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136,930 | olgkarl-2006-03-16-12-u-29205 | 146 | Oberlandesgericht Karlsruhe | olgkarl | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 12 U 292/05 | 2006-03-16 | 2019-01-07 12:04:08 | 2019-02-12 12:39:08 | Entscheidung | ## Tenor\n\nAuf die Berufung des Klagers wird das Urteil des LG Mannheim vom 22.11.2005 -\n8 O 128/05 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeandert:\n\nDie Beklagte wird verurteilt, an den Klager 8.532,91 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5\nProzentpunkten uber dem Basiszinssatz seit dem 18.1.2005 zu bezahlen.\n\nDie Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Der Klager macht Anspruche aus einer Kfz-Kaskoversicherung geltend. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager war Eigentumer des Pkw Mercedes E 200 CDI, Baujahr 2000,\namtliches Kennzeichen …, das bei der Beklagten versichert war und im Laufe des\nRechtsstreits an einen Dritten veraußert wurde. Der Klager behauptet, dass er\nmit diesem Fahrzeug am 7.11.2004 auf der Kreisstraße … in Hohe des\nStationskilometers …. einen Unfall verursacht habe. Beim Durchfahren einer\nlang gezogenen Linkskurve sei er aus B. kommend in Fahrtrichtung Hi. ins\nSchleudern gekommen. Er sei auf die linke Fahrbahnseite geraten und an der\nlinken Leitplanke seitlich entlang geschrammt; anschließend habe er sein\nFahrzeug wieder auf die rechte Fahrbahn lenken konnen, wo er jedoch\ngleichfalls an die Leitplanke geraten sei und diese mit der gesamten\nFahrzeuglange gestreift habe. Der Klager meint, etwa 60 km/h bis 70 km/h,\nvielleicht auch etwas schneller, gefahren zu sein und vermutet, dass diese\nGeschwindigkeit uberhoht und unfallursachlich gewesen sei. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Reparaturkosten fur den durch die Streifvorgange beschadigten Pkw\nwerden in einem Gutachten des Ingenieurburos R. vom 15.11.2004 auf 8.532,91\nEUR (ohne MwSt.) veranschlagt und sind nach Auffassung des Klagers von der\nbeklagten Versicherung zu ersetzen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsachliche Feststellungen Bezug\ngenommen wird, hat das LG nach Einholung eines Sachverstandigengutachtens die\nKlage auf Zahlung von 8.532,91 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten uber\ndem Basiszinssatz seit dem 18.1.2005 abgewiesen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager habe nicht nachgewiesen, dass ein Versicherungsfall eingetreten\nsei. Der Sachverstandige habe dargelegt, dass der von dem Klager geschilderte\nUnfallhergang mit den an dem Fahrzeug gesicherten Schaden nicht in Einklang zu\nbringen sei. Die gleichmaßige Intensitat der Schleifspuren an der linken\nFahrzeugseite sei mit dem behaupteten Schleudervorgang, d.h. mit einem\ninstabilen, durch den Klager nicht beherrschbaren Fahrzustand, unvereinbar.\nBei einem Schleudervorgang hatte das Fahrzeug namlich in einem mehr oder\nminder spitzen Winkel auf die Leitplanke auftreffen mussen; gleichmaßige\nStreifspuren uber die gesamte Fahrzeugseite hinweg hatten dabei nicht\nentstehen konnen. Soweit der Klager uberhohte Geschwindigkeit als\nUnfallursache angebe, sei dies bei 60 km/h bis 70 km/h angesichts der lang\ngezogenen Linkskurve und der hochwertigen Fahrsicherheitsausstattung des Pkw\nnicht nachvollziehbar; ein durch die Fahrgeschwindigkeit ausgeloster\nSchleudervorgang sei unter diesen Bedingungen nicht plausibel. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit der Berufung verfolgt der Klager sein erstinstanzliches Begehren in\nvollem Umfang weiter. Das gerichtliche Gutachten sei von falschen\ntatsachlichen Voraussetzungen ausgegangen, weil es eine Fahrgeschwindigkeit\nvon 60 km/h bis 70 km/h zugrunde gelegt und die Moglichkeit einer hoheren\nGeschwindigkeit außer Acht gelassen habe; gleiches gelte fur das von der\nBeklagten vorgelegte Gutachten. Das LG hatte deshalb, wie von dem Klager\nbeantragt, ein weiteres Sachverstandigengutachten einholen mussen. Auch habe\nder Klager mit Schriftsatz vom 27.10.2005 seine Unfallschilderung klarstellend\nerlautert, was das LG zu Unrecht als verspatet zuruckgewiesen habe. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beklagte beantragt unter Verteidigung des angefochtenen Urteils, die\nBerufung des Klagers zuruckzuweisen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die\ngewechselten Schriftsatze sowie die zur Akte gereichten Anlagen Bezug\ngenommen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Senat hat ein erganzendes Gutachten des Sachverstandigen Dipl.-Ing. H\neingeholt, das der Sachverstandige in der mundlichen Verhandlung vom 16.3.2006\nerlautert hat; fur den Inhalt seiner Angaben wird auf das Protokoll der\nmundlichen Verhandlung verwiesen wird. Der Klager wurde gem. § 141 Abs. 1 ZPO\nangehort. \n--- \n| 10 \n--- \n| II. Die zulassige Berufung ist begrundet. \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Klager hat Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten i.H.v. 8.532,91 EUR\ngem. §§ 1, 49 VVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Abs. 2e AKB. Der fur den Eintritt eines\nbedingungsgemaßen Versicherungsfalls darlegungs- und beweispflichtige Klager\nhat den Nachweis eines Unfalls gefuhrt. Demgegenuber konnte die Beklagte nicht\nnachweisen, dass dieser Unfall durch den Klager absichtlich herbeigefuhrt\nwurde. \n--- \n| 12 \n--- \n| Das LG verkennt die Beweislast, wenn es annimmt, der Klager habe den\nNachweis eines Unfalls i.S.v. § 12\\. Nr. 1 Abs. 2e AKB schon dann nicht\ngefuhrt, wenn sich das Geschehen nicht wie in der Klageschrift und bei der\nAnhorung des Klagers behauptet ereignet haben kann. Kann der Sachverhalt im\nEinzelnen nicht aufgeklart werden, steht jedoch fest, dass die Schaden nach\nArt und Beschaffenheit nur auf einem Unfall i.S.v. § 12 Nr. 1 Abs. 2e AKB\nberuhen konnen, so reicht diese Feststellung aus, um die Einstandspflicht des\nVersicherers zu begrunden. Dies gilt letztlich auch dann, wenn sich der\nVersicherungsfall, so wie er geschildert wurde, nicht ereignet haben kann\n(Prolss/Martin/Knappmann, VVG, 27. Aufl., 2004, AKB § 12 Rz. 49). Die Klage\nist dagegen in Ermangelung eines Versicherungsfalls abzuweisen, wenn\nfeststeht, dass der behauptete Unfall, aus dem Anspruche gegen den Versicherer\nhergeleitet werden, an der angegebenen Unfallstelle und unter den angegebenen\nBedingungen nicht stattgefunden haben kann, sondern nur anderswo und unter\nanderen Bedingungen. Denn in einer solchen Konstellation, wie sie auch der von\nder Beklagten zitierten Entscheidung des OLG Hamm (OLG Hamm v. 21.1.2005 - 20\nU 228/03, OLGReport Hamm 2005, 154 = MDR 2005, 924) zugrunde lag, ist der an\neinem anderem Ort und unter anderen Bedingungen verursachte Unfall nicht\nGegenstand des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs im prozessualen Sinne\nund damit auch nicht Gegenstand des betreffenden Rechtsstreits. \n--- \n| 13 \n--- \n| So verhalt es sich hier jedoch nicht. Aus der Art der an dem klagerischen\nPkw gesicherten Beschadigungen folgt zwingend, dass sie durch einen Unfall,\nd.h. durch ein von außen mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis\nentstanden sind (§ 12 Abs. 2e AKB); dies geschah auch an der von dem Klager\nangegebenen Stelle, was genugt, um die Einstandspflicht der Beklagten\nauszulosen. Der Senat ist nach der Anhorung des Klagers und den Ausfuhrungen\ndes Sachverstandigen davon uberzeugt, dass die an dem Fahrzeug gesicherten\nSchaden nach Art, Lage und Hohe von den an der Unfallstelle montierten\nLeitplanken des sog. „runden Typs" herruhren; die den Unfall aufnehmenden\nPolizeibeamten haben zudem eine zu den Streifschaden passende Beschadigung der\ndortigen Leitplanke festgestellt. Der Unfall ereignete sich auch am 7.11.2004\ngegen 00.00 Uhr, wie der Klager wenig spater ggu. den an die Unfallstelle\ngerufen Polizeibeamten angegeben hat. Hinzukommt, dass es nach den\nAusfuhrungen des Sachverstandigen fahrdynamisch moglich ist, mit dem\nklagerischen Pkw eine Fahrstrecke zu durchfahren, die an der angegebenen\nUnfallstelle zu einen langsachsenparallelen Streifvorgang links, gefolgt von\neinem langsachsenparallelen Streifvorgang rechts fuhrt, wie es dem gesicherten\nSchadensbild entspricht (s.u. 2.). Anhaltspunkte dafur, dass sich der Unfall\nan anderer Stelle und unter anderen Bedingungen ereignet hatte, sind\ndemgegenuber nicht auszumachen. Im Übrigen lage es gerade bei einem\nmanipulierten Schaden, wie ihn die Beklagte vermutet, nahe, diesen an der\nspater angegebenen Unfallstelle herbeizufuhren, da sonst Abweichungen zwischen\nden Schleifspuren an den Seitenwanden des Pkw und der Hohe bzw. Lage der\nLeitplanken nicht auszuschließen waren. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Unfreiwilligkeit des Schadensereignisses, d.h. der Umstand, dass ein\nbestimmter Geschehensablauf nicht absichtlich herbeigefuhrt wurde, gehort nach\nallgemeiner Meinung nicht zum Begriff des Unfalls i.S.v. § 12 Nr. 1 Abs. 2\nAKB, so dass der Versicherer den Vorsatz des Versicherungsnehmers als\nVoraussetzung seiner Leistungsfreiheit nach § 61 VVG beweisen muss (vgl. BGH\nv. 5.2.1981 - IVa ZR 58/80, MDR 1981, 827 = VersR 1981, 450; OLG Koln RuS\n2002, 321 [322]; Prolss/Martin/Knappmann, VVG, 27. Aufl., 2004, AKB § 12 Rz.\n53). Diesen Nachweis hat die Beklagte nicht gefuhrt. \n--- \n| 15 \n--- \n| Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass Streifschaden der entstandenen Art\nbei manipulierten Unfallen haufiger vorkommen, schon weil sie einen relativ\nhohen kalkulatorischen Schaden verursachen, der mit den notigen fachlichen\nKenntnissen in Eigenregie oft kostengunstig instand gesetzt werden kann.\nZuzugeben ist auch, dass der Klager als Fahrzeughandler und Lackierer\nmoglicherweise in der Lage ist, Schaden dieser Art selbst zu beheben oder\nzumindest uber entsprechende Kontakte verfugen wird. Auch der Umstand, dass\nder Klager - insoweit unbestritten - schon einen Leitplankenschaden vom\n13.11.2001 uber einen Kaskoversicherer abgerechnet hat, der ebenfalls die\nrechte und linke Fahrzeugseite betraf, mag auffallend sein und Anlass geben,\nan der Redlichkeit des Klagers zu zweifeln. Diese Umstande konnten aber auch\nin ihrer Gesamtschau nicht die Überzeugung des Senats begrunden, der Klager\nhabe das Unfallgeschehen vom 7.11.2004 absichtlich herbeigefuhrt, um einen\nmanipulierten Schadensfall abzurechnen. Entscheidend ist, dass nach den\nAusfuhrungen des Sachverstandigen, die gesicherten Schaden an der betreffenden\nUnfallstelle und unter den konkreten Bedingungen durch ein unbeabsichtigtes\nGeschehen verursacht werden konnten und die Unfallschilderung des Klagers\nnicht unglaubhaft ist. Bleiben aber auch nur Zweifel hinsichtlich der\nabsichtlichen Herbeifuhrung des Unfallgeschehens, muss dies zu Lasten der\nhierfur beweispflichtigen Beklagten gehen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Dem Klager kann nicht vorgeworfen werden, dass er falsche oder\nwiderspruchliche Angaben uber das Unfallgeschehen gemacht hatte. Entgegen der\nAuffassung des LG ist nicht davon auszugehen, dass die Unfallschilderung des\nKlagers mit der Spurenlage unvereinbar ist, was das Gericht im Wesentlichen\ndeshalb angenommen hat, weil der Klager von einem Schleudern des Fahrzeugs\nberichtet habe. Der Senat ist dagegen nach Anhorung des Klagers der\nAuffassung, dass die Angabe, er sei ins Schleudern geraten, nicht im\ntechnischen Sinn als ein instabiler, vom Fahrer nicht beherrschbarer\nFahrzustand zu verstehen ist und er sich insoweit auch nicht in Widerspruch zu\nseinen fruheren Angaben setzt. Der Klager hat angegeben, dass er auf die linke\nFahrspur geraten sei und die Leitplanke gestreift habe, anschließend nach\nrechts gelenkt habe und mit der dortigen Leitplanke in Beruhrung gekommen sei.\nEs erscheint ohne weiteres moglich und nahe liegend, die so schon bei der\nUnfallaufnahme am 7.11.2004 und bei der Anhorung des Klagers durch das LG\ngeschilderte Abfolge von Fahr- und Ausweichbewegungen umgangssprachlich als\nSchleudern zu bezeichnen, ohne dass damit ein Schleudervorgang im Sinne einer\nnicht mehr beherrschbaren Drehbewegung oder eines unkontrollierten Ausbrechens\ndes Fahrzeugs gemeint ist. Bei der von dem turkischen Klager verwendeten\nBegrifflichkeit ist außerdem zu berucksichtigen, dass er nach dem Eindruck in\nder mundlichen Verhandlung vom 16.3.2006 die deutsche Sprache jedenfalls nicht\nuneingeschrankt beherrscht. Wenn „Schleudern" aber in diesem Sinne untechnisch\nverstanden wird, ist es durchaus moglich, den behaupteten Fahrverlauf mit den\ngesicherten Spuren in Einklang zu bringen. Dies hat der Sachverstandige in\nseinem schriftlichen Gutachten erlautert und zur Überzeugung des Senats in der\nmundlichen Verhandlung dargelegt. Danach ist es fahrdynamisch moglich, die\nUnfallstelle, wie von dem Klager beschrieben, zu durchfahren, wobei es\nzunachst zu einem langsachsenparallelen Streifvorgang links, dann zu einem\nlangsachsenparallelen Streifvorgang rechts kommt. Dieser Vorgang kann durch\nUnachtsamkeit, einen Fahrfehler oder durch einen Sekundenschlaf eingeleitet\nwerden und sich im weiteren Verlauf aus einer Schreckreaktion erklaren,\nnamlich einer starken Lenkbewegung nach rechts, unmittelbar vor dem Touchieren\nder linken Leitplanke, gefolgt von einem erneuten Gegenlenken nach links, um\neiner drohenden Kollision mit der rechten Leitplanke zu entgehen. Dass ein\nsolcher Fahrverlauf dem Sachverstandigen zufolge nicht unbedingt zu erwarten\nist, sondern sich in einem fahrtechnischen Grenzbereich abspielt und die\nBeherrschung des Fahrzeugs dabei entweder auf guten fahrerischen Fahigkeiten\noder einem besonderen Zufall beruhen muss, lasst die physikalische Moglichkeit\ndes behaupteten Geschehens nicht entfallen. Auch schließt der Umstand, dass\nder Klager selbst den Unfall auf uberhohte Geschwindigkeit zuruckgefuhrt hat,\nwas dem Sachverstandigen zufolge nicht plausibel ist, einen Fahrfehler oder\nSekundenschlaf als Unfallursache nicht aus. Der Klager hat bei seiner\nmundlichen Anhorung durch das LG wie schon bei der Unfallaufnahme am 7.11.2004\nlediglich angegeben, er vermute, dass der Unfall durch uberhohte\nGeschwindigkeit ausgelost worden sei; eine bloße Vermutung aber schließt eine\nanderweitige Ursache nicht aus, wobei es der Lebenserfahrung entspricht, dass\nein Unfallgeschehen haufiger nicht in allen Einzelheiten erinnert wird. \n--- \n| 17 \n--- \n| Fur die Beurteilung der Glaubwurdigkeit des Klagers war schließlich ein\nweiterer Unfallschaden unbeachtlich. Dabei handelte es sich um einen\nZusammenstoß am 26.4.2004 mit einem hochwertigen, von einem amerikanischen\nTouristen gefuhrten Leihwagen, bei dem der Unfallgegner verwarnt wurde und der\nkeine Anhaltspunkte fur eine Manipulation erkennen lasst. Die Beklagte hat\nhierzu nichts Weiteres vorgetragen. \n--- \n| 18 \n--- \n| III. Die beantragten Zinsen waren gem. §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 288\nAbs. 1 BGB zuzusprechen Die Entscheidung uber die Kosten folgt aus § 91 ZPO,\ndie Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.\n10, 713 ZPO. Grunde fur eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO\nliegen nicht vor. Wie oben ausgefuhrt, weicht der Senat nicht von dem Urteil\ndes OLG Hamm (OLG Hamm v. 21.1.2005 - 20 U 228/03, OLGReport Hamm 2005, 154 =\nMDR 2005, 924) ab und wurde den dort maßgeblichen Sachverhalt nicht anders\nentscheiden. \n---\n\n |
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137,037 | vghbw-2007-04-05-8-s-209006 | 161 | Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg | vghbw | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 8 S 2090/06 | 2007-04-05 | 2019-01-07 12:05:10 | 2019-01-17 11:57:10 | Urteil | ## Tenor\n\nAuf die Berufung des Klagers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart\nvom 7. August 2006 - 16 K 2707/05 - geandert. Der Bescheid der Beklagten vom\n15. Marz 2005 und deren Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2005 werden\naufgehoben.\n\nDie Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszugen.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager wendet sich gegen die Rucknahme einer Bescheinigung nach \n--- \n| 2 \n--- \n| § 7h EStG (in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Er ist Eigentumer des Wohnbaugrundstucks ... ... (.... ...) in Stuttgart,\nGemarkung Zuffenhausen. Dieses Grundstuck lag im raumlichen Geltungsbereich\ndes Sanierungsgebiets „Zuffenhausen 3-Zehnthof"; die Sanierungssatzung wurde\nnach Abschluss der Sanierung am 29.07.1999 aufgehoben. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Auf Antrag des Klagers vom 31.08.1995 wurde mit Bescheid der Beklagten vom\n21.12.1995 ein „Anbau und bauliche Änderungen am Wohnhaus" mit der\nNebenbestimmung sanierungsrechtlich genehmigt, dass „Material und Farben der\nBalkone, des Vordaches der Garagentore und der Pergola sowie die Begrunung des\nGaragendachs vor Ausfuhrung mit der Stadt abzustimmen" sind. Am 13.11.1997\nerteilte die Beklagte dem Klager eine Bescheinigung nach § 7h EStG. Darin wird\nbestatigt, dass das Gebaude ... ... im formlich festgelegten Sanierungsgebiet\nliegt und es sich bei dem Anbau und den baulichen Änderungen um Maßnahmen nach\n§ 177 BauGB gehandelt habe, die der Durchfuhrung der Sanierung gedient hatten.\nErganzend dazu bescheinigte die Beklagte dem Klager mit Schreiben vom\n05.07.1999, dass sich die anerkannten Kosten der durchgefuhrten Baumaßnahmen\nauf 777.262,93 DM brutto fur die Jahre 1995 bis 1998 belaufen hatten. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Schreiben vom 15.03.2002 rugte das Finanzamt Stuttgart III gegenuber\nder Beklagten, dass die Bescheinigung nach § 7h EStG auf einer unzureichenden\nPrufung des Sachverhalts beruhe. Die auf den Anbau entfallenden Kosten seien\nsteuerlich nicht begunstigt; nach der vorlaufigen Aufstellung des Architekten\nentfielen nur 160.000,-- DM auf die Sanierung. Außerdem seien Baumaßnahmen\nauch dann nicht begunstigt, wenn sie ohne vorherige Abstimmung mit der\nFachbehorde oder ohne konkrete vertragliche Vereinbarungen auf freiwilliger\nGrundlage durchgefuhrt worden seien; das Finanzamt bitte um Mitteilung, ob und\ninwieweit die Baumaßnahmen vorher mit der Beklagten abgesprochen und ob sie\ngemaß diesen Absprachen durchgefuhrt worden seien. Mit Schreiben vom\n22.05.2002 teilte die Beklagte dem Finanzamt Stuttgart III mit, uber die\nBaumaßnahmen sei zwar keine Modernisierungsvereinbarung abgeschlossen worden,\nsie seien jedoch vor Baubeginn - u.a. auch im Rahmen des\nBaugenehmigungsverfahrens - mit ihr abgestimmt worden. Da es sich bei dem\nAnbau um eine untergeordnete Erweiterung der Bestandsflache handle, konnten\nauch die hierfur entstandenen Neubaukosten als sanierungsbedingte\nModernisierungs- und Instandhaltungskosten anerkannt werden. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Am 01.08.2003 leitete das Finanzamt Stuttgart III gegenuber der Beklagten \n--- \n| 7 \n--- \n| \\- Amt fur Stadterneuerung - auf Weisung des Rechnungsprufungsamts und in\nÜbereinstimmung mit der Oberfinanzdirektion Stuttgart ein\nRemonstrationsverfahren mit dem Ziel der Rucknahme der Bescheinigung vom\n13.11.1997 ein. Zur Begrundung wird ausgefuhrt: Gegenuber dem Klager sei\noffenbar kein Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot im Sinne des § 177\nBauGB ausgesprochen worden. Ausweislich des Schreibens der Beklagten vom\n22.05.2002 habe sich der Klager auch nicht vertraglich gegenuber der Beklagten\nzur Durchfuhrung solcher Maßnahmen verpflichtet; eine eventuelle Abstimmung im\nRahmen des Baugenehmigungsverfahrens sei nicht geeignet, eine formliche\nVereinbarung uber bestimmte Modernisierungsmaßnahmen zu ersetzen. Somit lagen\ndie Voraussetzungen fur eine Steuerbegunstigung nach § 7h EStG nicht vor; die\nBescheinigung vom 13.11.1997 sei unrichtig und von der Beklagten\nzuruckzunehmen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Beklagte - Amt fur Stadtplanung und Stadterneuerung - fuhrte mit\nSchreiben vom 23.09.2003 gegenuber dem Finanzamt Stuttgart III u.a. aus, ein\nformliches Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot habe ihr Gemeinderat\nbislang noch nie beschlossen. Vielmehr verpflichte sich der Eigentumer\nregelmaßig im Rahmen einer einvernehmlichen Modernisierungsabsprache gegenuber\nder Stadt zur Durchfuhrung bestimmter Maßnahmen im Sinne des § 177 BauGB.\nAllerdings sei bis zum Erlass der gemeinsamen Bekanntmachung des\nWirtschaftsministeriums und des Finanzministeriums vom 11.06.2001\n(Bescheinigungsrichtlinie) eine (schriftliche) Modernisierungsvereinbarung nur\ndann geschlossen worden, wenn der Eigentumer eine Sanierungsforderung in\nAnspruch genommen habe. Seit Erlass der Bescheinigungsrichtlinie werde eine\nModernisierungsvereinbarung auch ohne Inanspruchnahme eines\nSanierungszuschusses dann geschlossen, wenn der Eigentumer eine\nSteuerbegunstigung nach § 7h EStG in Anspruch nehmen wolle. Da es sich hier um\neinen Altvorgang vor dem Juni 2001 ohne Gewahrung eines Zuschusses aus\nLandesmitteln handle, sei folglich keine Modernisierungsvereinbarung\ngeschlossen worden. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Schreiben vom 08.10.2003 erwiderte das Finanzamt Stuttgart III, die\nBeklagte konne sich fur die Änderung ihrer Praxis im Jahre 2001 nicht auf die\ndamals ergangene Bescheinigungsrichtlinie berufen, die an den gesetzlichen\nVoraussetzungen fur die Steuerbegunstigung nichts geandert habe. Danach habe\njedoch stets die Notwendigkeit des Abschlusses einer Vereinbarung vor Beginn\nder Baumaßnahmen bestanden, wie sich bereits den Einkommenssteuerrichtlinien\n1993 in R 83 a Abs. 6 und der Einkommenssteuerkommentierung von Schmidt in der\n15. Aufl. (1996) entnehmen lasse. An der Forderung nach Rucknahme der\nBescheinigung werde daher festgehalten. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 28.11.2003 an das Finanzamt\nStuttgart III erneut ab. Das Bauvorhaben des Klagers sei, wie in\nSanierungsgebieten ublich, vor Baubeginn mit dem Amt fur Stadterneuerung\nabgestimmt worden. Dem Amt fur Stadterneuerung seien die Anforderungen der\nFinanzverwaltung und insbesondere die Notwendigkeit einer konkreten\nvertraglichen Vereinbarung zwischen Eigentumer und Gemeinde als Voraussetzung\nfur die Begunstigung nach § 7h EStG erst durch die Bekanntmachung der\nBescheinigungsrichtlinie vom 11.06.2001 bewusst geworden. Bis dahin seien\nkeine solchen Vereinbarungen geschlossen worden, was auch bei anderen Stadten\nund Gemeinden so ublich gewesen und bis dahin von den Finanzbehorden auch\nakzeptiert worden sei. Man sehe sich daher außer Stande, die erteilte\nBescheinigung zuruckzunehmen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Mit Schreiben vom 21.04.2004 bat das Finanzministerium Baden-Wurttemberg\ndas Wirtschaftsministerium Baden-Wurttemberg, die Beklagte zur Rucknahme der\nBescheinigung zu veranlassen. Mit Schreiben vom 03.05.2004 teilte das\nWirtschaftsministerium dem Regierungsprasidium Stuttgart mit, dass nach\nAuffassung der Finanzverwaltung die Voraussetzungen der §§ 177 BauGB, 7h EStG\nfur die Erteilung der Bescheinigung nicht vorgelegen hatten und bat um weitere\nVeranlassung im Rahmen der Fach- und Rechtsaufsicht. Das Regierungsprasidium\nStuttgart bat daraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 18.08.2004, die dem\nKlager erteilte Bescheinigung zuruckzunehmen. Mit Schreiben vom 06.09.2004\nteilte die Beklagte dem Klager mit, die Rucknahme der Bescheinigung sei\nbeabsichtigt und gab Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von vier Wochen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Nachdem sich der Klager geaußert hatte, nahm die Beklagte die Bescheinigung\nvom 13.11.1997 mit Bescheid vom 15.03.2005 mit Wirkung fur die Vergangenheit\nzuruck. Die Bescheinigung hatte nur erteilt werden durfen, wenn die\nModernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen aufgrund einer konkreten\nvertraglichen Verpflichtung durchgefuhrt worden waren. Die Rucknahme sei\nangemessen. Sie sei das „mildeste Mittel", um die rechtswidrige Bescheinigung\nzu beseitigen und die Bindung des Finanzamts an dieselbe zu beenden. Das\nInteresse des Klagers an deren Aufrechterhaltung musse demgegenuber\nzurucktreten. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG sei noch nicht\nabgelaufen. Sie sei nicht durch die Aufforderung zur Rucknahme mit Schreiben\ndes Finanzamts Stuttgart III vom 30.07.2003 in Gang gesetzt worden. Denn sie\nselbst habe noch mit Schreiben vom 28.11.2003 dem Finanzamt mitgeteilt, dass\ndie Bescheinigung fur rechtmaßig gehalten werde und sie sich zur Rucknahme\naußer Stande sehe. Erst durch die Weisung zur Rucknahme mit Schreiben des\nRegierungsprasidiums Stuttgart vom 18.08.2004 im laufenden\nRemonstrationsverfahren habe die Frist zu laufen begonnen. Den hiergegen\neingelegten Widerspruch des Klagers wies die Beklagte mit Bescheid vom\n13.07.2005 aus den im Ausgangsbescheid genannten Grunden zuruck. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Mit seiner am 17.08.2005 beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobenen Klage\nhat der Klager beantragt, den Bescheid der Beklagten uber die Rucknahme der\nBescheinigung nach § 7h EStG und deren Widerspruchsbescheid vom 13.07.2005\naufzuheben. Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Mit Urteil vom 07.08.2006 - 16 K 2707/05 - hat das Verwaltungsgericht die\nKlage abgewiesen. Zur Begrundung hat es ausgefuhrt: Der Verwaltungsrechtsweg\nsei zwar gegeben. Die Klage sei jedoch nicht begrundet. Die Rucknahme der\nBescheinigung fur die Vergangenheit sei rechtmaßig. § 7h Abs.1 EStG 1997\nbeziehe sich nicht nur auf § 177 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 BauGB, in denen\nnaher umschrieben werde, was Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen\nseien, sondern auf die gesamte Vorschrift. Daher setze eine Bescheinigung nach\n§ 7h Abs. 1 EStG voraus, dass steuerlich zu fordernde Maßnahmen auf einem\nentsprechenden stadtebaurechtlichen Gebot der Gemeinde nach § 177 Abs. 1 BauGB\nberuhten. Da solche Anordnungen in der Praxis nur geringe Bedeutung besaßen,\nstehe der hoheitlichen Anordnung eines solchen Gebots ein dieses Gebot\nersetzender stadtebaulicher Vertrag gleich. Solche Vertrage bedurften indes\nder Schriftform. Die hier zwischen dem Klager und der Beklagten getroffenen\nmundlichen Absprachen uber die Beseitigung von Missstanden und Mangeln am\nWohngebaude reichten daher nicht aus. Die Beklagte sei im Rahmen des Ermessens\nauch zutreffend davon ausgegangen, dass das offentliche (fiskalische)\nInteresse an der Beseitigung nicht gerechtfertigter Steuerbegunstigungen das\nVertrauen des Klagers in deren Fortbestand uberwiege. Maßgebend hierfur sei\nder Umstand, dass die Baumaßnahmen zum Zeitpunkt der Erteilung der\nBescheinigung bereits abgeschlossen gewesen seien. Zur Frage der\nwirtschaftlichen Bedeutung der Rucknahme der Bescheinigung habe der Klager vor\nderen Erlass nichts vorgetragen. Im Übrigen gebe es auch keine konkreten\nAnhaltspunkte dafur, dass der Klager die Baumaßnahmen deshalb mit der\nBeklagten abgesprochen habe, um eine Steuervergunstigung zu erreichen. Dagegen\nspreche, dass die Beklagte in allen Fallen, in denen die Baumaßnahmen - wie\nhier - nicht mit Sanierungsmitteln bezuschusst worden seien, die Bescheinigung\nbis zum Erlass der Richtlinien vom 11.06.2001 nicht davon abhangig gemacht\nhabe, dass ein Gebot oder ein stadtebaulicher Vertrag vorgelegen habe. Auch\naus den der Baugenehmigung beigefugten Nebenbestimmungen konne nicht\nhergeleitet werden, dass es eine Absprache gegeben habe. Denn diese\nNebenbestimmungen seien ordnungsrechtlicher Natur. Die Jahresfrist fur die\nRucknahme sei gewahrt. Sie beginne erst zu laufen, wenn die Behorde die\nRechtswidrigkeit erkannt habe und ihr die fur die Rucknahmeentscheidung\nerheblichen Tatsachen vollstandig bekannt seien. Zu den\nentscheidungserheblichen Tatsachen gehorten auch alle Umstande, die fur die\nBeurteilung der Frage von Bedeutung seien, ob der Begunstigte in\nschutzwurdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut habe. Es\nkonne offen bleiben, ob die Jahresfrist danach erst mit Ablauf der dem Klager\nmit Schreiben vom 06.09.2004 gesetzten Frist fur eine Stellungnahme zur\ngeplanten Rucknahme zu laufen begonnen habe. Denn jedenfalls habe sie\nfruhestens in dem Zeitpunkt begonnen, in dem das Regierungsprasidium Stuttgart\nals Rechtsaufsichtsbehorde die Beklagte mit Schreiben vom 18.08.2004 zur\nRucknahme der Bescheinigung vom 13.11.1997 aufgefordert habe. Somit sei die\nRucknahme mit Bescheid vom 15.03.2005 noch innerhalb der Jahresfrist erfolgt.\nDas Urteil wurde dem Klager am 15.08.2006 zugestellt. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Am 29.08.2006 hat der Klager die vom Verwaltungsgericht zugelassene\nBerufung eingelegt. Er beantragt, \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 07. August 2006 - 16 K\n2707/05 - zu andern und den Rucknahmebescheid der Stadt Stuttgart vom 15. Marz\n2005 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2005 aufzuheben. