf genommen\n, wie die Ausgestaltung des Unterhaltsanspruches aus § 1615 l BGB Abs.2 BGB\nzeigt. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Nichts anderes gilt fur die Lage der Mutter des Klagers, die als\npromovierende Studentin ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten muss: die\nBetreuungskosten fur den Klager sind Teil ihrer Lebenshaltungsaufwendungen. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Dem Klager steht auch kein eigener vertraglicher Anspruch gegen den\nBeklagten auf Zahlung der Betreuungskosten zu. Nach der Bekundung des Zeugen …\n, dem das Gericht auf Grund des glaubhaften Eindrucks, den er in seiner\nZeugenvernehmung hinterlassen hat, uneingeschrankt glaubt, hat der Beklagte\nnicht gegenuber dem Klager, sondern gegenuber der Mutter des Klagers die\nZusage gemacht, sich mit wenigstens 100 EUR an der Betreuungskosten des\nKlagers zu beteiligen. Anhaltspunkte fur einen Vertrag der Eltern zu Gunsten\ndes Klagers oder fur einen Forderungsubergang von der Mutter auf den Klager\nsind nicht vorgetragen. \n--- \n--- \nIII. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nicht begrundet. \n--- \n--- \nI. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der von Klager geltend gemachte Anspruch kann nicht als Mehrbedarf im Sinne\nvon § 1610 Abs. 2 BGB zugesprochen werden. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Ein eigener Anspruch des Klagers gegen den barunterhaltspflichtigen\nBeklagten ware unter dem Gesichtspunkt eines Zusatzbedarfes nur dann gegeben,\nwenn die Unterbringung aus in der Person des Kindes liegenden Grunden\nerforderlich ware (OLG Karlsruhe, NJW RR 1999, 4; Wendl/Staudigl-Scholz,\nUnterhaltsR, 6. Aufl., § 2, Rdnrn. 317;Eschenbruch/Wohlgemuth,\nUnterhaltsprozess, 3. Aufl., Rdnr. 3043 - derzeit h.M.). Solche Grunde sind\nnicht vorgetragen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Zwar kann der Besuch eines Kindergartens als padagogisch erwunscht gelten,\nvgl. § 2 KindergartenG Baden-Wurttemberg. Der Klager verlangt jedoch nicht\nlediglich die halftige Erstattung der ublichen Kindergartengebuhren, sondern\nmacht erheblich hohere Kosten fur einen Hort geltend. Dafur, dass er aus\npadagogischen Grunden in einer derartigen Einrichtung betreut werden musste,\nist nichts vorgetragen oder ersichtlich. Der Besuch der … School in Birmingham\nwurde nur deshalb erforderlich, weil die Mutter des Klagers zum Zwecke der\nPromotion dorthin verzog. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die so entstandenen Betreuungskosten sind mit solchen Betreuungskosten\nvergleichbar, die entstehen, um einem berufstatigen Elternteil die Aufnahme\neiner Erwerbstatigkeit zu ermoglichen. Solche Kosten werden als berufsbedingte\nAufwendungen dieses Elternteils behandelt (vgl. OLG Karlsruhe a. a. O., Scholz\na. a. O.). Dass hierbei insbesondere nicht verheiratete, betreuende\nElternteile, denen ein Unterhaltsanspruch gegen den anderen Elternteil wegen\nZeitablaufs nicht mehr zusteht (§1615 l BGB) erheblich benachteiligt werden,\nliegt auf der Hand. Sie mussen nicht nur fur ihren eigenen Unterhalt sorgen,\nobwohl sie hieran bei Wahrnehmung ihrer Erziehungsaufgaben nach traditionellem\nVerstandnis entweder ganz oder zumindest teilweise verhindert sind und also im\nRegelfall ihre komplette Freizeit fur die elterliche Erziehung des Kindes\neinsetzen, sondern mussen daruber hinaus - neben dieser im Rahmen einer Ehe\nals uberobligationsmaßig qualifizierten Erwerbstatigkeit - auch noch auf den\nTeil ihres Einkommens verzichten, de durch die Kosten einer die\nErwerbstatigkeit uberhaupt erst ermoglichenden Betreuung ihres Kindes\nentstehen. Diese Benachteiligung wird jedoch vom Gesetzgeber in Kauf genommen\n, wie die Ausgestaltung des Unterhaltsanspruches aus § 1615 l BGB Abs.2 BGB\nzeigt. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Nichts anderes gilt fur die Lage der Mutter des Klagers, die als\npromovierende Studentin ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten muss: die\nBetreuungskosten fur den Klager sind Teil ihrer Lebenshaltungsaufwendungen. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Dem Klager steht auch kein eigener vertraglicher Anspruch gegen den\nBeklagten auf Zahlung der Betreuungskosten zu. Nach der Bekundung des Zeugen …\n, dem das Gericht auf Grund des glaubhaften Eindrucks, den er in seiner\nZeugenvernehmung hinterlassen hat, uneingeschrankt glaubt, hat der Beklagte\nnicht gegenuber dem Klager, sondern gegenuber der Mutter des Klagers die\nZusage gemacht, sich mit wenigstens 100 EUR an der Betreuungskosten des\nKlagers zu beteiligen. Anhaltspunkte fur einen Vertrag der Eltern zu Gunsten\ndes Klagers oder fur einen Forderungsubergang von der Mutter auf den Klager\nsind nicht vorgetragen. \n--- \n--- \nIII. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. \n--- \n---\n\n
141,897
olgkarl-2006-05-24-19-u-6505
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
19 U 65/05
2006-05-24
2019-01-08 22:43:52
2019-02-12 13:10:22
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung des Klagers gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom\n23.3.2005 wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Der Klager kann die Vollstreckung\ndurch Sicherheitsleistung in Hohe von 120% des aufgrund dieses Urteils zu\nvollstreckenden Betrages vorlaufig abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der\nVollstreckung Sicherheit in Hohe von 120% des jeweils zu vollstreckenden\nBetrages leistet.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| 1 \n--- \n| **I** . Der Klager, Insolvenzverwalter uber das Vermogen des Inhabers der\nFirma S. Medizintechnik, N. S., macht gegenuber dem Beklagten, der ein\ngewerbliches Pfandleihgeschaft betreibt und dem Gemeinschuldner gegen\nSicherungsubereignung eines Kraftfahrzeuges unter Vereinbarung eines nach § 10\nPfandlV unzulassig hohen Zinssatzes ein Darlehen gewahrt hat, einen\nWertersatzanspruch nach erfolgter Insolvenzanfechtung geltend. \n--- \n| 2 \n--- \n| Auf die tatsachlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils, mit dem\ndie Klage abgewiesen worden ist, wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit der Berufung verfolgt der Klager seinen Anspruch auf Wertersatz weiter.\nDas Landgericht habe - so der Berufungsfuhrer - die festgestellten Tatsachen\nrechtlich falsch gewurdigt und daher die Klage zu Unrecht als unbegrundet\nzuruckgewiesen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Entgegen der Auffassung des Landgerichts fuhre der Verstoß gegen § 10\nPfandlV nicht nur zu einer Anpassung des zu zahlenden Zinses, sondern zu einer\nGesamtnichtigkeit des Darlehensvertrages einschließlich der darin vereinbarten\nSicherungsubereignung. Zweck des § 10 PfandlV sei es, den redlichen\nDarlehensnehmer, der finanziell uberfordert sei und dem sich als letzter\nAusweg allein noch das Aufsuchen eines Pfandleihers biete, davor zu schutzen,\nbei privaten Pfandleihern Darlehen zu vollig uberhohten Zinsen aufnehmen zu\nmussen. Dieser Schutzzweck der Norm werde unterlaufen, wenn dem Pfandleiher,\nder unter bewusstem Verstoß gegen die PfandlV uberhohte Zinsen beanspruche,\nder Fortbestand des Darlehensvertrages mit dem hochstzulassigen Zinssatz\nzugute komme. Vor der Gefahr uberhohter Darlehenszinsen sei der\nDarlehensnehmer nur durch die Rechtsfolge der Gesamtnichtigkeit des Vertrages\ngeschutzt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Außerdem liege selbst dann, wenn lediglich eine Teilnichtigkeit des\nDarlehensvertrages anzunehmen sei, eine inkongruente Deckung i.S.d. § 131 Abs.\n1 Nr. 2 InsO vor, da mit der Sicherungsubereignung die gesamte\nDarlehensforderung einschließlich Zinsen besichert worden sei, hinsichtlich\nder uberhohten Zinsforderung aber kein Anspruch auf entsprechende Besicherung\nbestanden habe. \n--- \n| 6 \n--- \n| Jedenfalls ergebe sich - auch bei bloßer Teilnichtigkeit des\nDarlehensvertrages - ein Anfechtungsrecht aus § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Es\nmusse davon ausgegangen werden, dass der Klager positive Kenntnis von der\nZahlungsunfahigkeit des Gemeinschuldners gehabt habe. Angesichts der Tatsache,\ndass der Gemeinschuldner einen gerade drei Monate zuvor fur EUR 50.802,20\nerworbenen PKW zur Erlangung eines Kredits von EUR 22.000,- verpfandet habe,\nhabe dem Beklagten klar sein mussen, dass der Gemeinschuldner nicht in der\nLage gewesen sei, seine bestehenden Verbindlichkeiten zu tilgen. Die\nMotivation des Darlehensnehmers, einen Pfandleiher aufzusuchen, liege nicht\ndarin begrundet, Darlehen zur kurzfristigen Überbruckung eines finanziellen\nEngpasses aufzunehmen. Vielmehr sei die Inanspruchnahme eines Pfandleihers die\nallerletzte Moglichkeit fur den Darlehensnehmer, Geld zur Tilgung von\nVerbindlichkeiten zu erhalten, nachdem Bankkredit nicht mehr in Anspruch\ngenommen werden konnte. Dem Beklagten seien Umstande bekannt gewesen, die\nzwingend auf die Zahlungsunfahigkeit des Insolvenzschuldners schließen ließen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 8 \n--- \n| 1\\. das angefochtene Urteil aufzuheben; \n--- \n| 9 \n--- \n| 2\\. den Beklagten zu verurteilen, an den Klager EUR 26.000,- nebst Zinsen\ni.H.v. 8 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz hieraus seit 6.11.2004 zu\nbezahlen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 11 \n--- \n| die Berufung des Klagers zuruckzuweisen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Bei § 10 PfandlV handele es sich\num eine Preisvorschrift, die zum Ziel habe, Leistungen zu einem angemessenen\nPreis zu gewahrleisten. Dies habe zur Folge, dass ein Verstoß hiergegen\nlediglich zur Unwirksamkeit der Zinsvereinbarung und Reduzierung des Zinses\nauf den nach § 10 PfandlV zulassigen Zinssatz fuhre. Die Regelung des § 10\nPfandlV sei als gesetzliches Verbot abschließend und erlaube keinen Ruckgriff\nauf die allgemeinen Grundsatze zur Nichtigkeit sittenwidriger Rechtsgeschafte.\nEs sei außerdem unzutreffend, dass derjenige, der einen Pfandleiher aufsuche,\nstets zahlungsunfahig sei. Zwar sei richtig, dass er sich in der Regel in\nfinanziellen Noten befande. Dabei konne es sich aber sowohl um langfristige\nals auch um kurzfristige Engpasse handeln. \n--- \n| 13 \n--- \n| Bezuglich des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug im Einzelnen\nwird auf die Berufungsbegrundung vom 17.5.2005 (Band II AS 17) und den\nSchriftsatz des Klagers vom 21.6.2005 (Band II AS 33) sowie die\nBerufungserwiderung vom 30.5.2005 (Band II AS 29ff) verwiesen, die Gegenstand\nder mundlichen Verhandlung vor dem Senat waren. \n--- \n| 14 \n--- \n| **II** . Die Berufung ist nicht begrundet. Dem Klager steht der behauptete\nWertersatzanspruch nach § 143 Abs. 1 S. 2 InsO i.V.m. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs.\n4, 292 Abs. 1, 989, 990 BGB nicht zu, denn der Klager war nicht zur Anfechtung\nder Sicherungsubereignung des PKW zugunsten des Beklagten berechtigt. \n--- \n| 15 \n--- \n| 1\\. Ein Anfechtungsrecht nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist nicht gegeben.\nDenn dem Beklagten ist keine Sicherheit gewahrt worden, die er nicht zu\nbeanspruchen hatte. Insbesondere ist der zwischen dem Beklagten und dem\nGemeinschuldner geschlossene Kreditvertrag weder nach § 134 Abs. 1 BGB, noch\nnach 138 Abs. 1 BGB oder § 138 Abs. 2 BGB nichtig. Der Beklagte war daher als\nSicherungsnehmer nicht verpflichtet, sich einer Verfugung uber das\nSicherungsgut zu enthalten und es an den Gemeinschuldner - bzw. nunmehr statt\nan diesen an den Klager als Insolvenzverwalter - ruckzuubereignen. \n--- \n| 16 \n--- \n| 2\\. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass der unstreitige Verstoß\ngegen § 10 PfandlVO nicht zur Gesamtnichtigkeit des Darlehensvertrages fuhrte,\nsondern lediglich dazu, dass die uber einen Zinssatz von 1% p.M. hinausgehende\nZinsvereinbarung unwirksam ist. \n--- \n| 17 \n--- \n| Gemaß § 134 BGB ist ein Rechtsgeschaft, das gegen ein gesetzliches Verbot\nverstoßt, nur dann nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.\nDabei ist die Frage, ob verbotswidrige Rechtsgeschafte gesamtnichtig sind, aus\nSinn und Zweck der jeweiligen Verbotsvorschrift heraus zu beantworten.\nEntscheidend ist, ob das Gesetz sich gegen die privatrechtliche Wirksamkeit\ndes Rechtsgeschafts und damit gegen seinen wirtschaftlichen Erfolg wendet,\nd.h. ob es Erfullungsanspruche aus dem Rechtsgeschaft insgesamt verhindern\nwill (BGHZ 88, 240; 89, 369; 118, 142). Richtet sich ein gesetzliches Verbot -\nwie vorliegend bei § 10 PfandlV nach seinem Wortlaut der Fall - allein gegen\neinen der Geschaftspartner, so ist im Regelfall nicht von einer\nGesamtnichtigkeit auszugehen. Nur dann, wenn gerade der angestrebte Schutz des\nVertragsgegners oder Dritter die Nichtigkeit des Rechtsgeschafts erfordert\n(BGH NJW 79, 2092; BGHZ 89, 369; 93, 264; BGHZ 115, 123; BGH VersR 1992, 48)\nund / oder wenn der Erfullungsanspruch auf eine unerlaubte Tatigkeit gerichtet\nist (BGHZ 37, 258 ; 53, 152; 89, 369), ist eine Gesamtnichtigkeit des\nVertrages trotz einseitiger Verbotswidrigkeit anzunehmen (vgl. zusammenfassend\nStaudinger-Sack, BGB (2003), § 134 BGB Rdnr. 71, 73 m.w.N.). \n--- \n| 18 \n--- \n| Zweck des § 10 PfandlV ist es nicht, dem Darlehensnehmer die\nInanspruchnahme eines Darlehens bei einem Pfandleiher generell zu untersagen.\nVielmehr handelt es sich bei § 10 PfandlV um eine gesetzliche Preisregelung,\nmit der - wie das Landgericht zutreffend ausgefuhrt hat - der Kunde vor\nÜbervorteilung geschutzt werden soll. \n--- \n| 19 \n--- \n| In der amtlichen Begrundung zu § 10 PfandlV (Bundesrat-Drucks. 402/60 Begr.\nS. 6) ist zum Zweck der Regelung Folgendes ausgefuhrt: \n--- \n| 20 \n--- \n| _Die Zahl der gewerblichen Pfandleihbetriebe in der Bundesrepublik ist\ngering. Infolge dessen fehlt insoweit ein Markt des Kleinpfandkredits, in dem\nsich ein Wettbewerb entwickeln k onnte. Mit Rucksicht auf diese besondere Lage\nwird daran festgehalten, zum Schutz der Verpfander Hochstvergutungssatze\nfestzusetzen. Die Hohe des Darlehenszinses und der Vergutungen entspricht im\nDurchschnitt den derzeitigen Landervorschriften._ \n--- \n| 21 \n--- \n| Bei der Zinsregelung des § 10 PfandlV handelt es sich danach um eine\ntypische gewerbe- und aufsichtsrechtliche Regelung, die zwar im offentlichen\nInteresse auf die Geschaftsausubung des Verbotsadressaten - des Pfandnehmers -\nEinfluss nehmen soll, jedoch die Wirksamkeit des mit dem Pfandgeber\ngeschlossenen Darlehensvertrages im Übrigen unberuhrt lasst. \n--- \n| 22 \n--- \n| Denn auch der Schutz des Vertragspartners des Pfandleihers erfordert eine\nGesamtnichtigkeit des Darlehensvertrages nicht. § 10 PfandlV will die\nÜbervorteilung des Pfandgebers infolge einer Ausnutzung seiner finanziell\nangespannten Situation durch den Pfandleiher verhindern, nicht hingegen\njedwede weitere Darlehensaufnahme des Kunden des Pfandleihers auch bei vom\nGesetz als angemessen erachteten Zinssatzen. Diesem Gesetzeszweck ist durch\ndie Festsetzung gesetzlicher Hochstzinsen genugt. Eine Unwirksamkeit des\ngesamten Rechtsgeschafts uber die getroffene Zinsabrede hinaus hatte zur\nFolge, dass der Darlehensnehmer infolge der Nichtigkeit der getroffenen\nVertragsabsprachen zur sofortigen Ruckzahlung des erhaltenen Darlehens\nverpflichtet ware. Dass dies Zweck des § 10 PfandlV ware, kann weder dem\nWortlaut noch der Gesetzesbegrundung des § 10 PfandlV entnommen werden. \n--- \n| 23 \n--- \n| Nach allgemeiner Auffassung ist bei einem Verstoß gegen eine\npreisrechtliche Norm lediglich der uber das zulassige Maß hinausgehende Teil\nder Preisvereinbarung nach § 134 BGB nichtig, im Übrigen bleibt der Vertrag -\nnach h.M. mit dem zulassigen, nicht lediglich mit dem marktublichen - Preis\nbestehen ( BGHZ 51, 174; 181; 89, 316, 319; 108, 147, 150; Staudinger-Sack,\na.a.O., Rdnr. 271; Soergel/Hefermehl, 13. Auflage, § 134 BGB Rdnr. 63;\nPalandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 134 BGB Rdnr. 27 ; Mayer-Maly/Armbruster,\nin MK-BGB, 4. Aufl., § 134 BGB Rdnr. 107 § 134 Rdnr. 27; zum Fall der\nÜberschreitung devisenrechtlich genehmigter Darlehenszinssatze: BGHZ 116, 77;\nspeziell zu § 10 PfandlV: Damrau, Kommentar zur PfandlV, 2. Auflage, § 10\nRdnr. 2). \n--- \n| 24 \n--- \n| Zwar ist damit nicht der Moglichkeit des Pfandleihers entgegengewirkt,\neinen ungesetzlich hohen Zins zu verlangen, ohne dem Risiko ausgesetzt zu\nsein, im Falle einer Berufung des Pfandgebers auf die Unwirksamkeit des\nvereinbarten Zinssatzes weniger als den gesetzlich zulassigen Zins zu\nerhalten. Einem solchen Verhalten hat der Gesetzgeber jedoch ersichtlich nicht\ndurch eine Bestimmung dahingehend, dass der Pfandgeber im Falle eines\nVerstoßes keinen oder nur einen besonders niedrigen Zins zu zahlen habe,\nsondern dadurch entgegenwirken wollen, dass er Verstoße gegen § 10 PfandlV als\nOrdnungswidrigkeiten unter Bußgeldbewehrung gestellt hat (vgl. § 12 a\nPfandlV). \n--- \n| 25 \n--- \n| 3\\. Eine Nichtigkeit des Darlehensvertrages nach § 138 Abs. 1 BGB im\nHinblick auf die in der Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von\nRatenkreditvertragen entwickelten Grundsatze scheidet aus. \n--- \n| 26 \n--- \n| a. Zwar ist anerkannt, dass Kreditvertrage bei einer Überschreitung des\nmarktublichen Effektivzinssatzes um mindestens 100% nach § 138 Abs. 1 BGB\nsittenwidrig und daher nichtig sind, wenn der Kreditgeber die schwachere Lage\ndes anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt oder sich leichtfertig\nder Erkenntnis verschließt, dass der Kreditnehmer sich nur wegen seiner\nschwacheren Lage auf die druckenden Vertragsbedingungen einlasst (BGHZ 80,\n160; 128, 257), wobei bei einem Vertrag zwischen einem gewerblichen\nKreditgeber und einem Verbraucher - nicht hingegen dann, wenn der Kreditnehmer\nKaufmann oder Freiberufler ist (BGH NJW 91, 1810; 95, 1022) - die Ausnutzung\nder wirtschaftlich schwacheren Lage bei Vorliegen eines auffalligen\nMissverhaltnisses zwischen Leistung und Gegenleistung tatsachlich vermutet\nwird (BGHZ 98, 178; BGH NJW 95, 1022). \n--- \n| 27 \n--- \n| Nach einhelliger Auffassung stellt jedoch dann, wenn sich der\nGesetzesverstoß i.S.d. § 134 BGB - vorliegend die uberhohte Zinsforderung -\nzugleich als Sittenverstoß i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB zu bewerten ist, § 134 BGB\ngegenuber § 138 Abs. 1 BGB die vorrangige Sonderregelung dar (BGH NJW 83, 868;\nBAG NJW 93, 2701; Palandt a.a.O., Rdnr. 13; Staudinger-Sack, a.a.O., § 138\nRdnr. 96; Ermann-Palm, BGB, 10. Auflage, § 138 BGB Rdnr. 10; Mayer-\nMaly/Armbruster, MK-BGB, a.a.O., § 138 Rdnr. 4; Bamberger/Roth - Wendtland,\nBGB, 2005, § 138 Rdnr. 6). Nur wenn uber die Gesetzeswidrigkeit hinaus\nbesondere die Sittenwidrigkeit begrundende Tatumstande hinzukommen, ist § 138\nAbs. 1 BGB anwendbar, andernfalls liefe § 134 BGB leer (vgl. BGH NJW 98, 2592;\nStaudinger-Sack, a.a.O.). \n--- \n| 28 \n--- \n| b. Solche weiteren Umstande sind vorliegend nicht vorgetragen. Insbesondere\nist eine Sittenwidrigkeit nicht aufgrund der vom Beklagten dem Gemeinschuldner\nneben der Zinsverpflichtung abverlangten Kostenersatzes von 1,5% p.M.\n(entsprechend EUR 330,-) fur Bearbeitung und Versicherung begrundet. Von einem\nauffalligen Missverhaltnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann insoweit\nnicht ausgegangen werden. Die Anlage zu § 10 Abs. 1 Nr. 2 PfandlV sieht vor,\ndass bei Darlehen von uber EUR 300,- die Hohe des Kostenersatzes frei\nvereinbart werden kann. Ein auffalliges Missverhaltnis ware evtl. dann\nanzunehmen, wenn der Beklagte dem Gemeinschuldner ein Kostenersatz nach § 10\nAbs. 1 Nr. 2 PfandlV abverlangt hatte, der im Anschluss an die in der Anlage\nzu § 10 Abs. 1 Nr. 2 PfandlV aufgefuhrten Betrage nicht mehr zum\nDarlehensbetrag degressiv ware, ohne dass dies durch mit der Aufbewahrung des\nPfandgutes entstehende besondere Lagerkosten gerechtfertigt ware (vgl. Damrau,\na.a.O., Rdnr. 4). Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Überdies sieht §\n10 Abs. 1 Nr. 2 PfandlV ausdrucklich vor, dass bei der Verpfandung von\nKraftfahrzeugen im Hinblick auf die Lagerkosten eine zusatzliche Vergutung\nverlangt werden kann. \n--- \n| 29 \n--- \n| c. Der Darlehensvertrag nebst darin vereinbarter Sicherungsabrede ist auch\nnicht unter dem Gesichtspunkt der Übersicherung nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.\nDies ware nur dann der Fall, wenn der im Insolvenzfall realisierbare Wert der\nSicherheit in einem auffalligen Missverhaltnis zu der gesicherten Forderung\ngestanden hatte (BGH NJW 1998, 2047; Mayer-Maly/Armbruster, MK-BGB, a.a.O., §\n138 Rdnr. 101), wobei in der Literatur teilweise die Grenze erst dann als\nuberschritten angesehen wird, wenn der Wert der Sicherheit die zu sichernde\nForderung um mehr als 200% ubersteigt (vgl. Lwowski, Das Recht der\nKreditscherung, 8. Auflage, Rdnr. 154). Ob dem zu folgen ist, kann offen\nbleiben. Bei einem tatsachlich durch den Verkauf des Fahrzeugs realisierten\nVerkaufserlos von EUR 26.000,- kann jedenfalls von einer sittenwidrigen\nÜbersicherung nicht ausgegangen werden. \n--- \n| 30 \n--- \n| 3\\. Das Vorliegen der tatsachlichen Voraussetzungen einer Nichtigkeit des\nDarlehensvertrages wegen Wuchers (§138 Abs. 2 BGB) hat der Klager nicht\nbehauptet. Soweit er vorgetragen hat, dass fur den Beklagten erkennbar gewesen\nsei, dass der Gemeinschuldner sich nur wegen einer fur ihn misslichen\nwirtschaftlichen Situation auf die erdruckenden Bedingungen des\nDarlehensvertrages eingelassen habe, bzw. dass er sich dieser Erkenntnis beim\nVertragsabschluss zumindest leichtfertig verschlossen haben musse, ist dies\nlediglich geeignet, die subjektiven Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB zu\nbegrunden. Denn der subjektive Tatbestand des § 138 Abs. 2 BGB erfordert\ndaruber hinausgehend, dass sich der Versprechensempfanger eine beim Schuldner\naufgrund einer Zwangslage begrundete Schwachesituation in positiver Kenntnis\nderselben bewusst zunutze macht (vgl. BGH NJW 82, 2767; 85, 3006; Palandt-\nHeinrichs, a.a.O. Rdnr. 74). \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Klager hat nicht behauptet, dass der Beklagte irgendwelche Kenntnisse\nhinsichtlich der Vermogensverhaltnisse des Gemeinschuldners gehabt hatte. \n--- \n| 32 \n--- \n| Er hat zwar vom Beklagten unbestritten vorgetragen, dass die Hausbank des\nGemeinschuldners diesem - allerdings bereits weit uber 2 Jahre vor der\nKreditaufnahme beim Beklagten - Bankkredite i.H.v. ca. EUR 230.000,- gekundigt\nhatte, und dass die Bank wegen der ausstehenden Darlehensruckzahlung\nZwangsvollstreckungsmaßnahmen ergriffen habe. Der Klager hat jedoch nicht\ndargelegt, wann genau der Fall gewesen sei, und hat insbesondere nicht\nbehauptet, dass der Beklagte von diesen Vorgangen Kenntnis erlangt hatte. \n--- \n| 33 \n--- \n| Hatte der Beklagte aber keine Kenntnis von den Vermogensverhaltnissen des\nGemeinschuldners, dem Umfang und der Falligkeit der ihn betreffenden\nVerbindlichkeiten, gegen ihn ergriffener Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder\nhinsichtlich moglicher vorangegangener Zahlungseinstellungen, so kann eine\npositive Kenntnis einer den Gemeinschuldner bedrangenden Lage und Ausnutzung\nderselben nicht unterstellt werden. \n--- \n| 34 \n--- \n| 4\\. Eine inkongruente Deckung i.S.d. § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist nicht\ndeshalb gegeben, weil nach der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung\nmit der Sicherungsubereignung die gesamte Darlehensforderung des Beklagten\neinschließlich der vereinbarten Vertragszinsen i.H.v. 3,5% p.M. besichert\nwerden sollte, tatsachlich dem Beklagten jedoch lediglich Zinsen in Hohe von\n1% p.M. fur den Zeitraum zwischen dem 22.01.2004 und dem 24.9.2004 zustanden. \n--- \n| 35 \n--- \n| Denn ein Sicherungsgeber hat, wenn eine zu sichernde Forderung nur\nteilweise entstanden ist, keinen Anspruch auf Ruckgewahr der Sicherheit, da\ngrundsatzlich die ganze Sicherheit fur jeden Teil der Forderung haftet,\nsolange - was vorliegend der Fall ist, vgl. vorstehend 2.c. - kein Fall der\nsittenwidrigen Übersicherung i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB vorliegt (vgl. Lwowski,\na.a.O., Rdnr. 215, 304). \n--- \n| 36 \n--- \n| 5\\. Die Sicherungsubereignung zugunsten des Beklagten ist entgegen der\nAuffassung des Klagers auch nicht nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar. \n--- \n| 37 \n--- \n| Ein Anfechtungsrecht nach § 130 As. 1 Nr. 1 InsO, wie es vom Klager\nerstmals in der Berufungsbegrundung behauptet wird, setzt grundsatzlich die\npositive Kenntnis des Glaubigers von der Zahlungsunfahigkeit des\nGemeinschuldners voraus, die dann gegeben ist, wenn der Glaubiger aus ihm\nbekannten Tatsachen und dem Verhalten des Gemeinschuldners den zutreffenden\nSchluss gezogen hat, dass dieser wesentliche Teile (10% und mehr) seiner\nernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten im Zeitraum von etwa der nachsten\nzwei bis drei Wochen nicht werde tilgen konnen (BGH NJW 95, 2103; Kreft, in:\nHeidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl., § 130 Rdnr. 23). \n--- \n| 38 \n--- \n| Dass dies beim Beklagten vorliegend der Fall gewesen ware, kann ausgehend\nvom Vortrag des Klagers nicht unterstellt werden. Zwar steht nach § 130 Abs. 2\nInsO der Kenntnis der Zahlungsunfahigkeit die Kenntnis von Umstanden gleich,\ndie zwingend auf die Zahlungsunfahigkeit schließen lassen. Wie bereits\nausgefuhrt hat der Klager aber nicht behauptet, dass der Beklagte irgendwelche\nKenntnisse hinsichtlich der Vermogensverhaltnisse des Gemeinschuldners, dem\nUmfang und der Falligkeit der ihn betreffenden Verbindlichkeiten sowie\nhinsichtlich moglicher vorangegangener Zahlungseinstellungen gehabt hatte.\nAusgehend vom Klagervortrag war dem Beklagten nicht mehr bekannt, als dass der\nGemeinschuldner zur Erlangung eines auf drei Monate befristeten Kredits i.H.v.\nEUR 22.000,- einen Pfandleiher aufgesucht und diesem einen drei Monate zuvor\nfur EUR 50.802,20 erworbenen PKW sicherungsubereignet hat. Dies allein sind\nkeine Umstande, aus denen zwingend auf die Zahlungsunfahigkeit betreffenden\nPfandgebers zu schließen ist. Denn ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass\nGeschaftskunden eines Pfandleiher grundsatzlich zahlungsunfahig sind, besteht\nnicht. Ob - wie vom Klager vorgetragen - die ganz uberwiegende Mehrzahl der\nDarlehensnehmer ein Pfandhaus aufsuchen, weil sie Bankkredit nicht mehr in\nAnspruch nehmen konnen, kann dabei dahinstehen. Denn die Unmoglichkeit,\nanderweitig Kredit zu erlangen, steht einer Zahlungseinstellung oder\nZahlungsunfahigkeit nicht gleich. Angesichts der konkreten Umstande der\nInpfandgabe musste der Beklagte es auch nicht fur ausgeschlossen halten, dass\nder Gemeinschuldner, der wenige Monate vor der Kreditaufnahme beim Beklagten\nein hochwertigen Neuwagen durch Barzahlung erworben hatte, den beim Beklagten\naufgenommenen Kredit lediglich zur kurzfristigen Überbruckung eines\nfinanziellen Engpasses einsetzen wolle und - wie vereinbart - nach Ablauf der\nnur dreimonatigen Darlehensfrist das Darlehen zuruckzahlen werde. Den Umstand,\ndass das sicherungsubereignete Fahrzeug einen die Darlehenssumme deutlich\nuberschreitenden Wert hatte, musste der Beklagte entgegen der Auffassung des\nKlagers nicht als zwingendes Indiz fur eine Zahlungsunfahigkeit werten. Denn\ndie Stellung einer hoherwertigen Sicherheit hat fur den Darlehensnehmer allein\nden Nachteil, das der sicherungsubereignete Gegenstand als Sicherungsmittel\nfur anderweitige Kreditaufnahmen oder zur eigenen Nutzung nicht mehr zur\nVerfugung steht. Ein daruber hinausgehender wirtschaftlicher Nachteil ist\ndamit nicht verbunden, da der Pfandleiher im Falle der Verwertung allein den\nseiner Forderung entsprechenden Erlosanteil zu vereinnahmen berechtigt ist. \n--- \n| 39 \n--- \n| 6\\. Der Klager hat auch nicht die Voraussetzungen dafur vorgetragen, dass\nihm ein Anspruch auf Feststellungskosten i.H.v. 4% des Verkaufserloses (= EUR\n1040,-) zusteht. Dies ware nach § 170 Abs. 2 InsO nur dann der Fall, wenn er\nselbst nach § 166 InsO zur Verwertung des Fahrzeugs berechtigt gewesen, dem\nabsonderungsberechtigten Beklagten aber die Verwertung uberlassen hatte. Nach\n§ 166 InsO ist der Insolvenzverwalter aber nur dann zur Verwertung eines\nGegenstandes, an dem ein Absonderungsrecht besteht, berechtigt, wenn er diesen\nim Besitz hat. Gemeint sind damit diejenigen Sachen, an denen der Schuldner\nzum Zeitpunkt der Insolvenzeroffnung Besitz hatte und die durch die Übernahme\nder Insolvenzmasse gem. § 148 Abs. 1 InsO in den Besitz des Verwalters\nubergegangen sind (Landfermann, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung,\na.a.O. § 166 Rdnr. 9). Mittelbarer Besitz des Verwalters reicht hierfur grds.\naus, nicht jedoch, wenn der gesicherte Glaubiger unmittelbarer Besitzer ist\n(Landfermann, a.a.O., Rdnr. 14 m.w.N.). \n--- \n| 40 \n--- \n| In wessen unmittelbaren Besitz sich das Fahrzeug zum Zeitpunkt der\nInsolvenzeroffnung befand, hat der Klager nicht vorgetragen. Den vom Klager\nvorgelegten Unterlagen ist lediglich zu entnehmen, dass sich das Fahrzeug zum\nZeitpunkt der Sicherungsubereignung im unmittelbaren Besitz einer\nAutowerkstatt - und wohl im mittelbaren Besitz des Gemeinschuldners -, zum\nZeitpunkt der Verwertung aber moglicherweise im unmittelbaren Besitz des\nBeklagten befand (Anlagen K4, K8, K9). In der mundlichen Verhandlung vor dem\nSenat haben beide Parteivertreter auf Frage erklart, dass sie nicht sicher\nwussten, wo sich das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Insolvenzeroffnung und der\nVerwertung befunden habe. Damit steht ein Anspruch des Klagers auf Ersatz der\nFeststellungskosten nicht fest. \n--- \n| 41 \n--- \n| 7\\. Dem Klager steht auch kein Anspruch auf Auskehrung eines Mehrerloses\nzu. Der Verkaufserlos i.H.v. EUR 26.000,- ubersteigt die gesicherte Forderung\ndes Beklagten nicht. Diese besteht in Hohe von EUR 22.000,-\nDarlehensforderung, EUR 1.760,- Zinsforderung sowie EUR 2.640,- Kostenersatz\n(1% bzw. 1,5% Zins p.M jeweils fur den Zeitraum vom 22.1.04 bis 24.9.2004),\nmithin in Hohe von insgesamt EUR 26.400. \n--- \n| 42 \n--- \n| 8\\. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die ubrigen\nNebenentscheidungen aus §§ 543 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO. \n---\n\n
142,020
vg-stuttgart-2006-07-03-a-11-k-49706
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
A 11 K 497/06
2006-07-03
2019-01-08 22:45:04
2019-01-17 12:02:13
Urteil
## Tenor\n\nDer Bescheid des Bundesamtes fur Migration und Fluchtlinge vom 07.02.2006 wird\naufgehoben.\n\nDie Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass beim Klager ein\nAbschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegt.\n\nDie Beklagte tragt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager ist Staatsangehoriger von Serbien und Montenegro. Er gehort der\nVolksgruppe der Ashkali an und stammt aus dem Kosovo. Am 15.02.1990 reiste der\nKlager in das Bundesgebiet ein. \n--- \n| 2 \n--- \n| Den am 28.02.1990 gestellten Asylantrag lehnte das Bundesamt fur die\nAnerkennung auslandischer Fluchtlinge mit Bescheid vom 31.07.1990 ab. Dieses\nVerfahren ist seit dem 25.02.1991 unanfechtbar abgeschlossen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 30.09.1992 stellte der Klager einen Asylfolgeantrag. Mit Bescheid vom\n29.11.1993 lehnte das Bundesamt die Durchfuhrung eines weiteren Asylverfahrens\nab und stellte gleichzeitig fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG\nnicht vorliegen und drohte dem Klager mit einer Ausreisefrist von einer Woche\ndie Abschiebung an. Die hierauf erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht\nStuttgart mit Urteil vom 03.02.1995 - A 16 K 12998/94 - ab. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 16.12.2006 stellte der Klager einen weiteren\nAsylfolgeantrag. Mit Bescheid vom 12.08.2002 lehnte das Bundesamt den Antrag\nauf Durchfuhrung eines weiteren Asylverfahrens und auf Abanderung der im\nBescheid vom 29.11.1993 getroffenen Negativfeststellung zu § 53 AuslG ab und\ndrohte dem Klager mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung an.\nDie hiergegen eingelegten Rechtsmittel blieben ohne Erfolg (vgl. VG Stuttgart,\nUrteil vom 13.08.2003 - A 7 K 12895/02; VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom\n09.02.2004 - A 6 S 65/04). \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 23.01.1996 beantragte der Klager die Wiederaufnahme des\nVerfahrens hinsichtlich § 60 Abs. 7 AufenthG und die Feststellung von\nAbschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Zur Begrundung brachte der\nKlager vor, seine gesundheitliche Situation, insbesondere die asthmoide\nBronchitis, habe sich erheblich verschlechtert. Die ihm verordneten\nMedikamente seien im Heimatland nicht erhaltlich. Gleichzeitig reichte der\nKlager ein arztliches Attest von Dr. M. vom 05.11.2005 ein. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Bescheid vom 07.02.2006 lehnte das Bundesamt fur Migration und\nFluchtlinge den Antrag auf Abanderung des Bescheids vom 29.11.1993 bezuglich\nder Feststellung zu § 53 AuslG ab. \n--- \n| 7 \n--- \n| Am 16.02.2006 hat der Klager Klage erhoben und zur Begrundung vorgetragen,\ner gehore dem Volk der Roma an. Gleichzeitig reichte er ein arztliches Attest\nvon Dr. M. vom 27.03.2006 zu den Akten. Darin fuhrte Dr. M. aus, der Klager\nsei in den letzten Monaten zunehmend psychisch traumatisiert und klage uber\nHerzbeschwerden, die jedoch keinen organischen Hintergrund aufwiesen. Der\nKlager habe Angstzustande und habe sich im Keller aufhangen wollen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 9 \n--- \n| den Bescheid des Bundesamtes fur Migration und Fluchtlinge vom 07.02.2006\naufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass bei ihm das\nAbschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegt. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 11 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Sie bezieht sich auf die Begrundung des angefochtenen Bescheids. \n--- \n| 13 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung hat der Klager vorgetragen, im Kosovo hielten\nsich keine Verwandte mehr auf. Er lebe mit seiner Ehefrau und seinen vier\nKindern im Bundesgebiet. Sein altestes Kind, die 19-jahrige Tochter, arbeite\nals Zahnarzthelferin. Seine 17-jahrige Tochter befinde sich in Ausbildung zur\nArzthelferin. Er sei in standiger arztlicher Behandlung bei seinem Haus- und\neinem Nervenarzt. Sein Hausarzt verschreibe ihm regelmaßig Medikamente fur\nseine Herzkrankheit, sein Asthma, seine Bronchitis und gebe ihm\nBeruhigungsspritzen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die in der mundlichen Verhandlung anwesende alteste Tochter des Klagers gab\nzu ihren finanziellen Verhaltnissen an, sei verdiene monatlich 1.050,-- EUR;\nhiervon verblieben nach Abzug der Miete und sonstigen Unkosten ca. 300,-- bis\n400,-- zum Leben. Die 17-jahrige Tochter des Klagers gab an, als Auszubildende\nerhalte sie monatlich 400,-- EUR. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Klager ubergab in der mundlichen Verhandlung eine Medikamentenliste von\nDr. M.-L. sowie von Dr. M.. Danach fallen fur die dem Klager verschriebenen\nMedikamente Kosten in Hohe von ca. 350 EUR monatlich an. \n--- \n| 16 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache\ngehorende Akte der Beklagten Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 17 \n--- \n| Das Gericht konnte trotz Ausbleibens von Beteiligten uber die Sache\nverhandeln und entscheiden, da sie ordnungsgemaß geladen und in der Ladung auf\ndiese Moglichkeit hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 18 \n--- \n| Die zulassige Klage ist begrundet. Der angefochtene Bescheid ist\nrechtswidrig und verletzt den Klager in seinen Rechten. Das Bundesamt hat\naufgrund des selbstandigen Wiederaufgreifensantrags (Folgeschutzgesuchs)\nhinsichtlich § 60 Abs. 7 AufenthG zu Unrecht abgelehnt, ein Abschiebungsverbot\nfestzustellen. Ob der Klager beachtliche Wiederaufgreifensgrunde vorgetragen\nhat und das Bundesamt gemaß § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG verpflichtet war, das\nVerfahren im Hinblick auf § 60 Abs. 7 AufenthG wieder aufzugreifen, kann\ndahingestellt bleiben. \n--- \n| 19 \n--- \n| Da die Verweisung des § 71 AsylVfG auf § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG sich lediglich\nauf erneute Asylantrage im Sinne des § 13 Abs. 1 AsylVfG bezieht und nicht\nauch auf Antrage, ein Abschiebungsverbot festzustellen, kann das Bundesamt\ngemaß § 51 Abs. 5 VwVfG nach Ermessen das Verfahren im Hinblick auf die\nFeststellung von Abschiebungsverboten wieder aufgreifen (vgl. BVerwG, Urt. v.\n07.09.1999, NVwZ 2000, 204). Der Betroffene hat deshalb einen Anspruch auf\nfehlerfreie Ermessensausubung, ob das Verfahren wieder aufgegriffen wird oder\nnicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.03.2000, BVerwGE 11, 77 = NVwZ 2000, 940; VGH\nBad.-Wurtt., Beschl. v. 29.02.2000 - A 6 S 675/99 -). Macht somit der\nAuslander substantiiert die Rechtswidrigkeit der fruheren Entscheidung des\nBundesamtes im Hinblick auf § 53 AuslG geltend, so hat dieses hieruber nach\nden Grundsatzen des Ermessensanspruchs auf einen Zweitbescheid zu befinden,\nauch wenn eine veranderte Sachlage nicht besteht oder die Drei-Monats-Frist\ndes § 51 Abs. 3 VwVfG versaumt wurde (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v.\n04.01.2000, NVwZ-RR 2000, 261). \n--- \n| 20 \n--- \n| Einer Feststellung des geltend gemachten Abschiebungsverbots durch das\nBundesamt steht auch nicht die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung uber\ndie negative Feststellung des Bundesamtes in den vorangegangenen Asylverfahren\nentgegen. Das Bundesamt ist nicht gehindert, einen rechtskraftig\nabgesprochenen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten zu erfullen,\nwenn es erkennt, dass der Anspruch tatsachlich besteht und das rechtskraftige\nUrteil unzutreffend ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.12.1992, BVerwGE 91, 256;\nUrt. v. 27.01.1994, BVerwGE 95, 86 und Urt. v. 07.09.1999 a.a.O.). Abgesehen\ndavon muss die Rechtskraft grundsatzlich weichen, wenn ein Festhalten an ihr\nzu einem schlechthin unertraglichen Ergebnis fuhren wurde (vgl. BVerwG, Urt.\nv. 27.01.1994 a.a.O. und Urt. v. 07.09.1999 a.a.O.). Ob eine Gefahr im Sinne\ndes § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegt, ist somit ohne Rucksicht auf die Versagung\nasylrechtlichen Verfolgungsschutzes und ohne Bindung an etwa vorliegende\nrechtskraftige Gerichtsentscheidungen zu beurteilen (vgl. BVerwG, Urt. v.\n17.12.1996, InfAuslR 1997, 284 und Urt. v. 30.03.1999, DVBl. 1999, 1213). \n--- \n| 21 \n--- \n| Beim Klager liegt ein Abschiebungsverbot gemaß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG\nvor. Das dem Bundesamt eingeraumte Ermessen auf Wiederaufgreifen des\nVerfahrens im Hinblick auf die Feststellung von Abschiebungsverboten ist\ndeshalb auf Null reduziert (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 04.01.2000 - A 14\nS 786/99 -). Die Beklagte ist somit zu verpflichten festzustellen, dass beim\nKlager ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegt (vgl. auch\nBVerwG, Urt. v. 10.02.1998, NVwZ 1998, 661). \n--- \n| 22 \n--- \n| Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Auslanders\nin einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort fur diesen Auslander eine\nerhebliche konkrete Gefahr fur Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese\nBestimmung fragt nicht danach, von wem die Gefahr ausgeht oder wodurch sie\nhervorgerufen wird; die Regelung stellt vielmehr lediglich auf das Bestehen\neiner konkreten Gefahr ab ohne Rucksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder\nihm zumindest zuzurechnen ist (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, NVwZ 1996,\n199). Eine Aussetzung der Abschiebung nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kommt\njedoch nicht in Betracht, wenn die geltend gemachten Gefahren nicht landesweit\ndrohen und der Auslander sich ihnen durch Ausweichen in sichere Gebiete seines\nHerkunftslandes entziehen kann (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995 aaO.). Ein\nAuslander kann schon dann auf einen alternativen Landesteil verwiesen werden,\nwenn ihm dort konkrete Gefahren i. S. d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht mit\nbeachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen; sonstige Mindestanforderungen an die\nQualitat und Verfolgungssicherheit des Aufenthalts in der Ausweichregion\nbestehen nicht (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. vom 22.07.1998 - A 6 S 3421/96 -).\nDie Gefahr fur Leib, Leben oder Freiheit muss mit beachtlicher\nWahrscheinlichkeit bestehen. Die besondere Schwere eines drohenden Eingriffs\nist im Rahmen der gebotenen qualifizierenden Betrachtungsweise im Sinne einer\nGewichtung, Abwagung und zusammenfassenden Bewertung des zur Prufung\ngestellten Lebenssachverhalts vermittels des Kriteriums, ob die\nWahrscheinlichkeit der Rechtsgutverletzung beachtlich ist, zu berucksichtigen\n(vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995 aaO. und Urt. vom 05.07.1994, InfAuslR 1995,\n24). \n--- \n| 23 \n--- \n| Auch die drohende Verschlimmerung einer Krankheit wegen ihrer nur\nunzureichenden medizinischen Behandlung im Zielstaat der Abschiebung kann ein\nAbschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen (vgl. BVerwG,\nUrt. vom 25.11.1997, BVerwGE 105, 383 = NVwZ 1998, 524; Urt. vom 27.04.1998,\nNVwZ 1998, 973 und Urt. vom 21.09.1999, NVwZ 2000, 206). Von einer\nVerschlimmerung ist auszugehen, wenn eine wesentliche oder gar\nlebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustands droht; konkret ist\ndiese Gefahr, wenn die Verschlechterung alsbald nach der Ruckkehr in den\nHeimatstaat eintreten wurde (vgl. BVerwG, Urt. vom 25.11.1997 aaO und Urt. vom\n29.07.1999 - 9 C 2/99 - juris -). Ob die Gefahr der Verschlechterung der\nGesundheit durch die individuelle Konstitution des Auslanders bedingt oder\nmitbedingt ist, ist unerheblich (vgl. BVerwG, Urt. vom 29.07.1999 aaO). Eine\nzielstaatsbezogene Gefahr fur Leib und Leben besteht auch dann, wenn die\nnotwendige Behandlung oder Medikation im Zielstaat zwar allgemein zur\nVerfugung steht, dem betroffenen Auslander individuell jedoch aus finanziellen\noder sonstigen Grunden nicht zuganglich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom\n29.10.2002, NVwZ-Beilage I 2003, 53 = DVBl 2003, 463 und Beschluss vom\n29.04.2003, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 60; VGH Kassel, Urteil vom\n24.06.2003, AuAS 2004, 20). Die mogliche Unterstutzung durch Angehorige im In-\noder Ausland ist in die gerichtliche Prognose, ob bei Ruckkehr eine Gefahr fur\nLeib oder Leben besteht, mit einzubeziehen (vgl. BVerwG, Beschl. vom\n01.10.2001, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 51). An die Qualitat und Dichte\nder Gesundheitsversorgung im Abschiebungszielland einschließlich\nKostenbeteiligung des Betroffenen konnen allerdings keine der hiesigen\nGesundheitsversorgung entsprechenden Anforderungen gestellt werden (vgl. OVG\nMunster, Beschl. vom 06.09.2004, AuAS 2005, 31). \n--- \n| 24 \n--- \n| In Anwendung dieser Grundsatze ist das Gericht bei der vorzunehmenden\nqualifizierenden und bewertenden Betrachtungsweise der Überzeugung, dass dem\nKlager bei einer Ruckkehr in den Kosovo eine erhebliche krankheitsbedingte\nindividuelle Gefahr droht. Nach den vorgelegten arztlichen Stellungnahmen ist\ndavon auszugehen, dass der Klager auf Grund seines schwer beeintrachtigten\nGesundheitszustandes einer standigen medikamentosen Behandlung sowie einer\ndauernden intensiven arztlichen Überwachung bedarf. \n--- \n| 25 \n--- \n| Unter Berucksichtigung der in die mundliche Verhandlung eingefuhrten\nErkenntnisquellen ist bereits fraglich, ob die erforderliche medizinische\nVersorgung im Falle des Klagers im Kosovo gewahrleistet werden kann. Nach den\nim Bescheid des Bundesamtes vom 07.02.2006 zitierten Auskunften des deutschen\nVerbindungsburos Kosovo sollen die Krankheiten des Klagers im Kosovo\nmedizinisch behandelbar sein. Bei den Auskunften des Verbindungsburos ist\nallerdings generell zu berucksichtigen, dass sie sich auf den jeweiligen\nmedizinischen Einzelfall beziehen und die dort getroffenen Aussagen nicht ohne\nweiteres verallgemeinert werden konnen (so zutreffend Bundesamt,\nInformationszentrum Asyl und Migration, Serbien und Montenegro/Kosovo, 9.\nGesundheitswesen, Dezember 2005, S. 45). Der angefochtene Bescheid schweigt\nsich dazu aus, ob die vom Klager benotigten Medikamente/Wirkstoffe im Kosovo\nerhaltlich sind. Nach den vom Gericht beigezogenen Erkenntnisquellen des\nVerbindungsburos durften die meisten vom Klager benotigten\nMedikamente/Wirkstoffe im Kosovo verfugbar sein, zum Teil jedoch nur durch\nBezug aus dem Ausland, wobei nach den eingefuhrten Auskunften des\nVerbindungsburos der Patient in der Regel die Kosten der Medikamente zu tragen\nhat. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Botschaftsberichte des Auswartigen Amtes (Verbindungsburos) uber die\nVerfugbarkeit bestimmter Medikamente konnen jedoch nicht verallgemeinert\nwerden. Denn im Kosovo konnen hinsichtlich einzelner Medikamente jederzeit\nVersorgungslucken auftreten; inwieweit Medikamente tatsachlich immer verfugbar\nsind, lasst sich nicht genau bestimmen und kann variieren (vgl. Bundesamt,\nInformationszentrum Asyl und Migration, Serbien und Montenegro/Kosovo, 9.\nGesundheitswesen, Dezember 2005, S. 43). Ob angesichts dieser Erkenntnislage\ndie vom Klager zur Behandlung seiner Krankheiten benotigten Medikamente und\ndie erforderliche standige arztliche Überwachung im Kosovo erhaltlich sind,\nist sehr zweifelhaft, braucht vorliegend jedoch nicht weiter aufgeklart zu\nwerden. Denn die notwendige medizinische Versorgung des Klagers im Kosovo ist\njedenfalls in finanzieller Hinsicht ausgeschlossen. Es kann nicht davon\nausgegangen werden, dass der Klager die Kosten fur die notwendige Behandlung\nund Medikation im Kosovo bezahlen konnte. \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Klager ist mittellos und lebt im Bundesgebiet von Sozialhilfe. Aufgrund\nseiner Erkrankung wird der Klager auch nicht in der Lage sein, seinen\nLebensunterhalt bei einer Ruckkehr in den Kosovo aus eigener Erwerbstatigkeit\nzu bestreiten. Angesichts einer Arbeitslosenquote von geschatzten 57 % (vgl.\nAuswartiges Amt, Bericht uber die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in\nSerbien und Montenegro - Kosovo - vom 22.11.2005) ist auch nicht beachtlich\nwahrscheinlich, dass die Ehefrau des Klagers durch Erwerbstatigkeit zum\nLebensunterhalt beitragen konnte. Verwandte des Klagers halten sich im Kosovo\nnicht mehr auf. Die im Bundesgebiet lebenden Kinder des Klagers konnen die\nnotwendige dauernde Unterstutzung des Klagers nicht gewahrleisten.\nErwerbstatig sind lediglich die 17 und 19 Jahre alten Tochter des Klagers. Die\n19 Jahre alte Tochter des Klagers hat in der mundlichen Verhandlung glaubhaft\ndargelegt, dass von ihrem Verdienst von 1.150,-- EUR ihr monatlich lediglich\n300,-- bis 400,-- EUR zum Leben blieben. Angesichts dieser Verdienstsituation\nkann nicht davon ausgegangen werden, dass die alteste Tochter des Klagers fur\ndie im Kosovo anfallenden Kosten der arztlichen Betreuung und\nArzneimittelversorgung aufkommen kann. Gleiches gilt fur die erst 17 Jahre\nalte Tochter des Klagers, die als Auszubildende lediglich 400,-- EUR im Monat\nverdient. \n--- \n| 28 \n--- \n| Das Gericht sieht keine Anhaltspunkte fur die Annahme, dass\nFamilienangehorige unabhangig von der konkreten Vermogens- und\nEinkommenssituation auch unter Zuruckstellung eigener Bedurfnisse die\nunmittelbaren Angehorigen nach deren Ruckkehr in den Kosovo in einem solchen\nUmfang finanziell unterstutzen, der fur die Deckung der Kosten der arztlichen\nBetreuung und Medikamentenversorgung ausreichend sein wird. Die gegenteilige\nAuffassung des VG Karlsruhe (Urteil vom 17.05.2006 - A 4 K 10267/04 -Juris -)\nkann weder einen diesbezuglichen Erfahrungssatz in Anspruch nehmen noch\nnachprufbare Belege anfuhren. Angesichts des Umstandes, dass sich laut\nWeltbank schon im Jahre 2001 28 % der Einwohner des Kosovo trotz\ngesundheitlicher Probleme aus Kostengrunden nicht haben behandeln lassen und\nseitdem die Gesundheitskosten durch Zuzahlungen, Aufmerksamkeiten u.a. weiter\ngestiegen sind (vgl. Bundesamt, Informationszentrum Asyl und Migration,\nSerbien und Montenegro/Kosovo, 9. Gesundheitswesen, Dezember 2005, S. 41\nm.w.N.), entbehrt die nur auf einer Behauptung basierende Annahme des VG\nKarlsruhe jeglicher Plausibilitat und Wahrscheinlichkeit. \n--- \n| 29 \n--- \n| Ein Krankenversicherungssystem, das die notwendigen Kosten der\nmedizinischen Behandlung des Klagers ubernimmt, existiert im Kosovo noch nicht\n(vgl. Schweizerische Fluchtlingshilfe, Die medizinische Versorgungslage im\nKosovo, 24.05.2004, S. 17). Der Klager ware somit im Kosovo vollig auf sich\nalleine gestellt. Die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen im offentlichen\nGesundheitswesen ist seit 2003 fur den Patienten nicht mehr kostenfrei. Fur\neinen Behandlungstermin sind zwischen 2,00 und 3,00 EUR zu zahlen, fur einen\nstationaren Aufenthalt sind es taglich ca. 10,-- EUR. Auch fur Medikamente,\ndie auf der „essential drugs list" des Gesundheitsministeriums aufgefuhrt sind\nund bislang kostenfrei bezogen werden konnten, wird nun eine Eigenbeteiligung\nvon 0,50 bis 1,00 EUR erhoben (vgl. AA, Bericht uber die asyl- und\nabschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro - Kosovo - vom\n22.11.2005). Außerdem sind fur diese Medikamente vielfach informelle Zahlungen\nan das Klinik- oder Apothekenpersonal zu leisten (vgl. Auswartiges Amt, aaO;\nSchweizerische Fluchtlingshilfe aaO). Ob der Klager im Kosovo Sozialhilfe\nerhalten konnte, erscheint zweifelhaft, da Sozialhilfe nur bewilligt wird,\nwenn u. a. mindestens ein Kind im Haushalt junger als funf Jahre ist (vgl.\nSchweizerische Fluchtlingshilfe, aaO). Selbst wenn der Klager im Kosovo aber\nSozialhilfe erhielte, ware er bzw. seine Familie nicht in der Lage, seine\nmedizinische Versorgung zu gewahrleisten. Die Sozialhilfeleistungen im Kosovo\nbewegen sich auf sehr niedrigem Niveau; sie betragen fur Einzelpersonen 35,--\nEUR monatlich und fur Familien (abhangig von der Zahl der Personen) bis zu\n75,-- EUR monatlich und reichen damit als alleinige Einkommensquelle unter\nBerucksichtigung der lokalen Lebenshaltungskosten kaum zum Leben aus (vgl.\nAuswartiges Amt, Bericht uber die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in\nSerbien und Montenegro - Kosovo - vom 22.11.2005). Da der Klager eine Vielzahl\nvon Medikamenten benotigt, die im Hinblick auf die Schwere seiner Erkrankung\nals zur Abwehr einer schwerwiegenden gesundheitlichen Beeintrachtigung\nunerlasslich angesehen werden mussen, konnte er selbst bei zustehenden\nSozialhilfeleistungen die notwendige arztliche Behandlung und Medikation im\nKosovo nicht bezahlen. Dem Klager droht somit bei einer Ruckkehr in den Kosovo\ndas Schicksal vieler Angehoriger der dort noch lebenden ethnischen\nMinderheiten, die mangels Geld sich einen Arztbesuch oder einen\nKrankenhausaufenthalt sowie den Kauf von Medikamenten nicht leisten konnen und\nsomit ohne medizinische Versorgung bleiben (vgl. Bundesamt,\nInformationszentrum Asyl und Migration, Serbien und Montenegro/Kosovo, 9.\nGesundheitswesen, Dezember 2005, S. 39). Nach alledem ist davon auszugehen,\ndass der Klager nicht in der Lage sein wird, die fur ihn zur Abwehr einer\nschweren Gesundheitsgefahr im Kosovo erforderliche arztliche Behandlung und\nArzneimittelversorgung sicher zu stellen. \n--- \n| 30 \n--- \n| Dem Klager droht wegen seiner Krankheit auch landesweit eine Gefahr im\nSinne von § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG. Er kann nicht darauf verwiesen werden,\nsich im ubrigen Serbien und Montenegro (ohne Kosovo) behandeln zu lassen. \n--- \n| 31 \n--- \n| In Serbien und Montenegro ist der Zugang zu grundlegenden Rechten und\nsozialen Dienstleistungen (insbesondere Gesundheitsfursorge und Sozialhilfe)\nvon einer Anmeldung mit standigem Wohnsitz bzw. einer Registrierung als\nBinnenvertriebener abhangig (vgl. UNHCR, Zur Situation von binnenvertriebenen\nMinderheiten, September 2004 und Stellungnahme vom 27.09.2005 an VG\nStuttgart). Aus dem Kosovo stammende ethnische Albaner konnen in Serbien nicht\nals intern Umgesiedelte angemeldet werden, da davon ausgegangen wird, dass\ngegen eine Ruckkehr dieses Personenkreises in die jeweiligen Heimatorte im\nKosovo keine Sicherheitsbedenken bestehen (vgl. Auswartiges Amt, Auskunft vom\n24.05.2004 an VG Bremen). Mittellose Fluchtlinge aus dem Kosovo sind deshalb\nauf eine Registrierung als Binnenvertriebene angewiesen, die ihnen oftmals\nvorenthalten bzw. mit burokratischen Mitteln erschwert wird (vgl. Auswartiges\nAmt, Lagebericht v. 28.06.2006). In der Praxis ist im Falle der Ruckkehr aus\ndem Ausland eine Registrierung nur in der Gemeinde des letzten Wohnsitzes\nmoglich (vgl. Auswartiges Amt, Auskunft v. 21.10.2004 an VG Sigmaringen; OVG\nLuneburg, Beschl. v. 03.11.2005 - 8 LA 322/04 - Juris - = InfAuslR 2006, 63).\nDer aus dem Kosovo stammende Klager hat somit nicht die Moglichkeit, sich als\nFluchtling oder intern Umgesiedelter in Serbien oder Montenegro registrieren\nzu lassen, um uber diesen Weg Krankenversicherungsschutz zu erhalten. Er ware\nauch im ubrigen Serbien und Montenegro hinsichtlich der Krankheitskosten\nfolglich auf seine eigene finanzielle Leistungskraft angewiesen. Da er jedoch\n- wie bereits dargelegt - nicht uber die Mittel verfugt, um seine notwendige\nmedikamentose Behandlung zu finanzieren, kann er auch nicht auf eine\nBehandlung außerhalb des Kosovo im ubrigen Serbien und Montenegro verwiesen\nwerden (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 28.09.2004 - 7 A 11060/03 -). \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 17 \n--- \n| Das Gericht konnte trotz Ausbleibens von Beteiligten uber die Sache\nverhandeln und entscheiden, da sie ordnungsgemaß geladen und in der Ladung auf\ndiese Moglichkeit hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 18 \n--- \n| Die zulassige Klage ist begrundet. Der angefochtene Bescheid ist\nrechtswidrig und verletzt den Klager in seinen Rechten. Das Bundesamt hat\naufgrund des selbstandigen Wiederaufgreifensantrags (Folgeschutzgesuchs)\nhinsichtlich § 60 Abs. 7 AufenthG zu Unrecht abgelehnt, ein Abschiebungsverbot\nfestzustellen. Ob der Klager beachtliche Wiederaufgreifensgrunde vorgetragen\nhat und das Bundesamt gemaß § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG verpflichtet war, das\nVerfahren im Hinblick auf § 60 Abs. 7 AufenthG wieder aufzugreifen, kann\ndahingestellt bleiben. \n--- \n| 19 \n--- \n| Da die Verweisung des § 71 AsylVfG auf § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG sich lediglich\nauf erneute Asylantrage im Sinne des § 13 Abs. 1 AsylVfG bezieht und nicht\nauch auf Antrage, ein Abschiebungsverbot festzustellen, kann das Bundesamt\ngemaß § 51 Abs. 5 VwVfG nach Ermessen das Verfahren im Hinblick auf die\nFeststellung von Abschiebungsverboten wieder aufgreifen (vgl. BVerwG, Urt. v.\n07.09.1999, NVwZ 2000, 204). Der Betroffene hat deshalb einen Anspruch auf\nfehlerfreie Ermessensausubung, ob das Verfahren wieder aufgegriffen wird oder\nnicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.03.2000, BVerwGE 11, 77 = NVwZ 2000, 940; VGH\nBad.-Wurtt., Beschl. v. 29.02.2000 - A 6 S 675/99 -). Macht somit der\nAuslander substantiiert die Rechtswidrigkeit der fruheren Entscheidung des\nBundesamtes im Hinblick auf § 53 AuslG geltend, so hat dieses hieruber nach\nden Grundsatzen des Ermessensanspruchs auf einen Zweitbescheid zu befinden,\nauch wenn eine veranderte Sachlage nicht besteht oder die Drei-Monats-Frist\ndes § 51 Abs. 3 VwVfG versaumt wurde (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v.