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Er tragt zur Begrundung vor: Die ihm erteilte Bescheinigung nach § 7h EStG\nsei nicht rechtswidrig. Der Gesetzgeber verweise in § 7h EStG nicht auf das\nModernisierungs- und Instandsetzungsgebot nach § 177 Abs. 1 BauGB, sondern\nallein auf die in § 177 Abs. 2 und 3 BauGB umschriebenen Instandsetzungs- und\nModernisierungsmaßnahmen. Zweck der Verweisung sei die Beschrankung der\nsteuerlichen Begunstigung auf die stadtebaulich, sozialpolitisch und\ndenkmalpflegerisch erwunschte Beseitigung von Missstanden und Mangeln. Fur\ndiese Auslegung spreche auch, dass Gebaudemodernisierungen in\nSanierungsgebieten ohnehin stets aufgrund von Absprachen mit den Kommunen\nerfolgten, welche gemaß §§ 144, 145 BauGB die „Durchfuhrungsverantwortung" fur\ndie Gestaltung des Sanierungsgebiets und seiner Gebaude hatten, und zwar\nunabhangig davon, ob eine formliche Modernisierungsvereinbarung getroffen\nworden sei oder nicht. Solche formlichen Modernisierungsvereinbarungen seien\nnur dann notwendig, wenn die Kommune einen Zuschuss zu den Maßnahmen zahle.\nAuch nach Auffassung der Finanzverwaltung sei die Gewahrung der\nSteuervergunstigung nicht daran geknupft, dass ein solcher Zuschuss bezahlt\nworden sei. Aus der Regelung des § 7h Abs. 1 Satz 2 EStG sei nicht zu folgern,\ndass die Steuerbegunstigung nur im Falle einer vertraglichen Verpflichtung zur\nVornahme von Modernisierungsmaßnahmen gegenuber der Gemeinde zu gewahren sei.\nDenn hier handle es sich um eine Erstreckung der Steuervergunstigung auf\ndenkmalbezogene Maßnahmen, die uber Maßnahmen zur Modernisierung hinausgingen\nund fur die schon aus kompetenzrechtlichen Grunden von vornherein kein\nModernisierungsgebot nach § 177 Abs. 1 BauGB in Betracht kame. Die hier in\nRede stehenden Maßnahmen seien auch in Absprache mit der Beklagten\ndurchgefuhrt worden. Vertreter des Amtes fur Stadterneuerung der Beklagten\nhatten ihm zunachst die sanierungsrechtlichen Verpflichtungen und\nMoglichkeiten zur Modernisierung und Instandsetzung seines Wohngebaudes\nerlautert. Er habe daraufhin seine Bereitschaft hierzu bekundet. Die Vertreter\nder Beklagten hatten ihn zwar darauf hingewiesen, dass keine Kostenerstattung\nnach § 177 Abs. 4 BauGB erfolgen werde, hatten ihm indes zugesichert, die\nBescheinigung nach § 7h EStG zu erteilen. Er habe die Ergebnisse des Gesprachs\nin seinem Baugesuch und seinem Antrag auf Erteilung der sanierungsrechtlichen\nGenehmigung absprachegemaß umgesetzt. Mit Erteilung der Baugenehmigung und der\nsanierungsrechtlichen Genehmigung habe die Beklagte zumindest konkludent die\ngeplanten Baumaßnahmen gebilligt; zudem habe sie ausdrucklich gefordert, dass\n„Material und Farben der Balkone, des Vordachs der Garagentore und der Pergola\nsowie die Begrunung des Garagendaches mit der Stadt abzustimmen" seien. Sein\nAntrag und die Bewilligung durch die Beklagte stellten somit der Sache nach\neine schriftliche Modernisierungsabsprache dar. In einer gesondert\nformulierten Modernisierungsabsprache hatte nichts weiter geregelt werden\nkonnen, zumal keine Kostenerstattung erfolgt sei. Auch vor diesem Hintergrund\nsei die Bescheinigung nach § 7h EStG zu Recht ergangen. Außerdem sei die\nBescheinigung erst nach Ablauf der Jahresfrist zuruckgenommen worden. Die\nBeklagte sei durch das Schreiben des Finanzamts Stuttgart III vom 30.07.2003\nauf die Rechtswidrigkeit der Bescheinigung hingewiesen worden, habe diese\njedoch erst mit Bescheid vom 15.03.2005 zuruckgenommen. Sie konne sich nicht\ndarauf berufen, dass sie diesen Rechtsstandpunkt erst auf der Grundlage der\nfachaufsichtlichen Weisung des Regierungsprasidiums akzeptiert habe. Denn sie\nhatte sich innerhalb eines Jahres nach dem Schreiben des Finanzamts Klarheit\nuber die Rechtslage verschaffen mussen. Schließlich hatte die Bescheinigung\nauch deshalb nicht zuruckgenommen werden durfen, weil er auf deren Fortbestand\nhabe vertrauen durfen und dieses Vertrauen schutzwurdig gewesen sei. Er habe\ndie Bauinvestitionen in vollem Vertrauen auf die von der Beklagten zugesagten\nSteuervergunstigungen nach § 7h EStG und in Absprache mit der Beklagten\nvorgenommen. Das fiskalische Interesse an der Beseitigung der\nSteuerbegunstigung wiege demgegenuber nicht schwer. Dabei sei zu\nberucksichtigen, dass bei Kenntnis der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung\neine formliche Modernisierungsvereinbarung zwischen ihm und der Beklagten\nabgeschlossen worden ware. Fur die Jahre 1997 bis 1999 habe er die steuerliche\nVergunstigungen erhalten; sie seien jedoch von der Finanzverwaltung wieder\n„zuruckgefordert" worden. Er habe gegen alle Steuerbescheide seit 1997\nEinspruche eingelegt, uber die wegen des vorliegenden Verfahrens noch nicht\nentscheiden worden sei. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Sie erwidert: Die dem Klager erteilte Bescheinigung nach § 7h EStG sei von\nAnfang an rechtswidrig gewesen. § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG verweise nach seinem\nWortlaut auf die gesamte Vorschrift des § 177 BauGB und damit auch auf Abs. 1,\nin dem der Erlass von Modernisierungs- und Instandsetzungsgeboten geregelt\nsei. Zwar stehe der hoheitlichen Anordnung eines solchen Gebotes eine\nschriftliche Modernisierungsvereinbarung gleich, in der sich der Eigentumer\ngegenuber der Gemeinde verpflichte, im einzelnen umschriebene Maßnahmen zur\nBehebung von Missstanden und Mangeln vorzunehmen. Die schriftliche\nAntragstellung des Klagers und die schriftliche Genehmigung der Baumaßnahmen\nerfullten diese Voraussetzungen nicht. Die Jahresfrist habe erst mit\nAufforderung des Regierungsprasidiums zur Rucknahme der Bescheinigung mit\nSchreiben vom 18.08.2004 zu laufen begonnen, weil der Behorde erst zu diesem\nZeitpunkt die Rechtswidrigkeit derselben bewusst geworden sei. Das offentliche\nInteresse in Gestalt des Interesses an der Gesetzmaßigkeit der Verwaltung und\nder Beseitigung ungerechtfertigter Steuervergunstigungen uberwiege das\nVertrauen des Klagers in den Fortbestand der ihm erteilten Bescheinigung. Auch\ngebe es kein milderes Mittel, um die Bindung der Finanzbehorden an die\nBescheinigung als Grundlagenbescheid fur die Gewahrung der Steuervergunstigung\nzu beseitigen und rechtmaßige Zustande herzustellen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf die Senatsakten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts\nund der Beklagten Bezug genommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und\nauch sonst zulassig. Sie ist auch begrundet. Das Verwaltungsgericht hatte den\nBescheid der Beklagten vom 15.03.2005 uber die Rucknahme der dem Klager nach §\n7h Abs. 2 Satz 1 EStG erteilten Bescheinigung und deren Widerspruchsbescheid\nvom 13.07.2005 aufheben mussen, weil sie rechtswidrig sind und den Klager in\nseinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Allerdings teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die\n§ 7h-Bescheinigung vom 13.11.1997 rechtswidrig ist. Denn sie bestatigt zu\nUnrecht - mit Bindungswirkung gegenuber dem Finanzamt -, dass die vom Klager\nan seinem Gebaude ... ... durchgefuhrten Modernisierungsmaßnahmen die\nVoraussetzungen des § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG erfullen. Nach dieser Vorschrift\nkonnen bei Gebauden in Sanierungsgebieten erhohte Absetzungen von den\nHerstellungskosten fur Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen im Sinne\ndes § 177 BauGB vorgenommen werden. Entgegen der Auffassung des Klagers ist §\n7h Abs. 1 Satz 1 EStG nicht einschrankend dahingehend auszulegen, dass die\nVoraussetzungen fur die steuerliche Forderung bereits dann gegeben sind, wenn\nam Gebaude Mangel oder Missstande im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 BauGB\nvorlagen und diese behoben wurden. Denn § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG verweist nach\nseinem Wortlaut auf die Vorschrift des § 177 BauGB im Ganzen und damit auch\nauf dessen Absatz 1, der die Gemeinden ermachtigt, die Modernisierung und\nInstandsetzung von Gebauden in Sanierungsgebieten durch entsprechende\nAnordnungen durchzusetzen. Anstelle solcher Gebote schließen die Gemeinden in\nder Praxis meist stadtebauliche Vertrage nach § 11 BauGB mit den Eigentumern,\nin denen diese sich zur Durchfuhrung naher bestimmter Modernisierungs- und\nInstandsetzungsmaßnahmen verpflichten (vgl. Battis/Krautzberger/Lohr, BauGB,\n8. Aufl., § 177 Rn. 21). Diese Vorgehensweise tragt dem Kooperationsgedanken\nRechnung, von dem das Sanierungsrecht gepragt ist (vgl. § 175 Abs. 1 BauGB),\nund erfullt daher ebenfalls die Voraussetzungen fur eine steuerliche Forderung\n(vgl. Einkommenssteuerrichtlinien 2005, BStBl. I Sondernr. 1 R 7h (6);\nGemeinsame Bekanntmachung des Wirtschaftsministeriums und des\nFinanzministeriums vom 11.06.2001 - Bescheinigungsrichtlinie - GABl. 2001,\n793, TZ 3.1; vgl. auch BFH, Beschluss vom 06.12.2002 - 9 B 109/02 -, BFH/NV\n2003, 469). Demgegenuber stellen freiwillige Modernisierungs- und\nInstandsetzungsmaßnahmen auch dann keine Maßnahmen im Sinne des § 7h Abs. 1\nSatz 1 EStG dar, wenn sie in Absprache mit der Gemeinde erfolgen und der\nBeseitigung von Mangeln und Missstanden im Sinne von § 177 Abs. 2 und 3 BauGB\ndienen, sondern nur dann, wenn sie auf der Grundlage eines Gebots nach § 177\nAbs. 1 BauGB oder einer vertraglichen Verpflichtung gegenuber der Gemeinde\ndurchgefuhrt wurden. Der Senat schließt sich damit der bislang von der\nobergerichtlichen Rechtsprechung und Kommentarliteratur vertretenen Auffassung\nan (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 24.04.1997 - 6 L 2067/96 - und OVG\nMecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 08.06.2004 - 3 L 64/02 -, NVwZ 2005, 835;\nBlumich, EStG, Bd. 1, § 7h Rn. 23 f.; Kirchhof, EStG, 2001, § 7h RdNr. 3;\nSchmidt, EStG, 25. Aufl. § 7h Rn. 3). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Fur diese Auffassung spricht neben der uneingeschrankten Verweisung auf §\n177 BauGB in § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG auch Satz 2 dieser Vorschrift, welcher\ndie steuerliche Forderung auf denkmalbezogene Maßnahmen unter der\nVoraussetzung erstreckt, dass sich der Eigentumer hierzu gegenuber der\nGemeinde verpflichtet hat. Eine entsprechende ausdruckliche Regelung ist\nhinsichtlich der sanierungsbezogenen Modernisierungs- und\nInstandsetzungsmaßnahmen entbehrlich, weil deren verpflichtender Charakter\nbereits durch die umfassende Verweisung auf § 177 BauGB - und damit auch auf\ndessen Absatz 1 - in § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG zur Voraussetzung fur die\nsteuerliche Begunstigung gemacht wird. Demgegenuber ermachtigt § 177 BauGB\nnicht zur Anordnung stadtebaulicher Gebote hinsichtlich der in § 7h Abs. 1\nSatz 2 EStG genannten denkmalbezogenen Maßnahmen. Dieser Auslegung kann auch\nnicht entgegen gehalten werden, dass sich freiwillige\nModernisierungsmaßnahmen, die in Absprache mit der Gemeinde realisiert werden,\nnicht von den auf Grundlage vertraglicher Verpflichtungen durchzufuhrenden\nMaßnahmen unterscheiden, wie der Klager meint. Abgesehen davon, dass die\nGemeinden keine Moglichkeit haben, mundliche Absprachen uber\nModernisierungsmaßnahmen gegebenenfalls zwangsweise durchzusetzen, kann vom\nEigentumer nur dann verlangt werden, sich vertraglich zur Durchfuhrung im\neinzelnen bezeichneter Modernisierungsmaßnahmen in einem bestimmten Zeitraum\n(vgl. § 177 Abs. 1 Satz 3 BauGB) als Ersatz fur eine ansonsten mogliche\neinseitige Anordnung von Geboten nach § 177 Abs. 1 BauGB (vgl.\nBattis/Krautzberger/Lohr, a.a.O., § 177 Rn. 34) zu verpflichten, wenn gemaß §\n175 Abs. 2 BauGB die alsbaldige Durchfuhrung der Maßnahmen aus stadtebaulichen\nGrunden erforderlich ist. Mit der Anknupfung der steuerlichen Begunstigung an\nModernisierungsmaßnahmen verpflichtenden Charakters wird daher zugleich\nerreicht, dass diese auf Maßnahmen mit stadtebaulicher Dringlichkeit\nbeschrankt wird. Hier hat der Klager die Modernisierungsmaßnahmen nicht\naufgrund einer vertraglichen Verpflichtung gegenuber der Beklagten, sondern\nfreiwillig durchgefuhrt. Daran andert nichts, dass er sie unter Beachtung\nmundlicher Absprachen mit Mitarbeitern der Beklagten gemaß der ihm erteilten\nBaugenehmigung und der darin enthaltenen sanierungsrechtlichen Auflagen\nrealisiert hat. Denn hierzu war der Klager nicht verpflichtet. Somit ist die\nihm erteilte Bescheinigung rechtswidrig. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Rucknahme der Bescheinigung mit Bescheid vom 15.03.2005 erfolgte jedoch\nnicht innerhalb der Rucknahmefrist nach § 48 Abs. 4 LVwVfG und ist daher\nihrerseits rechtswidrig. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Nach dieser Vorschrift ist die Rucknahme ab dem Zeitpunkt, in dem die\nBehorde von Tatsachen Kenntnis erhalt, welche die Rucknahme des rechtswidrigen\nVerwaltungsakts rechtfertigen, nur innerhalb eines Jahres zulassig. Die\nJahresfrist beginnt, sobald die Rucknahmebehorde die Rechtswidrigkeit des\nerlassenen Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die fur die\nRucknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollstandig bekannt sind.\nDazu gehoren die Umstande, deren Kenntnis es der Behorde objektiv ermoglicht,\nohne weitere Sachaufklarung unter sachgerechter Ausubung ihres Ermessens uber\ndie Rucknahme zu entscheiden. Denn § 48 Abs. 4 LVwVfG ist nicht im Sinne einer\n„Bearbeitungsfrist" zu verstehen, die mit der Kenntnis der Rechtswidrigkeit\ndes Verwaltungsaktes zu laufen beginnt und der Behorde ein Jahr Zeit lasst, um\nhinsichtlich des Vorliegens der weiteren Rucknahmevoraussetzungen\nEntscheidungsreife herbeizufuhren. Eine solche „Bearbeitungsfrist" ware nicht\nsachgerecht, weil es nicht allein vom Willen der Behorde abhangt, ob die Sache\nin diesem Zeitraum tatsachlich entscheidungsreif gemacht werden kann; vielmehr\nkann sich die Aufklarung der entscheidungserheblichen Tatsachen aus den\nunterschiedlichsten Grunden verzogern (zum Beispiel Zeugenvernehmung oder\nEinholung von Sachverstandigengutachten). Nach Sinn und Zweck der Regelung\nhandelt es sich daher um eine „Entscheidungsfrist", die grundsatzlich mit dem\nZeitpunkt des Eintritts der Entscheidungsreife zu laufen beginnt (grundlegend\nBVerwG Großer Senat, Beschl. vom 19.12.1984 - GrSen 1.84, GrSen 2.84 -,\nBVerwGE 70, 356; vgl. auch Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 48 Rn. 219\nff.). Hingegen vermag ein auf die weiteren Rucknahmevoraussetzungen bezogener\nRechtsirrtum der Behorde - anders als ein Rechtsirrtum in Bezug auf die\nRechtswidrigkeit des Verwaltungsakts - den Fristbeginn nicht zu hindern. Denn\nandernfalls ware die Entscheidungsreife abhangig von der rechtlichen\nErkenntnisfahigkeit der handelnden Behorde; je geringer diese ausgepragt ist,\ndesto großzugiger ware die zur Verfugung stehende Rucknahmefrist. Eine solche\nAuslegung ware nicht vereinbar mit dem Zweck der Jahresfrist, Rechtssicherheit\nhinsichtlich des Bestandes von Verwaltungsakten herbeizufuhren. Sie wurde\nferner die in § 48 Abs. 4 LVwVfG normierte Beschrankung der Kenntnis auf\n„Tatsachen" „ins Leere laufen" lassen (vgl. BVerwG, Urt. vom 05.08.1996 - 5 C\n6.95 -, NWVBl. 1997, 293 unter Hinweis darauf, dass ein Rechtsirrtum uber die\nErforderlichkeit von Ermessenserwagungen den Beginn der Jahresfrist nicht\nhinausschiebt mit der Folge, dass ein Rucknahmebescheid, welcher einen\nfristgerecht erlassenen ersten Rucknahmebescheid ersetzt, verfristet sein\nkann; vgl. auch BVerwG, Urt. vom 19.12.1995 - 5 C 10.94 -, BVerwGE 100, 199;\nebenso mit eingehender Begrundung BSG, Urt. vom 27.07.1989 - 11/7 RAr 115/87\n-, BSGE 65, 221 und Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 141). Ausgehend davon wurde\ndie dem Klager erteilte Bescheinigung nach § 7h EStG erst nach Ablauf der\nAusschlussfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG zuruckgenommen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Irrtum der Beklagten uber die Rechtmaßigkeit ihrer Praxis,\nBescheinigungen nach § 7h EStG auch bei freiwilligen Modernisierungsmaßnahmen\nohne konkrete vertragliche Verpflichtungen auszustellen, war nach eigenem\nBekunden mit Bekanntmachung der verbindlichen Vorgaben zur Auslegung und\nAnwendung unter anderem des § 7h EStG in der Bescheinigungsrichtlinie des\nWirtschafts- und Finanzministeriums vom 11.06.2001 (a.a.O.) behoben. Bezogen\nauf das vorliegende Verfahren war der entsprechende Rechtsirrtum bei der\nzustandigen Behorde spatestens im November 2003 entfallen. Denn das Amt fur\nStadtplanung und Stadterneuerung hat im Rahmen des Remonstrationsverfahrens,\ndas der streitgegenstandlichen Rucknahme vorangegangen war, mit Schreiben vom\n28.11.2003 gegenuber dem Finanzamt Stuttgart III ausdrucklich angegeben, ihm\nsei aufgrund der Bescheinigungsrichtlinie bewusst geworden, dass die\nBegunstigung nach § 7h EStG eine konkrete vertragliche Vereinbarung zwischen\nEigentumer und Gemeinde voraussetze. Damit hat die zustandige Behorde zu\nerkennen gegeben, dass sie nunmehr von der Rechtswidrigkeit ihrer fruheren\nVerwaltungspraxis ausgeht. Zwar hat das Amt fur Stadtplanung und\nStadterneuerung in diesem Schreiben weiter ausgefuhrt, dass es sich -\ngleichwohl - außerstande sehe, die dem Klager erteilte Bescheinigung\nzuruckzunehmen, weil bis zum Erlass der Bescheinigungsrichtlinie keine\nkonkreten vertraglichen Vereinbarungen zwischen Eigentumer und Stadt\nabgeschlossen worden seien und diese - auch bei anderen Gemeinden ubliche -\nVorgehensweise von der Finanzbehorde bis dahin akzeptiert worden sei. Diese\nAussage relativiert jedoch nicht die zuvor geaußerte Feststellung zur\nRechtswidrigkeit der fruheren Verwaltungspraxis in Bezug auf die dem Klager\nerteilte Bescheinigung. Denn mit der Bescheinigungsrichtlinie hinsichtlich der\nFrage der Notwendigkeit konkreter vertraglicher Modernisierungspflichten sind\nnicht etwa Konsequenzen aus einer Rechtsanderung gezogen worden. Vielmehr ist\nder steuerrechtliche Begunstigungstatbestand hinsichtlich der umfassenden\nVerweisung auf § 177 BauGB seit Erteilung der Bescheinigung im November 1997\nunverandert geblieben. Damit war fur die Beklagte klar, dass auch die Praxis\nvor Erlass der Bescheinigungsrichtlinie rechtswidrig gewesen war. Ihre\nAnnahme, die dem Klager erteilte Bescheinigung trotz erkannter\nRechtswidrigkeit nicht zurucknehmen zu konnen, bezieht sich daher auf das\nFehlen weiterer Rucknahmevoraussetzungen. Offenbar war sie der Auffassung,\ndass ein Vertrauenstatbestand vorliege, hinter dem das offentliche Interesse\nan der Rucknahme zurucktreten musse; an dieser Rechtsauffassung hat sie dann\nin der Folgezeit festgehalten, bis sie vom Regierungsprasidium mit Schreiben\nvom 18.08.2004 zur Rucknahme der dem Klager erteilten Bescheinigung angewiesen\nwurde. Wie ausgefuhrt, kommt es daher fur den Beginn der Rucknahmefrist nicht\ndarauf an, ob die zustandige Behorde hinsichtlich solcher weiterer\nRucknahmevoraussetzungen einem Rechtsirrtum unterlegen ist oder nicht. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Im vorliegenden Fall begann nach alledem die Jahresfrist des § 48 Abs. 4\nLVwVfG Ende November 2003 zu laufen, als das Amt fur Stadtplanung bezogen auf\ndas konkrete Verfahren (spatestens) Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der\nBescheinigung erlangt und zugleich angenommen hat, die weiteren\nRucknahmevoraussetzungen lagen nicht vor. Dies hat zur Folge, dass die\n„Entscheidungsfrist" des § 48 Abs. 4 LVwVfG bei Erlass des Rucknahmebescheids\nam 15. Marz 2005 bereits abgelaufen war. Zwar trifft die von der Beklagten\nzunachst vertretene Auffassung, die vor Erlass der Bescheinigungsrichtlinie\nrechtswidrig erteilten Bescheinigungen konnten mit Blick auf die damalige, von\nder Finanzverwaltung akzeptierte Praxis generell nicht zuruckgenommen werden,\nnicht zu; vielmehr war dies von einer einzelfallbezogenen Wurdigung\ninsbesondere unter Vertrauensschutzgesichtspunkten abhangig. Auch spricht viel\ndafur, dass bei zutreffender Anwendung der Rucknahmevoraussetzungen der\nSachverhalt im Zeitpunkt der Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Bescheinigung\nnoch nicht hinreichend geklart war. Insbesondere war der zustandigen Behorde\ndamals noch nicht bekannt, ob der Klager die ihm bereits gewahrten\nSteuervergunstigungen im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG verbraucht hat\n(vgl. BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 3 C 3.95 -, BVerwGE 104, 289 zur\nAnwendbarkeit des § 48 Abs. 2 VwVfG auf Verwaltungsakte, die Grundlage fur\neine bezifferbare Steuerverschonung sind; vgl. BVerwG, Urteil vom 28.01.1993 -\n2 C 15.91 -, DVBl. 1993, 947 zum Leistungsverbrauch). Ein solcher\nKlarungsbedarf hindert jedoch den Fristbeginn hier nicht. Denn mit Blick auf\nden Zweck der Ausschlussfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG als „Entscheidungsfrist"\nkommt es allein darauf an, ob a u s S i c h t d e r B e h o r d e\nEntscheidungsreife gegeben ist. Hat diese - wie hier - zu erkennen gegeben,\ndass sie eine Rucknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts von vornherein -\nohne Klarung konkreter Vertrauensschutzaspekte - fur unzulassig halt, beginnt\ndie Jahresfrist auch dann zu laufen, wenn diese Rechtsauffassung unzutreffend\nist und eine Rucknahme bei hinreichender Aufklarung des Sachverhalts in\nBetracht kommt. Denn ein auf die weiteren Rucknahmevoraussetzungen bezogener\nRechtsirrtum hat - wie oben dargelegt - keine fristhemmende Wirkung. Kame es\nfur die Frage der Entscheidungsreife nicht auf die Rechtsauffassung der\nRucknahmebehorde, sondern auf die zutreffende Anwendung der\nRucknahmevoraussetzungen an, ware es von den Rechtskenntnissen der Behorde\nabhangig, ob und wann sie die zur Herbeifuhrung der Entscheidungsreife\nnotwendige Sachaufklarung vornimmt. Die zur Verfugung stehende Rucknahmefrist\nware also um so langer bemessen, je geringer die Rechtskenntnisse der\njeweiligen Behorde sind. Dies ware aber mit dem Zweck der Jahresfrist,\nRechtssicherheit und Rechtsklarheit im Hinblick auf den Bestand von\nVerwaltungsakten zu gewahrleisten, nicht zu vereinbaren. Im Übrigen lage auch\ntreuwidriges Verhalten vor, wenn sich eine Rucknahmebehorde, die zu erkennen\ngegeben hatte, dass aus ihrer Sicht Entscheidungsreife vorlag, spater\nhinsichtlich des Fristablaufs auf die Notwendigkeit weiterer Sachaufklarung\nberiefe. Somit beginnt die Jahresfrist zu laufen, wenn der Behorde alle\nTatsachen bekannt sind, die nach ihrer Rechtsauffassung fur die Entscheidung\nuber eine Rucknahme des - als rechtswidrig erkannten - Verwaltungsakts\nerheblich sind. Wie ausgefuhrt, bestand hier fur die Beklagte im Zeitpunkt der\nKenntnis der Rechtswidrigkeit der Bescheinigung kein Anlass fur weitere\nSachaufklarung, weil sie deren Rucknahme unabhangig von den konkreten\nEinzelfallumstanden fur unzulassig hielt, so dass die Jahresfrist (spatestens)\nim November 2003 zu laufen begann. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Beklagte ist schließlich auch in der Folgezeit bis zum Ablauf der\nJahresfrist davon ausgegangen, dass sie ohne weitere Sachverhaltsaufklarung\nuber die Frage einer Rucknahme der Bescheinigung entscheiden konne. Das\nSchreiben des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 18.08.2004, mit dem sie zur\nRucknahme der dem Klager erteilten Bescheinigung angewiesen wurde, hat daran\nnichts geandert. Denn diese Weisung wurde nicht von einer Wurdigung der\nEinzelfallumstande abhangig gemacht, sondern galt unbedingt. Dementsprechend\nfinden sich im Rucknahmebescheid und im Widerspruchsbescheid der Beklagten\nauch keine auf die konkreten Umstande bezogenen Ermessenserwagungen. Die\nAnhorung des Klagers mit Schreiben vom 07.09.2004 im Anschluss an die Weisung\ndes Regierungsprasidiums stellt sich vor diesem Hintergrund lediglich als\nformelle Wahrung des rechtlichen Gehors dar und war nicht auf weitere\nSachaufklarung gerichtet. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Unabhangig davon ist die Rucknahme der Bescheinigung auch wegen fehlender\nErmessenserwagungen rechtswidrig. Im Rucknahmebescheid der Beklagten vom\n15.03.2005 und in deren Widerspruchsbescheid vom 13.07.2005 wird zwar\nausgefuhrt, dass das Interesse des Klagers an der Aufrechterhaltung der\nBescheinigung gegenuber dem Interesse am rechtmaßigen Verwaltungshandeln\nzurucktreten musse. Als Begrundung wird jedoch lediglich angegeben, dass es\nkein „milderes Mittel" gebe, um den rechtswidrigen Bescheid und damit die\nBindung des Finanzamts an die Bescheinigung des Vorliegens der Voraussetzungen\nfur die steuerliche Begunstigung zu beseitigen. Fur die Rucknahmeentscheidung\nwar demnach allein ausschlaggebend, dass die Bindung der Finanzverwaltung an\ndie Bescheinigung als Grundlagenbescheid fur die steuerliche Begunstigung\nnicht auf andere Weise aufgehoben werden kann; auf eine konkrete Abwagung\nzwischen dem offentlichen Interesse am rechtmaßigen Verwaltungshandeln und dem\nprivaten Interesse des Klagers an der Aufrechterhaltung der steuerlichen\nBegunstigung kam es der Beklagten erkennbar nicht an. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Dieser „Nichtgebrauch" des Ermessens ist mit § 48 LVwVfG nicht vereinbar.\nGemaß § 48 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG ist die Vorschrift auch auf solche\nVerwaltungsakte anzuwenden, die - wie hier die Bescheinigung nach § 7h EStG\n-Voraussetzung fur die Gewahrung von Geldleistungen sind. Das\nRucknahmeermessen ist demnach nicht erst von der Finanzverwaltung im Rahmen\nder Entscheidung daruber auszuuben, ob bereits gewahrte steuerliche\nVergunstigungen zuruckgefordert werden sollen. Davon abgesehen stellt die\nBescheinigung auch die Grundlage fur die Bewilligung noch nicht gewahrter\nsteuerlicher Vergunstigungen dar. Hier bestand auch Anlass, den konkreten\nSachverhalt im Rahmen der Ermessensausubung zu wurdigen. Das gilt einmal mit\nBlick auf das offentliche Interesse an der Beseitigung zu Unrecht erlangter\nSteuerbegunstigungen. Dessen Gewicht hangt u.a. wesentlich davon ab, ob bei\nKenntnis der zutreffenden Auslegung des § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG eine\nverpflichtende Modernisierungsvereinbarung uber die abgesprochenen und\ntatsachlich auch ausgefuhrten baulichen Maßnahmen getroffen worden ware. In\ndiesem Fall waren die vom Klager vorgenommenen Modernisierungsmaßnahmen der\nSache nach steuerlich forderungswurdig gewesen, was den fehlenden\nVertragsschluss im Nachhinein als eher formalen Mangel erscheinen ließe und\ndas Gewicht des fiskalischen Interesses minderte. Ferner hat der Klager\nangegeben, dass er die Modernisierungsmaßnahme nur deshalb durchgefuhrt habe,\nweil Mitarbeiter der Beklagten ihm die Erteilung der Bescheinigung nach § 7h\nEStG mundlich zugesichert hatten. Dieser Umstand kann zwar nicht mit den in §\n48 Abs. 2 LVwVfG genannten Vertrauenstatbestanden gleichgesetzt werden, welche\neine Rucknahme begunstigender Verwaltungsakte ausschließen; fur die\nermessensgerechte Berucksichtigung des Vertrauensschutzes ist er aber durchaus\nvon Belang. Schließlich war nicht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu\nklaren, ob die eben genannten ermessensrelevanten Umstande vorliegen. Denn die\nBeklagte hat diesbezuglich uberhaupt keine Ermessenserwagungen angestellt. Das\nGericht kann jedoch eine unterbliebene Ermessensausubung nicht anstelle der\nBehorde nachholen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.08.1989 - 4 NB 24.88 -, DVBl.\n1989, 1105 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO fur die Zulassung der Revision\nliegen nicht vor. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| \n--- \n| **Beschluss** \n--- \n| **vom 03. April 2007** \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Der Streitwert wird gemaß § 52 Abs. 1 GKG auf 50.000,-- EUR festgesetzt. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Der Beschluss ist unanfechtbar. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und\nauch sonst zulassig. Sie ist auch begrundet. Das Verwaltungsgericht hatte den\nBescheid der Beklagten vom 15.03.2005 uber die Rucknahme der dem Klager nach §\n7h Abs. 2 Satz 1 EStG erteilten Bescheinigung und deren Widerspruchsbescheid\nvom 13.07.2005 aufheben mussen, weil sie rechtswidrig sind und den Klager in\nseinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Allerdings teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die\n§ 7h-Bescheinigung vom 13.11.1997 rechtswidrig ist. Denn sie bestatigt zu\nUnrecht - mit Bindungswirkung gegenuber dem Finanzamt -, dass die vom Klager\nan seinem Gebaude ... ... durchgefuhrten Modernisierungsmaßnahmen die\nVoraussetzungen des § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG erfullen. Nach dieser Vorschrift\nkonnen bei Gebauden in Sanierungsgebieten erhohte Absetzungen von den\nHerstellungskosten fur Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen im Sinne\ndes § 177 BauGB vorgenommen werden. Entgegen der Auffassung des Klagers ist §\n7h Abs. 1 Satz 1 EStG nicht einschrankend dahingehend auszulegen, dass die\nVoraussetzungen fur die steuerliche Forderung bereits dann gegeben sind, wenn\nam Gebaude Mangel oder Missstande im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 BauGB\nvorlagen und diese behoben wurden. Denn § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG verweist nach\nseinem Wortlaut auf die Vorschrift des § 177 BauGB im Ganzen und damit auch\nauf dessen Absatz 1, der die Gemeinden ermachtigt, die Modernisierung und\nInstandsetzung von Gebauden in Sanierungsgebieten durch entsprechende\nAnordnungen durchzusetzen. Anstelle solcher Gebote schließen die Gemeinden in\nder Praxis meist stadtebauliche Vertrage nach § 11 BauGB mit den Eigentumern,\nin denen diese sich zur Durchfuhrung naher bestimmter Modernisierungs- und\nInstandsetzungsmaßnahmen verpflichten (vgl. Battis/Krautzberger/Lohr, BauGB,\n8. Aufl., § 177 Rn. 21). Diese Vorgehensweise tragt dem Kooperationsgedanken\nRechnung, von dem das Sanierungsrecht gepragt ist (vgl. § 175 Abs. 1 BauGB),\nund erfullt daher ebenfalls die Voraussetzungen fur eine steuerliche Forderung\n(vgl. Einkommenssteuerrichtlinien 2005, BStBl. I Sondernr. 1 R 7h (6);\nGemeinsame Bekanntmachung des Wirtschaftsministeriums und des\nFinanzministeriums vom 11.06.2001 - Bescheinigungsrichtlinie - GABl. 2001,\n793, TZ 3.1; vgl. auch BFH, Beschluss vom 06.12.2002 - 9 B 109/02 -, BFH/NV\n2003, 469). Demgegenuber stellen freiwillige Modernisierungs- und\nInstandsetzungsmaßnahmen auch dann keine Maßnahmen im Sinne des § 7h Abs. 1\nSatz 1 EStG dar, wenn sie in Absprache mit der Gemeinde erfolgen und der\nBeseitigung von Mangeln und Missstanden im Sinne von § 177 Abs. 2 und 3 BauGB\ndienen, sondern nur dann, wenn sie auf der Grundlage eines Gebots nach § 177\nAbs. 1 BauGB oder einer vertraglichen Verpflichtung gegenuber der Gemeinde\ndurchgefuhrt wurden. Der Senat schließt sich damit der bislang von der\nobergerichtlichen Rechtsprechung und Kommentarliteratur vertretenen Auffassung\nan (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 24.04.1997 - 6 L 2067/96 - und OVG\nMecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 08.06.2004 - 3 L 64/02 -, NVwZ 2005, 835;\nBlumich, EStG, Bd. 1, § 7h Rn. 23 f.; Kirchhof, EStG, 2001, § 7h RdNr. 3;\nSchmidt, EStG, 25. Aufl. § 7h Rn. 3). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Fur diese Auffassung spricht neben der uneingeschrankten Verweisung auf §\n177 BauGB in § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG auch Satz 2 dieser Vorschrift, welcher\ndie steuerliche Forderung auf denkmalbezogene Maßnahmen unter der\nVoraussetzung erstreckt, dass sich der Eigentumer hierzu gegenuber der\nGemeinde verpflichtet hat. Eine entsprechende ausdruckliche Regelung ist\nhinsichtlich der sanierungsbezogenen Modernisierungs- und\nInstandsetzungsmaßnahmen entbehrlich, weil deren verpflichtender Charakter\nbereits durch die umfassende Verweisung auf § 177 BauGB - und damit auch auf\ndessen Absatz 1 - in § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG zur Voraussetzung fur die\nsteuerliche Begunstigung gemacht wird. Demgegenuber ermachtigt § 177 BauGB\nnicht zur Anordnung stadtebaulicher Gebote hinsichtlich der in § 7h Abs. 1\nSatz 2 EStG genannten denkmalbezogenen Maßnahmen. Dieser Auslegung kann auch\nnicht entgegen gehalten werden, dass sich freiwillige\nModernisierungsmaßnahmen, die in Absprache mit der Gemeinde realisiert werden,\nnicht von den auf Grundlage vertraglicher Verpflichtungen durchzufuhrenden\nMaßnahmen unterscheiden, wie der Klager meint. Abgesehen davon, dass die\nGemeinden keine Moglichkeit haben, mundliche Absprachen uber\nModernisierungsmaßnahmen gegebenenfalls zwangsweise durchzusetzen, kann vom\nEigentumer nur dann verlangt werden, sich vertraglich zur Durchfuhrung im\neinzelnen bezeichneter Modernisierungsmaßnahmen in einem bestimmten Zeitraum\n(vgl. § 177 Abs. 1 Satz 3 BauGB) als Ersatz fur eine ansonsten mogliche\neinseitige Anordnung von Geboten nach § 177 Abs. 1 BauGB (vgl.\nBattis/Krautzberger/Lohr, a.a.O., § 177 Rn. 34) zu verpflichten, wenn gemaß §\n175 Abs. 2 BauGB die alsbaldige Durchfuhrung der Maßnahmen aus stadtebaulichen\nGrunden erforderlich ist. Mit der Anknupfung der steuerlichen Begunstigung an\nModernisierungsmaßnahmen verpflichtenden Charakters wird daher zugleich\nerreicht, dass diese auf Maßnahmen mit stadtebaulicher Dringlichkeit\nbeschrankt wird. Hier hat der Klager die Modernisierungsmaßnahmen nicht\naufgrund einer vertraglichen Verpflichtung gegenuber der Beklagten, sondern\nfreiwillig durchgefuhrt. Daran andert nichts, dass er sie unter Beachtung\nmundlicher Absprachen mit Mitarbeitern der Beklagten gemaß der ihm erteilten\nBaugenehmigung und der darin enthaltenen sanierungsrechtlichen Auflagen\nrealisiert hat. Denn hierzu war der Klager nicht verpflichtet. Somit ist die\nihm erteilte Bescheinigung rechtswidrig. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Rucknahme der Bescheinigung mit Bescheid vom 15.03.2005 erfolgte jedoch\nnicht innerhalb der Rucknahmefrist nach § 48 Abs. 4 LVwVfG und ist daher\nihrerseits rechtswidrig. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Nach dieser Vorschrift ist die Rucknahme ab dem Zeitpunkt, in dem die\nBehorde von Tatsachen Kenntnis erhalt, welche die Rucknahme des rechtswidrigen\nVerwaltungsakts rechtfertigen, nur innerhalb eines Jahres zulassig. Die\nJahresfrist beginnt, sobald die Rucknahmebehorde die Rechtswidrigkeit des\nerlassenen Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die fur die\nRucknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollstandig bekannt sind.\nDazu gehoren die Umstande, deren Kenntnis es der Behorde objektiv ermoglicht,\nohne weitere Sachaufklarung unter sachgerechter Ausubung ihres Ermessens uber\ndie Rucknahme zu entscheiden. Denn § 48 Abs. 4 LVwVfG ist nicht im Sinne einer\n„Bearbeitungsfrist" zu verstehen, die mit der Kenntnis der Rechtswidrigkeit\ndes Verwaltungsaktes zu laufen beginnt und der Behorde ein Jahr Zeit lasst, um\nhinsichtlich des Vorliegens der weiteren Rucknahmevoraussetzungen\nEntscheidungsreife herbeizufuhren. Eine solche „Bearbeitungsfrist" ware nicht\nsachgerecht, weil es nicht allein vom Willen der Behorde abhangt, ob die Sache\nin diesem Zeitraum tatsachlich entscheidungsreif gemacht werden kann; vielmehr\nkann sich die Aufklarung der entscheidungserheblichen Tatsachen aus den\nunterschiedlichsten Grunden verzogern (zum Beispiel Zeugenvernehmung oder\nEinholung von Sachverstandigengutachten). Nach Sinn und Zweck der Regelung\nhandelt es sich daher um eine „Entscheidungsfrist", die grundsatzlich mit dem\nZeitpunkt des Eintritts der Entscheidungsreife zu laufen beginnt (grundlegend\nBVerwG Großer Senat, Beschl. vom 19.12.1984 - GrSen 1.84, GrSen 2.84 -,\nBVerwGE 70, 356; vgl. auch Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 48 Rn. 219\nff.). Hingegen vermag ein auf die weiteren Rucknahmevoraussetzungen bezogener\nRechtsirrtum der Behorde - anders als ein Rechtsirrtum in Bezug auf die\nRechtswidrigkeit des Verwaltungsakts - den Fristbeginn nicht zu hindern. Denn\nandernfalls ware die Entscheidungsreife abhangig von der rechtlichen\nErkenntnisfahigkeit der handelnden Behorde; je geringer diese ausgepragt ist,\ndesto großzugiger ware die zur Verfugung stehende Rucknahmefrist. Eine solche\nAuslegung ware nicht vereinbar mit dem Zweck der Jahresfrist, Rechtssicherheit\nhinsichtlich des Bestandes von Verwaltungsakten herbeizufuhren. Sie wurde\nferner die in § 48 Abs. 4 LVwVfG normierte Beschrankung der Kenntnis auf\n„Tatsachen" „ins Leere laufen" lassen (vgl. BVerwG, Urt. vom 05.08.1996 - 5 C\n6.95 -, NWVBl. 1997, 293 unter Hinweis darauf, dass ein Rechtsirrtum uber die\nErforderlichkeit von Ermessenserwagungen den Beginn der Jahresfrist nicht\nhinausschiebt mit der Folge, dass ein Rucknahmebescheid, welcher einen\nfristgerecht erlassenen ersten Rucknahmebescheid ersetzt, verfristet sein\nkann; vgl. auch BVerwG, Urt. vom 19.12.1995 - 5 C 10.94 -, BVerwGE 100, 199;\nebenso mit eingehender Begrundung BSG, Urt. vom 27.07.1989 - 11/7 RAr 115/87\n-, BSGE 65, 221 und Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 141). Ausgehend davon wurde\ndie dem Klager erteilte Bescheinigung nach § 7h EStG erst nach Ablauf der\nAusschlussfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG zuruckgenommen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Irrtum der Beklagten uber die Rechtmaßigkeit ihrer Praxis,\nBescheinigungen nach § 7h EStG auch bei freiwilligen Modernisierungsmaßnahmen\nohne konkrete vertragliche Verpflichtungen auszustellen, war nach eigenem\nBekunden mit Bekanntmachung der verbindlichen Vorgaben zur Auslegung und\nAnwendung unter anderem des § 7h EStG in der Bescheinigungsrichtlinie des\nWirtschafts- und Finanzministeriums vom 11.06.2001 (a.a.O.) behoben. Bezogen\nauf das vorliegende Verfahren war der entsprechende Rechtsirrtum bei der\nzustandigen Behorde spatestens im November 2003 entfallen. Denn das Amt fur\nStadtplanung und Stadterneuerung hat im Rahmen des Remonstrationsverfahrens,\ndas der streitgegenstandlichen Rucknahme vorangegangen war, mit Schreiben vom\n28.11.2003 gegenuber dem Finanzamt Stuttgart III ausdrucklich angegeben, ihm\nsei aufgrund der Bescheinigungsrichtlinie bewusst geworden, dass die\nBegunstigung nach § 7h EStG eine konkrete vertragliche Vereinbarung zwischen\nEigentumer und Gemeinde voraussetze. Damit hat die zustandige Behorde zu\nerkennen gegeben, dass sie nunmehr von der Rechtswidrigkeit ihrer fruheren\nVerwaltungspraxis ausgeht. Zwar hat das Amt fur Stadtplanung und\nStadterneuerung in diesem Schreiben weiter ausgefuhrt, dass es sich -\ngleichwohl - außerstande sehe, die dem Klager erteilte Bescheinigung\nzuruckzunehmen, weil bis zum Erlass der Bescheinigungsrichtlinie keine\nkonkreten vertraglichen Vereinbarungen zwischen Eigentumer und Stadt\nabgeschlossen worden seien und diese - auch bei anderen Gemeinden ubliche -\nVorgehensweise von der Finanzbehorde bis dahin akzeptiert worden sei. Diese\nAussage relativiert jedoch nicht die zuvor geaußerte Feststellung zur\nRechtswidrigkeit der fruheren Verwaltungspraxis in Bezug auf die dem Klager\nerteilte Bescheinigung. Denn mit der Bescheinigungsrichtlinie hinsichtlich der\nFrage der Notwendigkeit konkreter vertraglicher Modernisierungspflichten sind\nnicht etwa Konsequenzen aus einer Rechtsanderung gezogen worden. Vielmehr ist\nder steuerrechtliche Begunstigungstatbestand hinsichtlich der umfassenden\nVerweisung auf § 177 BauGB seit Erteilung der Bescheinigung im November 1997\nunverandert geblieben. Damit war fur die Beklagte klar, dass auch die Praxis\nvor Erlass der Bescheinigungsrichtlinie rechtswidrig gewesen war. Ihre\nAnnahme, die dem Klager erteilte Bescheinigung trotz erkannter\nRechtswidrigkeit nicht zurucknehmen zu konnen, bezieht sich daher auf das\nFehlen weiterer Rucknahmevoraussetzungen. Offenbar war sie der Auffassung,\ndass ein Vertrauenstatbestand vorliege, hinter dem das offentliche Interesse\nan der Rucknahme zurucktreten musse; an dieser Rechtsauffassung hat sie dann\nin der Folgezeit festgehalten, bis sie vom Regierungsprasidium mit Schreiben\nvom 18.08.2004 zur Rucknahme der dem Klager erteilten Bescheinigung angewiesen\nwurde. Wie ausgefuhrt, kommt es daher fur den Beginn der Rucknahmefrist nicht\ndarauf an, ob die zustandige Behorde hinsichtlich solcher weiterer\nRucknahmevoraussetzungen einem Rechtsirrtum unterlegen ist oder nicht. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Im vorliegenden Fall begann nach alledem die Jahresfrist des § 48 Abs. 4\nLVwVfG Ende November 2003 zu laufen, als das Amt fur Stadtplanung bezogen auf\ndas konkrete Verfahren (spatestens) Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der\nBescheinigung erlangt und zugleich angenommen hat, die weiteren\nRucknahmevoraussetzungen lagen nicht vor. Dies hat zur Folge, dass die\n„Entscheidungsfrist" des § 48 Abs. 4 LVwVfG bei Erlass des Rucknahmebescheids\nam 15. Marz 2005 bereits abgelaufen war. Zwar trifft die von der Beklagten\nzunachst vertretene Auffassung, die vor Erlass der Bescheinigungsrichtlinie\nrechtswidrig erteilten Bescheinigungen konnten mit Blick auf die damalige, von\nder Finanzverwaltung akzeptierte Praxis generell nicht zuruckgenommen werden,\nnicht zu; vielmehr war dies von einer einzelfallbezogenen Wurdigung\ninsbesondere unter Vertrauensschutzgesichtspunkten abhangig. Auch spricht viel\ndafur, dass bei zutreffender Anwendung der Rucknahmevoraussetzungen der\nSachverhalt im Zeitpunkt der Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Bescheinigung\nnoch nicht hinreichend geklart war. Insbesondere war der zustandigen Behorde\ndamals noch nicht bekannt, ob der Klager die ihm bereits gewahrten\nSteuervergunstigungen im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG verbraucht hat\n(vgl. BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - 3 C 3.95 -, BVerwGE 104, 289 zur\nAnwendbarkeit des § 48 Abs. 2 VwVfG auf Verwaltungsakte, die Grundlage fur\neine bezifferbare Steuerverschonung sind; vgl. BVerwG, Urteil vom 28.01.1993 -\n2 C 15.91 -, DVBl. 1993, 947 zum Leistungsverbrauch). Ein solcher\nKlarungsbedarf hindert jedoch den Fristbeginn hier nicht. Denn mit Blick auf\nden Zweck der Ausschlussfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG als „Entscheidungsfrist"\nkommt es allein darauf an, ob a u s S i c h t d e r B e h o r d e\nEntscheidungsreife gegeben ist. Hat diese - wie hier - zu erkennen gegeben,\ndass sie eine Rucknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts von vornherein -\nohne Klarung konkreter Vertrauensschutzaspekte - fur unzulassig halt, beginnt\ndie Jahresfrist auch dann zu laufen, wenn diese Rechtsauffassung unzutreffend\nist und eine Rucknahme bei hinreichender Aufklarung des Sachverhalts in\nBetracht kommt. Denn ein auf die weiteren Rucknahmevoraussetzungen bezogener\nRechtsirrtum hat - wie oben dargelegt - keine fristhemmende Wirkung. Kame es\nfur die Frage der Entscheidungsreife nicht auf die Rechtsauffassung der\nRucknahmebehorde, sondern auf die zutreffende Anwendung der\nRucknahmevoraussetzungen an, ware es von den Rechtskenntnissen der Behorde\nabhangig, ob und wann sie die zur Herbeifuhrung der Entscheidungsreife\nnotwendige Sachaufklarung vornimmt. Die zur Verfugung stehende Rucknahmefrist\nware also um so langer bemessen, je geringer die Rechtskenntnisse der\njeweiligen Behorde sind. Dies ware aber mit dem Zweck der Jahresfrist,\nRechtssicherheit und Rechtsklarheit im Hinblick auf den Bestand von\nVerwaltungsakten zu gewahrleisten, nicht zu vereinbaren. Im Übrigen lage auch\ntreuwidriges Verhalten vor, wenn sich eine Rucknahmebehorde, die zu erkennen\ngegeben hatte, dass aus ihrer Sicht Entscheidungsreife vorlag, spater\nhinsichtlich des Fristablaufs auf die Notwendigkeit weiterer Sachaufklarung\nberiefe. Somit beginnt die Jahresfrist zu laufen, wenn der Behorde alle\nTatsachen bekannt sind, die nach ihrer Rechtsauffassung fur die Entscheidung\nuber eine Rucknahme des - als rechtswidrig erkannten - Verwaltungsakts\nerheblich sind. Wie ausgefuhrt, bestand hier fur die Beklagte im Zeitpunkt der\nKenntnis der Rechtswidrigkeit der Bescheinigung kein Anlass fur weitere\nSachaufklarung, weil sie deren Rucknahme unabhangig von den konkreten\nEinzelfallumstanden fur unzulassig hielt, so dass die Jahresfrist (spatestens)\nim November 2003 zu laufen begann. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Beklagte ist schließlich auch in der Folgezeit bis zum Ablauf der\nJahresfrist davon ausgegangen, dass sie ohne weitere Sachverhaltsaufklarung\nuber die Frage einer Rucknahme der Bescheinigung entscheiden konne. Das\nSchreiben des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 18.08.2004, mit dem sie zur\nRucknahme der dem Klager erteilten Bescheinigung angewiesen wurde, hat daran\nnichts geandert. Denn diese Weisung wurde nicht von einer Wurdigung der\nEinzelfallumstande abhangig gemacht, sondern galt unbedingt. Dementsprechend\nfinden sich im Rucknahmebescheid und im Widerspruchsbescheid der Beklagten\nauch keine auf die konkreten Umstande bezogenen Ermessenserwagungen. Die\nAnhorung des Klagers mit Schreiben vom 07.09.2004 im Anschluss an die Weisung\ndes Regierungsprasidiums stellt sich vor diesem Hintergrund lediglich als\nformelle Wahrung des rechtlichen Gehors dar und war nicht auf weitere\nSachaufklarung gerichtet. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Unabhangig davon ist die Rucknahme der Bescheinigung auch wegen fehlender\nErmessenserwagungen rechtswidrig. Im Rucknahmebescheid der Beklagten vom\n15.03.2005 und in deren Widerspruchsbescheid vom 13.07.2005 wird zwar\nausgefuhrt, dass das Interesse des Klagers an der Aufrechterhaltung der\nBescheinigung gegenuber dem Interesse am rechtmaßigen Verwaltungshandeln\nzurucktreten musse. Als Begrundung wird jedoch lediglich angegeben, dass es\nkein „milderes Mittel" gebe, um den rechtswidrigen Bescheid und damit die\nBindung des Finanzamts an die Bescheinigung des Vorliegens der Voraussetzungen\nfur die steuerliche Begunstigung zu beseitigen. Fur die Rucknahmeentscheidung\nwar demnach allein ausschlaggebend, dass die Bindung der Finanzverwaltung an\ndie Bescheinigung als Grundlagenbescheid fur die steuerliche Begunstigung\nnicht auf andere Weise aufgehoben werden kann; auf eine konkrete Abwagung\nzwischen dem offentlichen Interesse am rechtmaßigen Verwaltungshandeln und dem\nprivaten Interesse des Klagers an der Aufrechterhaltung der steuerlichen\nBegunstigung kam es der Beklagten erkennbar nicht an. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Dieser „Nichtgebrauch" des Ermessens ist mit § 48 LVwVfG nicht vereinbar.\nGemaß § 48 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG ist die Vorschrift auch auf solche\nVerwaltungsakte anzuwenden, die - wie hier die Bescheinigung nach § 7h EStG\n-Voraussetzung fur die Gewahrung von Geldleistungen sind. Das\nRucknahmeermessen ist demnach nicht erst von der Finanzverwaltung im Rahmen\nder Entscheidung daruber auszuuben, ob bereits gewahrte steuerliche\nVergunstigungen zuruckgefordert werden sollen. Davon abgesehen stellt die\nBescheinigung auch die Grundlage fur die Bewilligung noch nicht gewahrter\nsteuerlicher Vergunstigungen dar. Hier bestand auch Anlass, den konkreten\nSachverhalt im Rahmen der Ermessensausubung zu wurdigen. Das gilt einmal mit\nBlick auf das offentliche Interesse an der Beseitigung zu Unrecht erlangter\nSteuerbegunstigungen. Dessen Gewicht hangt u.a. wesentlich davon ab, ob bei\nKenntnis der zutreffenden Auslegung des § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG eine\nverpflichtende Modernisierungsvereinbarung uber die abgesprochenen und\ntatsachlich auch ausgefuhrten baulichen Maßnahmen getroffen worden ware. In\ndiesem Fall waren die vom Klager vorgenommenen Modernisierungsmaßnahmen der\nSache nach steuerlich forderungswurdig gewesen, was den fehlenden\nVertragsschluss im Nachhinein als eher formalen Mangel erscheinen ließe und\ndas Gewicht des fiskalischen Interesses minderte. Ferner hat der Klager\nangegeben, dass er die Modernisierungsmaßnahme nur deshalb durchgefuhrt habe,\nweil Mitarbeiter der Beklagten ihm die Erteilung der Bescheinigung nach § 7h\nEStG mundlich zugesichert hatten. Dieser Umstand kann zwar nicht mit den in §\n48 Abs. 2 LVwVfG genannten Vertrauenstatbestanden gleichgesetzt werden, welche\neine Rucknahme begunstigender Verwaltungsakte ausschließen; fur die\nermessensgerechte Berucksichtigung des Vertrauensschutzes ist er aber durchaus\nvon Belang. Schließlich war nicht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu\nklaren, ob die eben genannten ermessensrelevanten Umstande vorliegen. Denn die\nBeklagte hat diesbezuglich uberhaupt keine Ermessenserwagungen angestellt. Das\nGericht kann jedoch eine unterbliebene Ermessensausubung nicht anstelle der\nBehorde nachholen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.08.1989 - 4 NB 24.88 -, DVBl.\n1989, 1105 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO fur die Zulassung der Revision\nliegen nicht vor. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| \n--- \n| **Beschluss** \n--- \n| **vom 03. April 2007** \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Der Streitwert wird gemaß § 52 Abs. 1 GKG auf 50.000,-- EUR festgesetzt. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Der Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n |
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137,111 | olgstut-2008-04-10-13-u-13907 | 147 | Oberlandesgericht Stuttgart | olgstut | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 13 U 139/07 | 2008-04-10 | 2019-01-07 12:06:06 | 2019-02-12 12:39:16 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung der Klagerin und auf die Berufung des Beklagten wird das\nUrteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Tubingen vom 13. Juni 2007 dahin\nabgeandert, dass die Widerklage insgesamt abgewiesen und der Beklagte unter\nAbweisung der weitergehenden Klage verurteilt wird, an die Klagerin 29.201,50\nEUR zu bezahlen nebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem jeweiligen\nBasiszinssatz\n\n> aus | 500,00 EUR | seit 04.06.2005, \n> ---|---|--- \n> aus jeweils | 2.161,50 EUR | seit 04.07., 04.08., 04.09., 04.10., 04.11. und 04.12.2005, \n> aus | 2.161,50 EUR | seit 04.01.2006 bis 31.07.2007 und \n> aus | 2.061,50 EUR | seit 01.08.2007, \n> aus jeweils | 2.378,50 EUR | seit 04.07., 04.08., 04.09., 04.10., 04.11. und 04.12.2006, \n> | | jeweils bis 31.07.2007 und \n> aus | 13.671,00 EUR | seit 01.08.2007 sowie \n> aus | 587,63 EUR | vom 04.02. bis 01.07.2005. \n \n2\\. Im Übrigen werden die Berufungen der Parteien zuruckgewiesen.\n\n3\\. Der Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n4\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDer Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Hohe\nvon 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klagerin vor\nVollstreckung Sicherheit in Hohe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden\nBetrages leistet.\n\nStreitwert des Berufungsverfahrens: 88.500,00 EUR\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Berufung der Klagerin hat uberwiegend Erfolg, die des Beklagten nur zu\neinem kleinen Teil, wie sich aus nachfolgenden Ausfuhrungen und erganzend aus\ndem landgerichtlichen Urteil ergibt. \n--- \n--- \n1\\. ..... \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| 2\\. Herausgabeanspruch \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Berufung der Klagerin hat Erfolg. Die Klagerin ist entgegen der Ansicht\ndes Landgerichts nicht verpflichtet, dem Beklagten die von ihr\nzuruckgehaltenen Gegenstande herauszugeben. \n--- \n| 4 \n--- \n| Zwar ist der Herausgabeantrag des Beklagten entgegen der Auffassung der\nBerufung ausreichend bestimmt. Es genugt eine solche Beschreibung, dass sie\nfur beide Parteien Klarheit uber die Identitat der genannten Sachen schafft\n(Staudinger, BGB, § 985 Rn. 86). Dies ist dadurch erreicht, dass es unstreitig\nnur um Gegenstande geht, die sich in den Mietraumen befinden, wobei die\nKlagerin nicht behauptet, dass sich dort ihr gehorende oder den\nherausverlangten Gegenstanden ahnliche Gegenstande befinden, die nicht\nherausverlangt werden. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Doch ist der Herausgabeanspruch entgegen der Annahme des Landgerichts nicht\nerloschen, weil die Klagerin die in Besitz genommenen Gegenstande noch nicht\nverwertet hat. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht\n(Staudinger/Emmerich [2006], BGB, § 562 Rn. 7 und Blank/Borstinghaus, Miete,\n2. Aufl., § 562 Rn. 44) muss der Vermieter nicht, wenn er Sachen des Mieters\naufgrund seines Pfandrechts in Besitz genommen hat, die Sachen dem Mieter\nzuruckgeben, wenn er nicht umgehend zur Verwertung schreitet. Beide\nKommentatoren beziehen sich zur Begrundung ihrer Ansicht auf die Entscheidung\nLG Mannheim WuM 1978, 141, die eine entsprechende Aussage uberhaupt nicht\nenthalt. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Auch unabhangig hiervon kann der Literaturmeinung nicht gefolgt werden. Die\nPfandrechtsvorschriften (§§ 1204 ff BGB), die gemaß § 1257 BGB auf das\nVermieterpfandrecht anzuwenden sind, bestimmen eine solche Herausgabepflicht\nnicht. Gemaß § 1217 Abs. 1 BGB kann der Verpfander, wenn der Pfandglaubiger\ndie Rechte des Verpfanders in erheblichem Maße verletzt und das verletzende\nVerhalten trotz Abmahnung fortsetzt, Hinterlegung auf Kosten des\nPfandglaubigers oder Ablieferung an einen gerichtlich zu bestimmenden\nVerwalter bzw. gemaß Abs. 2 die Ruckgabe gegen Befriedigung verlangen.\nAußerdem ist anerkannt, dass der Verpfander bei Pflichtverletzungen nach der\nVerpfandung Schadensersatzanspruche gegen den Glaubiger hat (Munchener\nKommentar zum BGB, 4. Aufl., § 1217 Rn. 5). Das ist aber bei pflichtwidriger\nNichtverwertung durch den Pfandglaubiger zunachst ein Anspruch auf den\nVerzogerungsschaden. Vorliegend kommt hinzu, dass der Beklagte die Klagerin\nnie zur Verwertung aufgefordert hat und auf diese keinen Wert legt, sondern\nder Auffassung ist, die Klagerin habe generell kein Pfandrecht. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Dahinstehen kann damit, ob und welche Gegenstande Einrichtungen im Sinne von\n§ 539 Abs. 2 BGB sind, hinsichtlich der der Wegnahmeduldungsanspruch des\nMieters (Beklagten) gemaß § 548 Abs. 2 BGB in 6 Monaten nach Beendigung des\nMietverhaltnisses verjahrt, und zwar auch dann, wenn der Vermieter an den\nEinrichtungen, die im Eigentum des Mieters geblieben sind, sein Pfandrecht\nausubt (Staudinger a.a.O. § 539 Rn. 34 mit Nachweisen). Durch die\nGeltendmachung eines Vermieterpfandrechts nach Beendigung des\nMietverhaltnisses wird der Lauf der Verjahrungsfrist fur den\nWegnahmeduldungsanspruch nach § 539 Abs. 2 BGB nicht gehemmt (BGHZ 101, 37),\nsodass sich die Klagerin, soweit es um Einrichtungen im Sinne von § 539 Abs. 2\nBGB geht, zu Recht auf die Einrede der Verjahrung beruft. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Ebenso beruft sie sich, soweit es sich bei den streitbefangenen Gegenstanden\num Einrichtungen im Sinne von § 539 Abs. 2 BGB handelt, zu Recht auf § 258\nBGB, wonach der Vermieter die Gestattung der Wegnahme verweigern kann, bis ihm\nfur den mit der Wegnahme verbundenen Schaden Sicherheit geleistet wird. Den\nMieter trifft im Falle der Wegnahme die Pflicht, die Mietsache auf seine\nKosten in den vorigen Stand zuruckzuversetzen (Staudinger a.a.O. § 539 Rn.\n30). \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Zu Unrecht beruft sich der Beklagte darauf, dass ihm die Sachen nicht\ngehoren wurden und deshalb ein Vermieterpfandrecht an ihnen habe nicht\nentstehen konnen. Aus dem Schreiben der ... vom 05.01.2006 (Bl. 43) ergibt\nsich, dass die Sicherungsubereignung an die ... dem Vermieterpfandrecht nicht\nentgegensteht. Sie erfolgte erst mit Vertragen vom 30.03.2004 bzw. 11.01.2005\nund damit nach Entstehung des Vermieterpfandrechts, das die Klagerin mit\nEinbringung der Gegenstande in die vom Beklagten bereits am 01.02.2004\nubernommenen Mietraume erwarb. Doch selbst wenn ein Vermieterpfandrecht nicht\nentstanden ware, hatte jedenfalls der Beklagte keinen Anspruch auf Herausgabe\nder Gegenstande an sich. Ist er nicht Eigentumer der Gegenstande, hat er kein\nRecht an ihnen. Dass und wie ihn der angebliche Eigentumer zur Geltendmachung\ndes Herausgabeanspruchs ermachtigt hat, legt der Beklagte nicht dar. Aus dem\nSchreiben der ... vom 05.01.2006 (Bl. 43) ergibt sich eine Ermachtigung zur\nProzessfuhrung nicht. Der Beklagte hat es auch nicht zu diesem Zweck\nvorgelegt, sondern nur zum Beleg dafur, dass die ... ihm die Abholung erlaubt\nhat. \n--- \n| 10 \n--- \n| Ebenso wenig kann sich der Beklagte auf § 811 Nr. 5 ZPO berufen, wonach bei\nPersonen, die aus ihrer korperlichen oder geistigen Arbeit oder sonstigen\npersonlichen Leistungen ihren Erwerb ziehen, die zur Fortsetzung dieser\nErwerbstatigkeit erforderlichen Gegenstande unpfandbar sind. Zwar schadet eine\nzeitweilige Nichtausubung der Erwerbstatigkeit, etwa wegen Krankheit oder\nHaft, nicht. Die Moglichkeit kunftiger Berufsausubung genugt jedoch nur, wenn\nschon eine konkrete Aussicht auf baldige Realisierung besteht (vgl. etwa\nMusielak, ZPO, 5. Aufl., § 811 Rn. 19 mit Rechtsprechungsnachweisen;\nThomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 811 Rn. 25). Der Beklagte hat nicht dargelegt,\ndass er bei Schließung des Studios in den Raumen der Klagerin konkrete\nAussichten auf Eroffnung eines Studios an anderer Stelle hatte, sondern sich\nnur allgemein auf § 811 ZPO berufen. Die Klagerin hingegen hat mit Schriftsatz\nvom 20.12.2006 (Bl. 246) vorgetragen, dass das andere Sonnenstudio des\nBeklagten im Fruhsommer 2006, also bald ein Jahr nach Schließung desjenigen in\nden Raumen der Klagerin, eroffnet und zudem Ende 2006 bereits wieder\ngeschlossen worden sei. Selbst wenn man, ohne dass der Beklagte dies konkret\nvorgetragen hat, zu seinen Gunsten aus dem Schreiben der ... vom 05.01.2006\nentnehmen wurde, dass er bereits im Januar 2006 ein anderes Studio eroffnen\nwollte, ergibt sich mangels naherer Darlegung durch den Beklagten nicht, dass\neine entsprechende Absicht bereits ein halbes Jahr zuvor bestand und jetzt\nnoch besteht. Es ist weder erkennbar, dass im Sommer 2005 eine konkrete\nAussicht auf Fortsetzung der entsprechenden Berufstatigkeit des Beklagten\nbestand noch dass sie jetzt besteht. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Schließlich hat der Beklagte keinen Herausgabeanspruch hinsichtlich der\nbeiden aus den Mietraumen entfernten Solarien. Das Vermieterpfandrecht ist\ndurch die Verbringung in den Lagerraum nicht beruhrt. Zwar bestimmt § 562 a\nBGB, dass das Pfandrecht des Vermieters erlischt mit der Entfernung der Sachen\nvon dem Grundstuck, und es ist herrschende Meinung, dass mit Grundstuck die\nMietsache gemeint ist (Staudinger, BGB, § 562 a Rn. 4), sodass die Klagerin\nsich nicht darauf berufen kann, dass sich die Gegenstande noch auf demselben\nGrundstuck wie die Mietraume befinden. Doch erfolgte die Entfernung nicht\ndurch den Mieter oder Dritte, worauf § 562 a zugeschnitten ist, sondern durch\nden Vermieter, der sein Pfandrecht weiterhin ausuben wollte und sein Recht\ndadurch verstarkte, dass er die Solarien getrennt in Verwahrung nahm. Sinn und\nZweck der Regelung des § 562 a verbieten es, bei einer Entfernung durch den\neinen gegenteiligen Willen habenden Vermieter von einem Erloschen des\nVermieterpfandrechts auszugehen. Insofern sind die beiden Solarien gleich zu\nbehandeln wie das sonstige Mobiliar und Inventar. \n--- \n--- \n3\\. ..... \n---\n\n |