\n04.01.2000, NVwZ-RR 2000, 261). \n--- \n| 20 \n--- \n| Einer Feststellung des geltend gemachten Abschiebungsverbots durch das\nBundesamt steht auch nicht die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung uber\ndie negative Feststellung des Bundesamtes in den vorangegangenen Asylverfahren\nentgegen. Das Bundesamt ist nicht gehindert, einen rechtskraftig\nabgesprochenen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten zu erfullen,\nwenn es erkennt, dass der Anspruch tatsachlich besteht und das rechtskraftige\nUrteil unzutreffend ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.12.1992, BVerwGE 91, 256;\nUrt. v. 27.01.1994, BVerwGE 95, 86 und Urt. v. 07.09.1999 a.a.O.). Abgesehen\ndavon muss die Rechtskraft grundsatzlich weichen, wenn ein Festhalten an ihr\nzu einem schlechthin unertraglichen Ergebnis fuhren wurde (vgl. BVerwG, Urt.\nv. 27.01.1994 a.a.O. und Urt. v. 07.09.1999 a.a.O.). Ob eine Gefahr im Sinne\ndes § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegt, ist somit ohne Rucksicht auf die Versagung\nasylrechtlichen Verfolgungsschutzes und ohne Bindung an etwa vorliegende\nrechtskraftige Gerichtsentscheidungen zu beurteilen (vgl. BVerwG, Urt. v.\n17.12.1996, InfAuslR 1997, 284 und Urt. v. 30.03.1999, DVBl. 1999, 1213). \n--- \n| 21 \n--- \n| Beim Klager liegt ein Abschiebungsverbot gemaß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG\nvor. Das dem Bundesamt eingeraumte Ermessen auf Wiederaufgreifen des\nVerfahrens im Hinblick auf die Feststellung von Abschiebungsverboten ist\ndeshalb auf Null reduziert (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 04.01.2000 - A 14\nS 786/99 -). Die Beklagte ist somit zu verpflichten festzustellen, dass beim\nKlager ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegt (vgl. auch\nBVerwG, Urt. v. 10.02.1998, NVwZ 1998, 661). \n--- \n| 22 \n--- \n| Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Auslanders\nin einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort fur diesen Auslander eine\nerhebliche konkrete Gefahr fur Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese\nBestimmung fragt nicht danach, von wem die Gefahr ausgeht oder wodurch sie\nhervorgerufen wird; die Regelung stellt vielmehr lediglich auf das Bestehen\neiner konkreten Gefahr ab ohne Rucksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder\nihm zumindest zuzurechnen ist (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, NVwZ 1996,\n199). Eine Aussetzung der Abschiebung nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kommt\njedoch nicht in Betracht, wenn die geltend gemachten Gefahren nicht landesweit\ndrohen und der Auslander sich ihnen durch Ausweichen in sichere Gebiete seines\nHerkunftslandes entziehen kann (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995 aaO.). Ein\nAuslander kann schon dann auf einen alternativen Landesteil verwiesen werden,\nwenn ihm dort konkrete Gefahren i. S. d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht mit\nbeachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen; sonstige Mindestanforderungen an die\nQualitat und Verfolgungssicherheit des Aufenthalts in der Ausweichregion\nbestehen nicht (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. vom 22.07.1998 - A 6 S 3421/96 -).\nDie Gefahr fur Leib, Leben oder Freiheit muss mit beachtlicher\nWahrscheinlichkeit bestehen. Die besondere Schwere eines drohenden Eingriffs\nist im Rahmen der gebotenen qualifizierenden Betrachtungsweise im Sinne einer\nGewichtung, Abwagung und zusammenfassenden Bewertung des zur Prufung\ngestellten Lebenssachverhalts vermittels des Kriteriums, ob die\nWahrscheinlichkeit der Rechtsgutverletzung beachtlich ist, zu berucksichtigen\n(vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995 aaO. und Urt. vom 05.07.1994, InfAuslR 1995,\n24). \n--- \n| 23 \n--- \n| Auch die drohende Verschlimmerung einer Krankheit wegen ihrer nur\nunzureichenden medizinischen Behandlung im Zielstaat der Abschiebung kann ein\nAbschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen (vgl. BVerwG,\nUrt. vom 25.11.1997, BVerwGE 105, 383 = NVwZ 1998, 524; Urt. vom 27.04.1998,\nNVwZ 1998, 973 und Urt. vom 21.09.1999, NVwZ 2000, 206). Von einer\nVerschlimmerung ist auszugehen, wenn eine wesentliche oder gar\nlebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustands droht; konkret ist\ndiese Gefahr, wenn die Verschlechterung alsbald nach der Ruckkehr in den\nHeimatstaat eintreten wurde (vgl. BVerwG, Urt. vom 25.11.1997 aaO und Urt. vom\n29.07.1999 - 9 C 2/99 - juris -). Ob die Gefahr der Verschlechterung der\nGesundheit durch die individuelle Konstitution des Auslanders bedingt oder\nmitbedingt ist, ist unerheblich (vgl. BVerwG, Urt. vom 29.07.1999 aaO). Eine\nzielstaatsbezogene Gefahr fur Leib und Leben besteht auch dann, wenn die\nnotwendige Behandlung oder Medikation im Zielstaat zwar allgemein zur\nVerfugung steht, dem betroffenen Auslander individuell jedoch aus finanziellen\noder sonstigen Grunden nicht zuganglich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom\n29.10.2002, NVwZ-Beilage I 2003, 53 = DVBl 2003, 463 und Beschluss vom\n29.04.2003, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 60; VGH Kassel, Urteil vom\n24.06.2003, AuAS 2004, 20). Die mogliche Unterstutzung durch Angehorige im In-\noder Ausland ist in die gerichtliche Prognose, ob bei Ruckkehr eine Gefahr fur\nLeib oder Leben besteht, mit einzubeziehen (vgl. BVerwG, Beschl. vom\n01.10.2001, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 51). An die Qualitat und Dichte\nder Gesundheitsversorgung im Abschiebungszielland einschließlich\nKostenbeteiligung des Betroffenen konnen allerdings keine der hiesigen\nGesundheitsversorgung entsprechenden Anforderungen gestellt werden (vgl. OVG\nMunster, Beschl. vom 06.09.2004, AuAS 2005, 31). \n--- \n| 24 \n--- \n| In Anwendung dieser Grundsatze ist das Gericht bei der vorzunehmenden\nqualifizierenden und bewertenden Betrachtungsweise der Überzeugung, dass dem\nKlager bei einer Ruckkehr in den Kosovo eine erhebliche krankheitsbedingte\nindividuelle Gefahr droht. Nach den vorgelegten arztlichen Stellungnahmen ist\ndavon auszugehen, dass der Klager auf Grund seines schwer beeintrachtigten\nGesundheitszustandes einer standigen medikamentosen Behandlung sowie einer\ndauernden intensiven arztlichen Überwachung bedarf. \n--- \n| 25 \n--- \n| Unter Berucksichtigung der in die mundliche Verhandlung eingefuhrten\nErkenntnisquellen ist bereits fraglich, ob die erforderliche medizinische\nVersorgung im Falle des Klagers im Kosovo gewahrleistet werden kann. Nach den\nim Bescheid des Bundesamtes vom 07.02.2006 zitierten Auskunften des deutschen\nVerbindungsburos Kosovo sollen die Krankheiten des Klagers im Kosovo\nmedizinisch behandelbar sein. Bei den Auskunften des Verbindungsburos ist\nallerdings generell zu berucksichtigen, dass sie sich auf den jeweiligen\nmedizinischen Einzelfall beziehen und die dort getroffenen Aussagen nicht ohne\nweiteres verallgemeinert werden konnen (so zutreffend Bundesamt,\nInformationszentrum Asyl und Migration, Serbien und Montenegro/Kosovo, 9.\nGesundheitswesen, Dezember 2005, S. 45). Der angefochtene Bescheid schweigt\nsich dazu aus, ob die vom Klager benotigten Medikamente/Wirkstoffe im Kosovo\nerhaltlich sind. Nach den vom Gericht beigezogenen Erkenntnisquellen des\nVerbindungsburos durften die meisten vom Klager benotigten\nMedikamente/Wirkstoffe im Kosovo verfugbar sein, zum Teil jedoch nur durch\nBezug aus dem Ausland, wobei nach den eingefuhrten Auskunften des\nVerbindungsburos der Patient in der Regel die Kosten der Medikamente zu tragen\nhat. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Botschaftsberichte des Auswartigen Amtes (Verbindungsburos) uber die\nVerfugbarkeit bestimmter Medikamente konnen jedoch nicht verallgemeinert\nwerden. Denn im Kosovo konnen hinsichtlich einzelner Medikamente jederzeit\nVersorgungslucken auftreten; inwieweit Medikamente tatsachlich immer verfugbar\nsind, lasst sich nicht genau bestimmen und kann variieren (vgl. Bundesamt,\nInformationszentrum Asyl und Migration, Serbien und Montenegro/Kosovo, 9.\nGesundheitswesen, Dezember 2005, S. 43). Ob angesichts dieser Erkenntnislage\ndie vom Klager zur Behandlung seiner Krankheiten benotigten Medikamente und\ndie erforderliche standige arztliche Überwachung im Kosovo erhaltlich sind,\nist sehr zweifelhaft, braucht vorliegend jedoch nicht weiter aufgeklart zu\nwerden. Denn die notwendige medizinische Versorgung des Klagers im Kosovo ist\njedenfalls in finanzieller Hinsicht ausgeschlossen. Es kann nicht davon\nausgegangen werden, dass der Klager die Kosten fur die notwendige Behandlung\nund Medikation im Kosovo bezahlen konnte. \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Klager ist mittellos und lebt im Bundesgebiet von Sozialhilfe. Aufgrund\nseiner Erkrankung wird der Klager auch nicht in der Lage sein, seinen\nLebensunterhalt bei einer Ruckkehr in den Kosovo aus eigener Erwerbstatigkeit\nzu bestreiten. Angesichts einer Arbeitslosenquote von geschatzten 57 % (vgl.\nAuswartiges Amt, Bericht uber die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in\nSerbien und Montenegro - Kosovo - vom 22.11.2005) ist auch nicht beachtlich\nwahrscheinlich, dass die Ehefrau des Klagers durch Erwerbstatigkeit zum\nLebensunterhalt beitragen konnte. Verwandte des Klagers halten sich im Kosovo\nnicht mehr auf. Die im Bundesgebiet lebenden Kinder des Klagers konnen die\nnotwendige dauernde Unterstutzung des Klagers nicht gewahrleisten.\nErwerbstatig sind lediglich die 17 und 19 Jahre alten Tochter des Klagers. Die\n19 Jahre alte Tochter des Klagers hat in der mundlichen Verhandlung glaubhaft\ndargelegt, dass von ihrem Verdienst von 1.150,-- EUR ihr monatlich lediglich\n300,-- bis 400,-- EUR zum Leben blieben. Angesichts dieser Verdienstsituation\nkann nicht davon ausgegangen werden, dass die alteste Tochter des Klagers fur\ndie im Kosovo anfallenden Kosten der arztlichen Betreuung und\nArzneimittelversorgung aufkommen kann. Gleiches gilt fur die erst 17 Jahre\nalte Tochter des Klagers, die als Auszubildende lediglich 400,-- EUR im Monat\nverdient. \n--- \n| 28 \n--- \n| Das Gericht sieht keine Anhaltspunkte fur die Annahme, dass\nFamilienangehorige unabhangig von der konkreten Vermogens- und\nEinkommenssituation auch unter Zuruckstellung eigener Bedurfnisse die\nunmittelbaren Angehorigen nach deren Ruckkehr in den Kosovo in einem solchen\nUmfang finanziell unterstutzen, der fur die Deckung der Kosten der arztlichen\nBetreuung und Medikamentenversorgung ausreichend sein wird. Die gegenteilige\nAuffassung des VG Karlsruhe (Urteil vom 17.05.2006 - A 4 K 10267/04 -Juris -)\nkann weder einen diesbezuglichen Erfahrungssatz in Anspruch nehmen noch\nnachprufbare Belege anfuhren. Angesichts des Umstandes, dass sich laut\nWeltbank schon im Jahre 2001 28 % der Einwohner des Kosovo trotz\ngesundheitlicher Probleme aus Kostengrunden nicht haben behandeln lassen und\nseitdem die Gesundheitskosten durch Zuzahlungen, Aufmerksamkeiten u.a. weiter\ngestiegen sind (vgl. Bundesamt, Informationszentrum Asyl und Migration,\nSerbien und Montenegro/Kosovo, 9. Gesundheitswesen, Dezember 2005, S. 41\nm.w.N.), entbehrt die nur auf einer Behauptung basierende Annahme des VG\nKarlsruhe jeglicher Plausibilitat und Wahrscheinlichkeit. \n--- \n| 29 \n--- \n| Ein Krankenversicherungssystem, das die notwendigen Kosten der\nmedizinischen Behandlung des Klagers ubernimmt, existiert im Kosovo noch nicht\n(vgl. Schweizerische Fluchtlingshilfe, Die medizinische Versorgungslage im\nKosovo, 24.05.2004, S. 17). Der Klager ware somit im Kosovo vollig auf sich\nalleine gestellt. Die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen im offentlichen\nGesundheitswesen ist seit 2003 fur den Patienten nicht mehr kostenfrei. Fur\neinen Behandlungstermin sind zwischen 2,00 und 3,00 EUR zu zahlen, fur einen\nstationaren Aufenthalt sind es taglich ca. 10,-- EUR. Auch fur Medikamente,\ndie auf der „essential drugs list" des Gesundheitsministeriums aufgefuhrt sind\nund bislang kostenfrei bezogen werden konnten, wird nun eine Eigenbeteiligung\nvon 0,50 bis 1,00 EUR erhoben (vgl. AA, Bericht uber die asyl- und\nabschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro - Kosovo - vom\n22.11.2005). Außerdem sind fur diese Medikamente vielfach informelle Zahlungen\nan das Klinik- oder Apothekenpersonal zu leisten (vgl. Auswartiges Amt, aaO;\nSchweizerische Fluchtlingshilfe aaO). Ob der Klager im Kosovo Sozialhilfe\nerhalten konnte, erscheint zweifelhaft, da Sozialhilfe nur bewilligt wird,\nwenn u. a. mindestens ein Kind im Haushalt junger als funf Jahre ist (vgl.\nSchweizerische Fluchtlingshilfe, aaO). Selbst wenn der Klager im Kosovo aber\nSozialhilfe erhielte, ware er bzw. seine Familie nicht in der Lage, seine\nmedizinische Versorgung zu gewahrleisten. Die Sozialhilfeleistungen im Kosovo\nbewegen sich auf sehr niedrigem Niveau; sie betragen fur Einzelpersonen 35,--\nEUR monatlich und fur Familien (abhangig von der Zahl der Personen) bis zu\n75,-- EUR monatlich und reichen damit als alleinige Einkommensquelle unter\nBerucksichtigung der lokalen Lebenshaltungskosten kaum zum Leben aus (vgl.\nAuswartiges Amt, Bericht uber die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in\nSerbien und Montenegro - Kosovo - vom 22.11.2005). Da der Klager eine Vielzahl\nvon Medikamenten benotigt, die im Hinblick auf die Schwere seiner Erkrankung\nals zur Abwehr einer schwerwiegenden gesundheitlichen Beeintrachtigung\nunerlasslich angesehen werden mussen, konnte er selbst bei zustehenden\nSozialhilfeleistungen die notwendige arztliche Behandlung und Medikation im\nKosovo nicht bezahlen. Dem Klager droht somit bei einer Ruckkehr in den Kosovo\ndas Schicksal vieler Angehoriger der dort noch lebenden ethnischen\nMinderheiten, die mangels Geld sich einen Arztbesuch oder einen\nKrankenhausaufenthalt sowie den Kauf von Medikamenten nicht leisten konnen und\nsomit ohne medizinische Versorgung bleiben (vgl. Bundesamt,\nInformationszentrum Asyl und Migration, Serbien und Montenegro/Kosovo, 9.\nGesundheitswesen, Dezember 2005, S. 39). Nach alledem ist davon auszugehen,\ndass der Klager nicht in der Lage sein wird, die fur ihn zur Abwehr einer\nschweren Gesundheitsgefahr im Kosovo erforderliche arztliche Behandlung und\nArzneimittelversorgung sicher zu stellen. \n--- \n| 30 \n--- \n| Dem Klager droht wegen seiner Krankheit auch landesweit eine Gefahr im\nSinne von § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG. Er kann nicht darauf verwiesen werden,\nsich im ubrigen Serbien und Montenegro (ohne Kosovo) behandeln zu lassen. \n--- \n| 31 \n--- \n| In Serbien und Montenegro ist der Zugang zu grundlegenden Rechten und\nsozialen Dienstleistungen (insbesondere Gesundheitsfursorge und Sozialhilfe)\nvon einer Anmeldung mit standigem Wohnsitz bzw. einer Registrierung als\nBinnenvertriebener abhangig (vgl. UNHCR, Zur Situation von binnenvertriebenen\nMinderheiten, September 2004 und Stellungnahme vom 27.09.2005 an VG\nStuttgart). Aus dem Kosovo stammende ethnische Albaner konnen in Serbien nicht\nals intern Umgesiedelte angemeldet werden, da davon ausgegangen wird, dass\ngegen eine Ruckkehr dieses Personenkreises in die jeweiligen Heimatorte im\nKosovo keine Sicherheitsbedenken bestehen (vgl. Auswartiges Amt, Auskunft vom\n24.05.2004 an VG Bremen). Mittellose Fluchtlinge aus dem Kosovo sind deshalb\nauf eine Registrierung als Binnenvertriebene angewiesen, die ihnen oftmals\nvorenthalten bzw. mit burokratischen Mitteln erschwert wird (vgl. Auswartiges\nAmt, Lagebericht v. 28.06.2006). In der Praxis ist im Falle der Ruckkehr aus\ndem Ausland eine Registrierung nur in der Gemeinde des letzten Wohnsitzes\nmoglich (vgl. Auswartiges Amt, Auskunft v. 21.10.2004 an VG Sigmaringen; OVG\nLuneburg, Beschl. v. 03.11.2005 - 8 LA 322/04 - Juris - = InfAuslR 2006, 63).\nDer aus dem Kosovo stammende Klager hat somit nicht die Moglichkeit, sich als\nFluchtling oder intern Umgesiedelter in Serbien oder Montenegro registrieren\nzu lassen, um uber diesen Weg Krankenversicherungsschutz zu erhalten. Er ware\nauch im ubrigen Serbien und Montenegro hinsichtlich der Krankheitskosten\nfolglich auf seine eigene finanzielle Leistungskraft angewiesen. Da er jedoch\n- wie bereits dargelegt - nicht uber die Mittel verfugt, um seine notwendige\nmedikamentose Behandlung zu finanzieren, kann er auch nicht auf eine\nBehandlung außerhalb des Kosovo im ubrigen Serbien und Montenegro verwiesen\nwerden (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 28.09.2004 - 7 A 11060/03 -). \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG. \n---\n\n
142,057
vg-stuttgart-2006-07-11-4-k-229206
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 K 2292/06
2006-07-11
2019-01-08 22:45:25
2019-01-17 12:02:16
Beschluss
## Tenor\n\nDie Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die\nAntragstellerin mit ihrem Autoscooter "C. 2000" zum Vergnugungspark\nSchaferlauf 2006 zuzulassen.\n\nDie Antragsgegnerin tragt die Kosten des Verfahrens.\n\nDer Streitwert wird auf 8.000,00 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der zulassige Antrag der Antragstellerin auf Zulassung ihres Autoscooters\nbeim Schaferlauf 2006 im Wege der einstweiligen Anordnung hat Erfolg. \n--- \n| 2 \n--- \n| Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht zur Sicherung eines\nIndividual-Anspruchs eine einstweilige Anordnung treffen, wenn eine derartige\nRegelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhaltnissen, um wesentliche\nNachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen\nGrunden notig erscheint. Das Bestehen des betroffenen Rechts oder rechtlich\ngeschutzten Interesses, zu dessen Durchsetzung die einstweilige Anordnung\nbegehrt wird, und die Notwendigkeit der vorlaufigen Regelung sind glaubhaft zu\nmachen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Unter dem Gesichtspunkt\ndes grundsatzlichen Verbotes der Vorwegnahme der Hauptsache kommt hier eine\nEntscheidung zugunsten der Antragstellerin nur in Betracht, wenn der\nBetroffene ansonsten nicht hinnehmbare Nachteile erleiden wurde und auch sein\nObsiegen in der Hauptsache mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl.\nVGH Bad.-Wurtt., u. a. Beschluss vom 20.09.1994 - 9 S 687/94 -). Diese\nVoraussetzungen sind erfullt. \n--- \n| 3 \n--- \n| 1\\. Ein Anordnungsgrund ist gegeben: Der Schaferlauf 2006 findet von 25. bis\n28.08.2006 statt. Bis zu diesem Termin sind es nur noch wenige Wochen, die die\nAntragstellerin dringend fur die Organisation des Transports und des Aufbaus\nihres Autoscooters oder ggf. bei einer Absage fur die Suche nach einer anderen\nEinsatzmoglichkeit benotigt. Dies hat die Antragstellerin durch die vorgelegte\neidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht. \n--- \n| 4 \n--- \n| 2\\. Es ist auch ein Anordnungsanspruch gegeben: \n--- \n| 5 \n--- \n| a) Die Antragsgegnerin hat aufgrund des Beschlusses ihres Gemeinderats vom\n08.11.2005 den Festplatz zur Beschickung mit Fahr- und Schaugeschaften\nanlasslich des Markgroninger Schaferlaufs mit Vertrag vom 20.05.2006 - wie\nauch schon im Vorjahr - an die Firma K. als Generalunternehmerin verpachtet.\nSie mochte damit eine Teilprivatisierung des Schaferlaufs erreichen. In jenem\nVertrag hat sich die Fa. K. u. a. zur Beschickung des uberlassenen Platzes mit\nFahr- und Schaugeschaften sowie Imbissstanden, Spiel- und Verkaufsgeschaften\nverpflichtet. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist die\nAntragstellerin aufgrund dieser Vereinbarung nicht darauf verwiesen, sich bei\nder Firma K. um eine Zulassung zu bemuhen und bei einer Ablehnung ggf. den\nZivilrechtsweg einzuschlagen, denn diese Vertragsbestimmung ist unwirksam. \n--- \n| 6 \n--- \n| In dem mit der Firma. K. geschlossenen Vertrag heißt es außerdem: Ziffer 2\na) „Jede andere Art von Geschaften bedarf der besonderen Genehmigung der\nStadt. Die Firma K. sorgt fur einen ausgewogenen Branchenmix auf dem\nFestplatz. Soweit moglich, sollen langjahrige Standbetreiber auf dem Festplatz\nberucksichtigt werden." Ziffer 2 k) „Der Platzpachter hat den Vergnugungspark\nmit den ublichen Geschaften (keine Glucksspiel- Automatenwagen) wie\nKinderkarussell, Autoscooter, Verlosungs- und Schießwagen usw. zu beschicken.\nDes Weiteren sollen neuartige Fahrgeschafte bzw. Attraktionen auf dem\nFestplatz angeworben werden." \n--- \n| 7 \n--- \n| Diese Bestimmungen bedeuten, dass die Antragsgegnerin dem Generalunternehmer\nnur allgemeine Vorgaben bezuglich des Beschickerfeldes macht und sich die\neigentliche Auswahl bei Platzmangel nicht vorbehalt, sondern dem\nGeneralunternehmer zuweist. \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Bescheid vom 27.05.1981 hat das Landratsamt Ludwigsburg den Schaferlauf\nmit Kramermarkt gewerberechtlich festgesetzt. In diesem Bescheid heißt es:\n„Das Landratsamt Ludwigsburg hat auf ihren Antrag hin den jeweils am Samstag\nund Sonntag nach dem Bartholomaus-Tag (24. August) jeden Jahres stattfindenden\nSchaferlauf mit Kramermarkt auf Dauer gemaß §§ 68 und 69 GewO als Jahrmarkt\nfestgesetzt. Mit Bescheid vom 20.07.2005 wurde der als Jahrmarkt festgesetzte\nKramermarkt in der zeitlichen Dauer und raumlichen Umschreibung erweitert.\nWann zuvor die zeitliche Erweiterung fur die gesamte Schaferlaufveranstaltung\nauf vier Tage erfolgt ist, lasst sich den vorgelegten Unterlagen der\nAntragsgegnerin nicht entnehmen. \n--- \n| 9 \n--- \n| b) Die vorgenommene Gestaltung der Rechtsbeziehungen steht mit maßgeblichen\ngewerberechtlichen Vorschriften nicht in Einklang. Nach § 69 Abs. 2 GewO\nverpflichtet die Festsetzung eines Wochenmarktes, eines Jahrmarktes oder eines\nSpezialmarktes den Veranstalter zur Durchfuhrung der Veranstaltung. Aussteller\nund Anbieter kommen in den Genuss der sog. Marktprivilegien, d. h. von\nErleichterungen fur stehende Gewerbe und Reisegewerbe (vgl. im Einzelnen\nLandmann/Rohmer, GewO, Rn. 14 zu § 69). Die Teilnehmer der festgesetzten\nVeranstaltung haben gemaß § 70 Abs. 1 GewO das Recht zur Teilnahme an der\nVeranstaltung, sie genießen die sog. Marktfreiheit. Nach § 70 Abs. 3 GewO kann\nder Veranstalter aus sachlich gerechtfertigten Grunden, insbesondere wenn der\nzur Verfugung stehende Platz nicht ausreicht, einzelne Aussteller, Anbieter\noder Besucher von der Teilnahme ausschließen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Antragsgegnerin hat mit ihrem Schreiben vom 10.04.2006 selbst darauf\nhingewiesen, dass sie Veranstalterin des Schaferlaufs sei. Zu Unrecht\nbestreitet sie demgegenuber im vorliegenden Verfahren, dass sie Veranstalterin\ndes Vergnugungsparks, d.h. des ein Volksfest nach § 60b Abs. 1 GewO\ndarstellenden Teilbereichs, sei. Die zitierte Festsetzung der Veranstaltung\ndurch das Landratsamt Ludwigsburg umfasst die gesamte Veranstaltung ohne\nDifferenzierung nach historischem Teil und kommerziellem Teil (Kramermarkt und\nVergnugungspark). Die Antragsgegnerin ist daher gewerberechtlich nach wie vor\nVeranstalterin aller dieser Teile. Die Folge ist, dass die Ausgliederung des\nTeilbereichs Vergnugungspark die offentlich-rechtlichen Bindungen unberuhrt\nlasst. Daran vermag der abgeschlossene Vertrag mit dem Generalunternehmer\nnichts zu andern. Weil fur die Antragsgegnerin somit die gesetzlichen\nRechtspflichten auf Grund der Festsetzung auch fur den Vergnugungspark\ngegenuber den Beschickern, Besuchern und anderen Dritten fortbestehen, muss\nsie sich im Gegenzug bei einer sog. Funktionellen Privatisierung durch\nAbschluss eines Konzessionsvertrages effektive Einwirkungsrechte auf die\nVeranstaltung hinsichtlich der Standvergabe sichern (vgl. hierzu Gropl,\nPrivatisierung von Messen, Markten und Volksfesten, GewA 1995, 367, 371).\nHosch (GewA 1996, 402, 405) verlangt mit Hinweis darauf, dass mit\nMarktveranstaltungen auch Aufgaben der gemeindlichen Daseinsvorsorge erfullt\nwerden, dass sich die Gemeinde bei der Einschaltung eines Privaten als\nVeranstalter entsprechende Weisungs- bzw. Kontrollrechte bezuglich der Auswahl\nder Beschicker im Vertrag vorbehalt. Die Rechtsprechung (BayVGH, Urt. Vom\n23.08.1988, GewA 1988, 245; Hessischer VGH, Beschl. Vom 29.11.1993, GewA 1994,\n287; BayVGH, Urt. Vom 17.02.1999, GewA 1999, 197; VG Augsburg, Urt. Vom\n24.02.2000, GewA 2000, 200) stellt bei Volksfesten, die als gemeindliche\nEinrichtung betrieben werden, darauf ab, dass fur solche Einrichtungen die\nZweistufentheorie gelte, wonach die wesentlichen Entscheidungen, insbesondere\ndie Entscheidung uber den gesetzlichen Anspruch der Bewerber auf Zulassung,\nvon der Gemeinde selbst zu treffen sind, wahrend die Ausgestaltung der\nBeziehungen mit dem Beschicker, das sog. Benutzungsverhaltnis, auch\nprivatrechtlich erfolgen kann. Ein besonderer Akzent wird außerdem auf den\nGrundsatz der Gesetzmaßigkeit der Verwaltung und das Demokratieprinzip aus\nArt. 20 Abs. 2 GG gelegt, da eine Gemeinde keine anderen, nicht in der\nGemeindeordnung vorgesehenen Entscheidungstrager schaffen durfe, weil diese\nkeine demokratische Legitimation hatten (BayVGH, Urt. V. 17.02.1999 aaO;\nebenso VG Oldenburg, Beschl. Vom 01.07.2004, GewA 2004, 419). Der Hessische\nVGH (aaO) betont, dass es sich bei der Veranstaltung eines traditionellen\nWeihnachtsmarktes um eine freie Selbstverwaltungsaufgabe und damit um\nDaseinsvorsorge handle (vgl. zum Ganzen Schalt, Der Zulassungsanspruch des\nSchaustellers zu Volksfestveranstaltungen - Neuere Entwicklungen der\nRechtsprechung, GewA 2002, 137 ff.). Dem folgt das Gericht, zumal die\ndargestellten Grundsatze und Grenzen einer Privatisierung erst recht dann\ngelten, wenn - wie hier - der Jahrmarkt sogar gewerberechtlich festgesetzt\nist. Im Übrigen durfte der Festplatz der Antragsgegnerin wegen seiner Widmung\nfur derartige Veranstaltungen auch eine gemeindliche Einrichtung im Sinne von\n§ 10 Abs. 2 GO darstellen, so dass auch fur diesen Platz allein die\ndargestellte offentlich-rechtliche Bindung gilt. \n--- \n| 11 \n--- \n| c) Die rechtliche Unmoglichkeit der Übertragung der Entscheidungsbefugnis\nhinsichtlich der Auswahl der Beschicker auf die Firma K. hat zur Folge, dass\nder mit ihr abgeschlossene Vertrag wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches\nVerbot gemaß § 134 BGB nichtig ist. Die offentlich-rechtliche Rechtsfolge ist,\ndass die erforderliche Zulassungsentscheidung uber die Beschicker fur den\nSchaferlauf 2006 durch die Antragsgegnerin noch gar nicht getroffen worden\nist. Die Antragstellerin hat daher - als bislang einzige Bewerberin - den\nunbedingten Zulassungsanspruch nach § 70 Abs. 1 GewO. Eine Auswahlentscheidung\nnach § 70 Abs. 3 GewO ist derzeit nicht zu treffen, weil nicht ersichtlich\nist, dass der zur Verfugung stehende Platz nicht ausreicht. Eine andere\nEntscheidung, etwa zugunsten der Fa. K. als Betreiberin eines eigenen\nAutoscooters, kann nicht getroffen werden. \n--- \n| 12 \n--- \n| 3\\. Die ausgesprochene Verpflichtung der Antragsgegnerin nimmt die\nHauptsache endgultig vorweg. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass\nder Antragstellerin wegen der Dringlichkeit der Entscheidung und der\nerforderlichen Vorbereitungszeit fur Planung und Aufbau ihres\nAutoscooterbetriebes erhebliche Nachteile wirtschaftlicher Art drohen. Diese\nbestehen darin, dass sie ihr Fahrgeschaft wegen fehlender Alternative in der\nfraglichen Zeit mit großer Wahrscheinlichkeit nicht wird nutzen konnen. Wegen\ndes feststehenden Termins des Schaferlaufs werden diese Nachteile mit großer\nSicherheit eintreten. Die Hinnahme dieser Nachteile ist fur die\nAntragstellerin nicht zumutbar. Der Anspruch der Antragstellerin besteht mit\nweit uberwiegender Wahrscheinlichkeit. Der Antragsgegnerin ist es als\nVeranstalterin der traditionellen Veranstaltung „Schaferlauf" nicht moglich,\nihre offentlich-rechtliche Verantwortung fur diese als Jahrmarkt festgesetzte\nVeranstaltung abzugeben, auch nicht in dem Teilaspekt des Vergnugungsparks. \n--- \n| 13 \n--- \n| 4\\. Nach dem oben Ausgefuhrten steht die Zulassungs- und ggf.\nAuswahlentscheidung durch die Antragsgegnerin noch aus. Sollte diese ein\nderartiges Bewerbungs- und Zulassungsverfahren noch durchfuhren und wurde die\nAntragstellerin hierbei wiederum abgewiesen, steht es der Antragsgegnerin\nfrei, eine Abanderung dieses Beschlusses in Analogie zu § 80 Abs. 7 VwGO zu\nbeantragen. Es sei allerdings ausdrucklich darauf hingewiesen, dass die\nMitwirkung eines Konkurrenten, der fur sich selbst die Zuweisung eines\nStandplatzes beantragt hat, am Auswahlverfahren unter den Standplatzbewerbern\nnichts zulassig ist (vgl. hierzu VG Stuttgart, Urt. vom 21.03.2003, GewA 2000,\n200; VG Augsburg a.a.O.) und dass Neu- und Wiederholungsbewerbern eine reale\nZulassungschance eingeraumt werden muss (BVerwG, Urt. vom 27.04.1984 - 1C\n24/82 -, GewA 1984, 265). \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3 Ziffer 1, 52 Abs. 1\nGKG. Das Gericht schatzt den vom Antragsteller am Tag erzielten Gewinn auf\n2.000,00 EUR. \n---\n\n
142,066
olgstut-2006-07-12-3-u-1406
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
3 U 14/06
2006-07-12
2019-01-08 23:41:08
2019-02-12 13:10:30
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung des Klagers gegen das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom\n15.12.2005 - 3 O 361/05 - wird\n\n**z u r u c k g e w i e s e n.**\n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDer Klager kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des\nzu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der\nVollstreckung Sicherheit in selber Hohe leistet.\n\n4\\. Die Revision wird zugelassen.\n\nBerufungsstreitwert: 120.697,27 EUR.\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| 1\\. Der Klager begehrt vom beklagten Land Zahlung im Rahmen einer\nInsolvenzanfechtung. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils\nverwiesen. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Verjahrung liege nicht vor. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Dennoch stehe dem Klager ein Anspruch nach § 143 Abs. 1 InsO nicht zu. \n--- \n| 6 \n--- \n| Weder das Pfandrecht noch die Überweisungen seien nach den §§ 130 - 132 InsO\nanfechtbar. Das Pfandrecht beruhe auf einer vor der 3-Monatsfrist\nvorgenommenen Rechtshandlung. Bei Forderungspfandungen sei grundsatzlich auf\ndie Zustellung des Pfandungsbeschlusses an den Drittschuldner abzustellen. Als\nder Pfandungsbeschluss dem Drittschuldner zugegangen sei, habe das in Anspruch\ngenommene Konto der Insolvenzschuldnerin kein Guthaben aufgewiesen. Das\nVorhandensein eines Guthabens sei nicht notwendige Voraussetzung fur das\nEntstehen eines Pfandrechts. Es konnten auch kunftige Forderungen gepfandet\nwerden. \n--- \n| 7 \n--- \n| Das beklagte Land habe im Hinblick auf den erst am 30.09.2003 gestellten\nAntrag auf Eroffnung des Insolvenzverfahrens mit den Überweisungen im Zeitraum\nvom 16.04.2003 bis 10.06.2003 ein insolvenzfestes Pfandrecht erworben. Die\ngenaue kreditrechtliche Abwicklung konne offen bleiben. Die Pfandungs- und\nEinziehungsverfugung vom 11.04.2003, zugestellt am 14.04.2003, erstrecke sich\nauf alle Anspruche des Schuldners aus dem von der Kreissparkasse S. gewahrten\nKontokorrentkredits. Aus diesen Anspruchen seien die Steuerforderungen des\nbeklagten Landes erfullt worden. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Es konne offen bleiben, ob fur den Fall, dass das Konto der\nInsolvenzschuldnerin tatsachlich immer im Soll gefuhrt worden sein soll, der\nAbruf des Kontokorrentkredits gegenuber der Kreissparkasse als solcher\nanfechtbar sei. \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Abruf sei eine Rechtshandlung der Insolvenzschuldnerin, die der Pfandung\nzeitlich vorhergegangen und damit nicht von der Pfandungsverfugung umfasst\nsei. Eine solche Rechtshandlung stelle eine Glaubigerbenachteiligung nicht\ndar, weil Voraussetzung einer Benachteiligung die Pfandbarkeit des\nVermogensgegenstandes sei, auf den sich die Rechtshandlung beziehe. Bei einem\nDispositionskredit bestehe vor dem Abruf durch den Darlehensnehmer kein\nAnspruch auf Auszahlung gegen die Bank, den ein Pfandglaubiger ohne Mitwirkung\ndes Kreditinhabers einziehen konne. Es stehe im Belieben des Schuldners, ob\nund in welchem Umfang er die ihm eingeraumte Kreditlinie in Anspruch nehme. \n--- \n| 10 \n--- \n| Solange der Schuldner keine Verfugung uber den ihm eingeraumten Kredit\nvornehme, habe die Pfandung fur den Glaubiger keinen realisierbaren Wert. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Es seien ausdrucklich nur die Zahlungen (Überweisungen vom Geschaftskonto)\nder Insolvenzschuldnerin an das beklagte Land im Zeitraum vom 16.04.2003 bis\n10.06.2003 angefochten. Die Anfechtung erfasse die den Zahlungen zugrunde\nliegende Pfandung, nicht aber die Inanspruchnahme des Kontokorrentkredits. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Pfandung sei nicht nach § 133 InsO anfechtbar. Die Pfandung sei eine\neinseitige Zwangsvollstreckungsmaßnahme eines Glaubigers. § 133 Abs. 1 InsO\nbezeichne nur solche Rechtshandlungen als anfechtbar, die der Schuldner mit\ndem Vorsatz, seine Glaubiger zu benachteiligen, vorgenommen habe.\nAnknupfungspunkt der gesetzlichen Regelung sei der in einer Rechtshandlung zum\nAusdruck gekommene Wille des Schuldners, den Anfechtungsgegner zum Nachteil\nanderer Glaubiger zu bevorzugen. Die Insolvenzschuldnerin habe an der\nPfandungsmaßnahme nicht mitgewirkt. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Überweisungen als solche seien nicht nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar.\nDie Zahlungen im Rahmen der Überweisungen seien durch das Pfandrecht gedeckt\ngewesen. Eine vom Bestehen des Pfandrechts unabhangige Zahlung sei nicht\nerfolgt. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgrunde des angefochtenen\nUrteils verwiesen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| 2\\. Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung des Klagers. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Das Landgericht gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass eine Anfechtbarkeit\nnach § 133 Abs. 1 InsO nicht gegeben sei. Der Meinung des Landgerichts, die\nVornahme der angefochtenen Überweisungen nicht als Rechtshandlung der\nInsolvenzschuldnerin anzusehen, konne nicht gefolgt werden. Die Rechtsprechung\ndes BGH sei auf den vorliegenden Fall nicht ubertragbar. Der BGH fuhre aus, es\nmangele an einer Handlung des Schuldners i. S. d. § 133 Abs. 1 InsO, wenn der\nSchuldner nur noch die Wahl habe, die geforderte Zahlung sofort zu leisten\noder die Vollstreckung zu dulden. Der BGH gehe davon aus, dass eine\n(freiwillige) Handlung nur vorliege, wenn der Schuldner selbst entscheiden\nkonne, ob er die angeforderten Leistungen erbringe oder verweigere. Wenn diese\nWahlmoglichkeit nicht mehr bestehe, musse die Leistung des Schuldners mit\neinem Zwangsvollstreckungsakt des Glaubigers gleichgesetzt werden. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Das Landgericht irre, wenn es meine, die vom BGH dargestellten Grundsatze\nauf den vorliegenden Fall anwenden zu konnen. Die Insolvenzschuldnerin habe\nvorliegend die Moglichkeit gehabt, die Überweisungen an das beklagte Land\nnicht auszufuhren. Wenn diese nicht erfolgt waren, hatte das Finanzamt nicht\nin jedem Fall die Moglichkeit gehabt, aus der Kontenpfandung weitere Zahlungen\nzu erhalten. Die Pfandung entfalte ihre Wirkung erst mit dem Entstehen des\ngepfandeten Anspruchs. Ein Überweisungsauftrag setze eine Mitwirkung des\nSchuldners voraus. \n--- \n| 18 \n--- \n| Eine Weigerung der Insolvenzschuldnerin, die Überweisungen an das Finanzamt\nauszufuhren, hatte zur Folge gehabt, dass uber das Konto keine weiteren\nVerfugungen hatten vorgenommen werden konnen. Dies hatte in Konsequenz zu\neinem fruheren Insolvenzantrag gefuhrt. Der Zusammenbruch der\nInsolvenzschuldnerin ware fruher eingetreten. Im vorliegenden Fall habe das\nFinanzamt eine zwangsweise Einziehung ohne Mitwirkung der Insolvenzschuldnerin\nnicht durchfuhren konnen. Beim BGH werde bei der Abgrenzung zwischen\nfreiwilliger und unfreiwilliger Leistung des Schuldners auf die moglichen\nAlternativen abgestellt. Als Alternative werde die Moglichkeit genannt,\nInsolvenzantrag zu stellen. Die Insolvenzschuldnerin habe im vorliegenden Fall\nin der Hand gehabt, zu verhindern, dass das Finanzamt Zahlungen erhalte. Das\nFinanzamt ware nicht in jeder denkbaren Konstellation zu Geld gekommen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Eine Glaubigerbenachteiligung i. S. d. § 129 InsO liege vor. Diese ergabe\nsich bereits daraus, dass die Verbindlichkeiten gegenuber dem beklagten Land\nmit darlehensweise in Anspruch genommenen Mitteln bezahlt worden seien. \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Auffassung des Landgerichts, die Pfandung vom 11.04.2003 fuhre zu einem\nanfechtungsfesten Absonderungsrecht nach § 50 Abs. 1 InsO, sei\nrechtsfehlerhaft. Das beklagte Land habe ein Pfandungspfandrecht nur in\nanfechtbarer Weise erlangt. Wegen eines Absonderungsrechtes konne eine\nGlaubigerbenachteiligung nicht verneint werden. \n--- \n| 21 \n--- \n| Ein Pfandungspfandrecht an dem Anspruch auf Durchfuhrung der Überweisungen\nhabe nur durch Mitwirkung der Insolvenzschuldnerin entstehen konnen. Diese\nMitwirkungshandlung bestehe darin, dass die Überweisungen gegenuber der Bank\nin Auftrag gegeben worden seien. Im Zeitpunkt 11.04.2003 habe noch kein\nAnspruch der Insolvenzschuldnerin auf Durchfuhrung der angefochtenen\nÜberweisungen bestanden. Die Anspruche seien erst mit Inauftraggabe der\nÜberweisungen entstanden. Zwar konnten kunftige Forderungen gepfandet werden.\nDas Pfandungspfandrecht entstehe aber erst im Zeitpunkt des Entstehens der\nForderung. Ohne die Überweisungsauftrage ware der Anspruch der\nInsolvenzschuldnerin gegenuber der Bank auf Durchfuhrung der Überweisungen\nnicht entstanden und hatte folgerichtig nicht gepfandet werden konnen. Wenn\nder BGH von der grundsatzlichen Moglichkeit ausgehe, dass\nZwangsvollstreckungsmaßnahmen angefochten werden konnten, wenn der Schuldner\nmitwirke, so konne dies nur bedeuten, dass Hilfs- oder Mitwirkungshandlungen\ndes Schuldners ausreichend seien, um eine Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 1\nInsO zu begrunden. Es gelte der Grundsatz, dass eine Handlung des Schuldners\nnur dann zu verneinen sei, wenn der Glaubiger auf jeden Fall Geld erlangt\nhatte. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| In der Vornahme der Überweisungen liege ein selbst gesteuertes Handeln der\nInsolvenzschuldnerin. Das Finanzamt habe die Zahlungen nur durch\nVollstreckungsdruck veranlassen konnen. Es habe keine eigene\nEntscheidungsgewalt dahingehend gehabt, dass in jedem Fall eine Bezahlung an\ndie Landeskasse erfolgt ware. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Im vorliegenden Fall sei die subjektive Seite des Tatbestands des § 133 Abs.\n1 InsO erfullt. Es liege ein einvernehmliches Handeln zwischen dem Finanzamt\nund dem Schuldnerunternehmen vor mit dem Ziel, eine Bevorzugung des beklagten\nLandes gegenuber anderen Glaubigern zu erreichen. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Abruf eines Kontokorrentkredits sei gleichbedeutend mit der\nInauftraggabe von Überweisungen. Im Schriftsatz vom 13.12.2005 sei erklart\nworden, dass sich der Klager gegen Überweisungen als Mitwirkungshandlungen der\nInsolvenzschuldnerin im Rahmen der Zwangsvollstreckung wende. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Überweisungsauftrage wurden Mitwirkungshandlungen im Rahmen der\nZwangsvollstreckung des beklagten Landes darstellen. Es sei nicht\nerforderlich, eine Anfechtung gegenuber der Hohenzollerischen Landesbank zu\nerklaren. Anfechtungsgegner sei das beklagte Land. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| _unter Ab anderung des am 15.12.2005 verkundeten Urteils des Landgerichts\nRavensburg - 3 O 361/05 - wird der Beklagte verurteilt an den Klager\n120.697,27 EUR zzgl. Zinsen i. H. v. 8 % uber dem Basissatz seit\nRechtshangigkeit der Klage (= 21.10.2005) zu bezahlen._ \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Das beklagte Land beantragt, \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| _die Berufung zur uckzuweisen._ \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Das Landgericht habe zu Recht und mit zutreffenden Grunden die Klage\nabgewiesen. \n--- \n**II.** \n--- \n| 31 \n--- \n| Die zulassige Berufung ist nicht begrundet. Das beklagte Land ist nicht\nverpflichtet, an den Klager die Steuerzahlungen der Insolvenzschuldnerin i. H.\nv. 120.697,27 EUR zuruckzubezahlen. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Zu Recht und mit zutreffenden Grunden hat das Landgericht dem Klager den\nAnspruch nach den §§ 143, 133 InsO nicht zugesprochen. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| 1\\. Die streitgegenstandlichen Zahlungen der Insolvenzschuldnerin an das\nbeklagte Land liegen außerhalb der Dreimonatsfrist der §§ 130 - 132 InsO. Der\nKlager stutzt die Anfechtung auf § 133 InsO. Voraussetzung fur die Erfullung\ndieser Norm ist eine Rechtshandlung des Schuldners. In objektiver Hinsicht\nbedarf es einer Glaubigerbenachteiligung, in subjektiver Hinsicht bedarf es\nauf Seiten des Schuldners des Vorsatzes, den Glaubiger zu benachteiligen und\nauf Seiten des Glaubigers der Kenntnis des schuldnerischen\nBenachteiligungsvorsatzes. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| a) Eine Rechtshandlung i. S. d. § 133 Abs. 1 InsO liegt nicht vor. Das\nFinanzamt hatte die auf dem Konto der Insolvenzschuldnerin eingehenden\nForderungen wirksam gepfandet. Grundsatzlich sind Leistungen, die ein\nSchuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erbringt, eigene\nRechtshandlungen des Schuldners (BGHZ 155, 75 f.). Im Rahmen der\nAnfechtungsnorm des § 133 InsO ist zwischen freiwilligen Zahlungen des\nSchuldners zur Abwendung der Zwangsvollstreckung und\nZwangsvollstreckungshandlungen des Glaubigers zu unterscheiden. Eine\nRechtshandlung des Schuldners ist nicht mehr gegeben, wenn er nur noch die\nWahl hat, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die\nZwangsvollstreckung zu dulden (BGH NJW 2005, 1121). \n--- \n| 35 \n--- \n| Im vorliegenden Fall war fur die Gemeinschuldnerin wegen der Kontenpfandung\ntrotz Aussetzung der Einziehung die Moglichkeit eines selbst bestimmten\nHandelns ausgeschaltet. Die Gemeinschuldnerin hat unter dem Eindruck der\nausgebrachten Kontenpfandung und somit im Rahmen der Zwangsvollstreckung\ngeleistet. Zwangsvollstreckungshandlungen des Glaubigers sind ohne eine\nvorsatzliche Rechtshandlung oder eine ihr gleichstehende Unterlassung des\nSchuldners nicht nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar (BGH a.a.O.). Vor diesem\nHintergrund lag eine freiwillige Handlung nicht vor. Die Gemeinschuldnerin\nkonnte nicht entscheiden, ob sie die Leistung erbringt oder verweigert. \n--- \n| 36 \n--- \n| Soweit der Klager sich darauf beruft, der Gemeinschuldnerin hatte eine\nHandlungsalternative in der Form zugestanden, entweder die Zahlungen zu\nerbringen oder Insolvenz anzumelden, so stellt dies im insolvenzrechtlichen\nSinne eine Alternative nicht dar. Es kann offen bleiben, ob die\nInsolvenzanmeldung im Rahmen der Zahlung eines Schuldners eine\nHandlungsalternative im rechtlichen Sinne darstellt. Im vorliegenden Fall\nhatte dem beklagten Land ein Absonderungsrecht nach § 50 InsO zugestanden. \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Pfandung einer kunftigen Forderung ist grundsatzlich moglich. Bei der\nPfandung einer kunftigen Forderung wird das Pfandrecht erst mit deren\nEntstehung begrundet, so dass auch anfechtungsrechtlich auf diesen Zeitpunkt\nabzustellen ist. Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die\nstreitgegenstandlichen Zahlungen vor der Dreimonatsfrist erfolgt sind. Dies\nbedeutet, dass die an das Finanzamt weitergeleiteten Gelder vor der im\nInsolvenzrecht besonders geschutzten Dreimonatsfrist auf dem gepfandeten Konto\neingegangen sind und somit ein Pfandungspfandrecht entstanden ist. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| b) Unterstellt man eine Rechtshandlung der Gemeinschuldnerin, so lage ein\nBenachteiligungsvorsatz nicht vor. Voraussetzung der Anfechtung nach § 133\nAbs. 1 InsO ist, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit\nBenachteiligungsvorsatz vorgenommen hat. Hierfur reicht sowohl bei\ninkongruenten als auch bei kongruenten Deckungsgeschaften aus, dass der\nSchuldner sich die Benachteiligung nur als moglich vorgestellt, sie aber in\nKauf genommen hat, ohne sich durch die Vorstellung dieser Moglichkeit von\nseinem Handeln abhalten zu lassen. Die Anfechtungsnorm des § 133 Abs. 1 InsO\nist Ausdruck des Gedankens, dass ein Schuldner nicht berechtigt ist,\nvorsatzlich einzelne Glaubiger gegenuber anderen zu bevorzugen, soweit diesen\ngegenuber bestehende Verpflichtungen gleichrangig sind. Es muss der Wille des\nSchuldners zum Ausdruck kommen, den Anfechtungsgegner zum Nachteil anderer\nGlaubiger bevorzugen zu wollen. Solche Anhaltspunkte liegen im vorliegenden\nFall nicht vor. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Eine Glaubigerbenachteiligung scheidet auch dadurch aus, dass das Pfandrecht\nvor Beginn der Dreimonatsfrist entstanden ist. Die Befriedigung des beklagten\nLandes kann nicht mehr angefochten werden, weil sie Glaubiger nicht\nbenachteiligt (BGH NJW 2004, 1444). Außerhalb des fur § 131 Abs. 1 InsO\nmaßgeblichen Zeitfensters muss ein Glaubiger grundsatzlich keinerlei Rucksicht\nauf den Gleichbehandlungsgrundsatz der Glaubiger im Übrigen nehmen. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| 2\\. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO; die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| 3\\. Im Hinblick auf die ungeklarte Frage der Aussetzung der Einziehung unter\nAufrechterhaltung der Pfandungsverfugung und der vor diesem Hintergrund\nerfolgten Überweisung der Zahlungen an das beklagte Land lasst der Senat die\nRevision zu. \n---\n\n
142,186
lsgbw-2006-08-01-l-7-so-293806-er-b
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 7 SO 2938/06 ER-B
2006-08-01
2019-01-08 23:42:21
2019-01-17 12:02:23
Beschluss
## Tenor\n\nDie Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts\nFreiburg vom 25. April 2006 wird zuruckgewiesen.\n\nAußergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG)\nform- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht Freiburg\n(SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulassig, jedoch unbegrundet. Das\nSG hat zu Recht den Antrag der Antragstellerin auf Übernahme von\nMietruckstanden im Wege der einstweiligen Anordnung abgelehnt. \n--- \n| 2 \n--- \n| Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht\nein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf\nden Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine\nVeranderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des\nAntragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden konnte. Einstweilige\nAnordnungen sind auch zur Regelung eines vorlaufigen Zustands in Bezug auf ein\nstreitiges Rechtsverhaltnis zulassig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung\nwesentlicher Nachteile notig erscheint (Satz 2 a.a.O.). \n--- \n| 3 \n--- \n| Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich\nnicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits\nbestehenden Rechtszustands geht (Sicherungsanordnung <Abs. 2 Satz 1 a.a.O.>),\nnur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht (vgl.\ndazu Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnrn. 25 ff.; Funke-\nKaiser in Bader, VwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnrn. 7, 11.). Der Erlass einer\neinstweiligen Anordnung verlangt grundsatzlich die - summarische - Prufung der\nErfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer\nvorlaufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. Bundesverwaltungsgericht <BVerwG>\nBuchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 37; Schoch in Schoch/Schmidt-\nAßmann/Pietzner, VwGO § 123 Rdnrn. 64, 73 ff., 80 ff.; Puttler in\nSodan/Ziekow, VwGO § 123 Rdnrn. 78 ff.). Die Erfolgsaussicht des\nHauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedurftigkeit der\nerstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen\n(§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Dabei\nsind die diesbezuglichen Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der\nVersagung vorlaufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere\nauch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl.\nBundesverfassungsgericht <BVerfG> NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.;\nBeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 = NVwZ 2005, 927 ff.); Funke-Kaiser\nin Bader, VwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnr. 58; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O.\nRdnrn. 95, 99 ff.). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher bei\nbesonders folgenschweren Beeintrachtigungen u.U. nicht nur summarisch, sondern\nabschließend zu prufen; ggf. ist eine Folgenabwagung vorzunehmen (vgl. BVerfG\nNVwZ 1997, a.a.O.; NVwZ 2005, a.a.O.). Maßgebend fur die Beurteilung der\nAnordnungsvoraussetzungen sind regelmaßig die Verhaltnisse im Zeitpunkt der\ngerichtlichen Eilentscheidung (standige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B.\nBeschlusse vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - <juris>, 1. August 2005 -\nL 7 AS 2875/05 ER-B -, FEVS 57, 72 - und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05\nER-B -, FEVS 57, 164 <jeweils m.w.N. aus der verwaltungsgerichtlichen\nRechtsprechung>; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O. Rdnrn. 165\nff.; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnr. 79; Funke-Kaiser in Bader u.a.,\na.a.O. Rdnr. 62). \n--- \n| 4 \n--- \n| Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfullt. Denn es fehlt es bereits an\neinem Anordnungsgrund. Die Dringlichkeit der erstrebten vorlaufigen Regelung\nim Sinne der notwendigen Behebung einer gegenwartigen Notlage ist nicht\nhinreichend glaubhaft gemacht; die vorgebrachte Gefahr fur die Rechtsposition\nmuss objektiv bestehen, subjektive Einschatzungen und Befurchtungen des\nAntragstellers genugen grundsatzlich nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 15.\nJuni 2005 - L 7 SO 1594/05 - <Juris> m.w.N.). Nach telefonischer Mitteilung\nvon Rechtsanwalt B., F., der die Antragstellerin in dem Kundigungs- und\nRaumungsrechtsstreit vor dem Amtsgericht Freiburg <AG> (3 C 148/06) vertritt,\nwurde zwischen den Vertragsparteien am 26. Juli 2006 ein gerichtlicher\nVergleich des Inhalts geschlossen, dass die von der Vermieterin\nausgesprochenen Kundigungen gegenstandslos sind und die Antragstellerin die\nMietruckstande, die einschließlich einer Rest-Mietkaution auf insgesamt 850,-\nEuro festgelegt wurden, in monatlichen Raten von 50,- Euro, beginnend ab dem\nAugust 2006, abbezahlen kann. Aufgrund dieses Vergleichs ist das Verfahren vor\ndem AG beendet und die Antragstellerin kann in ihrer Wohnung bleiben; eine\nZwangsraumung bzw. eine Wohnungslosigkeit droht ihr nicht mehr. Damit ist aber\neine vorlaufige Regelung zur Sicherung der Unterkunft derzeit nicht geboten,\nzumal der Antragstellerin eine Erwerbsminderungsrente in Hohe von monatlich\nca. 780,- Euro zur Verfugung steht, mit welcher sie unter normalen Umstanden\nihren Lebensunterhalt, einschließlich der Sicherung einer (angemessenen)\nUnterkunft, bestreiten kann. Dass mit diesem Einkommen kein Auskommen moglich\nware, ist von der Antragstellerin weder glaubhaft gemacht worden noch sonst\nersichtlich. \n--- \n| 5 \n--- \n| Somit kommt es auf die weiteren Voraussetzungen der begehrten einstweiligen\nAnordnung, also auch auf das Vorliegen des vom SG eingehend gepruften\nAnordnungsanspruchs nicht an. Allerdings sieht sich der Senat anlasslich des\nvorliegenden Verfahrens veranlasst, auf die gesetzliche Konzeption des § 34\nAbs. 1 Sozialgesetzbuch Zwolftes Buch (SGB XII) hinzuweisen. Nach dessen Satz\n1 konnen Schulden nur ubernommen werden, wenn dies zur Sicherung der\nUnterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist.\nSie sollen nach Satz 2 ubernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und\nnotwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Nach Satz 3\nkonnen Geldleistungen als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden. Mit\ndiesem Wortlaut stellt der Gesetzgeber sowohl bei dem Ermessenstatbestand des\nSatz 1 als auch bei der Soll-Vorschrift des Satz 2 die Schuldubernahme unter\ndas Primat, dass diese zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer\nvergleichbaren Notlage „gerechtfertigt" sein muss. Bei dieser Formulierung\nhandelt es sich um ein Tatbestandsmerkmal der Norm (vgl. entsprechend zur\nVorgangervorschrift des § 15a Bundessozialhilfegesetz <BSHG>, OVG Luneburg,\nFEVS 47, 360). An einer Rechtfertigung der Schuldubernahme in diesem Sinne\nkann es aber unter Anderem dann fehlen, wenn Mietschulden dadurch entstanden\nsind - und moglicherweise nachhaltig wieder zu entstehen drohen -, dass der\nLeistungsberechtigte trotz Belehrung durch den Trager in einer unangemessen\nteuren Wohnung verblieben ist und die Differenz zwischen angemessenen und\ntatsachlichen Kosten nicht aufgebracht hat (OVG Luneburg, Beschl. v. 24. Marz\n1999 - 4 M 756/99 - <juris>; vgl. auch Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 34 Randnr.\n7). Insoweit kann die aus § 34 SGB XII folgende Einstandspflicht des Tragers\nder Sozialhilfe, die ausnahmsweise auch Schulden des Leistungsberechtigten aus\nder Vergangenheit umfasst, jedenfalls nicht dauerhaft uber die aus §§ 27, 29\nSGB XII folgende Verpflichtung, die angemessenen tatsachlichen Kosten der\nUnterkunft fortlaufend zu ubernehmen, hinausgehen. Denn ungeachtet seines\nCharakters als Notmaßnahme erweitert § 34 SGB XII im Grundsatz lediglich den\nzeitlichen Rahmen, nicht aber den inhaltlichen Umfang der Einstandspflicht des\nSozialhilfetragers. Ein Anspruch auf Schuldenubernahme besteht daher\ngrundsatzlich nur dann, wenn mit der Leistung die Unterkunft auf Dauer, also\nnicht nur vorubergehend, erhalten werden kann, woran es beispielsweise fehlt,\nwenn die monatlich anfallenden Mietkosten unangemessen hoch sind. \n--- \n| 6 \n--- \n| Was unter angemessenen tatsachlichen Kosten der Unterkunft zu verstehen\nist, wird indessen in §§ 27, 29 SGB XII nicht definiert. Die zum\nBundessozialhilferecht ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts\nhat bei der Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen fur eine\nUnterkunft die ortlichen Verhaltnisse zunachst insoweit als maßgeblich\nangesehen, als auf die im unteren Bereich der fur vergleichbare Wohnungen am\nWohnort des Hilfebedurftigen marktublichen Wohnungsmieten abzustellen und auf\ndieser tatsachlichen Grundlage die sozialhilferechtlich maßgebliche\nMietpreisspanne zu ermitteln ist (BVerwGE 97, 110, 112; 101, 194, 197 f.).\nErscheinen dem Trager die Unterkunftskosten im Einzelfall als zu hoch, darf er\ndie Angemessenheitsprufung nicht darauf beschranken, ausgehend vom Bedarf des\nHilfebedurftigen mit Blick auf die ortlichen Verhaltnisse zu bestimmen,\nwelcher Kostenaufwand fur die Unterkunft an sich (abstrakt) angemessen ware.\nDa der Hilfebedurftige einen Anspruch auf Deckung seines Unterkunftsbedarfs\nhat, muss sich die Angemessenheitsprufung in einem solchen Fall auch auf die\nFrage erstrecken, ob dem Hilfeempfanger im Bedarfszeitraum eine andere\nbedarfsgerechte, kostengunstigere Wohnung konkret verfugbar und zuganglich\nist. Besteht eine derartige Unterkunftsalternative nicht, ist also die vom\nHilfebedurftigen bewohnte Unterkunft die in dem maßgeblichen raumlichen\nUmkreis und Bedarfszeitraum einzig verfugbare, sind die Aufwendungen fur diese\nWohnung angemessen und deshalb vom Leistungstrager (zunachst) zu ubernehmen\n(BVerwG, NVwZ 2005, 1197). \n--- \n| 7 \n--- \n| Die sozialgerichtliche Judikatur hat sich diese Rechtsprechung bereits fur\ndie Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten i.S.v. § 22 Sozialgesetzbuch\nZweites Buch <SGB II> zu eigen gemacht (vgl. Landessozialgericht Baden-\nWurttemberg <LSG>, Beschluss vom 27. Marz 2006 - L 8 AS 626/06 ER-B - <juris>\nm.w.N.). Nach Auffassung des erkennenden Senats sind die genannten Grundsatze\nentsprechend auf die Bemessung der angemessenen Unterkunftskosten i.S.v. §§\n27, 29 SGB XII ubertragungsfahig. Dies gilt auch fur die Frage, in welcher\ngenauen Hohe Aufwendungen fur eine Unterkunft nach den Umstanden des\nEinzelfalles, insbesondere der Mietpreissituation auf dem fur die Prufung\nmaßgeblichen regionalen Wohnungsmarkt, angemessen sind. Die Angemessenheit in\ndiesem Sinne bemisst sich anhand einer einzelfallbezogenen Bewertung der fur\nden jeweiligen ortlichen Wohnungsmarkt zur Verfugung stehenden Informationen\n(vgl. BVerwG, NJW 2005, 310). Fur die Berechnung der angemessenen Hohe der\nUnterkunftskosten ist dabei nicht isoliert von Große und Mietzins je\nQuadratmeter der konkret bewohnten Unterkunft auszugehen. Ausgangspunkt fur\ndie angemessene Hohe von Unterkunftskosten ist die - abstrakt zu ermittelnde -\npersonenzahlabhangige Wohnungsgroße, so dass sich die angemessene Hohe der\nUnterkunftskosten als Produkt aus der abstrakt angemessenen Wohnungsgroße und\ndem nach den ortlichen Verhaltnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter\nbestimmt (BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 - 5 C 15/04-). \n--- \n| 8 \n--- \n| Hinsichtlich der berucksichtigungsfahigen Wohnflache orientiert sich die\nzum SGB II ergangene sozialgerichtliche Judikatur - in Anlehnung an die\nfruhere verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung (vgl. BVerwGE 97, 110,112; vgl.\nauch VGH Kassel, FEVS 52, 468) - bereits an den Verwaltungsvorschriften zur\nForderungswurdigkeit im sozialen Wohnungsbau (vgl. LSG, a.a.O.; dazu auch\nBerlit, NDV 2006, S. 5 ff.). Im Interesse der Rechtssicherheit und der\nGleichbehandlung gleich gelagerter Sachverhalte sieht der erkennende Senat\ndiese Verwaltungsvorschriften, die hinsichtlich der zuzubilligenden Wohnflache\nund anzuerkennenden Raumzahl nach der Zahl der zum Familienhaushalt rechnenden\nPersonen differenzieren, auch im Rahmen der Bemessung der angemessenen\nUnterkunftskosten im Bereich des Sozialhilferechts (vgl. §§ 27, 29 Abs. 1 Satz\n1 und 2 SGB XII) grundsatzlich als taugliche Orientierungshilfe an. Danach ist\nin Baden-Wurttemberg in Anlehnung an das Wohnungsbindungsrecht fur\nAlleinstehende grundsatzlich eine Wohnflache von 45 qm als angemessen\nanzusehen (Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung von\nBindungen in der sozialen Wohnraumforderung - VwV-SozWo - vom 12. Februar 2002\n<GABl S. 240> i.d.F. der VwV vom 22. Januar 2004 <GABl S. 248>). \n--- \n| 9 \n--- \n| Hiervon ausgehend ubersteigen die tatsachlichen Unterkunftskosten der\nAntragstellerin die Schwelle der Angemessenheit deutlich und nachhaltig. Zwar\nliegt die Kaltmiete pro Quadratmeter nicht uber dem vom Antragsgegner fur den\nBereich seiner ortlichen Zustandigkeit als angemessen angesehenen - und von\nder Antragstellerin nicht in Zweifel gezogenen - Betrag von 5,11 Euro. Die\nGroße der 3-Zimmer-Wohnung der Antragstellerin uberschreitet aber mit 81 qm\ndeutlich die fur eine Einzelperson grundsatzlich angemessene Gesamtwohnflache\nvon bis zu 45 qm. Hieraus resultieren monatliche Unterkunftskosten von 374,-\nEuro (Kalt-) Miete - anstatt 229,95 Euro bei einer Wohnungsgroße von 45 qm -\nzuzuglich 15,34 Euro fur die Miete eines KFZ-Stellplatzes sowie 76,- bis 78,-\nEuro monatlicher Mietnebenkosten. Mit diesen Kosten wird der Bereich der\nAngemessenheit - auch unter Zugrundelegung moglicher mit Blick auf die\nSchwerbehinderung der Antragstellerin sich ergebender Toleranzen - bei Weitem\nuberschritten. Zu weiteren Ausfuhrungen sieht der Senat angesichts des\nUmstandes, dass die Beschwerde nicht begrundet wurde, keine Veranlassung und\nnimmt zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit in entsprechender Anwendung\ndes § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Grunde der\nerstinstanzlichen Entscheidung Bezug. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193\nSGG. \n--- \n| 11 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG). \n---\n\n
142,480