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138,127 | olgkarl-2003-09-15-2-ss-3503 | 146 | Oberlandesgericht Karlsruhe | olgkarl | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 2 Ss 35/03 | 2003-09-15 | 2019-01-07 13:58:20 | 2019-02-12 12:40:06 | Beschluss | ## Tenor\n\nDie Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft F. gegen das Urteil des\nAmtsgerichts F. vom 28.11.2002 -23 OWi 44 Js 14237/02- wird zugelassen.\n\nAuf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft F. wird das Urteil des\nAmtsgerichts F. vom 28.11.2002 mit den Feststellungen aufgehoben.\n\nDie Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch uber die Kosten des\nRechtsmittels, an das Amtsgericht F. zuruckverwiesen.\n\n****\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Im Bußgeldbescheid vom 20.02.2002 legte das Amt fur offentliche Ordnung der\nStadt F. dem Betroffenen zur Last, er habe als Verantwortlicher der Firma H.\nin F. am 08.08.2001 Tafelapfel zur Lieferung bereitgehalten, die nicht den\nerforderlichen Qualitatsnormen entsprochen hatten. Damit habe er sich einer\nvorsatzlichen Ordnungswidrigkeit gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 der VO uber EG-Normen\nfur Obst und Gemuse, einer Verordnung, die zu den die Bußgeldbestimmung der §§\n1 Abs. 3 und 7, Abs. 1 Nr. 3 Handelsklassengesetz ausfullenden Bestimmungen\nzahlt (Erbs-Kohlhaas, strafrechtl. Nebengesetze Registerband Nr. 272),\nschuldig gemacht. Die Geldbuße wurde auf 175 Euro bemessen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Durch den weiteren Bußgeldbescheid vom 28.05.2002 verhangte das Amt fur\noffentliche Ordnung der Stadt F. gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Hohe\nvon 300 Euro, weil er am 21.12.2000 als Verantwortlicher der genannten Firma\nnicht die erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen getroffen habe, um das\nInverkehrbringen sortenvermischter Äpfel zu verhindern. Dadurch habe er eine\nfahrlassige Ordnungswidrigkeit gem. § 130 OWiG i.V.m. §§ 17 Abs. 1 Nr. 5 b, 52\nAbs. 1 Nr. 10, 53 Abs.1 Lebensmittel- und Bedarfsgegenstandegesetz begangen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Amtsgericht F. hat den Betroffenen auf seine Einspruche hin durch das\nangefochtene Urteil von beiden Vorwurfen freigesprochen. Hiergegen richtet\nsich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft F. mit Erfolg. \n--- \nII. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war gemaß § 80 Abs. 1 Nr. 1\nOWiG zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen\nRechtsprechung zuzulassen. Im vorliegenden Fall geht es um das Verhaltnis der\nBußgeldbestimmungen des Handelsklassengesetzes zu denjenigen des\nLebensmittelgesetzes. Das Amtsgericht vertritt die Auffassung, die\nBestimmungen des Handelsklassengesetzes wurden als Spezialgesetze diejenigen\ndes Lebensmittelgesetzes verdrangen. Eine Entscheidung eines\nOberlandesgerichts ist zu dieser Frage, soweit ersichtlich, noch nicht\nergangen. Sie ist vorliegend entscheidungserheblich, klarungsbedurftig und\nauch abstraktionsfahig. Da die Entscheidung des Amtsgerichts F. uberdies von\neiner dem Senat vorliegenden Entscheidung des Amtsgerichts O. abweicht, ist\ndie Zulassung der Rechtsbeschwerde auch zur Sicherung einer einheitlichen\nRechtsprechung geboten. \n--- \nIII. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erhobene Ruge der Verletzung\nmateriellen Rechts ist begrundet und fuhrt zur vollstandigen Aufhebung des\nUrteils. \n--- \n| 6 \n--- \n| Das Amtsgericht, das zu den jeweiligen Tatvorwurfen keine Feststellungen\ngetroffen hat, hat den Betroffenen aus Rechtsgrunden mit der Erwagung\nfreigesprochen, dass ihm allenfalls eine fahrlassige Tatbegehung vorgeworfen\nwerden konne. Damit scheide eine Ahndung gem. § 7 des Handelsklassengesetzes\naus, weil nach dieser Bestimmung nur vorsatzlich begangene Taten geahndet\nwerden konnten. Die Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes seien jeweils nicht\nanwendbar, weil die auf dem Handelsklassengesetz beruhenden Bestimmungen\nSpezialvorschriften gegenuber den Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes seien,\nso dass letztere nicht zur Anwendung gelangen konnten. Deshalb hat das\nAmtsgericht eine Überprufung des Sachverhaltes darauf, ob die Verhaltensweisen\ndes Betroffenen den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit gem. §§ 53 Abs. 1, 52\nAbs. 1 Nr. 9 und 11 i.V.m. § 17 Abs. 1 Nr. 1.2 d und Nr. 5b Lebensmittelgesetz\n(im folgenden LMBG) erfullt haben, nicht vorgenommen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Ansicht des Amtsgerichts, die Bestimmungen des LMBG seien nicht\nanwendbar, geht fehl. Das Gericht hat außer acht gelassen, dass § 10 des\nHandelsklassengesetzes bestimmt: „Die Vorschriften des Lebensmittelrechts\nbleiben unberuhrt." Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die\nVorschriften des Handelsklassengesetzes den Anwendungsbereich der Bestimmungen\ndes LMBG nicht einschranken oder diese gar verdrangen. Dies folgt auch aus der\nvom Amtsgericht zutreffend gesehenen Unterschiedlichkeit der Zwecke des LMBG\nund des Handelsklassengesetzes (Zipfel, Lebensmittelrecht, LMBG, § 17, Rdn.\n317). Wahrend das LMBG den Schutz des Verbrauchers vor gesundheitsschadlichen\nLebensmitteln und anderen in den §§ 1 bis 5 LMBG genannten Produkten und vor\nIrrefuhrungen uber ihre Beschaffenheit zum Ziele hat, dienen die Bestimmungen\ndes Handelsklassengesetzes der Forderung der Qualitat und des Absatzes\nlandwirtschaftlicher Produkte durch eine infolge von Standardisierung\nverbesserte Transparenz und Marktubersicht. Dem Amtsgericht ist zwar\nzuzugeben, dass das Handelsklassengesetz insoweit in das Lebensmittelrecht\neingreift, als die Handelsklassenbezeichnungen Qualitatsbezeichnungen\ndarstellen und damit auch der Information und dem Schutz des Verbrauchers\ndienen. Dies fuhrt indessen nicht dazu, dass die Bußgeldtatbestande des\nHandelsklassengesetzes diejenigen des LMBG als Spezialvorschriften verdrangen.\nVielmehr ist das Handelsklassengesetz fur das LMBG nur insofern von Bedeutung,\nals es Auslegungsgrundsatze fur die allgemeinen Begriffe des LMBG schafft\n(vgl. Zipfel, Lebensmittelrecht, Handelsklassengesetz § 10 Rdnr. 2, ebenso\nZipfel in Erbs-Kohlhaas, strafrechtl. Nebengesetze, Handelsklassengesetz § 10\nRdnr. 1). Die vom Amtsgericht zur Stutze seiner Auffassung herangezogene\nKommentarstelle (Zipfel in Erbs-Kohlhaas, strafrechtl. Nebengesetze, LMBG § 17\nRdnr. 210), wonach die Bestimmungen des Handelsklassengesetzes Spezialnormen\ngegenuber denjenigen des LMBG seien, ist, wie der Vergleich mit den vom\ngleichen Autor stammenden o.g. Kommentierungen zu § 10 Handelsklassengesetz\nund dessen klarer Wortlaut ergeben, missverstandlich. Sie bezieht sich, wie\nder ihr folgende Hinweis auf § 17 Abs. 1 Nr.2 und 5b LMBG zeigt, nur auf\neinzelne Konkretisierungen, die das Handelsklassengesetz gegenuber diesen\nallgemeinen Bestimmungen fur seinen Geltungsbereich vornimmt (Zipfel,\nLebensmittelrecht, Handelsklassengesetz, § 1 Rdn. 5). Keineswegs aber tragt\ndiese Kommentarstelle die dem eindeutigen Wortlaut des § 10\nHandelsklassengesetz zuwider laufende Auffassung des Amtsgerichts, die\nVorschriften des LMBG wurden verdrangt. Das Gegenteil ist der Fall: Soweit der\njeweilige Sachverhalt sowohl den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit gemaß § 7\nHandelsklassengesetz als auch denjenigen einer Vorschrift des LMBG erfullt,\ngehen dessen Straf- und Bußgeldvorschriften vor. Dies ergibt sich aus § 19\nAbs.2 OWiG hinsichtlich der Bußgeldvorschriften, da § 53 Abs. 3 LMBG Geldbußen\nbis zu 25.000 Euro, § 7 Handelsklassengesetz jedoch nur Geldbußen bis zu einer\nHohe von 10.000 Euro vorsieht. Hinsichtlich der Straftatbestande des LMBG gilt\ngegenuber den Bußgeldbestimmungen des Handelsklassengesetzes § 21 OWiG\n(Zipfel, Lebensmittelrecht, Handelsklassengesetz § 1 Rdn. 34). \n--- \n| 8 \n--- \n| Mithin hatte das Amtsgericht prufen mussen, ob sich der Betroffene einer\nOrdnungswidrigkeit nach dem LBMG schuldig gemacht hat. Gemaß § 53 LBMG handelt\nu.a. ordnungswidrig, wer einen der Straftatbestande des § 52 Abs. 1 Nr. 2 bis\n11 oder Abs. 2 LMBG durch fahrlassiges Verhalten verwirklicht. Dies liegt hier\nhinsichtlich der Vorwurfe aus beiden Bußgeldbescheiden nicht fern, auch wenn\nim Bescheid vom 20.02.2002 keine Bestimmung des LMBG zitiert wurde, obwohl ein\nVerstoß gegen das Verbot des § 17 Abs. 1 Nr. 2b LMBG in Betracht kam. Somit\ndurfte es das Amtsgericht nicht offenlassen, ob der Betroffene die ihm zur\nLast gelegten Taten moglicherweise fahrlassig begangen hat. \n--- \n| 9 \n--- \n| Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil. Die Sache musste deshalb zur\nneuer Verhandlung und Entscheidung, auch uber die Kosten der Rechtsbeschwerde,\nzuruckverwiesen werden. \n---\n\n |
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138,406 | lsgbw-2006-04-06-l-6-r-305305 | 128 | Landessozialgericht Baden-Württemberg | lsgbw | Baden-Württemberg | Sozialgerichtsbarkeit | L 6 R 3053/05 | 2006-04-06 | 2019-01-07 14:01:12 | 2019-01-17 11:58:35 | Urteil | ## Tenor\n\nAuf die Berufung der Klagerin wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom\n30. Mai 2005 aufgehoben und der Bescheid vom 10. Marz 2003 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 13. November 2003 abgeandert.\n\nDie Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 18. Juli 1996 teilweise\nzuruckzunehmen und der Klagerin hohere Altersrente ab 1. Januar 1998 unter\nBerucksichtigung der Zeit vom 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1977 als\nnachgewiesener Beitragszeit zu gewahren.\n\nDie Beklagte hat der Klagerin die außergerichtlichen Kosten aus beiden\nRechtszugen zu erstatten.\n\nDie Revision wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Im Streit steht die Berucksichtigung der Zeit vom 1. Januar 1966 bis 31.\nDezember 1977 als nachgewiesene Zeit nach § 15 Fremdrentengesetz (FRG). \n--- \n| 2 \n--- \n| Die 1932 in R. geborene Klagerin ist am 14. Mai 1990 in die Bundesrepublik\nDeutschland ausgesiedelt und Inhaberin des Vertriebenenausweises A. In R. war\nsie von 1956 bis zu ihrer Aussiedlung Mitglied der Landwirtschaftlichen\nProduktionsgenossenschaft (LPG) „Romgera" Santana, was in dem von ihr\nvorgelegten Arbeitsbuch bescheinigt ist. Im Arbeitsbuch sind in Spalte 5 das\nmaßgebliche Jahr, in Spalte 6 das Soll-Arbeitsvolumen, in Spalte 7 das\nerzielte Arbeitsvolumen und in Spalte 8 die gearbeiteten Kalendertage\neingetragen. Fur die Jahre 1966 bis einschließlich 1971, 1974 bis 1981 und\n1989 sind im Arbeitsbuch weder Angaben zum Soll-Arbeitsvolumen, zu dem\nerzielten Arbeitsvolumen noch zu den tatsachlich gearbeiteten Arbeitstagen\nenthalten. In dieser Zeit hat die Klagerin wegen Schwangerschaft bzw.\nErziehung und Versorgung ihrer Kinder K. (geb. 1957), J. (geb. 1959), F. (geb.\n1966), M.-B. (geb. 1968) und W. (geb. 1974) keine Arbeitsleistung fur die LPG\nerbracht. \n--- \n| 3 \n--- \n| Seit 1. September 1996 bezieht die Klagerin Altersrente (Antrag vom 4. Marz\n1996, Bescheid vom 18. Juli 1996). Bei der Rentenberechnung war die strittige\nZeit vom 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1977 weder als nachgewiesene noch als\n(nur) glaubhaft gemachte Beitragszeit nach dem FRG berucksichtigt. Angerechnet\nwurden in diesem Zeitraum ausschließlich Kindererziehungszeiten und\nBerucksichtigungszeiten fur die Kinder K., J., F. und M.-B. gem. § 28b FRG\nentsprechend dem im Sechsten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) vorgesehenen\nUmfang. \n--- \n| 4 \n--- \n| Im Dezember 2002 wandte sich die Klagerin an die Beklagte und machte im\nRahmen eines Überprufungsantrags nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB\nX) geltend, ihre Rente sei neu zu berechnen, da als Mitglied der LPG die Zeit\nder Zugehorigkeit zur LPG in vollem Umfang als Beschaftigungszeit nach dem FRG\nanzuerkennen sei. Von 1966 bis 1977 seien die vollen Tabellenwerte mit 6/6\nanzuerkennen, da ab diesem Zeitpunkt Versicherungspflicht in der allgemeinen\nRentenversicherung bestanden habe, schon aufgrund der Mitgliedschaft zur\nC.A.P. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Bescheid vom 10. Marz 2003 stellte die Beklagte die Rente der Klagerin\nab 1. September 1996 unter teilweiser Rucknahme des Bescheids vom 18. Juli\n1996 neu fest, da sich die rentenrechtlichen Zeiten geandert hatten. Zur\nBegrundung wurde u.a. ausgefuhrt, dass bei der Berechnung der Rente die Zeiten\nals Mitglied der LPG gemaß den Entscheidungen des Bundessozialgerichts\ndurchgehend zu 5/6 zu berucksichtigen seien, wenn dies fur sie gunstiger\ngewesen sei. Dies sei der Fall fur Zeiten, in denen laut dem Arbeitsbuch\nweniger als 300 Arbeitstage pro Jahr bescheinigt seien. Die Zeiten, in denen\nmehr als 300 Arbeitstage bescheinigt seien, seien jetzt mit 6/6 bewertet\nworden. \n--- \n| 6 \n--- \n| Dagegen erhob die Klagerin mit der Begrundung Widerspruch, auch die Jahre,\nin denen sie nicht gearbeitet habe (1966-1971, 1974-1981 und 1989), seien als\nFRG-Zeiten zu 6/6 anzuerkennen, da in diesen Zeiten Beitrage bezahlt worden\nseien. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Bescheid vom 16. Juni 2003 stellte die Beklagte die Rente der Klagerin\nnochmals neu fest und legte die Zeit vom 16. Februar bis 31. Dezember 1972 zu\n6/6 ihrer Rentenberechnung zugrunde. Fur das Jahr 1973 verbleibe es\nentsprechend der BSG-Rechtsprechung bei einer 5/6 Berechnung, da weniger als\n300 Arbeitstage pro Jahr im Arbeitsbuch bescheinigt seien. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Klagerin hielt an ihrem Widerspruch fest. Sie fuhrte erganzend aus, bis\n1965 seien Mitglieder der LPG in R. als Selbstandige behandelt worden, vom 1.\nJanuar 1966 bis 31. Dezember 1977 sei dann aber fur jedes Jahr ein Beitrag zu\nentrichten gewesen, auch wenn tatsachlich nicht gearbeitet worden sei. Daher\nmussten diese Zeiten bei der Rentenberechnung mit 6/6 berucksichtigt werden. \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 13. November 2003 wies der\nWiderspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zuruck. Zur Begrundung\nwurde ausgefuhrt, dass uber die bereits anerkannten Zeitraume hinaus die\nZeiten von 1966 bis 1971 und von 1974 bis 1977 bzw. 1981 nicht anerkannt\nwerden konnten, da sie im Sozial- und Rentenbuch nicht bestatigt seien. Weder\nseien vorgegebene Arbeitsvolumen noch dementsprechend geleistete Arbeitstage\nbescheinigt worden. Eine ununterbrochene Beitragszahlung sei daher nicht\nnachgewiesen. Das Urteil des BSG vom 30. Oktober 1997 (13 RJ 19/97) sei bei\nKolchosemitarbeitern dann von einer durchgehenden Beitragszeit ausgegangen,\nwenn nur kurzfristige oder nur vorubergehende Unterbrechungen vorgelegen\nhatten. Bei der Klagerin sei die tatsachliche Tatigkeit aber durch Jahre\nfehlender Arbeitsleistung unterbrochen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Dagegen erhob die Klagerin am 1. Dezember 2003 Klage zum Sozialgericht\nHeilbronn (SG), mit der sie geltend machte, die Zeit vom 1. Januar 1966 bis\n31. Dezember 1977 musse als volle Zeit mit 6/6 ihrer Rentenberechnung zugrunde\ngelegt werden. \n--- \n| 11 \n--- \n| Mit Urteil vom 30. Mai 2005 wies das SG die Klage ab. Zur Begrundung wurde\nausgefuhrt, neben der Zahlung von Beitragen, wovon hinsichtlich der Jahre 1966\nbis 1977 ausgegangen werde, sei fur die Anerkennung der fraglichen Zeit zu 6/6\nerforderlich, dass ein ganzjahriges Beschaftigungsverhaltnis vorgelegen habe.\nAusweislich des vorgelegten Arbeitsbuchs habe die Klagerin in den fraglichen\nZeiten aber uberhaupt nicht gearbeitet, so dass eine Anerkennung als\nBeitragszeit ausscheide. Eine Übertragung der Rechtsprechung des BSG zu sog.\nKolchosemitgliedern konne nicht erfolgen, da im Gegensatz zu\nKolchosemitgliedern in der Zeit der Nicht-Beschaftigung nicht von einem\nFortbestehen der fur ein Beschaftigungsverhaltnis typischen\nWeisungsgebundenheit ausgegangen werden konne und im ubrigen kein Anhaltspunkt\ndafur bestehe, dass auch ohne Arbeitsleistung Entgelt bezahlt worden sei.\nSolch eine Regelung sei erst ab dem Jahr 1983 in R. eingefuhrt worden. Der\nEntscheidung des Bayerischen LSG vom 21. Juli 1999 (L 20 RJ 620/93), das\nBeitragszeiten nach § 15 FRG aufgrund der bloßen LPG-Mitgliedschaft anerkannt\nhabe, schließe sich das Gericht nicht an. \n--- \n| 12 \n--- \n| Gegen das am 1. Juli 2005 zugestellte Urteil hat die Klagerin am 25. Juli\n2005 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft zur Begrundung ihr\nbisheriges Vorbringen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, teilweise sinngemaß, \n--- \n| 14 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. Mai 2005 aufzuheben, die\nBescheide vom 10. Marz 2003 und 16. Juni 2003, beide in Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 13. November 2003 abzuandern und die Beklagte zu\nverurteilen, den Bescheid vom 18. Juli 1996 teilweise zuruckzunehmen und ihr\nhohere Altersrente zu gewahren unter Berucksichtigung der Zeit vom 1. Januar\n1966 bis 31. Dezember 1977 als nachgewiesener Beitragszeit. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 16 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen, \n--- \n| 17 \n--- \n| hilfsweise, \n--- \n| 18 \n--- \n| die Revision zuzulassen. \n--- \n| 19 \n--- \n| Sie stutzt sich zur Begrundung auf den Inhalt der angefochtenen\nEntscheidungen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Das Gericht hat den Beteiligten die Entscheidung des Bundessozialgerichts\nvom 8. September 2005 (B 13 RJ 44/04 R) ubersandt. Die Beklagte hat dazu\nausgefuhrt, die Beitrags- und Rentendezernenten der Sudwestdeutschen\nRegionaltrager, der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland und der\nDeutschen Rentenversicherung Bund seien ubereingekommen, dem Urteil nicht zu\nfolgen, da es nicht zu uberzeugen vermoge. Es sei nicht nachvollziehbar, warum\nim Rahmen des § 15 FRG nur auf die Beitragsleistung, nicht aber auf das\nVorliegen eines Arbeitsverhaltnisses im sozialversicherungsrechtlichen Sinn\nabgestellt werde. Diese Auffassung stehe im Widerspruch zu § 15 Abs. 1 Satz 2\nFRG, der eine abhangige Beschaftigung als Voraussetzung fur die Anerkennung\neiner Zeit als Beitragszeit im Sinne des § 15 FRG normiere. Da die\nTabellenentgelte in Anlage 14 zum SGB VI bzw. FRG auf die geleisteten\nVollarbeitstage abstellten bzw. einzelne Tage, an denen nicht oder nicht in\nVollzeit gearbeitet worden seien, abweichend zu bewerten seien, sei nach wie\nvor erheblich, in welchem Umfang die fraglichen Zeiten anerkannt wurden. \n--- \n| 21 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten\nbeider Instanzen verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 22 \n--- \n| Die gemaß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151\nSGG zulassige Berufung der Klagerin ist begrundet. Die Zeit vom 1. Januar 1966\nbis 31. Dezember 1977 ist als nachgewiesene Beitragszeit zu 6/6 der\nRentenberechnung der Klagerin zugrunde zu legen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Verfahrensrechtlich beurteilt sich der geltend gemachte Anspruch der\nKlagerin nach § 44 SGB X. Danach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass\nbei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem\nSachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit\ndeshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beitrage zu Unrecht\nerhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden\nist, mit Wirkung fur die Vergangenheit zuruckzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB\nX). Diese Voraussetzungen sind hier erfullt. Die Beklagte hat im Bescheid vom\n18. Juli 1996 zu Unrecht die Zeit vom 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1977\nnicht als Beitragszeit nach § 15 FRG berucksichtigt und deshalb die Rente in\nzu niedriger Hohe gezahlt. \n--- \n| 24 \n--- \n| Als anerkannte Vertriebene im Sinne des § 1 des Bundesvertriebenengesetzes\n(BVFG) gehort die Klagerin gem. § 1 Buchst. a FRG zum berechtigten\nPersonenkreis nach dem FRG. Nach § 15 Abs. 1 FRG stehen Beitragszeiten, die\nbei einem nichtdeutschen Trager der gesetzlichen Rentenversicherung\nzuruckgelegt sind, den nach Bundesrecht zuruckgelegten Beitragszeiten gleich.\nSind Beitrage auf Grund einer abhangigen Beschaftigung oder einer\nselbstandigen Tatigkeit entrichtet, so steht die ihnen zu Grunde liegende\nBeschaftigung oder Tatigkeit einer rentenversicherungspflichtigen\nBeschaftigung oder Tatigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich ( § 15\nAbs. 1 Satz 1 und 2 FRG). Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift ist als\ngesetzliche Rentenversicherung im Sinne des Abs. 1 jedes System der sozialen\nSicherheit anzusehen, in das in abhangiger Beschaftigung stehende Personen\ndurch offentlich-rechtlichen Zwang einbezogen sind, um sie und ihre\nHinterbliebenen fur den Fall der Minderung der Erwerbsfahigkeit, des Alters\nund des Todes fur einen oder mehrere dieser Falle durch die Gewahrung\nregelmaßig wiederkehrender Geldleistungen (Renten) zu sichern. In R. ist fur\ndie Mitglieder der LPG - nach dem Muster der staatlichen Sozialversicherung -\ndurch Dekret Nr. 535/1966 eine gesetzliche Sozialversicherung als\nPflichtversicherung eingefuhrt worden (Dekret Nr. 535 vom 24. Juni 1966 uber\ndas Recht auf Rente und andere Sozialrechte der Mitglieder der\nLandwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften). Bei diesem mit Wirkung vom\n1. Januar 1967 eingefuhrten Sicherungssystem handelt es sich um ein System der\ngesetzlichen Rentenversicherung ( BSG, Urteil vom 27. Februar 1986 - 1 RA\n57/84). Obwohl gesetzliche Rentenanspruche fur LPG-Mitglieder erst ab 1.\nJanuar 1967 bestanden, wurde die Beitragspflicht zum Rentenversicherungssystem\nfur LPG-Mitglieder bereits ab 1. Januar 1966 eingefuhrt. Insoweit konnen\nBeitragszeiten fur LPG-Mitglieder fruhestens ab 1. Januar 1966 vorliegen. Die\nArbeitnehmer der LPG gehorten hingegen schon auf Grund der Bestimmungen des\nArbeitsgesetzbuches aus dem Jahr 1950 der Sozialversicherung als\nPflichtmitglieder an (vgl. LSG Baden-Wurttemberg, Urteil vom 8. September 2004\n- L 2 RJ 1664/02 unter Hinweis auf Artikel 104 ArbGB von 1950, VDR-Kommentar §\n15 FRG Anm. 7.31 ). Eine Beschaftigung von Arbeitnehmern gegen Lohnzahlung war\nallerdings bei den LPG die Ausnahme und kam in der Regel nur bei anderen als\nlandwirtschaftlichen Arbeiten (z. B. technische Arbeiten oder Buroarbeiten) in\nBetracht (vgl. Rechtsgutachten des Instituts fur Ostrecht Munchen e.V. vom 15.\nDezember 1999, S. 106, 107). \n--- \n| 25 \n--- \n| Der Senat geht mit der Beklagten und dem SG davon aus, dass die Klagerin im\nstreitigen Zeitraum von 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1977 Mitglied der LPG\nSantana war. Aufgrund dieser auch von der Beklagten nicht bestrittenen\nZugehorigkeit zur LPG im fraglichen Zeitraum sind entsprechend dem Dekret Nr.\n535 fur die Klagerin Beitrage zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 1.\nJanuar 1966 bis 31. Dezember 1977 entrichtet worden, die auch als Beitrage im\nSinne des FRG anzusehen sind. Davon ist auch unter Berucksichtigung der\nTatsache auszugehen, dass die Sozialversicherungsbeitrage der LPG nicht fur\neinzelne Mitglieder nach den von ihnen erzielten Entgelten, sondern nach\nMaßgabe der von der LPG erzielten Jahresproduktion abgefuhrt worden sind (vgl.\nLSG Baden-Wurttemberg a.a.O. unter Verweis auf das Gutachten des Instituts fur\nOstrecht Munchen e.V. vom 15. Dezember 1999). Diese Beitragsleistungen und\nderen Hohe haben keinen Einfluss auf die Rentenanspruche der LPG-Mitglieder\ngehabt. Vielmehr war die Hohe der Anspruche abhangig von den jeweils\nzuruckgelegten Beschaftigungszeiten und der Erfullung der festgelegten\nTagwerke bzw. Arbeitsnormen. \n--- \n| 26 \n--- \n| Da somit bereits von einer Einbeziehung in das System der gesetzlichen\nRentenversicherung in R. schon allein aufgrund der Mitgliedschaft in einer LPG\nauszugehen ist, eventuelle Unterbrechungen der tatsachlichen Beschaftigung\nschon aufgrund der Finanzierungsstruktur der Versicherung weder Einfluss auf\ndie Einbeziehung noch auf die individuelle Beitragsentrichtung, sondern auf\ndie Hohe der spateren Rentenanspruche besessen haben, ist allein aufgrund der\nZugehorigkeit der Klagerin zur LPG von einer ununterbrochenen Beitragszahlung\nfur den gesamten Zeitraum auszugehen. \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Rechtsauffassung der Beklagten, wonach dennoch nicht von einer\nBeitragszeit im Sinne des § 15 FRG auszugehen sei, weil die Klagerin im\nstreitigen Zeitraum keine Beschaftigung verrichtet hat, tritt der Senat schon\ndeshalb nicht bei. \n--- \n| 28 \n--- \n| Soweit die Beklagte damit argumentiert, § 15 Abs. 1 Satz 2 FRG normiere\nuber § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG hinausgehende Voraussetzungen zur Anerkennung\neiner Beitragszeit, konnte dies den Senat nicht uberzeugen. \n--- \n| 29 \n--- \n| § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG bestimmt, dass Beitragszeiten, die bei einem\nnichtdeutschen Trager der gesetzlichen Rentenversicherung zuruckgelegt worden\nsind, nach Bundesrecht zuruckgelegten Beitragszeiten entsprechen, setzt also\nBeitragszeiten außerhalb des Bundesgebiets solchen unter Geltung des SGB VI\noder der Reichsversicherungsordnung gleich. Satz 2 trifft eine daruber hinaus\ngehende Regelung, in welcher aufgrund einer Beitragszahlung aus einem\nabhangigen Beschaftigungsverhaltnis dieses Beschaftigungsverhaltnis mit einem\nBeschaftigungsverhaltnis unter Geltung des Bundesrechts gleichgestellt wird.\nDie Gleichstellung erfasst in Satz 1 also Beitragszeiten, in Satz 2 das\nVorliegen eines abhangigen Beschaftigungsverhaltnisses (vgl. auch VDR-\nKommentar § 15 FRG Anm. 10). Ein Schluss dahingehend, dass zur Annahme einer\nBeitragszeit zugleich auch ein abhangiges Beschaftigungsverhaltnis vorzuliegen\nhabe, ist daher nicht zulassig. Auch das BSG hat in seiner Entscheidung BSGE\n6, 263 schon ausgefuhrt, dass fur die Annahme einer Beitragszeit insoweit\nausreichend ist, dass sie durch ein irgendwie geartetes Beitragssystem\nfinanziert wird. Auf die Frage, ob der Beitragszahlung eine abhangige\nBeschaftigung zugrunde lag oder - wie im vorliegenden Fall - eine bloße\nMitgliedschaft in einer der Beitragspflicht unterworfenen Institution, kommt\nes daher nicht an. \n--- \n| 30 \n--- \n| Soweit weiter vorgetragen wird, die Tabellenentgelte fur die Bewertung der\nLPG-Zeiten nach Anlage 14 zum SGB VI bzw. FRG stellten auf tatsachlich\ngeleistete Vollarbeitstage bzw. bei Teilzeitarbeit auf anteilige Tage ab, so\ndass erforderlich sei, fur jeden Tag der Zugehorigkeit zu einer LPG auch\nTabellenentgelte nach Maßgabe tatsachlicher Arbeitsleistung festzustellen,\nvermochte auch dies den Senat nicht zu uberzeugen. \n--- \n| 31 \n--- \n| Gemaß § 22 Abs. 1 Satz 1 und 2 FRG werden u.a. fur Zeiten der in § 15\ngenannten Art Entgeltpunkte in Anwendung von § 256 b Absatz 1 Satz 1 erster\nHalbsatz, Satz 2 und 9 SGB VI (Ermittlung von Entgeltpunkten fur glaubhaft\ngemachte Beitragszeiten) ermittelt. Hierzu werden fur Zeiten nach dem 31.\nDezember 1949 die in Anlage 14 des SGB VI genannten oder nach § 256 b Abs. 1\nSatz 2 SGB VI festgestellten Durchschnittsjahresverdienste um ein Funftel\nerhoht. Werden Beitrags- und Beschaftigungszeiten nur fur einen Teil eines\nKalenderjahres angerechnet, werden bei Anwendung des § 22 Abs. 1 FRG die\nEntgeltpunkte nur anteilmaßig berucksichtigt (§ 26 Abs. 1 Satz 1 FRG). \n--- \n| 32 \n--- \n| Nach Maßgabe dieser Vorschriften wird fur die Ermittlung von Entgeltpunkten\nohnehin nur auf standardisierte Durchschnittsentgelte abgestellt, die nach\nJahren, Wirtschaftsbereichen und Qualifikationsgruppen gegliedert sind, nicht\naber auf das vom Versicherten tatsachlich erzielte Entgelt abstellen. Soweit\ndie Beklagte die Regelung in § 26 FRG aufgreift, ist diese Regelung nach den\ngenannten Grundsatzen schon deshalb auf die Mitglieder einer rumanischen LPG\nnicht anwendbar, weil ja - anders als § 26 FRG voraussetzt - fur solche\nMitglieder Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften gerade von\nBeitragszeiten fur ein ganzes Kalenderjahr auszugehen ist und nicht nur von\nsolchen fur Teile des Kalenderjahres. \n--- \n| 33 \n--- \n| Was die Unterbrechung der tatsachlichen Arbeitsleistung der Klagerin durch\nZeiten des Mutterschutzes und der Kindererziehung anbelangt, verweist der\nSenat auf die den Beteiligten zur Kenntnis gebrachten Auszuge aus dem\nGutachten des Instituts fur Ostrecht e.V. Munchen aus dem Jahr 1999, S. 116 f.