lsgbw-2006-09-28-l-10-u-343005
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 10 U 3430/05
2006-09-28
2019-01-09 08:14:16
2019-01-17 12:02:38
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung der Klagerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom\n19. Juli 2005 wird zuruckgewiesen.\n\nAußergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin begehrt die Gewahrung einer Hinterbliebenenrente. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin ist Witwe des am ... 1951 geborenen H. G. (nachfolgend:\nVersicherter). Dieser holte am 1. Juli 2003 im Rahmen seiner Beschaftigung als\nHausmeister Firmenpost auf der Poststelle in N. ab. Auf der Ruckfahrt kaufte\ner, wie dies ofters geschah, Brotchen fur die Kantine seines Arbeitgebers in\neiner Verkaufsstelle der Backerei M. ein. \n--- \n| 3 \n--- \n| Gegenuber der Verkauferin A. R. gab der Versicherte an, dass ihn eine Wespe\ngestochen habe und ihm ubel werde. Nachdem der Versicherte die Verkaufsstelle\nverlassen hatte, fiel der Verkauferin auf, dass sein Wagen nicht wegfuhr. Sie\nsah nach und fand den Versicherten leblos in seinem Auto sitzend. Der hinzu\ngerufene Arzt fur Allgemeinmedizin Dr. G. traf 10 bis 15 Minuten spater ein\nund stellte den Tod fest. Reanimationsversuche durch die Notarztin E.-D.\nblieben erfolglos. Ein allergisches Exanthem (entzundliche Hautveranderung)\noder ein Kehlkopfodem (Glottisodem) wurden nicht festgestellt. Als\nTodesursache vermerkte Dr. G. eine schwere Anaphylaxie nach Wespenstich. Eine\nObduktion fand nicht statt. Der Beklagten gemeldet wurde der Vorgang am 15.\nJuli 2003, als der Versicherte bereits beerdigt war. Eine Exhumierung lehnte\ndie Klagerin ab. \n--- \n| 4 \n--- \n| Wahrend seiner Tatigkeit als Hausmeister und auch im eigenen Garten war der\nVersicherte schon ofters von Insekten gestochen worden, ohne dass es zu\nallergischen Reaktionen gekommen war. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Bescheid vom 13. April 2004 und Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2004\nlehnte die Beklagte die Gewahrung von Leistungen ab, da ein anaphylaktischer\nSchock nach Wespenstich und damit ein Arbeitsunfall nicht mit der\nerforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sei. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Klagerin hat am 10. August 2004 Klage bei dem Sozialgericht Heilbronn\nmit dem Ziel der Gewahrung von Witwenrente erhoben. Mit Urteil vom 19. Juli\n2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es konne dahingestellt\nbleiben, ob der Versicherte tatsachlich von einer Wespe gestochen worden sei.\nJedenfalls sprachen keine uberwiegenden Grunde dafur, dass der Tod des\nVersicherten hierauf zuruckzufuhren sei. Insbesondere sei kein Kehlkopfodem\nfestgestellt worden. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klagerin hat gegen das ihr am 21. Juli 2005 zugestellte Urteil am 18.\nAugust 2005 Berufung eingelegt. \n--- \n| 8 \n--- \n| Dr. G. und die Ärztin E.-D. sind als sachverstandige Zeugen gehort worden.\nDie Ärztin E.-D. hat erklart, dass es moglich, aber nur gering wahrscheinlich\nsei, dass ein Kehlkopfodem bei der Intubation des Versicherten nicht\naufgefallen ware. Auch Dr. G. hat ein Kehlkopfodem "mit großer\nWahrscheinlichkeit" ausgeschlossen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Prof. Dr. M. , Geschaftsfuhrender Direktor des Instituts fur Rechtsmedizin\nund Verkehrsmedizin des Universitatsklinikums H. , hat auf Antrag der Klagerin\nnach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten nach Aktenlage erstattet.\nIn Anbetracht des engen zeitlichen Zusammenhangs sei es uberwiegend\nwahrscheinlich, dass der Tod des Versicherten infolge des Wespenstiches\nerfolgt sei. Das fehlende Kehlkopfodem schließe einen anaphylaktischen Schock\nnicht aus. Rein hypothetisch konne der Versicherte auch auf Grund zahlreicher\nanderer Ursachen gestorben sein. Es gebe jedoch keine andere Todesursache, die\nvergleichbar gut anhand der Symptome begrundet werden konne. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Klagerin stutzt sich auf das Gutachten von Prof. Dr. M. . \n--- \n| 11 \n--- \n| Sie beantragt, \n--- \n| 12 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Juli 2005 und den Bescheid\nder Beklagten vom 13. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom\n21. Juli 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Witwenrente zu\ngewahren. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 14 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Sie halt das angefochtene Urteil fur zutreffend. Ein Wespenstich sei nicht\nbewiesen. Auch nach dem Gutachten von Prof. Dr. M. sei ein Zusammenhang\nzwischen dem Wespenstich und dem Tod nicht hinreichend wahrscheinlich. \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Beteiligten haben auf die Durchfuhrung einer mundlichen Verhandlung\nverzichtet. \n--- \n| 17 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf deren Schriftsatze sowie die Akten der Beklagten, des\nSozialgerichts und des Senats Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 18 \n--- \n| Die gemaß den §§ 143, 144, 151 SGG zulassige Berufung, uber die der Senat\nauf Grund des Einverstandnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne\nmundliche Verhandlung entscheidet, ist unbegrundet. \n--- \n| 19 \n--- \n| Nach § 63 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) besteht in\nder gesetzlichen Unfallversicherung ein Anspruch auf\nHinterbliebenenleistungen, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalles\neingetreten ist. Der Tod eines Versicherten ist infolge eines\nVersicherungsfalls eingetreten, wenn er durch einen Arbeitsunfall oder eine\nBerufskrankheit und sei es auch nur mittelbar, vor allem aufgrund der sich aus\nihnen ergebenden Gesundheitsstorungen und Erkrankungen, verursacht wurde (BSG,\nUrteil vom 12. April 2005, B 2 U 11/04 R in 4-2700 § 8 Nr. 14). Diese\nVoraussetzungen sind hier nicht erfullt, denn der Tod des Versicherten ist\nnicht mit Wahrscheinlichkeit auf einen Arbeitsunfall zuruckzufuhren. \n--- \n| 20 \n--- \n| Nach standiger Rechtsprechung mussen im Unfallversicherungsrecht die\nanspruchsbegrundenden Tatsachen, namlich die versicherte Tatigkeit, die\nschadigende Einwirkung (hier: Arbeitsunfall) und die als Unfallfolge geltend\ngemachte Gesundheitsstorung erwiesen sein, d. h. bei vernunftiger Abwagung des\nGesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis fur das Vorliegen der\ngenannten Tatsachen als erbracht angesehen werden konnen (vgl. u. a. BSG,\nUrteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen\ngenugt hinsichtlich des ursachlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten\nTatigkeit und der schadigenden Einwirkung (haftungsbegrundende Kausalitat)\nsowie der schadigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfullende\nKausalitat) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.\nApril 1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernunftiger Abwagung aller\nwesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr fur als gegen einen\nUrsachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann\nwahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur moglich ist. (vgl.\nBSG, Urteil vom 2. November 1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67;\nUrteil vom 2. Mai 2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kann ein\nbehaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursachliche Zusammenhang\nnicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im\nsozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu\nLasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den\nanspruchsbegrundenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klagers (vgl.\nBSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11). \n--- \n| 21 \n--- \n| In der Rechtsprechung des BSG ist anerkannt, dass ein Insektenstich, den\nein Versicherter wahrend der beruflichen Tatigkeit erleidet, grundsatzlich\neinen Arbeitsunfall darstellen kann. Dabei ist keine beruflich bedingt erhohte\nGefahr eines Insektenstichs notwendig, da Versicherungsschutz auch fur\nGefahren des taglichen Lebens besteht (BSG, Urteil vom 22. August 1990, 8 RKn\n5/90, in SozR 3-2200 § 548 Nr. 4; a. A. Benz, WzS 1992, 39, 45). Lediglich\nsoweit sonstige, außerberufliche Ursachen von solch uberragender Bedeutung fur\ndie Herbeifuhrung des Insektenstichs sind, dass ihnen gegenuber die\nversicherte Tatigkeit in ihrer Wirksamkeit in den Hintergrund tritt, fehlt es\nan dem notwendigen haftungsbegrundenden Zusammenhang (BSG, a.a.O). Solche\nUrsachen sind hier aber nicht erkennbar. \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Senat kann, wie bereits das Sozialgericht, dahingestellt sein lassen,\nob der Versicherte tatsachlich einen Wespenstich erlitt sowie wo und wann\ngenau dies geschah. Weder der Vorgang selbst noch eine Einstichstelle sind\nnachgewiesen. Es liegt allein die Aussage der Verkauferin A. R. vor, der\nVersicherte habe selbst angegeben, einen solchen Stich erlitten zu haben. \n--- \n| 23 \n--- \n| Jedenfalls ist nicht wahrscheinlich, dass ein solcher Wespenstich zum Tod\ndes Versicherten fuhrte. Insoweit ware - dies ist der Klagerin zuzugeben - im\nZusammenwirken mit der Konstitution des Versicherten (mogliche\nWespengiftallergie) und der Folge (anaphylaktischer Schock) ein ursachlicher\nZusammenhang mit dem Tod allerdings denkbar. Kame allein ein solcher\nGeschehensablauf in Betracht, wurde dies fur die Bejahung des ursachlichen\nZusammenhangs genugen. Fur die hier in Rede stehende haftungsbegrundende\nKausalitat gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. hierzu und zum\nNachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr.\n15). Diese setzt zunachst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang\nzwischen dem Unfallereignis (hier: dem Wespenstich) und dem Gesundheitsschaden\n(hier: dem Tod) voraus und in einem zweiten wertenden Schritt, dass das\nversicherte Unfallereignis fur den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als\nim Sinne des Sozialrechts ursachlich und rechtserheblich werden nur solche\nUrsachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen\nEintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache\nnoch konkurrierende Ursachen, z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte\nUrsache wesentlich, solange die unversicherte Ursache nicht von uberragender\nBedeutung war. Eine Krankheitsanlage war von uberragender Bedeutung, wenn sie\nso stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche)\nVerursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art\nunersetzlicher außerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes alltaglich\nvorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hatte. War\ndie Krankheitsanlage von uberragender Bedeutung, so ist die versicherte\nnaturwissenschaftliche Ursache nicht als wesentlich anzusehen und scheidet als\nUrsache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des\nSozialrechts aus; sie ist dann bloß eine so genannte Gelegenheitsursache.\nDamit ware der Kausalzusammenhang bei diesem Geschehensablauf (Wespenstich und\nWespengiftallergie) zu bejahen, denn der außeren Einwirkung Wespenstich kame\ndie gleiche Bedeutung fur den Eintritt des Todes zu wie der inneren Ursache\nWespengiftallergie. Ein alltagliches Ereignis hatte einen derartigen\nanaphylaktischen Schock nicht ausgelost. Einem Wespenstich kommt auch nicht\ndie Qualitat eines bloßen alltaglichen Ereignisses zu. Dies behauptet auch die\nBeklagte nicht. \n--- \n| 24 \n--- \n| Es finden sich jedoch keine uberwiegenden Argumente fur den von der\nKlagerin behaupteten Geschehensablauf. Insbesondere kann der Senat nicht davon\nausgehen, dass ein anaphylaktischer Schock vorlag. \n--- \n| 25 \n--- \n| Der Angabe im Totenschein, der Versicherte sei an einem anaphylaktischen\nSchock verstorben, kommt keine weitergehende Bedeutung zu. Dr. G. , der den\nTotenschein ausstellte, gab im Verwaltungsverfahren an, ob der Wespenstiche zu\ndem plotzlichen Tod gefuhrt habe, ob der fragliche anaphylaktische Schock\neventuell ein akutes Koronarsyndrom begunstigt habe oder ob es zu einem\nSekundentod ganz unabhangig von dem Insektenstich gekommen sei, lasse sich\ndefinitiv nicht beantworten. Damit hat er die Aussagekraft seiner Angaben im\nTotenschein selbst in Frage gestellt. Aus dem Fehlen eines Kehlkopfodems - der\nSenat ist hiervon nach den Aussagen von Dr. G. und die Ärztin E.-D. im\nBerufungsverfahren uberzeugt - lasst sich, wenn man dem Gutachten von Prof.\nDr. M. folgt, zwar nicht eindeutig ableiten, dass es nicht zu einem\nanaphylaktischen Schock gekommen ist. Es fehlt damit jedoch zumindest an einem\nwichtigen Indiz fur eine solche Todesursache (vgl. hierzu den Sachverhalt in\nLSG Baden-Wurttemberg, Urteil vom 21. Mai 1987, L 10 U 3049/85, Meso B\n330/54). \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Klagerin kann sich mit dem gerichtlichen Gutachter Prof. Dr. M. auf\neinen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Angabe des Versicherten uber\neinen Wespenstich, der Angabe der Übelkeit, der Bewusstlosigkeit und dem Tod\ndes Versicherten stutzen. Allerdings ist der genaue zeitliche Zusammenhang\nzwischen dem angeblichen Wespenstich und dem Tod des Versicherten nicht klar.\nDer Versicherte hat gegenuber der Verkauferin A. R. lediglich angegeben, er\nsei von einer Wespe gestochen worden. Wann dies der Fall war, kann aus dieser\nAussage nicht entnommen werden. Die von Prof. Dr. M. angenommene\nBeurteilungsgrundlage (Stich unmittelbar vor den Angaben gegenuber der\nVerkauferin) ist daher unsicher. \n--- \n| 27 \n--- \n| Gegen einen Tod durch anaphylaktischen Schock durch Wespenstich, wie ihn\nProf. Dr. M. annimmt, spricht, dass der Versicherte bereits vor dem Vorfall\nvon Insekten gestochen worden und es zu keinen allergischen oder sonstigen\nReaktionen gekommen war. Auch Prof. Dr. M. hat eine Wespengiftallergie nicht\ndefinitiv feststellen konnen. Er schließt sie lediglich aus dem zeitlichen\nZusammenhang zwischen den Angaben des Versicherten und dem Eintritt des Todes.\nDamit legt er seiner Beurteilung einen gewissen Automatismus des\nUrsachenzusammenhangs zwischen einer Einwirkung, hier dem tatsachlich und\ninsbesondere zeitlich ungeklarten Wespenstich und dem Tode des Versicherten zu\nGrunde, weil er konkurrierende Ursachen fur unwahrscheinlicher halt. Dies ist\njedoch keine zulassige Bewertung. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass\naus dem Vorliegen einer bestimmten Einwirkung nicht automatisch im Sinne z. B.\neines Anscheinsbeweises auf die berufliche Verursachung einer Erkrankung (hier\ndes Todes) geschlossen werden kann (BSG, Urteil vom 7. September 2004, B 2 U\n34/03 R). Eine berufliche Verursachung kann daher nicht schon dann angenommen\nwerden, wenn sonstige anlagebedingte Ursachen nicht sicher identifiziert\nwerden konnen (BSG, a.a.O.). \n--- \n| 28 \n--- \n| Ohnehin hat Prof. Dr. M. darauf hingewiesen, dass im Alter des Versicherten\n"zahlreiche Ursachen fur einen plotzlichen Tod in Betracht" kamen.\nInsbesondere eine Hirnblutung, ein Herzinfarkt oder Herzrhythmusstorungen bei\nHerzmuskelentzundung oder chronischer Herzmuskelerkrankung mit Vergroßerung\ndes Herzens sowie eine Lungenembolie. Dabei sind die von Prof. Dr. M.\nangefuhrten Umstande, die jeweils gegen einen solchen Vorgang sprechen, zum\neinen nicht zwingend, sondern nur typisch. Zum anderen ist unklar, ob der\nVersicherte nicht doch weitere Symptome wie beispielsweise Schmerzen im\nBereich der Brust mit Ausstrahlung in den Arm und/oder Atemnot hatte, nachdem\ner wieder ins Auto gestiegen war, was auf einen Herzinfarkt bzw. eine\nLungenembolie hindeuten wurde. Dies kann niemand ausschließen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Schließlich fuhrt auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum\nBeweismaß konkurrierender innerer Ursachen zu keinem anderen Ergebnis. Zwar\ndurfen innere Ursachen in die Ursachenbeurteilung und -abwagung grundsatzlich\nnur einbezogen werden, wenn sie nachgewiesen sind, also mit einer an\nGewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststehen (BSG, a.a.O.). Dies\nbedeutet jedoch nicht, dass die von Prof. Dr. M. aufgelisteten moglichen\nanderen Todesursachen, die allesamt innere Ursachen darstellen, außer Betracht\nbleiben konnten. Zwar ist deren Vorliegen beim Versicherten nicht bewiesen.\nDoch setzt auch der von der Klagerin auf der Grundlage des Gutachtens von\nProf. Dr. M. behauptete und den Witwenrentenanspruch dann begrundende\nKausalzusammenhang seinerseits eine - ebenfalls nicht nachgewiesene - innere\nUrsachen, namlich eine Wespengiftallergie voraus. Kommen aber als wesentliche\nBedingung fur den Tod des Versicherten uberhaupt nur innere Ursachen in\nBetracht und ware nur eine von ihnen im Zusammenwirken mit der Einwirkung\nwahrscheinliche Ursache des Todes, kann das Beweismaß fur diese inneren\nUrsachen nicht unterschiedlich sein. Denn andernfalls wurde ein\nUrsachenzusammenhang lediglich deshalb bejaht, weil keine anderen Ursachen\nfeststehen. Ein derartiger Automatismus ist aber nach der Theorie der\nwesentlichen Bedingung - wie oben dargestellt - unzulassig (BSG, a.a.O.).\nMaßgebend ist vielmehr, ob die Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass gerade\ndiese innere Ursache die wesentliche Bedingung des Todes war (vgl. BSG, Urteil\nvom 12. Mai 1992, 2 RU 26/91 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 14). Das lasst sich\nnicht begrunden. \n--- \n| 30 \n--- \n| Letztlich begibt man sich im vorliegenden Fall, wenn man Aussagen uber die\nWahrscheinlichkeit der Todesursache des Versicherten machen will, in den\nBereich der Spekulation. Hierauf lasst sich ein Rentenanspruch der Klagerin\nnicht stutzen. \n--- \n| 31 \n--- \n| Weitere Moglichkeiten der Ermittlung sieht der Senat nicht. Insbesondere\nwurde eine beinahe drei Jahre nach dem Tod durchgefuhrte Obduktion der Leiche\ndes Versicherten zu keiner weiteren Klarung fuhren. \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.\n2 SGG nicht erfullt sind. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 18 \n--- \n| Die gemaß den §§ 143, 144, 151 SGG zulassige Berufung, uber die der Senat\nauf Grund des Einverstandnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne\nmundliche Verhandlung entscheidet, ist unbegrundet. \n--- \n| 19 \n--- \n| Nach § 63 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) besteht in\nder gesetzlichen Unfallversicherung ein Anspruch auf\nHinterbliebenenleistungen, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalles\neingetreten ist. Der Tod eines Versicherten ist infolge eines\nVersicherungsfalls eingetreten, wenn er durch einen Arbeitsunfall oder eine\nBerufskrankheit und sei es auch nur mittelbar, vor allem aufgrund der sich aus\nihnen ergebenden Gesundheitsstorungen und Erkrankungen, verursacht wurde (BSG,\nUrteil vom 12. April 2005, B 2 U 11/04 R in 4-2700 § 8 Nr. 14). Diese\nVoraussetzungen sind hier nicht erfullt, denn der Tod des Versicherten ist\nnicht mit Wahrscheinlichkeit auf einen Arbeitsunfall zuruckzufuhren. \n--- \n| 20 \n--- \n| Nach standiger Rechtsprechung mussen im Unfallversicherungsrecht die\nanspruchsbegrundenden Tatsachen, namlich die versicherte Tatigkeit, die\nschadigende Einwirkung (hier: Arbeitsunfall) und die als Unfallfolge geltend\ngemachte Gesundheitsstorung erwiesen sein, d. h. bei vernunftiger Abwagung des\nGesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis fur das Vorliegen der\ngenannten Tatsachen als erbracht angesehen werden konnen (vgl. u. a. BSG,\nUrteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen\ngenugt hinsichtlich des ursachlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten\nTatigkeit und der schadigenden Einwirkung (haftungsbegrundende Kausalitat)\nsowie der schadigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfullende\nKausalitat) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.\nApril 1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernunftiger Abwagung aller\nwesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr fur als gegen einen\nUrsachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann\nwahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur moglich ist. (vgl.\nBSG, Urteil vom 2. November 1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67;\nUrteil vom 2. Mai 2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kann ein\nbehaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursachliche Zusammenhang\nnicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im\nsozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu\nLasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den\nanspruchsbegrundenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klagers (vgl.\nBSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11). \n--- \n| 21 \n--- \n| In der Rechtsprechung des BSG ist anerkannt, dass ein Insektenstich, den\nein Versicherter wahrend der beruflichen Tatigkeit erleidet, grundsatzlich\neinen Arbeitsunfall darstellen kann. Dabei ist keine beruflich bedingt erhohte\nGefahr eines Insektenstichs notwendig, da Versicherungsschutz auch fur\nGefahren des taglichen Lebens besteht (BSG, Urteil vom 22. August 1990, 8 RKn\n5/90, in SozR 3-2200 § 548 Nr. 4; a. A. Benz, WzS 1992, 39, 45). Lediglich\nsoweit sonstige, außerberufliche Ursachen von solch uberragender Bedeutung fur\ndie Herbeifuhrung des Insektenstichs sind, dass ihnen gegenuber die\nversicherte Tatigkeit in ihrer Wirksamkeit in den Hintergrund tritt, fehlt es\nan dem notwendigen haftungsbegrundenden Zusammenhang (BSG, a.a.O). Solche\nUrsachen sind hier aber nicht erkennbar. \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Senat kann, wie bereits das Sozialgericht, dahingestellt sein lassen,\nob der Versicherte tatsachlich einen Wespenstich erlitt sowie wo und wann\ngenau dies geschah. Weder der Vorgang selbst noch eine Einstichstelle sind\nnachgewiesen. Es liegt allein die Aussage der Verkauferin A. R. vor, der\nVersicherte habe selbst angegeben, einen solchen Stich erlitten zu haben. \n--- \n| 23 \n--- \n| Jedenfalls ist nicht wahrscheinlich, dass ein solcher Wespenstich zum Tod\ndes Versicherten fuhrte. Insoweit ware - dies ist der Klagerin zuzugeben - im\nZusammenwirken mit der Konstitution des Versicherten (mogliche\nWespengiftallergie) und der Folge (anaphylaktischer Schock) ein ursachlicher\nZusammenhang mit dem Tod allerdings denkbar. Kame allein ein solcher\nGeschehensablauf in Betracht, wurde dies fur die Bejahung des ursachlichen\nZusammenhangs genugen. Fur die hier in Rede stehende haftungsbegrundende\nKausalitat gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. hierzu und zum\nNachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr.\n15). Diese setzt zunachst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang\nzwischen dem Unfallereignis (hier: dem Wespenstich) und dem Gesundheitsschaden\n(hier: dem Tod) voraus und in einem zweiten wertenden Schritt, dass das\nversicherte Unfallereignis fur den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als\nim Sinne des Sozialrechts ursachlich und rechtserheblich werden nur solche\nUrsachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen\nEintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache\nnoch konkurrierende Ursachen, z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte\nUrsache wesentlich, solange die unversicherte Ursache nicht von uberragender\nBedeutung war. Eine Krankheitsanlage war von uberragender Bedeutung, wenn sie\nso stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche)\nVerursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art\nunersetzlicher außerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes alltaglich\nvorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hatte. War\ndie Krankheitsanlage von uberragender Bedeutung, so ist die versicherte\nnaturwissenschaftliche Ursache nicht als wesentlich anzusehen und scheidet als\nUrsache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des\nSozialrechts aus; sie ist dann bloß eine so genannte Gelegenheitsursache.\nDamit ware der Kausalzusammenhang bei diesem Geschehensablauf (Wespenstich und\nWespengiftallergie) zu bejahen, denn der außeren Einwirkung Wespenstich kame\ndie gleiche Bedeutung fur den Eintritt des Todes zu wie der inneren Ursache\nWespengiftallergie. Ein alltagliches Ereignis hatte einen derartigen\nanaphylaktischen Schock nicht ausgelost. Einem Wespenstich kommt auch nicht\ndie Qualitat eines bloßen alltaglichen Ereignisses zu. Dies behauptet auch die\nBeklagte nicht. \n--- \n| 24 \n--- \n| Es finden sich jedoch keine uberwiegenden Argumente fur den von der\nKlagerin behaupteten Geschehensablauf. Insbesondere kann der Senat nicht davon\nausgehen, dass ein anaphylaktischer Schock vorlag. \n--- \n| 25 \n--- \n| Der Angabe im Totenschein, der Versicherte sei an einem anaphylaktischen\nSchock verstorben, kommt keine weitergehende Bedeutung zu. Dr. G. , der den\nTotenschein ausstellte, gab im Verwaltungsverfahren an, ob der Wespenstiche zu\ndem plotzlichen Tod gefuhrt habe, ob der fragliche anaphylaktische Schock\neventuell ein akutes Koronarsyndrom begunstigt habe oder ob es zu einem\nSekundentod ganz unabhangig von dem Insektenstich gekommen sei, lasse sich\ndefinitiv nicht beantworten. Damit hat er die Aussagekraft seiner Angaben im\nTotenschein selbst in Frage gestellt. Aus dem Fehlen eines Kehlkopfodems - der\nSenat ist hiervon nach den Aussagen von Dr. G. und die Ärztin E.-D. im\nBerufungsverfahren uberzeugt - lasst sich, wenn man dem Gutachten von Prof.\nDr. M. folgt, zwar nicht eindeutig ableiten, dass es nicht zu einem\nanaphylaktischen Schock gekommen ist. Es fehlt damit jedoch zumindest an einem\nwichtigen Indiz fur eine solche Todesursache (vgl. hierzu den Sachverhalt in\nLSG Baden-Wurttemberg, Urteil vom 21. Mai 1987, L 10 U 3049/85, Meso B\n330/54). \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Klagerin kann sich mit dem gerichtlichen Gutachter Prof. Dr. M. auf\neinen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Angabe des Versicherten uber\neinen Wespenstich, der Angabe der Übelkeit, der Bewusstlosigkeit und dem Tod\ndes Versicherten stutzen. Allerdings ist der genaue zeitliche Zusammenhang\nzwischen dem angeblichen Wespenstich und dem Tod des Versicherten nicht klar.\nDer Versicherte hat gegenuber der Verkauferin A. R. lediglich angegeben, er\nsei von einer Wespe gestochen worden. Wann dies der Fall war, kann aus dieser\nAussage nicht entnommen werden. Die von Prof. Dr. M. angenommene\nBeurteilungsgrundlage (Stich unmittelbar vor den Angaben gegenuber der\nVerkauferin) ist daher unsicher. \n--- \n| 27 \n--- \n| Gegen einen Tod durch anaphylaktischen Schock durch Wespenstich, wie ihn\nProf. Dr. M. annimmt, spricht, dass der Versicherte bereits vor dem Vorfall\nvon Insekten gestochen worden und es zu keinen allergischen oder sonstigen\nReaktionen gekommen war. Auch Prof. Dr. M. hat eine Wespengiftallergie nicht\ndefinitiv feststellen konnen. Er schließt sie lediglich aus dem zeitlichen\nZusammenhang zwischen den Angaben des Versicherten und dem Eintritt des Todes.\nDamit legt er seiner Beurteilung einen gewissen Automatismus des\nUrsachenzusammenhangs zwischen einer Einwirkung, hier dem tatsachlich und\ninsbesondere zeitlich ungeklarten Wespenstich und dem Tode des Versicherten zu\nGrunde, weil er konkurrierende Ursachen fur unwahrscheinlicher halt. Dies ist\njedoch keine zulassige Bewertung. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass\naus dem Vorliegen einer bestimmten Einwirkung nicht automatisch im Sinne z. B.\neines Anscheinsbeweises auf die berufliche Verursachung einer Erkrankung (hier\ndes Todes) geschlossen werden kann (BSG, Urteil vom 7. September 2004, B 2 U\n34/03 R). Eine berufliche Verursachung kann daher nicht schon dann angenommen\nwerden, wenn sonstige anlagebedingte Ursachen nicht sicher identifiziert\nwerden konnen (BSG, a.a.O.). \n--- \n| 28 \n--- \n| Ohnehin hat Prof. Dr. M. darauf hingewiesen, dass im Alter des Versicherten\n"zahlreiche Ursachen fur einen plotzlichen Tod in Betracht" kamen.\nInsbesondere eine Hirnblutung, ein Herzinfarkt oder Herzrhythmusstorungen bei\nHerzmuskelentzundung oder chronischer Herzmuskelerkrankung mit Vergroßerung\ndes Herzens sowie eine Lungenembolie. Dabei sind die von Prof. Dr. M.\nangefuhrten Umstande, die jeweils gegen einen solchen Vorgang sprechen, zum\neinen nicht zwingend, sondern nur typisch. Zum anderen ist unklar, ob der\nVersicherte nicht doch weitere Symptome wie beispielsweise Schmerzen im\nBereich der Brust mit Ausstrahlung in den Arm und/oder Atemnot hatte, nachdem\ner wieder ins Auto gestiegen war, was auf einen Herzinfarkt bzw. eine\nLungenembolie hindeuten wurde. Dies kann niemand ausschließen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Schließlich fuhrt auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum\nBeweismaß konkurrierender innerer Ursachen zu keinem anderen Ergebnis. Zwar\ndurfen innere Ursachen in die Ursachenbeurteilung und -abwagung grundsatzlich\nnur einbezogen werden, wenn sie nachgewiesen sind, also mit einer an\nGewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststehen (BSG, a.a.O.). Dies\nbedeutet jedoch nicht, dass die von Prof. Dr. M. aufgelisteten moglichen\nanderen Todesursachen, die allesamt innere Ursachen darstellen, außer Betracht\nbleiben konnten. Zwar ist deren Vorliegen beim Versicherten nicht bewiesen.\nDoch setzt auch der von der Klagerin auf der Grundlage des Gutachtens von\nProf. Dr. M. behauptete und den Witwenrentenanspruch dann begrundende\nKausalzusammenhang seinerseits eine - ebenfalls nicht nachgewiesene - innere\nUrsachen, namlich eine Wespengiftallergie voraus. Kommen aber als wesentliche\nBedingung fur den Tod des Versicherten uberhaupt nur innere Ursachen in\nBetracht und ware nur eine von ihnen im Zusammenwirken mit der Einwirkung\nwahrscheinliche Ursache des Todes, kann das Beweismaß fur diese inneren\nUrsachen nicht unterschiedlich sein. Denn andernfalls wurde ein\nUrsachenzusammenhang lediglich deshalb bejaht, weil keine anderen Ursachen\nfeststehen. Ein derartiger Automatismus ist aber nach der Theorie der\nwesentlichen Bedingung - wie oben dargestellt - unzulassig (BSG, a.a.O.).\nMaßgebend ist vielmehr, ob die Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass gerade\ndiese innere Ursache die wesentliche Bedingung des Todes war (vgl. BSG, Urteil\nvom 12. Mai 1992, 2 RU 26/91 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 14). Das lasst sich\nnicht begrunden. \n--- \n| 30 \n--- \n| Letztlich begibt man sich im vorliegenden Fall, wenn man Aussagen uber die\nWahrscheinlichkeit der Todesursache des Versicherten machen will, in den\nBereich der Spekulation. Hierauf lasst sich ein Rentenanspruch der Klagerin\nnicht stutzen. \n--- \n| 31 \n--- \n| Weitere Moglichkeiten der Ermittlung sieht der Senat nicht. Insbesondere\nwurde eine beinahe drei Jahre nach dem Tod durchgefuhrte Obduktion der Leiche\ndes Versicherten zu keiner weiteren Klarung fuhren. \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.\n2 SGG nicht erfullt sind. \n---\n\n
142,906
lg-mannheim-2006-11-24-7-o-12806
137
Landgericht Mannheim
lg-mannheim
Mannheim
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
7 O 128/06
2006-11-24
2019-01-09 14:32:39
2019-01-17 12:03:04
Urteil
## Tenor\n\nI. Es wird festgestellt, dass folgende Anspruche des Beklagten gegen die\nKlager nicht bestehen:\n\n1\\. Es zu unterlassen,\n\na) personenbezogene Informationen uber Herrn …, die einer der oder die\nSchuldner durch die Gewahrung von Akteneinsicht in staatsanwaltschaftliche\nErmittlungsakten erlangt haben oder zukunftig erlangen, zu anderen Zwecken als\nfur den Zweck zu verwenden, fur den die Akteneinsicht gewahrt wurde.\n\nb) personenbezogene Informationen uber Herrn …, die einer der Schuldner oder\ndie Schuldner durch die Gewahrung von Akteneinsicht in staatsanwaltschaftliche\nErmittlungsakten erlangt haben, gleich in welcher Form (schriftlich oder\nelektronisch, per Brief, Fax oder E-Mail etc.) - insbesondere durch\nRundschreiben an Dritte, wie durch das als Anlage 2 beigefugte Rundschreiben\ngeschehen - zu verbreiten oder verbreiten zu lassen oder - wie durch das\nBereithalten der Internet-Seite mit der URL … (Anlage 3) geschehen - im\nInternet der Öffentlichkeit zuganglich zu machen oder zuganglich machen zu\nlassen; dies betrifft insbesondere die nachfolgenden personenbezogenen\nInformationen:\n\n\\- „Diese Vorgange sowie die Tatsache der andauernden Haft des Herrn …\nindizieren, dass auch die ermittelnde Staatsanwaltschaft sowie die bisher mit\ndiesem Fall beschaftigten Gerichte davon ausgehen, dass ein dringender\nTatverdacht fur Steuerhinterziehung und gewerbsmaßigen Betrug vorliegt.\nAngesichts der uns vorliegenden Unterlagen konnen wir diese Bewertung nur\nbestatigen."\n\n\\- „Nach unseren Informationen hat in der letzten Woche erneut eine\nHaftprufung stattgefunden. Dabei hat sich Herr … darauf berufen, dass die\ngesamte Konstruktion von namhaften Wirtschaftsprufungs- und\nSteuerberatungskanzleien gepruft worden sei und er hier fur siebenstellige\nHonorare gezahlt habe. Als Reaktion hierauf ist aber nicht Herr … frei\ngekommen (...)."\n\n2\\. Es zu unterlassen, die nachfolgenden Behauptungen aufzustellen oder\naufstellen zu lassen, zu verbreiten oder verbreiten zu lassen und/oder\nzuganglich zu machen oder zuganglich machen zu lassen, wie durch das als\nAnlage 2 beigefugte Rundschreiben und durch die Veroffentlichung auf der Web-\nSeite mit der URL … (Anlage 3) geschehen:\n\n\\- Erwecken des Eindrucks, dass Herr … versucht habe, zum Schaden von\nGesellschaftern Gelder von Geschaftskonten, insbesondere der\nFondsgesellschaften … und … zu entnehmen, und/oder\n\n\\- Erwecken des Eindrucks, es stehe fest, Herr … sei des Betruges und der\nSteuerhinterziehung schuldig,\n\ninsbesondere durch die nachfolgenden Äußerungen:\n\n\\- „Diese Vorgange sowie die Tatsache der andauernden Haft des Herrn … legen\ndie Vermutung nahe, dass auch die ermittelnde Staatsanwaltschaft sowie die\nbisher mit diesem Fall beschaftigten Gerichte davon ausgehen, dass ein\ndringender Tatverdacht fur Steuerhinterziehung und gewerbsmaßigen Betrug\nvorliegt. Angesichts der uns vorliegenden Unterlagen teilen wir diese\nBewertung."\n\n3\\. Es zu unterlassen, Behauptungen aufzustellen oder aufstellen zu lassen, zu\nverbreiten oder verbreiten zu lassen und/oder zuganglich zu machen oder\nzuganglich machen zu lassen (wie durch das als Anlage 2 beigefugte\nRundschreiben und durch die Veroffentlichung auf der Web-Seite mit der URL …\n(Anlage 3) geschehen), mit denen zur Prozessfuhrung gegen Herrn … aufgerufen\nund/oder mit der Vertretung von Dritten gegen Herrn … als Prozessgegner\ngeworben wird, z.B.:\n\n\\- „In der Sache … vertreten wir bereits eine Vielzahl von Mandanten."\n\n\\- „(...) empfehlen wir, gegen (...) die Fondsverantwortlichen (...)\nvorzugehen."\n\n\\- „Um etwaige Verjahrungsprobleme bei der Prospekthaftung von vornherein\nauszuschließen, empfehlen wir eine Klageeinreichung moglichst bis Ende Marz\n2006"\n\n\\- „Wir haben die ersten Klagen erstellt und werden kurzfristig fur eine\nVielzahl von Mandanten Klage einreichen. Wenn Sie ebenfalls hieran\ninteressiert sind, mochten wir Sie bitten, moglichst kurzfristig folgende\nUnterlagen an uns zu senden: (...)."\n\n4\\. Herrn … die ihm aus der Abmahnung vom 15.03.2003 entstanden\nRechtsanwaltkosten zu erstatten, soweit diese einen Betrag von 788,68 Euro\nubersteigen.\n\n5\\. Anzuerkennen, Herrn … zum Ersatz des durch die Handlungen nach Ziffer 1.\na), b), 4. und 5. Äußerung, Ziff. 2. 3. Äußerung sowie Ziff. 3 der vom\nBeklagten vorformulierten Unterlassungs- und Verpflichtungserklarung vom\n15.03.2006 entstandenen bzw. hierdurch noch entstehenden Schadens verpflichtet\nzu sein, wobei die Schuldner gesamtschuldnerisch haften;\n\n6\\. Herrn … zur Auskunft uber die Handlungen nach Ziffer 1., Ziffer 2. und\nZiffer 3. verpflichtet zu sein, soweit Herr … die Auskunft zur Geltendmachung\neines Schadensersatzanspruchs gemaß Ziffer 6, Spiegelstrich 1, benotigt.\n\nII. Im ubrigen wird die Klage abgewiesen.\n\nIII. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.\n\nIV. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die\nVollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe von 120 % des zu\nvollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klager vor der Vollstreckung\nSicherheit in gleicher Hohe leisten.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin zu 1) ist eine Partnerschaftsgesellschaft, die insbesondere im\nBereich des Kapitalanlagerechts tatig ist. Die Klager zu 2) und 3) sind\nPartner der Gesellschaft. Der Beklagte ist Mitglied der Geschaftsleitung der\n.... Gegen den Beklagten lauft ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft\n... Die Staatsanwaltschaft fuhrt das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts\nder Steuerhinterziehung und des Betruges (siehe Anlage B 6). Die Klager\nbeantragten mit Schreiben vom 02.01.2006 und 20.02.2006 fur von ihnen\nvertretene Mandanten Akteneinsicht in die Ermittlungsakten. Ihnen wurde auf\nGrundlage von § 406 e StPO Einsicht in die Ermittlungsakten gewahrt (Anlage B\n6 und Anlage K 12). \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Sachstand wurde auf der Internetseite der Klagerin zu 1) veroffentlicht\n(Anlage K 2), wo es auszugsweise lautete: \n--- \n| 3 \n--- \n| Die …-Gruppe als bislang am Markt der Steuersparfonds sehr erfolgreicher\nAnbieter legte insbesondere als sog. Garantiefonds den "…" und den "…" auf.\nNeben einer angeblichen garantierten Sicherheit wiesen diese Fonds sehr hohe\nSteuervorteile auf. Diese bis dahin fast einzigartige Kombination wurde\ndadurch erreicht, dass der Großteil der Anlegergelder - anstatt diese\ntatsachlich zur Herstellung von Filmen zu verwenden - uber zwischengeschaltete\nFirmen letztlich bei den sog. "schuldubernehmenden Banken" landeten. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die angebliche garantierte Sicherheit wurde tatsachlich nur durch eine sog.\nSchuldubernahme der Verpflichtungen der Vertriebsfirma durch die … (... 3),\nbzw. durch die … (... 4) unterlegt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Diese Konstruktion fuhrte nunmehr zu der Einleitung eines Strafverfahrens\nwegen Betruges und Steuerhinterziehung (…). Gegen den Initiator des Fonds,\nHerrn …, hat das AG … einen Haftbefehl wegen Fluchtgefahr und\nVerdunklungsgefahr erlassen. Herr … hat am 28.09.2005 ein Konto bei der …\neroffnet und noch am gleichen Tag von einem bei der … gefuhrten Konto\n(Kontoinhaber …) einen Betrag von EUR 4.000.000,00 per Blitzgiro uberweisen\nwollen. Zudem hat Herr … versucht, an jenem Tag - einen Tag nach der\nDurchsuchung - einen weiteren Betrag von 2,25 Mio. EUR an seine Ehefrau zu\nuberweisen, die diesen Betrag bar abheben wollte. \n--- \n| 6 \n--- \n| 1\\. Verfahrensstand \n--- \n| 7 \n--- \n| Wir vertreten bereits eine Vielzahl von Anlegern, die in die Medienfonds …\nund … investiert haben. \n--- \n| 8 \n--- \n| Nach den uns vorliegenden Unterlagen ist davon auszugehen, dass durch die\nFinanzamter die steuerliche Abzugsfahigkeit der Beteiligungen an den …-Fonds\naberkannt werden wird. Wir erwarten fur beide Fonds Steuerruckforderungen der\nFinanzamter in Hohe von insgesamt mehr als 150 Mio. Euro. \n--- \n| 9 \n--- \n| Auch verdichtet sich der Verdacht, dass bei den … Fonds 3 und 4 von Anfang\nan nicht geplant war, die Anlegergelder tatsachlich in Filmprodukte zu\ninvestieren. Statt dessen sind in der Regel jeweils knapp 80 % der Gelder uber\nzwei zwischengeschaltete Firmen an die garantiegebenden Banken geflossen.\nDiese "schuldubernehmenden Banken" waren dabei eng in die Fondsdurchfuhrung\neingebunden. Nach einer Aussage des Fonds-Geschaftsfuhrers … wurden\nÜberweisungen beispielsweise erst ausgefuhrt, wenn eine durchgehende Kette von\nÜberweisungsauftragen vom Fonds uber die Produktionsfirma und die\nVertriebsfirma bis zur schuldubernehmenden Bank vorlag. \n--- \n| 10 \n--- \n| Diese Vorgange sowie die Tatsache der andauernden Haft des Herrn … legen\ndie Vermutung nahe, dass auch die ermittelnde Staatsanwaltschaft sowie die\nbisher mit diesem Fall beschaftigten Gerichte davon ausgehen, dass ein\ndringender Tatverdacht fur Steuerhinterziehung und gewerbsmaßigen Betrug\nvorliegt. Angesichts der uns vorliegenden Unterlagen teilen wir diese\nBewertung. \n--- \n| 11 \n--- \n| Wir mussen leider davon ausgehen, dass der Teil der Anlegergelder, die\nangeblich auf "Garantiekonten" bei deutschen Großbanken liegen, nicht als\nsicher angesehen werden konnen. \n--- \n| 12 \n--- \n| […] Klagen: Grundsatzlich empfehlen wir, gegen die schuldubernehmenden\nBanken, die Fondsverantwortlichen und die … vorzugehen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Wichtig: Um etwaige Verjahrungsprobleme bei der Prospekthaftung\nauszuschließen, empfehlen wir eine Klageeinreichung moglichst bis 27.03.2006.\nUnter ungunstigen Umstanden kann schon ab 27.03.2006 eine Verjahrung\neintreten. Die Verjahrung knupft an die Kenntnis des jeweiligen Anlegers an\nund ist deshalb bei jedem Einzelfall gesondert zu prufen. Die Anleger sollten\nsich aber hier keine unnotigen Risiken aufburden, die durch ein rasches\nHandeln sicher vermieden werden konnen. \n--- \n| 14 \n--- \n| 5\\. Nachste Schritte \n--- \n| 15 \n--- \n| Wir haben die ersten Klagen erstellt und werden kurzfristig fur eine\nVielzahl von Mandanten Klage einreichen. Wenn Sie ebenfalls hieran\ninteressiert sind, mochten wir Sie bitten moglichst kurzfristig folgende\nUnterlagen an uns zu senden: … \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Klager verfassten ein Rundschreiben vom 21.02.2006 uber den ermittelten\nSachverhalt (Anlage K 1). In dem Rundschreiben wurde u.a. mitgeteilt: \n--- \n| 17 \n--- \n| Weiterhin konnten wir feststellen, dass der inzwischen inhaftierte … eine\nTag nach den Durchsuchungen seiner Firmen den Versuch unternommen hatte,\nMillionenbetrage von den Firmenkonten auf seine Privatkonten zu uberweisen.\nÄhnliche Handlungen wurden auch von seiner Ehefrau unternommen, die einen\nMillionenbetrag in bar von einem Konto abheben wollte. Damit hat sich Herr …\nselbst die Fluchtgefahr nachgewiesen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Nach unseren Informationen hat in der letzten Woche erneut eine Haftprufung\nstattgefunden. Dabei hat sich Herr … darauf berufen, dass die gesamte\nKonstruktion von namhaften Wirtschaftsprufungs- und Steuerberatungskanzleien\ngepruft worden sei und er hierfur siebenstellige Honorare gezahlt habe. Als\nReaktion hierauf ist aber nicht Herr … frei gekommen, sondern es wurden die\nKanzleiraume dieser Gesellschaften durchsucht. Auch gegen die beteiligten\nBanken wird inzwischen ermittelt. \n--- \n| 19 \n--- \n| Vorab mochten wir Sie - sofern dies nicht schon geschehen ist - bei\nMandatserteilung bitten, uns etwaige Prospektunterlagen und sonstiges\nWerbematerial, insbesondere Rundschreiben des Vertriebs, beizulegen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Zuletzt benotigen wir von Ihnen eine kurze Schilderung, wer Ihnen mit\nwelchen Zusicherungen und Aussagen zu welchem Zeitpunkt den Fonds empfohlen\nhat. Bitte teilen Sie auch mit, wann Sie das erste Mal von den oben erwahnten\nUmstanden Kenntnis erlangt haben. \n--- \n| 21 \n--- \n| Soweit Sie obige Dinge schon erledigt haben, benotigen wir die Unterlagen\nnicht nochmals. Vorliegend handelt es sich um ein Rundschreiben. Deshalb\nkonnten wir individuelle Besonderheiten nicht berucksichtigen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Sobald uns Ihre Unterlagen vorliegen, werden wir diese uberprufen und\ninnerhalb von ein bis zwei Wochen auf Sie zuruckkommen. Am besten ist es, wenn\nwir dann - ggf. nach Vorliegen der Deckungszusagen der\nRechtsschutzversicherungen - einen Besprechungstermin in unseren Kanzleiraumen\nvereinbaren. Moglich ist naturlich auch, dass wird das weitere Vorgehen,\ninsbesondere einer Klage, telefonisch besprechen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Am 15.03.2006 mahnte der Beklagte die Klager wegen Rechtsverstoßen in\nMusterrundschreiben und im Internet ab und verlangte die Abgabe einer\nstrafbewehrten Unterlassungserklarung. Er fugte dabei folgende vorformulierte\nUnterlassungs- und Verpflichtungserklarung bei (Anlage K 4): \n--- \n| 24 \n--- \n| Unterlassungs- und Verpflichtungserklarung \n--- \n| 25 \n--- \n| 1\\. Rechtsanwalte … Partnerschaftsgesellschaft, …, \n--- \n| 26 \n--- \n| 2\\. Herr Rechtsanwalt …, \n--- \n| 27 \n--- \n| 3\\. Herr Rechtsanwalt …, \n--- \n| 28 \n--- \n| 4, Herr Rechtsanwalt …, \n--- \n| 29 \n--- \n| 5\\. Herr Rechtsanwalt …, \n--- \n| 30 \n--- \n| \\- nachfolgend auch **: „die Schuldner"** \\- \n--- \n| 31 \n--- \n| verpflichten sich gegenuber Herrn …, \n--- \n| 32 \n--- \n| 1\\. es zu unterlassen, \n--- \n| 33 \n--- \n| a) personenbezogene Informationen uber Herrn …, die einer der oder die\nSchuldner durch die Gewahrung von Akteneinsicht in staatsanwaltschaftliche\nErmittlungsakten erlangt haben oder zukunftig erlangen, zu anderen Zwecken als\nfur den Zweck zu verwenden, fur den die Akteneinsicht gewahrt wurde,\ninsbesondere \n--- \n| 34 \n--- \n| b) personenbezogene Informationen uber Herrn …, die einer der Schuldner\noder die Schuldner durch die Gewahrung von Akteneinsicht in\nstaatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten erlangt haben, gleich in welcher Form\n(schriftlich oder elektronisch, per Brief, Fax oder E-Mail etc.) -\ninsbesondere durch Rundschreiben an Dritte, wie durch das als Anlage 2\nbeigefugte Rundschreiben geschehen - zu verbreiten oder verbreiten zu lassen\noder - wie durch das Bereithalten der Internet-Seite mit der URL … (Anlage 3)\ngeschehen - im Internet der Öffentlichkeit zuganglich zu machen oder\nzuganglich machen zu lassen; dies betrifft insbesondere die nachfolgenden\npersonenbezogenen Informationen: \n--- \n| 35 \n--- \n| _- „Nach einer Aussage des Geschaftsfuhrers … wurden beispielsweise die\nÜberweisungen erst ausgefuhrt, wenn eine durchgehende Kette von\nÜberweisungsauftragen von dem Fonds uber die Produktionsfirma und uber die\nVertriebsfirma bis zur schuldubernehmenden Bank vorlag."_ \n--- \n| 36 \n--- \n| _- „Weiter konnten wir feststellen, dass der inzwischen inhaftierte ...\neinen Tag nach den Durchsuchungen seiner Firmen den Versuch unternommen hatte,\nMillionenbetrage von den Firmenkonten auf seine Privatkonten zu uberweisen.\nÄhnliche Handlungen wurden auch von seiner Ehefrau unternommen, die einen\nMillionenbetrag in bar von einem Konto abheben wollte. Damit hat sich Herr …\nselbst die Fluchtgefahr nachgewiesen."_ \n--- \n| 37 \n--- \n| _- „Herr … hat am 28.09.2005 ein Konto bei der … eroffnet und noch am\ngleichen Tag von einem bei der … gefuhrten Konto (Kontoinhaber …) einen Betrag\nvon EUR 4.000.000,00 per Blitzgiro uberweisen wollen. Zudem hat Herr …\nversucht, an jenem Tag - einen Tag nach der Durchsuchung - einen weiteren\nBetrag. von 2,25 Mio. EUR an seine Ehefrau zu uberweisen, die diesen Betrag\nbar abheben wollte."_ \n--- \n| 38 \n--- \n| _- „Diese Vorgange sowie die Tatsache der andauernden Haft des Herrn …\nindizieren, dass auch die ermittelnde Staatsanwaltschaft sowie die bisher mit\ndiesem Fall beschaftigten Gerichte davon ausgehen, dass ein dringender\nTatverdacht fur Steuerhinterziehung und gewerbsmaßigen Betrug vorliegt.\nAngesichts der uns vorliegenden Unterlagen konnen wir diese Bewertung nur\nbestatigen."_ \n--- \n| 39 \n--- \n| _- „Nach unseren Informationen hat in der letzten Woche erneut eine\nHaftprufung stattgefunden. Dabei hat sich Herr … darauf berufen, dass die\ngesamte Konstruktion von namhaften Wirtschaftsprufungs- und\nSteuerberatungskanzleien gepruft worden sei und er hier fur siebenstellige\nHonorare gezahlt habe. Als Reaktion hierauf ist aber nicht Herr … frei\ngekommen (...)."_ \n--- \n| 40 \n--- \n| 2\\. es zu unterlassen, die nachfolgenden Behauptungen aufzustellen oder\naufstellen zu lassen, zu verbreiten oder verbreiten zu lassen und/oder\nzuganglich zu machen oder zuganglich machen zu lassen, wie durch das als\nAnlage 2 beigefugte Rundschreiben und durch die Veroffentlichung auf der Web-\nSeite mit der URL … (Anlage 3) geschehen: \n--- \n| 41 \n--- \n| _\\- Erwecken des Eindrucks, dass Herr … versucht habe, zum Schaden von\nGesellschaftern Gelder von Geschaftskonten, insbesondere der\nFondsgesellschaften … und … zu entnehmen, und/oder_ \n--- \n| 42 \n--- \n| _\\- Erwecken des Eindrucks, es stehe fest, Herr … sei des Betruges und der\nSteuerhinterziehung schuldig,_ \n--- \n| 43 \n--- \n| insbesondere durch die nachfolgenden Äußerungen: \n--- \n| 44 \n--- \n| _- „Herr … hat am 28.09.2005 ein Konto bei der … eroffnet und noch am\ngleichen Tag von einem bei der … gefuhrten Konto (Konto Inhaber …) einen\nBetrag von EUR 4.000.000,00 per Blitzgiro uberweisen wollen. Zudem hat Herr …\nversucht, an jenem Tag - einen Tag nach der Durchsuchung - einen weiteren\nBetrag von 2,25 Mio. EUR an seine Ehefrau zu uberweisen, die diesen Betrag bar\nabheben wollte."_ \n--- \n| 45 \n--- \n| _- „Weiter konnten wir feststellen, dass der inzwischen inhaftierte … einen\nTag nach den Durchsuchungen seiner Firmen den Versuch unternommen hatte,\nMillionenbetrage von den Firmenkonten auf seine Privatkonten zu uberweisen.\nÄhnliche Handlungen wurden auch von seiner Ehefrau unternommen, die einen\nMillionenbetrag in bar von einem Konto ab heben wollte. Damit hat sich Herr\n... selbst die Fluchtgefahr nachgewiesen."_ \n--- \n| 46 \n--- \n| _- „Diese Vorgange sowie die Tatsache der andauernden Haft des Herrn …\nlegen die Vermutung nahe, dass auch die ermittelnde Staatsanwaltschaft sowie\ndie bisher mit diesem Fall beschaftigten Gerichte davon ausgehen, dass ein\ndringender Tatverdacht fur Steuerhinterziehung und gewerbsmaßigen Betrug\nvorliegt. Angesichts der uns vorliegenden Unterlagen teilen wir diese\nBewertung."_ \n--- \n| 47 \n--- \n| 3\\. es zu unterlassen, Behauptungen aufzustellen oder aufstellen zu lassen,\nzu verbreiten oder verbreiten zu lassen und/oder zuganglich zu machen oder\nzuganglich machen zu lassen (wie durch das als Anlage 2 beigefugte\nRundschreiben und durch die Veroffentlichung auf der Web-Seite mit der URL …\n(Anlage 3) geschehen), mit denen zur Prozessfuhrung gegen Herrn … aufgerufen\nund/oder mit der Vertretung von Dritten gegen Herrn … als Prozessgegner\ngeworben wird, z.B.: \n--- \n| 48 \n--- \n| _- „In der Sache … vertreten wir bereits eine Vielzahl von Mandanten."_ \n--- \n| 49 \n--- \n| _- „(...) empfehlen wir, gegen (...) die Fondsverantwortlichen (...)\nvorzugehen."_ \n--- \n| 50 \n--- \n| _- „Um etwaige Verjahrungsprobleme bei der Prospekthaftung von vornherein\nauszuschließen, empfehlen wir eine Klageeinreichung moglichst bis Ende Marz\n2006"_ \n--- \n| 51 \n--- \n| _- „Wir haben die ersten Klagen erstellt und werden kurzfristig fur eine\nVielzahl von Mandanten Klage einreichen. Wenn Sie ebenfalls hieran\ninteressiert sind, mochten wir Sie bitten, moglichst kurzfristig folgende\nUnterlagen an uns zu senden: (...)"_ \n--- \n| 52 \n--- \n| 4\\. fur jeden Fall zukunftiger schuldhafter Zuwiderhandlung - auch fur den\nFall der Zuwiderhandlung durch Erfullungsgehilfen - unter Ausschluss des\nEinwands des Fortsetzungszusammenhangs und der naturlichen Handlungseinheit\ngegen die unter Ziffer 1., Ziffer 2 und/oder Ziffer 3 aufgefuhrten\nVerpflichtungen an Herrn … eine Vertragsstrafe in Hohe von **EUR 5.010,00**\n(in Worten: Euro funftausendundzehn) zu zahlen, wobei die Schuldner\ngesamtschuldnerisch haften; \n--- \n| 53 \n--- \n| 5\\. Herrn … die ihm entstanden Rechtsanwaltkosten in Hohe von **EUR\n1.948,92** (auf Basis einer 1,3-Geschaftsgebuhr und einem Streitwert von EUR\n100.000,- zzgl. Auslagen und zzgl. MwSt.) zu ersetzen und diesen Betrag unter\nAngabe des Az. … innerhalb von zwei Wochen nach Zugang einer Kostennote auf\ndas Konto-Nr. … bei der … (Fremdgeldkonto …), zu zahlen, wobei die Schuldner\ngesamtschuldnerisch haften; \n--- \n| 54 \n--- \n| 6\\. anzuerkennen, \n--- \n| 55 \n--- \n| \\- Herrn … zum Ersatz durch die Handlungen nach Ziffer 1., Ziffer 2. und\nZiffer 3. entstandenen bzw. hierdurch noch entstehenden Schadens verpflichtet\nzu sein, wobei die Schuldner gesamtschuldnerisch haften; \n--- \n| 56 \n--- \n| \\- Herrn … zur Auskunft uber die Handlungen nach Ziffer 1., Ziffer 2. und\nZiffer 3. verpflichtet zu sein, soweit Herr … die Auskunft zur Geltendmachung\neines Schadensersatzanspruchs gemaß Ziffer 6, Spiegelstrich 1, benotigt. \n--- \n| 57 \n--- \n| Auf Antrag des Beklagten wurde gegen die Klager durch das Landgericht … am\n06.04.2006 eine einstweilige Verfugung erlassen (Anlage K 7). Am 26.07.2006\nerhob der Beklagte gegen die Klager Hauptsacheklage (Anlage B 15). In einem\nanderen einstweiligen Rechtsschutzverfahren wurde durch Urteil entschieden\n(Anlage B 18). \n--- \n| 58 \n--- \n| Die Klager tragen vor, \n--- \n| 59 \n--- \n| das angerufene Landgericht Mannheim sei zustandig, da der Gerichtsstand der\nnegativen Feststellungsklage derjenige der positiven Leistungsklage sei und\nwegen der Veroffentlichung der angegriffenen Äußerungen im Internet auch der\nBezirk des Landgerichts Mannheim betroffen sei. Auch seien Rundschreiben in\nden Bezirk des Landgerichts Mannheim gesandt worden. Der Beklagte habe zwar\nvor dem Landgericht … Klage erhoben, der Streitgegenstand sei dort jedoch\nbegrenzt und es sei auch noch nicht mundlich verhandelt worden. Es werde\nbestritten, dass die Struktur der … von verschiedenen Steuer- und\nWirtschaftsprufungsgesellschaften als unbedenklich eingestuft worden sei.\nBestritten werde ebenfalls, dass der Aufsichtsrat eine Zahlung von 4 Mio. Euro\ngenehmigt habe. Die Aussagen der Klager seien nichts als der Wahrheit\nentsprechende Aussagen und durch alternative Quellen belegbar. Das\nUnterlassungsbegehren des Beklagten greife in unzulassigem Maße in die\nrechtlich geschutzte Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant ein.\nRechtlich seien die Normen des § 406 e StPO und des Bundesdatenschutzgesetzes\nnicht drittschutzend. Die angegriffenen Informationen seien auch nicht durch\ndie Klager erstmals bekannt gemacht worden, was sich aus den aus\nAnlagenkonvolut K 10 ersichtlichen Presseveroffentlichungen ergebe. Der Inhalt\nder Strafakte sei auch vielen weiteren Anlegern bekannt gewesen, die ebenfalls\nAkteneinsicht genommen hatten. Die Verbreitung von Informationen falle in den\nSchutzbereich der Meinungsfreiheit, was vorliegend umso starker wiege, da die\nKlagerin uber Angelegenheiten des offentlichen Interesses berichte. Gegenuber\ndem Mandaten musse ein Informationsaustausch jederzeit moglich sein. Dies\ngelte auch gegenuber potentiellen Mandanten, da ein funktionierender\nOpferschutz ohne Informationen nicht moglich sei. Zu berucksichtigen sei\nvorliegend auch, dass die Staatsanwaltschaft … umfassend gewahrt worden sei\nund das Landgericht … dies bestatigt habe. Bei der anzustellenden\nGuterabwagung wurden die Interessen der Klager uberwiegen, ihnen wurden auch\ndie Grundsatze der Verdachtsberichterstattung zu Gute kommen. Schließlich\nseien die angegriffenen Äußerungen im Rahmen gerichtlicher Verfahren gemacht\nworden, weshalb der Beklagte keine Unterlassung fordern konne. \n--- \n| 60 \n--- \n| Die Klager haben zunachst beantragt, \n--- \n| 61 \n--- \n| I. Es wird festgestellt, dass Anspruche des Beklagten gegen die Klager, \n1\\. es zu unterlassen, \n--- \n| 62 \n--- \n| a) personenbezogene Informationen uber Herrn …, die einer der oder die\nSchuldner durch die Gewahrung von Akteneinsicht in staatsanwaltschaftliche\nErmittlungsakten erlangt haben oder zukunftig erlangen, zu anderen Zwecken als\nfur den Zweck zu verwenden, fur den die Akteneinsicht gewahrt wurde,\ninsbesondere \n--- \n| 63 \n--- \n| b) personenbezogene Informationen uber Herrn …, die einer der Schuldner\noder die Schuldner durch die Gewahrung von Akteneinsicht in\nstaatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten erlangt haben, gleich in welcher Form\n(schriftlich oder elektronisch, per Brief, Fax oder E-Mail etc.) -\ninsbesondere durch Rundschreiben an Dritte, wie durch das als Anlage 2\nbeigefugte Rundschreiben geschehen - zu verbreiten oder verbreiten zu lassen\noder - wie durch das Bereithalten der Internet-Seite mit der URL … (Anlage 3)\ngeschehen - im Internet der Öffentlichkeit zuganglich zu machen oder\nzuganglich machen zu lassen; dies betrifft insbesondere die nachfolgenden\npersonenbezogenen Informationen: \n--- \n| 64 \n--- \n| \\- „Nach einer Aussage des Geschaftsfuhrers … wurden beispielsweise die\nÜberweisungen erst ausgefuhrt, wenn eine durchgehende Kette von\nÜberweisungsauftragen von dem Fonds uber die Produktionsfirma und uber die\nVertriebsfirma bis zur schuldubernehmenden Bank vorlag." \n--- \n| 65 \n--- \n| \\- „Weiter konnten wir feststellen, dass der inzwischen inhaftierte … einen\nTag nach den Durchsuchungen seiner Firmen den Versuch unternommen hatte,\nMillionenbetrage von den Firmenkonten auf seine Privatkonten zu uberweisen.\nÄhnliche Handlungen wurden auch von seiner Ehefrau unternommen, die einen\nMillionenbetrag in bar von einem Konto abheben wollte. Damit hat sich Herr …\nselbst die Fluchtgefahr nachgewiesen." \n--- \n| 66 \n--- \n| \\- „Herr … hat am 28.09.2005 ein Konto bei der … eroffnet und noch am\ngleichen Tag von einem bei der … gefuhrten Konto (Kontoinhaber …) einen Betrag\nvon EUR 4.000.000,00 per Blitzgiro uberweisen wollen. Zudem hat Herr …\nversucht, an jenem Tag - einen Tag nach der Durchsuchung - einen weiteren\nBetrag. von 2,25 Mio. EUR an seine Ehefrau zu uberweisen, die diesen Betrag\nbar abheben wollte." \n--- \n| 67 \n--- \n| \\- „Diese Vorgange sowie die Tatsache der andauernden Haft des Herrn …\nindizieren, dass auch die ermittelnde Staatsanwaltschaft sowie die bisher mit\ndiesem Fall beschaftigten Gerichte davon ausgehen, dass ein dringender\nTatverdacht fur Steuerhinterziehung und gewerbsmaßigen Betrug vorliegt.\nAngesichts der uns vorliegenden Unterlagen konnen wir diese Bewertung nur\nbestatigen." \n--- \n| 68 \n--- \n| \\- „Nach unseren Informationen hat in der letzten Woche erneut eine\nHaftprufung stattgefunden. Dabei hat sich Herr … darauf berufen, dass die\ngesamte Konstruktion von namhaften Wirtschaftsprufungs- und\nSteuerberatungskanzleien gepruft worden sei und er hier fur siebenstellige\nHonorare gezahlt habe. Als Reaktion hierauf ist aber nicht Herr … frei\ngekommen (...)" \n--- \n| 69 \n--- \n| 2\\. es zu unterlassen, die nachfolgenden Behauptungen aufzustellen oder\naufstellen zu lassen, zu verbreiten oder verbreiten zu lassen und/oder\nzuganglich zu machen oder zuganglich machen zu lassen, wie durch das als\nAnlage 2 beigefugte Rundschreiben und durch die Veroffentlichung auf der Web-\nSeite mit der URL … (Anlage 3) geschehen: \n--- \n| 70 \n--- \n| \\- Erwecken des Eindrucks, dass Herr … versucht habe, zum Schaden von\nGesellschaftern Gelder von Geschaftskonten, insbesondere der … … zu entnehmen,\nund/oder \n--- \n| 71 \n--- \n| \\- Erwecken des Eindrucks, es stehe fest, Herr … sei des Betruges und der\nSteuerhinterziehung schuldig, \n--- \n| 72 \n--- \n| insbesondere durch die nachfolgenden Äußerungen: \n--- \n| 73 \n--- \n| \\- „Herr … hat am 28.09.2005 ein Konto bei der … eroffnet und noch am\ngleichen Tag von einem bei der … gefuhrten Konto (Konto Inhaber …) einen\nBetrag von EUR 4.000.000,00 per Blitzgiro uberweisen wollen. Zudem hat Herr …\nversucht, an jenem Tag - einen Tag nach der Durchsuchung - einen weiteren\nBetrag von 2,25 Mio. EUR an seine Ehefrau zu uberweisen, die diesen Betrag bar\nabheben wollte." \n--- \n| 74 \n--- \n| \\- „Weiter konnten wir feststellen, dass der inzwischen inhaftierte … einen\nTag nach den Durchsuchungen seiner Firmen den Versuch unternommen hatte,\nMillionenbetrage von den Firmenkonten auf seine Privatkonten zu uberweisen.\nÄhnliche Handlungen wurden auch von seiner Ehefrau unternommen, die einen\nMillionenbetrag in bar von einem Konto ab heben wollte. Damit hat sich Herr …\nselbst die Fluchtgefahr nachgewiesen." \n--- \n| 75 \n--- \n| \\- „Diese Vorgange sowie die Tatsache der andauernden Haft des Herrn …\nlegen die Vermutung nahe, dass auch die ermittelnde Staatsanwaltschaft sowie\ndie bisher mit diesem Fall beschaftigten Gerichte davon ausgehen, dass ein\ndringender Tatverdacht fur Steuerhinterziehung und gewerbsmaßigen Betrug\nvorliegt. Angesichts der uns vorliegenden Unterlagen teilen wir diese\nBewertung." \n--- \n| 76 \n--- \n| 3\\. es zu unterlassen, Behauptungen aufzustellen oder aufstellen zu lassen,\nzu verbreiten oder verbreiten zu lassen und/oder zuganglich zu machen oder\nzuganglich machen zu lassen (wie durch das als Anlage 2 beigefugte\nRundschreiben und durch die Veroffentlichung auf der Web-Seite mit der URL …\n(Anlage 3) geschehen), mit denen zur Prozessfuhrung gegen Herrn … ... und/oder\nmit der Vertretung von Dritten gegen Herrn … als Prozessgegner geworben wird,\nz.B.: \n--- \n| 77 \n--- \n| _- „In der Sache … vertreten wir bereits eine Vielzahl von Mandanten."_ \n--- \n| 78 \n--- \n| _- „(...) empfehlen wir, gegen (...) die Fondsverantwortlichen (...)\nvorzugehen."_ \n--- \n| 79 \n--- \n| \\- „Um etwaige Verjahrungsprobleme bei der Prospekthaftung von vornherein\nauszuschließen, empfehlen wir eine Klageeinreichung moglichst bis Ende Marz\n2006" \n--- \n| 80 \n--- \n| \\- „Wir haben die ersten Klagen erstellt und werden kurzfristig fur eine\nVielzahl von Mandanten Klage einreichen. Wenn Sie ebenfalls hieran\ninteressiert sind, mochten wir Sie bitten, moglichst kurzfristig folgende\nUnterlagen an uns zu senden: (...)" \n--- \n| 81 \n--- \n| 4\\. fur jeden Fall zukunftiger schuldhafter Zuwiderhandlung - auch fur den\nFall der Zuwiderhandlung durch Erfullungsgehilfen - unter Ausschluss des\nEinwands des Fortsetzungszusammenhangs und der naturlichen Handlungseinheit\ngegen die unter Ziffer 1., Ziffer 2 und/oder Ziffer 3 aufgefuhrten\nVerpflichtungen an Herrn … eine Vertragsstrafe in Hohe von **EUR 5.010,00**\n(in Worten: Euro funftausendundzehn) zu zahlen, wobei die Schuldner\ngesamtschuldnerisch haften; \n--- \n| 82 \n--- \n| 5\\. Herrn … die ihm entstanden Rechtsanwaltkosten in Hohe von **EUR\n1.948,92** (auf Basis einer 1,3-Geschaftsgebuhr und einem Streitwert von EUR\n100.000,- zzgl. Auslagen und zzgl. MwSt.) zu ersetzen und diesen Betrag unter\nAngabe des Az. „…" innerhalb von zwei Wochen nach Zugang einer Kostennote auf\ndas Konto-Nr. … bei der …, BLZ … (Fremdgeldkonto …), zu zahlen, wobei die\nSchuldner gesamtschuldnerisch haften; \n--- \n| 83 \n--- \n| 6\\. anzuerkennen, \n--- \n| 84 \n--- \n| \\- Herrn … zum Ersatz durch die Handlungen nach Ziffer 1., Ziffer 2. und\nZiffer 3. entstandenen bzw. hierdurch noch entstehenden Schadens verpflichtet\nzu sein, wobei die Schuldner gesamtschuldnerisch haften; \n--- \n| 85 \n--- \n| \\- Herrn … zur Auskunft uber die Handlungen nach Ziffer 1., Ziffer 2. und\nZiffer 3. verpflichtet zu sein, soweit Herr … die Auskunft zur Geltendmachung\neines Schadensersatzanspruchs gemaß Ziffer 6, Spiegelstrich 1, benotigt. \n--- \n| 86 \n--- \n| nicht besteht. \n--- \n| 87 \n--- \n| Die Kammer hat am 22.09.2006 mundlich verhandelt. Mit Schriftsatz vom\n24.10.2006 haben die Klager erklart, den Antrag Ziffer I. 4. zuruckzunehmen.\nMit Schriftsatz vom 03.11.2006 hat der Beklagte erklart, der Klagerucknahme\nnicht zuzustimmen. \n--- \n| 88 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 89 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 90 \n--- \n| Der Beklagte tragt vor, \n--- \n| 91 \n--- \n| das angerufene Landgericht Mannheim sei ortlich unzustandig, da der\nBeklagte seinen Sitz in der Nahe von … habe, der Beklagte in … eine\neinstweilige Verfugung erwirkt habe und ein Vortrag der Klager uber Adressaten\ndes Rundschreibens im Bezirk des Landgerichts Mannheim fehle. Auch wenn fur\ndie Veroffentlichungen im Internet ein deliktischer Gerichtsstand in Mannheim\nbestehe, so bestehe keine ortliche Zustandigkeit hinsichtlich der in den\nRundschreiben getatigten Äußerungen; denn die Klager hatten nicht dargelegt\nund unter Beweis gestellt, dass die Rundschreiben auch in den Bezirk des\nLandgerichts Mannheim versendet worden seien. Der Beklagte mache gegen die\nKlager Unterlassungsanspruche wegen der Verletzung seines\nPersonlichkeitsrechts durch die Veroffentlichungen der Klager im Internet und\ndurch ihr Werberundschreiben geltend. Das Rundschreiben habe sich ausweislich\ndes Briefendes nicht an Mandanten gerichtet, sondern habe zur Werbung\nkunftiger Mandanten gedient. Die Vorwurfe der Staatsanwaltschaft … seien\nunbegrundet, da das von dem Beklagten verfolgte komplexe steuerliche Konzept\nmit steuerlichen Verlustzuweisungen von verschiedenen Steuer- und\nWirtschaftsprufungsgesellschaften mehrfach gepruft worden sei und\nvergleichbare steuerliche Konzepte seit vielen Jahren von anderen großen\nAnbietern im Markt praktiziert wurden. Nach der Einsichtnahme in die\nErmittlungsakte der Staatsanwaltschaft … hatten die Klager ihr Insider-Wissen\nzu Unrecht zu Werbezwecken verwendet. Die Information von Seite 1, Absatz 3\nder Internetmitteilung der Klager (Anlage K 2) stamme - was unstreitig ist -\naus der Ermittlungsakte. Es sei der unrichtige Eindruck erweckt worden, dass\nsich der Beklagte zu Unrecht bereichert habe. Tatsachlich sei die Zahlung von\n4 Mio. Euro vom Aufsichtsrat genehmigt worden (Anlage B 9). Auch die\nInformationen von Seite 2, Absatz 3 stammten - was die Klager nicht bestreiten\n- aus der Ermittlungsakte. Diese Informationen seien vorher nicht bekannt\ngewesen. Die Personlichkeitsrechte des Beklagten seien verletzt worden, wobei\nmit den erlangten Informationen rechtswidrig Kundenwerbung betrieben worden\nsei. Die Beklagten seien zur Unterlassung verpflichtet, da sie insbesondere\ngegen als Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB zu betrachtende\ndatenschutzrechtliche Verbote zur Übermittlung von personenbezogenen Daten\nverstoßen hatten. Die Informationen aus dem Ermittlungsverfahren seien\npersonenbezogene Daten, die Klager seien verantwortliche Stellen i.S.d. § 3\nAbs. 7 BDSG, deren Übermittlung ohne die notwendige Einwilligung des Beklagten\nerfolgt sei. Die Klager hatten gegen § 406 e StPO i.V.m. § 477 Abs. 5 S. 1\nStPO verstoßen, da sie die Informationen aus der Akteneinsicht nicht zu dem\nZweck benutzt hatten, zu denen ihnen die Akteneinsicht gewahrt worden war,\nindem sie hiermit Werbung betrieben hatten. Ferner hatten die Klager unwahre\nTatsachen behauptet. Sie hatten zu Unrecht den Eindruck erweckt, dass der\nBeklagte versucht habe, zum Schaden der Gesellschafter Gelder in Millionenhohe\nvon Firmenkonten zu entnehmen. Bei einer Abwagung der geschaftlichen\nWerbeinteressen der Klager mit dem Personlichkeitsrecht des Beklagten wurden\ndie Interessen des Beklagten deutlich uberwiegen. Schließlich wurden die\nKlager gezielt zur Prozessfuhrung gegen den Beklagten aufrufen. Auch hier\nliege wegen Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen eine\nSchutzrechtsverletzung vor, gleichfalls bestehe eine\nPersonlichkeitsrechtsverletzung. Eines Anspruchs auf Zahlung einer\nVertragsstrafe ohne Abgabe eines Vertragsstrafeversprechens habe sich der\nBeklagte nicht beruhmt. Der Beklagte habe sich auch nicht der Anspruche\nberuhmt, die die Klagerin mit ihren Antragen Ziff. 5 und 6 der Klageschrift\ngeltend mache. \n--- \n| 92 \n--- \n| Zur Erganzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf alle Schriftsatze der\nParteien nebst Anlagen sowie alle sonstigen Aktenteile. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 93 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nur zum Teil begrundet. \n--- \n**A.** \n--- \n| 94 \n--- \n| Die Klage ist zulassig. \n--- \nI. \n--- \n| 95 \n--- \n| Das Landgericht Mannheim gem. § 32 ZPO ortlich zustandig. \n--- \n| 96 \n--- \n| § 32 ZPO ist auch im Falle der negativen Feststellungsklage seitens eines\nAbgemahnten anwendbar. Geht der Abgemahnte seinerseits mittels einer negativen\nFeststellungsklage zum Angriff uber, so kann diese Klage im\nTatortgerichtsstand geltend gemacht werden, wenn der Glaubiger seinerseits im\nTatortgerichtsstand klagen kann (Bahr, in: Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 5.\nAuflage 2005, Kap. 17, Rdnr. 23 m.w.N.). Dies ist hier der Fall, das Gericht\nist gem. § 32 ZPO zustandig. Fur die Äußerungen auf der Homepage der Klager\n(Anlage K 2) ist maßgebend, dass diesbezuglich die Verbreitung uber das\nInternet erfolgte und damit auch eine bestimmungsgemaße Abrufbarkeit des\nMediums im Bezirk des Landgerichts Mannheim bestand (Vollkommer, in: Zoller,\nZPO-Kommentar, 25. Auflage 2005, § 32, Rdnr. 17 m.w.N.). Soweit es um\nÄußerungen im Rundschreiben der Klager (Anlage K 1) geht, ist entscheidend,\ndass der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung bereits dann\neroffnet ist, wenn die Begehung einer unerlaubten Handlung ernsthaft droht\n(Vollkommer, a.a.O., Rdnr. 16). Dies ist vorliegend der Fall. Denn zur\nÜberzeugung der Kammer war das Schreiben nach Anlage K 1 bundesweit fur alle\nInteressenten bestimmt, die z.B. uber die Presseberichterstattung oder\nMeldungen im Internet auf die Klager aufmerksam geworden sind. Die Passage des\nSchreibens „Vorab mochten wir Sie - sofern dies nicht schon geschehen ist -\nbei Mandatserteilung bitten, uns etwaige Prospektunterlagen und sonstiges\nWerbematerial, insbesondere Rundschreiben des Vertriebs, beizulegen." zeigt,\ndass hier auch Interessenten angesprochen werden, die noch nicht mandatiert\nhaben. Da die Klager bundesweit agieren, ist nach allgemeiner Lebenserfahrung\ndavon auszugehen, dass dieses Schreiben auch an Interessierte in Mannheim zum\nVersand bereit lag. Dies belegt auch der allgemeine Charakter des Schreibens\nals Rundschreiben ausweislich der Textstelle „Vorliegend handelt es sich um\nein Rundschreiben. Deshalb konnten wir individuelle Besonderheiten nicht\nberucksichtigen." Zumindest drohte damit eine Versendung in den hiesigen\nGerichtsbezirk. Dem Beweisangebot der Klager, tatsachlich das Rundschreiben in\nden Bezirk des Landgerichts Mannheim versendet zu haben, brauchte daher nicht\nnachgegangen zu werden. \n--- \nII. \n--- \n| 97 \n--- \n| Gleichermaßen besteht das besondere Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs.\n1 ZPO. Eine Abmahnung ist zugleich eine Rechtsberuhmung des Abmahnenden, die\nmit sofortiger Wirkung das erforderliche Rechtsschutzinteresse fur eine\nnegative Feststellungsklage begrundet (Spatgens, in; Ahrens, a.a.O., Kap. 5,\nRdnr. 3 m.w.N.). Das Feststellungsinteresse ist auch nicht durch die Klage des\nBeklagten vom 26.07.2006 (Anlage B 15) weggefallen. Abgesehen davon, dass bei\ndieser Klage nur teilweise ein identischer Streitgegenstand vorliegt, besteht\ndas Feststellungsinteresse der negativen Feststellungsklage zumindest so lange\nfort, bis uber die Leistungsklage streitig verhandelt worden ist und diese\ngem. § 269 Abs. 1 ZPO nicht mehr einseitig zuruckgenommen werden kann (Greger,\nin: Zoller, a.a.O., § 256, Rdnr. 7 d m.w.N.). Dies ist vorliegend zum\nZeitpunkt des Endes der Schriftsatzfrist nach § 128 Abs. 2 ZPO nicht der Fall. \n--- \nIII. \n--- \n| 98 \n--- \n| Die durch Schriftsatz der Klager vom 24.10.2006 erklarte Teilklagerucknahme\nist wirkungslos. Sie erfolgte erst nach der mundlichen Verhandlung und\nbedurfte somit gem. § 269 Abs. 1 ZPO der Einwilligung der Beklagten, der diese\njedoch ausdrucklich verweigert hat. Fur ein bloßes Redaktionsversehen und\ndamit eine von Anfang an bestehende Unerheblichkeit des Klageantrags Ziff. I.\n4. gibt es keine Anhaltspunkte. \n--- \n**B.** \n--- \n| 99 \n--- \n| Die Klage ist nur zum Teil begrundet. \n--- \n| 100 \n--- \n| Gegenstand der vorliegend zu entscheidenden negativen Feststellungsklage\nist, ob dem Beklagten die Anspruche in der Sache zustehen, die er in seiner\nAbmahnung gegenuber den Klagern geltend gemacht hat. Dabei gelten dieselben\nGrundsatze der Darlegungs- und Beweislast, wie wenn der Beklagte positiv seine\nAnspruche geltend gemacht hatte. \n--- \n| 101 \n--- \n| I. Zum Klagantrag I. 1. \n--- \n| 102 \n--- \n| 1\\. Dem Beklagten steht kein Unterlassungsanspruch gem. §§ 1004 Abs. 1, 823\nAbs. 2 BGB, 406 e Abs. 6, 477 Abs. 5 StPO zu, wonach er von den Klagern\nverlangen kann, es zu unterlassen, personenbezogene Informationen uber Herrn\n…, die einer der oder die Klager durch die Gewahrung von Akteneinsicht in\nstaatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten erlangt haben oder zukunftig\nerlangen, zu anderen Zwecken als fur den Zweck zu verwenden, fur den die\nAkteneinsicht gewahrt wurde. \n--- \n| 103 \n--- \n| Ein solcher Anspruch scheidet schon mangels hinreichender Bestimmtheit des\nBegehrens i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO aus. Ein Unterlassungsbegehren muss so\nkonkret gefasst sein, damit fur Rechtsverteidigung und Vollstreckung klar ist,\nworauf sich das Verbot erstreckt (Greger, in: Zoller, a.a.O., § 253, Rdnr. 13\nb). Die zu unterlassende Verletzungshandlung muss so genau wie moglich\nbeschrieben werden, z.B. durch wortliche Aufnahme einer beanstandeten Aussage\n(ebenda). Im vorliegenden Fall hat das unter Punkt 1. a) der Abmahnung\nverlangte Unterlassungsbegehren keinen vollstreckungsfahigen Inhalt, da aus\ndem Antrag nicht hervorgeht, was personenbezogene Informationen sein sollen,\nwelche Informationen aus der Akteneinsicht erlangt sind und was eine\nzweckwidrige Verwendung sein soll. Demnach wurde der gesamte Rechtsstreit in\ndas Vollstreckungsverfahren verlagert, was das Bestimmtheitsgebot des § 253\nAbs. 2 Nr. 2 ZPO gerade verhindern will. Zwar sind Verallgemeinerungen, die\nden Kern der Verletzung charakterisieren zulassig; dies gilt jedoch dann\nnicht, wenn - wie hier - ein vollstreckungsfahiger Inhalt nicht mehr gegeben\nist. An dieser Beurteilung andert auch nichts, dass das Begehrung nach Ziff. 1\na) mit einem „Insbesondere-Zusatz" endet. Ziff. 1 a) ist als selbstandiger\nAnspruch formuliert und steht selbstandig neben dem Anspruch in Ziff. 1 b).\nDeshalb gilt hier, dass der „Insbesondere-Zusatz" weder eine Einschrankung\nnoch eine Erweiterung des im Obersatz formulierten Klagebegehrens enthalt\n(Jestaedt, in Ahrens, a.a.O., Kap. 22, Rdnr. 28; BGH, GRUR 1991, 772 -\nAnzeigenrubrik I). \n--- \n| 104 \n--- \n| Da folglich diesbezuglich ein Unterlassungsanspruch des Beklagten nicht\nbesteht, ist das Feststellungsbegehren der Klager insoweit begrundet. \n--- \n| 105 \n--- \n| 2\\. Der Beklagte kann von den Klagern aber gem. §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2\nBGB, 406 e Abs. 6, , 477 Abs. 5 StPO Unterlassung hinsichtlich des unter I. 1.\nb), 1. Äußerung („Nach einer Aussage des Geschaftsfuhrers … wurden\nbeispielsweise die Überweisungen erst ausgefuhrt, wenn eine durchgehende Kette\nvon Überweisungsauftragen von dem Fonds uber die Produktionsfirma und uber die\nVertriebsfirma bis zur schuldubernehmenden Bank vorlag.") verlangen. \n--- \n| 106 \n--- \n| a) Dieses Begehren war hinreichend bestimmt, da unter 1 b) der Abmahnung\neine konkrete Äußerung zum Gegenstand gemacht worden ist und im Verhaltnis zum\npauschalen Obersatz somit eine konkretisierende Verdeutlichung vorliegt\n(Greger, in: Zoller, ZPO-Kommentar, § 253, Rdnr. 13 b), die nach der\nnotwendigen Auslegung zu einem hinreichend bestimmt geltend gemachten\nUnterlassungsanspruch fuhrt. \n--- \n| 107 \n--- \n| b) §§ 406 e Abs. 6, 477 Abs. 5 StPO sind ein Schutzgesetz i.S.d. §§ 1004\nAbs. 1, 823 Abs. 2 BGB. Ein Schutzgesetz liegt dann vor, wenn eine Rechtsnorm\nzumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise\ngegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schutzen, wobei es auf den\nInhalt, Zweck und Intention des Gesetzgebers ankommt (Sprau, in: Palandt, BGB-\nKommentar, 65. Auflage 2006, § 823, Rdnr. 57 m.w.N.). § 406 e Abs. 6 StPO mit\nseinem Verweis auf § 477 Abs. 5 StPO ist durch das\nStrafverfahrensanderungsgesetz 1999 eingefugt worden. Durch diese Regelung\nsoll sicher gestellt werden, dass der Verletzte die durch Akteneinsicht,\nAuskunfte oder Abschriften erlangten Informationen nur zu dem Zweck verwendet,\nfur den die Einsicht oder die Auskunft gewahrt wurde (Kurth, in: Lemke/Julius,\nHeidelberger Kommentar zur StPO, 2001, § 406 e, Rdnr. 18). Die\nGesetzesbegrundung ist eindeutig: „Mit diesen Regelungen soll eine unzulassige\nzweckentfremde Verwendung erlangter Informationen verhindert werden." (BT Drs.\n14/1484, S. 25 und 29). Hiermit macht der Gesetzgeber unmissverstandlich klar,\ndass die Regelung den Beschuldigten davor schutzen soll, dass uber ihn\nerhobene Informationen zweckentfremdet werden. Damit liegt ein Schutzgesetz zu\nGunsten des jeweiligen Beschuldigten vor. \n--- \n| 108 \n--- \n| c) Gegen §§ 406 e Abs. 6, 477 Abs. 5 StPO haben die Klager verstoßen. Sie\nhaben die aus der Akteneinsicht erlangten Informationen nicht zu dem Zweck\nverwendet, fur den Akteinsicht gewahrt worden war. \n--- \n| 109 \n--- \n| Zunachst ist klarzustellen, dass das Akteneinsichtsrecht gem. § 406 e Abs.\n1 StPO „dem Verletzten" zusteht und auch diesem gewahrt wird, d.h. der Person,\ndie als Trager des durch die Strafvorschrift geschutzten Rechtsguts anzusehen\nist (Kurth, a.a.O., § 406 d, Rdnr. 2). Schon hieraus wird klar, dass die\nAkteneinsicht nicht einer unbestimmten Vielzahl von Personen eingeraumt wird.\nSchon gar nicht wird die Akteneinsicht dem Rechtsanwalt zu dessen beliebiger\nVerwendung gewahrt, sondern nur in seiner Eigenschaft als Vertreter des\nVerletzten. Aus diesem Grund hat auch das Landgericht … in seinem Beschluss\nvom 20.03.2006 Akteneinsicht nur gegen Vorlage einer Vollmacht gewahrt (Anlage\nK 12). \n--- \n| 110 \n--- \n| Zweck der Akteneinsicht war die Wahrung der vermogensrechtlichen Belange\ndes Mandanten, d.h. wiederum der Verletzten. Die Zweckbindung i.S.d. § 406 e\nAbs. 6, 477 Abs. 5 StPO ist folglich dahingehend zu verstehen, dem Verletzten\ndie Durchsetzung etwaiger zivilrechtlicher Anspruche zu erleichtern. Mithin\nist klar, dass nicht einer unbestimmten Anzahl von Personen außerhalb dieser\nZweckbindung Informationen verschafft werden sollten. \n--- \n| 111 \n--- \n| Die Klager haben dieser gesetzlichen Zweckbindung der Verwendung von aus\nder Akteneinsicht erlangten Informationen zu wider gehandelt. Dass die von\nihnen getatigte Aussage auf Informationen aus der Akteneinsicht basiert,\nbestreiten die Klager nicht. Somit unterlagen die Informationen der\nZweckbindung, dass sie nur zur Verfolgung zivilrechtlicher Anspruche von den\nMandanten verwendet werden durfen, fur die Akteneinsicht genommen wurde. Statt\nsich hieran zu halten, haben die Klager die Informationen auch an Personen\naußerhalb dieses Personenkreises weitergeleitet, namlich uber ihre Homepage an\neine unbestimmte Anzahl ihnen nicht naher bekannter Personen. Damit wurden die\nInformationen aus der Akteneinsicht zum weltweit abrufbaren Allgemeingut\ngemacht und jede Art der Zweckbindung aufgegeben. Auch die Rundschreiben sind\nso gestaltet, dass sie fur Personen außerhalb des Kreises derjenigen bestimmt\nwaren, fur die Akteneinsicht gewahrt wurde. Wie oben dargelegt zeigt die\nPassage des Schreibens „Vorab mochten wir Sie - sofern dies nicht schon\ngeschehen ist - bei Mandatserteilung bitten, uns etwaige Prospektunterlagen\nund sonstiges Werbematerial, insbesondere Rundschreiben des Vertriebs,\nbeizulegen.", dass hier auch Interessenten angesprochen werden, die noch nicht\nMandanten sind. Dass letztendlich alle Interessenten angesprochen waren,\nbelegt die Textstelle „Vorliegend handelt es sich um ein Rundschreiben.\nDeshalb konnten wir individuelle Besonderheiten nicht berucksichtigen". Auch\nhier wurde jede Zweckbindung der Information aufgegeben. \n--- \n| 112 \n--- \n| d) Dass die dieses Unterlassungsbegehren betreffenden Informationen der\nAllgemeinheit schon bekannt waren, ist aus dem Vortrag der Klager nicht\nersichtlich. Unabhangig davon, dass der bloße Verweis auf eine Artikelserie\nals Anlagenkonvolut keinen substantiierten Sachvortrag darstellt, war die\nstreitgegenstandliche Information einer der Veroffentlichung der Klager\nzeitlich vorgelagerten Berichterstattung aus den vorgelegten Anlagen nicht zu\nentnehmen. \n--- \n| 113 \n--- \n| e) Eine Rechtfertigung ist auch unter Berucksichtigung der Stellung der\nKlager als Rechtsanwalte nicht ersichtlich. Soweit die Klager hervorheben,\ndass die Informationsweitergabe an ihre Mandaten nicht gefahrdet werden durfe,\ngeht dies schon im Ansatz fehl. Denn die Mandaten der Klager konnen als\nVerletzte Akteneinsicht verlangen und bei Gewahrung diese Informationen im\nRahmen der Zweckbindung nutzen. Außen vor bleiben potentielle Mandanten, d.h.\nder unbestimmte Personenkreis derjenigen, der noch nicht mandatiert ist und zu\ndiesem Zweck von den Klagern angesprochen wird. In dieser Beziehung uberwiegen\ndie Interessen des Beklagten an seinem allgemeinen Personlichkeitsrecht.\nHierbei ist entscheidend, dass die Informationen aus dem Ermittlungsverfahren\nstammen und daher ihre Gewinnung regelmaßig in Zusammenhang mit erheblichen\nstaatlichen Grundrechtseingriffen steht. In dieser Situation bedarf die\nAbwagung von berechtigten Interessen des Verletzten und des Beschuldigten des\nbesonderen Verfahrens der §§ 406 e, 477 StPO. In dieser Hinsicht gehen die\nPersonlichkeitsrechte des Beklagten dem Interesse der Klager vor, einem\nunbestimmten Personenkreis diese Informationen zum Zwecke der Mandatsgewinnung\nzuganglich zu machen. Überdies haben die Klager in keiner Weise behauptet oder\ndargelegt, dass nur ebenfalls anlagegeschadigte Personen informiert worden\nseien. Im Gegenteil war uber die Homepage der Klager einem weltweiten Publikum\ndie Information zuganglich. Eine dermaßen ausufernde Zuganglichmachung von\nInformationen ist nicht zu rechtfertigen. \n--- \n| 114 \n--- \n| Da insofern das Unterlassungsbegehren des Beklagten begrundet ist, steht\nden Klagern diesbezuglich kein Feststellungsanspruch zu. \n--- \n| 115 \n--- \n| 3\\. Der Beklagte kann von den Klagern weiter gem. §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs.\n2 BGB, 406 e Abs. 6, 477 Abs. 5 StPO Unterlassung hinsichtlich des unter I. 1.\nb), 2. Äußerung („Weiter konnten wir feststellen, dass der inzwischen\ninhaftierte … einen Tag nach den Durchsuchungen seiner Firmen den Versuch\nunternommen hatte, Millionenbetrage von den Firmenkonten auf seine\nPrivatkonten zu uberweisen. Ähnliche Handlungen wurden auch von seiner Ehefrau\nunternommen, die einen Millionenbetrag in bar von einem Konto abheben wollte.\nDamit hat sich Herr … selbst die Fluchtgefahr nachgewiesen.") geltend\ngemachten Unterlassungsbegehrens verlangen. \n--- \n| 116 \n--- \n| Hinsichtlich dieses Anspruchs gilt das zu unter I. 2. Ausgefuhrte. Es liegt\nauch nicht die Besonderheit vor, dass ein Verstoß gegen §§ 406 e Abs. 6, 477\nAbs. 5 StPO deshalb ausscheidet, weil das von den Klagern Berichtete bereits\nbekannt war. Dabei braucht nicht vertieft zu werden, ob aus § 28 Abs. 1 Nr. 3\nBDSG der allgemeine Grundsatz folgt, dass ein datenschutzrechtliches Interesse\ndann nicht besteht, wenn die Daten allgemein zuganglich sind. Zwar berufen\nsich die Klager auf eine Veroffentlichung aus …-Online vom … (Anlage K 10).\nJedoch ist auch diesbezuglich nicht bestritten, dass die Klager diese\nInformation aus den Ermittlungsakten erhalten haben und nicht nur …-Online\nzitiert haben. Der Artikel legt zudem nahe, dass die streitgegenstandliche\nInformation von den Klagern selbst stammt, da sie im gleichen Absatz und\nunmittelbar vor einem Zitat des Klagers zu 3) genannt ist. Entscheidend ist\njedoch, dass jeder substantiierte Vortrag der Klager dahingehend fehlt, dass\nder Artikel in …-Online zeitlich vor ihrer eigenen Veroffentlichung nach der\nAnlagen K 2 im Internet gelegen hat. \n--- \n| 117 \n--- \n| Da insofern ein Unterlassungsanspruch des Beklagten besteht, ist\ndiesbezuglich das Feststellungsbegehren der Klager unbegrundet. \n--- \n| 118 \n--- \n| 4\\. Der Beklagte kann von den Klagern gem. §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB,\n406 e Abs. 6, 477 Abs. 5 StPO auch Unterlassung hinsichtlich des unter I. 1.\nb), 3. Äußerung („Herr … hat am 28.09.2005 ein Konto bei der ... eroffnet und\nnoch am gleichen Tag von einem bei der … gefuhrten Konto (Kontoinhaber …)\neinen Betrag von EUR4.000.000,00 per Blitzgiro uberweisen wollen. Zudem hat\nHerr … versucht, an jenem Tag - einen Tag nach der Durchsuchung - einen\nweiteren Betrag. von 2,25 Mio. EUR an seine Ehefrau zu uberweisen, die diesen\nBetrag bar abheben wollte.") geltend gemachten Unterlassungsbegehrens\nverlangen. \n--- \n| 119 \n--- \n| Hierzu gilt das unter I. 2. und 3. Ausgefuhrte. \n--- \n| 120 \n--- \n| 5\\. Der Beklagte hat keinen Anspruch gem. §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB,\n406 e Abs. 6, 477 Abs. 5 StPO auf Unterlassung des unter I. 1. b), 4. Äußerung\n(„Diese Vorgange sowie die Tatsache der andauernden Haft des Herrn … legen die\nVermutung nahe, dass auch die ermittelnde Staatsanwaltschaft sowie die bisher\nmit diesem Fall beschaftigten Gerichte davon ausgehen, dass ein dringender\nTatverdacht fur Steuerhinterziehung und gewerbsmaßigen Betrug vorliegt.\nAngesichts der uns vorliegenden Unterlagen teilen wir diese Bewertung.")\ngeltend gemachten Unterlassungsbegehrens. \n--- \n| 121 \n--- \n| Die angegriffene Äußerung gibt keine Informationen weiter, die aus der\nErmittlungsakte stammen. Es handelt sich nicht um die Mitteilung von\nTatsachen, sondern um eine Bewertung der Klager. Damit ist eine\nMeinungsaußerung gegeben, da es allein um das Element des Meinens und\nDafurhaltens geht (zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptung und Meinungsaußerung\nPrinz/Peters, Medienrecht 1999, 4 ff). Mit dem Wort „indizieren" wird\ndeutlich, dass es sich um die Einschatzung des Stands des\nErmittlungsverfahrens durch die Klager handelt. Damit wird keine Information\naus dem Ermittlungsverfahren weitergegeben. Es wird vielmehr das zuvor\nBerichtete wertend eingeordnet. Dies wird nochmals dadurch verstarkt, dass es\nin dem Abschnitt anschließend lautet, dass die Klager diese angenommene\nBewertung der Behorden aus der eigenen Sichtung der Unterlagen bestatigen\nkonnen. Dies verdeutlicht, dass es hier um eine originare Einschatzung der\nKlager selbst geht. Damit stellt die angegriffene Aussage allein eine\nMeinungsaußerung ab und enthalt keine Information aus dem\nErmittlungsverfahren. \n--- \n| 122 \n--- \n| Da mithin kein Unterlassungsanspruch des Beklagten besteht, ist das\nFeststellungsbegehren der Klager begrundet. \n--- \n| 123 \n--- \n| 6\\. Der Beklagte hat keinen Anspruch gem. §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB,\n406 e Abs. 6, 477 Abs. 5 StPO auf Unterlassung des unter I. 1. b), 5. Äußerung\ngeltend gemachten Unterlassungsbegehrens („Nach unseren Informationen hat in\nder letzten Woche erneut eine Haftprufung stattgefunden. Dabei hat sich Herr …\ndarauf berufen, dass die gesamte Konstruktion von namhaften\nWirtschaftsprufungs- und Steuerberatungskanzleien gepruft worden sei und er\nhier fur siebenstellige Honorare gezahlt habe. Als Reaktion hierauf ist aber\nnicht Herr … frei gekommen (...)". \n--- \n| 124 \n--- \n| Ein Unterlassungsanspruch scheidet schon deshalb aus, weil jeder Vortrag\ndes Beklagten dazu fehlt, dass es sich hierbei um Informationen handelt, die\naus der gewahrten Akteneinsicht stammen. In der Klageerwiderung vom 18.08.2006\nist ab Seite 8 dargelegt, inwiefern eine rechtswidrige Verwertung der durch\nAkteneinsicht gewonnenen Daten erfolgt sein soll. Die nunmehr betroffene\nAussage findet sich hierin nicht. Auch bei der rechtlichen Wurdigung auf Seite\n23 des Schriftsatzes wird auf diese Aussage nicht eingegangen. Auch in den\nspateren Schriftsatzen wird diese Aussage nicht thematisiert. Insofern liegt\nkein Sachvortrag vor, der den vom Beklagten geltend gemachten Anspruch stutzen\nwurde oder den die Klager mangels Bestreiten hatten unstreitig stellen konnen. \n--- \n| 125 \n--- \n| Da folglich ein Unterlassungsanspruch des Beklagten nicht besteht, ist das\nFeststellungsbegehren der Klager begrundet. \n--- \n| 126 \n--- \n| II. Zum Klagantrag I. 2. \n--- \n| 127 \n--- \n| 1\\. Der Beklagte kann von den Klagern gem. §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB,\n186 StGB Unterlassung hinsichtlich des unter I. 1. b), 1. Äußerung („Herr …\nhat am 28.09.2005 ein Konto bei der … eroffnet und noch am gleichen Tag von\neinem bei der … gefuhrten Konto (Konto Inhaber …) einen Betrag von EUR\n4.000.000,00 per Blitzgiro uberweisen wollen. Zudem hat Herr … versucht, an\njenem Tag - einen Tag nach der Durchsuchung - einen weiteren Betrag von 2,25\nMio. EUR an seine Ehefrau zu uberweisen, die diesen Betrag bar abheben\nwollte.") geltend gemachten Unterlassungsbegehrens verlangen. \n--- \n| 128 \n--- \n| a) Der Antrag ist auch unter Berucksichtigung der verallgemeinernden\nEinleitung des Unterlassungsbegehrens hinreichend bestimmt, da im Antrag 2.\neine konkrete Äußerung zum Gegenstand des Unterlassungsbegehrens gemacht\nworden ist und somit im Verhaltnis zum abstrakten Obersatz eine\nkonkretisierende Verdeutlichung vorliegt (Greger, in: Zoller, ZPO-Kommentar, §\n253, Rdnr. 13 b). \n--- \n| 129 \n--- \n| b) Es liegt eine Tatsachenbehauptung i.S.d. § 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB\ni.V.m. § 186 StGB vor. \n--- \n| 130 \n--- \n| Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit\noder Gegenwart angehorende Geschehen oder Zustande der Außenwelt oder des\nmenschlichen Seelenlebens (BGH, NJW 1998, 1223). Eine Tatsachenbehauptung kann\nwahr oder unwahr sein. Sie ist dem Beweis zuganglich. Entscheidend ist dabei\ndie Erfassung des Inhalts der Aussage. Hierbei ist maßgebend der Sinn, den die\nAussage nach dem Verstandnis eines unvoreingenommenen und verstandigen\nDurchschnittspublikum hat (BVerfG, NJW 2006, 208). Vorliegend liegt nach dem\nVerstandnis des Durchschnittspublikums eine klare Tatsachenbehauptung vor. \n--- \n| 131 \n--- \n| Fur den verstandigen Durchschnittsleser ist der Inhalt eindeutig. Er misst\ndem Text den Inhalt zu, dass sich der Beklagte zu Unrecht Geld der\nGesellschaft uberweisen wollte. Hierfur spricht das dem ublichen\nGeschaftsgebaren widersprechende Vorgehen einer Eroffnung eines personlichen\nKontos einen Tag vor der Überweisung einer großen Summe, womit suggeriert\nwird, dass ein spezieller Transaktionsweg eroffnet werden sollte. Untermauert\nwird dies durch den zeitlichen Zusammenhang mit der Hausdurchsuchung, der\nweiter suggeriert, dass als Reaktion auf staatliche Ermittlungen Geld beiseite\ngeschafft werden sollte. Weiterhin hierfur spricht die besondere Dringlichkeit\ndes Vorgehens („Blitzgiro"). Zentral ist gleichermaßen die fur unrechtmaßige\nVermogensverschiebungen typische Verlagerung von Vermogen auf die Ehefrau und\ndie jedem normalen Geschaftsgebaren widersprechende und damit besonders\nverdachtige Absicht einer Barabhebung von uber 2 Mio. Euro. Der\nDurchschnittsleser kann dies nur so verstehen, dass der Beklagte und seine\nEhefrau unrechtmaßig Geld zu ihren Gunsten verschieben wollten. \n--- \n| 132 \n--- \n| c) Beweisbelastet fur die Richtigkeit dieser Tatsachenbehauptung ist\nderjenige, der sie aufstellt, was dem Rechtsgedanken des § 186 StGB\nentspricht. Im vorliegenden Fall mussen daher die Klager die Richtigkeit ihrer\nBehauptung darlegen und beweisen, die von dem Beklagten substantiiert unter\nHinweis auf den Aufsichtsratsbeschluss nach Anlage B 9 bestritten worden ist. \n--- \n| 133 \n--- \n| Die Darlegungen der Klager sind zu einer Untermauerung ihrer Behauptung\nnicht geeignet. Die vorgelegte Anlage K 16 sagt zu diesem Sachverhalt\nuberhaupt nichts aus. Die Anlage K 18 gibt fur einen Richtigkeitsbeweis\nebenfalls nichts her. Vielmehr untermauert sie das Beklagtenvorbringen, in dem\nes dort lautet: „Am 05.09.2006 - also zu einem Zeitpunkt, zu dem Herr … nichts\nvon den laufenden Ermittlungen bekannt sein konnte - genehmigte der\nAufsichtsrat der … eine Ausschuttung von 4 Mio. Euro netto an Herrn …. Diese\nAusschuttung war angesichts der Liquiditatslage angemessen..."). Damit ist\nnicht nur von einer mangelnden Darlegung der Richtigkeit der getroffenen\nAussage auszugehen, sondern die Aussage sogar als unrichtig zu bezeichnen.\nDenn bei einer vom Aufsichtsrat genehmigten Zahlung in angemessener Hohe kann\nnicht von einem rechtswidrigen Beiseite-Schaffen von Geldern seitens des\nBeklagten in obigem Sinne die Rede sein. \n--- \n| 134 \n--- \n| d) Selbst wenn man entgegen dieses klaren Befundes zu Gunsten der Klager\nvon einer Nichtbeweisbarkeit der Aussage ausgehen wollte, ware die\nTatsachenbehauptung dennoch unrechtmaßig. Da der Beklagte schwerer Straftaten\nbezichtigt wird, liegt ein schwerwiegender Eingriff in dessen\nPersonlichkeitsrechte vor. Die Grundsatze der Verdachtsberichterstattung und\nder Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB setzt voraus, dass\nderjenige, der eine Behauptung aufstellt, die notige Sorgfalt beachtet. Diese\nSorgfaltspflicht ist verletzt, wenn sich der Äußernde selektiv und ohne dass\nes fur die Öffentlichkeit erkennbar ware, allein auf dem Betroffenen\nnachteilige Ansatzpunkte stutzt und hierbei verschweigt, was gegen die\nRichtigkeit seiner Behauptung spricht (BVerfG, a.a.O.). So ist es hier. Die\nAnlage B 9 war - nach unwidersprochenem Vortrag des Beklagten - bei den\nErmittlungsakten. Die Anlage K 17 stammt nach eigenem Bekunden der Klager aus\nden Ermittlungsakten. Damit muss von einer Kenntnis dieser Unterlagen seitens\nder Klager ausgegangen werden. Der entlastende Umstand einer Genehmigung der\nAusschuttung durch den Aufsichtsrat und die Angemessenheit der Ausschuttung -\ndie fur die Einordnung der Zahlung durch das Publikum wesentlich sind - sind\nin den Äußerungen der Klager selektiv ubergangen worden. Damit kann von einer\nErfullung von Sorgfaltspflichten nicht die Rede sein. \n--- \n| 135 \n--- \n| e) Die Klager konnen sich auch nicht darauf berufen, dass die angegriffenen\nÄußerungen in gerichtlichen Verfahren getatigt wurden. Zwar kann in der Regel\nder Betroffene gegenuber einem der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung\ndienenden ehrenkrankenden Vorbringen einer Partei oder eines Zeugen zu einem\nschwebenden Verfahren weder Widerruf noch Unterlassung fordern (BGH, NJW 1987,\n3138; NJW 1986, 2502). Hier ist aber schon nicht ersichtlich, dass die\nangegriffenen Äußerungen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens gemacht\nwurden, d.h. in einem Schriftsatz oder einer mundlichen Verhandlung. Die\nAussagen wurden vielmehr in einem Rundschreiben und uber das Internet an die\nbreite Öffentlichkeit gerichtet; dass sie _u ber_ ein Verfahren gemacht\nwurden, bedeutet nicht, dass sie _in_ einem Verfahren oder _im Rahmen_ eines\nsolchen gemacht wurden. Im ubrigen sind die Grenzen der Äußerungen in\nrechtlichen Verfahren uberschritten. So hat sich der Äußernde außerhalb des\ngerichtlichen Verfahrens unbewiesener Tatsachenbehauptungen zu enthalten (OLG\nFrankfurt, NJW-RR 1996). Ebenfalls sind Ehrschutzklagen zulassig, wenn der\nÄußernde in einer außergerichtlichen Kampagne an die Öffentlichkeit tritt\n(BGH, NJW 1992, 1314). So ist es hier. Die Klager haben das Forum ihrer\nZivilrechtsprozesse verlassen und sich uber ihre Rundschreiben und ihre\nInternetdarstellung zur Gewinnung neuer Mandanten an die Öffentlichkeit\ngewandt. Wer sich derart exponiert, kann sich nicht auf die enge\nAusnahmekonstellation des Ausschlusses des Ehrschutzes bei gerichtlichen\nVerfahren berufen. \n--- \n| 136 \n--- \n| 2\\. Der Beklagte kann von den Klagern gem. §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB,\n186 StGB Unterlassung hinsichtlich des unter I. 1. b), 2. Äußerung („Weiter\nkonnten wir feststellen, dass der inzwischen inhaftierte … einen Tag nach den\nDurchsuchung seiner Firmen den Versuch unternommen hatte, Millionenbetrage von\nden Firmenkonten auf seine Privatkonten zu uberweisen. Ähnliche Handlungen\nwurden auch von seiner Ehefrau unternommen, die einen Millionenbetrag in bar\nvon einem Konto ab heben wollte. Damit hat sich Herr ... selbst die\nFluchtgefahr nachgewiesen.") geltend gemachten Unterlassungsbegehrens\nverlangen. \n--- \n| 137 \n--- \n| Hierzu gilt das unter II. 1 Gesagte. \n--- \n| 138 \n--- \n| 3\\. Der Beklagte hat keinen Anspruch auf Unterlassung gem. §§ 1004 Abs. 1,\n823 Abs. 2 BGB, 186 StGB Unterlassung hinsichtlich des unter I. 1. b), 3.\nAussage („Diese Vorgange sowie die Tatsache der andauernden Haft des Herrn …\nlegen die Vermutung nahe, dass auch die ermittelnde Staatsanwaltschaft sowie\ndie bisher mit diesem Fall beschaftigten Gerichte davon ausgehen, dass ein\ndringender Tatverdacht fur Steuerhinterziehung und gewerbsmaßigen Betrug\nvorliegt. Angesichts der uns vorliegenden Unterlagen teilen wir diese\nBewertung.") geltend gemachten Unterlassungsanspruchs. \n--- \n| 139 \n--- \n| Nach den Ausfuhrungen zu I. 5. liegt keine Tatsachenbehauptung, sondern\neine Meinungsaußerung vor. Diese ist vom Betroffenen bis zur Grenze der\nSchmahkritik hinzunehmen. Die Grenze der Schmahkritik ist vorliegend nicht\nerreicht. Eine Meinungsaußerung wird nicht schon wegen ihrer herabsetzenden\nWirkung fur Dritte zur Schmahung. Eine herabsetzende Äußerung nimmt erst dann\nden Charakter einer Schmahung an, wenn in ihr nicht mehr die\nAuseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im\nVordergrund steht (BVerfG, NJW 1991, 95). Dies ist vorliegend nicht der Fall,\nda es in der Sache um zwischen den Parteien unterschiedliche Ansichten zur\nIndizienlage im Hinblick auf das Strafverfahren des Beklagten geht, das auch\nfur die Frage zivilrechtlicher Forderungen der Mandanten der Klager von\nbesonderer Bedeutung ist. Damit ist noch nicht die Stufe erreicht, in der es\num bloße Diffamierung einer Person geht. \n--- \n| 140 \n--- \n| Mithin ist das Feststellungsbegehren der Klager begrundet. \n--- \n| 141 \n--- \n| III. Zum Klagantrag I. 3. \n--- \n| 142 \n--- \n| Der Beklagte hat keinen Anspruch auf Unterlassung gem. §§ 1004 Abs. 1, 823\nAbs. 2 BGB, 186 StGB Unterlassung hinsichtlich der unter I. 3. („In der Sache\n… vertreten wir bereits eine Vielzahl von Mandanten."; „(...) empfehlen wir,\ngegen (...) die Fondsverantwortlichen (...) vorzugehen."; „Um etwaige\nVerjahrungsprobleme bei der Prospekthaftung von vornherein auszuschließen,\nempfehlen wir eine Klageeinreichung moglichst bis Ende Marz 2006"; „Wir haben\ndie ersten Klagen erstellt und werden kurzfristig fur eine Vielzahl von\nMandanten Klage einreichen. Wenn Sie ebenfalls hieran interessiert sind,\nmochten wir Sie bitten, moglichst kurzfristig folgende Unterlagen an uns zu\nsenden: (...)". \n--- \n| 143 \n--- \n| Soweit die Klager geltend machen, eine Vielzahl von Mandanten zu vertreten,\nist dies eine wahre - weil vorliegend in der Sache zwischen den Parteien\nunstreitige - Tatsache. Datenschutzrechtliche Belange sind hier nicht\nbetroffen. Die Klager kennen die Anzahl ihrer Mandanten von sich aus. Dass sie\ndiesbezuglich Informationen aus der Ermittlungsakte entnommen worden waren,\nist mithin auszuschließen. \n--- \n| 144 \n--- \n| Im ubrigen liegen Meinungsaußerungen vor. Es ist die Meinung der Klager,\ndass ein zivilrechtliches Vorgehen sinnvoll erscheint. Auch der Rat,\nVerjahrungsproblemen durch rasche Klageerhebung aus dem Weg zu gehen, ist die\npersonliche Einschatzung der Klager. Damit sind diese Aussagen als\nMeinungsaußerung zu betrachten. Insofern muss der Beklagte in Abwagung der\nRechte der Meinungsaußerungsfreiheit der Klager aus Art. 5 GG einerseits und\nseines allgemeinen Personlichkeitsrechts aus Artt. 1, 2 GG bis zur - hier\nnicht greifenden - Grenze der Schmahkritik dulden. Damit ist es dem Beklagten\nnicht moglich, diese ihm unliebigen Äußerungen zu seinem Strafverfahren unter\nHinweis auf sein allgemeines Personlichkeitsrecht zu unterbinden. \n--- \n| 145 \n--- \n| Da ein Unterlassungsanspruch des Beklagten nicht besteht, ist das\nFeststellungsbegehren der Klager insoweit begrundet. \n--- \n| 146 \n--- \n| IV. Zum Klagantrag I. 4. \n--- \n| 147 \n--- \n| Der von den Klagern unter I. 4. verfolgte Feststellungsanspruch ist\nunbegrundet. Der Abmahnung lasst sich nicht entnehmen, dass sich der Beklagte\nentsprechender Anspruche beruhmt hat. \n--- \n| 148 \n--- \n| V. Zum Klagantrag I. 5. \n--- \n| 149 \n--- \n| Dem Beklagten steht der geltend gemachte Anspruch auf Abmahnkosten nur zum\nTeil nach den Grundsatzen der Geschaftsfuhrung ohne Auftrag zu. \n--- \n| 150 \n--- \n| Der Beklagte hat sich eines derartigen Anspruchs beruhmt. In seinem\nAbmahnschreiben vom 15.03.2006 (Anlage K 3) ist explizit aufgefuhrt: „Unserem\nMandanten steht gem. … ein Anspruch gegen Sie auf Ersatz der ihm entstandenen\nRechtsanwaltskosten zu." Gleichzeitig wird der zu ersetzende Betrag mit\n1,948,92 Euro beziffert. Dies reicht fur eine Anspruchsberuhmung aus. \n--- \n| 151 \n--- \n| Der Ersatzanspruch besteht nur in Hohe von 788,68 Euro. Zu Grunde zu legen\nist der Streitwert von 50.000 Euro, den die Parteien im streitigen Verfahren\nubereinstimmend zu Grunde gelegt haben. Eine 1,3 Geschaftsgebuhr zzgl. MwSt.\nbetragt 1577,37 Euro. Auslagen sind seitens des Beklagten nicht substantiiert\ngeltend gemacht worden. Da die Abmahnung nach den obigen Ausfuhrungen nur zur\nHalfte als berechtigt betrachtet werden kann, reduziert sich der zu ersetzende\nBetrag um ½. \n--- \n| 152 \n--- \n| Daruber hinaus ist das Feststellungsbegehren der Klager begrundet. \n--- \n| 153 \n--- \n| VI. Zum Klagantrag I. 6. \n--- \n| 154 \n--- \n| 1\\. Der Beklagte hat sich auch Anspruche auf Auskunft und Schadensersatz\nberuhmt. Dies geht aus dem Ende des Abmahnschreibens vom 15.03.2006 (Anlage K\n3) hervor, wo die Geltendmachung von Auskunfts- und Schadensersatzanspruchen\nauf dem Rechtsweg angekundigt wird. \n--- \n| 155 \n--- \n| Der Beklagte hat einen Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht,\nsoweit nach den obigen Ausfuhrungen ein Unterlassungsanspruch besteht. Denn\ndie Klager handelten auch schuldhaft. Sie handelten zumindest fahrlassig, in\ndem sie trotz der sich aus § 406 e Abs. 6, 477 Abs. 5 StPO ergebenden\nZweckbindung die aus der Ermittlungsakte stammenden Informationen fur andere\nZwecke verwendeten als fur die ihren Mandaten Akteneinsicht gewahrt worden\nwar. Bei den ubrigen Tatsachenbehauptungen liegt zumindest Fahrlassigkeit\ndurch die Nichtbeachtung ihrer Sorgfaltspflicht vor. Das\nFeststellungsinteresse ist gegeben, da eine gewisse Wahrscheinlichkeit fur\neinen Schadenseintritt besteht. An den Schadenseintritt werden keine allzu\nhohen Forderungen gestellt (BGH, NJW 1980, 2807 - Medizin-Syndikat I). Ein\nnaherer Vortrag des Beklagten zu dem von ihm erlittenen Schaden ist nicht\nerforderlich, da das Interesse an einer Schadensfeststellung immer schon dann\nvorliegt, wenn Schadensfolgen moglich sind, ihr Eintritt und ihr Umfang aber\nnoch ungewiss ist (Prinz/Peters, a.a.O., Rdnr. 717; BGH, NJW 1991, 2707). \n--- \n| 156 \n--- \n| 2\\. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch besteht nicht. Der Beklagte\nmacht einen Anspruch auf Erteilung von Auskunften geltend „soweit Herr …die\nAuskunft zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gemaß Ziffer 6,\nSpiegelstrich 1 benotigt". Damit ist Gegenstand und Umfang der Auskunft vollig\nunklar, so dass keine hinreichende Bestimmtheit i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO\nvorliegt. \n--- \n| 157 \n--- \n| Da der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht besteht, ist das\nFeststellungsbegehren der Klager insoweit begrundet. \n--- \n**C.** \n--- \n| 158 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO. Ein\nvollstreckungsfahiger Inhalt der Entscheidung liegt nur im Hinblick auf die\nKostenerstattung der Gerichtsgebuhren vor. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 93 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nur zum Teil begrundet. \n--- \n**A.** \n--- \n| 94 \n--- \n| Die Klage ist zulassig. \n--- \nI. \n--- \n| 95 \n--- \n| Das Landgericht Mannheim gem. § 32 ZPO ortlich zustandig. \n--- \n| 96 \n--- \n| § 32 ZPO ist auch im Falle der negativen Feststellungsklage seitens eines\nAbgemahnten anwendbar. Geht der Abgemahnte seinerseits mittels einer negativen\nFeststellungsklage zum Angriff uber, so kann diese Klage im\nTatortgerichtsstand geltend gemacht werden, wenn der Glaubiger seinerseits im\nTatortgerichtsstand klagen kann (Bahr, in: Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 5.\nAuflage 2005, Kap. 17, Rdnr. 23 m.w.N.). Dies ist hier der Fall, das Gericht\nist gem. § 32 ZPO zustandig. Fur die Äußerungen auf der Homepage der Klager\n(Anlage K 2) ist maßgebend, dass diesbezuglich die Verbreitung uber das\nInternet erfolgte und damit auch eine bestimmungsgemaße Abrufbarkeit des\nMediums im Bezirk des Landgerichts Mannheim bestand (Vollkommer, in: Zoller,\nZPO-Kommentar, 25. Auflage 2005, § 32, Rdnr. 17 m.w.N.). Soweit es um\nÄußerungen im Rundschreiben der Klager (Anlage K 1) geht, ist entscheidend,\ndass der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung bereits dann\neroffnet ist, wenn die Begehung einer unerlaubten Handlung ernsthaft droht\n(Vollkommer, a.a.O., Rdnr. 16). Dies ist vorliegend der Fall. Denn zur\nÜberzeugung der Kammer war das Schreiben nach Anlage K 1 bundesweit fur alle\nInteressenten bestimmt, die z.B. uber die Presseberichterstattung oder\nMeldungen im Internet auf die Klager aufmerksam geworden sind. Die Passage des\nSchreibens „Vorab mochten wir Sie - sofern dies nicht schon geschehen ist -\nbei Mandatserteilung bitten, uns etwaige Prospektunterlagen und sonstiges\nWerbematerial, insbesondere Rundschreiben des Vertriebs, beizulegen." zeigt,\ndass hier auch Interessenten angesprochen werden, die noch nicht mandatiert\nhaben. Da die Klager bundesweit agieren, ist nach allgemeiner Lebenserfahrung\ndavon auszugehen, dass dieses Schreiben auch an Interessierte in Mannheim zum\nVersand bereit lag. Dies belegt auch der allgemeine Charakter des Schreibens\nals Rundschreiben ausweislich der Textstelle „Vorliegend handelt es sich um\nein Rundschreiben. Deshalb konnten wir individuelle Besonderheiten nicht\nberucksichtigen." Zumindest drohte damit eine Versendung in den hiesigen\nGerichtsbezirk. Dem Beweisangebot der Klager, tatsachlich das Rundschreiben in\nden Bezirk des Landgerichts Mannheim versendet zu haben, brauchte daher nicht\nnachgegangen zu werden. \n--- \nII. \n--- \n| 97 \n--- \n| Gleichermaßen besteht das besondere Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs.\n1 ZPO. Eine Abmahnung ist zugleich eine Rechtsberuhmung des Abmahnenden, die\nmit sofortiger Wirkung das erforderliche Rechtsschutzinteresse fur eine\nnegative Feststellungsklage begrundet (Spatgens, in; Ahrens, a.a.O., Kap. 5,\nRdnr. 3 m.w.N.). Das Feststellungsinteresse ist auch nicht durch die Klage des\nBeklagten vom 26.07.2006 (Anlage B 15) weggefallen. Abgesehen davon, dass bei\ndieser Klage nur teilweise ein identischer Streitgegenstand vorliegt, besteht\ndas Feststellungsinteresse der negativen Feststellungsklage zumindest so lange\nfort, bis uber die Leistungsklage streitig verhandelt worden ist und diese\ngem. § 269 Abs. 1 ZPO nicht mehr einseitig zuruckgenommen werden kann (Greger,\nin: Zoller, a.a.O., § 256, Rdnr. 7 d m.w.N.). Dies ist vorliegend zum\nZeitpunkt des Endes der Schriftsatzfrist nach § 128 Abs. 2 ZPO nicht der Fall. \n--- \nIII. \n--- \n| 98 \n--- \n| Die durch Schriftsatz der Klager vom 24.10.2006 erklarte Teilklagerucknahme\nist wirkungslos. Sie erfolgte erst nach der mundlichen Verhandlung und\nbedurfte somit gem. § 269 Abs. 1 ZPO der Einwilligung der Beklagten, der diese\njedoch ausdrucklich verweigert hat. Fur ein bloßes Redaktionsversehen und\ndamit eine von Anfang an bestehende Unerheblichkeit des Klageantrags Ziff. I.\n4. gibt es keine Anhaltspunkte. \n--- \n**B.