\nDanach nahm u.a. die hier maßgebliche Satzung aus dem Jahr 1966 Bezug auf das\nDekret Nr. 535. Diesbezuglich sind zwar Regelungen zur Frage bekannt, ob und\nwie lange Mutterschaftsurlaub gewahrt worden ist und ob in dieser Zeit auch\neine finanzielle Unterstutzung an die Mutter geleistet worden ist. Regelungen\ndaruber, inwieweit die Sozialversicherungsbeitrage (nach der Systematik der\nBeitragsentrichtung - ausnahmsweise) in dieser Zeit an die tatsachliche\nErbringung von Arbeitsleistungen geknupft waren oder ob daruber hinaus auch\nuber den bezahlten Mutterschaftsurlaub hinausgehende unbezahlte Freistellungen\nvon der Arbeit moglich waren, sind aus dem Schrifttum nicht bekannt (vgl. S.\n118 des Gutachtens). \n--- \n| 34 \n--- \n| Angesichts der Tatsache, dass sich im Arbeitsbuch der Klagerin auch in der\nZeit, in der sie wegen Kindererziehung tatsachlich keine Arbeitsleistung fur\ndie LPG erbrachte, Bestatigungen uber ihre Zugehorigkeit zur LPG finden und\nkeine Hinweise darauf bestehen, dass diese Zeiten fur die Sozialversicherung,\ndie sich ohnehin nur nach dem Umfang der Jahresproduktion richtete, von\nBedeutung gewesen waren, spielt auch die Dauer der Unterbrechung der\ntatsachlichen Arbeitsleistung fur die Beurteilung des Vorliegens einer\nBeitragszeit keine Rolle. \n--- \n| 35 \n--- \n| Der Senat sieht auch aus ubergeordneten Gesichtspunkten, insbesondere aus\nGrunden der Systemgerechtigkeit bzw. Systemwidrigkeit keinen Anlass, anders zu\nentscheiden. \n--- \n| 36 \n--- \n| Der Große Senat des BSG hat in seiner Entscheidung vom 4. Juni 1986 - GS\n1/85 (BSGE 60, 100 ff.) ausgefuhrt, dass der Entschadigung von im\nHerkunftsland erworbenen Rentenanspruchen und Rentenanwartschaften nach § 15\nFRG eine rechtliche Grenze dort gesetzt ist, wo deren Anrechnung mit der\nStruktur des innerstaatlichen Rentenrechts schlechthin und offenkundig\nunvereinbar ware. Eine schrankenlose Entschadigung jeder im fremden\nHerkunftsgebiet entstandenen Rentenberechtigung oder Rentenanwartschaft wurde\nz.B. denjenigen Versicherten aus solchen fremden Rentenrechtssystemen im\nVergleich zu den auf dem Gebiet der Bundesrepublik tatig gewesenen\nVersicherten bevorzugen, die anders als die Bundesrepublik Zeiten\nunterschiedlicher rechtlicher Qualifikation nicht kennen. § 15 FRG musste in\ndiesen Fallen konsequenterweise zu einer unterschiedslosen Anerkennung aller\nZeiten und damit, gemessen am Rentenrecht der Bundesrepublik, zu einer\nsystemfremden, nicht hinnehmbaren Begunstigung fuhren. Zugleich bedeutet dies\naber auch, dass das die Anwendungsbreite des § 15 FRG eingrenzende\nfremdrentenrechtliche Prinzip der Eingliederung einer Entschadigung von im\nHerkunftsland erworbenen Rentenrechten und Rentenanwartschaften sicher dort\nkeine Schranke setzt, wo derselbe oder doch ein vergleichbarer Tatbestand\nsowohl nach dem Recht der Bundesrepublik wie nach dem fremden Recht als\nBeitragszeit ausgestaltet ist. \n--- \n| 37 \n--- \n| Eine solche, dem Entschadigungs- bzw. Eingliederungsgedanken\nwidersprechende Sachlage kann der Senat hier nicht erkennen. Im Gegensatz zu\ndem der Entscheidung des Großen Senats zugrunde liegenden Sachverhalt wurden\nfur die Klagerin als Mitglied der LPG - sogar - Beitrage entrichtet, was auch\ndurch die Beklagte nicht in Frage gestellt wird. Zugleich hat die Klagerin\nKinder geboren und erzogen. Nach den Vorschriften des SGB VI liegen damit\ngleichzeitig Beitragszeiten im Sinne der §§ 54 I Nr. 1a, 55 SGB VI als auch\nKindererziehungszeiten im Sinne des § 56 i.V.m. § 249 SGB VI bzw.\nBerucksichtigungszeiten nach § 57 SGB VI vor, die sich nicht wechselseitig\nausschließen, sondern gem. § 70 Abs. 2 SGB VII bei der Rentenberechnung zu\nberucksichtigen sind. \n--- \n| 38 \n--- \n| Es ist also dem deutschen Rentenversicherungssystem nicht wesensfremd,\nBeitragszeiten und Berucksichtigungszeiten wegen Kindererziehung zeitgleich\nvorzumerken und bei der Berechnung der Rente jeweils zu berucksichtigen. \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Entscheidung des BSG vom 8. August 1990 - 1 RA 81/88 (SGb 1991 S. 29\nff.) verlangt keine andere Beurteilung, da zum einen eine Zeit betroffen war,\nfur die keine Beitrage geleistet worden sind. Zum anderen ist nach der\nheutigen Rechtslage nicht (mehr) von einer verdrangenden Wirkung des § 28b FRG\nauszugehen. \n--- \n| 40 \n--- \n| Dem Senat liegen daruber hinaus keine Anhaltspunkte dafur vor, dass die\nKlagerin z.B. nur wegen der Einbringung von Grundstucken in die LPG\nbeitragspflichtiges Mitglied gewesen war, was sicherlich noch einer naheren\nUntersuchung der Systemgerechtigkeit bedurft hatte. \n--- \n| 41 \n--- \n| Da nach alldem die Zeit vom 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1977 als\nnachgewiesene Beitragszeit anzuerkennen ist, war das angefochtene Urteil\naufzuheben und wie geschehen zu entscheiden. \n--- \n| 42 \n--- \n| Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung. \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Buchst. a SGG wegen grundsatzlicher\nBedeutung zuzulassen. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 22 \n--- \n| Die gemaß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151\nSGG zulassige Berufung der Klagerin ist begrundet. Die Zeit vom 1. Januar 1966\nbis 31. Dezember 1977 ist als nachgewiesene Beitragszeit zu 6/6 der\nRentenberechnung der Klagerin zugrunde zu legen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Verfahrensrechtlich beurteilt sich der geltend gemachte Anspruch der\nKlagerin nach § 44 SGB X. Danach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass\nbei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem\nSachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit\ndeshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beitrage zu Unrecht\nerhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden\nist, mit Wirkung fur die Vergangenheit zuruckzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB\nX). Diese Voraussetzungen sind hier erfullt. Die Beklagte hat im Bescheid vom\n18. Juli 1996 zu Unrecht die Zeit vom 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1977\nnicht als Beitragszeit nach § 15 FRG berucksichtigt und deshalb die Rente in\nzu niedriger Hohe gezahlt. \n--- \n| 24 \n--- \n| Als anerkannte Vertriebene im Sinne des § 1 des Bundesvertriebenengesetzes\n(BVFG) gehort die Klagerin gem. § 1 Buchst. a FRG zum berechtigten\nPersonenkreis nach dem FRG. Nach § 15 Abs. 1 FRG stehen Beitragszeiten, die\nbei einem nichtdeutschen Trager der gesetzlichen Rentenversicherung\nzuruckgelegt sind, den nach Bundesrecht zuruckgelegten Beitragszeiten gleich.\nSind Beitrage auf Grund einer abhangigen Beschaftigung oder einer\nselbstandigen Tatigkeit entrichtet, so steht die ihnen zu Grunde liegende\nBeschaftigung oder Tatigkeit einer rentenversicherungspflichtigen\nBeschaftigung oder Tatigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich ( § 15\nAbs. 1 Satz 1 und 2 FRG). Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift ist als\ngesetzliche Rentenversicherung im Sinne des Abs. 1 jedes System der sozialen\nSicherheit anzusehen, in das in abhangiger Beschaftigung stehende Personen\ndurch offentlich-rechtlichen Zwang einbezogen sind, um sie und ihre\nHinterbliebenen fur den Fall der Minderung der Erwerbsfahigkeit, des Alters\nund des Todes fur einen oder mehrere dieser Falle durch die Gewahrung\nregelmaßig wiederkehrender Geldleistungen (Renten) zu sichern. In R. ist fur\ndie Mitglieder der LPG - nach dem Muster der staatlichen Sozialversicherung -\ndurch Dekret Nr. 535/1966 eine gesetzliche Sozialversicherung als\nPflichtversicherung eingefuhrt worden (Dekret Nr. 535 vom 24. Juni 1966 uber\ndas Recht auf Rente und andere Sozialrechte der Mitglieder der\nLandwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften). Bei diesem mit Wirkung vom\n1. Januar 1967 eingefuhrten Sicherungssystem handelt es sich um ein System der\ngesetzlichen Rentenversicherung ( BSG, Urteil vom 27. Februar 1986 - 1 RA\n57/84). Obwohl gesetzliche Rentenanspruche fur LPG-Mitglieder erst ab 1.\nJanuar 1967 bestanden, wurde die Beitragspflicht zum Rentenversicherungssystem\nfur LPG-Mitglieder bereits ab 1. Januar 1966 eingefuhrt. Insoweit konnen\nBeitragszeiten fur LPG-Mitglieder fruhestens ab 1. Januar 1966 vorliegen. Die\nArbeitnehmer der LPG gehorten hingegen schon auf Grund der Bestimmungen des\nArbeitsgesetzbuches aus dem Jahr 1950 der Sozialversicherung als\nPflichtmitglieder an (vgl. LSG Baden-Wurttemberg, Urteil vom 8. September 2004\n- L 2 RJ 1664/02 unter Hinweis auf Artikel 104 ArbGB von 1950, VDR-Kommentar §\n15 FRG Anm. 7.31 ). Eine Beschaftigung von Arbeitnehmern gegen Lohnzahlung war\nallerdings bei den LPG die Ausnahme und kam in der Regel nur bei anderen als\nlandwirtschaftlichen Arbeiten (z. B. technische Arbeiten oder Buroarbeiten) in\nBetracht (vgl. Rechtsgutachten des Instituts fur Ostrecht Munchen e.V. vom 15.\nDezember 1999, S. 106, 107). \n--- \n| 25 \n--- \n| Der Senat geht mit der Beklagten und dem SG davon aus, dass die Klagerin im\nstreitigen Zeitraum von 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1977 Mitglied der LPG\nSantana war. Aufgrund dieser auch von der Beklagten nicht bestrittenen\nZugehorigkeit zur LPG im fraglichen Zeitraum sind entsprechend dem Dekret Nr.\n535 fur die Klagerin Beitrage zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 1.\nJanuar 1966 bis 31. Dezember 1977 entrichtet worden, die auch als Beitrage im\nSinne des FRG anzusehen sind. Davon ist auch unter Berucksichtigung der\nTatsache auszugehen, dass die Sozialversicherungsbeitrage der LPG nicht fur\neinzelne Mitglieder nach den von ihnen erzielten Entgelten, sondern nach\nMaßgabe der von der LPG erzielten Jahresproduktion abgefuhrt worden sind (vgl.\nLSG Baden-Wurttemberg a.a.O. unter Verweis auf das Gutachten des Instituts fur\nOstrecht Munchen e.V. vom 15. Dezember 1999). Diese Beitragsleistungen und\nderen Hohe haben keinen Einfluss auf die Rentenanspruche der LPG-Mitglieder\ngehabt. Vielmehr war die Hohe der Anspruche abhangig von den jeweils\nzuruckgelegten Beschaftigungszeiten und der Erfullung der festgelegten\nTagwerke bzw. Arbeitsnormen. \n--- \n| 26 \n--- \n| Da somit bereits von einer Einbeziehung in das System der gesetzlichen\nRentenversicherung in R. schon allein aufgrund der Mitgliedschaft in einer LPG\nauszugehen ist, eventuelle Unterbrechungen der tatsachlichen Beschaftigung\nschon aufgrund der Finanzierungsstruktur der Versicherung weder Einfluss auf\ndie Einbeziehung noch auf die individuelle Beitragsentrichtung, sondern auf\ndie Hohe der spateren Rentenanspruche besessen haben, ist allein aufgrund der\nZugehorigkeit der Klagerin zur LPG von einer ununterbrochenen Beitragszahlung\nfur den gesamten Zeitraum auszugehen. \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Rechtsauffassung der Beklagten, wonach dennoch nicht von einer\nBeitragszeit im Sinne des § 15 FRG auszugehen sei, weil die Klagerin im\nstreitigen Zeitraum keine Beschaftigung verrichtet hat, tritt der Senat schon\ndeshalb nicht bei. \n--- \n| 28 \n--- \n| Soweit die Beklagte damit argumentiert, § 15 Abs. 1 Satz 2 FRG normiere\nuber § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG hinausgehende Voraussetzungen zur Anerkennung\neiner Beitragszeit, konnte dies den Senat nicht uberzeugen. \n--- \n| 29 \n--- \n| § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG bestimmt, dass Beitragszeiten, die bei einem\nnichtdeutschen Trager der gesetzlichen Rentenversicherung zuruckgelegt worden\nsind, nach Bundesrecht zuruckgelegten Beitragszeiten entsprechen, setzt also\nBeitragszeiten außerhalb des Bundesgebiets solchen unter Geltung des SGB VI\noder der Reichsversicherungsordnung gleich. Satz 2 trifft eine daruber hinaus\ngehende Regelung, in welcher aufgrund einer Beitragszahlung aus einem\nabhangigen Beschaftigungsverhaltnis dieses Beschaftigungsverhaltnis mit einem\nBeschaftigungsverhaltnis unter Geltung des Bundesrechts gleichgestellt wird.\nDie Gleichstellung erfasst in Satz 1 also Beitragszeiten, in Satz 2 das\nVorliegen eines abhangigen Beschaftigungsverhaltnisses (vgl. auch VDR-\nKommentar § 15 FRG Anm. 10). Ein Schluss dahingehend, dass zur Annahme einer\nBeitragszeit zugleich auch ein abhangiges Beschaftigungsverhaltnis vorzuliegen\nhabe, ist daher nicht zulassig. Auch das BSG hat in seiner Entscheidung BSGE\n6, 263 schon ausgefuhrt, dass fur die Annahme einer Beitragszeit insoweit\nausreichend ist, dass sie durch ein irgendwie geartetes Beitragssystem\nfinanziert wird. Auf die Frage, ob der Beitragszahlung eine abhangige\nBeschaftigung zugrunde lag oder - wie im vorliegenden Fall - eine bloße\nMitgliedschaft in einer der Beitragspflicht unterworfenen Institution, kommt\nes daher nicht an. \n--- \n| 30 \n--- \n| Soweit weiter vorgetragen wird, die Tabellenentgelte fur die Bewertung der\nLPG-Zeiten nach Anlage 14 zum SGB VI bzw. FRG stellten auf tatsachlich\ngeleistete Vollarbeitstage bzw. bei Teilzeitarbeit auf anteilige Tage ab, so\ndass erforderlich sei, fur jeden Tag der Zugehorigkeit zu einer LPG auch\nTabellenentgelte nach Maßgabe tatsachlicher Arbeitsleistung festzustellen,\nvermochte auch dies den Senat nicht zu uberzeugen. \n--- \n| 31 \n--- \n| Gemaß § 22 Abs. 1 Satz 1 und 2 FRG werden u.a. fur Zeiten der in § 15\ngenannten Art Entgeltpunkte in Anwendung von § 256 b Absatz 1 Satz 1 erster\nHalbsatz, Satz 2 und 9 SGB VI (Ermittlung von Entgeltpunkten fur glaubhaft\ngemachte Beitragszeiten) ermittelt. Hierzu werden fur Zeiten nach dem 31.\nDezember 1949 die in Anlage 14 des SGB VI genannten oder nach § 256 b Abs. 1\nSatz 2 SGB VI festgestellten Durchschnittsjahresverdienste um ein Funftel\nerhoht. Werden Beitrags- und Beschaftigungszeiten nur fur einen Teil eines\nKalenderjahres angerechnet, werden bei Anwendung des § 22 Abs. 1 FRG die\nEntgeltpunkte nur anteilmaßig berucksichtigt (§ 26 Abs. 1 Satz 1 FRG). \n--- \n| 32 \n--- \n| Nach Maßgabe dieser Vorschriften wird fur die Ermittlung von Entgeltpunkten\nohnehin nur auf standardisierte Durchschnittsentgelte abgestellt, die nach\nJahren, Wirtschaftsbereichen und Qualifikationsgruppen gegliedert sind, nicht\naber auf das vom Versicherten tatsachlich erzielte Entgelt abstellen. Soweit\ndie Beklagte die Regelung in § 26 FRG aufgreift, ist diese Regelung nach den\ngenannten Grundsatzen schon deshalb auf die Mitglieder einer rumanischen LPG\nnicht anwendbar, weil ja - anders als § 26 FRG voraussetzt - fur solche\nMitglieder Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften gerade von\nBeitragszeiten fur ein ganzes Kalenderjahr auszugehen ist und nicht nur von\nsolchen fur Teile des Kalenderjahres. \n--- \n| 33 \n--- \n| Was die Unterbrechung der tatsachlichen Arbeitsleistung der Klagerin durch\nZeiten des Mutterschutzes und der Kindererziehung anbelangt, verweist der\nSenat auf die den Beteiligten zur Kenntnis gebrachten Auszuge aus dem\nGutachten des Instituts fur Ostrecht e.V. Munchen aus dem Jahr 1999, S. 116 f.\nDanach nahm u.a. die hier maßgebliche Satzung aus dem Jahr 1966 Bezug auf das\nDekret Nr. 535. Diesbezuglich sind zwar Regelungen zur Frage bekannt, ob und\nwie lange Mutterschaftsurlaub gewahrt worden ist und ob in dieser Zeit auch\neine finanzielle Unterstutzung an die Mutter geleistet worden ist. Regelungen\ndaruber, inwieweit die Sozialversicherungsbeitrage (nach der Systematik der\nBeitragsentrichtung - ausnahmsweise) in dieser Zeit an die tatsachliche\nErbringung von Arbeitsleistungen geknupft waren oder ob daruber hinaus auch\nuber den bezahlten Mutterschaftsurlaub hinausgehende unbezahlte Freistellungen\nvon der Arbeit moglich waren, sind aus dem Schrifttum nicht bekannt (vgl. S.\n118 des Gutachtens). \n--- \n| 34 \n--- \n| Angesichts der Tatsache, dass sich im Arbeitsbuch der Klagerin auch in der\nZeit, in der sie wegen Kindererziehung tatsachlich keine Arbeitsleistung fur\ndie LPG erbrachte, Bestatigungen uber ihre Zugehorigkeit zur LPG finden und\nkeine Hinweise darauf bestehen, dass diese Zeiten fur die Sozialversicherung,\ndie sich ohnehin nur nach dem Umfang der Jahresproduktion richtete, von\nBedeutung gewesen waren, spielt auch die Dauer der Unterbrechung der\ntatsachlichen Arbeitsleistung fur die Beurteilung des Vorliegens einer\nBeitragszeit keine Rolle. \n--- \n| 35 \n--- \n| Der Senat sieht auch aus ubergeordneten Gesichtspunkten, insbesondere aus\nGrunden der Systemgerechtigkeit bzw. Systemwidrigkeit keinen Anlass, anders zu\nentscheiden. \n--- \n| 36 \n--- \n| Der Große Senat des BSG hat in seiner Entscheidung vom 4. Juni 1986 - GS\n1/85 (BSGE 60, 100 ff.) ausgefuhrt, dass der Entschadigung von im\nHerkunftsland erworbenen Rentenanspruchen und Rentenanwartschaften nach § 15\nFRG eine rechtliche Grenze dort gesetzt ist, wo deren Anrechnung mit der\nStruktur des innerstaatlichen Rentenrechts schlechthin und offenkundig\nunvereinbar ware. Eine schrankenlose Entschadigung jeder im fremden\nHerkunftsgebiet entstandenen Rentenberechtigung oder Rentenanwartschaft wurde\nz.B. denjenigen Versicherten aus solchen fremden Rentenrechtssystemen im\nVergleich zu den auf dem Gebiet der Bundesrepublik tatig gewesenen\nVersicherten bevorzugen, die anders als die Bundesrepublik Zeiten\nunterschiedlicher rechtlicher Qualifikation nicht kennen. § 15 FRG musste in\ndiesen Fallen konsequenterweise zu einer unterschiedslosen Anerkennung aller\nZeiten und damit, gemessen am Rentenrecht der Bundesrepublik, zu einer\nsystemfremden, nicht hinnehmbaren Begunstigung fuhren. Zugleich bedeutet dies\naber auch, dass das die Anwendungsbreite des § 15 FRG eingrenzende\nfremdrentenrechtliche Prinzip der Eingliederung einer Entschadigung von im\nHerkunftsland erworbenen Rentenrechten und Rentenanwartschaften sicher dort\nkeine Schranke setzt, wo derselbe oder doch ein vergleichbarer Tatbestand\nsowohl nach dem Recht der Bundesrepublik wie nach dem fremden Recht als\nBeitragszeit ausgestaltet ist. \n--- \n| 37 \n--- \n| Eine solche, dem Entschadigungs- bzw. Eingliederungsgedanken\nwidersprechende Sachlage kann der Senat hier nicht erkennen. Im Gegensatz zu\ndem der Entscheidung des Großen Senats zugrunde liegenden Sachverhalt wurden\nfur die Klagerin als Mitglied der LPG - sogar - Beitrage entrichtet, was auch\ndurch die Beklagte nicht in Frage gestellt wird. Zugleich hat die Klagerin\nKinder geboren und erzogen. Nach den Vorschriften des SGB VI liegen damit\ngleichzeitig Beitragszeiten im Sinne der §§ 54 I Nr. 1a, 55 SGB VI als auch\nKindererziehungszeiten im Sinne des § 56 i.V.m. § 249 SGB VI bzw.\nBerucksichtigungszeiten nach § 57 SGB VI vor, die sich nicht wechselseitig\nausschließen, sondern gem. § 70 Abs. 2 SGB VII bei der Rentenberechnung zu\nberucksichtigen sind. \n--- \n| 38 \n--- \n| Es ist also dem deutschen Rentenversicherungssystem nicht wesensfremd,\nBeitragszeiten und Berucksichtigungszeiten wegen Kindererziehung zeitgleich\nvorzumerken und bei der Berechnung der Rente jeweils zu berucksichtigen. \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Entscheidung des BSG vom 8. August 1990 - 1 RA 81/88 (SGb 1991 S. 29\nff.) verlangt keine andere Beurteilung, da zum einen eine Zeit betroffen war,\nfur die keine Beitrage geleistet worden sind. Zum anderen ist nach der\nheutigen Rechtslage nicht (mehr) von einer verdrangenden Wirkung des § 28b FRG\nauszugehen. \n--- \n| 40 \n--- \n| Dem Senat liegen daruber hinaus keine Anhaltspunkte dafur vor, dass die\nKlagerin z.B. nur wegen der Einbringung von Grundstucken in die LPG\nbeitragspflichtiges Mitglied gewesen war, was sicherlich noch einer naheren\nUntersuchung der Systemgerechtigkeit bedurft hatte. \n--- \n| 41 \n--- \n| Da nach alldem die Zeit vom 1. Januar 1966 bis 31. Dezember 1977 als\nnachgewiesene Beitragszeit anzuerkennen ist, war das angefochtene Urteil\naufzuheben und wie geschehen zu entscheiden. \n--- \n| 42 \n--- \n| Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung. \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Buchst. a SGG wegen grundsatzlicher\nBedeutung zuzulassen. \n---\n\n |
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139,544 | olgstut-2003-10-16-2-u-3903 | 147 | Oberlandesgericht Stuttgart | olgstut | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 2 U 39/03 | 2003-10-16 | 2019-01-07 14:39:51 | 2019-02-12 12:19:03 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Vorsitzenden der 3.\nKammer fur Handelssachen des Landgerichts Heilbronn vom 06.02.2003 abgeandert.\n\n2\\. a) Der Beklagte wird verurteilt, an den Klager 5.656,95 EUR nebst\nJahreszinsen hieraus in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem jeweiligen\nBasiszinssatz ab 06.09.2002 zu bezahlen.\n\nb) Im Übrigen wird unter gleichzeitiger Zuruckweisung der weitergehenden\nBerufung die Klage abgewiesen.\n\n3\\. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Beklagte\n3/25, der Klager 22/25.\n\n4\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDer Klager kann die Vollstreckung des Beklagten wegen der Kosten durch\nSicherheitsleistung in Hohe von 4.700,00 EUR abwenden, wenn nicht der Beklagte\nvor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Hohe leistet.\n\nDer Beklagte kann die Vollstreckung des Klagers durch Sicherheitsleistung in\nHohe von 6.800,00 EUR abwenden, wenn nicht der Klager vor der Vollstreckung\nSicherheit in gleicher Hohe leistet.\n\n5\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Berufung ist zulassig, der Sache nach uberwiegend von Erfolg. \n--- \n**A.** \n--- \n| 2 \n--- \n| Zum einen wird auf die Feststellungen der angefochtenen Entscheidung\nverwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). \n--- \n| 3 \n--- \n| Erganzend: \n--- \n| 4 \n--- \n| Zwischen dem Beklagten und der spateren Insolvenzschuldnerin, der Firma S.\nGmbH, einer Bautragerin [im Folgenden kurz: IS], bestand seit 1994 eine\nGeschaftsbeziehung dergestalt, dass der Beklagte ihr als Makler Kunden\nvermittelte, Finanzierungsfragen regelte und von der IS jeweils 6 % Provision\nerhielt, fallig, sobald der vermittelte Erwerber die vereinbarte Vergutung an\ndie IS zu entrichten hatte. 1999 erteilte der Beklagte der IS den Auftrag, fur\nihn einen Rohbau zu erstellen, der im Mai/Juni 1999 vollstandig errichtet war.\nDanach erwuchs der IS ein Werklohnanspruch von 176.000,00 DM (vgl. BI. 32).\nDer Beklagte hatte seinerseits aus Rechnungen vom 18.05.1999 bis 22.11.1999\n(„Provision 1" [K 3 = B 1]) Provisionsforderungen gegen die IS uber 94.788,36\nDM. Der Beklagte hafte der IS auch ein Ehepaar K. vermittelt, welches von der\nIS durch notariellen Kaufvertrag vom 29.12.1999 erworben hatte (K 4). Die\nZahlung des Kaufpreises war von Bedingungen abhangig und, da die IS erst noch\ndie Falligkeit der Raten mitzuteilen versprach (Kaufvertrag S. 4) und die\nerste Rate erst bis 4.2.2000 zu bezahlen war, zum Zeitpunkt des\nVertragsabschlusses noch nicht fallig. Im Kaufvertrag (K 4 S. 4 unten) wurde\nzugleich „ein Teilbetrag von DM 95.000,00 ... von der ersten Rate ..." an den\nBeklagten abgetreten. Diese Forderungsabtretung ist Gegenstand des\nvorliegenden Anfechtungsprozesses. Mit Rechnung vom 31.12.1999 und 02.03.2000\n(„Provision 1 und 2" = B 2 und B 3) forderte der Beklagte weitere Provisionen\nuber 92.064,64 DM ein. Die Eheleute K. hatten an den Beklagten am 18.02.2000\njene 95.000,00 DM bezahlt. Der Beklagte seinerseits uberwies an die IS am\n06.03.2000 45.000,00 DM und am 16.3.2000 38.935,96 DM. Damit waren die\nwechselseitigen Forderungen (einerseits Werklohnforderung der IS uber\n176.000,00 DM und andererseits zeitweilige Provisionsgegenforderungen des\nBeklagten uber 186.852,40 DM) erloschen. Am 17.07.2000 stellte der\nGeschaftsfuhrer der IS, der Zeuge G., den Insolvenzantrag. Am 01.09.2000 wurde\ndas Insolvenzverfahren eroffnet, der Klager zum Insolvenzverwalter bestellt.\nDieser sah in der Abtretung ein anfechtbares Geschaft. \n--- \n| 5 \n--- \n| Dem folgte das **Landgericht** im Hauptbetrag, indem es den Beklagten zur\nZahlung von (95.000,00 DM =) 48.572,73 EUR nebst - gegenuber dem Antrag\nermaßigten - Zinsen verurteilte. \n--- \n| 6 \n--- \n| Dagegen wendet sich die **Berufung des Beklagten,** \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| der in der Abtretung und Befriedigung aus ihr einem Bargeschaft ahnlich\nkeine glaubigerbenachteiligende Handlung sieht, da zu jenem Zeitpunkt eine\nunanfechtbare Aufrechnungslage (Werklohn gegen gar uberschießende\nProvisionsforderungen) bestanden habe. Er habe nur auf die Aufrechnung\nverzichtet, die Forderung der IS bedient und seinen Gegenanspruch zum Teil\ndurch die abgetretene Forderung sichern lassen. Ähnlich einem Austausch\ngleichwertiger Sicherheiten sei im Hinblick auf die Aufrechnungslage keine\nGlaubigerbenachteiligung ausgelost worden. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Beklagte beantragt: \n--- \n| 9 \n--- \n| Das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 06. Februar 2003 (AZ: 23 0 109/02\nKfH) wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Klager beantragt: \n--- \n| 11 \n--- \n| Das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 06.02.2003 (AZ: 23 0 109/02 KfH)\nwird aufrechterhalten. \n--- \n| 12 \n--- \n| Er verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig. \n--- \n| 13 \n--- \n| Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsatze sowie\ndie Verhandlungsniederschriften verwiesen. \n--- \n--- \n**B.** \n--- \n| 14 \n--- \n| Das Rechtsmittel hat zum uberwiegenden Teil Erfolg. \n--- \n| 15 \n--- \n| Da die beanstandete Handlung nicht in die Zeitschranken der §§ 131, 132 InsO\ngefallen ist, bestimmt sich die Anfechtbarkeit - wie vom Landgericht auch nur\nzu Grunde gelegt - vorliegend nach § 133 Abs. 1 InsO. Dessen Voraussetzungen\nsind im Ergebnis zum Teil erfullt. \n--- \n--- \n1. \n--- \n| 16 \n--- \n| a) Dass die Abtretung als Besicherung eines Teils der Provisionsforderung\neine inkongruente Deckung darstellte, da nicht ersichtlich ist, dass diese Art\nder Erfullung vom Beklagten von der IS hatte gefordert werden konnen oder\ndiese sie wenigstens ihrerseits aus Rechtsgrunden nicht hatte ablehnen durfen\n(vgl. BGHZ 123, 320 = ZIP 1993, 1653 [II 3 a]), stellen die Parteien nicht in\nAbrede, vielmehr (vgl. Beklagter selbst: BI. 86) ausdrucklich fest. Und dies\nzu Recht. Denn die Abtretung war nicht von vornherein vereinbart. Danach hatte\nder Beklagte durch die Abtretung der Forderung eine Befriedigung erlangt, die\ner in dieser Weise nicht zu beanspruchen hatte. Dies stellt eine inkongruente\nDeckung dar (vgl. OLG Zweibrucken ZIP 1982, 82, 83; Hirte in Uhlenbruck, InsO,\n12. Aufl., § 131, 7; Nerlich in Nerlich/Romermann, InsO [2003], § 131, 18). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| b) Damit scheidet aber auch zugleich das Bargeschaft-Argument (vgl. hierzu\nallgemein Pape/Uhlenbruck, InsolvenzR [2002], Rdn. 676) des Beklagten aus,\nwodurch der streitbetroffene Vorgang der Anfechtung entzogen sei. Denn eine\ninkongruente Deckung steht der Annahme eines Bargeschaftes entgegen (Kirchhof\nin MuKo/InsO [2001], § 142, 7; Nerlich a.a.O. § 142, 10; Riggert in Braun,\nInsO [2002], § 142, 12; so zum bisherigen Recht: BGHZ 123, 320 [II 2]; a.A.\nzum neuen Recht Paulus in Kubler/Prutting, InsO, § 142, 1 und 3). \n--- \n--- \n2. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der ursachliche Zusammenhang zwischen angefochtener Handlung und behaupteter\nVerkurzung des IS-Vermogens kann ebenso wenig fraglich sein. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| a) § 129 Abs. 1 InsO bestatigt den Grundsatz des insolvenzrechtlichen\nAnfechtungsrechts, der auch schon unter der KO galt, dass zwischen der\nangefochtenen Rechtshandlung und der Verkurzung des Vermogens fur den\nGlaubigerzugriff ein ursachlicher Zusammenhang bestehen muss (BGHZ 143, 246 f\n= NJW 00, 1259, 1261; Kirchhof in MuKo/InsO [2001], § 129, 169; Hirte in\nUhlenbruck, InsO, 12. Aufl. [2003], § 129, 123; de Bra in Braun, InsO [2002],\n§ 129, 34; Paulus in Kubler/Prutting, InsO [2001], § 129, 35; Nerlich in\nNerlich/Romermann, InsO [2003], § 129, 70; Breutigam in Breutigam/Blersch/\nGoetsch, InsolvenzR, § 129, 25). Das ist der Fall, wenn die\nBefriedungsmoglichkeit des Glaubigers ohne die angefochtene Rechtshandlung\ngunstiger ware (BGH a.a.O. 1261). Zu berucksichtigen sind grundsatzlich alle\nrealen Umstande, die - ausgelost durch die anzufechtende Handlung - im\nweiteren Verlauf die Glaubigerbefriedigung verkurzen (Kirchhof a.a.O. 170). \n--- \n--- \nb) \n--- \n| 20 \n--- \n| aa) Reale, gegenlaufig wirkende Umstande konnen den Eintritt einer\nGlaubigerbenachteiligung im Rechtssinn aber von vornherein verhindern\n(Kirchhof a.a.O. 171). Eine zunachst eingetretene Benachteiligung kann\nnachtraglich etwa dadurch wieder beseitigt werden, dass der Anfechtungsgegner\nden anfechtbar erhaltenen Gegenstand oder dessen vollen Wert in das Vermogen\ndes Schuldners zuruckfuhrt (Kirchhof a.a.O. 178). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| bb) Wenn der Empfanger aber noch uber den Gegenstand selbst oder den an\ndessen Stelle getretenen Wert verfugen kann, steht die Berucksichtigung von\nReserveursachen in Frage, die anfanglich dem Insolvenzschuldner denselben\nGegenstand unabhangig von der aufgetretenen Rechtshandlung ebenfalls ganz oder\nteilweise entzogen hatten. Derartige hypothetische Ursachen sind aber\ngrundsatzlich nicht zu berucksichtigen (BGH ZIP 00, 1550, 1551; Z 123, 320 =\nZIP 93, 1653 [II 3 b]; Kirchhof a.a.O. § 129, 181; Hirte a.a.O. § 129, 123; de\nBra a.a.O. § 129, 36; Nerlich a.a.O. § 129, 70; Breutigam a.a.O. § 129, 25;\nGerhardt/Kreft a.a.O. S. 18/19). \n--- \n| 22 \n--- \n| Das Anfechtungsrecht knupft bei Vorliegen genau umschriebener Tatumstande -\nauch aus Grunden der Rechtsklarheit - allein an die tatsachlich eingetretene\nGlaubigerbenachteiligung an (Kirchhof a.a.O. 181). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| cc) Eine Reserveursache soll dann und nur dann beachtlich sein, wenn sie\nerstens real (also nicht nur gedacht) ist, und wenn sie zweitens bei Fortfall\ngerade und nur der anfechtbaren Rechtshandlung den gleichen Nachteil wie diese\nherbeigefuhrt hatte (Paulus a.a.O. § 129, 26; zweifelnd hierzu Hirte a.a.O.\n123; unklar de Bra a.a.O. § 129, 36). Von Olshausen (KTS 2001, 45, 52) will\ndie Formel uber die Unbeachtlichkeit nur gedachter Geschehensablaufe nur\nerstreckt wissen auf den Einwand, _andere Gl aubiger_ hatten auf diesen\nVermogenswert in unanfechtbarer Weise ohnehin zugegriffen oder der\nInsolvenzschuldner hatte zu Gunsten _anderer Personen_ in anfechtungsrechtlich\nnicht zu beanstandender Weise verfugt. Im Fall, dass der nachmalige\nInsolvenzschuldner gegen eine noch nicht fallige, aber erfullbare Forderung\ndes (spateren) Insolvenzglaubigers in burgerlich-rechtlich wirksamer, aber\nnach § 131 InsO anfechtbarer Weise aufgerechnet hatte und die Forderung des\nInsolvenzglaubigers aber noch vor Eroffnung des Insolvenzverfahrens fallig\ngeworden ware, sodass ohne die vorangegangene Aufrechnungslage des\nInsolvenzschuldners jetzt eine Aufrechnungslage fur den Insolvenzglaubiger\nentstanden ware, verneint von Olshausen eine relevante Benachteiligung. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| dd) Die herrschende Meinung geht aber davon aus, dass der Schutzzweck der\nRegeln uber die Glaubigeranfechtung es erfordern, dass allein der von den\nBeteiligten tatsachlich gewahlte Weg zu beurteilen ist. Deshalb konne eine\nGlaubigerbenachteiligung nicht mit der Erwagung verneint werden, bei\nUnterbleiben der angefochtenen Handlung hatte der Glaubiger auf den Gegenstand\nebenfalls nicht zuruckgreifen konnen, weil dann uber ihn in nicht anfechtbarer\nWeise verfugt worden ware. Ebenso wenig konne der Anspruchsgegner dem\nGlaubiger entgegenhalten, ohne die anfechtbare Handlung ware der Schuldner in\nKonkurs gefallen. Demnach kann es fur den erhobenen Anspruch grundsatzlich\nnicht erheblich sein, ob der eingetretene Rechtserfolg auch ohne\nZwischenschaltung der Schuldnerin hatte bewirkt werden konnen (so BGH ZIP\n2000, 1550, 1551 [dort zum AnfG] m.N.; vgl. auch BGH NJW 99, 2669, 2670). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| c) Deshalb ist unerheblich, ob der Schuldner uber den fraglichen Gegenstand\nauch unanfechtbar hatte verfugen konnen, ob andere Glaubiger durch\nunanfechtbare Aufrechnung auf die Forderung zugegriffen und sie so allemal der\nGlaubigergemeinschaft in nicht zu beanstandender Weise entzogen hatten (BGHZ\n123, 320, 325 = NJW 93, 3267, 3268) und ob der begunstigte Glaubiger gar hatte\nvollstrecken konnen statt - wie geschehen und beanstandet- gegen Sicherheit\nStundung zu gewahren (Kirchhof a.a.O. 182). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| d) Die Richtigkeit dieses Ansatzes wird im Übrigen gleich gerichtet auch\ndurch eine Parallelwertung bestatigt. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| aa) Zwar soll, wird eine Masseschuld - etwa nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO\n[ungerechtfertigte Bereicherung der Masse] - beglichen, dieser Vorgang mangels\nGlaubigerbenachteiligung nicht anfechtbar sein (Paulus a.a.O. § 129, 22). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| bb) Wirtschaftlich kann die Alternativbetrachtung des Beklagten auch dahin\naufgelost werden, dass er die Bezahlung auf den Werklohn wieder zuruckfordert,\nda er hatte aufrechnen konnen, und nun eine nach § 94 InsO\nanfechtungsrechtlich geschutzte Aufrechnung vornimmt. Dieses (gedankliche)\nUmschichten ist aber schon deshalb nicht moglich, weil es auch rechtlich nicht\neroffnet ist. Es entspricht namlich vollig herrschender Auffassung, dass, wird\ntrotz bestehender Aufrechnungsmoglichkeit vom Glaubiger bezahlt, die\nGegenforderung nach § 362 BGB erlischt. Die Aufrechnungsbefugnis stellt keine\ndauernde Einrede gemaß § 813 BGB dar, sondern ein Gestaltungsrecht. Der\nGlaubiger kann das Geleistete, mit welchem die Erfullung bewirkt worden ist,\nnicht mehr etwa als Massebereicherung nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 zuruckfordern und\nnachtraglich noch aufrechnen (Luke in Kubler/Prutting a.a.O. § 94, 112;\nMuKo/Brandes a.a.O. § 94, 34; Wittkowski in Nerlich/Romermann a.a.O. § 94, 36;\nUhlenbruck a.a.O. § 94, 42 [der sogar seine gegenlaufige Meinung in der\nVorauflage nun als gleich gerichtet wiedergibt]). Der BGH hat diese Wertung\njedenfalls fur den Fall bestatigt, dass der Schuldner bei Zahlung wusste, dass\ner aufrechnen konnte (BGH WM 63, 964, 965). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| cc) Diese rechtliche Sperre, die Geschehenes geschehen sein lasst, steht\neiner Gegenbetrachtung entgegen, die bewusst Vollzogenes nachtraglich\numschichten und in neue, angeblich anfechtungsrechtlich unverfangliche Bezuge\nstellen mochte. So hat denn auch der BGH in Z 123, 320 = ZIP 93, 1653 [IV 2 a]\nentschieden, dass, wird die Vereinbarung geandert, nachdem ein Partner schon\nvorgeleistet hat, sich der Abanderungsvertrag im Ergebnis nur noch auf die\nArt, wie die (vom Umfang her unveranderte) Gegenleistung zu erbringen ist. Die\nArt der veranderten Gegenleistung macht aber gerade das anfechtungsrechtlich\nAnstoßige aus. \n--- \n| 30 \n--- \n| Auch diese Parallelwertung belegt, dass das tatsachlich Geschehene zu\nbeurteilen ist. Das Anfechtungsrecht knupft bei Vorliegen genau umschriebener\nTatumstande - auch aus Grunden der Rechtsklarheit - allein an die tatsachlich\neingetretene Glaubigerbenachteiligung an (Kirchhof a.a.O. § 129, 181). \n--- \n--- \n3. \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Kausalitatsfrage befasst sich auf der Grundlage einer\nGlaubigerbenachteiligung damit, inwieweit denkbare Geschehensentwicklungen\nWertungsrelevanz erlangen. Wie jeder anfechtungsrechtliche Tatbestand in\ndiesem Bereich erfordert § 133 Abs. 1 InsO aber, dass eine tatsachliche\nGlaubigerbenachteiligung festzustellen ist. Daran fehlt es vorliegend jedoch\nzum uberwiegenden Teil. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| a) Voraussetzung jedes anfechtungsrechtlichen Ruckgewahranspruchs ist das\nVorliegen einer objektiven Glaubigerbenachteiligung (Gerhardt/Kreft, Aktuelle\nProbleme der Insolvenzanfechtung, 8. Aufl., Rdn. 78 m.N.). Im Rahmen des § 133\nInsO genugt eine nur mittelbare Glaubigerbenachteiligung (Gerhardt/Kreft\na.a.O. 85; Nerlich a.a.O. § 133, 14; Breutigam, InsO, § 133, 4; vgl. auch BGH\nWM 87, 881). Bei dieser kann sich der Nachteil erst nach Abschluss der\nRechtshandlung durch das Hinzutreten weiterer Umstande bis zum maßgeblichen\nZeitpunkt der letzten mundlichen Tatsachenverhandlung verwirklichen\n(Gerhardt/Kreft a.a.O. 85). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| b) Die Insolvenzglaubiger werden benachteiligt, wenn die Insolvenzmasse\ndurch die anfechtbare Handlung verkurzt worden ist, wenn sich also die\nBefriedigungsmoglichkeiten der Insolvenzglaubiger ohne die fragliche Handlung\nbei wirtschaftlicher Betrachtung gunstiger gestaltet hatten (Gerhardt/Kreft\na.a.O. 80). Eine Glaubigerbenachteiligung ist zu verneinen, wenn durch die\nZahlung eines Schuldners des (Gemein-)Schuldners an einen Dritten, die nicht\nzum Erloschen der Verbindlichkeit des Schuldners gefuhrt hat, nur die\ntatsachliche Durchsetzung der Forderung des (Gemein-)Schuldners erschwert wird\n(Gerhardt/Kreft a.a.O. 82). Nach Sinn und Zweck der Anfechtungsvorschriften\nmuss fur die Frage, ob die Glaubiger durch einen Vertragsschluss benachteiligt\nwerden, die Vermogensverschiebung in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung erfasst\nund deshalb eine mehrteilige Rechtsubertragung als ein einheitliches Ganzes\nbetrachtet werden; durch den Abschluss des Vertrages werden die Glaubiger\nbenachteiligt, wenn der gesamte rechtsgeschaftliche Vorgang die\nZugriffsmoglichkeiten der Glaubiger verschlechtert (vgl. Gerhardt/Kreft a.a.O.\n96). Selbst bei absichtlicher Benachteiligungshandlung scheidet daher eine\nAnfechtung dann aus, wenn die Glaubiger im wirtschaftlichen Ergebnis (ex post\nbetrachtet) ohnehin keine Befriedigung erlangt hatten (Breutigam a.a.O. § 133,\n4) oder die Benachteiligung auch ohne die Rechtshandlung eingetreten ware\n(Nerlich a.a.O. § 133, 14; vgl. auch jungst BGH NJW 03, 1865, 1866 zur - dort\n- unmittelbaren Glaubigerbenachteiligung; vorgesehen zur Veroffentlichung in\nBGHZ). \n--- \n| 34 \n--- \n| c) Die Glaubigerbenachteiligung setzt danach die in der Krise des\ngewahrenden Vertragspartners geschehene Zuweisung eines Sondervorteils voraus,\nwie er sich insbesondere in der inkongruenten Deckung zeigt, dem nach der\nkonkreten, objektiven wirtschaftlichen Lage kein wirtschaftlicher Gegenwert\ngegenubersteht und der auch spater nicht eintritt. Dabei bleibt zu beachten,\ndass auch bei einer inkongruenten Deckung dem solchermaßen wirtschaftlich\nPrivilegierten der Anspruch dem Vertragsverhaltnis nach an sich zugestanden\nhat, die Nahe des wirtschaftlichen Geschehens zur Insolvenz aber nur die\nTeilhabe am wirtschaftlichen Schicksal in der Glaubigergemeinschaft eroffnet,\nnicht aber das Festhalten an der Befriedigung durch eine Sonderzuwendung.\nKommt es spater in Bezug auf diese besondere Vermogensverschiebung aber zu\neinem wirtschaftlichen Ausgleich, so ist die Anfechtbarkeit aufgehoben, soweit\nnach dem Ausgleich das Befriedigungsprivileg nicht fortbesteht. Dies mogen\nvereinfachende Beispiele veranschaulichen: Verfugt die IS uber Forderungen von\n100.000,00 DM und tritt sie zusatzlich eine Forderung uber 50.000,00 DM ab, so\nfindet im Ergebnis kein Befriedigungsprivileg statt, wenn der Gegner\nseinerseits mit einer falligen Forderung uber 100.000,00 DM aufrechnet und\netwa bar 50.000,00 DM zuruckbezahlt. Liegt die Forderung des Gegners aber bei\n120.000,00 DM, zahlt er auf die Abtretung der 50.000,00 DM 30.000,00 DM und\nrechnet er mit seiner Gegenforderung gegen den Hauptanspruch des\nInsolvenzschuldners und dem Rest von 20.000,00 DM aus dem Abtretungsgeschaft\nauf, so nimmt er fur die Tilgung seiner Gegenforderung von 120.000,00 DM\n20.000,00 DM aus der Abtretung und damit dem inkongruenten Geschaft in\nAnspruch. In diesem Umfang bleibt bei dieser Art der Verrechnung seine\nBefriedigung privilegiert und damit anfechtungsrechtlich angreifbar. \n--- \n| 35 \n--- \n| So liegt es hier. Zum Zeitpunkt der Abtretung stand der IS eine\nWerklohnforderung von 176.000,00 DM zu, daneben hatte sie durch Abtretung eine\nVermogensverschiebung zu Gunsten des Beklagten uber 95.000,00 DM vorgenommen,\nwas diesem eine privilegierte Erfullungsmoglichkeit uber 95.000,00 DM\nverschaffte. \n--- \n| 36 \n--- \n| Zum Zeitpunkt der Abtretung standen dem Beklagten aus der Aufstellung\n„Provision 1" (K 3 = B 1) einerseits 94.788,36 DM zu. Bezogen auf diesen\nZeitpunkt kann allerdings nicht die Beklagtenforderung aus „Position 2" (B 2)\nmit 92.275,68 DM Provisionsguthaben zu Grunde gelegt werden. Denn bereits das\nLandgericht hat unangefochten festgestellt, dass die Provision H. noch nicht\nanzusetzen sei, da erst am 02.03.2000 entstanden; aber auch die Provision K.\nkonnte keinen Ansatz finden, da deren Falligkeit noch aufgeschoben und erst\nmit Zahlung im Februar 2000 fallig geworden war. Dies ergibt zum Zeitpunkt der\nAbtretung einen Beklagtenanspruch aus „Provision 2" von nur (36.948,00 DM x 16\n% [= 5.911,68 DM] =) 42.859,68 DM. Der Gesamtprovisionsanspruch des Beklagten\nbelief sich damit zum Zeitpunkt der Abtretung auf 137.648,04 DM. Nur in diesem\nUmfang standen sich die Forderungen aufrechenbar gegenuber. Auch wenn die IS\nihre Werklohnforderung eingefordert hatte, ware bei Aufrechnung durch den\nBeklagten zum damaligen Zeitpunkt ein Restwerklohn von 38.351,96 DM ubrig\ngeblieben. Erst Anfang Marz 2000 waren dem Beklagten die in den\nProvisionsaufstellungen 1 und 2 ausgewiesenen Forderungen von insgesamt\n186.852,40 DM erwachsen. Bei seiner nachtraglichen Tilgungsdarstellung (BI.\n47) ließ sich der Beklagte jene 95.000,00 DM auf seine Provisionsforderung von\n187.064,00 DM anrechnen und nahm insoweit eine privilegierende Befriedigung in\nAnspruch. Mit seiner verbliebenen Restforderung von 92.064,00 DM rechnete er\ngegen die Werklohnforderung auf (Werklohnrest dann 83.936,00 DM) und tilgte\ndiesen Anspruch -fast vollstandig- durch Zahlung von 83.935,96 DM (06.03.2000:\n45.000,00 DM; 16.03.2000: 38.935,96 DM). Diese Tilgungsdarstellung stellt\njedoch nur ein nachtragliches Bilanzmodell des Beklagten dar. Eine Tilgungs-\nund Verrechnungsbestimmung war seiner Zahlung selbst nicht zu entnehmen. Die\nwirtschaftliche Gegenrechnung lasst sich auch so darstellen: Aufrechnung gegen\ndie Werklohnforderung der IS (176.000,00 DM) mit eigenen Provisionsforderungen\n(letztlich 187.064,00 DM), weshalb ein Provisionsrestanspruch von 11.064,00 DM\nverblieb. Mit diesem Anspruch rechnete der Beklagte gegen die ihm aus der\nAbtretung entgegenzuhaltende Forderung von 95.000,00 DM auf und zahlte auf den\ndann noch insoweit verbleibenden Rest 83.935,96 DM. Danach ist im Umfang\ndieser Zahlung der privilegierende Vermogenseinsatz der IS wettgemacht. Nur\nsoweit der Beklagte fur den gegenuber der Werklohnforderung der IS\nuberschießenden eigenen Provisionsforderungsrest von 11.064,00 DM verrechnend\nauf die ihm abgetretene Forderung zuruckgegriffen hat, hat er sich die in ihr\nliegende Befriedigungsprivilegierung endgultig zu Nutze gemacht. Angesichts\nder Darlegungs- und Beweislast des Klagers kann vorliegend nur von diesem\nTilgungs- und Bilanzierungsmodell ausgegangen werden. Nur in diesem genannten\nUmfang kann deshalb eine Glaubigerbenachteiligung angenommen werden und der\nAnfechtungstatbestand des § 133 Abs. 1 InsO weiter ansetzen. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| d) Dass die Aufrechnung im Übrigen ihrerseits anfechtbar gewesen ware, etwa\nweil sie einem Aufrechnungsverbot unterlegen hatte (vgl. hierzu etwa Nerlich\na.a.O. § 131, 25), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. \n--- \n--- \n4. \n--- \n| 38 \n--- \n| Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO sind insoweit\nerfullt. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| a) Dass der Schuldner insoweit mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt hat,\nist erwiesen. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| aa) Eine inkongruente Deckung ist ein starkes Indiz (vgl. BGH NJW 99, 3046,\n3047 m.N.; Kirchhof a.a.O. § 133, 29) fur den - ausreichenden - bedingten\nVorsatz, namlich das Bewusstsein des Schuldners, seine Handlungsweise konne\nsich zum Nachteil anderer Glaubiger auswirken und den Willen, diese Folge in\nKauf zu nehmen (BGHZ 131, 189, 195; Kirchhof a.a.O. § 133, 13), wobei - wie\nschon das Landgericht zutreffend ausgefuhrt hat - die Glaubigerbenachteiligung\nnicht der alleinige Zweck oder das ausschlaggebende Motiv sein muss (Kirchhof\na.a.O. 13). \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| bb) Die Beweisaufnahme hat in nicht zu beanstandender Weise ergeben, dass\ndie spatere Insolvenzschuldnerin zumindest ab Mai 1999 in erheblichen\nFinanznoten war. Rechnungen liefen auf, Schecks wurden nicht mehr alle\neingelost. Ein Scheck uber 95.000,00 DM zur Begleichung eines Teils der\nProvisionsforderung des Beklagten ware nach Einschatzung des Geschaftsfuhrers\nder Insolvenzschuldnerin, des Zeugen G., „voraussichtlich nicht eingelost\nworden. Das wollte ich vermeiden. Aus dieser Überlegung heraus wurde dann die\nAbtretung in den Kaufvertrag mit dem Kunden K. am 29.12.1999 (K 4)\naufgenommen" (Bl. 27). Deutlicher kann nicht ausgedruckt werden, dass die\nnachmalige Insolvenzschuldnerin in einer tiefen Krise steckte, die Erfullung,\nauf welche die Beklagte einen Anspruch hatte (Zahlung, ggf. erfullungshalber),\nnicht moglich war und dem Beklagten deshalb eine Befriedigungsprivilegierung\nzugedacht wurde, die anderen Glaubigern vorenthalten blieb und damit, zugleich\nan den ubrigen Glaubigern vorbei, deren Zugriff zu deren Nachteil entzog.\nDiesen Vorgang hat der Zeuge in seiner wirtschaftlichen Bedeutung erfasst und\nin ihrer Folge billigend hingenommen. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| cc) Dass zu jener Zeit (Mitte 1999) die GmbH mit der Gemeinde Ge. in\nVerhandlungen uber die Erstellung von 29 Eigentumswohnungen und 8\nReihenhausern stand, mag mit der Beklagten unterstellt werden. Dies steht dem\nmaßgeblichen Glaubigerbenachteiligungsvorsatz der nachmaligen\nInsolvenzschuldnerin nicht entgegen. Denn dieser Vorsatz manifestiert sich\nbereits in der bewussten Bevorzugung des Beklagten durch die Zuschiebung einer\nSonderbefriedigung, welche die Geschaftslage sonst nicht hergab. In die vom\nBeklagten angestellte Gesamtbilanzierung kann das geplante Geschaft aber nicht\nschon als Habenposition eingestellt werden. Es war im bloßen Stadium des\nProjektes und sollte sich nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten (BI. 15)\naus sich selbst heraus tragen. So sollten namlich „die Grundstuckskaufpreise\n... von der Insolvenzschuldnerin dann sukzessive an die Gemeinde Ge. bezahlt\nwerden", eben nach Eingang entsprechender (Raten-)Zahlungen gedachter\nErwerber. Hinter diesem Modell verbarg sich danach kein ausreichender\nBesicherungstopf fur die Forderungen der ubrigen gegenwartigen Glaubiger,\nsondern nur ein uberwiegend sich selbst versorgendes Überlebensmodell, das\nkaum freie Mittel versprach. \n--- \n| 43 \n--- \n| b) Die weitere Voraussetzung, dass der Beklagte den Benachteiligungsvorsatz\nder Schuldnerin erkannte, ist vom Landgericht in nicht in Zweifel zu ziehender\nWeise (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) festgestellt worden, zumal diese Kenntnis gemaß\n§ 133 Abs. 1 S. 2 InsO vermutet wird, wenn der Beklagte wusste, dass die\nZahlungsunfahigkeit der GmbH drohte und dass die Handlung die Glaubiger\nbenachteiligte. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| aa) Insofern wird auf die zutreffenden Feststellungen des Landgerichts\nverwiesen. Danach kann dem Beklagten seine Bevorzugung in der Befriedigung\ngegenuber anderen Glaubigern nicht verborgen geblieben sein. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| bb) Im Übrigen sprachen alle Anzeichen fur eine außerst angespannte\nFinanzlage der GmbH. Seit Monaten waren in einem seit Jahren wahrenden\nGeschaftsverhaltnis Rechnungen nicht bezahlt worden. Einige Objekte waren, wie\nder Beklagte nach der Bekundung des Zeugen G., der das Landgericht folgte,\nwusste, nicht verkauft worden. Die GmbH saß damit auf Unkosten und Objekten.\nDer Beklagte wusste zudem, dass Schecks teilweise nicht mehr eingelost wurden.\nHinsichtlich der ihm gewahrten Sonderbefriedigung musste zuerst die Hausbank\nder Beklagten befragt werden. Zudem war dem Beklagten aufgrund seiner eigenen\nberuflichen Tatigkeit die kritische Lage auf dem Immobilienmarkt zu jener Zeit\nbekannt. Danach kann mit dem Landgericht davon ausgegangen werden, dass dem\nBeklagten die dramatische finanzielle Lage der GmbH bekannt war und er danach\nuber den Kenntnisstand verfugte, dass ihr Zahlungsunfahigkeit drohte. Die\nBerufung zeigt denn auch keine Grunde auf, welche diese Tatsachengrundlage,\netwa die Glaubwurdigkeit des Zeugen G., in beachtlicher Weise zu erschuttern\nvermochte. Danach sind auch die in der Person des Beklagten erforderlichen\nsubjektiven Merkmale erfullt, ohne dass es noch der erganzenden Bewertung\nbedurfte, dass der Beklagte seine Rolle als bloßer Makler von Kunden von\nFinanzierungsmoglichkeiten aufgegeben und in Abkehr von dieser Art der\nZusammenarbeit eben im Mai/Juni 1999 die GmbH zur bloßen Subunternehmerin\ngemacht hatte und selbst als Bautrager und Verwerter von Baugrund und\nBausubstanz auftrat. \n--- \n--- \n5. \n--- \n| 46 \n--- \n| a) Danach ergibt sich ein Ruckgewahranspruch des Klagers gemaß §§ 143 Abs. 1\nS. 1, 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO gegen den Beklagten, soweit seine\nProvisionsforderung die Werklohnforderung der IS uberstiegen und er zur\nErfullung dieses Forderungsrestes auf die Abtretung zuruckgegriffen und sich\ninsoweit das Befriedigungsprivileg zu Nutze gemacht hat. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| b) Dass der Senat in der mundlichen Verhandlung in Teilen einer anderen\nBewertung zugeneigt hat als jetzt judiziert, gebietet nicht die\nWiedereroffnung der mundlichen Verhandlung oder eine sonstige Form der\nGewahrung rechtlichen Gehors hierzu. Der Sachverhalt ist feststehend.\nVorliegend geht es ausschließlich um die Rechtsanwendung. Auf diese\nProblemlage konnten sich beide Parteien einstellen und haben sich auch mit\nihrer ausfuhrlichen rechtlichen Argumentation eingestellt. \n--- \n**II.** \n--- \n| 48 \n--- \n| Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 92, 708 Nr. 10, 711, 713, 542,\n543 i.V.m. § 3 ZPO. \n--- \n| 49 \n--- \n| Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung liegen nicht vor. Der Senat\nwendet anerkannte Rechtsgrundsatze an. Der Fall erschopft sich einzig in der\nUmsetzung dieser Rechtsregeln auf den vorliegenden Einzelfall. \n---\n\n |
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139,757 | vghbw-2004-05-18-4-s-76004 | 161 | Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg | vghbw | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 4 S 760/04 | 2004-05-18 | 2019-01-07 14:44:38 | 2019-01-17 11:59:56 | Beschluss | ## Tenor\n\nDie Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts\nSigmaringen vom 08. Marz 2004 - 1 K 178/04 - wird zuruckgewiesen.\n\nDer Antragsgegner tragt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der\naußergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser auf sich behalt.\n\nDer Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die zulassige, insbesondere innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1\nVwGO entsprechend den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO begrundete\nBeschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat\ndem Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu\nRecht stattgegeben. Die Prufung der mit der Beschwerde dargelegten Grunde\nergibt keine andere Beurteilung (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Der Senat weist\ndie Beschwerde deshalb aus den Grunden des angefochtenen Beschlusses als\nunbegrundet zuruck (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Im Hinblick auf das\nBeschwerdevorbringen ist erganzend auszufuhren: \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit dem Verwaltungsgericht und entgegen der Auffassung des Antragsgegners\nist bei der im Verfahren des vorlaufigen Rechtsschutzes allein moglichen\nsummarischen Prufung der Sach- und Rechtslage davon auszugehen, dass die\nWahrnehmung von Aufgaben in der Krankenversorgung einen wesentlichen\nBestandteil des dem Antragsteller ubertragenen Amtes als Universitatsprofessor\nim statusrechtlichen und abstrakt-funktionellen Sinne bildet, zu deren Entzug\nder Antragsgegner nicht befugt ist. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit dem statusrechtlichen Amt werden abstrakt Inhalt, Bedeutung, Umfang und\nVerantwortung und damit die Wertigkeit des Amtes zum Ausdruck gebracht. Die\nFestlegung des Amtsinhalts und der Wertigkeit des einem Beamten durch\nErnennung ubertragenen statusrechtlichen Amtes erfolgt durch den Gesetzgeber,\nteils im Besoldungsrecht und teils im Haushaltsrecht durch die Einrichtung von\nPlanstellen. In dem hierdurch gezogenen und eine gewisse Bandbreite\naufweisenden Rahmen liegt es in der organisatorischen Gestaltungsfreiheit des\nDienstherrn, welche Anforderungen er an die Erfullung der in dem betreffenden\nAmt wahrzunehmenden offentlichen Aufgaben stellt. Der Beamte selbst hat einen\ngerichtlich durchsetzbaren Anspruch darauf, amtsgemaß, d.h. entsprechend\nseinem ubertragenen Amt im statusrechtlichen und abstrakt-funktionellen Sinn\nbeschaftigt zu werden (vgl. Beschluss des Senats vom 20.04.1995 - 4 S 3134/94\n-, DÖD 1996, 114; BVerwG, Urteile vom 23.05.2002, Buchholz 240 § 18 BBesG Nr.\n27, vom 01.06.1995, Buchholz 237.1 Art 4 BayLBG Nr. 1, und vom 27.02.1992,\nBuchholz 237.8 § 56 RhPLBG Nr. 1). \n--- \n| 4 \n--- \n| Vor diesem Hintergrund durfte das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt\nhaben, dass die Krankenversorgung zum essentiellen Aufgabenbereich des dem\nAntragsteller ubertragenen Amtes eines Universitatsprofessors gehort, so dass\ndie „Entbindung" von der Wahrnehmung entsprechender Tatigkeiten seinem\nstatusrechtlichen Amt nicht mehr entspricht. \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Antragsteller wurde mit Urkunde vom 09.06.1993 unter Berufung in das\nBeamtenverhaltnis auf Lebenszeit zum Universitatsprofessor der\nBesoldungsgruppe C 3 ernannt. Der Amtsinhalt des ihm ubertragenen Amtes wird\ndurch den Einweisungserlass des Ministeriums fur Wissenschaft und Forschung\nBaden-Wurttemberg vom 17.06.1993 konkretisiert. Danach obliegt dem\nAntragsteller als Dienstaufgabe „die Pflege von Forschung und Lehre im Fach\nNierentransplantation und organbezogene Transplantationsimmunologie sowie die\nweiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 64 Universitatsgesetz".\nGemaß § 64 Abs. 1 Satz 3 des Universitatsgesetzes in der - bei der Ernennung\ndes Antragstellers maßgeblichen - Fassung vom 30.10.1987 (GBl. S. 545;\nnachfolgend: UG a.F.) gehort zu den hauptberuflichen Aufgaben der Professoren\nu.a. die Wahrnehmung der nach § 3 Abs. 8 ubertragenen Aufgaben und damit - wie\nsich aus § 3 Abs. 8 UG a.F. unmissverstandlich ergibt - auch solche der\nKrankenversorgung. Dieser Amtsinhalt hat sich bis zum heutigen Tage nicht\ngeandert, obwohl der Bereich „Krankenversorgung" aus § 3 Abs. 8\nUniversitatsgesetz - UG - durch Artikel 2 Ziff. 2 des Gesetzes zur Reform der\nHochschulmedizin (Hochschulmedizinreform-Gesetz - HMG -) vom 24.11.1997 (GBl.\nS. 474) gestrichen wurde. Denn Anlass hierfur war - wie sich aus der\nGesetzesbegrundung ergibt (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 38) - allein der Erlass\ndes Gesetzes uber die Universitatsklinika Freiburg, Heidelberg, Tubingen und\nUlm (Universitatsklinika-Gesetz - UKG -) durch Art. 1 HMG, durch welches die\ngenannten Klinika als rechtsfahige Anstalten des offentliches Rechts errichtet\nund damit im Verhaltnis zu den Universitaten zu selbstandigen Rechtstragern\nwurden. Da Aufgaben in der Krankenversorgung insoweit nicht mehr in den\nUniversitaten, sondern nur noch in den Universitatsklinika erfullt werden\nkonnen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 UKG, wonach das Universitatsklinikum die bisher\nder Universitat gemaß § 3 Abs. 8 UG in der Krankenversorgung obliegenden\nAufgaben ubernimmt), wurde der Bereich „Krankenversorgung" aus der allgemein\nfur die Universitaten geltenden Bestimmung des § 3 Abs. 8 UG gestrichen und\nstatt dessen § 77a in das Universitatsgesetz eingefugt. Nach dieser Vorschrift\nist das wissenschaftliche Personal der Universitat, zu dem die\nUniversitatsprofessoren gehoren, gemaß seinem Dienstverhaltnis u.a.\nverpflichtet, im Universitatsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu\nerfullen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass das durch diese Bestimmung\nerfasste Personal auch weiterhin die Krankenversorgung als Dienstaufgabe\nwahrnimmt (vgl. die amtliche Begrundung zu § 77a UG, LT-Drucks. 12/1740, S.\n38; s. auch § 7 Abs. 3 Satz 1 UKG, aus dem sich mittelbar ergibt, dass zu den\nDienstaufgaben der Professoren der Medizinischen Fakultaten der Universitaten\nauch die Krankenversorgung zahlt). Dass die Verpflichtung zur\nKrankenversorgung nicht im Universitatsklinika-Gesetz, sondern (erneut) im\nUniversitatsgesetz normiert wurde, tragt der Tatsache Rechnung, dass die\nProfessoren auch nach der rechtlichen Verselbstandigung der\nUniversitatsklinika weiterhin als Beamte im Dienste des Landes der jeweiligen\nUniversitat zugehorig bleiben, also insbesondere nicht etwa zu Beamten der\nKlinika im Sinne des § 11 UKG werden. Aus alledem folgt, dass die Wahrnehmung\nder Aufgaben in der Krankenversorgung (auch weiterhin) zur amtsgemaßen\nVerwendung des Antragstellers gehort und insofern Bestandteil seines abstrakt-\nfunktionellen Amtes als Universitatsprofessor ist (zur operativen Tatigkeit\nals amtsgemaße Verwendung eines Oberarztes im Bereich der Chirurgie vgl.