** \n--- \n| 99 \n--- \n| Die Klage ist nur zum Teil begrundet. \n--- \n| 100 \n--- \n| Gegenstand der vorliegend zu entscheidenden negativen Feststellungsklage\nist, ob dem Beklagten die Anspruche in der Sache zustehen, die er in seiner\nAbmahnung gegenuber den Klagern geltend gemacht hat. Dabei gelten dieselben\nGrundsatze der Darlegungs- und Beweislast, wie wenn der Beklagte positiv seine\nAnspruche geltend gemacht hatte. \n--- \n| 101 \n--- \n| I. Zum Klagantrag I. 1. \n--- \n| 102 \n--- \n| 1\\. Dem Beklagten steht kein Unterlassungsanspruch gem. §§ 1004 Abs. 1, 823\nAbs. 2 BGB, 406 e Abs. 6, 477 Abs. 5 StPO zu, wonach er von den Klagern\nverlangen kann, es zu unterlassen, personenbezogene Informationen uber Herrn\n…, die einer der oder die Klager durch die Gewahrung von Akteneinsicht in\nstaatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten erlangt haben oder zukunftig\nerlangen, zu anderen Zwecken als fur den Zweck zu verwenden, fur den die\nAkteneinsicht gewahrt wurde. \n--- \n| 103 \n--- \n| Ein solcher Anspruch scheidet schon mangels hinreichender Bestimmtheit des\nBegehrens i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO aus. Ein Unterlassungsbegehren muss so\nkonkret gefasst sein, damit fur Rechtsverteidigung und Vollstreckung klar ist,\nworauf sich das Verbot erstreckt (Greger, in: Zoller, a.a.O., § 253, Rdnr. 13\nb). Die zu unterlassende Verletzungshandlung muss so genau wie moglich\nbeschrieben werden, z.B. durch wortliche Aufnahme einer beanstandeten Aussage\n(ebenda). Im vorliegenden Fall hat das unter Punkt 1. a) der Abmahnung\nverlangte Unterlassungsbegehren keinen vollstreckungsfahigen Inhalt, da aus\ndem Antrag nicht hervorgeht, was personenbezogene Informationen sein sollen,\nwelche Informationen aus der Akteneinsicht erlangt sind und was eine\nzweckwidrige Verwendung sein soll. Demnach wurde der gesamte Rechtsstreit in\ndas Vollstreckungsverfahren verlagert, was das Bestimmtheitsgebot des § 253\nAbs. 2 Nr. 2 ZPO gerade verhindern will. Zwar sind Verallgemeinerungen, die\nden Kern der Verletzung charakterisieren zulassig; dies gilt jedoch dann\nnicht, wenn - wie hier - ein vollstreckungsfahiger Inhalt nicht mehr gegeben\nist. An dieser Beurteilung andert auch nichts, dass das Begehrung nach Ziff. 1\na) mit einem „Insbesondere-Zusatz" endet. Ziff. 1 a) ist als selbstandiger\nAnspruch formuliert und steht selbstandig neben dem Anspruch in Ziff. 1 b).\nDeshalb gilt hier, dass der „Insbesondere-Zusatz" weder eine Einschrankung\nnoch eine Erweiterung des im Obersatz formulierten Klagebegehrens enthalt\n(Jestaedt, in Ahrens, a.a.O., Kap. 22, Rdnr. 28; BGH, GRUR 1991, 772 -\nAnzeigenrubrik I). \n--- \n| 104 \n--- \n| Da folglich diesbezuglich ein Unterlassungsanspruch des Beklagten nicht\nbesteht, ist das Feststellungsbegehren der Klager insoweit begrundet. \n--- \n| 105 \n--- \n| 2\\. Der Beklagte kann von den Klagern aber gem. §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2\nBGB, 406 e Abs. 6, , 477 Abs. 5 StPO Unterlassung hinsichtlich des unter I. 1.\nb), 1. Äußerung („Nach einer Aussage des Geschaftsfuhrers … wurden\nbeispielsweise die Überweisungen erst ausgefuhrt, wenn eine durchgehende Kette\nvon Überweisungsauftragen von dem Fonds uber die Produktionsfirma und uber die\nVertriebsfirma bis zur schuldubernehmenden Bank vorlag.") verlangen. \n--- \n| 106 \n--- \n| a) Dieses Begehren war hinreichend bestimmt, da unter 1 b) der Abmahnung\neine konkrete Äußerung zum Gegenstand gemacht worden ist und im Verhaltnis zum\npauschalen Obersatz somit eine konkretisierende Verdeutlichung vorliegt\n(Greger, in: Zoller, ZPO-Kommentar, § 253, Rdnr. 13 b), die nach der\nnotwendigen Auslegung zu einem hinreichend bestimmt geltend gemachten\nUnterlassungsanspruch fuhrt. \n--- \n| 107 \n--- \n| b) §§ 406 e Abs. 6, 477 Abs. 5 StPO sind ein Schutzgesetz i.S.d. §§ 1004\nAbs. 1, 823 Abs. 2 BGB. Ein Schutzgesetz liegt dann vor, wenn eine Rechtsnorm\nzumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise\ngegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schutzen, wobei es auf den\nInhalt, Zweck und Intention des Gesetzgebers ankommt (Sprau, in: Palandt, BGB-\nKommentar, 65. Auflage 2006, § 823, Rdnr. 57 m.w.N.). § 406 e Abs. 6 StPO mit\nseinem Verweis auf § 477 Abs. 5 StPO ist durch das\nStrafverfahrensanderungsgesetz 1999 eingefugt worden. Durch diese Regelung\nsoll sicher gestellt werden, dass der Verletzte die durch Akteneinsicht,\nAuskunfte oder Abschriften erlangten Informationen nur zu dem Zweck verwendet,\nfur den die Einsicht oder die Auskunft gewahrt wurde (Kurth, in: Lemke/Julius,\nHeidelberger Kommentar zur StPO, 2001, § 406 e, Rdnr. 18). Die\nGesetzesbegrundung ist eindeutig: „Mit diesen Regelungen soll eine unzulassige\nzweckentfremde Verwendung erlangter Informationen verhindert werden." (BT Drs.\n14/1484, S. 25 und 29). Hiermit macht der Gesetzgeber unmissverstandlich klar,\ndass die Regelung den Beschuldigten davor schutzen soll, dass uber ihn\nerhobene Informationen zweckentfremdet werden. Damit liegt ein Schutzgesetz zu\nGunsten des jeweiligen Beschuldigten vor. \n--- \n| 108 \n--- \n| c) Gegen §§ 406 e Abs. 6, 477 Abs. 5 StPO haben die Klager verstoßen. Sie\nhaben die aus der Akteneinsicht erlangten Informationen nicht zu dem Zweck\nverwendet, fur den Akteinsicht gewahrt worden war. \n--- \n| 109 \n--- \n| Zunachst ist klarzustellen, dass das Akteneinsichtsrecht gem. § 406 e Abs.\n1 StPO „dem Verletzten" zusteht und auch diesem gewahrt wird, d.h. der Person,\ndie als Trager des durch die Strafvorschrift geschutzten Rechtsguts anzusehen\nist (Kurth, a.a.O., § 406 d, Rdnr. 2). Schon hieraus wird klar, dass die\nAkteneinsicht nicht einer unbestimmten Vielzahl von Personen eingeraumt wird.\nSchon gar nicht wird die Akteneinsicht dem Rechtsanwalt zu dessen beliebiger\nVerwendung gewahrt, sondern nur in seiner Eigenschaft als Vertreter des\nVerletzten. Aus diesem Grund hat auch das Landgericht … in seinem Beschluss\nvom 20.03.2006 Akteneinsicht nur gegen Vorlage einer Vollmacht gewahrt (Anlage\nK 12). \n--- \n| 110 \n--- \n| Zweck der Akteneinsicht war die Wahrung der vermogensrechtlichen Belange\ndes Mandanten, d.h. wiederum der Verletzten. Die Zweckbindung i.S.d. § 406 e\nAbs. 6, 477 Abs. 5 StPO ist folglich dahingehend zu verstehen, dem Verletzten\ndie Durchsetzung etwaiger zivilrechtlicher Anspruche zu erleichtern. Mithin\nist klar, dass nicht einer unbestimmten Anzahl von Personen außerhalb dieser\nZweckbindung Informationen verschafft werden sollten. \n--- \n| 111 \n--- \n| Die Klager haben dieser gesetzlichen Zweckbindung der Verwendung von aus\nder Akteneinsicht erlangten Informationen zu wider gehandelt. Dass die von\nihnen getatigte Aussage auf Informationen aus der Akteneinsicht basiert,\nbestreiten die Klager nicht. Somit unterlagen die Informationen der\nZweckbindung, dass sie nur zur Verfolgung zivilrechtlicher Anspruche von den\nMandanten verwendet werden durfen, fur die Akteneinsicht genommen wurde. Statt\nsich hieran zu halten, haben die Klager die Informationen auch an Personen\naußerhalb dieses Personenkreises weitergeleitet, namlich uber ihre Homepage an\neine unbestimmte Anzahl ihnen nicht naher bekannter Personen. Damit wurden die\nInformationen aus der Akteneinsicht zum weltweit abrufbaren Allgemeingut\ngemacht und jede Art der Zweckbindung aufgegeben. Auch die Rundschreiben sind\nso gestaltet, dass sie fur Personen außerhalb des Kreises derjenigen bestimmt\nwaren, fur die Akteneinsicht gewahrt wurde. Wie oben dargelegt zeigt die\nPassage des Schreibens „Vorab mochten wir Sie - sofern dies nicht schon\ngeschehen ist - bei Mandatserteilung bitten, uns etwaige Prospektunterlagen\nund sonstiges Werbematerial, insbesondere Rundschreiben des Vertriebs,\nbeizulegen.", dass hier auch Interessenten angesprochen werden, die noch nicht\nMandanten sind. Dass letztendlich alle Interessenten angesprochen waren,\nbelegt die Textstelle „Vorliegend handelt es sich um ein Rundschreiben.\nDeshalb konnten wir individuelle Besonderheiten nicht berucksichtigen". Auch\nhier wurde jede Zweckbindung der Information aufgegeben. \n--- \n| 112 \n--- \n| d) Dass die dieses Unterlassungsbegehren betreffenden Informationen der\nAllgemeinheit schon bekannt waren, ist aus dem Vortrag der Klager nicht\nersichtlich. Unabhangig davon, dass der bloße Verweis auf eine Artikelserie\nals Anlagenkonvolut keinen substantiierten Sachvortrag darstellt, war die\nstreitgegenstandliche Information einer der Veroffentlichung der Klager\nzeitlich vorgelagerten Berichterstattung aus den vorgelegten Anlagen nicht zu\nentnehmen. \n--- \n| 113 \n--- \n| e) Eine Rechtfertigung ist auch unter Berucksichtigung der Stellung der\nKlager als Rechtsanwalte nicht ersichtlich. Soweit die Klager hervorheben,\ndass die Informationsweitergabe an ihre Mandaten nicht gefahrdet werden durfe,\ngeht dies schon im Ansatz fehl. Denn die Mandaten der Klager konnen als\nVerletzte Akteneinsicht verlangen und bei Gewahrung diese Informationen im\nRahmen der Zweckbindung nutzen. Außen vor bleiben potentielle Mandanten, d.h.\nder unbestimmte Personenkreis derjenigen, der noch nicht mandatiert ist und zu\ndiesem Zweck von den Klagern angesprochen wird. In dieser Beziehung uberwiegen\ndie Interessen des Beklagten an seinem allgemeinen Personlichkeitsrecht.\nHierbei ist entscheidend, dass die Informationen aus dem Ermittlungsverfahren\nstammen und daher ihre Gewinnung regelmaßig in Zusammenhang mit erheblichen\nstaatlichen Grundrechtseingriffen steht. In dieser Situation bedarf die\nAbwagung von berechtigten Interessen des Verletzten und des Beschuldigten des\nbesonderen Verfahrens der §§ 406 e, 477 StPO. In dieser Hinsicht gehen die\nPersonlichkeitsrechte des Beklagten dem Interesse der Klager vor, einem\nunbestimmten Personenkreis diese Informationen zum Zwecke der Mandatsgewinnung\nzuganglich zu machen. Überdies haben die Klager in keiner Weise behauptet oder\ndargelegt, dass nur ebenfalls anlagegeschadigte Personen informiert worden\nseien. Im Gegenteil war uber die Homepage der Klager einem weltweiten Publikum\ndie Information zuganglich. Eine dermaßen ausufernde Zuganglichmachung von\nInformationen ist nicht zu rechtfertigen. \n--- \n| 114 \n--- \n| Da insofern das Unterlassungsbegehren des Beklagten begrundet ist, steht\nden Klagern diesbezuglich kein Feststellungsanspruch zu. \n--- \n| 115 \n--- \n| 3\\. Der Beklagte kann von den Klagern weiter gem. §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs.\n2 BGB, 406 e Abs. 6, 477 Abs. 5 StPO Unterlassung hinsichtlich des unter I. 1.\nb), 2. Äußerung („Weiter konnten wir feststellen, dass der inzwischen\ninhaftierte … einen Tag nach den Durchsuchungen seiner Firmen den Versuch\nunternommen hatte, Millionenbetrage von den Firmenkonten auf seine\nPrivatkonten zu uberweisen. Ähnliche Handlungen wurden auch von seiner Ehefrau\nunternommen, die einen Millionenbetrag in bar von einem Konto abheben wollte.\nDamit hat sich Herr … selbst die Fluchtgefahr nachgewiesen.") geltend\ngemachten Unterlassungsbegehrens verlangen. \n--- \n| 116 \n--- \n| Hinsichtlich dieses Anspruchs gilt das zu unter I. 2. Ausgefuhrte. Es liegt\nauch nicht die Besonderheit vor, dass ein Verstoß gegen §§ 406 e Abs. 6, 477\nAbs. 5 StPO deshalb ausscheidet, weil das von den Klagern Berichtete bereits\nbekannt war. Dabei braucht nicht vertieft zu werden, ob aus § 28 Abs. 1 Nr. 3\nBDSG der allgemeine Grundsatz folgt, dass ein datenschutzrechtliches Interesse\ndann nicht besteht, wenn die Daten allgemein zuganglich sind. Zwar berufen\nsich die Klager auf eine Veroffentlichung aus …-Online vom … (Anlage K 10).\nJedoch ist auch diesbezuglich nicht bestritten, dass die Klager diese\nInformation aus den Ermittlungsakten erhalten haben und nicht nur …-Online\nzitiert haben. Der Artikel legt zudem nahe, dass die streitgegenstandliche\nInformation von den Klagern selbst stammt, da sie im gleichen Absatz und\nunmittelbar vor einem Zitat des Klagers zu 3) genannt ist. Entscheidend ist\njedoch, dass jeder substantiierte Vortrag der Klager dahingehend fehlt, dass\nder Artikel in …-Online zeitlich vor ihrer eigenen Veroffentlichung nach der\nAnlagen K 2 im Internet gelegen hat. \n--- \n| 117 \n--- \n| Da insofern ein Unterlassungsanspruch des Beklagten besteht, ist\ndiesbezuglich das Feststellungsbegehren der Klager unbegrundet. \n--- \n| 118 \n--- \n| 4\\. Der Beklagte kann von den Klagern gem. §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB,\n406 e Abs. 6, 477 Abs. 5 StPO auch Unterlassung hinsichtlich des unter I. 1.\nb), 3. Äußerung („Herr … hat am 28.09.2005 ein Konto bei der ... eroffnet und\nnoch am gleichen Tag von einem bei der … gefuhrten Konto (Kontoinhaber …)\neinen Betrag von EUR4.000.000,00 per Blitzgiro uberweisen wollen. Zudem hat\nHerr … versucht, an jenem Tag - einen Tag nach der Durchsuchung - einen\nweiteren Betrag. von 2,25 Mio. EUR an seine Ehefrau zu uberweisen, die diesen\nBetrag bar abheben wollte.") geltend gemachten Unterlassungsbegehrens\nverlangen. \n--- \n| 119 \n--- \n| Hierzu gilt das unter I. 2. und 3. Ausgefuhrte. \n--- \n| 120 \n--- \n| 5\\. Der Beklagte hat keinen Anspruch gem. §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB,\n406 e Abs. 6, 477 Abs. 5 StPO auf Unterlassung des unter I. 1. b), 4. Äußerung\n(„Diese Vorgange sowie die Tatsache der andauernden Haft des Herrn … legen die\nVermutung nahe, dass auch die ermittelnde Staatsanwaltschaft sowie die bisher\nmit diesem Fall beschaftigten Gerichte davon ausgehen, dass ein dringender\nTatverdacht fur Steuerhinterziehung und gewerbsmaßigen Betrug vorliegt.\nAngesichts der uns vorliegenden Unterlagen teilen wir diese Bewertung.")\ngeltend gemachten Unterlassungsbegehrens. \n--- \n| 121 \n--- \n| Die angegriffene Äußerung gibt keine Informationen weiter, die aus der\nErmittlungsakte stammen. Es handelt sich nicht um die Mitteilung von\nTatsachen, sondern um eine Bewertung der Klager. Damit ist eine\nMeinungsaußerung gegeben, da es allein um das Element des Meinens und\nDafurhaltens geht (zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptung und Meinungsaußerung\nPrinz/Peters, Medienrecht 1999, 4 ff). Mit dem Wort „indizieren" wird\ndeutlich, dass es sich um die Einschatzung des Stands des\nErmittlungsverfahrens durch die Klager handelt. Damit wird keine Information\naus dem Ermittlungsverfahren weitergegeben. Es wird vielmehr das zuvor\nBerichtete wertend eingeordnet. Dies wird nochmals dadurch verstarkt, dass es\nin dem Abschnitt anschließend lautet, dass die Klager diese angenommene\nBewertung der Behorden aus der eigenen Sichtung der Unterlagen bestatigen\nkonnen. Dies verdeutlicht, dass es hier um eine originare Einschatzung der\nKlager selbst geht. Damit stellt die angegriffene Aussage allein eine\nMeinungsaußerung ab und enthalt keine Information aus dem\nErmittlungsverfahren. \n--- \n| 122 \n--- \n| Da mithin kein Unterlassungsanspruch des Beklagten besteht, ist das\nFeststellungsbegehren der Klager begrundet. \n--- \n| 123 \n--- \n| 6\\. Der Beklagte hat keinen Anspruch gem. §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB,\n406 e Abs. 6, 477 Abs. 5 StPO auf Unterlassung des unter I. 1. b), 5. Äußerung\ngeltend gemachten Unterlassungsbegehrens („Nach unseren Informationen hat in\nder letzten Woche erneut eine Haftprufung stattgefunden. Dabei hat sich Herr …\ndarauf berufen, dass die gesamte Konstruktion von namhaften\nWirtschaftsprufungs- und Steuerberatungskanzleien gepruft worden sei und er\nhier fur siebenstellige Honorare gezahlt habe. Als Reaktion hierauf ist aber\nnicht Herr … frei gekommen (...)". \n--- \n| 124 \n--- \n| Ein Unterlassungsanspruch scheidet schon deshalb aus, weil jeder Vortrag\ndes Beklagten dazu fehlt, dass es sich hierbei um Informationen handelt, die\naus der gewahrten Akteneinsicht stammen. In der Klageerwiderung vom 18.08.2006\nist ab Seite 8 dargelegt, inwiefern eine rechtswidrige Verwertung der durch\nAkteneinsicht gewonnenen Daten erfolgt sein soll. Die nunmehr betroffene\nAussage findet sich hierin nicht. Auch bei der rechtlichen Wurdigung auf Seite\n23 des Schriftsatzes wird auf diese Aussage nicht eingegangen. Auch in den\nspateren Schriftsatzen wird diese Aussage nicht thematisiert. Insofern liegt\nkein Sachvortrag vor, der den vom Beklagten geltend gemachten Anspruch stutzen\nwurde oder den die Klager mangels Bestreiten hatten unstreitig stellen konnen. \n--- \n| 125 \n--- \n| Da folglich ein Unterlassungsanspruch des Beklagten nicht besteht, ist das\nFeststellungsbegehren der Klager begrundet. \n--- \n| 126 \n--- \n| II. Zum Klagantrag I. 2. \n--- \n| 127 \n--- \n| 1\\. Der Beklagte kann von den Klagern gem. §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB,\n186 StGB Unterlassung hinsichtlich des unter I. 1. b), 1. Äußerung („Herr …\nhat am 28.09.2005 ein Konto bei der … eroffnet und noch am gleichen Tag von\neinem bei der … gefuhrten Konto (Konto Inhaber …) einen Betrag von EUR\n4.000.000,00 per Blitzgiro uberweisen wollen. Zudem hat Herr … versucht, an\njenem Tag - einen Tag nach der Durchsuchung - einen weiteren Betrag von 2,25\nMio. EUR an seine Ehefrau zu uberweisen, die diesen Betrag bar abheben\nwollte.") geltend gemachten Unterlassungsbegehrens verlangen. \n--- \n| 128 \n--- \n| a) Der Antrag ist auch unter Berucksichtigung der verallgemeinernden\nEinleitung des Unterlassungsbegehrens hinreichend bestimmt, da im Antrag 2.\neine konkrete Äußerung zum Gegenstand des Unterlassungsbegehrens gemacht\nworden ist und somit im Verhaltnis zum abstrakten Obersatz eine\nkonkretisierende Verdeutlichung vorliegt (Greger, in: Zoller, ZPO-Kommentar, §\n253, Rdnr. 13 b). \n--- \n| 129 \n--- \n| b) Es liegt eine Tatsachenbehauptung i.S.d. § 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB\ni.V.m. § 186 StGB vor. \n--- \n| 130 \n--- \n| Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit\noder Gegenwart angehorende Geschehen oder Zustande der Außenwelt oder des\nmenschlichen Seelenlebens (BGH, NJW 1998, 1223). Eine Tatsachenbehauptung kann\nwahr oder unwahr sein. Sie ist dem Beweis zuganglich. Entscheidend ist dabei\ndie Erfassung des Inhalts der Aussage. Hierbei ist maßgebend der Sinn, den die\nAussage nach dem Verstandnis eines unvoreingenommenen und verstandigen\nDurchschnittspublikum hat (BVerfG, NJW 2006, 208). Vorliegend liegt nach dem\nVerstandnis des Durchschnittspublikums eine klare Tatsachenbehauptung vor. \n--- \n| 131 \n--- \n| Fur den verstandigen Durchschnittsleser ist der Inhalt eindeutig. Er misst\ndem Text den Inhalt zu, dass sich der Beklagte zu Unrecht Geld der\nGesellschaft uberweisen wollte. Hierfur spricht das dem ublichen\nGeschaftsgebaren widersprechende Vorgehen einer Eroffnung eines personlichen\nKontos einen Tag vor der Überweisung einer großen Summe, womit suggeriert\nwird, dass ein spezieller Transaktionsweg eroffnet werden sollte. Untermauert\nwird dies durch den zeitlichen Zusammenhang mit der Hausdurchsuchung, der\nweiter suggeriert, dass als Reaktion auf staatliche Ermittlungen Geld beiseite\ngeschafft werden sollte. Weiterhin hierfur spricht die besondere Dringlichkeit\ndes Vorgehens („Blitzgiro"). Zentral ist gleichermaßen die fur unrechtmaßige\nVermogensverschiebungen typische Verlagerung von Vermogen auf die Ehefrau und\ndie jedem normalen Geschaftsgebaren widersprechende und damit besonders\nverdachtige Absicht einer Barabhebung von uber 2 Mio. Euro. Der\nDurchschnittsleser kann dies nur so verstehen, dass der Beklagte und seine\nEhefrau unrechtmaßig Geld zu ihren Gunsten verschieben wollten. \n--- \n| 132 \n--- \n| c) Beweisbelastet fur die Richtigkeit dieser Tatsachenbehauptung ist\nderjenige, der sie aufstellt, was dem Rechtsgedanken des § 186 StGB\nentspricht. Im vorliegenden Fall mussen daher die Klager die Richtigkeit ihrer\nBehauptung darlegen und beweisen, die von dem Beklagten substantiiert unter\nHinweis auf den Aufsichtsratsbeschluss nach Anlage B 9 bestritten worden ist. \n--- \n| 133 \n--- \n| Die Darlegungen der Klager sind zu einer Untermauerung ihrer Behauptung\nnicht geeignet. Die vorgelegte Anlage K 16 sagt zu diesem Sachverhalt\nuberhaupt nichts aus. Die Anlage K 18 gibt fur einen Richtigkeitsbeweis\nebenfalls nichts her. Vielmehr untermauert sie das Beklagtenvorbringen, in dem\nes dort lautet: „Am 05.09.2006 - also zu einem Zeitpunkt, zu dem Herr … nichts\nvon den laufenden Ermittlungen bekannt sein konnte - genehmigte der\nAufsichtsrat der … eine Ausschuttung von 4 Mio. Euro netto an Herrn …. Diese\nAusschuttung war angesichts der Liquiditatslage angemessen..."). Damit ist\nnicht nur von einer mangelnden Darlegung der Richtigkeit der getroffenen\nAussage auszugehen, sondern die Aussage sogar als unrichtig zu bezeichnen.\nDenn bei einer vom Aufsichtsrat genehmigten Zahlung in angemessener Hohe kann\nnicht von einem rechtswidrigen Beiseite-Schaffen von Geldern seitens des\nBeklagten in obigem Sinne die Rede sein. \n--- \n| 134 \n--- \n| d) Selbst wenn man entgegen dieses klaren Befundes zu Gunsten der Klager\nvon einer Nichtbeweisbarkeit der Aussage ausgehen wollte, ware die\nTatsachenbehauptung dennoch unrechtmaßig. Da der Beklagte schwerer Straftaten\nbezichtigt wird, liegt ein schwerwiegender Eingriff in dessen\nPersonlichkeitsrechte vor. Die Grundsatze der Verdachtsberichterstattung und\nder Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB setzt voraus, dass\nderjenige, der eine Behauptung aufstellt, die notige Sorgfalt beachtet. Diese\nSorgfaltspflicht ist verletzt, wenn sich der Äußernde selektiv und ohne dass\nes fur die Öffentlichkeit erkennbar ware, allein auf dem Betroffenen\nnachteilige Ansatzpunkte stutzt und hierbei verschweigt, was gegen die\nRichtigkeit seiner Behauptung spricht (BVerfG, a.a.O.). So ist es hier. Die\nAnlage B 9 war - nach unwidersprochenem Vortrag des Beklagten - bei den\nErmittlungsakten. Die Anlage K 17 stammt nach eigenem Bekunden der Klager aus\nden Ermittlungsakten. Damit muss von einer Kenntnis dieser Unterlagen seitens\nder Klager ausgegangen werden. Der entlastende Umstand einer Genehmigung der\nAusschuttung durch den Aufsichtsrat und die Angemessenheit der Ausschuttung -\ndie fur die Einordnung der Zahlung durch das Publikum wesentlich sind - sind\nin den Äußerungen der Klager selektiv ubergangen worden. Damit kann von einer\nErfullung von Sorgfaltspflichten nicht die Rede sein. \n--- \n| 135 \n--- \n| e) Die Klager konnen sich auch nicht darauf berufen, dass die angegriffenen\nÄußerungen in gerichtlichen Verfahren getatigt wurden. Zwar kann in der Regel\nder Betroffene gegenuber einem der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung\ndienenden ehrenkrankenden Vorbringen einer Partei oder eines Zeugen zu einem\nschwebenden Verfahren weder Widerruf noch Unterlassung fordern (BGH, NJW 1987,\n3138; NJW 1986, 2502). Hier ist aber schon nicht ersichtlich, dass die\nangegriffenen Äußerungen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens gemacht\nwurden, d.h. in einem Schriftsatz oder einer mundlichen Verhandlung. Die\nAussagen wurden vielmehr in einem Rundschreiben und uber das Internet an die\nbreite Öffentlichkeit gerichtet; dass sie _u ber_ ein Verfahren gemacht\nwurden, bedeutet nicht, dass sie _in_ einem Verfahren oder _im Rahmen_ eines\nsolchen gemacht wurden. Im ubrigen sind die Grenzen der Äußerungen in\nrechtlichen Verfahren uberschritten. So hat sich der Äußernde außerhalb des\ngerichtlichen Verfahrens unbewiesener Tatsachenbehauptungen zu enthalten (OLG\nFrankfurt, NJW-RR 1996). Ebenfalls sind Ehrschutzklagen zulassig, wenn der\nÄußernde in einer außergerichtlichen Kampagne an die Öffentlichkeit tritt\n(BGH, NJW 1992, 1314). So ist es hier. Die Klager haben das Forum ihrer\nZivilrechtsprozesse verlassen und sich uber ihre Rundschreiben und ihre\nInternetdarstellung zur Gewinnung neuer Mandanten an die Öffentlichkeit\ngewandt. Wer sich derart exponiert, kann sich nicht auf die enge\nAusnahmekonstellation des Ausschlusses des Ehrschutzes bei gerichtlichen\nVerfahren berufen. \n--- \n| 136 \n--- \n| 2\\. Der Beklagte kann von den Klagern gem. §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB,\n186 StGB Unterlassung hinsichtlich des unter I. 1. b), 2. Äußerung („Weiter\nkonnten wir feststellen, dass der inzwischen inhaftierte … einen Tag nach den\nDurchsuchung seiner Firmen den Versuch unternommen hatte, Millionenbetrage von\nden Firmenkonten auf seine Privatkonten zu uberweisen. Ähnliche Handlungen\nwurden auch von seiner Ehefrau unternommen, die einen Millionenbetrag in bar\nvon einem Konto ab heben wollte. Damit hat sich Herr ... selbst die\nFluchtgefahr nachgewiesen.") geltend gemachten Unterlassungsbegehrens\nverlangen. \n--- \n| 137 \n--- \n| Hierzu gilt das unter II. 1 Gesagte. \n--- \n| 138 \n--- \n| 3\\. Der Beklagte hat keinen Anspruch auf Unterlassung gem. §§ 1004 Abs. 1,\n823 Abs. 2 BGB, 186 StGB Unterlassung hinsichtlich des unter I. 1. b), 3.\nAussage („Diese Vorgange sowie die Tatsache der andauernden Haft des Herrn …\nlegen die Vermutung nahe, dass auch die ermittelnde Staatsanwaltschaft sowie\ndie bisher mit diesem Fall beschaftigten Gerichte davon ausgehen, dass ein\ndringender Tatverdacht fur Steuerhinterziehung und gewerbsmaßigen Betrug\nvorliegt. Angesichts der uns vorliegenden Unterlagen teilen wir diese\nBewertung.") geltend gemachten Unterlassungsanspruchs. \n--- \n| 139 \n--- \n| Nach den Ausfuhrungen zu I. 5. liegt keine Tatsachenbehauptung, sondern\neine Meinungsaußerung vor. Diese ist vom Betroffenen bis zur Grenze der\nSchmahkritik hinzunehmen. Die Grenze der Schmahkritik ist vorliegend nicht\nerreicht. Eine Meinungsaußerung wird nicht schon wegen ihrer herabsetzenden\nWirkung fur Dritte zur Schmahung. Eine herabsetzende Äußerung nimmt erst dann\nden Charakter einer Schmahung an, wenn in ihr nicht mehr die\nAuseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im\nVordergrund steht (BVerfG, NJW 1991, 95). Dies ist vorliegend nicht der Fall,\nda es in der Sache um zwischen den Parteien unterschiedliche Ansichten zur\nIndizienlage im Hinblick auf das Strafverfahren des Beklagten geht, das auch\nfur die Frage zivilrechtlicher Forderungen der Mandanten der Klager von\nbesonderer Bedeutung ist. Damit ist noch nicht die Stufe erreicht, in der es\num bloße Diffamierung einer Person geht. \n--- \n| 140 \n--- \n| Mithin ist das Feststellungsbegehren der Klager begrundet. \n--- \n| 141 \n--- \n| III. Zum Klagantrag I. 3. \n--- \n| 142 \n--- \n| Der Beklagte hat keinen Anspruch auf Unterlassung gem. §§ 1004 Abs. 1, 823\nAbs. 2 BGB, 186 StGB Unterlassung hinsichtlich der unter I. 3. („In der Sache\n… vertreten wir bereits eine Vielzahl von Mandanten."; „(...) empfehlen wir,\ngegen (...) die Fondsverantwortlichen (...) vorzugehen."; „Um etwaige\nVerjahrungsprobleme bei der Prospekthaftung von vornherein auszuschließen,\nempfehlen wir eine Klageeinreichung moglichst bis Ende Marz 2006"; „Wir haben\ndie ersten Klagen erstellt und werden kurzfristig fur eine Vielzahl von\nMandanten Klage einreichen. Wenn Sie ebenfalls hieran interessiert sind,\nmochten wir Sie bitten, moglichst kurzfristig folgende Unterlagen an uns zu\nsenden: (...)". \n--- \n| 143 \n--- \n| Soweit die Klager geltend machen, eine Vielzahl von Mandanten zu vertreten,\nist dies eine wahre - weil vorliegend in der Sache zwischen den Parteien\nunstreitige - Tatsache. Datenschutzrechtliche Belange sind hier nicht\nbetroffen. Die Klager kennen die Anzahl ihrer Mandanten von sich aus. Dass sie\ndiesbezuglich Informationen aus der Ermittlungsakte entnommen worden waren,\nist mithin auszuschließen. \n--- \n| 144 \n--- \n| Im ubrigen liegen Meinungsaußerungen vor. Es ist die Meinung der Klager,\ndass ein zivilrechtliches Vorgehen sinnvoll erscheint. Auch der Rat,\nVerjahrungsproblemen durch rasche Klageerhebung aus dem Weg zu gehen, ist die\npersonliche Einschatzung der Klager. Damit sind diese Aussagen als\nMeinungsaußerung zu betrachten. Insofern muss der Beklagte in Abwagung der\nRechte der Meinungsaußerungsfreiheit der Klager aus Art. 5 GG einerseits und\nseines allgemeinen Personlichkeitsrechts aus Artt. 1, 2 GG bis zur - hier\nnicht greifenden - Grenze der Schmahkritik dulden. Damit ist es dem Beklagten\nnicht moglich, diese ihm unliebigen Äußerungen zu seinem Strafverfahren unter\nHinweis auf sein allgemeines Personlichkeitsrecht zu unterbinden. \n--- \n| 145 \n--- \n| Da ein Unterlassungsanspruch des Beklagten nicht besteht, ist das\nFeststellungsbegehren der Klager insoweit begrundet. \n--- \n| 146 \n--- \n| IV. Zum Klagantrag I. 4. \n--- \n| 147 \n--- \n| Der von den Klagern unter I. 4. verfolgte Feststellungsanspruch ist\nunbegrundet. Der Abmahnung lasst sich nicht entnehmen, dass sich der Beklagte\nentsprechender Anspruche beruhmt hat. \n--- \n| 148 \n--- \n| V. Zum Klagantrag I. 5. \n--- \n| 149 \n--- \n| Dem Beklagten steht der geltend gemachte Anspruch auf Abmahnkosten nur zum\nTeil nach den Grundsatzen der Geschaftsfuhrung ohne Auftrag zu. \n--- \n| 150 \n--- \n| Der Beklagte hat sich eines derartigen Anspruchs beruhmt. In seinem\nAbmahnschreiben vom 15.03.2006 (Anlage K 3) ist explizit aufgefuhrt: „Unserem\nMandanten steht gem. … ein Anspruch gegen Sie auf Ersatz der ihm entstandenen\nRechtsanwaltskosten zu." Gleichzeitig wird der zu ersetzende Betrag mit\n1,948,92 Euro beziffert. Dies reicht fur eine Anspruchsberuhmung aus. \n--- \n| 151 \n--- \n| Der Ersatzanspruch besteht nur in Hohe von 788,68 Euro. Zu Grunde zu legen\nist der Streitwert von 50.000 Euro, den die Parteien im streitigen Verfahren\nubereinstimmend zu Grunde gelegt haben. Eine 1,3 Geschaftsgebuhr zzgl. MwSt.\nbetragt 1577,37 Euro. Auslagen sind seitens des Beklagten nicht substantiiert\ngeltend gemacht worden. Da die Abmahnung nach den obigen Ausfuhrungen nur zur\nHalfte als berechtigt betrachtet werden kann, reduziert sich der zu ersetzende\nBetrag um ½. \n--- \n| 152 \n--- \n| Daruber hinaus ist das Feststellungsbegehren der Klager begrundet. \n--- \n| 153 \n--- \n| VI. Zum Klagantrag I. 6. \n--- \n| 154 \n--- \n| 1\\. Der Beklagte hat sich auch Anspruche auf Auskunft und Schadensersatz\nberuhmt. Dies geht aus dem Ende des Abmahnschreibens vom 15.03.2006 (Anlage K\n3) hervor, wo die Geltendmachung von Auskunfts- und Schadensersatzanspruchen\nauf dem Rechtsweg angekundigt wird. \n--- \n| 155 \n--- \n| Der Beklagte hat einen Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht,\nsoweit nach den obigen Ausfuhrungen ein Unterlassungsanspruch besteht. Denn\ndie Klager handelten auch schuldhaft. Sie handelten zumindest fahrlassig, in\ndem sie trotz der sich aus § 406 e Abs. 6, 477 Abs. 5 StPO ergebenden\nZweckbindung die aus der Ermittlungsakte stammenden Informationen fur andere\nZwecke verwendeten als fur die ihren Mandaten Akteneinsicht gewahrt worden\nwar. Bei den ubrigen Tatsachenbehauptungen liegt zumindest Fahrlassigkeit\ndurch die Nichtbeachtung ihrer Sorgfaltspflicht vor. Das\nFeststellungsinteresse ist gegeben, da eine gewisse Wahrscheinlichkeit fur\neinen Schadenseintritt besteht. An den Schadenseintritt werden keine allzu\nhohen Forderungen gestellt (BGH, NJW 1980, 2807 - Medizin-Syndikat I). Ein\nnaherer Vortrag des Beklagten zu dem von ihm erlittenen Schaden ist nicht\nerforderlich, da das Interesse an einer Schadensfeststellung immer schon dann\nvorliegt, wenn Schadensfolgen moglich sind, ihr Eintritt und ihr Umfang aber\nnoch ungewiss ist (Prinz/Peters, a.a.O., Rdnr. 717; BGH, NJW 1991, 2707). \n--- \n| 156 \n--- \n| 2\\. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch besteht nicht. Der Beklagte\nmacht einen Anspruch auf Erteilung von Auskunften geltend „soweit Herr …die\nAuskunft zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gemaß Ziffer 6,\nSpiegelstrich 1 benotigt". Damit ist Gegenstand und Umfang der Auskunft vollig\nunklar, so dass keine hinreichende Bestimmtheit i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO\nvorliegt. \n--- \n| 157 \n--- \n| Da der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht besteht, ist das\nFeststellungsbegehren der Klager insoweit begrundet. \n--- \n**C.** \n--- \n| 158 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO. Ein\nvollstreckungsfahiger Inhalt der Entscheidung liegt nur im Hinblick auf die\nKostenerstattung der Gerichtsgebuhren vor. \n---\n\n
143,092
vg-freiburg-2007-06-21-4-k-126806
157
Verwaltungsgericht Freiburg
vg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 K 1268/06
2007-06-21
2019-01-09 15:01:39
2019-01-17 12:03:15
Urteil
## Tenor\n\nDer Erlass des Ministeriums fur Kultus, Jugend und Sport ... vom 24.05.2006 -\nRA-7162.1-05/17 - wird aufgehoben.\n\nDas beklagte Land und die Beigeladene tragen je die Halfte der Gerichtskosten\nund der außergerichtlichen Kosten der Klagerin. Im Übrigen behalten die\nBeteiligten ihre außergerichtlichen Kosten auf sich.\n\nDie Berufung wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin wendet sich gegen eine Entscheidung des Beklagten, mit der ihr\ndie Rechte einer Korperschaft des offentlichen Rechts aberkannt wurden. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin war unstreitig zumindest bis zum 29.01.2006 als israelitische\nGemeinde Mitglied der Beigeladenen. § 3 der Satzung der Beigeladenen bestimmt:\nDie bestehenden judischen/israelitischen Gemeinden in ... sind\nUntergliederungen der Religionsgemeinschaft; sie haben den Status einer\nKorperschaft des offentlichen Rechts (KdoR) (§ 24 Abs. 1 KiStG Bad.-Wurtt.).\nMit Bekanntmachung des Ministeriums fur Kultus und Sport ... vom 26.08.1988\nwurde die Klagerin als Korperschaft des offentlichen Rechts anerkannt (\n_K.u.U. 1988, 755_ ). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| In den folgenden Jahren kam es zu zahlreichen Auseinandersetzungen zwischen\nder Klagerin und der Beigeladenen. Am 29.01.2006 fasste der Oberrat der\nBeigeladenen, Delegiertenversammlung und oberstes Organ der Beigeladenen _( §§\n5 Nr. 1 und 6 Nr. 1 der Satzung der Beigeladenen_ ), nach Ausschluss der\nVertreter der Klagerin aus der Sitzung mit 14 Ja-Stimmen und 3 Enthaltungen\nden Beschluss, die Klagerin aus der Beigeladenen auszuschließen. Diesen\nBeschluss gab der Prozessbevollmachtigte der Beigeladenen dem Ministerium mit\nSchreiben vom 03.02.2006 bekannt und er außerte darin die Auffassung, dass bei\nder Klagerin damit die Voraussetzungen einer Korperschaft des offentlichen\nRechts nicht mehr gegeben seien. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Schreiben vom 13.02.2006 teilte das Ministerium der Beigeladenen (u.\na.) mit, der Ausschluss der Klagerin aus der Beigeladenen andere nichts an der\nExistenz der Klagerin als eigenstandige Religionsgemeinschaft und an deren\nStatus als Korperschaft des offentlichen Rechts. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Schreiben vom 04.04.2006, beim Ministerium fur Kultus, Jugend und Sport\n... (im Folg.: Ministerium) eingegangen am 18.04.2006, stellte der\nProzessbevollmachtigte der Beigeladenen den Antrag, der Klagerin die\nRechtsstellung einer Korperschaft des offentlichen Rechts mit Wirkung zum\n29.01.2006 abzuerkennen. Begrundet wurde dieser Antrag mit dem am 29.01.2006\nbeschlossenen Ausschluss der Klagerin aus der Beigeladenen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Aus internen Vermerken des Ministeriums geht hervor, dass das Ministerium\nzunachst geneigt war, dem Antrag der Beigeladenen stattzugeben, dann jedoch\nBedenken an diesem Vorgehen bekam, nachdem es aus der Presse erfahren hatte,\ndass das Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in\nDeutschland den Ausschluss der Klagerin aus der Beigeladenen fur nichtig\nerklart habe. Erst nachdem die Beigeladene und der Beklagte diese\nPressemitteilung als Falschmeldung erkannt hatten, erließ das Ministerium am\n24.05.2006 folgenden Erlass: "Das Ministerium fur Kultus, Jugend und Sport hat\nauf Antrag der Israelitischen Religionsgemeinschaft ... der Israelitischen\nKultusgemeinde ... mit Wirkung zum 29. Januar 2006 die Eigenschaft als\nGemeinde der Israelitischen Religionsgemeinschaft aberkannt. Damit verliert\ndie Israelitische Kultusgemeinde ... ebenfalls mit Wirkung vom 29.01.2006 die\nRechte einer Korperschaft des offentlichen Rechts." Dieser Erlass wurde im\nAmtsblatt ( _K.u.U. 2006, 246_ ) bekanntgemacht. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Schreiben vom 24.05.2006 teilte das Ministerium der Beigeladenen diese\nEntscheidung mit. Die Klagerin erfuhr hiervon durch Schreiben der Beigeladenen\nvom 01.06.2006. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Am 28.05.2006 hat die Klagerin beim Schieds- und Verwaltungsgericht beim\nZentralrat der Juden in Deutschland Klage gegen ihren vom Oberrat der\nBeigeladenen am 29.01.2006 beschlossenen Ausschluss aus der Beigeladenen Klage\nerhoben. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Am 19.06.2006 hat die Klagerin gegen den Erlass des Ministeriums vom\n24.05.2006 - zunachst beim Verwaltungsgericht Stuttgart - Klage erhoben. Mit\nBeschluss vom 10.07.2006 - 2 K 2364/06 - hat das Verwaltungsgericht Stuttgart\nden Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Freiburg verwiesen. Zur Begrundung\nder Klage tragt die Klagerin vor: Sie sei eine Gemeinde mit etwa 500\neingeschriebenen Mitgliedern. Aus unerfindlichen Grunden sei sie in den\nletzten Jahre durch die Beigeladene mit einer Vielzahl von Anfeindungen\nuberzogen worden. Wiederholt habe das Schieds- und Verwaltungsgericht beim\nZentralrat der Juden in Deutschland durch einstweilige Anordnungen\nsicherstellen mussen, dass ihre Delegierten zu den Sitzungen des Oberrats der\nBeigeladenen zugelassen wurden. Entgegen diesen Beschlussen seien ihre\nDelegierten auch aus der Oberratssitzung am 29.01.2006, in der ihr Ausschluss\naus der Beigeladenen beschlossen worden sei, ausgeschlossen worden. Der Erlass\ndes Ministeriums uber die Aberkennung der Rechte einer Korperschaft des\noffentlichen Rechts sei ergangen, ohne dass sie angehort oder in sonstiger\nWeise beteiligt worden sei. Auch spatere Bitten von ihr um Erlauterung und\nStellungnahme habe das Ministerium nicht beantwortet. Dem Handeln des\nMinisteriums lagen eigenwillige Theorien zur Korperschaftsanerkennung\nzugrunde. Von Bedeutung sei vor allem, dass ein rechtswirksamer Beschluss uber\nihren Ausschluss aus der Beigeladenen nicht vorliege. Das gelte vor allem,\nseit das Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in\nDeutschland den Beschluss des Oberrats der Beigeladenen vom 29.01.2006 mit\nrechtskraftigem Urteil vom 13.03.2007 - 003-2006 - fur unwirksam erklart habe.\nAllein ein solcher Ausschluss hatte - wenn uberhaupt - die getroffene\nEntscheidung des Ministeriums rechtfertigen konnen. Nach der Rechtsprechung\ndes Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland\nsei sie eine autonome religiose Gemeinde mit eigenem Anspruch auf Anerkennung\nals Korperschaft des offentlichen Rechts. Unabhangig davon, dass der Erlass\ndes Ministeriums vom 24.05.2006 nur an die Beigeladene gerichtet sei, sei sie\nrechtlich von diesem Erlass betroffen, weil er unmittelbar ihre Existenz\nberuhre. Daraus folge, dass sie sowohl klagebefugt als auch aktivlegitimiert\nsei. Der angefochtene Erlass sei schon deshalb rechtswidrig, weil ihm kein\nrechtsstaatliches Verfahren vorausgegangen sei, da sie zu keinem Zeitpunkt\nangehort worden sei. Die Aberkennung der Rechtsstellung einer Korperschaft des\noffentlichen Rechts sei in entsprechender Anwendung des (privaten)\nVereinsrechts allenfalls dann zulassig, wenn es der Verteidigung der\nverfassungsmaßigen Ordnung diene, der Korperschaftsstatus durch unrichtige\nAngaben erschlichen worden sei oder die Korperschaft das Gemeinwohl gefahrde.\nDiese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Im Gegenteil, das Ministerium\nhatte von Anfang an erkennen konnen, dass der Beschluss des Oberrats der\nBeigeladenen vom 29.01.2006 wegen des rechtswidrigen Ausschlusses ihrer\nDelegierten unwirksam sei. Sie bestreite nicht ihre satzungsrechtliche\nStellung als Untergliederung der Beigeladenen, berufe sich aber dennoch auf\nihre Rechtsstellung als autonome Kultusgemeinde. Aus einer Untergliederung der\nBeigeladenen folge keine Unterordnung unter sie. Das Ministerium verkenne\nunter anderem, dass die Verleihung des Korperschaftsstatus in ihrem Fall nicht\nauf Art. 140 GG und 137 WRV, sondern auf § 24 KiStG Bad.-Wurtt. beruhe.\nEinwendungen gegen das Urteil des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim\nZentralrat der Juden in Deutschland vom 13.03.2006 (a.a.O.) seien unzulassig.\nDas Urteil sei im Einklang mit der einschlagigen Verfahrensordnung von drei\nRichtern unterschrieben. Die innerreligiose Rechtsprechung sei Teil des vom\nStaat zu beachtenden Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| den Erlass des Ministeriums fur Kultus, Jugend und Sport ... vom 24.05.2006\n- RA-7162.1-05/17 - aufzuheben. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Zur Begrundung wird ausgefuhrt: Die Klagerin sei nicht aktivlegitimiert, da\nsie nicht Adressatin der Entscheidung vom 24.05.2006 sei. Dieser Erlass sei\nihr vielmehr nur uber die Beigeladene zur Kenntnis gegeben worden. Klagebefugt\nsei insoweit allein die Beigeladene. Das folge sowohl aus der\nstaatskirchenrechtlichen Stellung der Klagerin als einer Untergliederung der\nBeigeladenen als auch aus dem innerreligionsgemeinschaftlichen Satzungsrecht.\nNach den Art. 140 GG, 137 WRV und, weil nicht alle Religionsgemeinschaften\nuber Untergliederungen verfugten, konnten nur Religionsgemeinschaften\ngegenuber dem Staat auftreten und an staatlichen Verfahren in Bezug auf\nReligionsgemeinschaften beteiligt sein. Untergliederungen konnten vom Staat\nnicht an Verfahren beteiligt werden, die staatlich an- oder abzuerkennende\nRechte gegenuber den Religionsgemeinschaften betrafen. Eine direkte\nBeteiligung der Untergliederungen wurde das Selbstverwaltungsrecht der\nReligionsgemeinschaften aus Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV verletzen. Auch nach\nder Satzung der Beigeladenen ergebe sich, dass eine judische Gemeinde nach\naußen nur durch die Religionsgemeinschaft, der sie angehore, vertreten werde.\nDas Verhaltnis zwischen der Beigeladenen als Religionsgemeinschaft und der\nKlagerin als deren Untergliederung bestimme sich nach Maßgabe\ninnerreligionsgemeinschaftlichen Rechts und sei dem Zugriff des Staates\nentzogen. Die Klage sei aber auch deshalb unbegrundet, weil nach dem deutschen\nund baden-wurttembergischen Staatsreligionsrecht die Rechte einer Korperschaft\ndes offentlichen Rechts nur an Religionsgemeinschaften verliehen wurden. Nur\nsie seien primare Trager der Korperschaftsrechte. Wenn eine\nReligionsgemeinschaft sich selbst in Einzelgemeinden unterteile, konne sie und\nnur sie nach § 24 Abs. 1 KiStG Bad.-Wurtt. die Anerkennung dieser Gemeinde als\nKorperschaft des offentlichen Rechts beantragen. Die Anerkennung bzw. das\nErlangen des Korperschaftsstatus sei nur mit Willen und auf Antrag der\nprimaren Rechtstragerin, hier der Beigeladenen, moglich. Weil\nUntergliederungen von Religionsgemeinschaften kaum jemals die\nVerleihungsvoraussetzungen des Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV erfullten, sei es\nsachgerecht, zwischen der "Verleihung" von Korperschaftsrechten an die\neigentliche, primare Tragerin (die Religionsgemeinschaften) und der\n"Erlangung" durch ihre moglichen Untergliederungen (den Gemeinden) zu\nunterscheiden. Die Korperschaftsrechte der Gemeinden seien immer nur\nabgeleitet von den Korperschaftsrechten der Religionsgemeinschaften. Der\nUmstand, dass die Klagerin sich mit innerreligionsgemeinschaftlichen\nRechtsbehelfen gegen ihren Ausschluss aus der Beigeladenen wende, zeige, dass\nsie sich selbst auch weiterhin als Teil der Beigeladenen betrachte. Daran\nkonne eine positive oder negative Entscheidung uber den Rechtsstatus der\nKlagerin als Korperschaft des offentlichen Rechts nichts andern. Die von der\nKlagerin erwahnten Streitigkeiten zwischen ihr und der Beigeladenen seien fur\ndie hier im Streit stehende Entscheidung ohne Bedeutung. Wenn der Ausschluss\nder Klagerin aus der Beigeladenen nach innerreligionsgemeinschaftlichem Recht\nunanfechtbar ware, hatte er unmittelbar den Verlust der Korperschaftsrechte\nauf Seiten der Klagerin zur Folge. Um einen solchen selbsteintretenden Verlust\ngehe es in diesem Verfahren jedoch nicht, sondern um eine Aberkennung aufgrund\neines Antrags der Beigeladenen. Daher sei es fur dieses Verfahren\nunbeachtlich, ob der Ausschluss dem innerreligionsgemeinschaftlichem Recht\nentspreche oder nicht. Der Antrag der Beigeladenen vom 04.04.2006, der\nKlagerin die Rechte einer Korperschaft des offentlichen Rechts abzuerkennen,\nstelle einen actus contrarius zur Beantragung der Anerkennung vom 26.08.1988\ndar. Auch die Frage, ob und wie die Klagerin im Vorfeld einer Entscheidung\nuber die Beigeladene angehort oder in sonstiger Weise beteiligt werden musse,\nbetreffe nicht die staatlichen Behorden. Vielmehr hatten die staatlichen\nBehorden in Ansehung des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften\neinen solchen Antrag ernst zu nehmen und ihm nach Maßgabe geltenden\nstaatlichen Rechts zu folgen. Ein Ermessensspielraum bestehe insoweit nicht.\nWenn die maßgebliche Religionsgemeinschaft kundtue, ihr Wille, dass eine\nUntergliederung die Rechte einer Korperschaft des offentlichen Rechts genießen\nsolle, bestehe nicht mehr, musse die zustandige staatliche Behorde dem folgen.\nWenn nach § 24 KiStG Bad.-Wurtt. die Anerkennung einer Gemeinde als\nKorperschaft des offentlichen Rechts nur auf Antrag der Religionsgemeinschaft\nausgesprochen werden konne, gelte das e contrario auch fur die Aberkennung. Es\nsei Teil des Selbstbestimmungsrecht der Beigeladenen zu entscheiden, welche\nihrer (zehn) Gemeinden den Korperschaftsstatus erhalten sollten. Der\nangefochtene Erlass vom 24.05.2006 betreffe die Klagerin nicht in ihrer\nreligiosen Konsistenz, sondern nur in ihrer korperschaftlichen Existenz. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beigeladene beantragt (ebenfalls), \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Zur Begrundung fuhrt die Beigeladene aus: Der Oberrat habe inzwischen einen\nneuen Vorstand gewahlt. Außerdem habe der Oberrat am 28.05.2007 einstimmig\nbeschlossen, dass es bei dem gefassten Beschluss uber den Ausschluss der\nKlagerin verbleibe. Das Urteil des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim\nZentralrat der Juden in Deutschland vom 13.03.2007 - 003-2006 - sei falsch.\nMitglied bei ihr sei jede judische Person, die judischen/israelitischen\nGemeinden seien Untergliederungen von ihr. Die Klagerin leite ihre\nRechtsstellung deshalb von ihr als Religionsgemeinschaft ab. Das Schieds- und\nVerwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland habe bei seiner\nUrteilsfindung ihre Schriftsatze ignoriert. Die Delegierten der Klagerin seien\nzu Recht aus der Sitzung des Oberrats ausgeschlossen worden, weil sie nicht\nden Nachweis erbracht hatten, zum Judentum zu gehoren. Der Ausschluss der\nKlagerin beruhe auf einem unlauteren Finanzgebaren der Klagerin. Fur dieses\nVerhalten der Klagerin trage sie als Religionsgemeinschaft im Sinne der\nWeimarer Reichsverfassung nach außen die Verantwortung. Deshalb habe sie\nhandeln mussen. Das Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden\nin Deutschland sei nicht, wie durch § 15 Abs. 3 der Satzung des Zentralrats\nder Juden in Deutschland vorgeschrieben, besetzt gewesen. Das Urteil vom\n13.03.2007 ( _a.a.O._ ) sei nur von drei und nicht von den notwendigen funf\nRichtern unterzeichnet; außerdem habe kein Rabbiner mitgewirkt. Wenn die\nKlagerin sie verpflichten wolle, bei dem Beklagten den Antrag zu stellen, die\nRechtsstellung einer Korperschaft des offentlichen Rechts zu erhalten, musse\nsie das auf dem innerreligiosen Rechtsweg durchsetzen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Mit Urteil vom 13.03.2007 ( _Az: 003/2006_ ) hat das Schieds- und\nVerwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland festgestellt, dass\nder Beschluss des Oberrats der Beigeladenen vom 29.01.2006 unwirksam ist. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Der Kammer liegen die einschlagigen Akten des Ministeriums fur Kultus,\nJugend und Sport (ein Heft) vor. Der Inhalt dieser Akten sowie der\nGerichtsakten war Gegenstand der mundlichen Verhandlung; hierauf wird\nerganzend Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 20 \n--- \n| Die (unstreitig rechtzeitig erhobene) Klage ist als Anfechtungsklage ( _gem\naß § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO_ ) auch ohne Vorverfahren zulassig. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| **1.** Insbesondere ist die Klagerin nach § 61 VwGO beteiligtenfahig. Das\nergibt sich bereits aus § 61 Nr. 1 VwGO, weil die Klagerin als eine\njudische/israelitische Gemeinde, der durch statusbegrundenden Rechtsakt die\nEigenschaft einer Korperschaft des offentlichen Rechts zuerkannt wurde, eine\njuristische Person ist ( _vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 61\nRdNr. 6; Bier, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: April 2006, §\n61 RdNr. 4; OVG NW, Urteil vom 26.01.1983, NJW 1983, 2592, zu einer\nkatholischen Kirchengemeinde als Teilverband (Untergliederung] einer Diozese;\nJarass/Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 140 GG, 137 WRV RdNr. 11; Korioth, in:\nMaunz/Durig, Grundgesetz, Stand: Nov. 2006, Art. 140 GG, 137 WRV RdNrn. 69 und\n72, auch zu nach Inkrafttreten des Grundgesetzes "neukorporierten"\nKirchenkorperschaften_ ). In jedem Fall aber ist die Klagerin zumindest nach §\n61 Nr. 2 VwGO beteiligtenfahig. Nach dieser Vorschrift gelten auch\nnichtrechtsfahige Vereinigungen oder Organe bzw. Untergliederungen\nrechtsfahiger Personen, denen (nach materiellem Recht) ein Recht zustehen\nkann, als beteiligtenfahig ( _vgl. hierzu Kopp/Schenke, a.a.O., § 61 RdNrn. 8\nff.; Bier, a.a.O., § 61 RdNrn. 5 ff; die Beteiligtenfahigkeit der Klagerin im\nErg. ebenfalls bejahend: VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 13.10.2005, DÖV 2006,\n177 = VBlBW 2006, 108, betr. einen Rechtsstreit zwischen der Klagerin und der\nBeigeladenen_ ). Das gilt zumindest im Streit uber die Frage, ob diesen\nVereinigungen ein von ihnen in Anspruch genommenes Recht zusteht, dessen\nVerletzung von ihnen gerugt wird oder das ihnen bestritten oder entzogen\nworden ist ( _vgl. hierzu u. a. VG Freiburg, Urteil vom 02.02.2005, NVwZ-RR\n2006, 686, m.w.N., zur Zul assigkeit der Klage einer ehemals selbstandigen,\ndurch Eingemeindung als Rechtsperson untergegangenen Ortschaft, mit der Rechte\naus dem Eingemeindungsvertrag geltend gemacht werden_ ). Eine andere\nAuffassung wurde die betreffende Vereinigung (gerade in einem Streit uber ihre\nRechtsfahigkeit) rechtlos stellen und ware deshalb mit den Art. 19 Abs. 4, 20\nAbs. 3 und 92 GG nicht zu vereinbaren. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| **2.** Die Klagerin besitzt auch ein Rechtsschutzinteresse fur die erhobene\nAnfechtungsklage. Zwar spricht Einiges dafur, dass der Erlass des Ministeriums\nvom 24.05.2006 bei einem am Wortlaut orientierten Verstandnis dieser\nEntscheidung nach Ergehen des (unanfechtbaren) Urteils des Schieds- und\nVerwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland (im Folg.:\nSchieds- und Verwaltungsgericht) vom 13.03.2007 (Az: 003-2006), mit dem der\nAusschluss der Klagerin aus der Beigeladenen fur unwirksam erklart worden ist,\nim Hinblick auf die hier vor allem streitige Aberkennung des\nKorperschaftsstatus keine belastende Regelungswirkung mehr entfaltet. Denn\ndieser Ausspruch uber die Aberkennung des Korperschaftsstatus der Klagerin in\nSatz 2 dieses Erlasses ist danach keine eigenstandige Entscheidung, sondern\nwird dort nur im Sinne einer Folge des in Satz 1 ausgesprochenen Verlusts der\nEigenschaft einer Gemeinde der Beigeladenen "referiert" ( _N aheres hierzu\nunter II.3.1.2_ ). Deshalb durfte dieser Satz 2 mangels Regelungswirkung\nkeinen anfechtbaren Verwaltungsakt, sondern lediglich einen rechtlichen\nHinweis darstellen. Aber selbst wenn man in diesem Ausspruch einen belastenden\nVerwaltungsakt sahe, wie es offenbar alle Beteiligten tun, hatte er wegen der\nkausalen Verknupfung mit Satz 1 des Erlasses durch den Wegfall des\nAusschlusses der Klagerin aus der Beigeladenen und damit aufgrund des\nFortbestands der Klagerin als Gemeinde der Beigeladenen nach der gebotenen am\nobjektiven Empfangerhorizont orientierten Auslegung ( _vgl. Kopp/Ramsauer,\nVwVfG, 9. Aufl. 2005, § 35 RdNrn. 18 ff. m.w.N._ ) wohl seine Wirkung\nverloren. Ob die Klagerin danach ihr Begehren eigentlich durch eine Klage auf\nFeststellung der Unwirksamkeit einer Aberkennung ihres Korperschaftsstatus\nhatte verfolgen konnen oder mussen, kann hier jedoch dahingestellt bleiben.\nDenn immerhin erzeugt der Erlass des Ministeriums vom 24.05.2006 den\nRechtsschein eines weiterhin wirksamen Verwaltungsakts uber die Aberkennung\nder Rechte einer Korperschaft des offentlichen Rechts, der anerkanntermaßen\nauch im Wege einer Anfechtungsklage beseitigt werden kann ( _Kopp/Ramsauer,\na.a.O. § 43 RdNr. 48 m.w.N._ ). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| **3.** Soweit man nach den Ausfuhrungen im vorstehenden Absatz den durch den\nAusspruch in Satz 2 des Erlasses des Ministeriums vom 24.05.2006 erzeugten\nRechtsschein im Rahmen der Anfechtungsklage einer belastenden Regelung\ngleichstellt, stellt dieser Ausspruch als actus contrarius zur\nstatusbegrundenden Anerkennung als Korperschaft des offentlichen Rechts (\n_vgl. hierzu Korioth, a.a.O., Art. 140 GG, 137 WRV RdNr. 72; BVerwG, Urteil\nvom 15.10.1997, NJW 1998, 253_ ) auch einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35\nLVwVfG dar ( _Korioth, a.a.O., Art. 140 GG, 137 WRV RdNr. 81;\nWolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Band 3, 5. Aufl. 2004, § 87 RdNrn. 36\nff.; zu den so genannten Organisationsakten vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 35\nRdNrn. 94 ff._ ). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| **4.** Die Klagerin ist im Verfahren gegen diesen Verwaltungsakt, der ihre\nAuflosung als Korperschaft des offentlichen Rechts zum Inhalt hat, auch\nklagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Das gilt unabhangig davon, ob der\nBeklagte die angefochtene Entscheidung auch formlich an die Klagerin\nadressiert hat und ob die Klagerin am vorausgegangenen Verwaltungsverfahren\nbeteiligt war ( _Kopp/Schenke, a.a.O., § 42 RdNr. 72_ ). Denn materiell\nbetroffen von dieser Entscheidung ist in erster Linie die Klagerin; sie ist\ndamit im materiellen Sinn auch die eigentliche Adressatin dieses\nVerwaltungsakts. Das ergibt sich auch aus der in der Rechtsordnung anerkannten\nRechtsfigur des Verwaltungsakts mit Drittwirkung ( _siehe u. a. § 80a VwGO_ ).\nBei der von der Klagerin angefochtenen Entscheidung der Beklagten handelt es\nsich um einen solchen Verwaltungsakt mit Drittwirkung, der sich gerade dadurch\nauszeichnet, dass er belastende Rechtswirkungen gegenuber anderen Personen\nbzw. Vereinigungen im Sinne von § 61 Nrn. 1 und 2 VwGO erzeugt als denen, an\ndie er adressiert ist ( _vgl. hierzu Kopp/Schenke, a.a.O., § 80a RdNrn. 1 f._\n). \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Klage ist auch begrundet. Der Erlass des Ministeriums fur Kultus, Jugend\nund Sport ... vom 24.05.2006, bekannt gemacht am 17.07.2006 ( _K.u.U. 2006,\n246_ ), ist rechtswidrig und verletzt die Klagerin in ihren Rechten _( § 113\nAbs. 1 Satz 1 VwGO_ ). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| **1.** Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klagerin\naktivlegitimiert. Durch die Anerkennungsentscheidung vom 26.08.1988 (\n_K.u.U.1988, 755_ ) hat der Beklagte die Klagerin als Korperschaft des\noffentlichen Rechts mit eigenen Rechten und Pflichten "geschaffen" und ihr\ndamit in gleicher Weise Rechtsfahigkeit verliehen, wie wenn sie als\nrechtsfahiger Verein des burgerlichen Rechts Rechtsfahigkeit erlangt hatte (\n_vgl. hierzu Korioth, a.a.O, Art. 140 GG, 137 WRV RdNrn. 59 f., 66, 69 und 72;\nWolff/Bachof/Stober, a.a.O., Band 1, 11. Aufl. 1999, § 34 RdNrn. 6 f., sowie\nBand 3, 5. Aufl. 2004, § 83 RdNrn. 116 ff. und § 87 RdNrn. 16 ff._ ). In\ndieser Eigenschaft steht sie im Rechtsleben neben der Beigeladenen. Dabei\nkommt es hier nicht darauf an, ob die Klagerin durch ihre Anerkennung als\nKorperschaft des offentlichen Rechts umfassend oder nur partiell mit eigenen\nRechten und Pflichten ausgestattet wurde, insbesondere ob ihre Rechtsstellung\nim Verhaltnis zu staatlichen Stellen den gleichen Rang und Umfang hat wie die\nder Beigeladenen und ob ihre Rechtsstellung auch aus Art. 140 GG, 137 WRV\nabgeleitet werden kann ( _Vieles spricht allerdings daf ur, dass den\nKirchengemeinden, soweit sie - wie die Klagerin - Korperschaften des\noffentlichen Rechts sind, und nicht nur den ubergeordneten\nReligionsgemeinschaften [bei den katholischen und evangelischen Kirchen: den\nDiozesen und den Landeskirchen] zumindest die Rechte aus Art. 140 GG, 137 Abs.\n6 WRV zustehen, vgl. Korioth, a.a.O., Art. 140 GG, 137 WRV RdNr. 100_ ).\nJedenfalls beruht ihre Rechtsstellung als Korperschaft des offentlichen Rechts\nauf § 24 Abs. 1 Satz 1 KiStG Bad.-Wurtt.. Damit kommen der Klagerin zumindest\ndie einer Kirchengemeinde nach dem Kirchensteuerrecht zugesprochenen Rechte\nund Pflichten zu ( _vgl. insbes. §§ 1 Abs. 1 und 2, 11, 16 KiStG Bad.-Wurtt._\n). Soweit diese Rechtsstellung reicht, ist es ohne Bedeutung, dass die\nKlagerin keine so genannte altkorporierte Religionsgesellschaft im Sinne von\nArt. 140 GG, 137 Abs. 5 Satz 1 WRV, das heißt nicht eine bei Inkrafttreten der\nWeimarer Reichsverfassung bereits bestehende Religionsgemeinschaft (wie die\nBeigeladene), ist. Im Hinblick auf ihre Rechtsfahigkeit, das heißt ihre\nFahigkeit, Trager von Rechten und Pflichten zu sein, unterscheiden sich die so\ngenannten altkorporierten Religionsgemeinschaften im Grundsatz nicht von den\nso genannten neukorporierten, die erst spater, zum Teil erst nach\nInkrafttreten des Grundgesetzes, durch statusbegrundenden Rechtsakt als\njuristische Personen geschaffen wurden, wie das im Fall der Klagerin mit ihrer\nAnerkennung als Korperschaft des offentlichen Rechts im Jahr 1988 geschehen\nist ( _vgl. hierzu Korioth, a.a.O., Art. 140 GG, 137 WRV RdNrn. 70 ff._ ). Als\nTragerin der ihr zuerkannten Rechte und Pflichten kann die Klagerin in ihrer\nEigenschaft als Korperschaft des offentlichen Rechts auch selbstandig vor\ndeutschen (staatlichen) Gerichten klagen und verklagt werden ( _vgl. u. a. OLG\nNaumburg, Urteil vom 11.09.1997, NJW 1998, 3060; VG Neustadt/W, Urteile vom\n27.07.1998, NVwZ 1999, 796 und 797_ ). Im Übrigen belegt ein in den Akten des\nMinisteriums befindlicher Briefwechsel zwischen dem Ministerium und der Stadt\n..., aus dem sich ergibt, dass die Klagerin im Jugendhilfeausschuss der Stadt\n... vertreten ist, diese Vertretung aber von dem Rechtsstatus der Klagerin\nabhangt, dass die Rechtsstellung der Klagerin als Korperschaft des\noffentlichen Rechts offenbar mit weitergehenden uber das Kirchensteuerrecht\nhinausgehenden Rechten und Pflichten verbunden ist. Danach tritt die Klagerin\nauch staatlichen Stellen als Inhaberin von Rechten gegenuber. Diese\nRechtsstellung verlore die Klagerin, wenn der angefochtene Erlass des\nMinisteriums vom 24.05.2006 Bestand hatte. Danach kann ihre Aktivlegitimation\nzumindest in Streitigkeiten (wie hier), in denen es um den Verlust dieses\nKorperschaftsstatus geht, nicht verneint werden. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Dass die Klagerin, was sie selbst nicht bestreitet, Mitglied der\nBeigeladenen und nach deren Satzung (nur) eine Untergliederung von ihr ist,\nandert daran nichts (vgl. auch hierzu _VGH Bad.-W urtt., Beschluss vom\n13.10.2005, a.a.O_ .). Auch der Umstand, dass die Klagerin bei ihrer\nAnerkennung als Korperschaft des offentlichen Rechts selbst nicht beteiligt\nwar, sondern diese nur auf Antrag der Beigeladenen hin erfolgte, spricht\nentgegen der Auffassung des Beklagten nicht gegen die fortan gegebene\nRechtsfahigkeit der Klagerin. Denn dass (juristische) Personen bei ihrer\nGrundung selbst noch nicht existent waren und deshalb nicht daran mitwirken\nkonnten, der Grundungakt deshalb haufig ein einseitiger Hoheitsakt ist, ist\ngeradezu selbstverstandlich, andert jedoch nichts an ihrer durch den\nGrundungsakt bewirkten Rechtsfahigkeit und Eigenstandigkeit der neu\ngeschaffenen juristischen Person ( _Wolff/Bachof/Stober, a.a.O., Band 1, § 34\nRdNrn. 6 f._ ). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| **2.** Soweit sich die Klage (bei wortlicher Auslegung des Klageantrags)\nauch gegen den Ausspruch in Satz 1 des Erlasses des Ministerium vom 24.05.2006\nrichtet, ist sie ohne Weiteres begrundet. Fur die dort getroffene\nEntscheidung, soweit sie vom Ministerium uberhaupt beabsichtigt war, der\nKlagerin mit Wirkung vom 29.01.2006 die Eigenschaft als Gemeinde der\nBeigeladenen abzuerkennen, fehlt einer staatlichen Behorde die Kompetenz.\nVielmehr fallt die innere Organisation von Religionsgemeinschaften\neinschließlich der Bildung von (religiosen) Gemeinden in den von Art. 140 GG,\n137 WRV gewahrleisteten Bereich der Selbstverwaltung und Selbstbestimmung der\nReligionsgemeinschaften. Das ist zwischen den Beteiligten im Grunde nicht\nstreitig und bedarf deshalb keiner weiteren Begrundung. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| **3.** Der in Satz 2 des Erlasses vom 24.05.2006 ausgesprochene Verlust des\nKorperschaftsstatus, gegen den sich die Klage der Sache nach im Wesentlichen\nrichtet, kann ebenso wie der Entzug einer privatrechtlich begrundeten\nRechtsfahigkeit nur durch oder aufgrund eines Gesetzes ausgesprochen werden.\nDas ergibt sich aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Gesetzesvorbehalts (\n_allgem.: Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 20 RdNrn. 44 ff. m.w.N.; zum Entzug des\nK orperschaftsstatus von Religionsgemeinschaften und Kirchengemeinden:\nKorioth, Art. 140 GG, 137 WRV RdNrn. 60 und 82 m.w.N._ ). Allein der Antrag\neiner anderen Korperschaft des offentlichen Rechts und sei es der\nKorperschaft, zu der die vom Entzug ihrer Korperschaftsrechte "bedrohte"\nKorperschaft in einem Mitgliedschafts- und Untergliederungsverhaltnis steht,\nreicht entgegen der Auffassung des Beklagten fur eine solche Entscheidung\nnicht aus. Denn durch den Grundungsakt ist eine (neue) juristische Person\ngeschaffen worden, die nicht zur volligen Disposition der "ubergeordneten"\nKorperschaft steht; das gilt selbst dann, wenn die Grundung nur auf Antrag\ndieser Korperschaft zustande kam. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Als Rechtsgrundlage fur einen solchen Entzug des Korperschaftsstatus kommen,\nda in Baden-Wurttemberg ( _anders als z. B. in Bayern; vgl. dort Art. 1 Abs. 3\nbis 5 Bayer. KiStG_ ), spezielle Regelungen zur Rucknahme und zum Widerruf der\nAnerkennung von Religionsgemeinschaften und Kirchengemeinden als\nKorperschaften des offentlichen Rechts fehlen, hier nur die (allgemeinen\nRegelungen in den) §§ 48, 49 LVwVfG in Betracht, im konkreten Fall, da die\nAnerkennung der Klagerin als Korperschaft des offentlichen Rechts im Jahr 1988\nunstreitig rechtmaßig war, § 49 LVwVfG. Dabei ist die Rechtsgrundlage fur den\nWiderruf der Anerkennungsentscheidung wegen der Vorgaben aus Art. 140 GG, 137\nWRV verfassungskonform einschrankend auszulegen. Ein solcher Widerruf wird,\nabgesehen von sonstigen Voraussetzungen, danach schon tatbestandsmaßig\nentweder nur in Frage kommen, wenn schon die Verleihung des\nKorperschaftsstatus gegen Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV verstieß, dieser Verstoß\nspater eingetreten ist oder wenn die Religionsgemeinschaft oder die Gemeinde,\num die es geht, die erforderlichen Mitglieder verloren hat oder sich aus\nanderen Grunden aufgelost hat oder aufgelost worden ist ( _Korioth, Art. 140\nGG, 137 WRV RdNrn. 81 f. m.w.N.; Wolff/Bachof/Stober, a.a.O., Band 1, § 34\nRdNr. 19, sowie Band 3, § 87 RdNr. 21)_ . \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| **3.1** Hier kommt als Widerrufsgrund nur eine Auflosung der Klagerin durch\nden Beschluss des Oberrats der Beigeladenen vom 29.01.2006 in Betracht. Denn\nware die Klagerin aufgrund dieses Beschlusses tatsachlich aus der Beigeladenen\nausgeschlossen und damit als Untergliederung der Beigeladenen aufgelost\nworden, ware voraussichtlich auch ein Grund fur die Aberkennung ihres Status\nals Korperschaft des offentlichen Rechts gegeben, da eine Korperschaft als\n"leere Hulle" nicht bestehen kann (so _Korioth, Art. 140 GG, 137 WRV RdNr. 81\nm.w.N._ ). Doch scheidet ein solcher Widerrufsgrund im vorliegenden Fall aus,\nda der Beschluss des Oberrats der Beigeladenen vom 29.01.2006 durch das\ninnerreligionsgemeinschaftliche Rechtsprechungsorgan der Juden in Deutschland,\ndem Schieds- und Verwaltungsgericht, durch (unanfechtbares) Urteil vom\n13.03.2007 ( _a.a.O._ ) aufgehoben wurde. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| **3.1.1** Dieses eine innerreligionsgemeinschaftliche Angelegenheit\nbetreffende Urteil ist von staatlichen deutschen Behorden und Gerichten zu\nbeachten. Zu dem durch Art. 140 GG, 137 Abs. 3 WRV garantierten (staatsfreien)\nBereich der kirchlichen Selbstverwaltung und religiosen Selbstbestimmung\ngehort auch die innerkirchliche Gerichtsbarkeit in Angelegenheiten der\nreligiosen Selbstbestimmung ( _BGH, Urteil vom 11.02.2000, NJW 2000, 1555,\nm.w.N.; BVerwG, Urteil vom 21.11.1980, NJW 1981, 1972; OLG Frankfurt/M.,\nBeschluss vom 12.05.1999, NJW 1999, 3720; VG Neustadt/W., Urteil vom\n27.07.1998, NVwZ 1999, 797_ ) Da gegen dieses Urteil - unstreitig - keine\nRechtsmittel gegeben sind _( § 16 der Schiedsordnung des Schieds- und\nVerwaltungsgericht - im Folg.: Schiedsordnung -_ ), sind die Angriffe der\nBeigeladenen gegen das Verfahren, die Form und den Inhalt dieses Urteils sowie\ndie Besetzung des Gerichts ohne Bedeutung ( _zur grds. hinreichenden\nRechtsschutzgew ahrung in inneren Angelegenheiten der israelitischen\nReligionsgemeinschaften durch das Schieds- und Verwaltungsgericht vgl. VGH\nBad.-Wurtt., Beschluss vom 13.10.2005, a.a.O._ ). Entscheidungen autonomer\nkirchlicher Gerichte unterliegen nicht der Kontrolle durch die staatlichen\nGerichte, sie sind vielmehr fur die staatlichen Gerichte bindend ( _BGH,\nUrteil vom 11.02.2000, und OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.05.1999, jew.\na.a.O._ ). Der Kontrolle der staatlichen Gerichte ist auch die Ausgestaltung\ndes Verfahrens der kirchlichen (Verwaltungs-)Gerichtsbarkeit entzogen (\n_BVerwG, Urteil vom 21.11.1980, a.a.O._ ). Deshalb ist der Kammer eine Prufung\nder Einwendungen der Beigeladenen gegen das Urteil des Schieds- und\nVerwaltungsgerichts vom 13.03.2007 ( _a.a.O._ ) grundsatzlich verwehrt. Eine\nMissachtung dieses Urteils durch die Kammer wurde einen unzulassigen Eingriff\nin die Garantie der religiosen Selbstbestimmung und Selbstverwaltung der\njudischen/israelitischen Religionsgemeinschaften in Deutschland und damit\neinen Verstoß gegen Art. 140 GG, 137 Abs. 3 WRV darstellen. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Etwas anderes wurde nur dann gelten, wenn das Urteil des Schieds- und\nVerwaltungsgerichts vom 13.03.2007 ( _a.a.O._ ) gegen das Willkurverbot oder\ngegen fundamentale Rechtsprinzipien der deutschen Verfassungs- und\nRechtsordnung verstieße ( _BGH, Urteil vom 11.02.2000, a.a.O._ ). Davon kann\nim vorliegenden Fall jedoch nicht einmal im Ansatz die Rede sein. Allein der\nUmstand, dass das Schieds- und Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom\n13.03.2007 nicht ausdrucklich Schriftsatze des Beigeladenen erwahnt und auch\neinen Klageabweisungsantrag der Beigeladenen nicht als ausdrucklich, sondern\nnur als konkludent gestellt angesehen hat, wurde selbst bei Zugrundelegung\nstrengerer Maßstabe (wie nach der VwGO oder ZPO) wohl kaum zur Nichtigkeit des\nUrteils fuhren. Auch die Urteilsfindung durch drei Richter entspricht der\nmaßgeblichen Verfahrensordnung ( _§ 3 der Schiedsordnung_ ). Soweit § 15 Abs.\n3 der Satzung des Zentralrats der Juden in Deutschland (im Folg.: Satzung des\nZentralrats), auf der die innerreligiose Gerichtsbarkeit innerhalb der\njudischen/israelitischen Religionsgemeinschaften in Deutschland beruht,\nvorschreibt, dass das Schieds- und Verwaltungsgericht aus funf Mitgliedern\nbesteht, dass drei Mitglieder die Befahigung zum Richteramt haben oder\nRechtslehrer an einer Hochschule sein mussen und dass ein Mitglied der\ndeutschen Rabbinerkonferenz angehoren muss, vermag die Kammer keine\noffensichtliche Rechtswidrigkeit der Schiedsordnung zu erkennen. Denn zum\neinen ist der Vorrang des Gesetzes, auf den die Beigeladene sich insoweit\nkonkludent beruft, eine Regel der staatlichen Rechtsordnung, die nicht\nzwingend auf innerreligioses Recht, das dem staatlichen Zugriff entzogen ist,\nubertragen werden muss. Und zum anderen unterliegen innerreligiose\nRechtsvorschriften nicht zwingend den im staatlichen Recht geltenden\nAuslegungsregeln. Aber selbst wenn man auf die im Bereich der staatlichen\nRechtsordnung anerkannte Auslegung einer Vorschrift anhand des Wortlauts\nabstellen wurde, ergabe sich daraus nicht unbedingt ein Widerspruch zwischen §\n15 Abs. 3 der Satzung des Zentralrats und § 3 der Schiedsordnung. Denn § 15\nAbs. 3 der Satzung des Zentralrats regelt nur, wer dem Schieds- und\nVerwaltungsgericht angehoren muss, § 3 der Schiedsordnung hingegen, in welcher\nBesetzung das Schieds- und Verwaltungsgericht entscheidet. § 15 Abs. 3 der\nSatzung des Zentralrats entspricht insoweit in etwa dem § 5 Abs. 1 VwGO und §\n3 der Schiedsordnung dem § 5 Abs. 3 VwGO. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| **3.1.2** Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen war der\nin der Sitzung des Oberrats der Beigeladenen am 29.01.2006 beschlossene\nAusschluss der Klagerin aus der Beigeladenen der allein maßgebliche Grund fur\ndie angefochtene Entscheidung des Ministeriums vom 24.05.2006. Ohne diesen\nAusschluss hatte bereits der Beigeladene den Antrag an das Ministerium, der\nKlagerin die Rechtsstellung einer Korperschaft des offentlichen Rechts\nabzuerkennen, nicht gestellt. Das ergibt sich aus einer Gesamtschau der\nSchreiben der Beigeladenen an das Ministerium vom 03.02.2006 und vom\n04.04.2006. In diesen Schreiben kommt unzweideutig zum Ausdruck, dass nach\nAnsicht der Beigeladenen mit dem Ausschluss der Klagerin aus der Beigeladenen\nauch die Voraussetzungen einer Korperschaft des offentlichen Rechts nicht mehr\ngegeben seien und dass der Antrag der Beigeladenen, der Klagerin den\nKorperschaftsstatus abzuerkennen, eine Folge dieses Ausschlusses sei. Nur\ndiese Auslegung des Antrags der Beigeladenen ware mit der Satzung der\nBeigeladenen zu vereinbaren, deren § 3 Nr. 2 u. a. bestimmt, dass die\nbestehenden judischen/israelitischen Gemeinden in ... (ipso iure) den Status\neiner Korperschaft des offentlichen Rechts nach § 24 Abs. 1 KiStG Bad.-Wurtt.\nhaben. Damit bringt die Satzung der Beigeladenen zum Ausdruck, dass es nach\nihrem innerreligiosen Recht keine Gemeinde (als Untergliederung der\nBeigeladenen) geben soll, die nicht den Status einer Korperschaft des\noffentlichen Rechts besitzt. Nur ein Verlust der Gemeindeeigenschaft (z. B.\ndurch Ausschluss aus der Beigeladenen) soll danach einen Verlust des\nKorperschaftsstatus zur Folge haben. In diesem Sinne war der Antrag der\nBeigeladenen, der Klagerin den Korperschaftsstatus abzuerkennen, der Sache\nnach (im Sinne einer Bedingung) an den Tatbestand geknupft, dass die Klagerin\ndurch den Ausschluss aus der Beigeladenen die Eigenschaft einer Gemeinde der\nBeigeladenen verloren hat. Auch das Ministerium hatte den Antrag der\nBeigeladenen, der Klagerin den Korperschaftsstatus abzuerkennen, zunachst so\nverstanden, was in einem internen Vermerk zum Ausdruck kommt, demzufolge dem\nAntrag nicht stattgegeben werden sollte, nachdem das Gerucht aufgekommen war,\nder Ausschlussbeschluss der Beigeladenen vom 29.01.2006 sei vom\ninnerreligiosen Schieds- und Verwaltungsgericht aufgehoben worden. Dafur, dass\ndas Ministerium die Aberkennung der Korperschaftsrechte bei der Klagerin nur\nals Folge des Verlusts der Gemeindeeigenschaft verstanden hat, spricht auch\nder Wortlaut des angefochtenen Erlasses vom 24.05.2006. Im ersten Satz dieser\nEntscheidung wird ausgesprochen, dass das Ministerium der Klagerin mit Wirkung\nvom 29.01.2006, dem Datum des Ausschlussbeschlusses der Beigeladenen, die\nEigenschaft als Gemeinde der Beigeladenen aberkennt (ein Ausspruch, fur den\ndas Ministerium - auch auf der Grundlage seiner eigenen Rechtsauffassung -\nkeine Kompetenz besaß und der - bei wohlwollender Auslegung - nur als\nWiedergabe einer von der Beigeladenen zuvor getroffenen Entscheidung\nverstanden werden kann). Der zweite Satz liest sich demgegenuber wie die\nKlarstellung einer (automatischen) gesetzlichen Folge des Ausspruchs in Satz\n1, dass namlich "damit", das heißt mit dem Verlust der Gemeindeeigenschaft,\ndie Klagerin auch die Rechte einer Korperschaft des offentlichen Rechts\nverliert. Deutlicher kann die Verknupfung zwischen der Rechtsstellung der\nKlagerin als Gemeinde der Beigeladenen und als Korperschaft des offentlichen\nRechts nicht zum Ausdruck gebracht werden. Dass danach der Verlust des\nKorperschaftsstatus der Klagerin mit der Geltung ihres Ausschlusses aus der\nBeigeladenen steht und fallt, liegt auf der Hand. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Damit ist der angefochtenen Entscheidung des Ministeriums vom 24.05.2006 der\nBoden entzogen. Dieser fur die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung\nmaßgebliche Grund schlagt auch auf den Zeitpunkt des Erlasses dieser\nEntscheidung durch. Denn sowohl die Klagerin aus auch die Beigeladene sind als\nUntergliederungen des Zentralrats der Juden in Deutschland der Rechtsprechung\ndes vom Zentralrat eingerichteten Schieds- und Verwaltungsgerichts unterworfen\n_(vgl. hierzu auch VGH Bad.-W urtt., Beschluss vom 13.10.2005, a.a.O._ ).\nSolange der Ausschluss der Klagerin aus der Beigeladenen von diesem\ninnerreligionsgemeinschaftlichen Gericht (noch) aufgehoben werden konnte, wie\ndas schließlich mit dem genannten Urteil vom 13.03.2007 geschehen ist, hatte\nder Beklagte die angefochtene Entscheidung nicht erlassen durfen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| **3.2** Ein anderer rechtlich zulassiger Grund dafur, der Klagerin die\nRechte einer Korperschaft des offentlichen Rechts abzuerkennen, ist nicht\nersichtlich. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| **3.2.1** Soweit der Beklagte meint, ein solcher Grund sei allein in dem\nAntrag der insoweit allein entscheidungs- und dispositionsbefugten\nBeigeladenen zu sehen, verkennt sie den eigenstandigen Rechtsstatus, den die\nKlagerin durch die Anerkennung als Korperschaft des offentlichen Rechts\nerlangt hat, sowie die Anforderungen des Gesetzesvorbehalts ( _siehe oben\nII.1. und II.3._ ). Die gegenteilige Auffassung des Beklagten und der\nBeigeladenen, wonach nur Religionsgemeinschaften im Sinne von Art. 140 GG, 136\nff. WRV und nicht ihre Gemeinden als Untergliederung von\nReligionsgemeinschaften Trager von Rechten und Adressat staatlicher Maßnahmen\nsein konnen, ist zumindest dann nicht haltbar, wenn diese Gemeinden kraft\nstaatlichen Hoheitsakts die Rechtsstellung einer Korperschaft des offentlichen\nRechts erlangt haben. Denn damit erwerben diese Gemeinden zumindest partiell\neine eigenstandige Rechtsstellung auch und gerade im (staatlichen und\ngesellschaftlichen) Rechtsleben ( _siehe oben II.1._ ). Deshalb ist die\nAnerkennung bzw. die Aberkennung dieser Rechtsstellung kein rein\ninnerreligionsgemeinschaftlicher Vorgang. Die Auffassung des Beklagten und der\nBeigeladenen findet weder im Verfassungsrecht, auch nicht in Art. 140 GG, 136\nff. WRV, noch im einfachen Gesetzesrecht der Bundesrepublik Deutschland eine\nStutze. Im Gegenteil, die Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen ist\nauch mit Verfassungsrecht nicht zu vereinbaren. Denn dadurch ware die Klagerin\nder Willkur der Beigeladenen preisgegeben. Diese Auffassung wird ersichtlich\nauch in Literatur und Rechtsprechung zum Staatskirchenrecht nicht vertreten;\nauch der Beklagte und die Beigeladene haben im Lauf des gesamten Verfahrens\ninsoweit keine Nachweise zu erbringen vermocht. Eine andere Auffassung lasst\nsich auch nicht dem Bayerischen Kirchensteuergesetz entnehmen, das als\noffenbar einziges Landesgesetz außer der Korperschaftsanerkennung auch den\nWiderruf einer solchen Anerkennung spezialgesetzlich regelt. Auch nach diesem\nGesetz ist der Widerruf nur bei Vorliegen bestimmter\nTatbestandsvoraussetzungen und auch dann nur nach ordnungsgemaßer\nErmessensausubung, die das Ministerium im vorliegenden Fall ausdrucklich nicht\nvorgenommen hat, moglich. Soweit dort in Art. 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Bayer.\nKiStG geregelt ist, dass ein Widerruf u. a. dann ausgesprochen werden kann,\nwenn die Gemeinschaft dies beantragt, ergibt eine verfassungskonforme und auch\nam Wortlaut ausgerichtete Auslegung dieser Vorschrift, dass hiermit nur ein\nAntrag der Gemeinschaft gemeint sein kann, um deren Korperschaftsrechte es\ngeht, also um einen Selbstauflosungsantrag, und nicht um einen Antrag einer\nanderen bzw. ubergeordneten Organisationseinheit, also z. B. einer\nReligionsgemeinschaft als kirchlichem Landesverband (wie der Beigeladenen),\nauf Widerruf des Korperschaftsstatus einer (untergeordneten) kirchlichen\nGemeinde. Denn Art. 1 Bayer. KiStG unterscheidet an anderen Stellen\nbegrifflich zwischen Religionsgemeinschaften, Kirchen und weltanschaulichen\nGemeinschaften, so dass der Begriff der "Gemeinschaft" in Art. 1 Abs. 3 Satz 2\nNr. 1 Bayer. KiStG nicht als (Ersatz fur) "Religionsgemeinschaft", sondern nur\nals Oberbegriff fur alle drei genannten Gemeinschaften verstanden werden kann.\nDass der Antrag nach Art. 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Bayer. KiStG nur als\nSelbstauflosungsantrag im oben genannten Sinn zu verstehen ist, ergibt sich\nauch aus Art. 1 Abs. 4 Satz 1 Bayer. KiStG, wonach die Gemeinschaft mit dem\nEintritt der Unanfechtbarkeit des Widerrufs die Rechte einer Korperschaft des\noffentlichen Rechts verliert. Ware die Regelung in Art. 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1\nBayer. KiStG dagegen so zu verstehen, wie es der von dem Beklagten und der\nBeigeladenen (in Bezug auf die Rechtslage in Baden-Wurttemberg) vertretenen\nAuffassung entspricht, wurde diese Regelung - ubertragen auf den vorliegenden\nFall - zu dem unsinnigen Ergebnis fuhren, dass die Beigeladene zwar den Antrag\nauf Widerruf der Anerkennung der Klagerin als Korperschaft des offentlichen\nRechts stellen konnte, im Fall der Stattgabe dieses Antrags aber selbst (auch)\ndie Rechte einer Korperschaft des offentlichen Rechts verlore. Damit geht auch\ndas Bayerische Kirchensteuergesetz davon aus, dass die Stellung eines Antrags\nauf Widerruf der Korperschaftsanerkennung durch die ubergeordnete\nReligionsgemeinschaft (hier die Beigeladene) allein kein hinreichender Grund\nfur den Widerruf des Korperschaftsstatus einer Untergliederung dieser\nReligionsgemeinschaft (hier der Klagerin) sein kann. Aber selbst wenn eine\nAuslegung des Bayerischen Kirchensteuergesetzes zu einem anderen Ergebnis kame\nund es gelange, auch die verfassungsrechtlichen Bedenken zu uberwinden, ware\ndas daraus folgende Ergebnis nur eine Folge der spezialgesetzlichen Regelung\nin Bayern, die es in Baden-Wurttemberg gerade nicht gibt und die deshalb nicht\nauf Baden-Wurttemberg ubertragen werden konnte. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| **3.2.2** Daruber hinaus ist die Entscheidung des Ministeriums, der Klagerin\ndie Rechtsstellung einer Korperschaft des offentlichen Rechts abzuerkennen,\nnicht, wie der Beklagte meint, von einem Antrag der Beigeladenen gedeckt. Wie\nausgefuhrt, hat der Oberrat der Beigeladenen in seiner Sitzung am 29.01.2006\nnur beschlossen, die Klagerin aus ihren Reihen auszuschließen. Auf der\nGrundlage dieses Beschlusses ist die Beigeladene an das Ministerium\nherangetreten mit dem Antrag, wegen dieses Ausschlusses der Klagerin auch die\nKorperschaftsrechte abzuerkennen. Wie oben ausgefuhrt, war dieser Antrag\nuntrennbar verknupft mit der Ausschlussentscheidung. Durch Aufhebung dieses\nAusschlussbeschlusses mit Urteil des Schieds- und Verwaltungsgerichts vom\n13.03.2007 ( _a.a.O._ ) wurde diesem Antrag der Boden entzogen ( _siehe oben\nII.3.1.2_ ). Einen separaten (von dem Ausschlussbeschluss unabhangigen)\nBeschluss uber einen Antrag bei dem Beklagten, der Klagerin die\nKorperschaftsrechte abzuerkennen, hat es nicht gegeben; er ware auch mit § 3\nNr. 2 der Satzung der Beigeladenen kaum zu vereinbaren ( _siehe oben II.3.1.2_\n). Hatte die Beigeladene einen solchen Beschluss gefasst, ware dieser im\nÜbrigen wohl in gleicher Weise einer Überprufung durch das Schieds- und\nVerwaltungsgericht unterworfen wie der Beschluss uber den Ausschluss der\nKlagerin aus der Beigeladenen. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| **4.** Bei dieser Rechtslage konnen die sich daruber hinaus stellenden und\nzum Teil auch von den Beteiligten erorterten Fragen, ob die angefochtene\nEntscheidung des Ministeriums vom 24.05.2006 auch deshalb rechtswidrig und\naufzuheben ist, weil sie wegen der volligen Nichtbeteiligung der Klagerin an\ndem fur sie mit einem belastenden Verwaltungsakt endenden Verwaltungsverfahren\nan gravierenden, im konkreten Fall nicht geheilten Verfahrensfehlern ( _vgl.\nhierzu u. a. §§ 28, 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 LVwVfG; Kopp/Ramsauer, a.a.O.,\n§ 45 RdNr. 42 m.w.N._ ) oder, weil das Ministeriums sich fur gebunden gehalten\nhat, an einem Ermessensfehler leidet, hier dahingestellt bleiben. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 und 3, 155 Abs. 1 Satz 1\nVwGO. Da durch die Anrufung des unzustandigen Verwaltungsgerichts Stuttgart\nkeine zusatzlichen (gerichtlichen oder außergerichtlichen) Kosten entstanden\nsind, erubrigt sich insoweit eine Entscheidung nach § 17b Abs. 2 GVG. Die\nKammer sieht keinen Anlass, die Kostenentscheidung nach § 167 Abs. 2 VwGO fur\nvorlaufig vollstreckbar zu erklaren. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Die Zulassung der Berufung erfolgt wegen grundsatzlicher Bedeutung der\nRechtssache und beruht auf § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 20 \n--- \n| Die (unstreitig rechtzeitig erhobene) Klage ist als Anfechtungsklage ( _gem\naß § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO_ ) auch ohne Vorverfahren zulassig. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| **1.** Insbesondere ist die Klagerin nach § 61 VwGO beteiligtenfahig. Das\nergibt sich bereits aus § 61 Nr. 1 VwGO, weil die Klagerin als eine\njudische/israelitische Gemeinde, der durch statusbegrundenden Rechtsakt die\nEigenschaft einer Korperschaft des offentlichen Rechts zuerkannt wurde, eine\njuristische Person ist ( _vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 61\nRdNr. 6; Bier, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: April 2006, §\n61 RdNr. 4; OVG NW, Urteil vom 26.01.1983, NJW 1983, 2592, zu einer\nkatholischen Kirchengemeinde als Teilverband (Untergliederung] einer Diozese;\nJarass/Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 140 GG, 137 WRV RdNr. 11; Korioth, in:\nMaunz/Durig, Grundgesetz, Stand: Nov. 2006, Art. 140 GG, 137 WRV RdNrn. 69 und\n72, auch zu nach Inkrafttreten des Grundgesetzes "neukorporierten"\nKirchenkorperschaften_ ). In jedem Fall aber ist die Klagerin zumindest nach §\n61 Nr. 2 VwGO beteiligtenfahig. Nach dieser Vorschrift gelten auch\nnichtrechtsfahige Vereinigungen oder Organe bzw. Untergliederungen\nrechtsfahiger Personen, denen (nach materiellem Recht) ein Recht zustehen\nkann, als beteiligtenfahig ( _vgl. hierzu Kopp/Schenke, a.a.O., § 61 RdNrn. 8\nff.; Bier, a.a.O., § 61 RdNrn. 5 ff; die Beteiligtenfahigkeit der Klagerin im\nErg. ebenfalls bejahend: VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 13.10.2005, DÖV 2006,\n177 = VBlBW 2006, 108, betr. einen Rechtsstreit zwischen der Klagerin und der\nBeigeladenen_ ). Das gilt zumindest im Streit uber die Frage, ob diesen\nVereinigungen ein von ihnen in Anspruch genommenes Recht zusteht, dessen\nVerletzung von ihnen gerugt wird oder das ihnen bestritten oder entzogen\nworden ist ( _vgl. hierzu u. a. VG Freiburg, Urteil vom 02.02.2005, NVwZ-RR\n2006, 686, m.w.N., zur Zul assigkeit der Klage einer ehemals selbstandigen,\ndurch Eingemeindung als Rechtsperson untergegangenen Ortschaft, mit der Rechte\naus dem Eingemeindungsvertrag geltend gemacht werden_ ). Eine andere\nAuffassung wurde die betreffende Vereinigung (gerade in einem Streit uber ihre\nRechtsfahigkeit) rechtlos stellen und ware deshalb mit den Art. 19 Abs. 4, 20\nAbs. 3 und 92 GG nicht zu vereinbaren. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| **2.** Die Klagerin besitzt auch ein Rechtsschutzinteresse fur die erhobene\nAnfechtungsklage. Zwar spricht Einiges dafur, dass der Erlass des Ministeriums\nvom 24.05.2006 bei einem am Wortlaut orientierten Verstandnis dieser\nEntscheidung nach Ergehen des (unanfechtbaren) Urteils des Schieds- und\nVerwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland (im Folg.:\nSchieds- und Verwaltungsgericht) vom 13.03.2007 (Az: 003-2006), mit dem der\nAusschluss der Klagerin aus der Beigeladenen fur unwirksam erklart worden ist,\nim Hinblick auf die hier vor allem streitige Aberkennung des\nKorperschaftsstatus keine belastende Regelungswirkung mehr entfaltet. Denn\ndieser Ausspruch uber die Aberkennung des Korperschaftsstatus der Klagerin in\nSatz 2 dieses Erlasses ist danach keine eigenstandige Entscheidung, sondern\nwird dort nur im Sinne einer Folge des in Satz 1 ausgesprochenen Verlusts der\nEigenschaft einer Gemeinde der Beigeladenen "referiert" ( _N aheres hierzu\nunter II.3.1.2_ ). Deshalb durfte dieser Satz 2 mangels Regelungswirkung\nkeinen anfechtbaren Verwaltungsakt, sondern lediglich einen rechtlichen\nHinweis darstellen. Aber selbst wenn man in diesem Ausspruch einen belastenden\nVerwaltungsakt sahe, wie es offenbar alle Beteiligten tun, hatte er wegen der\nkausalen Verknupfung mit Satz 1 des Erlasses durch den Wegfall des\nAusschlusses der Klagerin aus der Beigeladenen und damit aufgrund des\nFortbestands der Klagerin als Gemeinde der Beigeladenen nach der gebotenen am\nobjektiven Empfangerhorizont orientierten Auslegung ( _vgl. Kopp/Ramsauer,\nVwVfG, 9. Aufl. 2005, § 35 RdNrn. 18 ff. m.w.N._ ) wohl seine Wirkung\nverloren. Ob die Klagerin danach ihr Begehren eigentlich durch eine Klage auf\nFeststellung der Unwirksamkeit einer Aberkennung ihres Korperschaftsstatus\nhatte verfolgen konnen oder mussen, kann hier jedoch dahingestellt bleiben.\nDenn immerhin erzeugt der Erlass des Ministeriums vom 24.05.2006 den\nRechtsschein eines weiterhin wirksamen Verwaltungsakts uber die Aberkennung\nder Rechte einer Korperschaft des offentlichen Rechts, der anerkanntermaßen\nauch im Wege einer Anfechtungsklage beseitigt werden kann ( _Kopp/Ramsauer,\na.a.O. § 43 RdNr. 48 m.w.N._ ). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| **3.** Soweit man nach den Ausfuhrungen im vorstehenden Absatz den durch den\nAusspruch in Satz 2 des Erlasses des Ministeriums vom 24.05.2006 erzeugten\nRechtsschein im Rahmen der Anfechtungsklage einer belastenden Regelung\ngleichstellt, stellt dieser Ausspruch als actus contrarius zur\nstatusbegrundenden Anerkennung als Korperschaft des offentlichen Rechts (\n_vgl. hierzu Korioth, a.a.O., Art. 140 GG, 137 WRV RdNr. 72; BVerwG, Urteil\nvom 15.10.1997, NJW 1998, 253_ ) auch einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35\nLVwVfG dar ( _Korioth, a.a.O., Art. 140 GG, 137 WRV RdNr. 81;\nWolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Band 3, 5. Aufl. 2004, § 87 RdNrn. 36\nff.; zu den so genannten Organisationsakten vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 35\nRdNrn. 94 ff._ ). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| **4.** Die Klagerin ist im Verfahren gegen diesen Verwaltungsakt, der ihre\nAuflosung als Korperschaft des offentlichen Rechts zum Inhalt hat, auch\nklagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Das gilt unabhangig davon, ob der\nBeklagte die angefochtene Entscheidung auch formlich an die Klagerin\nadressiert hat und ob die Klagerin am vorausgegangenen Verwaltungsverfahren\nbeteiligt war ( _Kopp/Schenke, a.a.O., § 42 RdNr. 72_ ). Denn materiell\nbetroffen von dieser Entscheidung ist in erster Linie die Klagerin; sie ist\ndamit im materiellen Sinn auch die eigentliche Adressatin dieses\nVerwaltungsakts. Das ergibt sich auch aus der in der Rechtsordnung anerkannten\nRechtsfigur des Verwaltungsakts mit Drittwirkung ( _siehe u. a. § 80a VwGO_ ).\nBei der von der Klagerin angefochtenen Entscheidung der Beklagten handelt es\nsich um einen solchen Verwaltungsakt mit Drittwirkung, der sich gerade dadurch\nauszeichnet, dass er belastende Rechtswirkungen gegenuber anderen Personen\nbzw. Vereinigungen im Sinne von § 61 Nrn. 1 und 2 VwGO erzeugt als denen, an\ndie er adressiert ist ( _vgl. hierzu Kopp/Schenke, a.a.O., § 80a RdNrn. 1 f._\n). \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Klage ist auch begrundet. Der Erlass des Ministeriums fur Kultus, Jugend\nund Sport ... vom 24.05.2006, bekannt gemacht am 17.07.2006 ( _K.u.U. 2006,\n246_ ), ist rechtswidrig und verletzt die Klagerin in ihren Rechten _( § 113\nAbs. 1 Satz 1 VwGO_ ). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| **1.** Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klagerin\naktivlegitimiert. Durch die Anerkennungsentscheidung vom 26.08.1988 (\n_K.u.U.1988, 755_ ) hat der Beklagte die Klagerin als Korperschaft des\noffentlichen Rechts mit eigenen Rechten und Pflichten "geschaffen" und ihr\ndamit in gleicher Weise Rechtsfahigkeit verliehen, wie wenn sie als\nrechtsfahiger Verein des burgerlichen Rechts Rechtsfahigkeit erlangt hatte (\n_vgl. hierzu Korioth, a.a.O, Art. 140 GG, 137 WRV RdNrn. 59 f., 66, 69 und 72;\nWolff/Bachof/Stober, a.a.O., Band 1, 11. Aufl. 1999, § 34 RdNrn. 6 f., sowie\nBand 3, 5. Aufl. 2004, § 83 RdNrn. 116 ff. und § 87 RdNrn. 16 ff._ ). In\ndieser Eigenschaft steht sie im Rechtsleben neben der Beigeladenen. Dabei\nkommt es hier nicht darauf an, ob die Klagerin durch ihre Anerkennung als\nKorperschaft des offentlichen Rechts umfassend oder nur partiell mit eigenen\nRechten und Pflichten ausgestattet wurde, insbesondere ob ihre Rechtsstellung\nim Verhaltnis zu staatlichen Stellen den gleichen Rang und Umfang hat wie die\nder Beigeladenen und ob ihre Rechtsstellung auch aus Art. 140 GG, 137 WRV\nabgeleitet werden kann ( _Vieles spricht allerdings daf ur, dass den\nKirchengemeinden, soweit sie - wie die Klagerin - Korperschaften des\noffentlichen Rechts sind, und nicht nur den ubergeordneten\nReligionsgemeinschaften [bei den katholischen und evangelischen Kirchen: den\nDiozesen und den Landeskirchen] zumindest die Rechte aus Art. 140 GG, 137 Abs.\n6 WRV zustehen, vgl. Korioth, a.a.O., Art. 140 GG, 137 WRV RdNr. 100_ ).\nJedenfalls beruht ihre Rechtsstellung als Korperschaft des offentlichen Rechts\nauf § 24 Abs. 1 Satz 1 KiStG Bad.-Wurtt.. Damit kommen der Klagerin zumindest\ndie einer Kirchengemeinde nach dem Kirchensteuerrecht zugesprochenen Rechte\nund Pflichten zu ( _vgl. insbes. §§ 1 Abs. 1 und 2, 11, 16 KiStG Bad.-Wurtt._\n). Soweit diese Rechtsstellung reicht, ist es ohne Bedeutung, dass die\nKlagerin keine so genannte altkorporierte Religionsgesellschaft im Sinne von\nArt. 140 GG, 137 Abs. 5 Satz 1 WRV, das heißt nicht eine bei Inkrafttreten der\nWeimarer Reichsverfassung bereits bestehende Religionsgemeinschaft (wie die\nBeigeladene), ist. Im Hinblick auf ihre Rechtsfahigkeit, das heißt ihre\nFahigkeit, Trager von Rechten und Pflichten zu sein, unterscheiden sich die so\ngenannten altkorporierten Religionsgemeinschaften im Grundsatz nicht von den\nso genannten neukorporierten, die erst spater, zum Teil erst nach\nInkrafttreten des Grundgesetzes, durch statusbegrundenden Rechtsakt als\njuristische Personen geschaffen wurden, wie das im Fall der Klagerin mit ihrer\nAnerkennung als Korperschaft des offentlichen Rechts im Jahr 1988 geschehen\nist ( _vgl. hierzu Korioth, a.a.O., Art. 140 GG, 137 WRV RdNrn. 70 ff._ ). Als\nTragerin der ihr zuerkannten Rechte und Pflichten kann die Klagerin in ihrer\nEigenschaft als Korperschaft des offentlichen Rechts auch selbstandig vor\ndeutschen (staatlichen) Gerichten klagen und verklagt werden ( _vgl. u. a. OLG\nNaumburg, Urteil vom 11.09.1997, NJW 1998, 3060; VG Neustadt/W, Urteile vom\n27.07.1998, NVwZ 1999, 796 und 797_ ). Im Übrigen belegt ein in den Akten des\nMinisteriums befindlicher Briefwechsel zwischen dem Ministerium und der Stadt\n..., aus dem sich ergibt, dass die Klagerin im Jugendhilfeausschuss der Stadt\n... vertreten ist, diese Vertretung aber von dem Rechtsstatus der Klagerin\nabhangt, dass die Rechtsstellung der Klagerin als Korperschaft des\noffentlichen Rechts offenbar mit weitergehenden uber das Kirchensteuerrecht\nhinausgehenden Rechten und Pflichten verbunden ist. Danach tritt die Klagerin\nauch staatlichen Stellen als Inhaberin von Rechten gegenuber. Diese\nRechtsstellung verlore die Klagerin, wenn der angefochtene Erlass des\nMinisteriums vom 24.05.2006 Bestand hatte. Danach kann ihre Aktivlegitimation\nzumindest in Streitigkeiten (wie hier), in denen es um den Verlust dieses\nKorperschaftsstatus geht, nicht verneint werden. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Dass die Klagerin, was sie selbst nicht bestreitet, Mitglied der\nBeigeladenen und nach deren Satzung (nur) eine Untergliederung von ihr ist,\nandert daran nichts (vgl. auch hierzu _VGH Bad.-W urtt., Beschluss vom\n13.10.2005, a.a.O_ .). Auch der Umstand, dass die Klagerin bei ihrer\nAnerkennung als Korperschaft des offentlichen Rechts selbst nicht beteiligt\nwar, sondern diese nur auf Antrag der Beigeladenen hin erfolgte, spricht\nentgegen der Auffassung des Beklagten nicht gegen die fortan gegebene\nRechtsfahigkeit der Klagerin. Denn dass (juristische) Personen bei ihrer\nGrundung selbst noch nicht existent waren und deshalb nicht daran mitwirken\nkonnten, der Grundungakt deshalb haufig ein einseitiger Hoheitsakt ist, ist\ngeradezu selbstverstandlich, andert jedoch nichts an ihrer durch den\nGrundungsakt bewirkten Rechtsfahigkeit und Eigenstandigkeit der neu\ngeschaffenen juristischen Person ( _Wolff/Bachof/Stober, a.a.O., Band 1, § 34\nRdNrn. 6 f._ ). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| **2.** Soweit sich die Klage (bei wortlicher Auslegung des Klageantrags)\nauch gegen den Ausspruch in Satz 1 des Erlasses des Ministerium vom 24.05.2006\nrichtet, ist sie ohne Weiteres begrundet. Fur die dort getroffene\nEntscheidung, soweit sie vom Ministerium uberhaupt beabsichtigt war, der\nKlagerin mit Wirkung vom 29.01.2006 die Eigenschaft als Gemeinde der\nBeigeladenen abzuerkennen, fehlt einer staatlichen Behorde die Kompetenz.\nVielmehr fallt die innere Organisation von Religionsgemeinschaften\neinschließlich der Bildung von (religiosen) Gemeinden in den von Art. 140 GG,\n137 WRV gewahrleisteten Bereich der Selbstverwaltung und Selbstbestimmung der\nReligionsgemeinschaften. Das ist zwischen den Beteiligten im Grunde nicht\nstreitig und bedarf deshalb keiner weiteren Begrundung. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| **3.** Der in Satz 2 des Erlasses vom 24.05.2006 ausgesprochene Verlust des\nKorperschaftsstatus, gegen den sich die Klage der Sache nach im Wesentlichen\nrichtet, kann ebenso wie der Entzug einer privatrechtlich begrundeten\nRechtsfahigkeit nur durch oder aufgrund eines Gesetzes ausgesprochen werden.\nDas ergibt sich aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Gesetzesvorbehalts (\n_allgem.: Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 20 RdNrn. 44 ff. m.w.N.; zum Entzug des\nK orperschaftsstatus von Religionsgemeinschaften und Kirchengemeinden:\nKorioth, Art. 140 GG, 137 WRV RdNrn. 60 und 82 m.w.N._ ). Allein der Antrag\neiner anderen Korperschaft des offentlichen Rechts und sei es der\nKorperschaft, zu der die vom Entzug ihrer Korperschaftsrechte "bedrohte"\nKorperschaft in einem Mitgliedschafts- und Untergliederungsverhaltnis steht,\nreicht entgegen der Auffassung des Beklagten fur eine solche Entscheidung\nnicht aus. Denn durch den Grundungsakt ist eine (neue) juristische Person\ngeschaffen worden, die nicht zur volligen Disposition der "ubergeordneten"\nKorperschaft steht; das gilt selbst dann, wenn die Grundung nur auf Antrag\ndieser Korperschaft zustande kam. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Als Rechtsgrundlage fur einen solchen Entzug des Korperschaftsstatus kommen,\nda in Baden-Wurttemberg ( _anders als z. B. in Bayern; vgl. dort Art. 1 Abs. 3\nbis 5 Bayer. KiStG_ ), spezielle Regelungen zur Rucknahme und zum Widerruf der\nAnerkennung von Religionsgemeinschaften und Kirchengemeinden als\nKorperschaften des offentlichen Rechts fehlen, hier nur die (allgemeinen\nRegelungen in den) §§ 48, 49 LVwVfG in Betracht, im konkreten Fall, da die\nAnerkennung der Klagerin als Korperschaft des offentlichen Rechts im Jahr 1988\nunstreitig rechtmaßig war, § 49 LVwVfG. Dabei ist die Rechtsgrundlage fur den\nWiderruf der Anerkennungsentscheidung wegen der Vorgaben aus Art. 140 GG, 137\nWRV verfassungskonform einschrankend auszulegen. Ein solcher Widerruf wird,\nabgesehen von sonstigen Voraussetzungen, danach schon tatbestandsmaßig\nentweder nur in Frage kommen, wenn schon die Verleihung des\nKorperschaftsstatus gegen Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV verstieß, dieser Verstoß\nspater eingetreten ist oder wenn die Religionsgemeinschaft oder die Gemeinde,\num die es geht, die erforderlichen Mitglieder verloren hat oder sich aus\nanderen Grunden aufgelost hat oder aufgelost worden ist ( _Korioth, Art. 140\nGG, 137 WRV RdNrn. 81 f. m.w.N.; Wolff/Bachof/Stober, a.a.O., Band 1, § 34\nRdNr. 19, sowie Band 3, § 87 RdNr. 21)_ . \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| **3.1** Hier kommt als Widerrufsgrund nur eine Auflosung der Klagerin durch\nden Beschluss des Oberrats der Beigeladenen vom 29.01.2006 in Betracht. Denn\nware die Klagerin aufgrund dieses Beschlusses tatsachlich aus der Beigeladenen\nausgeschlossen und damit als Untergliederung der Beigeladenen aufgelost\nworden, ware voraussichtlich auch ein Grund fur die Aberkennung ihres Status\nals Korperschaft des offentlichen Rechts gegeben, da eine Korperschaft als\n"leere Hulle" nicht bestehen kann (so _Korioth, Art. 140 GG, 137 WRV RdNr. 81\nm.w.N._ ). Doch scheidet ein solcher Widerrufsgrund im vorliegenden Fall aus,\nda der Beschluss des Oberrats der Beigeladenen vom 29.01.2006 durch das\ninnerreligionsgemeinschaftliche Rechtsprechungsorgan der Juden in Deutschland,\ndem Schieds- und Verwaltungsgericht, durch (unanfechtbares) Urteil vom\n13.03.2007 ( _a.a.O._ ) aufgehoben wurde. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| **3.1.1** Dieses eine innerreligionsgemeinschaftliche Angelegenheit\nbetreffende Urteil ist von staatlichen deutschen Behorden und Gerichten zu\nbeachten. Zu dem durch Art. 140 GG, 137 Abs. 3 WRV garantierten (staatsfreien)\nBereich der kirchlichen Selbstverwaltung und religiosen Selbstbestimmung\ngehort auch die innerkirchliche Gerichtsbarkeit in Angelegenheiten der\nreligiosen Selbstbestimmung ( _BGH, Urteil vom 11.02.2000, NJW 2000, 1555,\nm.w.N.; BVerwG, Urteil vom 21.11.1980, NJW 1981, 1972; OLG Frankfurt/M.,\nBeschluss vom 12.05.1999, NJW 1999, 3720; VG Neustadt/W., Urteil vom\n27.07.1998, NVwZ 1999, 797_ ) Da gegen dieses Urteil - unstreitig - keine\nRechtsmittel gegeben sind _( § 16 der Schiedsordnung des Schieds- und\nVerwaltungsgericht - im Folg.: Schiedsordnung -_ ), sind die Angriffe der\nBeigeladenen gegen das Verfahren, die Form und den Inhalt dieses Urteils sowie\ndie Besetzung des Gerichts ohne Bedeutung ( _zur grds. hinreichenden\nRechtsschutzgew ahrung in inneren Angelegenheiten der israelitischen\nReligionsgemeinschaften durch das Schieds- und Verwaltungsgericht vgl. VGH\nBad.-Wurtt., Beschluss vom 13.10.2005, a.a.O._ ). Entscheidungen autonomer\nkirchlicher Gerichte unterliegen nicht der Kontrolle durch die staatlichen\nGerichte, sie sind vielmehr fur die staatlichen Gerichte bindend ( _BGH,\nUrteil vom 11.02.2000, und OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.05.1999, jew.\na.a.O._ ). Der Kontrolle der staatlichen Gerichte ist auch die Ausgestaltung\ndes Verfahrens der kirchlichen (Verwaltungs-)Gerichtsbarkeit entzogen (\n_BVerwG, Urteil vom 21.11.1980, a.a.O._ ). Deshalb ist der Kammer eine Prufung\nder Einwendungen der Beigeladenen gegen das Urteil des Schieds- und\nVerwaltungsgerichts vom 13.03.2007 ( _a.a.O._ ) grundsatzlich verwehrt. Eine\nMissachtung dieses Urteils durch die Kammer wurde einen unzulassigen Eingriff\nin die Garantie der religiosen Selbstbestimmung und Selbstverwaltung der\njudischen/israelitischen Religionsgemeinschaften in Deutschland und damit\neinen Verstoß gegen Art. 140 GG, 137 Abs. 3 WRV darstellen. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Etwas anderes wurde nur dann gelten, wenn das Urteil des Schieds- und\nVerwaltungsgerichts vom 13.03.2007 ( _a.a.O._ ) gegen das Willkurverbot oder\ngegen fundamentale Rechtsprinzipien der deutschen Verfassungs- und\nRechtsordnung verstieße ( _BGH, Urteil vom 11.02.2000, a.a.O._ ). Davon kann\nim vorliegenden Fall jedoch nicht einmal im Ansatz die Rede sein. Allein der\nUmstand, dass das Schieds- und Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom\n13.03.2007 nicht ausdrucklich Schriftsatze des Beigeladenen erwahnt und auch\neinen Klageabweisungsantrag der Beigeladenen nicht als ausdrucklich, sondern\nnur als konkludent gestellt angesehen hat, wurde selbst bei Zugrundelegung\nstrengerer Maßstabe (wie nach der VwGO oder ZPO) wohl kaum zur Nichtigkeit des\nUrteils fuhren. Auch die Urteilsfindung durch drei Richter entspricht der\nmaßgeblichen Verfahrensordnung ( _§ 3 der Schiedsordnung_ ). Soweit § 15 Abs.\n3 der Satzung des Zentralrats der Juden in Deutschland (im Folg.: Satzung des\nZentralrats), auf der die innerreligiose Gerichtsbarkeit innerhalb der\njudischen/israelitischen Religionsgemeinschaften in Deutschland beruht,\nvorschreibt, dass das Schieds- und Verwaltungsgericht aus funf Mitgliedern\nbesteht, dass drei Mitglieder die Befahigung zum Richteramt haben oder\nRechtslehrer an einer Hochschule sein mussen und dass ein Mitglied der\ndeutschen Rabbinerkonferenz angehoren muss, vermag die Kammer keine\noffensichtliche Rechtswidrigkeit der Schiedsordnung zu erkennen. Denn zum\neinen ist der Vorrang des Gesetzes, auf den die Beigeladene sich insoweit\nkonkludent beruft, eine Regel der staatlichen Rechtsordnung, die nicht\nzwingend auf innerreligioses Recht, das dem staatlichen Zugriff entzogen ist,\nubertragen werden muss. Und zum anderen unterliegen innerreligiose\nRechtsvorschriften nicht zwingend den im staatlichen Recht geltenden\nAuslegungsregeln. Aber selbst wenn man auf die im Bereich der staatlichen\nRechtsordnung anerkannte Auslegung einer Vorschrift anhand des Wortlauts\nabstellen wurde, ergabe sich daraus nicht unbedingt ein Widerspruch zwischen §\n15 Abs. 3 der Satzung des Zentralrats und § 3 der Schiedsordnung. Denn § 15\nAbs. 3 der Satzung des Zentralrats regelt nur, wer dem Schieds- und\nVerwaltungsgericht angehoren muss, § 3 der Schiedsordnung hingegen, in welcher\nBesetzung das Schieds- und Verwaltungsgericht entscheidet. § 15 Abs. 3 der\nSatzung des Zentralrats entspricht insoweit in etwa dem § 5 Abs. 1 VwGO und §\n3 der Schiedsordnung dem § 5 Abs. 3 VwGO. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| **3.1.2** Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen war der\nin der Sitzung des Oberrats der Beigeladenen am 29.01.2006 beschlossene\nAusschluss der Klagerin aus der Beigeladenen der allein maßgebliche Grund fur\ndie angefochtene Entscheidung des Ministeriums vom 24.05.2006. Ohne diesen\nAusschluss hatte bereits der Beigeladene den Antrag an das Ministerium, der\nKlagerin die Rechtsstellung einer Korperschaft des offentlichen Rechts\nabzuerkennen, nicht gestellt. Das ergibt sich aus einer Gesamtschau der\nSchreiben der Beigeladenen an das Ministerium vom 03.02.2006 und vom\n04.04.2006. In diesen Schreiben kommt unzweideutig zum Ausdruck, dass nach\nAnsicht der Beigeladenen mit dem Ausschluss der Klagerin aus der Beigeladenen\nauch die Voraussetzungen einer Korperschaft des offentlichen Rechts nicht mehr\ngegeben seien und dass der Antrag der Beigeladenen, der Klagerin den\nKorperschaftsstatus abzuerkennen, eine Folge dieses Ausschlusses sei. Nur\ndiese Auslegung des Antrags der Beigeladenen ware mit der Satzung der\nBeigeladenen zu vereinbaren, deren § 3 Nr. 2 u. a. bestimmt, dass die\nbestehenden judischen/israelitischen Gemeinden in ... (ipso iure) den Status\neiner Korperschaft des offentlichen Rechts nach § 24 Abs. 1 KiStG Bad.-Wurtt.\nhaben. Damit bringt die Satzung der Beigeladenen zum Ausdruck, dass es nach\nihrem innerreligiosen Recht keine Gemeinde (als Untergliederung der\nBeigeladenen) geben soll, die nicht den Status einer Korperschaft des\noffentlichen Rechts besitzt. Nur ein Verlust der Gemeindeeigenschaft (z. B.\ndurch Ausschluss aus der Beigeladenen) soll danach einen Verlust des\nKorperschaftsstatus zur Folge haben. In diesem Sinne war der Antrag der\nBeigeladenen, der Klagerin den Korperschaftsstatus abzuerkennen, der Sache\nnach (im Sinne einer Bedingung) an den Tatbestand geknupft, dass die Klagerin\ndurch den Ausschluss aus der Beigeladenen die Eigenschaft einer Gemeinde der\nBeigeladenen verloren hat. Auch das Ministerium hatte den Antrag der\nBeigeladenen, der Klagerin den Korperschaftsstatus abzuerkennen, zunachst so\nverstanden, was in einem internen Vermerk zum Ausdruck kommt, demzufolge dem\nAntrag nicht stattgegeben werden sollte, nachdem das Gerucht aufgekommen war,\nder Ausschlussbeschluss der Beigeladenen vom 29.01.2006 sei vom\ninnerreligiosen Schieds- und Verwaltungsgericht aufgehoben worden. Dafur, dass\ndas Ministerium die Aberkennung der Korperschaftsrechte bei der Klagerin nur\nals Folge des Verlusts der Gemeindeeigenschaft verstanden hat, spricht auch\nder Wortlaut des angefochtenen Erlasses vom 24.05.2006. Im ersten Satz dieser\nEntscheidung wird ausgesprochen, dass das Ministerium der Klagerin mit Wirkung\nvom 29.01.2006, dem Datum des Ausschlussbeschlusses der Beigeladenen, die\nEigenschaft als Gemeinde der Beigeladenen aberkennt (ein Ausspruch, fur den\ndas Ministerium - auch auf der Grundlage seiner eigenen Rechtsauffassung -\nkeine Kompetenz besaß und der - bei wohlwollender Auslegung - nur als\nWiedergabe einer von der Beigeladenen zuvor getroffenen Entscheidung\nverstanden werden kann). Der zweite Satz liest sich demgegenuber wie die\nKlarstellung einer (automatischen) gesetzlichen Folge des Ausspruchs in Satz\n1, dass namlich "damit", das heißt mit dem Verlust der Gemeindeeigenschaft,\ndie Klagerin auch die Rechte einer Korperschaft des offentlichen Rechts\nverliert. Deutlicher kann die Verknupfung zwischen der Rechtsstellung der\nKlagerin als Gemeinde der Beigeladenen und als Korperschaft des offentlichen\nRechts nicht zum Ausdruck gebracht werden. Dass danach der Verlust des\nKorperschaftsstatus der Klagerin mit der Geltung ihres Ausschlusses aus der\nBeigeladenen steht und fallt, liegt auf der Hand. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Damit ist der angefochtenen Entscheidung des Ministeriums vom 24.05.2006 der\nBoden entzogen. Dieser fur die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung\nmaßgebliche Grund schlagt auch auf den Zeitpunkt des Erlasses dieser\nEntscheidung durch. Denn sowohl die Klagerin aus auch die Beigeladene sind als\nUntergliederungen des Zentralrats der Juden in Deutschland der Rechtsprechung\ndes vom Zentralrat eingerichteten Schieds- und Verwaltungsgerichts unterworfen\n_(vgl. hierzu auch VGH Bad.-W urtt., Beschluss vom 13.10.2005, a.a.O._ ).\nSolange der Ausschluss der Klagerin aus der Beigeladenen von diesem\ninnerreligionsgemeinschaftlichen Gericht (noch) aufgehoben werden konnte, wie\ndas schließlich mit dem genannten Urteil vom 13.03.2007 geschehen ist, hatte\nder Beklagte die angefochtene Entscheidung nicht erlassen durfen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| **3.2** Ein anderer rechtlich zulassiger Grund dafur, der Klagerin die\nRechte einer Korperschaft des offentlichen Rechts abzuerkennen, ist nicht\nersichtlich. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| **3.2.1** Soweit der Beklagte meint, ein solcher Grund sei allein in dem\nAntrag der insoweit allein entscheidungs- und dispositionsbefugten\nBeigeladenen zu sehen, verkennt sie den eigenstandigen Rechtsstatus, den die\nKlagerin durch die Anerkennung als Korperschaft des offentlichen Rechts\nerlangt hat, sowie die Anforderungen des Gesetzesvorbehalts ( _siehe oben\nII.1. und II.3._ ). Die gegenteilige Auffassung des Beklagten und der\nBeigeladenen, wonach nur Religionsgemeinschaften im Sinne von Art. 140 GG, 136\nff. WRV und nicht ihre Gemeinden als Untergliederung von\nReligionsgemeinschaften Trager von Rechten und Adressat staatlicher Maßnahmen\nsein konnen, ist zumindest dann nicht haltbar, wenn diese Gemeinden kraft\nstaatlichen Hoheitsakts die Rechtsstellung einer Korperschaft des offentlichen\nRechts erlangt haben. Denn damit erwerben diese Gemeinden zumindest partiell\neine eigenstandige Rechtsstellung auch und gerade im (staatlichen und\ngesellschaftlichen) Rechtsleben ( _siehe oben II.1._ ). Deshalb ist die\nAnerkennung bzw. die Aberkennung dieser Rechtsstellung kein rein\ninnerreligionsgemeinschaftlicher Vorgang. Die Auffassung des Beklagten und der\nBeigeladenen findet weder im Verfassungsrecht, auch nicht in Art. 140 GG, 136\nff. WRV, noch im einfachen Gesetzesrecht der Bundesrepublik Deutschland eine\nStutze. Im Gegenteil, die Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen ist\nauch mit Verfassungsrecht nicht zu vereinbaren. Denn dadurch ware die Klagerin\nder Willkur der Beigeladenen preisgegeben. Diese Auffassung wird ersichtlich\nauch in Literatur und Rechtsprechung zum Staatskirchenrecht nicht vertreten;\nauch der Beklagte und die Beigeladene haben im Lauf des gesamten Verfahrens\ninsoweit keine Nachweise zu erbringen vermocht. Eine andere Auffassung lasst\nsich auch nicht dem Bayerischen Kirchensteuergesetz entnehmen, das als\noffenbar einziges Landesgesetz außer der Korperschaftsanerkennung auch den\nWiderruf einer solchen Anerkennung spezialgesetzlich regelt. Auch nach diesem\nGesetz ist der Widerruf nur bei Vorliegen bestimmter\nTatbestandsvoraussetzungen und auch dann nur nach ordnungsgemaßer\nErmessensausubung, die das Ministerium im vorliegenden Fall ausdrucklich nicht\nvorgenommen hat, moglich. Soweit dort in Art. 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Bayer.\nKiStG geregelt ist, dass ein Widerruf u. a. dann ausgesprochen werden kann,\nwenn die Gemeinschaft dies beantragt, ergibt eine verfassungskonforme und auch\nam Wortlaut ausgerichtete Auslegung dieser Vorschrift, dass hiermit nur ein\nAntrag der Gemeinschaft gemeint sein kann, um deren Korperschaftsrechte es\ngeht, also um einen Selbstauflosungsantrag, und nicht um einen Antrag einer\nanderen bzw. ubergeordneten Organisationseinheit, also z. B. einer\nReligionsgemeinschaft als kirchlichem Landesverband (wie der Beigeladenen),\nauf Widerruf des Korperschaftsstatus einer (untergeordneten) kirchlichen\nGemeinde. Denn Art. 1 Bayer. KiStG unterscheidet an anderen Stellen\nbegrifflich zwischen Religionsgemeinschaften, Kirchen und weltanschaulichen\nGemeinschaften, so dass der Begriff der "Gemeinschaft" in Art. 1 Abs. 3 Satz 2\nNr. 1 Bayer. KiStG nicht als (Ersatz fur) "Religionsgemeinschaft", sondern nur\nals Oberbegriff fur alle drei genannten Gemeinschaften verstanden werden kann.\nDass der Antrag nach Art. 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Bayer. KiStG nur als\nSelbstauflosungsantrag im oben genannten Sinn zu verstehen ist, ergibt sich\nauch aus Art. 1 Abs. 4 Satz 1 Bayer. KiStG, wonach die Gemeinschaft mit dem\nEintritt der Unanfechtbarkeit des Widerrufs die Rechte einer Korperschaft des\noffentlichen Rechts verliert. Ware die Regelung in Art. 1 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1\nBayer. KiStG dagegen so zu verstehen, wie es der von dem Beklagten und der\nBeigeladenen (in Bezug auf die Rechtslage in Baden-Wurttemberg) vertretenen\nAuffassung entspricht, wurde diese Regelung - ubertragen auf den vorliegenden\nFall - zu dem unsinnigen Ergebnis fuhren, dass die Beigeladene zwar den Antrag\nauf Widerruf der Anerkennung der Klagerin als Korperschaft des offentlichen\nRechts stellen konnte, im Fall der Stattgabe dieses Antrags aber selbst (auch)\ndie Rechte einer Korperschaft des offentlichen Rechts verlore. Damit geht auch\ndas Bayerische Kirchensteuergesetz davon aus, dass die Stellung eines Antrags\nauf Widerruf der Korperschaftsanerkennung durch die ubergeordnete\nReligionsgemeinschaft (hier die Beigeladene) allein kein hinreichender Grund\nfur den Widerruf des Korperschaftsstatus einer Untergliederung dieser\nReligionsgemeinschaft (hier der Klagerin) sein kann. Aber selbst wenn eine\nAuslegung des Bayerischen Kirchensteuergesetzes zu einem anderen Ergebnis kame\nund es gelange, auch die verfassungsrechtlichen Bedenken zu uberwinden, ware\ndas daraus folgende Ergebnis nur eine Folge der spezialgesetzlichen Regelung\nin Bayern, die es in Baden-Wurttemberg gerade nicht gibt und die deshalb nicht\nauf Baden-Wurttemberg ubertragen werden konnte. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| **3.2.2** Daruber hinaus ist die Entscheidung des Ministeriums, der Klagerin\ndie Rechtsstellung einer Korperschaft des offentlichen Rechts abzuerkennen,\nnicht, wie der Beklagte meint, von einem Antrag der Beigeladenen gedeckt. Wie\nausgefuhrt, hat der Oberrat der Beigeladenen in seiner Sitzung am 29.01.2006\nnur beschlossen, die Klagerin aus ihren Reihen auszuschließen. Auf der\nGrundlage dieses Beschlusses ist die Beigeladene an das Ministerium\nherangetreten mit dem Antrag, wegen dieses Ausschlusses der Klagerin auch die\nKorperschaftsrechte abzuerkennen. Wie oben ausgefuhrt, war dieser Antrag\nuntrennbar verknupft mit der Ausschlussentscheidung. Durch Aufhebung dieses\nAusschlussbeschlusses mit Urteil des Schieds- und Verwaltungsgerichts vom\n13.03.2007 ( _a.a.O._ ) wurde diesem Antrag der Boden entzogen ( _siehe oben\nII.3.1.2_ ). Einen separaten (von dem Ausschlussbeschluss unabhangigen)\nBeschluss uber einen Antrag bei dem Beklagten, der Klagerin die\nKorperschaftsrechte abzuerkennen, hat es nicht gegeben; er ware auch mit § 3\nNr. 2 der Satzung der Beigeladenen kaum zu vereinbaren ( _siehe oben II.3.1.2_\n). Hatte die Beigeladene einen solchen Beschluss gefasst, ware dieser im\nÜbrigen wohl in gleicher Weise einer Überprufung durch das Schieds- und\nVerwaltungsgericht unterworfen wie der Beschluss uber den Ausschluss der\nKlagerin aus der Beigeladenen. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| **4.** Bei dieser Rechtslage konnen die sich daruber hinaus stellenden und\nzum Teil auch von den Beteiligten erorterten Fragen, ob die angefochtene\nEntscheidung des Ministeriums vom 24.05.2006 auch deshalb rechtswidrig und\naufzuheben ist, weil sie wegen der volligen Nichtbeteiligung der Klagerin an\ndem fur sie mit einem belastenden Verwaltungsakt endenden Verwaltungsverfahren\nan gravierenden, im konkreten Fall nicht geheilten Verfahrensfehlern ( _vgl.\nhierzu u. a. §§ 28, 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 LVwVfG; Kopp/Ramsauer, a.a.O.,\n§ 45 RdNr. 42 m.w.N._ ) oder, weil das Ministeriums sich fur gebunden gehalten\nhat, an einem Ermessensfehler leidet, hier dahingestellt bleiben. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 und 3, 155 Abs. 1 Satz 1\nVwGO. Da durch die Anrufung des unzustandigen Verwaltungsgerichts Stuttgart\nkeine zusatzlichen (gerichtlichen oder außergerichtlichen) Kosten entstanden\nsind, erubrigt sich insoweit eine Entscheidung nach § 17b Abs. 2 GVG. Die\nKammer sieht keinen Anlass, die Kostenentscheidung nach § 167 Abs. 2 VwGO fur\nvorlaufig vollstreckbar zu erklaren. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Die Zulassung der Berufung erfolgt wegen grundsatzlicher Bedeutung der\nRechtssache und beruht auf § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. \n---\n\n
143,125
arbg-stuttgart-2007-07-02-15-bv-6007
124
Arbeitsgericht Stuttgart
arbg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Arbeitsgerichtsbarkeit
15 BV 60/07
2007-07-02
2019-01-09 15:01:54
2019-01-17 12:03:17
Beschluss
## Tenor\n\n> > Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, zwei Vertreter in die nach §§ 10.3,\n> 8.3 des ERA- TV fur die Metall- und Elektroindustrie Baden-Wurttemberg vom\n> 16.09.2003 in ihrem Unternehmen zu bildende Paritatische Kommission zum\n> Zwecke der weiteren Überprufung der reklamierten Einstufungen zu entsenden.\n\n> > Im Übrigen wird der Antrag des Antragstellers vom 19.03.2007\n> zuruckgewiesen.\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten daruber, ob die Antragsgegnerin verpflichtet ist,\nzwei Vertreter in eine zu bildende paritatische Kommission zu entsenden und\nvon diesem Gremium die Einstufung vom Antragsteller namentlich benannter\nArbeitnehmer ihres Betriebs in W. uberprufen zu lassen. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Antragsgegnerin unterhalt im Geltungsbereich des TVG und des BetrVG in\nW. einen Betrieb der Automationstechnik mit etwa 350 Beschaftigten. Sie ist\nMitglied im Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Wurttemberg e.V. -\nSudwestmetall -. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Antragsteller ist der gewahlte Betriebsrat. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 16.09.2003 haben die Industriegewerkschaft Metall und Sudwestmetall\nTarifvertrage zur Neueinfuhrung eines neuen Entgeltsystems (ERA) vereinbart,\ndie alle bisher vorhandenen Tarifvertrage zur Festlegung der Vergutung,\ninsbesondere den LGRTV I und den LGRTV II ab dem Zeitpunkt der betrieblichen\nEinfuhrung von ERA ablosen. Der tarifliche Entgeltaufbau sieht gemaß § 2 ERA-\nTV das Grundentgelt, die Belastungszulage und das Leistungsentgelt vor.\nGegenstand der Bewertung und Einstufung fur das Grundentgelt ist dabei die\nArbeitsaufgabe, die in Fallen des § 8 ERA-TV vom Arbeitgeber und seiner\nArbeitsorganisation zu bestimmen sind. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Wert dieser vom Arbeitgeber festgelegten Arbeitsaufgabe wird durch ein\nStufenwertzahlverfahren bestimmt, das bestimmte Bewertungsmerkmale fur\nAnforderungen an die Arbeitsaufgaben festlegt, namlich \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Ø Wissen und Konnen (Anlernen oder Ausbildung und Erfahrung) \n--- \n| 7 \n--- \n| Ø Denken \n--- \n| 8 \n--- \n| Ø Handlungsspielraum/Verantwortung \n--- \n| 9 \n--- \n| Ø Kommunikation \n--- \n| 10 \n--- \n| Ø Mitarbeiterfuhrung \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Diese Bewertungsmerkmale sind in Anlage 1 zum ERA-TV definiert und\ndifferenziert, § 6.1.1 und § 6.1.2 ERA-TV. Die Gewichtung der\nBewertungsmerkmale und Stufen folgt aus aus den gemaß Anlage 1 zugeordneten\nPunkten, § 6.1.3 ERA-TV, wobei sich die Gesamtpunktzahl einer Arbeitsaufgabe\naus der Addition der Punkte aus den einzelnen Bewertungsmerkmalen ergibt, §\n6.1.4 ERA-TV. Die so ermittelte Gesamtpunktzahl wird 17 Entgeltgruppen\nzugeordnet, § 6.1.5 ERA-TV. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Tarifvertragsparteien haben des Weiteren gemaß § 6.2 ERA-TV 122\ntarifliche Niveaubeispiele verbindlich bewertet und eingestuft. Soweit die im\nBetrieb zu bewertende Arbeitsaufgabe inhaltlich in den wertigkeitspragenden\nElementen mit einem solchen tariflichen Niveaubeispiel ubereinstimmt, hat die\nBewertung entsprechend dem tariflichen Niveaubeispiel erfolgen. Soweit eine\nbetriebliche Arbeitsaufgabe Abweichungen in wertigkeitspragenden Elementen von\ndem tariflichen Niveaubeispiel aufweist, wird die Arbeitsaufgabe gemaß § 6.4.2\nERA-TV durch Vergleichen mit tariflichen Niveaubeispielen bewertet. Die\nEinstufung der betreffenden Arbeitsaufgabe erfolgt dabei in Bezug zu einem\noder mehreren tariflichen Niveaubeispielen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Soweit von Bedeutung lauten die tarifvertraglichen Vorschriften wie folgt: \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| ** _ERA-TV:_** \n--- \n**_§ 4_** \n--- \n| 15 \n--- \n| ** _Grunds atze der Grundentgeltermittlung_** \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| _4.1 Grundlage f ur die Ermittlung des Grundentgeltanspruchs des/der\nBeschaftigten gemaß § 9.1 ist die eingestufte Arbeitsaufgabe._ \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| _4.2 Die Arbeitsaufgabe wird durch die Arbeitsorganisation bestimmt. Sie\nwird ganzheitlich betrachtet. Zu ihrer Einstufung werden alle ubertragenen\nTeilaufgaben im Rahmen der folgenden Bestimmungen berucksichtigt._ \n--- \n--- \n**_§ 5_** \n--- \n| 18 \n--- \n| ** _Einstufung der Arbeitsaufgabe_** \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| _5.1 Gegenstand der Bewertung_ \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| _5.1.1 Gegenstand der Bewertung und Einstufung sind die Anforderungen der\nentsprechend der betrieblichen Arbeitsorganisation ubertragenen\nArbeitsaufgabe._ \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| _5.1.2 Bei der Bewertung der Arbeitsaufgabe sind alle Teilaufgaben zu ber\nucksichtigen, soweit sie die Arbeitsaufgabe in ihrer Wertigkeit pragen._ \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| ** _5.2 Bewertung und Einstufung der Arbeitsaufgabe_** \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| _5.2.1 Die Bewertung und Einstufung der Arbeitsaufgabe erfolgt unter\nAnwendung des im Folgenden dargestellten Stufenwertzahlverfahrens als Methode\nder Arbeitsbewertung gem aß § 6._ \n--- \n--- \n_...._ \n--- \n--- \n--- \n**_§ 6_** \n--- \n| 24 \n--- \n| ** _System der Bewertung und Einstufung_** \n--- \n--- \n_..._ \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| ** _6.4 Systemanwendung_** \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| _Folgende Verfahren sind anwendbar:_ \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| _6.4.1 Das Stufenwertzahlverfahren nach § 6.1 kann unter Beachtung der\nEinstufungen der tariflichen Niveaubeispiele zur Bewertung der Arbeitsaufgabe\ndirekt angewendet werden._ \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| _Grundlage der Einstufung ist eine Beschreibung der Arbeitsaufgabe._ \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| _Auf die Beschreibung kann mit Zustimmung beider Seiten verzichtet werden._ \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| _Die Ergebnisse der Bewertung sind mit einer Begr undung fur jedes\nBewertungsmerkmal zu versehen._ \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| _6.4.2 Eine Arbeitsaufgabe kann durch Vergleichen mit tariflichen\nNiveaubeispielen bewertet werden._ \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| _Die Einstufung der Arbeitsaufgabe erfolgt dabei in Bezug zu einem\ntariflichen Niveaubeispiel. Eine abweichende Bewertung ist in Bezug auf die\nArbeitsaufgabe schriftlich zu begr unden._ \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| _6.4.3 Unter Beachtung der tariflichen Niveaubeispiele k onnen durch die\nParitatische Kommission (§ 7) einvernehmlich betriebliche Erganzungsbeispiele\nerstellt werden. Die Zustimmung einer Seite der Paritatischen Kommission kann\nnicht ersetzt werden._ \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| _Die Erg anzungsbeispiele werden gemaß § 6.4.1 bewertet. Arbeitsaufgaben\nkonnen durch Vergleichen mit betrieblichen Erganzungsbeispielen (entsprechend\n§ 6.4.2) bewertet werden._ \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| _Betriebliche Erg anzungsbeispiele konnen einvernehmlich durch eine\nParitatische Kommission auf Unternehmensebene einheitlich festgelegt werden.\nDie Mitglieder dieser Paritatischen Kommission werden durch den\nGesamtbetriebsrat bzw. durch die Unternehmensleitung bestimmt._ \n--- \n--- \n--- \n**_§ 7_** \n--- \n| 36 \n--- \n| ** _Parit atische Kommission_** \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| _7.1 In den Betrieben wird eine parit atisch besetzte Einstufungs- bzw.\nReklamationskommission (im Folgenden: Paritatische Kommission) gebildet (siehe\nauch § 8)._ \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| _7.1.1 Die Parit atische Kommission besteht aus je drei Vertretern des\nArbeitgebers einerseits sowie der Beschaftigten andererseits. Mindestens ein\nVertreter der Beschaftigten muss dem Betriebsrat angehoren._ \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| _7.1.2 Die Vertreter des Arbeitgebers werden von diesem, die Vertreter der\nBesch aftigten vom Betriebsrat bestimmt. Beide Seiten benennen eine\nentsprechende Anzahl an Stellvertretern._ \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| _7.1.3 Arbeitgeber und Betriebsrat k onnen einvernehmlich vereinbaren:_ \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| _\\- eine abweichende Zahl der Mitglieder der Parit atischen Kommission\njedoch nicht weniger als zwei Mitglieder je Seite,_ \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| _\\- einen zus atzlichen Einigungsversuch zwischen Arbeitgeber und\nBetriebsrat vor Bildung der erweiterten Paritatischen Kommission (§ 7.3.3),_ \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| _\\- einen Losentscheid gem aß § 7.3.5 statt der Anrufung der Schiedsstelle\ngemaß § 7.3.4, dies kann auch von Fall zu Fall erfolgen,_ \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| _\\- ein abweichendes Verfahren zur Festlegung und zur Entscheidungsfindung\ndes au ßerbetrieblichen Vorsitzenden der Schiedsstelle._ \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| _7.1.4 Arbeitgeber und Betriebsrat k onnen sich einvernehmlich auf eine\nGeschaftsordnung fur die Regelung von Fristen und anderen Formalien\nverstandigen. Die Paritatische Kommission kann hierzu einen Vorschlag machen._ \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| _7.1.5 Jede Seite der Parit atischen Kommission kann nach fachlichen\nGesichtspunkten ausgewahlte Berater aus dem Unternehmen hinzuziehen._ \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| _7.1.6 Die Mitglieder und Stellvertreter der Parit atischen Kommission sind\nfur ihre Aufgaben aus diesem Tarifvertrag ohne Minderung des Entgelts\nfreizustellen._ \n--- \n| 48 \n--- \n| _Dasselbe gilt f ur Schulungen zu diesem Tarifvertrag._ \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| ** _7.2 Aufgaben der Parit atischen Kommission_** \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| _7.2.1 Der Parit atischen Kommission obliegt die_ \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| _\\- Einstufung bestehender, aber nicht bewerteter Arbeitsaufgaben, -\nEinstufung neu entstehender oder ver anderter Arbeitsaufgaben,_ \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| _soweit dieser Tarifvertrag ihr nicht weitere Aufgaben zuweist._ \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| _7.2.2 Sie ist dar uber hinaus berechtigt, von Fall zu Fall bestehende\nEinstufungen zu uberprufen, sofern dargelegt werden kann, dass sich auf Grund\nveranderter Anforderungen eine Veranderung der Einstufung ergeben konnte._ \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| ** _7.3 Entscheidungsfindung in der Parit atischen Kommission_** \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| _7.3.1 Der Arbeitgeber ubergibt der Paritatischen Kommission zur\nVorbereitung der Entscheidung die entsprechenden Unterlagen (§ 6.4) und teilt\ndie vorlaufige Einstufung mit._ \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| _Jede Seite der Parit atischen Kommission kann unter Angabe von Grunden vom\nArbeitgeber die Überprufung der Beschreibung der Arbeitsaufgabe hinsichtlich\nihrer Übereinstimmung mit der ubertragenen Arbeitsaufgabe und ggf. die\nÜberarbeitung der Beschreibung verlangen._ \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| _Der vorl aufigen Einstufung kann jede Seite der Paritatischen Kommission\nbis zum Ablauf von acht Wochen widersprechen._ \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| _Erfolgt kein Widerspruch gegen die vorl aufige Einstufung, gilt diese\nendgultig._ \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| _Erfolgt kein Widerspruch gegen die Einstufung, sondern gegen die Bewertung\neinzelner Bewertungsmerkmale und ihrer Begr undung, wird dieser dokumentiert\nund der Einstufungsunterlage beigefugt. In diesem Fall wird die vorlaufige\nEinstufung verbindlich._ \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| _Bei Widerspruch gilt die vorl aufige Einstufung bis zur verbindlichen\nEntscheidung (siehe § 7.3.7 Abs. 2)._ \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| _Weicht die verbindliche Entscheidung von der vorl aufigen Einstufung ab,\nso gilt diese neue Einstufung ruckwirkend vom Zeitpunkt der Mitteilung an die\nParitatische Kommission._ \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| _F uhrt die verbindliche Entscheidung zu einer niedrigeren als der\nbisherigen Einstufung, so gilt die neue Einstufung ab dem Zeitpunkt der\nverbindlichen Entscheidung._ \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| _7.3.2 Bei einer Überprufung der Einstufung gemaß § 7.2.2 gilt die\nbestehende Einstufung bis zum Zeitpunkt einer anders lautenden verbindliche\nEntscheidung im Rahmen des Verfahrens nach § 7.3._ \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| _7.3.3 Kommt es in der Parit atischen Kommission zu keiner Einigung, so\nwird auf Antrag einer Seite je ein sachkundiger stimmberechtigter Vertreter\nder Tarifvertragsparteien hinzugezogen (erweiterte Paritatische Kommission)._ \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| _7.3.4 Kommt nach eingehender Beratung in dieser erweiterten Parit atischen\nKommission eine einheitliche oder mehrheitliche Meinung nicht zu Stande, wird\nauf Antrag einer Seite eine Schiedsstelle gebildet._ \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| _Diese besteht aus den Mitgliedern der erweiterten Parit atischen\nKommission und einer/m Vorsitzenden._ \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| _Der Vorsitz wird durch Los aus einem durch die Tarifvertragsparteien\nfestgelegten Personenkreis ermittelt._ \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| _Ein Mitglied der erweiterten Parit atischen Kommission kann nicht den\nVorsitz dieser Schiedsstelle ubernehmen._ \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| _Der Vorsitzende der Schiedsstelle unternimmt zun achst einen\nVermittlungsversuch. Scheitert dieser, so entscheidet die Schiedsstelle sowohl\nbezuglich der Merkmalstufen als auch der Entgeltgruppe im Rahmen der\ngestellten Antrage._ \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| _Die Entscheidung ist durch den Vorsitzenden binnen einer Frist von drei\nWochen schriftlich zu begr unden._ \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| _7.3.5 Der Arbeitgeber kann festlegen, dass die Entscheidung anstatt durch\ndie Schiedsstelle durch Losentscheid in der erweiterten Parit atischen\nKommission herbeigefuhrt wird._ \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| _An diese Festlegung ist der Arbeitgeber f ur die Dauer von 2 Jahren\ngebunden. Davon kann nur mit Zustimmung des Betriebsrates abgewichen werden._ \n--- \n--- \n| 73 \n--- \n| _Vor der Abstimmung in der erweiterten Parit atischen Kommission\nentscheidet das Los, welcher der Vertreter der Tarifvertragsparteien eine\nzweite Stimme erhalt. Dieser hat die Entscheidung binnen einer Frist von drei\nWochen schriftlich zu begrunden._ \n--- \n--- \n| 74 \n--- \n| _7.3.6 Das Verfahren der Beilegung von Meinungsverschiedenheiten soll\ninnerhalb von drei Monaten abgeschlossen werden._ \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| \n--- \n_7.3.7 Mit der Entscheidung der Parit atischen Kommission nach § 7.3.1, der erweiterten Paritatischen Kommission nach § 7.3.3, der Schiedsstelle_ | | _nach § 7.3.4 oder der erweiterten Paritatischen Kommission nach § 7.3.5 ist das Einstufungsverfahren abgeschlossen._ \n--- \n| 76 \n--- \n| _Die Entscheidung ist damit verbindlich, sofern nicht - binnen einer Frist\nvon zwei Wochen nach der Entscheidung bzw. dem Vorliegen der Begr undung -\nArbeitgeber oder Betriebsrat beim Arbeitsgericht die Feststellung beantragen,\ndass die Entscheidung unverbindlich ist, weil ein Verfahrensfehler vorliegt\noder die Bewertung unter grober Verkennung der Grundsatze in §§ 4-6\nvorgenommen worden ist._ \n--- \n--- \n| 77 \n--- \n| _7.3.8 Wird die Entscheidung aufgehoben, ist die Arbeitsaufgabe durch die\nParit atische Kommission unter Beachtung der gerichtlichen Begrundung erneut\nzu bewerten._ \n--- \n--- \n| 78 \n--- \n| _7.3.9 Über jeden Einstufungsvorgang ist ein geeigneter Nachweis zu fuhren,\nder die Ergebnisse und Unterlagen der Systemanwendung gemaß § 6.4 beinhaltet._ \n--- \n--- \n--- \n**_§ 8_** \n--- \n| 79 \n--- \n| ** _Vereinfachtes Einstufungsverfahren_** \n--- \n--- \n| 80 \n--- \n| _8.1 In Betrieben mit bis zu 500 Besch aftigten, in konzernabhangigen\nBetrieben mit bis zu 300 Beschaftigten, wird keine standige Paritatische\nKommission gebildet._ \n--- \n--- \n| 81 \n--- \n| _8.2 An ihrer Stelle ubernimmt der Betriebsrat die Entgegennahme der\nMitteilung des Arbeitgebers uber die:_ \n--- \n--- \n| 82 \n--- \n| _\\- Einstufung bestehender, aber noch nicht bewerteter Arbeitsaufgaben;_ \n--- \n| 83 \n--- \n| _\\- Einstufung neu entstehender oder ver anderter Arbeitsaufgaben._ \n--- \n--- \n| 84 \n--- \n| _Dabei sind die entsprechenden Unterlagen gem aß § 6.4 zu ubergeben._ \n--- \n--- \n| 85 \n--- \n| _Die Einstufung des Arbeitgebers ist verbindlich._ \n--- \n--- \n| 86 \n--- \n| _F uhrt die Einstufung des Arbeitgebers zu einer niedrigeren als der\nbisherigen, wird sie erst nach Ablauf von 8 Wochen wirksam. Bei Reklamation\ndurch den Betriebsrat gemaß § 10 verlangert sich diese Frist bis zur\nBeendigung des Reklamationsverfahrens, jedoch langstens auf insgesamt 5\nMonate._ \n--- \n--- \n| 87 \n--- \n| _8.3 Bei Reklamation der Entgeltgruppe tritt eine dann zu bildende Parit\natische Kommission zusammen. Diese besteht aus je zwei Vertretern de\nArbeitgebers einerseits sowie der Beschaftigten andererseits; es se denn,\nArbeitgeber und Betriebsrat verstandigen sich einvernehmlich auf je drei\nVertreter._ \n--- \n--- \n| 88 \n--- \n| _8.4 Im Übrigen gelten die Bestimmungen des § 7, mit Ausnahme des § 7.2\nentsprechend._ \n--- \n--- \n| 89 \n--- \n| _8.5 Abweichend von den vorstehenden Bestimmungen k onnen die\nBetriebsparteien durch freiwillige Betriebsvereinbarung eine standige\nParitatische Kommission gemaß 5 7 einrichten._ \n--- \n--- \n--- \n**_§ 9_** \n--- \n| 90 \n--- \n| ** _Grundentgeltanspruch der Besch aftigten_** \n--- \n--- \n| 91 \n--- \n| _9.1 Der Besch aftigte hat Anspruch auf das Grundentgelt derjenigen\nEntgeltgruppe, die der Einstufung der im Rahmen der festgelegten\nArbeitsorganisation ausgefuhrten Arbeitsaufgabe entspricht._ \n--- \n--- \n| 92 \n--- \n| _Protokollnotiz zu § 9\\. 1:_ \n--- \n| 93 \n--- \n| _Es besteht Einigkeit, dass der Grundentgeltanspruch des Besch aftigten\nausschließlich davon bestimmt ist wie die Arbeitsaufgabe im betrieblichen\nVerfahren nach den Bestimmungen des Tarifvertrages bewertet worden ist._ \n--- \n--- \n| 94 \n--- \n| _Da ein besonderer Eingruppierungsvorgang, also die Zuordnung des Besch\naftigten zu einer bestimmten Entgeltgruppe, nicht mehr stattfindet gehen die\nTarifvertragsparteien ebenso ubereinstimmend davon aus, dass die\ntatbestandlichen Voraussetzungen fur ein Verfahren nach § 99 BetrVG bezuglich\neiner Eingruppierung / Umgruppierung nicht mehr vorliegen._ \n--- \n--- \n| 95 \n--- \n| _9.2 Der Arbeitgeber teilt diese Entgeltgruppe dem Besch aftigten und dem\nBetriebsrat schriftlich mit._ \n--- \n--- \n| 96 \n--- \n| _9.3 Dem Betriebsrat ist zus atzlich der zu Grunde gelegte\nEinstufungsvorgang schriftlich mitzuteilen._ \n--- \n--- \n| 97 \n--- \n| _Der gem aß § 9.1 festgestellte Entgeltanspruch bleibt auch dann\nunverandert, wenn der Beschaftigte wahrend eines ununterbrochenen Zeitraums\nvon bis zu 6 Monaten Arbeitsaufgaben ausfuhrt, die in einer niedrigeren oder\nhoheren Entgeltgruppe eingestuft sind._ \n--- \n--- \n| 98 \n--- \n| _9.4 F ur die gesamte Dauer der Ausfuhrung einer hoherwertigen\nArbeitsaufgabe besteht von Anfang an Anspruch auf eine Zulage in Hohe des\nDifferenzbetrages zwischen den Entgeltgruppen, wenn diese Tatigkeit einen\nununterbrochenen Zeitraum von 6 Wochen ubersteigt._ \n--- \n--- \n| 99 \n--- \n| _Der Differenzbetrag ist ein sonstiger Bestandteil des Monatsentgelts i.S.\nvon § 11.3.2 MTV-Beschaftigte. Er geht jedoch in die Berechnung der\nEntgeltfortzahlung, der tariflich abgesicherten betrieblichen Sonderzahlung\nund der tariflichen Urlaubsvergutung ein und ist in diesem Fall wie ein\nzeitabhangiger variabler Bestandteil zu behandeln._ \n--- \n--- \n| 100 \n--- \n| _Durch Betriebsvereinbarung k onnen im Rahmen des § 87 BetrVG fur\nTeilbereiche kurzere Zeitraume vereinbart werden. Am 01. Mai 1999 bestehende\nBetriebsvereinbarungen bleiben im Rahmen der Einfuhrung dieses Tarifvertrages\nunberuhrt._ \n--- \n--- \n| 101 \n--- \n| _9.5 Der Arbeitgeber informiert den Betriebsrat kalenderviertelj ahrlich\nuber die Zahl der Beschaftigten in der jeweiligen Entgeltgruppe - ggf. mit\nEingangs- und Zusatzstufen (§ 11) - schriftlich oder auf elektronischem Weg\nund berat einmal jahrlich mit ihm daruber._ \n--- \n--- \n--- \n**_§ 10_** \n--- \n| 102 \n--- \n| ** _Reklamation_** \n--- \n--- \n| 103 \n--- \n| _10.1 Besch aftigte oder Betriebsrat konnen die mitgeteilte Entgeltgruppe\n(siehe § 9.2) schriftlich beim Arbeitgeber reklamieren._ \n--- \n--- \n| 104 \n--- \n| _Bei der Reklamation ist schriftlich oder m undlich darzulegen, dass - und\naus welchen Grunden - die Entgeltgruppe nicht zutreffend sein soll._ \n--- \n--- \n| 105 \n--- \n| _10.2 Nach der Reklamation ist die Entgeltgruppe und ggf. die Einstufung\nder Arbeitsaufgabe durch den Arbeitgeber zu uberprufen._ \n--- \n--- \n| 106 \n--- \n| _Dies soll in der Regel innerhalb von 2 Monaten erfolgen._ \n--- \n--- \n| 107 \n--- \n| _Das Ergebnis der Überprufung ist dem Beschaftigten und dem Betriebsrat\nunverzuglich schriftlich mitzuteilen._ \n--- \n--- \n| 108 \n--- \n| _10.3 Wird uber das Ergebnis der Überprufung kein Einverstandnis erzielt,\nerfolgt eine weitere Überprufung der Einstufung in der Paritatischen\nKommission (§ 7.1 bzw. § 8.3)._ \n--- \n--- \n| 109 \n--- \n| _In diesem Fall hat der Arbeitgeber, soweit nicht vorhanden, eine\nAufgabenbeschreibung anzufertigen, in der die im Rahmen der festgelegten\nArbeitsorganisation ausgef uhrte Arbeitsaufgabe dargestellt ist. Die\nentsprechenden Unterlagen gemaß § 6.4 sind der Paritatischen Kommission zu\nubergeben._ \n--- \n--- \n| 110 \n--- \n| _10.4 Kommt es in der Parit atischen Kommission zu keiner Einigung, ist\nentsprechend § 7.3.3 ff zu verfahren._ \n--- \n--- \n| 111 \n--- \n| _10.5 F uhrt die Überprufung zu einer hoheren Entgeltgruppe, so gilt diese\nab dem Zeitpunkt der Reklamation._ \n--- \n--- \n| 112 \n--- \n| _10.6 F uhrt die Überprufung zu einer niedrigeren Entgeltgruppe, so gilt\ndiese ab dem Zeitpunkt der verbindlichen Entscheidung._ \n--- \n--- \n| 113 \n--- \n| _10.7 Der Besch aftigte kann im Hinblick auf das Ergebnis der Überprufung\nden Rechtsweg beschreiten._ \n--- \n--- \n| 114 \n--- \n| _Er kann jedoch nur geltend machen, dass ein Verfahrensfehler vorliegt oder\ndie Bewertung unter grober Verkennung der Grunds atze der §§ 4-6 vorgenommen\nworden ist._ \n--- \n--- \n--- \n| 115 \n--- \n| ** _Einf uhrungstarifvertrag zum ERA-TV (ETV ERA)_** \n--- \n--- \n_..._ \n--- \n**_§ 3_** \n--- \n| 116 \n--- \n| ** _Sachliche Voraussetzungen zur Einf uhrung des ERA-TV_** \n--- \n--- \n| 117 \n--- \n| _3.1 Zur Schaffung der sachlichen Voraussetzungen zur betrieblichen Einf\nuhrung des ERA-TV sind die Bestimmungen des ERA-TV entsprechend anzuwenden._ \n--- \n--- \n| 118 \n--- \n| _Entgeltanspr uche entstehen bis zum Stichtag der Einfuhrung hieraus\nnicht._ \n--- \n--- \n| 119 \n--- \n| ** _3.2 Ersteinstufung_** \n--- \n--- \n| 120 \n--- \n| _3.2.1 Grundlage f ur die Einfuhrung des ERA-TV ist die Neubewertung der\nbetrieblichen Arbeitsaufgaben. Bis zum Einfuhrungsstichtag soll moglichst eine\nverbindliche, muss jedoch zumindest eine vorlaufige Einstufung des\nArbeitgebers vorliegen._ \n--- \n--- \n| 121 \n--- \n| _Die Entgeltgruppen sind den Besch aftigten mindestens einen Monat vor dem\nStichtag schriftlich mitzuteilen._ \n--- \n--- \n| 122 \n--- \n| _3.2.2 Erfolgt die Neubewertung im Wege des vereinfachten\nEinstufungsverfahrens gem aß § 8 ERA-TV, so kann der Betriebsrat innerhalb\neiner Frist von 8 Wochen die ihm mitgeteilte Entgeltgruppe entsprechend § 10\nERA-TV reklamieren. In diesem Fall tritt ETV ERA 16. September 2003 an die\nStelle der Zeitpunkte in §§ 10.5 und 10.6 ERA-TV der Stichtag der ERA\nEinfuhrung._ \n--- \n--- \n| 123 \n--- \n| _In anderen F allen ist eine Reklamation vor dem Einfuhrungsstichtag nicht\nzulassig._ \n--- \n--- \n| 124 \n--- \n| _3.2.3 Verbindliche Einstufungen k onnen innerhalb einer Frist von 3 Jahren\nnach der betrieblichen ERA-Einfuhrung nur mit der Begrundung reklamiert\nwerden, dass die im Rahmen der festgelegten Arbeitsorganisation ausgefuhrte\nArbeitsaufgabe nicht der bewerteten Arbeitsaufgabe entspricht._ \n--- \n--- \n| 125 \n--- \n| ** _3.7 Mitteilung an die Besch aftigte_ ** _n_ \n--- \n--- \n| 126 \n--- \n| _Die voraussichtliche Zusammensetzung des Entgelts nach der ERA-Einf uhrung\nwird den Beschaftigten mindestens einen Monat vor der ERA-Einfuhrung\nschriftlich mitgeteilt._ \n--- \n--- \n| 127 \n--- \n| Bei der Antragsgegnerin als Betrieb mit unter 500 Beschaftigten im Sinne des\n§ 8 ERA-TV war mit Wirkung zum 01.01.2007 das Entgeltsystem nach dem ERA-TV\neinzufuhren. \n--- \n--- \n| 128 \n--- \n| Zu diesem Zwecke sind dem Antragsteller von der Antragsgegnerin unter dem\nDatum des 23.10.2006 die Beschreibung der Arbeitsaufgaben ubergeben und die\nverbindlichen Einstufungen dazu mitgeteilt worden. \n--- \n--- \n| 129 \n--- \n| Mit Schreiben vom 15.12.2006, der Antragsgegnerin am 18.12.2006 zugegangen\nhat der Antragsteller der Antragsgegnerin ein erstes Aktenkonvolut, bezeichnet\nmit „Übergabe der Reklamationen des Betriebsrats von den ERA-\nArbeitsplatzbeschreibungen und -bewertungen" mit dem Hinweis, es handele sich\num die vom Betriebsrat reklamierten und fehlenden Arbeitsplatzbeschreibungen\nund -Bewertungen, (Anlagenkonvolut 73-187) ubergeben. \n--- \n--- \n| 130 \n--- \n| Außerdem sind im Verlaufe des Monats Dezember zu unterschiedlichen Terminen\nvon namentlich benannten Beschaftigten und vom Vorsitzenden des Antragstellers\noder seinem Stellvertreter eigenhandig unterschriebene sog.\nReklamationsscheine unter Berufung auf § 10.1 ERA-TV ausgestellt worden. Wegen\nder weiteren Einzelheiten wird insoweit auf deren Inhalt verwiesen\n(Anlagenordner). Diese Reklamationsscheine sind der Antragsgegnerin auf einen\nSchlag am 27.12.2006 ubergeben worden. \n--- \n--- \n| 131 \n--- \n| Reaktionen daraufhin sind keine erfolgt, worauf der\nVerfahrensbevollmachtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 29.01.2007\n(Akt.Bl. 5-6) gefordert hat, eine paritatische Kommission mit jeweils drei\nVertretern zu bilden. Mit Schreiben vom 13.02.2007 hat die\nVerfahrensbevollmachtigte der Antragsgegnerin das abgelehnt und erklart, dass\nmangels der tariflichen Voraussetzungen uberhaupt kein Anlass fur die Bildung\neiner paritatischen Kommission im Betrieb der Antragsgegnerin besteht.\nAußerdem hat sie erklart, dass die fur nicht wirksam gehaltenen Reklamationen\nsowohl im Hinblick auf die ubertragenen Arbeitsaufgaben als auch auf die\ndaraus resultierenden Bewertungen uberpruft worden sind und dass weder die\nAufgabenbeschreibungen noch die Bewertungen Anlass zur Änderung geboten\nhatten. \n--- \n--- \n| 132 \n--- \n| Daraufhin hat der Antragsteller unter dem Datum des 19.03.2007 das\nBeschlussverfahren mit dem eingangs bezeichneten Ziel eingeleitet. Die\nAntragsschrift ist am 26.03.2007 zugestellt worden. \n--- \n--- \n| 133 \n--- \n| Der Antragsteller vertritt die Auffassung, dass wegen der Reklamationen des\nBetriebsrats die von den Tarifvertragsparteien dafur vorgesehene paritatische\nKommission einzuberufen sei, die uber die Einspruche und Reklamationen zu\nentscheiden habe. Dazu sei die Antragsgegnerin nicht bereit. Die\nAntragsgegnerin sei noch nicht einmal dazu bereit, eine Verstandigung uber die\ntatsachlich im Betrieb auf Grund der Arbeitsorganisation anfallenden\nArbeitsaufgaben zu versuchen. Die mit Schreiben vom 23.10.2006 beschriebenen\nArbeitsaufgaben habe er in der betrieblichen Realitat nicht entdecken konnen\nund sei deshalb nicht in der Lage, den Weg nachzuvollziehen wie die\nAntragsgegnerin zur Einstufung dieser (virtuellen) Arbeitaufgaben gekommen\nsei. Es sei fur ihn nicht ersichtlich, dass es die beschriebenen\nArbeitsaufgaben gebe und dass die Arbeitnehmer des Betriebes solche\nArbeitsaufgaben ausfuhrten. Aus § 3 des ETV- ERA sei ersichtlich, dass bis zum\nEinfuhrungsstichtag eine verbindliche, jedoch zumindest eine vorlaufige\nEinstufung des Arbeitgebers vorliegen musse und dass die Entgeltgruppe dem\nBeschaftigten mindestens einen Monat vor dem Stichtag schriftlich mitzuteilen\nsei. Nach dem hier durchzufuhrenden vereinfachten Einstufungsverfahren nach §\n8 ERA-TV nehme der Antragsteller sein ihm tariflich eingeraumtes Kontroll-\nbzw. Mitbestimmungsrecht wahr und konne entsprechend § 10 ERA-TV reklamieren.\nDa die richtige Beschreibung der Arbeitsaufgabe Voraussetzung fur eine\nangemessene Einstufung sei, sei auch zu uberprufen, ob die die Arbeitsaufgaben\nentsprechend der Betriebsorganisation richtig beschrieben seien. Selbst die\nvon der Antragsgegnerin vertretene Auffassung, es solle alleinige Sache der\nArbeitgeberin sein, die personenunabhangigen Arbeitsaufgaben zu beschreiben,\nals vertretbar unterstellt, unterliege die Einstufung aber gleichwohl der\nKontrolle im tariflich vorgesehenen Verfahren. Das entsprechende Korrektiv\nenthalte § 3.2.3 ETV ERA, weil dort klargestellt werde, dass vom\nReklamationsrecht die Prufung umfasst sei, ob die im Rahmen der festgelegten\nArbeitsorganisation ausgefuhrten Arbeitsaufgaben den bewerteten\nArbeitsaufgaben entsprachen. Wurden also Arbeitsaufgaben ausgefuhrt, die vom\nArbeitgeber bislang nicht bewertet worden seien, lage es an der Kommission,\ndie Arbeitsaufgabe zu ermitteln, die Einstufung der Arbeitsaufgabe vorzunehmen\nund dann ggf. die Entgeltgruppe zu korrigieren. Das Verfahren nach § 3.2.3 ETV\nERA setze voraus, dass das Verfahren nach § 3.2.2 ETV ERA abgeschlossen sei.\nIm Verfahren nach § 3.2.2 ETV ERA i.V.m. § 10 ERA-TV wurden die\nArbeitsaufgaben verbindlich den Entgeltgruppen zugeordnet, im Verfahren nach §\n3.2.3 sei zu prufen, ob der Beschaftigte eine eingestufte Arbeitsaufgabe\nausube mit der Folge, dass ggf. eine bislang nicht definierte Arbeitsaufgabe\ndefiniert und eingestuft werden musse. Wie sich aus den fristgerechten\nReklamationen des Betriebsrats vom 15.12.2006 entnehmen lasse, reklamiere der\nBetriebsrat in zweierlei Hinsicht: \n--- \n--- \n| 134 \n--- \n| \\- Widerspruch gegen die Einstufung der Arbeitsaufgabe \n--- \n--- \n| 135 \n--- \n| \\- Reklamationen und Widerspruch wegen fehlender Arbeitsaufgaben \n--- \n--- \n| 136 \n--- \n| Das hatte zum Tatigwerden der paritatischen Kommission fuhren mussen. Die\nAntragsgegnerin beruhme sich einer Rechtsposition, die dazu fuhre, dass der\nBetriebsrat seine Aufgaben nach dem ERA-TV und dem ETV-ERA nicht erfullen\nkonne. Sie behaupte, die vom Antragsteller nach § 3.2.2 ETV-ERA erfolgten\nReklamationen seien unbeachtlich, was dazu fuhrte, dass die Beschreibungen der\nArbeitsaufgaben und die Einstufungen bereits vor der ERA Einfuhrung\nunuberprufbar waren. § 10.3 ERA-TV regele aber die Überprufung der Einstufung\nin der Paritatischen Kommission, ohne zu unterscheiden, ob eine Reklamation\ndes Betriebsrat nach § 3.2.2 ETV ERA (dann in entsprechender Anwendung von §\n10 ERA-TV) oder unmittelbar nach § 10 ERA-TV erfolgt sei, was sich auch aus §\n8.2 letzter Absatz ERA-TV fur das vereinfachte Einstufungsverfahren ergebe.\nDeshalb sei in jedem Falle eine Paritatische Kommission nach § 7 i.V.m. § 8.3\nERA-TV zu bilden. Der Antragsteller habe auf die Bildung und Entscheidung der\nParitatischen Kommission einen unmittelbaren tariflichen Anspruch, weil er\neinen tariflichen Rechtsanspruch auf eine tarifvertragskonforme Behandlung\nseiner Reklamationen habe. Nur dann konne uberhaupt daruber nachgedacht\nwerden, ob durch eine Protokollnotiz zu § 9.1 ERA-TV sein gesetzliches\nMitbestimmungsrecht nach § 99 erledigt sei, was nach richtiger Auffassung\nallerdings nicht der Fall sei. \n--- \n--- \n| 137 \n--- \n| Im Ergebnis gebe es fur den Betriebsrat zur Wahrung seiner Rechte nur zwei\nMoglichkeiten, entweder beschaftige sich die zu bildende paritatische\nKommission auf Grundlage der Reklamationen vom 15.12.2006/27.12.2007 mit den\nin Betrieb tatsachlich vorhandenen Arbeitsaufgaben, stelle diese fest und\nstufe sie ein, und zwar unabhangig davon, nach welcher tariflichen Bestimmung\nder Betriebsrat reklamiert habe und unabhangig davon, ob die formellen\nVoraussetzungen eingehalten seien, weil die paritatische Kommission daruber zu\nentscheiden habe, ob die formellen Voraussetzungen des Tarifvertrages vorlagen\nund eine Sachentscheidung zu treffen sei, oder der Betriebsrat sei gem. § 99\nBetrVG zu den ERA-Neueingruppierungen zu beteiligen. \n--- \n--- \n| 138 \n--- \n| Der Antragsteller beantragt: \n--- \n--- \n| 139 \n--- \n| 1\\. Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, zwei Vertreter in die nach § 8.3 des\nEntgeltrahmentarifvertrages fur die Metall- und Elektroindustrie Baden-\nWurttemberg zu bildende Paritatische Kommission zu entsenden. \n--- \n--- \n| 140 \n--- \n| 2\\. Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, die Einstufung der nachfolgend\ngenannten Mitarbeiter in der Paritatischen Kommission uberprufen zu lassen: \n--- \n--- \n--- \n| 141 \n--- \n| A., J. \n--- \n| 142 \n--- \n| Al., Jo. \n--- \n| 143 \n--- \n| An., Z. \n--- \n| 144 \n--- \n| Au., F.; \n--- \n--- \n| 145 \n--- \n| B., D. \n--- \n| 146 \n--- \n| Ber., H. \n--- \n| 147 \n--- \n| Be., M. \n--- \n| 148 \n--- \n| Bi., K. \n--- \n| 149 \n--- \n| Bil., K. \n--- \n| 150 \n--- \n| Bip., F. \n--- \n| 151 \n--- \n| Bis., G. \n--- \n| 152 \n--- \n| Bo., R. \n--- \n| 153 \n--- \n| Br., B. \n--- \n--- \n| 154 \n--- \n| C., E. \n--- \n| 155 \n--- \n| C., F. \n--- \n| 156 \n--- \n| Ca., Fr. \n--- \n| 157 \n--- \n| Cav., S. \n--- \n--- \n| 158 \n--- \n| D., U. \n--- \n| 159 \n--- \n| De., R. \n--- \n| 160 \n--- \n| Do., W. \n--- \n--- \n| 161 \n--- \n| E., N. \n--- \n--- \n| 162 \n--- \n| F., J. \n--- \n| 163 \n--- \n| Fl., W. \n--- \n--- \n| 164 \n--- \n| G., J. \n--- \n| 165 \n--- \n| Ga., E. \n--- \n| 166 \n--- \n| Go., H. \n--- \n| 167 \n--- \n| Gr., R. \n--- \n--- \nH. A. \n--- \n| 168 \n--- \n| He., F. \n--- \n| 169 \n--- \n| Ho., R. \n--- \n| 170 \n--- \n| Hof., W. \n--- \n--- \n| 171 \n--- \n| J.,.A. \n--- \n--- \n| 172 \n--- \n| K., M. \n--- \n| 173 \n--- \n| Ke., M. \n--- \n| 174 \n--- \n| Kec., C. \n--- \n| 175 \n--- \n| Kh., I. \n--- \n| 176 \n--- \n| Ki., A. \n--- \n| 177 \n--- \n| Kr., S. \n--- \n| 178 \n--- \n| Ku., H. \n--- \n--- \n| 179 \n--- \n| L., E. \n--- \n| 180 \n--- \n| L., M. \n--- \n| 181 \n--- \n| La., J. \n--- \n| 182 \n--- \n| La., A. \n--- \n| 183 \n--- \n| Le., J. \n--- \n| 184 \n--- \n| Leh., R. \n--- \n| 185 \n--- \n| Lei., S. \n--- \n| 186 \n--- \n| Lein., V. \n--- \n--- \n| 187 \n--- \n| M., J. \n--- \n| 188 \n--- \n| Me., O. \n--- \n| 189 \n--- \n| Mil., R. \n--- \n| 190 \n--- \n| Mi., H. \n--- \n| 191 \n--- \n| Mu., H. \n--- \n| 192 \n--- \n| Mu., V. \n--- \n--- \n| 193 \n--- \n| N., T. \n--- \n| 194 \n--- \n| Ne., R. \n--- \n| 195 \n--- \n| Neu., W. \n--- \n--- \n--- \n--- \n| 196 \n--- \n| P., G. \n--- \n| 197 \n--- \n| Pf., J. \n--- \n--- \n| 198 \n--- \n| R., M. \n--- \n| 199 \n--- \n| Re., N. \n--- \n| 200 \n--- \n| Rei., R. \n--- \n| 201 \n--- \n| Ro., G. \n--- \n| 202 \n--- \n| Ro., A. \n--- \n| 203 \n--- \n| Ru., G. \n--- \n--- \n| 204 \n--- \n| S., A. \n--- \n| 205 \n--- \n| Sc., J. \n--- \n| 206 \n--- \n| Sch., M. \n--- \n| 207 \n--- \n| Schn., A. \n--- \n| 208 \n--- \n| Schu., G. \n--- \n| 209 \n--- \n| Schul., K. \n--- \n| 210 \n--- \n| Schult., J. \n--- \n| 211 \n--- \n| Schw., H. \n--- \n| 212 \n--- \n| Se., H. \n--- \n| 213 \n--- \n| Si., I. \n--- \n| 214 \n--- \n| Sin., A. \n--- \n| 215 \n--- \n| Sk., B. \n--- \n| 216 \n--- \n| Sp., D. \n--- \n| 217 \n--- \n| St., J. \n--- \n| 218 \n--- \n| Str., G. \n--- \n| 219 \n--- \n| Su.,S. \n--- \n--- \n| 220 \n--- \n| T., G. \n--- \n| 221 \n--- \n| Th., U. \n--- \n--- \n| 222 \n--- \n| V., M. \n--- \n| 223 \n--- \n| Vo., A. \n--- \n| 224 \n--- \n| Vu., S. \n--- \n--- \n| 225 \n--- \n| W., M. \n--- \n| 226 \n--- \n| Wa., P. \n--- \n| 227 \n--- \n| Wai., K. \n--- \n| 228 \n--- \n| Wie., U. \n--- \n| 229 \n--- \n| We., J. \n--- \nWi.. C. \n--- \n--- \nZ. K. \n--- \n--- \n--- \n--- \n| 230 \n--- \n| Die Antragsgegnerin beantragt, \n--- \n--- \n| 231 \n--- \n| die Antrage zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n--- \n| 232 \n--- \n| Die Antragsgegnerin halt die Antrage des Antragstellers fur unzulassig. \n--- \n--- \n| 233 \n--- \n| Es handele sich nicht um eine Angelegenheit, bei der die durch das\nBetriebsverfassungsgesetz geregelte Ordnung des Betriebs und die gegenseitigen\nRechte und Pflichten der Betriebsparteien als Trager dieser Ordnung im Streit\nsei. Ihm fehle es an der Beteiligtenfahigkeit gemaß § 10 ArbGG. Er konne\nnamlich nicht im eigenen Namen ein Beschlussverfahren zur Geltendmachung von\nRechten betreiben, weil ihm als Betriebsrat weder bei den streitigen\nReklamationen und noch in der paritatischen Kommission Rechte zustunden. Er\nhabe auch in der von ihm verlangten paritatischen Kommission im Rahmen von §\n3.2.3 ETV ERA, § 10 ERA-TV keine Funktion, insbesondere bilde er auf\nBeschaftigtenseite nicht die paritatische Kommission, da sich gemaß §§ 10.3,\n8.3 ERA-TV die paritatische Kommission aus zwei Vertretern der Beschaftigten\nzusammensetze, die nicht einmal Betriebsratsmitglieder sein mussten. Die\nTarifvertragsparteien schrieben fur das Reklamationsverfahren in § 10.7 ERA-TV\nfest, dass der Beschaftigte - und nicht der Betriebsrat - unter bestimmten\nUmstanden den Rechtsweg beschreiten konne, dies schließe den Rechtsweg fur den\nBetriebsrat aus. Es bestehe fur das Verfahren auch kein Rechtsschutzbedurfnis,\nda die Antragsgegnerin gemaß § 10.2 ERA-TV rechtlich noch gar nicht\nverpflichtet sei, die Überprufung der „Reklamationsscheine" zum Abschluss zu\nbringen. § 10.2 ERA-TV sehe vor, dass die Überprufung in der Regel innerhalb\nvon zwei Monaten erfolgen solle. Dabei handele es sich nur um eine\nSollvorschrift, im Übrigen sei es der Antragsgegnerin bis heute nicht moglich,\ndie 92 Reklamationsscheine zu uberprufen, was auch daran liege, dass ein\nklarendes Gesprach mit dem Antragsteller - zum Beispiel uber einzelne\nArbeitsaufgaben oder Kompetenzen der Beteiligten - trotz entsprechender\nAngebote ihrerseits nicht moglich gewesen sei. Sie sei in solchen Gesprachen\nauch bereit, die Reklamationsscheine in der Sache zu behandeln. \n--- \n--- \n| 234 \n--- \n| Jedenfalls bestehe kein Anspruch auf Einberufung der ERA-Kommission im\nUnternehmen der Antragsgegnerin. Die Antrage seien bereits nach ihrem Wortlaut\nzuruckzuweisen. Mit Antrag Ziffer 1 mache der Antragsteller eine paritatische\nKommission nach § 8.3 ERA-TV geltend. Reklamationen gemaß § 3.2.3 ETV ERA\nseien jedoch „normale" Reklamationen gemaß § 10 ERA-TV. Ein Anspruch auf\nBildung einer paritatischen Kommission gemaß § 8.3 ERA-TV konne daher auf\njeden Fall nicht bestehen. Antrag Ziffer 2 sei schon allein deswegen\nunbegrundet, weil - selbst wenn es zu einem Verfahren in der paritatischen\nKommission kame - nicht die Antragsgegnerin die Einstufungen uberprufte,\nsondern die paritatische Kommission. Die Antragsgegnerin konne also nicht\nAdressatin dieser Verpflichtung sein. Vor der betrieblichen ERA-Einfuhrung\nkonne gemaß § 3.2.2 ETV ERA nur der Betriebsrat „entsprechend § 10 ERA-TV"\nreklamieren. Diese Reklamation habe der Betriebsrat gemaß § 10.1 Abs. 2 ERA-TV\nzu begrunden, also darzulegen, dass - und aus welchen Grunden - die\nEntgeltgruppe nicht zutreffend sei. Gegenstand dieser Reklamation sei\n„mitgeteilte Entgeltgruppe", so explizit § 3.2.2 Satz 1 und § 10.1 Abs. 1 ERA-\nTV. Nicht reklamiert werden konne die Aufgabenbeschreibung, also gewissermaßen\nder Inhalt der Arbeitsaufgabe, und ebenso wenig konne der Betriebsrat neue,\nvon ihm „erfundene" Arbeitsaufgaben zum Gegenstand der Reklamation machen.\nDass nur die Entgeltgruppe - also die Bestimmung der richtigen Wertigkeit der\nArbeitsaufgabe -, nicht aber die Arbeitsaufgabeninhalte selbst - Gegenstand\nder Reklamation sein konne, ergebe sich daraus, dass es ureigenste Aufgabe des\nArbeitgebers - seine freie unternehmerische Entscheidung - sei, die\nArbeitsaufgaben im Rahmen seiner Arbeitsorganisation festzulegen. Dies hatten\nauch die Tarifvertragsparteien explizit in den §§ 4.2, 5.1.1, 9.1 ERA-TV\nfestgeschrieben. Hinzu komme, dass es um die Bewertung von\npersonenunabhangigen Aufgabenbeschreibungen durch den Arbeitgeber gehe, also\nnicht um die Beschreibung von Arbeitsaufgaben bestimmter Beschaftigter und\nnicht um die Frage, ob der Arbeitgeber dem einzelnen Beschaftigten die\n„richtige" Arbeitsaufgabe uberantwortet habe. Der Antrag sei auch deshalb\nunbegrundet, da die Antragsgegnerin im Sinne von § 10.2 Abs. 2 ERA-TV noch\nnicht verpflichtet sei, die Reklamationen des Betriebsrats und des jeweiligen\nBeschaftigten zu uberprufen. Die Menge der „Reklamationsscheine" und die\nvergebliche Versuche, in der Sache die Reklamationsgrunde aufzuklaren, ließen\ndas noch nicht zu. Des Weiteren sei der Antrag unbegrundet, weil gem. § 3.2.2\nAbs. 2 ETV ERA „individualisierte" Reklamationen erst ab ERA-Einfuhrung\nmoglich seien. „Reklamationsscheine" des Betriebsrats und der Beschaftigten\nvom 27.12.2006 seien allein schon deswegen unzulassig, da ERA bei der\nAntragsgegnerin erst am 01.01.2007 eingefuhrt wurde. Im Übrigen komme es zu\nkeiner Konstituierung der paritatischen Kommission im Rahmen von Reklamation\ngemaß § 3.2.3 ETV ERA in Verbindung mit § 10 ERA-TV. § 3.2.3 ETV ERA schranke\ndie Reklamationsmoglichkeiten der Beschaftigten und des Betriebsrats innerhalb\nder ersten drei Jahre nach ERA-Einfuhrung ein. Nach dieser Vorschrift konne\nnicht mit der Begrundung reklamiert werden, dass die Bewertung der\nubertragenen Arbeitsaufgabe nicht dem Tarifvertrag entspreche. Vielmehr sei\nnur zulassig zu reklamieren, die im Rahmen der festgelegten\nArbeitsorganisation ausgefuhrte Arbeitsaufgabe entspreche nicht der bewerteten\nArbeitsaufgabe. Aus § 3.2.3 ETV ERA folge, dass die in Stufe 1 vorgenommene\nBewertung der zu Grunde liegenden personenunabhangigen Arbeitsaufgaben\ninnerhalb der ersten drei Jahre nach ERA-Einfuhrung nicht sogleich und\nnochmals uberpruft werden konne, sondern dass der Beschaftigte nur reklamieren\nkonne, dass die zu Grunde liegende personenunabhangige Arbeitsaufgabe nicht\ndie tatsachlich individuell von ihm ausgefuhrte Arbeitsaufgabe sei. Stufe 1 -\nalso die Bewertung der Arbeitsaufgaben durch den Arbeitgeber gemaß § 8 ERA-TV\n- solle innerhalb der ersten drei Jahre nach ERA-Einfuhrung\nBefriedungsfunktion haben und verhindern, dass die gemaß § 8 ERA-TV\nverbindliche Einstufung des Arbeitgebers kurzfristig erneut uberpruft werde.\nKonne aber innerhalb der ersten drei Jahre die Bewertung der Arbeitsaufgabe\nnicht erneut durch die Reklamation des Beschaftigten uberpruft werden, kame\nauch nicht die Bildung einer paritatischen Kommission in Frage. Die\nparitatische Kommission habe namlich keine Zustandigkeit fur die\nAufgabenbeschreibung und fur den Inhalt der Arbeitsaufgabe. Sie uberprufe\ngemaß § 10.3 ERA-TV, ob die Einstufung durch den Arbeitgeber der tariflichen\nBewertung entspricht und damit gerade nicht die „Inhalte" der Arbeitsaufgabe.\nDas folge daraus, dass es Aufgabe des Arbeitgebers selbst - und nicht eines\nDritten, der betrieblichen paritatischen Kommission, sei - die Arbeitsaufgaben\nals Teil der Arbeitsorganisation des Arbeitgebers (§§ 4.2, 5.1.1, 9.1 ERA-TV)\nfestzulegen. Nach der Konzeption der ERA-Tarifvertrage verbleibe es also bei\nder Organisationshoheit des Arbeitgebers und bei der Moglichkeit der\nparitatischen Kommission, die Wertigkeit von (vorgelegten) Arbeitsaufgaben zu\nuberprufen. Im Fall der Reklamationen gemaß § 3.2.3 ETV ERA in Verbindung mit\n§ 10 ERA-TV komme daher eine paritatische Kommission nicht in Betracht.\nAusgehend von dieser Konzeption spiele es daher keine Rolle, ob die\n„Reklamationsscheine" gegebenenfalls aus anderen Grunden (zum Beispiel wegen\nunzureichender Begrundung gemaß § 10.1 Abs. 2 ERA-TV) nicht ordnungsgemaß\nseien. Gemaß § 3.2.3 ETV ERA sei in der zweiten Stufe von Bedeutung, dass der\nBeschaftigte oder der Betriebsrat nach der betrieblichen ERA-Einfuhrung die\nReklamation nur auf die Begrundung stutzen konnten, die im Rahmen der\nfestgelegten Arbeitsorganisation ausgefuhrte Arbeitsaufgabe entspreche nicht\nder bewerteten Arbeitsaufgabe. Der Betriebsrat habe jedoch nicht die\nmitgeteilte Entgeltgruppe reklamiert. Vielmehr habe er neue\nAufgabenbeschreibungen erstellt bzw. die vom Arbeitgeber erstellten\nAufgabenbeschreibungen (inhaltlich) modifiziert. Aus diesem Grund lagen\nunwirksame Reklamationen vor. Auch habe der Antragsteller nicht im Sinne von §\n10.1 Abs. 2 ERA-TV dargelegt, dass - und aus welchen Grunden - die\nEntgeltgruppe nicht zutreffend sein solle. Der Antragsteller habe in seinen\n„Widerspruchen und Reklamationen" keinerlei entsprechende Begrundung\nabgegeben. Somit liege auch in der zweiten Stufe eine unzulassige bzw.\nunwirksame Reklamation des Betriebsrats vor. Eine paritatische Kommission sei\nmangels wirksamer Reklamation nicht einzuberufen \n--- \n--- \n| 235 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Akteninhalt\nsamt Anlageband verwiesen. \n--- \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n--- \n| 236 \n--- \n| Die gestellten Antrage sind zulassig, jedoch nur zum Teil begrundet. \n--- \n--- \n| 237 \n--- \n| 1\\. Zur Zulassigkeit. \n--- \n--- \n| 238 \n--- \n| 1.1 as Beschlussverfahren ist nach § 2 a Abs. 1 Nr. 1, § 80 Abs. 1 ArbGG die\ngebotene Verfahrensart, da uber eine betriebsverfassungsrechtliche\nAngelegenheit zu entscheiden ist. \n--- \n--- \n| 239 \n--- \n| 1.1.1 Der Betriebsrat beruhmt sich nicht in diesem Verfahren nicht, dass die\nAntragsgegnerin uber die streitigen Reklamationen aus § 10 ERA-TV entscheiden\nsoll, sondern er will das Zusammentreten einer von den Tarifvertragsparteien\neingerichteten paritatischen Kommission erreichen. Die Entsendung der\nVertreter der Beschaftigten obliegt allerdings ihm, § 8.3 mit § 7.1.1. ERA-TV.\nDass nur ein Beschaftigter Betriebsratsmitglied sein muss, ist ohne Relevanz.\nDas Beschlussverfahren findet auch dann Anwendung, wenn Rechte\nbetriebsverfassungsrechtlicher Organe im Streit sind, die sich nicht aus dem\nBetriebsverfassungsgesetz selbst ergeben, ihre Grundlage vielmehr in einem\nTarifvertrag haben konnen. \n--- \n--- \n| 240 \n--- \n| 1.1.2 Grundlage fur die Ermittlung des individuellen Grundentgeltanspruchs\nder Beschaftigten ist die Arbeitsaufgabe. Bei dem Begriff der "Arbeitsaufgabe"\nsoll es sich nicht um die Tatigkeit oder den (raumlichen) Arbeitsplatz eines\nkonkreten Beschaftigten handeln, sondern um eine „Aufforderung an Menschen,\nTatigkeiten auszuuben, die der Zielerreichung dienen (ERA-Glossar unter\nArbeitsaufgabe) zu verstehen sind. Die Arbeitsaufgabe wird durch die vom\nArbeitgeber festgelegte betriebliche Arbeitsorganisation bestimmt, so dass\ndarunter die vom Arbeitgeber entsprechend der betrieblichen\nArbeitsorganisation verlangten Anforderungen, d.h. "allgemeine (nicht\nindividuelle) personelle Leistungsanforderungen ( ... ), die zur Bewaltigung\neiner Arbeitsaufgabe erforderlich sind" (ERA-Glossar unter Anforderungen). In\nUnternehmen die wie die Antragsgegnerin unter 500 Personen beschaftigen, ist\ndas Einstufungsverfahren nicht einer paritatischen Kommission, sondern dem\nArbeitgeber und dem Betriebsrat insofern uberantwortet, als dem Betriebsrat an\nStelle der paritatischen Kommission u.a. die Entgegennahme der Mitteilung des\nArbeitgebers uber die Einstufung bestehender, aber noch nicht bewerteter\nArbeitsaufgaben obliegt, § 8 .2 ERA-TV, die er gem. § 10 ERA-TV reklamieren\nkann, worauf dann eine zu bildende paritatische Kommission zusammenzutreten\nhat, § 8.3 ERA-TV. \n--- \n--- \n| 241 \n--- \n| 1.2 Damit handelt es sich bei dem Streit um die Bildung einer paritatischen\nKommission um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz im Sinne\nvon § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG (BAG vom 5.11.1985 - 1 ABR 56/83 - AP Nr. 4 zu §\n117 BetrVG 1972). \n--- \n--- \n--- \n| 242 \n--- \n| 1.3 Die Auffassung der Antragsgegnerin, dem Betriebsrat fehle es an der\nBeteiligtenfahigkeit im Sinne des § 10 ArbGG ist nicht vertretbar. \n--- \n--- \n| 243 \n--- \n| 1.3.1 Die Antragsgegnerin ubersieht, dass § 10 Halbsatz 2 ArbGG lediglich\nbestimmt, wer uber § 50 Abs. 1 ZPO, § 10 Halbsatz 1 hinaus dazu in der Lage\nist, Beteiligter des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens zu sein. Die\nBeteiligtenfahigkeit im Beschlussverfahren entspricht demnach der\nParteifahigkeit im Urteilsverfahren (BAG 29. 11. 1989 - 7 ABR 64/87 -, NZA\n1990, 615). Das folgt aus § 10 ArbGG selbst, der von Beteiligten im\nBeschlussverfahren nur im Zusammenhang mit der Parteifahigkeit im\narbeitsgerichtlichen Verfahren spricht. Daraus folgt, dass im\nBeschlussverfahren uber den in § 50 ZPO angesprochenen Kreis der parteifahigen\nPersonen alle in Halbsatz 2 aufgefuhrten Personen, Stellen, Vereinigungen und\nBehorden beteiligtenfahig sind. Dazu gehort nach § 2 a ArbGG auch der\nBetriebsrat. \n--- \n--- \n| 244 \n--- \n| 1.3.1 Daruber hinaus ist der Antragsteller auch beteiligtenbefugt, im Sinne\nvon betroffen sein. Diese Befugnis folgt aus § 83 Abs. 3 ArbGG.\nBeteiligungsbefugt ist, wer durch die begehrte Entscheidung in seiner\nbetriebsverfassungsrechtlichen Position tatsachlich betroffen werden kann (BAG\n21.09.1989 - 1 ABR 32/89 -, NZA 1990, 314). Antragsbefugt im\nBeschlussverfahren ist jede naturliche oder juristische Person oder jede nach\n§ 10 ArbGG beteiligtenfahige Stelle, die ausweislich ihres Antrags ein eigenes\nRecht geltend macht. Entscheidend ist, ob der Antragsteller durch die\nEntscheidung uberhaupt in seiner Rechtsstellung betroffen wird, was immer dann\nder Fall ist, wenn er eigene Rechte geltend macht (BAG vom 21.09.1989 a. a.\nO., vom 23.02.1988 - 1 ABR 75/86 - AP Nr. 9 zu § 81 ArbGG 1979). \n--- \n--- \n| 245 \n--- \n| Der Antragsteller will die Antragsgegnerin zur Bildung der tariflich\nvorgesehenen paritatischen Kommission zwingen, die die von der Antragsgegnerin\nvorgenommenen Einstufungen auf seine Reklamation hin uberprufen soll. Damit\nmacht er eigenes Recht geltend. \n--- \n--- \n| 246 \n--- \n| 1.4 Die gestellten Antrage sind Leistungsantrage. Der Antragsteller muss\ndafur kein besonderes Rechtsschutzinteresse darlegen (BAG vom 21.09.1989 a. a.\nO.; vom 10.11.1987, AP Nr. 24 zu § 77 BetrVG 1972). \n--- \n--- \n| 247 \n--- \n| 2\\. Die Antrage sind nur insoweit begrundet, als sie auf die Verpflichtung\nder Antragsgegnerin gerichtet sind, Mitglieder in die zu bildende paritatische\nKommission zu entsenden. \n--- \n--- \n| 248 \n--- \n| 2.1 Die Auffassung der Antragsgegnerin, im vereinfachten\nEinstufungsverfahren nach § 8 ERA-TV sei die vom Arbeitgeber getroffene\nEinstufungsentscheidung verbindlich im Sinne von unverruckbar und auf ihre\nRichtigkeit nicht uberprufbar, wird von der Kammer nicht geteilt. \n--- \n--- \n| 249 \n--- \n| Zwar konnen nach § 3.2.3 ETV-ERA verbindliche Einstufungen konnen innerhalb\neiner Frist von 3 Jahren nach der betrieblichen ERA-Einfuhrung nur mit der\nBegrundung reklamiert werden, dass die im Rahmen der festgelegten\nArbeitsorganisation ausgefuhrte Arbeitsaufgabe nicht der bewerteten\nArbeitsaufgabe entspricht. Verbindlich in diesem Sinne ist jedoch nicht\nverbindlich im Sinne § 8.2 ERA-TV. § 3.2.3 REA-TV bezieht sich vielmehr auf §\n7.3.7 ERA-TV, da dem Arbeitgeber im vereinfachten Einstufungsverfahren nach §\n8.2 lediglich die Aufgaben der paritatischen Kommission nach § 7.2 ERA-TV\nobliegen, wahrend dem Betriebsrat die Aufgaben der paritatischen Kommission\nnach § 7.3.1 ERA-TV zugewiesen sind. \n--- \n--- \n| 250 \n--- \n| Denn bereits gem. § 3.2.2 ETV-ERA konnte der Betriebsrat, da die\nNeubewertung im Wege des vereinfachten Einstufungsverfahrens gemaß § 8 erfolgt\nist, innerhalb einer Frist von 8 Wochen die ihm mitgeteilte Entgeltgruppen\nentsprechend § 10 ERA-TV reklamieren. \n--- \n--- \n| 251 \n--- \n| 2.2 Das bedeutet allerdings entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin\nnicht, dass er auf das Reklamieren der Entgeltgruppe beschrankt ist, denn §\n8.4 verweist auf § 7, mit Ausnahme des § 7.2, nicht auf § 10 ERA-TV. Damit\nkonnte der Betriebsrat innerhalb von 8 Wochen sowohl Widerspruch gegen die\nerfolgten Einstufungen als auch gegen die Bewertung einzelner\nBewertungsmerkmale nach § 7.3.1 ERA-TV erheben. Das hat er mit der Übergabe\nseines Schreibens vom 15.12.2006 auch getan. \n--- \n--- \n| 252 \n--- \n| 2.3 Die Auffassung, die Einstufung der Arbeitsaufgaben sei eine nicht weiter\nuberprufbare konstitutive, aus der Herrschaft des Arbeitgebers uber die\nBetriebsorganisation sich selbst ergebende Entscheidung, die zur\nVerbindlichkeit fur die Betroffenen im Sinne einer unumstoßlichen Tatsache\nfuhre, ist nicht vertretbar. Damit hatten die Tarifvertragsparteien der\nWillkur Tur und Tor geoffnet. Vielmehr kann allenfalls hingenommen werden,\ndass dem Arbeitgeber uberlassen ist, die Einstufungen vorzunehmen, die dann\nbei unterbliebenem Widerspruch des Betriebsrats insofern verbindlich werden,\nals dann nur noch die Entgeltgruppe nach § 8.3 ERA-TV reklamiert werden kann.\nKeinesfalls kann dem Betriebsrat die Einwendung abgeschnitten werden, die\nmitgeteilten Einstufungen der bewerteten Arbeitsaufgaben ließen kein Abbild\nder betrieblichen Realitaten erkennen. Darauf hat der Betriebsrat in seinem\nSchreiben vom 15.12.2006 vorrangig abgestellt. \n--- \n--- \n| 253 \n--- \n| Der Widerspruch ist innerhalb von 8 Wochen schriftlich erfolgt. Weitere\nAnforderungen sind im Verfahren vor Zusammentritt der paritatischen Kommission\nnicht zu stellen. \n--- \n--- \n| 254 \n--- \n| Es ist Aufgabe der paritatischen Kommission zu uberprufen, ob die\nReklamationen ansonsten ordnungsgemaß im Sinne von "in zulassiger Weise"\nerfolgt sind. Insofern steht der paritatischen Kommission eine eigene\nKompetenz zu. \n--- \n--- \n| 255 \n--- \n| 2.4 Ansonsten hat die paritatische Kommission auch die Reklamationen nach\nEinfuhrung des ERA-Entgeltsystems auf ihre Zulassigkeit und Begrundetheit im\nRahmen des § 10 ERA-TV zu uberprufen. \n--- \n--- \n| 256 \n--- \n| Ein Vorprufungsrecht des Arbeitgebers in dem Sinne, dass er eigenmachtig die\nStatthaftigkeit der Reklamationen zu uberprufen berechtigt ist, lasst sich\nnoch nicht einmal aus § 3.2.3 ERA-ETV herleiten. Diese Bestimmung beschrankt\nlediglich den Reklamationsbereich. Sie verhindert nicht die Bildung der\nparitatischen Kommission, die daruber zu entscheiden hat, ob der Reklamation\nentsprochen wird. \n--- \n--- \n| 257 \n--- \n| 2.5 Auf eine fehlende Entscheidung nach § 10.2 ERA-TV kann sich die\nAntragsgegnerin nach uber 4 Monaten des Untatigbleibens auf die Reklamationen\nder Beschaftigten und des Betriebsrats mittels der Reklamationsscheine nicht\nberufen. Vielmehr ist fur die paritatische Kommission davon auszugehen, dass\ndie Antragstellerin keine Abhilfeentscheidung treffen will. Auch das fuhrt zur\nBildung der paritatischen Kommission nach § 8.3 mit § 10.3 ERA-TV. \n--- \n--- \n--- \n| 258 \n--- \n| 3\\. Soweit der Antragssteller beantragt, der Antragsgegnerin aufzugeben, in\nder Kommission die Einstufungen der dort aufgefuhrten Beschaftigten uberprufen\nzu lassen, ist der Antrag unbegrundet. \n--- \n--- \n| 259 \n--- \n| Die Antragsgegnerin weist mit Recht darauf hin, dass ihr dazu keine\nBefugnisse zustehen. Sie hatte vielmehr die Einstufungen im vereinfachten\nVerfahren vor ERA Einfuhrung vorzunehmen. Das hat sie auch rechtzeitig getan.\nDie paritatische Kommission hat auf Widerspruche hin diese Einstufungen zu\nuberprufen. Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, diese Überprufung nicht zu\nbehindern oder gar dadurch zu verhindern, dass sie sich weigert, ihre\nVertreter in die Kommission zu entsenden. Die Reklamationsunterlagen sind der\nKommission auszuhandigen. Alle weiteren Entscheidungen uber den Verlauf des\nReklamationsverfahrens trifft die paritatische Kommission. \n--- \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n--- \n| 260 \n--- \n| Die Entscheidung ergeht gem. § 2 Abs. 2 GKG gerichtskosten- und\nauslagenfrei. \n---\n\n
143,168
fg-baden-wurttemberg-2007-07-17-1-k-28404
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
1 K 284/04
2007-07-17
2019-01-09 15:02:29
2019-01-17 12:03:20
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin (Kl.) begehrt die Änderung von Einkommensteuerbescheiden fur\ndie Jahre 1974 und 1976. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Sie ist Rechtsnachfolgerin ihres im Jahre 1997 verstorbenen Ehemannes, der\nunter anderem an der A GmbH und Co. KG („xxx") als Kommanditist beteiligt war. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Finanzamt fur Korperschaften IV X (Betriebsstattenfinanzamt) erließ am\n23. Dezember 2002 einen geanderten Feststellungsbescheid fur 1976 uber\nEinkunfte aus Gewerbebetrieb aus der Beteiligung an der A GmbH und Co. KG (im\nFolgenden: KG), in dem fur den verstorbenen Ehemann der Kl. Einkunfte von -\n2.840, 35 DM festgestellt wurden. Zugleich heißt es in der entsprechenden\nMitteilung an den Bekl., der Feststellungsbescheid vom 17. Juli 1984, in dem\nein Veraußerungsgewinn von 342.024,91 DM berucksichtigt worden sei, werde\nhiermit abgeandert. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 08. Juli 2003 stellte das Betriebsstattenfinanzamt außerdem in einem nach\n§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a AO geanderten Feststellungsbescheid fur 1974 die\nEinkunfte aus Gewerbebetrieb aus der Beteiligung an der KG in Hohe von - 4.000\nDM (Sonderbetriebsausgaben) fest. Dieser Bescheid andere den Bescheid vom 17.\nJuli 1984, in dem - wegen der Berucksichtigung laufender Einkunfte von\n102.529,02 DM - Einkunfte in Hohe von 98.529,02 DM festgestellt worden seien\n(vgl. hierzu das Schreiben des zuletzt genannten Finanzamts vom 24. Juli 2003\nBl. 21 Ruckseite der Einkommensteuerakte). \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Kl. beantragte mit Schreiben vom 19. Februar 2003, die\nEinkommensteuerfestsetzungen fur 1974 und 1976 im Hinblick auf die geanderten\nGewinnfeststellungen zu andern. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Bescheid vom 19. Dezember 2003 lehnte der Bekl. die beantragte Änderung\ndes Einkommensteuerbescheids 1974 mit der Begrundung ab, dass aufgrund der\nvorliegenden Unterlagen die Beteiligung bereits in Hohe von - 4.000 DM\nberucksichtigt sei. Zugleich wurde mitgeteilt, dass fur 1976 eine Änderung\nnach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO (nur) insoweit erfolge, als der laufende Verlust\naus der KG von 2840,35 DM zusatzlich berucksichtigt werde, nicht aber das\nEntfallen der positiven Veraußerungsgewinne aus der A KG, weil diese bislang\nin den Einkommensteuerbescheiden ohnehin nicht erfasst worden seien. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Kl. erhob hiergegen am 30. Dezember 2003 Einspruch. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Am 05. Januar 2004 erließ der Bekl. einen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO\ngeanderten Einkommensteuerbescheid 1976, in dem der zusatzliche laufende\nVerlust aus der KG von 2840, 35 DM berucksichtigt wurde. Dieser wurde aus\nGrunden, die fur den vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung sind, am 21.\nJanuar 2004 nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO abgeandert. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Bekl. wies die Einspruche mit Einspruchsentscheidungen vom 22. Juni 2004\nals unbegrundet zuruck. Fur 1974wurde darauf hingewiesen, dass zum Zeitpunkt\ndes Änderungsantrags die Steuerakten des Jahres 1974 bereits ausgesondert und\nvernichtet worden seien. Wegen Kontoloschung seien auch keinerlei Daten uber\neine entsprechende Einkommensteuerfestsetzung fur 1974 mehr vorhanden. Der von\nder Klagerseite in Kopie vorgelegte Einkommensteuerbescheid vom 09. November\n1982 habe bereits den zutreffenden Gewinn aus gewerblicher Beteiligung an der\nKG berucksichtigt. Aus den darauf befindlichen handschriftlichen Notizen konne\nmit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, dass die\nKG-Beteiligung in der aktuell zutreffenden Hohe bereits berucksichtigt worden\nsein musse. Jedenfalls konne aus den zur Verfugung stehenden Unterlagen nicht\ngeschlossen werden, das Finanzamt habe die Feststellung vom 17. Juli 1984 mit\ndem hohen Beteiligungsgewinn in einem geanderten Folgebescheid berucksichtigt.\nEin solcher liege offenbar auch der Kl. selbst nicht vor. Fur 1976 fuhrte der\nBekl. aus, dass ebenfalls die Steuerunterlagen vernichtet und wegen\nKontoloschung auch keinerlei Daten uber die entsprechende\nEinkommensteuerfestsetzung vorhanden seien. Wegen eines in 1983 gefuhrten\nRechtsbehelfsverfahrens habe sich aber noch eine Rechtsbehelfsakte fur den\nVeranlagungszeitraum 1976 beim Finanzamt befunden, aufgrund derer eine Reihe\nvon Einkommensteuerfestsetzungen rekonstruiert werden konne. Der\nEinkommensteuerbescheid 1976 sei in zutreffendem Umfang geandert worden, weil\nmit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in den bisher erlassenen\nEinkommensteuerbescheiden fur das Streitjahr kein Veraußerungsgewinn aus der\nKG erfasst sei. Nachdem die Bescheide zwischen dem 31. August 1978 und dem 02.\nJanuar 1987 luckenlos vorlagen, konne die Kl. auch nicht mit dem Vortrag\ngehort werden, dass es weitere „amtsinterne" Festsetzungen vor dem 02. Januar\n1987 gegeben habe. Aus den vorliegenden Bescheiden gehe jedenfalls hervor,\ndass - aus welchen Grunden auch immer - der mit Bescheid vom 17. Oktober 1984\nfestgestellte anteilige Veraußerungsgewinn nicht erfasst gewesen sei. Fur die\nBehauptung, der Veraußerungsgewinn sei in einer weiteren, nach dem 02. Januar\n1987 durchgefuhrten Einkommensteuerfestsetzung erfasst worden, benenne die Kl.\nkeinerlei Anhaltspunkte. Es liege auch kein Verstoß gegen die\nAufbewahrungspflichten vor. Selbst wenn dem Bekl. wegen des anhangigen\nEinspruchsverfahrens gegen den Feststellungsbescheid hinsichtlich der\nAussonderung eine Pflichtverletzung zuzurechnen ware, befreie dies die Kl.\nnicht von der ihr obliegenden Mitwirkungspflicht. Diese begehre den Erlass\neines sie begunstigenden Verwaltungsakts und hatte in Kenntnis des anhangigen\nRechtsbehelfsverfahrens durch Aufbewahrung des von ihr behaupteten - vor oder\nnach dem 02. Januar 1987 ergangenen - Einkommensteuerbescheids fur 1976 bzw.\nvon Unterlagen uber die Bezahlung einer entsprechenden Steuerschuld\nBeweisvorsorge treffen mussen. Die Entscheidung uber den Erlass der\nSteuerschuld 1976 sei einem gesonderten Verfahren vorbehalten. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit ihrer am 20. Juli 2004 erhobenen Klage beantragt die Kl. sinngemaß, den\nBeklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Dezember 2003 in Gestalt der\nEinspruchsentscheidungen vom 22. Juni 2004 zu verpflichten, die\nEinkommensteuerfestsetzung fur 1974 so abzuandern, dass um 102.529,02 DM\nverminderte Einkunfte aus Gewerbebetrieb berucksichtigt werden und den\nEinkommensteuerbescheid fur 1976 vom 21. Januar 2004 so abzuandern, dass um\n342.024, 91 DM verminderte Einkunfte aus Gewerbebetrieb berucksichtigt werden. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Kl. begrundet die Klage hinsichtlich des Jahres 1974 im Wesentlichen wie\nfolgt: Wenn der Bekl. nunmehr erklare, es habe keine Steuerfestsetzung\naufgrund der falschen Feststellung gegeben, bleibe er eine Begrundung dafur\nschuldig, zumal dann ein Verstoß gegen die Bindungswirkung des\nGrundlagenbescheides vorliege. Die Kl. habe deshalb zu Recht darauf vertraut,\ndass das Finanzamt den geanderten Folgebescheid mit seiner betrachtlichen\nNachzahlung erlassen und aufbewahrt habe. Weder die Kl. noch deren\nRechtsvorganger hatten davon gewusst, dass der jetzige Kl.-Vertr. einen\nFinanzgerichtsprozess gefuhrt habe. Die Behauptung des Finanzamts, es habe\nkeinen Folgebescheid erlassen, begegne umso schwerwiegenderen Zweifeln, als\ndieses Verhalten vollig unerklarlich sei. Die Gewinnfeststellung fur 1974 sei\nam 17. Juli 1984 in einem Sammelbescheid ergangen, der auch das Jahr 1973\nbetroffen habe. Fur dieses Jahr habe der Bekl. jedoch nach seinen Angaben in\nder Einspruchsentscheidung einen Folgebescheid erlassen. Dass das\nFeststellungsfinanzamt es pflichtwidrig unterlassen habe, dem Bekl. Mitteilung\nvon der fehlenden Bestandskraft des Feststellungsbescheids zu machen, musse\nsich der Bekl. zurechnen lassen. Es sei auch hinsichtlich des Jahres 1976\nunbegreiflich, dass nach dem Vortrag des Finanzamts die Umsetzung des\nGrundlagenbescheids unterblieben sei. Der Kl. konne nicht vorgeworfen werden,\ndass sie hatte Beweisvorsorge treffen mussen. Das Feststellungsfinanzamt habe\ndie ESt-4-Mitteilung bereits am 21. November 1983 verschickt. Dieses Finanzamt\nhabe, wie sich aus einer Auskunft gegenuber der Kl. vom 28. November 2004\nergebe, erklart, dass den Wohnsitzfinanzamtern von den Einwendungen des\nNotliquidators gegen die Feststellung aus dem Jahre 1983 nichts mitgeteilt\nworden sei. Die Behauptung des Bekl., die Akten vernichtet zu haben, sei wenig\nverlasslich. Die Fursorgepflicht der Behorden gebiete es , die Betroffenen\nrechtzeitig davon zu informieren, dass ein bekanntgegebener\nFeststellungsbescheid auch nach zehn Jahren noch nicht bestandskraftig zu\nwerden verspreche und gebiete daher, den Betroffenen Anlass zur Aufbewahrung\nihrer Unterlagen zu geben. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Zur Begrundung nimmt er auf die Einspruchsentscheidungen Bezug. Erganzend\nfuhrt er hinsichtlich des Jahres 1974 aus: Der Bekl. gehe davon aus, dass die\nhandschriftlichen Erganzungen auf der seitens der Kl. uberlassenen Kopie des\nEinkommensteuerbescheids 1974 vom 09. November 1982 entweder vom\nRechtsvorganger der Kl. oder von dessen steuerlichem Vertreter stammten.\nDanach sei dort - soweit leserlich - die Beteiligung an der KG mit - 4.000 DM\nberucksichtigt worden. Die streitigen Einkunfte seien somit bereits 1982\nzutreffend berucksichtigt worden. Der zusammengefasste Feststellungsbescheid\n1973 bis 1977 sei entgegen der Darstellung der Kl. nicht Grundlage der\nEinkommensteuerfestsetzung 1973 gewesen, weshalb nicht der Schluss gezogen\nwerden konne, dass dieser Bescheid dem Bekl. vorgelegen habe. Zum Jahr 1976\nnimmt der Bekl. wie folgt Stellung: Bis nach Ergehen des geanderten\nEinkommensteuerbescheids 1976 vom 02. Januar 1987 sei die Beteiligung an der\nKG durch den Bekl. nicht berucksichtigt worden, wie sich aus der luckenlosen\nDarstellung der fur das Streitjahr ergangenen Einkommensteuerbescheide samt\nAnlagen ergebe. Aus dem Vortrag der Kl. ergaben sich aber auch keine\nAnhaltspunkte dafur, dass nach dem 02. Januar 1987 und vor dem 05. Januar 2004\nein weiterer Einkommensteuerbescheid fur 1976 erlassen worden sei und darin\nEinkunfte aus der KG berucksichtigt worden seien. Nach einer telefonischen\nAuskunft des Finanzamts X Korperschaften vom 25. August 2003 seien am 21.\nNovember 1983, also nach ursprunglicher Bekanntgabe der Feststellungsbescheide\n1973 - 1977 an den Notliquidator, Mitteilungen an die Wohnsitzfinanzamter\nversandt worden. Fur den Bekl. sei wegen der ausgesonderten und vernichteten\nSteuerakte nicht mehr feststellbar, ob eine derartige Mitteilung tatsachlich\nversandt worden sei und diese die fur die Auswertung zustandige Stelle\nerreicht habe. Selbst wenn eine solche Mitteilung vorgelegen habe, konne nicht\nzwingend davon ausgegangen werden, dass eine Auswertung und entsprechende\nÄnderung des Einkommensteuerbescheids erfolgt sei. Da nachweislich bis zum 02.\nJanuar 1987 Einkunfte aus der KG nicht im Rahmen der\nEinkommensteuerveranlagung 1976 berucksichtigt worden seien, bestunden schon\naufgrund des Zeitablaufs erhebliche Zweifel an der Annahme der Kl. dass nach\ndem 02. Januar 1987, also uber drei Jahre nach vermeintlicher Bekanntgabe der\nMitteilung, eine Auswertung erfolgt sei. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beteiligten haben mit Schriftsatzen vom 24. Januar und 02. Februar 2006\nauf mundliche Verhandlung verzichtet. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Das Klageverfahren Az. 13 K 221/04 wegen Ablehnung der Änderung der\nVermogenssteuer auf den 01. Januar 1974, dem eine vergleichbare Problematik\nzugrunde lag, hat sich durch Abhilfe des Bekl. erledigt, nachdem sich in den\nVermogenssteuerakten eine Aufstellung befand, aus der sich die Hohe der\nzuletzt festgesetzten Vermogenssteuer ergab. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsatze samt\nAnlagen und die dem Senat vorliegenden Behordenakten (1 Heft Einkommensteuer-\nund 2 Hefte Rechtsbehelfsakten) sowie die Gerichtsakte Az. 13 K 221/04 Bezug\ngenommen. \n--- \n--- \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 17 \n--- \n| Über den Rechtsstreit entscheidet der Senat mit Einverstandnis der\nBeteiligten nach § 90 Abs. 2 FGO ohne mundliche Verhandlung. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Senat sieht den Antrag als auf die Änderung der\nEinkommensteuerfestsetzungen fur die Streitjahre gerichtet an, weil die Kl.\nsinngemaß vortragt, der Bekl. habe Einkommensteuerbescheide erlassen, in denen\ner den inzwischen aufgehobenen Feststellungsbescheid des Finanzamts fur\nKorperschaften IV in X vom 17. Juli 1984 umgesetzt und damit zu Unrecht dem\nverstorbenen Ehemann der Kl. fur die Jahre 1974 und 1976 entsprechende\nEinkunfte aus der Beteiligung an der KG zugerechnet habe. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die so verstandene Klage ist unbegrundet, weil die Kl. keinen Anspruch auf\ndie begehrte Änderung der Einkommensteuerbescheide hat (vgl. § 101 FGO). \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen,\naufzuheben oder zu andern, soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO),\ndem Bindungswirkung fur diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben\noder geandert wird. Der Feststellungsbescheid ist nach § 182 Abs. 1 AO fur die\nEinkommensteuerbescheide bindend, soweit die dort getroffenen Feststellungen\nfur diese Folgebescheide von Bedeutung sind. Entspricht ein Folgebescheid\nbereits dem geanderten Grundlagenbescheid, so ist eine „Anpassung" allerdings\nnicht notwendig und kann deshalb unterbleiben (vgl. BFH/NV 1994, 75 und Rusken\nin: Klein, AO, 9. Aufl. 2006 § 175 Rn. 21 sowie Loose in: Tipke/Kruse, AO, §\n175 Rn. 8). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Vorliegend ist nicht erkennbar, dass die Einkommensteuerfestsetzungen zu\nLasten der Kl. von den zuletzt ergangenen Feststellungsbescheiden abweichen.\nInsbesondere kann nicht festgestellt werden, dass vom Bekl. die inzwischen\nabgeanderten fehlerhaften Feststellungsbescheide vom 17. Juli 1984 bzw. die\ninhaltlich entsprechenden ESt4B-Mitteilungen in Einkommensteuerbescheide\numgesetzt worden sind. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Dies gilt zunachst fur das Jahr 1974. Dass das Feststellungsfinanzamt\nbereits im Jahre 1982 oder vorher laufende Einkunfte aus der KG von 102.529,02\nDM festgestellt hat ist, weder substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich.\nDen dem Senat in Kopie vorliegenden Einkommensteuerbescheiden lassen sich aber\nauch keinerlei Anhaltspunkte dafur entnehmen, dass spater entsprechend dem\nFeststellungsbescheid aus dem Jahr 1984 bzw. der inhaltlich offenbar\nentsprechenden, nach Angaben des Finanzamts X 1983 an den Bekl. abgesandten\nESt4-Mitteilung laufende Einkunfte aus der KG in der oben genannten Hohe\nberucksichtigt worden sind. Im Gegenteil spricht Vieles dafur, dass es an\neiner Umsetzung der Feststellung fehlt: Der letzte dem Senat (in Kopie)\nvorliegende Einkommensteuerbescheid fur dieses Jahr stammt vom 09. November\n1982 und damit ohnehin aus einem Zeitraum, in dem die Feststellungen des\nFinanzamts X aus den Jahren 1983 bzw. 1984 noch nicht umgesetzt werden\nkonnten. In dem vorgenannten Einkommensteuerbescheid werden Einkunfte aus\nGewerbebetrieb in Hohe von 64.786 DM zugrunde gelegt. Die von der Kl.\nvorgelegte Kopie weist auf Blatt 2 rechts neben der Überschrift „D.\nBesteuerungsgrundlagen" handschriftliche Anmerkungen auf, die nur teilweise\nlesbar sind, deren oberste Zeile aber wohl „A ./. 4000" lautet. Es sind auch\nkeinerlei Anhaltspunkte dafur erkennbar, dass der zuletzt genannte\nFeststellungsbescheid durch einen spateren Einkommensteuerbescheid umgesetzt\nworden ist. Allein aus der sich aus § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO ergebenden Pflicht\nder Finanzverwaltung, den Feststellungsbescheid umzusetzen, lasst sich\nentgegen der Auffassung der Kl. nicht ableiten, dass dies auch tatsachlich\ngeschehen ist. Es ist im ubrigen gerichtsbekannt, dass Grundlagenbescheide von\nden Finanzbehorden gelegentlich nur mit erheblichen Verzogerungen und in\nseltenen Fallen - etwa mangels Mitteilung an die zustandige Stelle - nicht\numgesetzt werden. Die Kl. selbst fuhrt in ihrem Schriftsatz vom 29. April 2004\neinen vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall an, in dem ein Grundlagenbescheid\nsieben Jahre lang nicht ausgewertet worden ist. Vorliegend kann zudem schon\ndeshalb nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Feststellungen\naus dem Feststellungsbescheid vom 17. Juli 1984 in einem Einkommen-\nsteuerbescheid umgesetzt wurden, als offen und nicht mehr aufklarbar ist, ob\nder Bekl. eine entsprechende Mitteilung jemals erhalten hat. Der Bekl. fuhrt\nauch zutreffend aus, dass sich aus dem Umstand, dass die\nFeststellungsbescheide Feststellungen fur mehrere Jahre einschließlich des\nJahres 1973 enthielten, nichts Anderes ableiten lasst. Der Senat hat deshalb\nnicht die Überzeugung gewinnen konnen, dass die Feststellungen des Finanzamts\nX aus dem Jahre 1983 bzw. 1984 zu den Einkunften aus der KG in entsprechenden\nEinkommensteuerfestsetzungen berucksichtigt wurden. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Da die Kl. unter Berufung auf die Umsetzung der Feststellungen des\nBetriebsstattenfinanzamts in Einkommensteuerfestsetzungen im Ergebnis eine\nHerabsetzung der festgesetzten Einkommensteuer begehrt, trifft sie die\nFeststellungslast hierfur. Anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick darauf,\ndass die Kl. nach ihren Angaben nicht wusste, dass noch ein Verfahren gegen\ndie Feststellungsbescheide offen war. Auch der Umstand, dass der Bekl.\ninzwischen die entsprechenden Behordenakten vernichtet hat und die Konten beim\nFinanzamt geloscht worden sind, begrundet nicht unter dem Gesichtspunkt der\nBeweisnahe eine Ausnahme von der Beweislastgrundregel. Der Bekl. konnte - wie\ndie Klagerseite selbst einraumt (vgl. Seite 2 des Schriftsatzes vom 29. April\n2004) und der Bekl. zu recht ausfuhrt - die Akten ohne Rechtsverstoß\nvernichten, wenn er - wie vom Bekl. unwiderlegt vorgetragen - keine Kenntnis\nvon dem Rechtsbehelfsverfahren gegen den Feststellungsbescheid hatte. Im\nÜbrigen war es der Kl. bzw. ihrem Ehemann nach Auffassung des Senats auch\ndann, wenn diese keine Kenntnis von dem Rechtsbehelfsverfahren gegen die\nGewinnfeststellungen hatten, zumutbar, zumindest die Einkommensteuerbescheide\naufzubewahren. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Auch fur das Jahr 1976 hat der Senat nicht die Überzeugung gewonnen, dass\ndie Feststellungen des Betriebsstattenfinanzamts in\nEinkommensteuerfestsetzungen des Bekl. eingegangen sind. Im Gegenteil gibt es\nAnhaltspunkte dafur, dass der Feststellungsbescheid vom 17. Juli 1984 bzw. die\nentsprechende Mitteilung in keinem Einkommen-steuerbescheid berucksichtigt\nworden ist. In einer handschriftlichen Anlage zum Einkommensteuerbescheid vom\n02. Januar 1987, der den Einkommensteuerbescheid vom 29. August 1986 andert\nund in dem Verluste aus Gewerbebetrieb von 4.812 DM berucksichtigt sind, ist\nvermerkt: „A aufgelost 1974". Ein insoweit inhaltsgleicher Vermerk war dem\nEinkommensteuerbescheid vom 23. Marz 1984 beigefugt, der dem\nEinkommensteuerbescheid vom 29.August 1986 vorausging. Auch den luckenlos\nvorliegenden vorangegangenen Einkommensteuerbescheiden ist kein Hinweis darauf\nzu entnehmen, dass die Feststellungen des Betriebsfinanzamts aus dem Jahre\n1984 zu Lasten des fruheren Ehemannes der Kl. ubernommen wurden. Die Kl. tragt\nauch insoweit die Feststellungslast. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 17 \n--- \n| Über den Rechtsstreit entscheidet der Senat mit Einverstandnis der\nBeteiligten nach § 90 Abs. 2 FGO ohne mundliche Verhandlung. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Senat sieht den Antrag als auf die Änderung der\nEinkommensteuerfestsetzungen fur die Streitjahre gerichtet an, weil die Kl.\nsinngemaß vortragt, der Bekl. habe Einkommensteuerbescheide erlassen, in denen\ner den inzwischen aufgehobenen Feststellungsbescheid des Finanzamts fur\nKorperschaften IV in X vom 17. Juli 1984 umgesetzt und damit zu Unrecht dem\nverstorbenen Ehemann der Kl. fur die Jahre 1974 und 1976 entsprechende\nEinkunfte aus der Beteiligung an der KG zugerechnet habe. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die so verstandene Klage ist unbegrundet, weil die Kl. keinen Anspruch auf\ndie begehrte Änderung der Einkommensteuerbescheide hat (vgl. § 101 FGO). \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen,\naufzuheben oder zu andern, soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO),\ndem Bindungswirkung fur diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben\noder geandert wird. Der Feststellungsbescheid ist nach § 182 Abs. 1 AO fur die\nEinkommensteuerbescheide bindend, soweit die dort getroffenen Feststellungen\nfur diese Folgebescheide von Bedeutung sind. Entspricht ein Folgebescheid\nbereits dem geanderten Grundlagenbescheid, so ist eine „Anpassung" allerdings\nnicht notwendig und kann deshalb unterbleiben (vgl. BFH/NV 1994, 75 und Rusken\nin: Klein, AO, 9. Aufl. 2006 § 175 Rn. 21 sowie Loose in: Tipke/Kruse, AO, §\n175 Rn. 8). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Vorliegend ist nicht erkennbar, dass die Einkommensteuerfestsetzungen zu\nLasten der Kl. von den zuletzt ergangenen Feststellungsbescheiden abweichen.\nInsbesondere kann nicht festgestellt werden, dass vom Bekl. die inzwischen\nabgeanderten fehlerhaften Feststellungsbescheide vom 17. Juli 1984 bzw. die\ninhaltlich entsprechenden ESt4B-Mitteilungen in Einkommensteuerbescheide\numgesetzt worden sind. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Dies gilt zunachst fur das Jahr 1974. Dass das Feststellungsfinanzamt\nbereits im Jahre 1982 oder vorher laufende Einkunfte aus der KG von 102.529,02\nDM festgestellt hat ist, weder substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich.\nDen dem Senat in Kopie vorliegenden Einkommensteuerbescheiden lassen sich aber\nauch keinerlei Anhaltspunkte dafur entnehmen, dass spater entsprechend dem\nFeststellungsbescheid aus dem Jahr 1984 bzw. der inhaltlich offenbar\nentsprechenden, nach Angaben des Finanzamts X 1983 an den Bekl. abgesandten\nESt4-Mitteilung laufende Einkunfte aus der KG in der oben genannten Hohe\nberucksichtigt worden sind. Im Gegenteil spricht Vieles dafur, dass es an\neiner Umsetzung der Feststellung fehlt: Der letzte dem Senat (in Kopie)\nvorliegende Einkommensteuerbescheid fur dieses Jahr stammt vom 09. November\n1982 und damit ohnehin aus einem Zeitraum, in dem die Feststellungen des\nFinanzamts X aus den Jahren 1983 bzw. 1984 noch nicht umgesetzt werden\nkonnten. In dem vorgenannten Einkommensteuerbescheid werden Einkunfte aus\nGewerbebetrieb in Hohe von 64.786 DM zugrunde gelegt. Die von der Kl.\nvorgelegte Kopie weist auf Blatt 2 rechts neben der Überschrift „D.\nBesteuerungsgrundlagen" handschriftliche Anmerkungen auf, die nur teilweise\nlesbar sind, deren oberste Zeile aber wohl „A ./. 4000" lautet. Es sind auch\nkeinerlei Anhaltspunkte dafur erkennbar, dass der zuletzt genannte\nFeststellungsbescheid durch einen spateren Einkommensteuerbescheid umgesetzt\nworden ist. Allein aus der sich aus § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO ergebenden Pflicht\nder Finanzverwaltung, den Feststellungsbescheid umzusetzen, lasst sich\nentgegen der Auffassung der Kl. nicht ableiten, dass dies auch tatsachlich\ngeschehen ist. Es ist im ubrigen gerichtsbekannt, dass Grundlagenbescheide von\nden Finanzbehorden gelegentlich nur mit erheblichen Verzogerungen und in\nseltenen Fallen - etwa mangels Mitteilung an die zustandige Stelle - nicht\numgesetzt werden. Die Kl. selbst fuhrt in ihrem Schriftsatz vom 29. April 2004\neinen vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall an, in dem ein Grundlagenbescheid\nsieben Jahre lang nicht ausgewertet worden ist. Vorliegend kann zudem schon\ndeshalb nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Feststellungen\naus dem Feststellungsbescheid vom 17. Juli 1984 in einem Einkommen-\nsteuerbescheid umgesetzt wurden, als offen und nicht mehr aufklarbar ist, ob\nder Bekl. eine entsprechende Mitteilung jemals erhalten hat. Der Bekl. fuhrt\nauch zutreffend aus, dass sich aus dem Umstand, dass die\nFeststellungsbescheide Feststellungen fur mehrere Jahre einschließlich des\nJahres 1973 enthielten, nichts Anderes ableiten lasst. Der Senat hat deshalb\nnicht die Überzeugung gewinnen konnen, dass die Feststellungen des Finanzamts\nX aus dem Jahre 1983 bzw. 1984 zu den Einkunften aus der KG in entsprechenden\nEinkommensteuerfestsetzungen berucksichtigt wurden. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Da die Kl. unter Berufung auf die Umsetzung der Feststellungen des\nBetriebsstattenfinanzamts in Einkommensteuerfestsetzungen im Ergebnis eine\nHerabsetzung der festgesetzten Einkommensteuer begehrt, trifft sie die\nFeststellungslast hierfur. Anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick darauf,\ndass die Kl. nach ihren Angaben nicht wusste, dass noch ein Verfahren gegen\ndie Feststellungsbescheide offen war. Auch der Umstand, dass der Bekl.\ninzwischen die entsprechenden Behordenakten vernichtet hat und die Konten beim\nFinanzamt geloscht worden sind, begrundet nicht unter dem Gesichtspunkt der\nBeweisnahe eine Ausnahme von der Beweislastgrundregel. Der Bekl. konnte - wie\ndie Klagerseite selbst einraumt (vgl. Seite 2 des Schriftsatzes vom 29. April\n2004) und der Bekl. zu recht ausfuhrt - die Akten ohne Rechtsverstoß\nvernichten, wenn er - wie vom Bekl. unwiderlegt vorgetragen - keine Kenntnis\nvon dem Rechtsbehelfsverfahren gegen den Feststellungsbescheid hatte. Im\nÜbrigen war es der Kl. bzw. ihrem Ehemann nach Auffassung des Senats auch\ndann, wenn diese keine Kenntnis von dem Rechtsbehelfsverfahren gegen die\nGewinnfeststellungen hatten, zumutbar, zumindest die Einkommensteuerbescheide\naufzubewahren. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Auch fur das Jahr 1976 hat der Senat nicht die Überzeugung gewonnen, dass\ndie Feststellungen des Betriebsstattenfinanzamts in\nEinkommensteuerfestsetzungen des Bekl. eingegangen sind. Im Gegenteil gibt es\nAnhaltspunkte dafur, dass der Feststellungsbescheid vom 17. Juli 1984 bzw. die\nentsprechende Mitteilung in keinem Einkommen-steuerbescheid berucksichtigt\nworden ist. In einer handschriftlichen Anlage zum Einkommensteuerbescheid vom\n02. Januar 1987, der den Einkommensteuerbescheid vom 29. August 1986 andert\nund in dem Verluste aus Gewerbebetrieb von 4.812 DM berucksichtigt sind, ist\nvermerkt: „A aufgelost 1974". Ein insoweit inhaltsgleicher Vermerk war dem\nEinkommensteuerbescheid vom 23. Marz 1984 beigefugt, der dem\nEinkommensteuerbescheid vom 29.August 1986 vorausging. Auch den luckenlos\nvorliegenden vorangegangenen Einkommensteuerbescheiden ist kein Hinweis darauf\nzu entnehmen, dass die Feststellungen des Betriebsfinanzamts aus dem Jahre\n1984 zu Lasten des fruheren Ehemannes der Kl. ubernommen wurden. Die Kl. tragt\nauch insoweit die Feststellungslast. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen. \n---\n\n
159,891
fg-baden-wurttemberg-2007-12-10-3-k-18107
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
3 K 181/07
2007-12-10
2019-01-10 10:06:44
2019-01-17 12:04:44
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die im Jahr 1962 geborene Klagerin ist Mutter des am 24. September 1986\ngeborenen Kindes B. Nachdem B im Juli 2006 seine Ausbildung an der Staatlichen\nFeintechnikschule in X beendet hatte, absolvierte er von September 2006 bis\nSeptember 2007 ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ) in Sudafrika (S). \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Schreiben vom 16. August 2006 beantragte die Klagerin die\nWeitergewahrung von Kindergeld fur B wahrend der Zeit der Ableistung des FSJ\nin S. Sie legte eine englischsprachige Bescheinigung der Tragerorganisation „"\n(G) bei. Mit Bescheid vom 22. August 2006 lehnte der Beklagte (die\nFamilienkasse -FK-) die Weitergewahrung von Kindergeld fur diese Zeit ab und\nhob die Kindergeldfestsetzung auf, weil B sein FSJ in S und nicht im Inland\nableiste. Es handele sich auch nicht um einen Dienst im Ausland im Sinne des §\n14b des Zivildienstgesetzes. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Gegen diesen Bescheid legte die Klagerin Einspruch ein. Am 14. September\n2006 forderte die FK bei der Klagerin eine Bescheinigung an, dass der Dienst\nin Sudafrika ein anerkanntes FSJ im Sinne des Gesetzes fur Forderung des\nfreiwilligen sozialen Jahres (FSJG) sei. Am 23. September 2006 legte die\nKlagerin daraufhin eine deutschsprachige Praktikumsbescheinigung vor, wonach G\neine karitative Organisation sei, B in einem Waisenhaus arbeite und dem\nPraktikum ein detaillierter Ausbildungsplan zugrunde liege, der darauf ziele,\nfur die beabsichtige spatere Ausbildung als Sonderschullehrer wesentliche\nKenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln. Mit Schreiben vom 4. Oktober 2006\nverlangte die FK weitere Angaben dazu, welche Ausbildungsinhalte vermittelt\nwurden, durch wen die Unterweisung stattfinde, wie viele Wochenstunden\nvorgesehen seien und ob sich B im Wintersemester 2007 als Sonderschullehrer\nbewerben werde. Ein Hinweis, dass nach Vorlage der Nachweise Kindergeld\ngewahrt werde, fehlt. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Daraufhin zeigte mit Schreiben vom 31. Oktober 2006 die\nProzessbevollmachtigte der Klagerin die Vertretung der Klagerin an und legte\neine weitere Bescheinigung der G vor. Daraufhin half die FK am 29. November\n2006 dem Einspruch der Klagerin ab und gewahrte weiterhin Kindergeld fur B. Es\nentschied außerdem, dass die Kosten des Einspruchsverfahrens nicht erstattet\nwerden, weil sie nicht notwendig gewesen seien. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Gegen die Kostenentscheidung legte die Klagervertreterin namens der Klagerin\nEinspruch ein, mit dem sie geltend machte, die Inanspruchnahme anwaltlicher\nHilfe sei notwendig gewesen, nachdem die FK im Rahmen des zunachst selbst\ngefuhrten Einspruchsverfahrens nicht abgeholfen habe. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Diesen Einspruch wies die FK durch Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember\n2006 als unbegrundet zuruck. Die FK gab nach einem „Mustertatbestand" ohne\nkonkrete Daten und Fakten lediglich den Gesetzeswortlaut wieder und ging auf\ndie Umstande des Einzelfalls nicht ein, so dass keine Wurdigung der Umstande\ndes Streitfalls erkennbar ist. Der Einspruchsentscheidung lasst sich\nmoglicherweise entnehmen, dass die FK der Klagerin einen Verstoß gegen ihre\nMitwirkungspflichten vorwerfen will. Warum die Zuziehung der Bevollmachtigten\nnicht fur notwendig erachtet wird, wurde nicht erlautert. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit ihrer Klage verfolgt die Klagerin ihr Begehren weiter. Sie macht\ngeltend, die FK habe ihre unzutreffende Rechtsauffassung, ein FSJ in Sudafrika\nfuhre nicht zur Gewahrung von Kindergeld, erst nach Einschaltung der\nKlagervertreterin geandert. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 29. November 2006 in\nGestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2006 aufzuheben. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Sie macht geltend, sie habe ihre Rechtsauffassung nicht geandert, sondern\nnach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG)\nKindergeld fur ein Praktikum in S gewahrt. Die dazu notwendigen Unterlagen\nhatte die Klagerin auch selbst einreichen konnen, so dass anwaltliche Hilfe\nnicht erforderlich gewesen sei. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Beteiligten haben mit Schriftsatzen vom 8. November 2007 und 5. Dezember\n2007 auf mundliche Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung\ndurch den Einzelrichter einverstanden erklart. Der Senat hat durch Beschluss\nvom 6. Dezember 2007 den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als\nEinzelrichter ubertragen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| I. Der Einzelrichter hat nur uber die Kostenentscheidung im angefochtenen\nBescheid vom 29. November 2006 zu entscheiden. Dies ergibt sich -entgegen dem\ninsoweit missverstandlich weit gefassten Klageantrag- aus dem Klagebegehren.\nNach Bl. 78 der Kindergeldakte richtete sich der Einspruch nur gegen die\nKostentscheidung. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Einzelrichter versteht den Antrag der Klagerin außerdem -entgegen seinem\nWortlaut- nicht als isolierten Aufhebungsantrag, sondern als Antrag auf\nÄnderung der angefochtenen Kostenentscheidung. Das Klagebegehren ist auf die\npositive Entscheidung gerichtet, dass die FK die Kosten des\nEinspruchsverfahrens E 1409/06 zu tragen hat und die Zuziehung eines\nBevollmachtigten fur notwendig erklart wird. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Beide Anpassungen des Klageantrags an das Klagebegehren durch das Gericht\nsind nach § 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulassig: Das\nGericht darf danach (nur) uber das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber\nan die Fassung der Antrage nicht gebunden. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| II. Die so verstandene Klage ist begrundet; die Kostenentscheidung in\nGestalt der Einspruchsentscheidung ist entsprechend dem Klagebegehren der\nKlagerin zu andern. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| 1\\. § 77 EStG lautet auszugsweise wie folgt: \n--- \n| 17 \n--- \n| „(1) Soweit der Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung erfolgreich ist,\nhat die Familienkasse demjenigen, der den Einspruch erhoben hat, die zur\nzweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen\nAufwendungen zu erstatten. … Aufwendungen, die durch das Verschulden eines\nErstattungsberechtigten entstanden sind, hat dieser selbst zu tragen; das\nVerschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| (2) Die Gebuhren und Auslagen eines Bevollmachtigten oder Beistandes, der\nnach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschaftsmaßigen\nHilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind erstattungsfahig, wenn dessen\nZuziehung notwendig war. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| (3) … Die Kostenentscheidung bestimmt auch, ob die Zuziehung eines\nBevollmachtigten oder Beistandes im Sinne des Absatzes 2 notwendig war." \n--- \n| 20 \n--- \n| Diese Vorschrift findet auch Anwendung auf Einspruche gegen die Aufhebung\neiner Kindergeld-Festsetzung (z.B. Blumich/Treiber, EStG, § 77 Rz. 4 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| 2\\. Im Streitfall hat die FK dem Einspruch der Klagerin mit dem Aktenzeichen\nE 1409/06 abgeholfen, so dass sie nach § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG die Kosten des\nEinspruchsverfahrens E 1409/06 zu tragen hat. Die Klagerin hat danach\ngrundsatzlich Anspruch auf Erstattung der Kosten des Einspruchsverfahrens. Es\nbedarf keiner Kausalitat der Einspruchsbegrundung fur die Abhilfe (vgl.\nBlumich/Treiber, EStG, § 77 Rz. 5), so dass dahinstehen kann, ob ein\nKindergeldanspruch wegen § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG oder auch\nwegen § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG besteht. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| 3\\. Dieser Anspruch ist nicht wegen eines Verschuldens der Klagerin\nausgeschlossen. Fur die von der FK ausgesprochene Versagung einer\nKostenerstattung uberhaupt (d.h. auch fur die eigenen Aufwendungen der\nKlagerin wie Porto etc., vgl. dazu Felix in Kirchhof/Sohn/Mellinghoff, EStG, §\n77 Rz. B 15, B 21) ist danach kein Raum. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| a) Ein den Erstattungsanspruch ausschließendes Verschulden i.S. des § 77\nAbs. 1 Satz 3 EStG wird angenommen, wenn der Einspruchsfuhrer seiner\nMitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren nicht nachgekommen ist und die\nBehorde trotz des Bestehens der Amtsermittlungspflicht keine andere\nEntscheidung treffen konnte (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juli 2002 VIII R 73/00,\nBFH/NV 2003, 25, m.w.N.). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| b) Der Klagerin kann danach -entgegen der von der FK in der\nEinspruchsentscheidung moglicherweise vertretenen Auffassung- kein\nVerschuldensvorwurf i.S. des § 77 Abs. 1 Satz 3 EStG gemacht werden. Die\nKlagerin ist vielmehr nach dem Inhalt der dem Gericht vorliegenden\nKindergeldakten ihren Mitwirkungspflichten bisher fast immer in geradezu\nvorbildlicher Weise nachgekommen. Auch vorliegend ist sie von sich aus an die\nFK herangetreten und hat sofort erste Nachweise vorgelegt. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Demgegenuber ist die FK ihrer Amtsermittlungspflicht in keinster Weise\nnachgekommen und das Einspruchsverfahren E 1409/06 wurde durch das Verhalten\nder FK notwendig: Die FK hat es namlich versaumt, der Klagerin vor Aufhebung\nder Kindergeldfestsetzung und Abweichung von den tatsachlichen Angaben der\nKlagerin rechtliches Gehor zu gewahren. Dazu ware sie verpflichtet gewesen\n(vgl. § 91 Abs. 1 Satz 2 AO 1977), wenn sie -wie die Vertreterin der FK im\nKlageverfahren geltend gemacht hat- weitere tatsachliche Angaben der Klagerin\nfur erforderlich gehalten hatte. Mit einer Ermittlung schon im\nVerwaltungsverfahren hatte es die FK ubrigens auch in der Hand, die\nErstattung(sfahigkeit) der Kosten von vorneherein zu verhindern; denn die\nKosten des Verwaltungsverfahrens werden nicht erstattet. Wenn die FK\nallerdings die Kindergeldberechtigten in Kenntnis dieser Rechtslage gleichwohl\nvorschnell in Einspruchsverfahren hineintreibt, muss sie umgekehrt auch die\nsich hieraus ergebenden nachteiligen Kostenfolgen tragen. Welche Grunde zu\ndieser Vorgehensweise der FK fuhrten (z.B. moglicherweise eine unzureichende\nPersonalausstattung), ist insoweit unerheblich. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| 4\\. Die Hinzuziehung einer Bevollmachtigten durch die Klagerin ist ebenfalls\nnach § 77 Abs. 3 Satz 2 EStG fur notwendig zu erklaren. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| a) Die Frage, ob die Hinzuziehung eines Bevollmachtigten oder Beistandes,\nder nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschaftsmaßigen\nHilfeleistung in Steuersachen befugt ist, i.S. des § 77 Abs. 2 EStG notwendig\nwar, ist aus der Sicht eines verstandigen Burgers vom Wissens- und\nErkenntnisstand des Rechtsbehelfsfuhrers zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil in\nBFH/NV 2003, 25). Bei der Entscheidung hieruber sind die zu § 139 Abs. 3 Satz\n3 FGO entwickelten Kriterien entsprechend heranzuziehen (vgl. zuletzt Urteil\ndes FG Munchen vom 25. Juli 2007 4 K 29/04, EFG 2007, 1704). Regelmaßig sind\nkeine allzu strengen Maßstabe anzulegen (z.B. Felix in Kirchhof/Sohn/\nMellinghoff, EStG, § 77 Rz. C 2; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 139 FGO Tz.\n130). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| b) Ein verstandiger Burger wird allerdings nicht einen Anwalt beauftragen,\nsondern die erforderlichen Nachweise selbst einreichen, wenn nicht ernstlich\nanzunehmen ist, dass der Wechsel im kindergeldrechtlichen Status des Kindes\nkindergeldschadlich gewesen sein konnte (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 25,\nzum Wechsel der Ausbildung). Die Notwendigkeit einer Hinzuziehung ist zu\nverneinen, wenn alle erforderlichen Hinweise von der FK in allgemein\nverstandlicher Form gegeben worden sind und wenn danach die\nkindergeldberechtigte Person die interessierenden bzw. abgefragten Daten und\nUnterlagen zumutbar selbst (oder mit Hilfe des erwachsenen Kindes) hatte\neinreichen konnen (vgl. Urteil des FG Hamburg vom 20. April 2004 III 465/03,\nEFG 2004, 1621). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| c) Die unter b) genannten Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| aa) Die FK hatte die Kindergeldfestsetzung aufgehoben, weil B sein FSJ nicht\nim Inland, sondern in S ableiste. Von dem her war (und ist ubrigens bis heute)\nzwischen den Beteiligten in rechtlicher Hinsicht streitig, ob ein FSJ in S\nnach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG zum Kindergeldbezug berechtigt\noder nicht: Die Klagerin bejaht dies nach wie vor, die FK verneint dies nach\nwie vor. Diese umstrittene Rechtsfrage rechtfertigte es, dass die Klagerin\nanwaltliche Hilfe in Anspruch nahm, zumal die FK die Klagerin durch einen\nVerstoß gegen die Amtsermittlungspflicht in das Einspruchsverfahren\nhineingezwungen hatte. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| bb) Aus den zwischenzeitlichen Schreiben der FK vom 19. September und 4.\nOktober 2006 folgt aus Sicht des Gerichts nichts anderes, weil darin nicht\nalle erforderlichen Hinweise von der FK gegeben worden sind. Die Klagerin\nwurde namentlich nicht auf die alternative Kindergeldberechtigung fur ein\nAuslandspraktikum nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und die dafur\nnotwendigen tatsachlichen Voraussetzungen von der FK hingewiesen. Vielmehr\nnahm das Schreiben vom 14. September 2006 noch auf das FSJG Bezug. Auch noch\nnach dem Schreiben vom 4. Oktober 2006 musste die Klagerin weiter davon\nausgehen, dass um eine Kindergeldberechtigung wegen § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2\nBuchst. d EStG gestritten werde. Warum weitere Nachweise angefordert wurden,\nwurde namlich nicht erlautert; ein wenigstens kurzer Hinweis darauf, dass eine\nKindergeldberechtigung auf anderer Rechtsgrundlage gepruft werde, fehlt. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Revision wird nicht zugelassen, weil Zulassungsgrunde weder vorgetragen\nnoch sonst ersichtlich sind. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Das Gericht entscheidet mit Einverstandnis der Beteiligten ohne mundliche\nVerhandlung durch Urteil (§ 90 Abs. 2 FGO) des Einzelrichters (§ 6 FGO). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| I. Der Einzelrichter hat nur uber die Kostenentscheidung im angefochtenen\nBescheid vom 29. November 2006 zu entscheiden. Dies ergibt sich -entgegen dem\ninsoweit missverstandlich weit gefassten Klageantrag- aus dem Klagebegehren.\nNach Bl. 78 der Kindergeldakte richtete sich der Einspruch nur gegen die\nKostentscheidung. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Einzelrichter versteht den Antrag der Klagerin außerdem -entgegen seinem\nWortlaut- nicht als isolierten Aufhebungsantrag, sondern als Antrag auf\nÄnderung der angefochtenen Kostenentscheidung. Das Klagebegehren ist auf die\npositive Entscheidung gerichtet, dass die FK die Kosten des\nEinspruchsverfahrens E 1409/06 zu tragen hat und die Zuziehung eines\nBevollmachtigten fur notwendig erklart wird. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Beide Anpassungen des Klageantrags an das Klagebegehren durch das Gericht\nsind nach § 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulassig: Das\nGericht darf danach (nur) uber das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber\nan die Fassung der Antrage nicht gebunden. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| II. Die so verstandene Klage ist begrundet; die Kostenentscheidung in\nGestalt der Einspruchsentscheidung ist entsprechend dem Klagebegehren der\nKlagerin zu andern. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| 1\\. § 77 EStG lautet auszugsweise wie folgt: \n--- \n| 17 \n--- \n| „(1) Soweit der Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung erfolgreich ist,\nhat die Familienkasse demjenigen, der den Einspruch erhoben hat, die zur\nzweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen\nAufwendungen zu erstatten. … Aufwendungen, die durch das Verschulden eines\nErstattungsberechtigten entstanden sind, hat dieser selbst zu tragen; das\nVerschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| (2) Die Gebuhren und Auslagen eines Bevollmachtigten oder Beistandes, der\nnach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschaftsmaßigen\nHilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind erstattungsfahig, wenn dessen\nZuziehung notwendig war. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| (3) … Die Kostenentscheidung bestimmt auch, ob die Zuziehung eines\nBevollmachtigten oder Beistandes im Sinne des Absatzes 2 notwendig war." \n--- \n| 20 \n--- \n| Diese Vorschrift findet auch Anwendung auf Einspruche gegen die Aufhebung\neiner Kindergeld-Festsetzung (z.B. Blumich/Treiber, EStG, § 77 Rz. 4 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| 2\\. Im Streitfall hat die FK dem Einspruch der Klagerin mit dem Aktenzeichen\nE 1409/06 abgeholfen, so dass sie nach § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG die Kosten des\nEinspruchsverfahrens E 1409/06 zu tragen hat. Die Klagerin hat danach\ngrundsatzlich Anspruch auf Erstattung der Kosten des Einspruchsverfahrens. Es\nbedarf keiner Kausalitat der Einspruchsbegrundung fur die Abhilfe (vgl.\nBlumich/Treiber, EStG, § 77 Rz. 5), so dass dahinstehen kann, ob ein\nKindergeldanspruch wegen § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG oder auch\nwegen § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG besteht. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| 3\\. Dieser Anspruch ist nicht wegen eines Verschuldens der Klagerin\nausgeschlossen. Fur die von der FK ausgesprochene Versagung einer\nKostenerstattung uberhaupt (d.h. auch fur die eigenen Aufwendungen der\nKlagerin wie Porto etc., vgl. dazu Felix in Kirchhof/Sohn/Mellinghoff, EStG, §\n77 Rz. B 15, B 21) ist danach kein Raum. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| a) Ein den Erstattungsanspruch ausschließendes Verschulden i.S. des § 77\nAbs. 1 Satz 3 EStG wird angenommen, wenn der Einspruchsfuhrer seiner\nMitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren nicht nachgekommen ist und die\nBehorde trotz des Bestehens der Amtsermittlungspflicht keine andere\nEntscheidung treffen konnte (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juli 2002 VIII R 73/00,\nBFH/NV 2003, 25, m.w.N.). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| b) Der Klagerin kann danach -entgegen der von der FK in der\nEinspruchsentscheidung moglicherweise vertretenen Auffassung- kein\nVerschuldensvorwurf i.S. des § 77 Abs. 1 Satz 3 EStG gemacht werden. Die\nKlagerin ist vielmehr nach dem Inhalt der dem Gericht vorliegenden\nKindergeldakten ihren Mitwirkungspflichten bisher fast immer in geradezu\nvorbildlicher Weise nachgekommen. Auch vorliegend ist sie von sich aus an die\nFK herangetreten und hat sofort erste Nachweise vorgelegt. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Demgegenuber ist die FK ihrer Amtsermittlungspflicht in keinster Weise\nnachgekommen und das Einspruchsverfahren E 1409/06 wurde durch das Verhalten\nder FK notwendig: Die FK hat es namlich versaumt, der Klagerin vor Aufhebung\nder Kindergeldfestsetzung und Abweichung von den tatsachlichen Angaben der\nKlagerin rechtliches Gehor zu gewahren. Dazu ware sie verpflichtet gewesen\n(vgl. § 91 Abs. 1 Satz 2 AO 1977), wenn sie -wie die Vertreterin der FK im\nKlageverfahren geltend gemacht hat- weitere tatsachliche Angaben der Klagerin\nfur erforderlich gehalten hatte. Mit einer Ermittlung schon im\nVerwaltungsverfahren hatte es die FK ubrigens auch in der Hand, die\nErstattung(sfahigkeit) der Kosten von vorneherein zu verhindern; denn die\nKosten des Verwaltungsverfahrens werden nicht erstattet. Wenn die FK\nallerdings die Kindergeldberechtigten in Kenntnis dieser Rechtslage gleichwohl\nvorschnell in Einspruchsverfahren hineintreibt, muss sie umgekehrt auch die\nsich hieraus ergebenden nachteiligen Kostenfolgen tragen. Welche Grunde zu\ndieser Vorgehensweise der FK fuhrten (z.B. moglicherweise eine unzureichende\nPersonalausstattung), ist insoweit unerheblich. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| 4\\. Die Hinzuziehung einer Bevollmachtigten durch die Klagerin ist ebenfalls\nnach § 77 Abs. 3 Satz 2 EStG fur notwendig zu erklaren. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| a) Die Frage, ob die Hinzuziehung eines Bevollmachtigten oder Beistandes,\nder nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschaftsmaßigen\nHilfeleistung in Steuersachen befugt ist, i.S. des § 77 Abs. 2 EStG notwendig\nwar, ist aus der Sicht eines verstandigen Burgers vom Wissens- und\nErkenntnisstand des Rechtsbehelfsfuhrers zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil in\nBFH/NV 2003, 25). Bei der Entscheidung hieruber sind die zu § 139 Abs. 3 Satz\n3 FGO entwickelten Kriterien entsprechend heranzuziehen (vgl. zuletzt Urteil\ndes FG Munchen vom 25. Juli 2007 4 K 29/04, EFG 2007, 1704). Regelmaßig sind\nkeine allzu strengen Maßstabe anzulegen (z.B. Felix in Kirchhof/Sohn/\nMellinghoff, EStG, § 77 Rz. C 2; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 139 FGO Tz.\n130). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| b) Ein verstandiger Burger wird allerdings nicht einen Anwalt beauftragen,\nsondern die erforderlichen Nachweise selbst einreichen, wenn nicht ernstlich\nanzunehmen ist, dass der Wechsel im kindergeldrechtlichen Status des Kindes\nkindergeldschadlich gewesen sein konnte (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 25,\nzum Wechsel der Ausbildung). Die Notwendigkeit einer Hinzuziehung ist zu\nverneinen, wenn alle erforderlichen Hinweise von der FK in allgemein\nverstandlicher Form gegeben worden sind und wenn danach die\nkindergeldberechtigte Person die interessierenden bzw. abgefragten Daten und\nUnterlagen zumutbar selbst (oder mit Hilfe des erwachsenen Kindes) hatte\neinreichen konnen (vgl. Urteil des FG Hamburg vom 20. April 2004 III 465/03,\nEFG 2004, 1621). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| c) Die unter b) genannten Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| aa) Die FK hatte die Kindergeldfestsetzung aufgehoben, weil B sein FSJ nicht\nim Inland, sondern in S ableiste. Von dem her war (und ist ubrigens bis heute)\nzwischen den Beteiligten in rechtlicher Hinsicht streitig, ob ein FSJ in S\nnach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG zum Kindergeldbezug berechtigt\noder nicht: Die Klagerin bejaht dies nach wie vor, die FK verneint dies nach\nwie vor. Diese umstrittene Rechtsfrage rechtfertigte es, dass die Klagerin\nanwaltliche Hilfe in Anspruch nahm, zumal die FK die Klagerin durch einen\nVerstoß gegen die Amtsermittlungspflicht in das Einspruchsverfahren\nhineingezwungen hatte. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| bb) Aus den zwischenzeitlichen Schreiben der FK vom 19. September und 4.\nOktober 2006 folgt aus Sicht des Gerichts nichts anderes, weil darin nicht\nalle erforderlichen Hinweise von der FK gegeben worden sind. Die Klagerin\nwurde namentlich nicht auf die alternative Kindergeldberechtigung fur ein\nAuslandspraktikum nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und die dafur\nnotwendigen tatsachlichen Voraussetzungen von der FK hingewiesen. Vielmehr\nnahm das Schreiben vom 14. September 2006 noch auf das FSJG Bezug. Auch noch\nnach dem Schreiben vom 4. Oktober 2006 musste die Klagerin weiter davon\nausgehen, dass um eine Kindergeldberechtigung wegen § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2\nBuchst. d EStG gestritten werde. Warum weitere Nachweise angefordert wurden,\nwurde namlich nicht erlautert; ein wenigstens kurzer Hinweis darauf, dass eine\nKindergeldberechtigung auf anderer Rechtsgrundlage gepruft werde, fehlt. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Revision wird nicht zugelassen, weil Zulassungsgrunde weder vorgetragen\nnoch sonst ersichtlich sind. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Das Gericht entscheidet mit Einverstandnis der Beteiligten ohne mundliche\nVerhandlung durch Urteil (§ 90 Abs. 2 FGO) des Einzelrichters (§ 6 FGO). \n---\n\n