\nBVerwG, Urteil vom 27.2.1992, a.a.O.; s. auch Bayer. VGH, Urteil vom\n26.05.1993, <juris>, zum Eingriff in die geschutzte Rechtsposition eines vom\nNacht- und Wochenenddienst ausgeschlossenen Oberarztes an einer\nUniversitatsfrauenklinik, im Ergebnis bestatigt durch BVerwG, Urteil vom\n01.06.1995, a.a.O.). Dass es sich dabei um eine Aufgabe im Hauptamt - und\nnicht etwa um eine solche im Nebenamt oder gar um eine „Nebenbeschaftigung" \\-\nhandelt, ergibt sich schon aus den genannten gesetzlichen Vorschriften. \n--- \n| 6 \n--- \n| Dem steht die vom Antragsgegner zitierte Rechtsprechung des Senats nicht\nentgegen. Im Beschluss vom 12.01.1995 - 4 S 1016/92 - (ESVGH 45, 184) hat der\nSenat - unter Bezugnahme auf §§ 64 Abs. 1 Satz 3, 3 Abs. 7 und 8 UG a.F. -\nvielmehr festgestellt, dass es zu den hauptberuflichen Aufgaben der\nProfessoren gehort, Aufgaben in der Krankenversorgung wahrzunehmen. In dem dem\nBeschluss vom 12.05.1999 - 4 S 660/99 - (IÖD 1999, 270) zugrunde liegenden\nVerfahren ging es um die bloße Umsetzung eines Oberarztes von der Ambulanz in\nden Konsiliardienst. Nach den Feststellungen des Senats war in\nstatusrechtlicher Hinsicht kein Unterschied zwischen dem Aufgabenbereich eines\nAmbulanz-Oberarztes und dem eines Konsiliar-Oberarztes erkennbar, insbesondere\nweil dem Rechtsschutz suchenden Oberarzt - im Gegensatz zu dem hier zu\nbeurteilenden Fall - weiterhin die Behandlung und Betreuung von Patienten\nmoglich gewesen ist. \n--- \n| 7 \n--- \n| Entgegen dem Beschwerdevorbringen ergibt sich eine andere Beurteilung auch\nnicht aus der den Ausschluss von Professoren bei der Besetzung des\nAufsichtsrats nordrhein-westfalischer Universitatsklinika betreffenden\nEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.11.2002 (DVBl 2003, 323).\nDort wird lediglich klargestellt, dass Hochschullehrer nur hinsichtlich der\nKrankenversorgung, nicht aber bezuglich ihrer durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG\nbesonders geschutzten Tatigkeit in Forschung und Lehre in die hierarchische,\ndie Strukturform der Krankenversorgung regelnde Organisation des\nUniversitatsklinikums eingegliedert und an dessen Beschlusse gebunden sind.\nDer Amtsinhalt wird durch eine solche Weisungsgebundenheit hingegen nicht\nberuhrt. Der Entscheidung ist daher auch nicht zu entnehmen, dass die\nKrankenversorgung nicht zum statusrechtlichen Amt oder zum Amt im abstrakt-\nfunktionellen Sinne der Professoren des Fachbereichs Medizin gehore. Das\nBundesverfassungsgericht stellt vielmehr - im Einklang mit der Rechtsprechung\ndes Senats (vgl. Beschluss vom 12.01.1995 - 4 S 1016/92 -, a.a.O.) - fest, bei\nder Krankenversorgung handele es sich um eine Zusatzaufgabe der\nHochschullehrer, die - nicht hinter, sondern selbstandig - neben Forschung und\nLehre trete (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 31.01.1995, Buchholz 232 § 26 BBG\nNr. 37, wonach die Krankenversorgung eine den Professoren zusatzlich\nubertragene Aufgabe darstellt). \n--- \n| 8 \n--- \n| Da die vom Antragsgegner im Schreiben vom 22.10.2003 ausgesprochene\nEntbindung von Aufgaben in der Krankenversorgung demnach darauf abzielt, den\nAntragsteller in einem wesentlichen Teil seiner amtsgemaßen Verwendung zu\nbeschneiden, stellt sie - entgegen dem Beschwerdevorbringen - keine rein\norganisatorische Maßnahme dar, die den Betriebsablauf innerhalb der Klinik\nregeln sollte, sondern eine Maßnahme, die in die Rechtsposition des\nAntragstellers, insbesondere in sein Amt im abstrakt-funktionellen Sinn\neingreift. Der Senat teilt insoweit die Rechtsauffassung des\nVerwaltungsgerichts, dass wegen der Auswirkung der Aufgabenentbindung auf die\namtsgemaße Verwendung des Antragstellers eine beamtenrechtliche Entscheidung\nuber eine personliche Angelegenheit des Antragstellers gegeben ist. Fur eine\nderartige Entscheidung ist nach § 61 Abs. 1 Satz 1 UG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 1\nLBG der Dienstvorgesetzte zustandig. Dienstvorgesetzter des Antragstellers ist\ngemaß § 121 Satz 1 UG der Wissenschaftsminister. Da hier jedoch nicht dieser,\nsondern der Vorstand des Antragsgegners die streitgegenstandliche „Verfugung"\nvom 22.10.2003 erlassen hat, ist die Entbindung von Aufgaben in der\nKrankenversorgung bereits formell rechtswidrig. \n--- \n| 9 \n--- \n| Dem steht - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - die\nVorschrift des § 4 Abs. 3 UKG nicht entgegen. Danach obliegt dem\nUniversitatsklinikum die Personal- und Wirtschaftsverwaltung - zusatzlich zu\ndem „originaren" Bereich der Krankenversorgung (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 UKG) -\nauch im Bereich von Forschung und Lehre, wenn Einrichtungen oder Beschaftigte\ndes Universitatsklinikums betroffen sind, wobei zu den Beschaftigten des\nKlinikums insoweit auch das wissenschaftliche Personal der Universitat gehort,\ndas Aufgaben im Klinikum erfullt. Hintergrund dieser Bestimmung ist der sich\ninsbesondere aus § 4 Abs. 1 Satz 2 UKG ergebende Umstand, dass medizinische\nForschung, Lehre und Krankenversorgung in den Einrichtungen der\nUniversitatsklinika in vielfaltiger Weise miteinander verflochten,\ngroßtenteils sogar untrennbar miteinander verknupft sind und die Vielzahl der\nhiermit verbundenen Verwaltungsvorgange vor allem im Finanz- und\nPersonalbereich zur Vermeidung von Reibungen in einer Hand, namlich in der der\nVerwaltung des Universitatsklinikums liegen muss. Nur durch die der Verwaltung\ninsoweit eingeraumten Koordinationsbefugnisse hinsichtlich eines sachgerechten\nEinsatzes des im Klinikum tatigen Personals und der zugewiesenen Sachmittel\nkann eine im Interesse einer bestmoglichen Versorgung der zu betreuenden\nPatienten notwendige straffe, die Verantwortlichkeiten klar festlegende und\nrasche Entscheidungen ermoglichende Organisation des Klinikumsbetriebs\ngewahrleistet werden (vgl. LT-Drucks. 12/1740, S. 30; s. auch BVerfG,\nBeschluss vom 11.11.2002, a.a.O.). Im Hinblick auf die Krankenversorgung ist\ndeshalb auch das wissenschaftliche Personal in die hierarchische Organisation\ndes Klinikums eingebunden und hat entsprechenden personal- und\nwirtschaftsverwaltenden Anordnungen Folge zu leisten. \n--- \n| 10 \n--- \n| Entgegen dem Beschwerdevorbringen folgt aus dieser, die klinikinterne\nAufgabenverteilung betreffenden Zustandigkeit des Universitatsklinikums jedoch\nnicht, dass ihm auch die Entscheidungsgewalt in personellen Angelegenheiten\ndes wissenschaftlichen Personals ubertragen worden ist. Denn trotz der\nrechtlichen Verselbstandigung der Universitatsklinika ist das\nwissenschaftliche Personal bei der jeweiligen Universitat und damit im\nLandesdienst verblieben, ungeachtet der Tatsache, dass diese Personen im\nUniversitatsklinikum auch Aufgaben der Krankenversorgung wahrzunehmen haben.\nInsofern ist die personliche Stellung der medizinischen\nUniversitatsprofessoren - und damit auch die des Antragstellers - von der in §\n1 Abs. 2 Satz 2 UKG statuierten Gesamtrechtsnachfolge unberuhrt geblieben\n(vgl. auch Epping/Lenz, DÖV 2004, 2). Dass dies auch dem Willen des\nGesetzgebers entspricht, ergibt sich insbesondere aus der amtlichen Begrundung\nzu § 4 UKG, wonach beamtenrechtliche Entscheidungsbefugnisse - und damit auch\nsolche im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 LBG - von der dem Universitatsklinikum\nobliegenden Personalverwaltung gerade nicht umfasst werden (vgl. LT-Drucks.\n12/1740, S. 30). § 4 Abs. 3 UKG lasst daher die in § 121 Satz 1 UG getroffene\nZustandigkeitsregelung unberuhrt. \n--- \n| 11 \n--- \n| Auch die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller habe\nden erforderlichen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m.\n§ 920 Abs. 2 ZPO), begegnet - entgegen dem Beschwerdevorbringen - keinen\nrechtlichen Bedenken. Das folgt schon daraus, dass - wie sich aus den oben\ngenannten Grunden ergibt - ein Obsiegen des Antragstellers im\nHauptsacheverfahren in hohem Maße wahrscheinlich ist. Daruber hinaus ist es\ndem Antragsteller auch nicht zumutbar, die Entscheidung in der Hauptsache\nabzuwarten, da ihm in der Zwischenzeit ganz erhebliche Nachteile drohen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Der vollstandige Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung fuhrt dazu,\ndass der Klager u.a. keine operativen Eingriffe, keine Indikationsstellungen\nsowie keine postoperativen stationaren Versorgungen transplantierter Patienten\nmehr durchfuhren kann. Dies wird auch von Seiten des Antragsgegners nicht\nbestritten. Aus dem Schreiben vom 22.10.2003 selbst ergibt sich, dass es Ziel\nder „Verfugung" ist, diese Folgen herbeizufuhren. Ausweislich der vom\nAntragsteller vorgelegten - und vom Antragsgegner nicht in Frage gestellten -\nRichtlinien der Deutschen Transplantationsgesellschaft gehoren zur arztlichen\nQualifikation fur Nierentransplantationen insbesondere die Durchfuhrung\nentsprechender Operationen sowie die postoperative und ambulante Betreuung der\nPatienten. Es steht zu befurchten und stellt einen unzumutbaren Nachteil dar,\ndass der Antragsteller diese Anforderungen an die klinische Qualifikation bis\nzu einer abschließenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr\naufrechterhalten kann mit der Folge, dass er die Qualifikation zur\nTransplantation verliert. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Dabei\nentspricht es der Billigkeit, dem Antragsgegner nicht auch die\naußergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser keinen\nAntrag gestellt hat. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Festsetzung des Streitwerts fur das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 20\nAbs. 2, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG. \n--- \n| 15 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). \n---\n\n |
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139,946 | vg-stuttgart-2004-07-05-a-11-k-1172503 | 160 | Verwaltungsgericht Stuttgart | vg-stuttgart | Stuttgart | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | A 11 K 11725/03 | 2004-07-05 | 2019-01-07 14:46:52 | 2019-01-17 12:00:07 | Urteil | ## Tenor\n\nDie Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass bei der Klagerin ein\nAbschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG vorliegt. Ziffer 3 des\nBescheids des Bundesamtes fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge vom\n19. Mai 2003 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht. Im Übrigen wird die\nKlage abgewiesen.\n\nDie Klagerin tragt zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten der Beklagten.\nDie Beklagte tragt ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klagerin. Im\nÜbrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.\nGerichtskosten werden nicht erhoben.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin ist Staatsangehorige von Serbien und Montenegro, albanischer\nVolkszugehorigkeit aus dem Kosovo. Sie reiste am 28.12.1998 in das\nBundesgebiet ein. Zur Begrundung des am 18.01.1999 gestellten Asylantrags trug\ndie Klagerin bei der Anhorung im Rahmen der Vorprufung in Ludwigsburg am\n10.02.1999 vor, sie habe im Kosovo zuletzt in Z. im Kreis Peje gelebt. Am\n22.12.1998 sei serbische Polizei wegen ihres Bruders, der bei der UCK gewesen\nsei, bei ihnen zu Hause erschienen. Die Polizisten seien mit Panzerwagen\ngekommen. Ein Militar-Lkw habe direkt vor ihrem Haus gestanden. Zu Hause\nhatten sich noch ihre Eltern, drei Schwestern und drei Bruder aufgehalten. An\ndiesem Tag sei ein Nachbar von ihnen erschossen worden. Die serbischen\nPolizisten hatten sie und alle Familienmitglieder geschlagen. Zwei Polizisten\nhatten sie in den Militar-Lkw gebracht. Dort hatten sie dann versucht, sie zu\nvergewaltigen. Sie habe sich gewehrt. Daraufhin sei sie geschlagen und mit\nFußen getreten worden. Deshalb habe sie Verletzungen auf dem Bauch, den\nRippen, auf den Handen und im Kopfbereich erlitten. Sie sei dann mehrmals\nvergewaltigt worden. Schließlich sei sie bewusstlos geworden. Sie sei dann in\neinen Raum in einen Keller gebracht worden. Dort sei sie wieder geschlagen\nworden. Eine erneute Vergewaltigung habe nicht stattgefunden. Sie sei sehr\nmude, wie tot gewesen, man habe mit ihr nichts mehr machen konnen. Eine Nacht\nlang sei sie in diesem Raum festgehalten worden. Am nachsten Morgen sei sie\nfreigelassen worden. Ihre Kleidung sei aufgrund der mehrfachen\nVergewaltigungen zerrissen gewesen. Nach ihrer Freilassung habe sie durch\nBefragung von Dorfbewohnern erfahren, dass sie sich in Gllareve befunden habe.\nDieser Ort sei ca. eine halbe Stunde von ihrem Heimatdorf entfernt. Sie habe\nBewohner nach dem Bruder ihres Verlobten namens ..., der auch bei der UCK sei,\ngefragt. Die Bewohner hatten ihr gesagt, sie musse in die Walder gehen. Da in\nGllareve Krieg geherrscht habe, seien die UCK-Leute im Wald gewesen. Sie sei\ndann in den Wald gegangen und habe UCK-Leute getroffen und diese nach dem\nBruder ihres Verlobten gefragt. Als dieser sie gesehen habe, sei sie von der\nUCK medizinisch behandelt worden. Da sie nicht mehr habe laufen konnen, sei\nsie von einem Kombi abgeholt worden. Darin sei sie die ganze Zeit liegen\ngeblieben. Mit dem Kombi sei sie direkt bis nach Munchen gefahren worden. In\nMunchen habe sie ihre Schwester ... angerufen. Diese habe dann ihren Verlobten\n... informiert. Dieser habe sie in Munchen abgeholt. \n--- \n| 2 \n--- \n| Am 12.04.2000 reichte die Klagerin ein psychologisches Attest des\nKreisverbandes Freiburg des Deutschen Roten Kreuzes vom 07.04.2000 ein. In\ndiesem Attest fuhrt die Psychotherapeutin ... aus, die Klagerin wirke vollig\ngehemmt, psychomotorisch verlangsamt und apathisch. Im Kontakt sei sie\ndeutlich verunsichert, verangstigt und um konzentrierte Zuwendung bemuht. Nach\nder bisherigen Exploration und diagnostischen Untersuchung ergebe sich die\nDiagnose einer schweren posttraumatischen Belastungsstorung mit ausgepragter\nAngstsymptomatik sowie mit depressiver Komponente. \n--- \n| 3 \n--- \n| In einer weiteren eingereichten psychologischen Stellungnahme vom\n17.05.2002 fuhrt Frau ... aus, bei der Klagerin bestehe eine ausgepragte\nDepressivitat mit Grubelzwang und Hoffnungslosigkeit, anhaltenden\nSchlafstorungen mit Albtraumen, plotzlich auftretenden Angstzustanden sowie\nchronischen Kopfschmerzen. Der Zustand der Klagerin weise keinerlei\nBesserungstendenzen auf. Zwei der Bruder der Klagerin seien bei einer\nDurchsuchungsrazzia im Dezember 1998 mitgenommen und anschließend ermordet\nworden. Die Klagerin selbst sei von der Miliz mitgenommen und einige Tage in\neinem Keller misshandelt worden. Danach habe man sie im verstorten Zustand auf\ndie Straße gesetzt. Die erlebten Gewaltszenen und die Zerstorung der Familie\nmit den hiermit verknupften Bedrohungs- und Verlustmomenten hatten bei der\nKlagerin zu einer tiefgreifenden seelischen Veranderung gefuhrt. Bei der\nKlagerin konnten mittlerweile eine komplexe posttraumatische Belastungsstorung\nmit Chronifizierungstendenz, eine depressive Entwicklung, latente Suizidalitat\nund chronische, persistierende Kopfschmerzen diagnostiziert werden. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Bescheid des Bundesamts fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge\nvom 19.05.2003 wurde der Asylantrag abgelehnt und festgestellt, dass weder die\nVoraussetzungen des § 51 Absatz 1 des Auslandergesetzes noch ein\nAbschiebungshindernis nach § 53 dieses Gesetzes vorliegen, sowie mit einer\nAusreisefrist von einem Monat die Abschiebung angedroht. \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 06.06.2003 hat die Klagerin Klage erhoben. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 7 \n--- \n| den Bescheid des Bundesamtes fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge\nvom 19.05.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sie als\nAsylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des §\n51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 9 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Sie bezieht sich auf die Begrundung des angefochtenen Bescheids. \n--- \n| 11 \n--- \n| Der beteiligte Bundesbeauftragte stellt keinen Antrag. \n--- \n| 12 \n--- \n| Das Gericht hat mit Beschluss vom 02.09.2003 die Psychiatrische Klinik des\n...-Krankenhauses mit der Erstattung eines psychiatrischen Gutachtens\nbeauftragt. Am 04.04.2004 haben Univ-Doz. ... vom ...-Krankenhaus - Klinik fur\nPsychiatrie und Psychotherapie - das erbetene Gutachten erstellt. \n--- \n| 13 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung hatte die Klagerin im Wesentlichen ihren\nbisherigen Vortrag wiederholt. \n--- \n| 14 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache\ngehorende Akte der Beklagten Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 15 \n--- \n| Das Gericht konnte trotz Ausbleibens von Beteiligten uber die Sache\nverhandeln und entscheiden, da sie ordnungsgemaß geladen und in der Ladung auf\ndiese Moglichkeit hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 16 \n--- \n| Die zulassige Klage hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang\nErfolg. Das Bundesamt hat den Asylantrag der Klagerin zu Recht abgelehnt. Die\nKlagerin hat keinen Anspruch, als Asylberechtigte anerkannt zu werden (§ 113\nAbs. 5 VwGO). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Aufgrund des Artikels 16 a Abs. 1 GG i.V.m. den Bestimmungen des\nAsylverfahrensgesetzes werden politisch Verfolgte auf Antrag als\nAsylberechtigte anerkannt, sofern sie nicht bereits in einem anderen Staat vor\npolitischer Verfolgung sicher waren. Politisch ist eine Verfolgung dann, wenn\nsie - als staatliche oder dem Staat zurechenbare Maßnahme - dem Einzelnen in\nAnknupfung an asylerhebliche Merkmale (politische Überzeugung, religiose\nGrundentscheidung, Rasse, Nationalitat oder Zugehorigkeit zu einer bestimmten\nsozialen Gruppe) gezielt Rechtsverletzungen zufugt, die ihn ihrer Intensitat\nnach aus der ubergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen\n(BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, BVerfGE 80, 315). Die fragliche Maßnahme muss\ndem Betroffenen gezielt Rechtsverletzungen zufugen. Daran fehlt es bei\nNachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustande in seinem Heimatstaat\nzu erleiden hat, wie Hunger, Naturkatastrophen, aber auch bei den allgemeinen\nAuswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen (BVerfG, Beschl. v.\n10.07.1989, aaO). Ob eine an asylerhebliche Merkmale anknupfende,\nzielgerichtete politische Verfolgung vorliegt, die Verfolgung mithin wegen\neines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der\nerkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den\nsubjektiven Grunden oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerfG,\nBeschl. v. 10.07.1989, aaO). Deshalb konnen auch staatliche Maßnahmen gegen an\nsich unpolitische Personen politische Verfolgung sein (BVerfG, Beschl. v.\n28.01.1993, InfAuslR 1993, 142; Beschl. v. 02.12.1993, NVwZ-Beilage 1994, 11). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Schließlich muss die gezielt zugefugte Rechtsverletzung von einer\nIntensitat sein, die sich nicht nur als Beeintrachtigung, sondern als -\nausgrenzende - Verfolgung darstellt. Das Maß dieser Intensitat ist nicht\nabstrakt vorgegeben. Es muss der humanitaren Intention entnommen werden, die\ndas Asylrecht tragt, demjenigen Schutz und Aufnahme zu gewahren, der sich in\neiner fur ihn ausweglosen Lage befindet (BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, aaO).\nHandelt es sich allerdings um Beeintrachtigungen der korperlichen\nUnversehrtheit, so stellt generell jede derartige nicht ganz unerhebliche\nMaßnahme staatlicher Stellen, die an die politische Überzeugung oder\nBetatigung eines Betroffenen anknupft, politische Verfolgung dar (vgl. BVerfG,\nBeschl. v. 22.01.1999, NVwZ-Beilage 1999, 81 und Beschl. v. 15.02.2000, NVwZ-\nBeil. I 2000, 75; BVerwG, Urt. v. 25.07.2000, NVwZ 2000, 1426). \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Auch Maßnahmen der staatlichen Selbstverteidigung konnen\nasylrechtsbegrundend sein. Da die betatigte politische Überzeugung gleichfalls\nim Schutzbereich des Asylgrundrechts liegt, kann eine staatliche Verfolgung\nvon Taten, die aus sich heraus eine Umsetzung politischer Überzeugung\ndarstellen, politische Verfolgung sein. Es bedarf besonderer, an objektive\nUmstande anknupfender Kriterien, um sie gleichwohl aus dem Bereich politischer\nVerfolgung herausfallen zu lassen (BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, aaO; Beschl.\nv. 09.10.1990, InfAuslR 1991, 97, Beschl. v. 19.06.1992, InfAuslR 1992, 372\nund Beschl. v. 05.08.1998, InfAuslR 1999, 37). Ein solches Kriterium ist der\nRechtsguterschutz. Die staatliche Verfolgung kriminellen Unrechts, also von\nStraftaten die sich gegen die Rechtsguter anderer Burger richten, ist auch\ndann keine politische Verfolgung, wenn die Straftaten aus einer politischen\nÜberzeugung heraus begangen worden sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.1989,\nNVwZ 1990, 453). Eine danach nicht asylerhebliche Strafverfolgung kann jedoch\nin politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstande darauf schließen\nlassen, dass der Betroffene wegen eines asylerheblichen Merkmals eine hartere\nals die sonst ubliche Behandlung erleidet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989\na.a.O.). Auch eine unmenschliche Behandlung, insbesondere Folter, kann sich\nals politische Verfolgung darstellen, wenn sie wegen asylrelevanter Merkmale\noder mit Blick auf diese in verscharfter Form eingesetzt wird (vgl. BVerfG,\nBeschl. v. 20.12.1989, NVwZ 1990, 453). \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Nicht asylbegrundend sind staatliche Maßnahmen nur dann, wenn und soweit\nsie sich auf die Abwehr des Terrorismus beschranken. Allerdings kann bei\nMaßnahmen des Staates zur Abwehr des Terrorismus eine asylerhebliche\nVerfolgung vorliegen, wenn objektive Umstande - z. B. eine gesteigerte\nVerfolgungsintensitat in Form einer harteren Bestrafung - darauf schließen\nlassen, dass der Betroffene gleichwohl wegen eines asylerheblichen Merkmals\nverfolgt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989 a.a.O.; Beschl. v.\n25.04.1991, NVwZ 1992, 261; Beschl. v. 22.01.1999 a.a.O. und Beschl. v.\n15.02.2000 a.a.O.). Politische Verfolgung liegt auch vor bei staatlichem\nGegenterror, der darauf gerichtet ist, die an dem bestehenden Konflikt nicht\nunmittelbar beteiligte zivile Bevolkerung in Erwiderung des Terrorismus unter\nden Druck brutaler Gewalt zu setzen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989\na.a.O.; Beschl. v. 09.12.1993, NVwZ 1994, 478; Beschl. v. 22.01.1999 a.a.O.\nund Beschl. v. 15.02.2000 a.a.O.; BVerwG, Urt. v. 25.07.2000 a.a.O.). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Wer von nur regionaler politischer Verfolgung betroffen ist, ist erst dann\npolitisch Verfolgter im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG, wenn er dadurch\nlandesweit in eine ausweglose Lage versetzt wird. Das ist der Fall, wenn er in\nanderen Teilen seines Heimatstaates eine zumutbare Zuflucht nicht finden kann\n(inlandische Fluchtalternative). Eine solche inlandische Fluchtalternative\nsetzt voraus, dass der Asylsuchende in den in Betracht kommenden Gebieten vor\npolitischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls dort auch\nkeine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensitat und\nSchwere einer asylerheblichen Rechtsgutsbeeintrachtigung aus politischen\nGrunden gleichkommen, sofern diese existenzielle Gefahrdung am Herkunftsort so\nnicht bestunde (BVerfG, Beschl. v. 10.11.1989, DVBl. 1990, 201). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Das Asylrecht des Art. 16 a Abs. 1 GG beruht auf dem Zufluchtgedanken,\nmithin auf dem Kausalzusammenhang Verfolgung - Flucht - Asyl (vgl. BVerfG,\nBeschl. v. 26.11.1986, BVerfGE 74, 51). Dieser Kausalzusammenhang fehlt aber\nnur dann, wenn ein Asylbewerber nach erlittener politischer Verfolgung noch\nlangere Zeit im Heimatland verbleibt und in dieser Zeit dort unbehelligt und\nverfolgungsfrei leben kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989 a.a.O.; Beschl.\nv. 22.01.1999 a.a.O. und Beschl. v. 15.02.2000 a.a.O.). Asylberechtigt ist\ndanach typischerweise, wer aufgrund erlittener oder unmittelbar drohender\npolitischer Verfolgung gezwungen ist, sein Land zu verlassen und im Ausland\nSchutz und Zuflucht zu suchen. Atypisch, wenn auch haufig, ist der Fall des\nunverfolgt Eingereisten, der hier gleichwohl Asyl begehrt und dafur auf\nUmstande verweist, die erst wahrend seines Hierseins entstanden sind oder\nderen erst kunftiges Entstehen er besorgt (sog. Nachfluchttatbestande, vgl.\nBVerfG, Beschl. v. 26.11.1986, aaO). Nach diesem normativen Leitbild des\nAsylgrundrechts gelten fur die Beurteilung, ob ein Asylsuchender politisch\nVerfolgter i.S. des Art. 16 a Abs. 1 GG ist, unterschiedliche Maßstabe je\nnachdem, ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder\nunmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er\nunverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist (vgl. BVerfG,\nBeschl. v. 10.07.1989 a.a.O.). \n--- \n| 23 \n--- \n| Steht fest, dass der Asylsuchende vor landesweiter politischer Verfolgung\ngeflohen ist, so ist er asylberechtigt, es sei denn, er kann in seinem eigenen\nStaat wieder Schutz finden. Ist die Verfolgungsgefahr zwischenzeitlich\nbeendet, kommt es darauf an, ob mit ihrem Wiederaufleben zu rechnen ist. Ist\nder Asylsuchende im Zeitpunkt der Entscheidung vor erneuter Verfolgung\nhinreichend sicher, so ist eine Anerkennung als Asylberechtigter nicht geboten\n(vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.01.1991, InfAuslR 1992, 59). \n--- \n| 24 \n--- \n| Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat jedoch unverfolgt verlassen, so\nkann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von beachtlichen\nNachfluchttatbestanden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.11.1986, BVerfGE 74, 51)\npolitische Verfolgung droht. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| In Anwendung dieser Grundsatze war die Klagerin vor ihrer Ausreise aus\nihrem Heimatland politisch verfolgt. Die von Angehorigen der serbischen\nSicherheitskrafte im Kosovo vollzogene Vergewaltigung der Klagerin hatte\nausgrenzenden Charakter, da der Klagerin hierdurch deutlich gemacht wurde,\ndass ihre korperliche Integritat und ihre personliche Wurde keine Bedeutung\nhaben. Die Vergewaltigung der Klagerin knupfte auch an ein asylerhebliches\nMerkmal an. Die Klagerin wurde von Sicherheitskraften mitgenommen und\nvergewaltigt, da ihr Bruder der UCK angehort hat. Die gegen die Klagerin\ngerichteten Maßnahmen erfolgten somit mit Blick auf die bei der Klagerin\ngleichfalls vermutete Unterstutzung der UCK. Entgegen der Behauptung des\nBundesamtes kann die Vergewaltigung der Klagerin durch serbische\nSicherheitskrafte nicht als asylunerheblicher Amtswalterexzess angesehen\nwerden. Denn Amtswalterexzesse sind dem Staat nur dann nicht zurechenbar, wenn\nes sich um vereinzelte Exzesstaten von Amtswaltern handelt (vgl. BVerfG, B. v.\n08.06.2000, NVwZ - Beilage I 2000, 121). Hiervon kann im Kosovo angesichts der\nHaufigkeit der Übergriffe der serbischen Sicherheitsgrenze, solange diese dort\ndie Gebietsgewalt hatten, keine Rede sein. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Klagerin ist jedoch bei einer heutigen Ruckkehr in ihre Heimatprovinz\nhinreichend sicher vor erneuter politischer Verfolgung. Seit dem Einrucken der\nUN-Friedenstruppe KFOR und seit dem vollstandigen Abzug aller serbischen bzw.\njugoslawischen Armeetruppen, sonderpolizeilichen Einheiten und\nparamilitarischen Gruppen aus dem Kosovo im Juni 1999 auf der Grundlage des\nvon der Bundesrepublik Jugoslawien angenommenen G-8-Friedensplans und der vom\nUN-Sicherheitsrat beschlossenen Kosovo-Friedensresolution 1244 hat Serbien die\neffektive Gebietsgewalt auf dem Territorium des Kosovo verloren, so dass eine\nvom ehemaligen jugoslawischen Staat ausgehende oder ihm zurechenbare\npolitische Verfolgung der Kosovo-Albaner in diesem Gebiet ausgeschlossen ist.\nDurch die Prasenz der KFOR-Truppen ist es fur absehbare Zeit ausgeschlossen,\ndass Serbien auf militarischem Weg die effektive Gebietsherrschaft im Kosovo\nwieder erlangen konnte. Die UN-Resolution 1244 sieht vor, dass die\ninternationale zivile Prasenz und die internationale Sicherheitsprasenz\nzunachst fur einen Zeitraum von zwolf Monaten eingerichtet werden, dass dieser\nZeitraum jedoch zu verlangern ist, wenn der Sicherheitsrat nichts anderes\nbeschließt. Fur letzteres gibt es keinerlei Anhaltspunkte, zumal die\nStationierung der KFOR-Truppen zur Sicherung der dauerhaften Ruckkehr der\nVertriebenen und zur allgemeinen Befriedung der Region erfolgt ist. Es gibt\nkeinerlei Hinweise dafur, dass sich die KFOR und die internationale zivile\nPrasenz in absehbarer Zeit aus dem Kosovo zuruckziehen (vgl. AA, ad hoc-\nBerichte vom 4.6.2002 und vom 27.11.2002 sowie Lagebericht vom 10.2.2004;\nSchweizerische Fluchtlingshilfe, Kosovo-Lageanalyse Marz 2000; VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 17.03.2002 - A 14 S 1167/98 u. Urt. v. 29.03.2001 - A 14\nS 2078/99, Asylmagazin 5 - 6/2001, 29). Da die Organe von Serbien seit dem\nEinmarsch der KFOR-Truppen die Gebietsgewalt im Kosovo verloren haben,\nscheiden sie als Urheber politischer Verfolgung im Sinne von Art. 16a Abs. 1\nGG und § 51 Abs. 1 AuslG aus. Entsprechendes gilt fur albanische\nGruppierungen, da die Gebietsgewalt im Kosovo allein von der UNMIK und den\nKFOR-Truppen ausgeubt wird. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Klage ist auch unbegrundet, soweit die Klagerin die Feststellung\nbegehrt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Gemaß § 51\nAbs. 2 Satz 2 AuslG stellt das Bundesamt fur die Anerkennung auslandischer\nFluchtlinge in einem Asylverfahren nach den Vorschriften des AsylVfG fest, ob\ndie Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Nach dieser Bestimmung\ndarf ein Auslander nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben\noder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehorigkeit, seiner\nZugehorigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner\npolitischen Überzeugung bedroht ist. Diese Voraussetzungen sind hier nicht\ngegeben, wie aus dem Ausgefuhrten folgt. Anhaltspunkte fur das Vorliegen\ndieser Voraussetzungen außerhalb des Prufungsgegenstandes des Artikels 16 a\nAbs.1 GG sind ebenfalls nicht ersichtlich. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Klagerin hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur\nFeststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 1, 2 und 4 AuslG;\nderartige Abschiebungshindernisse hat die Klagerin weder geltend gemacht noch\nsind solche ersichtlich. Der Klagerin steht jedoch ein Abschiebungshindernis\nnach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG zur Seite. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG kann von der Abschiebung eines Auslanders in\neinen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort fur diesen Auslander eine\nerhebliche konkrete Gefahr fur Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese\nBestimmung fragt nicht danach, von wem die Gefahr ausgeht oder wodurch sie\nhervorgerufen wird; die Regelung stellt vielmehr lediglich auf das Bestehen\neiner konkreten Gefahr ab ohne Rucksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder\nihm zumindest zuzurechnen ist (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, NVwZ 1996,\n199). Eine Aussetzung der Abschiebung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG kommt\njedoch nicht in Betracht, wenn die geltend gemachten Gefahren nicht landesweit\ndrohen und der Auslander sich ihnen durch Ausweichen in sichere Gebiete seines\nHerkunftslandes entziehen kann (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995 aaO.). Ein\nAuslander kann schon dann auf einen alternativen Landesteil verwiesen werden,\nwenn ihm dort konkrete Gefahren i. S. d. § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG nicht mit\nbeachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen; sonstige Mindestanforderungen an die\nQualitat und Verfolgungssicherheit des Aufenthalts in der Ausweichregion\nbestehen nicht (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. vom 22.07.1998 - A 6 S 3421/96 -).\nDie Gefahr fur Leib, Leben oder Freiheit muss mit beachtlicher\nWahrscheinlichkeit bestehen. Die besondere Schwere eines drohenden Eingriffs\nist im Rahmen der gebotenen qualifizierenden Betrachtungsweise im Sinne einer\nGewichtung, Abwagung und zusammenfassenden Bewertung des zur Prufung\ngestellten Lebenssachverhalts vermittels des Kriteriums, ob die\nWahrscheinlichkeit der Rechtsgutverletzung beachtlich ist, zu berucksichtigen\n(vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995 aaO. und Urt. vom 05.07.1994, InfAuslR 1995,\n24). Dieser Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit ist auch in Fallen\nbereits erlittener gleichartiger Gefahrenlagen nicht herabzusetzen (vgl.\nBVerwG, Urt. vom 17.10.1995 aaO.) \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Auch die drohende Verschlimmerung einer Krankheit wegen ihrer nur\nunzureichenden medizinischen Behandlung im Zielstaat der Abschiebung kann ein\nAbschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG darstellen (vgl. BVerwG,\nUrt. vom 25.11.1997, BVerwGE 105, 383 = NVwZ 1998, 524; Urt. vom 27.04.1998,\nNVwZ 1998, 973 und Urt. vom 21.09.1999, NVwZ 2000, 206). Eine\nzielstaatsbezogene Gefahr fur Leib und Leben besteht auch dann, wenn die\nnotwendige Behandlung oder Medikation im Zielstaat zwar allgemein zur\nVerfugung steht, dem betroffenen Auslander individuell jedoch aus finanziellen\noder sonstigen Grunden nicht zuganglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.10.2002,\nNVwZ - Beilage I 2003, 53 = DVBl. 2003, 463 und B. v. 29.04.2003, Buchholz\n402.240 § 53 AuslG Nr. 60; VGH Kassel, Urt. v. 24.06.2003, AuAS 2004, 20). \n--- \n| 31 \n--- \n| Nach diesen Grundsatzen ist Abschiebungsschutz zu gewahren, weil die\nKlagerin an einer posttraumatischen Belastungsstorung im Übergang zur\nchronischen Personlichkeitsstorung nach Extrembelastung leidet, fur die es im\nKosovo keine ausreichenden Behandlungsmoglichkeiten gibt. Das Gericht ist\naufgrund der Angaben der Klagerin in der mundlichen Verhandlung zu der\nÜberzeugung gelangt, dass die Klagerin unmittelbar vor ihrer Ausreise nach\neiner Razzia durch die serbische Polizei durch serbische Polizisten\nvergewaltigt wurde und dass dieses Ereignis und die Hinrichtung ihrer Bruder,\ndie ihr zu helfen versucht hatten, zu der fachpsychiatrisch diagnostizierten\nTraumatisierung gefuhrt haben. Der Sachverhalt, der in dem vom Gericht\neingeholten Gutachten der Klinik fur Psychiatrie und Psychotherapie des\n...-Krankenhauses zugrunde gelegt wurde, hat sich damit als tragfahig\nerwiesen. Aufgrund der glaubhaften Schilderungen der Klagerin bestehen auch an\nder Richtigkeit der gestellten medizinischen Diagnose keine Zweifel. Die im\nGutachten des ...-Krankenhauses diagnostizierte posttraumatische\nBelastungsstorung ist in der Auflistung aller Krankheiten durch die\nWeltgesundheitsorganisation unter F 43.1 der ICD 10 enthalten (vgl. Dilling\nu.a., Internationale Klassifikation psychischer Storungen, 3. Auflage, S.\n121). In der internationalen Klassifikation sind Traumata definiert als kurz\noder lang anhaltende Ereignisse oder Geschehen von außergewohnlicher Bedrohung\nmit katastrophalem Ausmaß, die nahezu bei jedem Betroffenen tiefgreifende\nVerzweiflung auslosen werden (vgl. Koch in: Asylpraxis, Band 9, Seite 61,\n69ff). Man unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen traumatischen\nEreignissen in Folge von Unfallen oder Katastrophen und willentlich durch\nMenschen verursachten Traumata (z. B. Folter, Misshandlung, Vergewaltigung und\nKriegserlebnisse). Dass letzteres bei der Klagerin der Fall ist, ergibt sich\naus den uberzeugenden Ausfuhrungen im Gutachten des ...-Krankenhauses. Die\nhier vorliegende Traumatisierung durch Vergewaltigung stellt einen Fall mit\neiner besonders ungunstigen Prognose, namlich den Fall der sog. man made\ndesaster dar, wobei das Kernproblem der Traumatisierung die erlebte\nHilflosigkeit ist. Neben dem erlittenen Trauma (sog. A-Kriterium) spielen die\nflashbacks der Erinnerungen (sog. B-Kriterium) eine bestimmende Rolle im\nKrankheitsbild, so dass Nachhallerinnerungen dem Betroffenen das Gefuhl\nvermitteln, die traumatische Situation wieder zu erleben. Daraus ergibt sich\nals sog. C-Kriterium das bewusste Vermeiden von Orten oder Menschen, die\nErinnerungen wachrufen konnen (vgl. Koch a. a. O. S. 79ff; Dr. Haenel in:\nAsylpraxis Band 9, S. 111ff; Dr. Lindstedt in: Asylpraxis Band 7, S. 97,\n121ff; Hofmann, EMDR in der Therapie psychotraumatischer Belastungssyndrome,\nS. 2ff). Es ist anerkannt, dass medikamentose Behandlung nur mit zusatzlicher\nPsychotherapie langfristig erfolgreich sein kann und eine solche Therapie nur\nunter gleichsam geschutzten Bedingungen, d. h. ohne die Gefahr des\nWiederaufkeimens der Befurchtungen moglich ist (vgl. Bittenbinder in :\nAsylpraxis Band 9, S. 35, 54 ff; Graessner u.a., Die Spuren von Folter, S. 77\nff; Koch a. a. O. S. 78). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Den dem Verwaltungsgericht vorliegenden Erkenntnisquellen uber den Zustand\ndes Gesundheitswesens im Kosovo, insbesondere uber die Moglichkeiten einer\nBehandlung schwerer psychischer Erkrankungen durch dortige Krankenhauser und\nÄrzte, lassen sich keine Anhaltspunkte dafur entnehmen, dass die Erkrankung\nder Klagerin im Kosovo zuverlassig behandelt werden konnte. Dies begrundet die\nGefahr einer Verfestigung und Verstarkung der Krankheitssymptome, was eine\nerhebliche Gefahr fur die Gesundheit der Klagerin darstellt. Zwar ist im\nKosovo eine medizinische Grundversorgung vorhanden und nach dem Ende des\nKrieges im Juni 1999 verbesserte sich die allgemeine gesundheitliche\nVersorgung dort nach und nach. Schwerste Erkrankungen, insbesondere auch\nschwerste psychische Erkrankungen, konnen dort jedoch nach wie vor kaum\nzuverlassig behandelt werden. Psychische Erkrankungen werden im offentlichen\nGesundheitswesen rein medikamentos behandelt. Zwar gibt es einzelne privat\npraktizierende Facharzte fur Psychiatrie. Die Behandlungsplatze im privaten\nBereich sind jedoch sehr begrenzt und die Kosten muss der Patient selbst\ntragen (AA, Lagebericht vom 10.2.2004). Nach den vorliegenden\nErkenntnisquellen kann nicht davon ausgegangen werden, dass jede Person, die\neine psychotherapeutische Behandlung benotigt, eine solche auch in\nangemessener Zeit und in wenigstens ausreichender Qualitat erfahrt. So wird\nvon zum Teil sehr langen Wartezeiten berichtet sowie daruber, dass in vielen\nFallen lediglich eine Behandlung durch die Verabreichung von Medikamenten\nerfolgt, wodurch aber eine wirkliche Heilung nicht herbeigefuhrt werden kann\n(vgl. UNHCR, Auskunft v. 29.9.2003 an VG Koblenz und Auskunft v. 26.11.2003 an\nRechtsanwalt Vesin; Schweizerische Fluchtlingshilfe, Die medizinische\nVersorgungslage im Kosovo, Mai 2004, Seite 13ff; Dr. Schluter-Muller,\nGutachten v. 29.07.2003 an VG Frankfurt = Asylmagazin 11/2003, 25; AA,\nLagebericht vom 10.2.2004 und Auskunft v. 20.11.2003 an VG Kassel; Deutsches\nVerbindungsburo Kosovo, Auskunft v. 04.06.2004 an VG Stuttgart, vom 6.8.2002\nan VG Wurzburg u. vom 11.3.2002 an VG Schwerin). Nach Auffassung der\nSchweizerischen Fluchtlingshilfe (a. a. O.) leiden die\nNichtregierungsorganisationen, die im Bereich der Behandlung der\nposttraumatischen Belastungsstorung tatig sind, an Überlastung und verweisen\nTraumatisierte auf das staatliche Angebot; in der offentlichen\nGesundheitsversorgung kann PTBS jedoch nicht adaquat behandelt werden. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Zwar sind psychische Erkrankungen wie Depressionen und posttraumatische\nBelastungsstorungen in Serbien und Montenegro nach den vorliegenden\nErkenntnismitteln behandelbar (vgl. AA, Lagebericht zu Serbien und Montenegro\n- ohne Kosovo - vom 28.07.2003). Es ist jedoch offenkundig, dass eine\nerfolgreiche Behandlung der Klagerin in Serbien, dem „Land der Tater",\nausscheidet. Daruber hinaus ist die Krankenversorgung in Serbien und\nMontenegro fur die Klagerin auch individuell nicht erreichbar. Denn die\nadministrative Grenze zwischen dem Kosovo und dem ubrigen Serbien und\nMontenegro wird streng kontrolliert. Es ist keineswegs sicher, dass Personen\naus dem Kosovo die Einreise nach Serbien gewahrt wird. Erschwerend kommt\nhinzu, dass fur die Einreise jugoslawische Dokumente notwendig sind. Die von\nder UN-Verwaltung im Kosovo ausgestellten Personal- und Reisedokumente werden\nim restlichen Serbien und Montenegro nicht anerkannt. Im Übrigen setzt der\nZugang zum staatlichen Gesundheitssystem eine Wohnsitznahme in Serbien voraus.\nEine solche ist aber nur moglich fur Personen, die uber serbische\nPersonalpapiere verfugen (vgl. UNHCR, Stellungnahme v. 04.09.2003 an VG\nKoblenz - Asylmagazin 10/2003, 23 und Stellungnahme v. 29.09.2003 an VG\nKoblenz). Das Gericht kann somit dahingestellt sein lassen, ob der Kosovo in\nder gegenwartigen Situation noch als Teil des Gesamtstaates Serbien und\nMontenegro angesehen werden kann (vgl. verneinend VG Aachen, B. v. 29.04.2003,\nAsylmagazin 6/2003, 18 und Urt. v. 02.10.2003 - 1 K 2124/02. A - Juris =\nAsylmagazin 1-2/2004, 24). \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Unabhangig von der Behandelbarkeit der Klagerin im Kosovo bzw. in Serbien\nund Montenegro besteht ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG\nauch aufgrund der Gefahr der Retraumatisierung der Klagerin bei einer Ruckkehr\nin ihr Heimatland. Insoweit fuhrt das ...-Krankenhaus im Gutachten vom\n04.04.2004 aus, eine Ruckkehr der Klagerin sowohl in den Kosovo als auch nach\nSerbien fuhre zu einer Retraumatisierung. Eine Behandlung mit dem Ziel der\nVerarbeitung des Traumas sei nur mit zeitlichem und raumlichen Abstand zur\ntraumatisierenden Situation moglich. Bereits die ungeachtet etwaiger\nBehandlungsmoglichkeiten im Heimatland drohende Retraumatisierung, also das\ninnerliche Wiedererleben des traumatischen Ereignisses, das zur\nposttraumatischen Belastungsstorung gefuhrt hat, ausgelost durch erinnernde\nUmstande, z. B. im Wiedersehen von Orten oder Personen, die mit dem\ntraumatisierenden Ereignis in enger Beziehung gestanden haben, kann, wenn die\nGefahr hinreichend konkretisiert erscheint, zu einem Abschiebungshindernis\nnach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG fuhren (vgl. VGH Munchen, Urt. v. 20.10.1999 - 23\nB 98.30524; Treiber, Fallgruppen traumatisierter Fluchtlinge im Asylverfahren\nin: Asylpraxis Band 7 S. 15ff, 30 m. w. N.). So liegt der Fall hier. Aus der\nTraumaforschung ist bekannt, dass die Ruckkehr an Orte des Traumas wie ein\nTrigger wirkt und Panikattacken auslosen kann, die im Sinne einer\nRetraumatisierung wirken; dies fuhrt dann zu einer Verscharfung der\nposttraumatischen Belastungsstorung (vgl. Fischer/Riedesser, Lehrbuch der\nPsychotraumatologie). Die Retraumatisierung geht einher mit der vollen oder\ngesteigerten Entfaltung des Symptombildes der ursprunglichen traumatischen\nReaktion auf der korperlichen, psychischen und sozialen Ebene (vgl.\nKoch/Winter, Psychische Reaktionen nach Extrembelastung bei traumatisierten\nKriegsfluchtlingen, S. 6; Graessner u.a., Die Spuren von Folter, S. 78 ff).\nDie Gefahr der Retraumatisierung lasst sich auch nicht auf den eigentlichen\nOrt eingrenzen, an dem die Verletzungshandlung erfolgte, denn auch andere Orte\nund Personen im Heimatland, die dem zugrundeliegenden traumatischen Erlebnis\ngleichen, ahneln oder auch Anklange daran haben, fuhren zu einer\nReaktualisierung der Bilder des traumatischen Erlebens in der Vorstellung und\nden korperlichen Reaktionen des Betroffenen (vgl. Prof. Dr. Pfafflin,\nUniversitat Ulm, Gutachten vom 30.9.2000 an VG Sigmaringen), so dass im Falle\nder Klagerin die Gefahr der Retraumatisierung, die auch im Gutachten des\n...-Krankenhauses prognostiziert wird, konkret und landesweit gegeben ist. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Anwendung des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG wird schließlich auch nicht durch\n§ 53 Abs. 6 S. 2 AuslG gesperrt. Zwar mag zutreffen, dass die Anzahl\ntraumatisierter Albaner aus dem Kosovo recht groß ist. Fur die Gewahrung von\nAbschiebungsschutz gemaß § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG und die insoweit sich aus Satz\n2 dieser Vorschrift ergebende Begrenzung kommt es jedoch allein auf solche\nErkrankungen an, bei denen bei einer Abschiebung die in dieser Vorschrift\ngenannten Gefahren bestehen. Angesichts des vielfaltigen Symptombildes der\nposttraumatischen Belastungsstorung bestehen jedoch keine Anhaltspunkte dafur,\ndass in jedem Fall davon auszugehen ist, dass die Ruckkehr in den Kosovo\nGefahren erwarten lasst, die die Notwendigkeit von Abschiebungsschutz\nbegrunden. Es liegt in der Natur einer psychischen Erkrankung, die auf von\nvielen Menschen in gleicher oder ahnlicher Weise erlebten Ereignissen beruht,\ndass sie nicht allein durch diese Ereignisse entsteht, sondern vielmehr in der\nIndividualitat des Erlebenden ihre Ursache hat. Personen, die in Folge\nindividueller Ereignisse traumatisiert sind, stellen somit keine\nBevolkerungsgruppe im Sinne des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG dar (vgl. OVG Munster,\nB. v. 19.11.1999 - 19 B 1599/98 und B. v. 16.02.2004 - 14 A 548/04.A - Juris =\nAsylmagazin 6/2004,30; VG Gottingen, Urt. v. 05.09.2003, Asylmagazin 12/2003,\n26; VG Oldenburg, U. v. 27.01.2004, Asylmagazin 6/2004, 33). \n--- \n| 36 \n--- \n| Damit erfullt die Klagerin die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53\nAbs. 6 S. 1 AuslG. Diese Vorschrift sieht zwar die Feststellung eines\nAbschiebungshindernisses nicht als zwingende Rechtsfolge vor, sondern raumt\nder Beklagten bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen noch ein\nErmessen ein, jedoch reduziert sich hier das Ermessen auf Null (vgl. EGMR,\nEntscheidung v. 07.03.2000, NVwZ, 2001, 301 = InfAuslR 2000, 321). Mit Blick\nauf die der Klagerin bei einer Abschiebung nach Serbien und Montenegro\ndrohende konkrete Gefahr einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes,\ndie sich innerhalb kurzester Zeit realisierte, bleibt der Beklagten nur die\nEntscheidung, ein Abschiebungshindernis gem. § 53 Abs.6 S. 1 AuslG\nfestzustellen. \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Abschiebungsandrohung entspricht § 34 Abs. 1 AsylVfG und ist rechtlich\nnicht zu beanstanden. Die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach §\n53 Abs. 6 S. 1 AuslG durch das Bundesamt bewirkt nur eine zeitweilige\nVollziehbarkeitshemmung gem. § 41 AsylVfG. Fur eine erweiternde Auslegung des\n§ 50 Abs. 3 S. 2 AuslG ist bei einer auf asylverfahrensrechtlicher Grundlage\ngetroffenen Abschiebungsandrohung kein Raum (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.04.1997,\nNVwZ 1997, 1132). \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO und entsprechender\nAnwendung von § 162 Abs. 3 VwGO. Es besteht keine Veranlassung, die\naußergerichtlichen Kosten des beteiligten Bundesbeauftragten fur\nAsylangelegenheiten fur erstattungsfahig zu erklaren. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 15 \n--- \n| Das Gericht konnte trotz Ausbleibens von Beteiligten uber die Sache\nverhandeln und entscheiden, da sie ordnungsgemaß geladen und in der Ladung auf\ndiese Moglichkeit hingewiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 16 \n--- \n| Die zulassige Klage hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang\nErfolg. Das Bundesamt hat den Asylantrag der Klagerin zu Recht abgelehnt. Die\nKlagerin hat keinen Anspruch, als Asylberechtigte anerkannt zu werden (§ 113\nAbs. 5 VwGO). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Aufgrund des Artikels 16 a Abs. 1 GG i.V.m. den Bestimmungen des\nAsylverfahrensgesetzes werden politisch Verfolgte auf Antrag als\nAsylberechtigte anerkannt, sofern sie nicht bereits in einem anderen Staat vor\npolitischer Verfolgung sicher waren. Politisch ist eine Verfolgung dann, wenn\nsie - als staatliche oder dem Staat zurechenbare Maßnahme - dem Einzelnen in\nAnknupfung an asylerhebliche Merkmale (politische Überzeugung, religiose\nGrundentscheidung, Rasse, Nationalitat oder Zugehorigkeit zu einer bestimmten\nsozialen Gruppe) gezielt Rechtsverletzungen zufugt, die ihn ihrer Intensitat\nnach aus der ubergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen\n(BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, BVerfGE 80, 315). Die fragliche Maßnahme muss\ndem Betroffenen gezielt Rechtsverletzungen zufugen. Daran fehlt es bei\nNachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustande in seinem Heimatstaat\nzu erleiden hat, wie Hunger, Naturkatastrophen, aber auch bei den allgemeinen\nAuswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen (BVerfG, Beschl. v.\n10.07.1989, aaO). Ob eine an asylerhebliche Merkmale anknupfende,\nzielgerichtete politische Verfolgung vorliegt, die Verfolgung mithin wegen\neines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der\nerkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den\nsubjektiven Grunden oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerfG,\nBeschl. v. 10.07.1989, aaO). Deshalb konnen auch staatliche Maßnahmen gegen an\nsich unpolitische Personen politische Verfolgung sein (BVerfG, Beschl. v.\n28.01.1993, InfAuslR 1993, 142; Beschl. v. 02.12.1993, NVwZ-Beilage 1994, 11). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Schließlich muss die gezielt zugefugte Rechtsverletzung von einer\nIntensitat sein, die sich nicht nur als Beeintrachtigung, sondern als -\nausgrenzende - Verfolgung darstellt. Das Maß dieser Intensitat ist nicht\nabstrakt vorgegeben. Es muss der humanitaren Intention entnommen werden, die\ndas Asylrecht tragt, demjenigen Schutz und Aufnahme zu gewahren, der sich in\neiner fur ihn ausweglosen Lage befindet (BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, aaO).\nHandelt es sich allerdings um Beeintrachtigungen der korperlichen\nUnversehrtheit, so stellt generell jede derartige nicht ganz unerhebliche\nMaßnahme staatlicher Stellen, die an die politische Überzeugung oder\nBetatigung eines Betroffenen anknupft, politische Verfolgung dar (vgl. BVerfG,\nBeschl. v. 22.01.1999, NVwZ-Beilage 1999, 81 und Beschl. v. 15.02.2000, NVwZ-\nBeil. I 2000, 75; BVerwG, Urt. v. 25.07.2000, NVwZ 2000, 1426). \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Auch Maßnahmen der staatlichen Selbstverteidigung konnen\nasylrechtsbegrundend sein. Da die betatigte politische Überzeugung gleichfalls\nim Schutzbereich des Asylgrundrechts liegt, kann eine staatliche Verfolgung\nvon Taten, die aus sich heraus eine Umsetzung politischer Überzeugung\ndarstellen, politische Verfolgung sein. Es bedarf besonderer, an objektive\nUmstande anknupfender Kriterien, um sie gleichwohl aus dem Bereich politischer\nVerfolgung herausfallen zu lassen (BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, aaO; Beschl.\nv. 09.10.1990, InfAuslR 1991, 97, Beschl. v. 19.06.1992, InfAuslR 1992, 372\nund Beschl. v. 05.08.1998, InfAuslR 1999, 37). Ein solches Kriterium ist der\nRechtsguterschutz. Die staatliche Verfolgung kriminellen Unrechts, also von\nStraftaten die sich gegen die Rechtsguter anderer Burger richten, ist auch\ndann keine politische Verfolgung, wenn die Straftaten aus einer politischen\nÜberzeugung heraus begangen worden sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.1989,\nNVwZ 1990, 453). Eine danach nicht asylerhebliche Strafverfolgung kann jedoch\nin politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstande darauf schließen\nlassen, dass der Betroffene wegen eines asylerheblichen Merkmals eine hartere\nals die sonst ubliche Behandlung erleidet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989\na.a.O.). Auch eine unmenschliche Behandlung, insbesondere Folter, kann sich\nals politische Verfolgung darstellen, wenn sie wegen asylrelevanter Merkmale\noder mit Blick auf diese in verscharfter Form eingesetzt wird (vgl. BVerfG,\nBeschl. v. 20.12.1989, NVwZ 1990, 453). \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Nicht asylbegrundend sind staatliche Maßnahmen nur dann, wenn und soweit\nsie sich auf die Abwehr des Terrorismus beschranken. Allerdings kann bei\nMaßnahmen des Staates zur Abwehr des Terrorismus eine asylerhebliche\nVerfolgung vorliegen, wenn objektive Umstande - z. B. eine gesteigerte\nVerfolgungsintensitat in Form einer harteren Bestrafung - darauf schließen\nlassen, dass der Betroffene gleichwohl wegen eines asylerheblichen Merkmals\nverfolgt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989 a.a.O.; Beschl. v.\n25.04.1991, NVwZ 1992, 261; Beschl. v. 22.01.1999 a.a.O. und Beschl. v.\n15.02.2000 a.a.O.). Politische Verfolgung liegt auch vor bei staatlichem\nGegenterror, der darauf gerichtet ist, die an dem bestehenden Konflikt nicht\nunmittelbar beteiligte zivile Bevolkerung in Erwiderung des Terrorismus unter\nden Druck brutaler Gewalt zu setzen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989\na.a.O.; Beschl. v. 09.12.1993, NVwZ 1994, 478; Beschl. v. 22.01.1999 a.a.O.\nund Beschl. v. 15.02.2000 a.a.O.; BVerwG, Urt. v. 25.07.2000 a.a.O.). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Wer von nur regionaler politischer Verfolgung betroffen ist, ist erst dann\npolitisch Verfolgter im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG, wenn er dadurch\nlandesweit in eine ausweglose Lage versetzt wird. Das ist der Fall, wenn er in\nanderen Teilen seines Heimatstaates eine zumutbare Zuflucht nicht finden kann\n(inlandische Fluchtalternative). Eine solche inlandische Fluchtalternative\nsetzt voraus, dass der Asylsuchende in den in Betracht kommenden Gebieten vor\npolitischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls dort auch\nkeine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensitat und\nSchwere einer asylerheblichen Rechtsgutsbeeintrachtigung aus politischen\nGrunden gleichkommen, sofern diese existenzielle Gefahrdung am Herkunftsort so\nnicht bestunde (BVerfG, Beschl. v. 10.11.1989, DVBl. 1990, 201). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Das Asylrecht des Art. 16 a Abs. 1 GG beruht auf dem Zufluchtgedanken,\nmithin auf dem Kausalzusammenhang Verfolgung - Flucht - Asyl (vgl. BVerfG,\nBeschl. v. 26.11.1986, BVerfGE 74, 51). Dieser Kausalzusammenhang fehlt aber\nnur dann, wenn ein Asylbewerber nach erlittener politischer Verfolgung noch\nlangere Zeit im Heimatland verbleibt und in dieser Zeit dort unbehelligt und\nverfolgungsfrei leben kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989 a.a.O.; Beschl.\nv. 22.01.1999 a.a.O. und Beschl. v. 15.02.2000 a.a.O.). Asylberechtigt ist\ndanach typischerweise, wer aufgrund erlittener oder unmittelbar drohender\npolitischer Verfolgung gezwungen ist, sein Land zu verlassen und im Ausland\nSchutz und Zuflucht zu suchen. Atypisch, wenn auch haufig, ist der Fall des\nunverfolgt Eingereisten, der hier gleichwohl Asyl begehrt und dafur auf\nUmstande verweist, die erst wahrend seines Hierseins entstanden sind oder\nderen erst kunftiges Entstehen er besorgt (sog. Nachfluchttatbestande, vgl.\nBVerfG, Beschl. v. 26.11.1986, aaO). Nach diesem normativen Leitbild des\nAsylgrundrechts gelten fur die Beurteilung, ob ein Asylsuchender politisch\nVerfolgter i.S. des Art. 16 a Abs. 1 GG ist, unterschiedliche Maßstabe je\nnachdem, ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder\nunmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er\nunverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist (vgl. BVerfG,\nBeschl. v. 10.07.1989 a.a.O.). \n--- \n| 23 \n--- \n| Steht fest, dass der Asylsuchende vor landesweiter politischer Verfolgung\ngeflohen ist, so ist er asylberechtigt, es sei denn, er kann in seinem eigenen\nStaat wieder Schutz finden. Ist die Verfolgungsgefahr zwischenzeitlich\nbeendet, kommt es darauf an, ob mit ihrem Wiederaufleben zu rechnen ist. Ist\nder Asylsuchende im Zeitpunkt der Entscheidung vor erneuter Verfolgung\nhinreichend sicher, so ist eine Anerkennung als Asylberechtigter nicht geboten\n(vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.01.1991, InfAuslR 1992, 59). \n--- \n| 24 \n--- \n| Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat jedoch unverfolgt verlassen, so\nkann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von beachtlichen\nNachfluchttatbestanden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.11.1986, BVerfGE 74, 51)\npolitische Verfolgung droht. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| In Anwendung dieser Grundsatze war die Klagerin vor ihrer Ausreise aus\nihrem Heimatland politisch verfolgt. Die von Angehorigen der serbischen\nSicherheitskrafte im Kosovo vollzogene Vergewaltigung der Klagerin hatte\nausgrenzenden Charakter, da der Klagerin hierdurch deutlich gemacht wurde,\ndass ihre korperliche Integritat und ihre personliche Wurde keine Bedeutung\nhaben. Die Vergewaltigung der Klagerin knupfte auch an ein asylerhebliches\nMerkmal an. Die Klagerin wurde von Sicherheitskraften mitgenommen und\nvergewaltigt, da ihr Bruder der UCK angehort hat. Die gegen die Klagerin\ngerichteten Maßnahmen erfolgten somit mit Blick auf die bei der Klagerin\ngleichfalls vermutete Unterstutzung der UCK. Entgegen der Behauptung des\nBundesamtes kann die Vergewaltigung der Klagerin durch serbische\nSicherheitskrafte nicht als asylunerheblicher Amtswalterexzess angesehen\nwerden. Denn Amtswalterexzesse sind dem Staat nur dann nicht zurechenbar, wenn\nes sich um vereinzelte Exzesstaten von Amtswaltern handelt (vgl. BVerfG, B. v.\n08.06.2000, NVwZ - Beilage I 2000, 121). Hiervon kann im Kosovo angesichts der\nHaufigkeit der Übergriffe der serbischen Sicherheitsgrenze, solange diese dort\ndie Gebietsgewalt hatten, keine Rede sein. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Klagerin ist jedoch bei einer heutigen Ruckkehr in ihre Heimatprovinz\nhinreichend sicher vor erneuter politischer Verfolgung. Seit dem Einrucken der\nUN-Friedenstruppe KFOR und seit dem vollstandigen Abzug aller serbischen bzw.\njugoslawischen Armeetruppen, sonderpolizeilichen Einheiten und\nparamilitarischen Gruppen aus dem Kosovo im Juni 1999 auf der Grundlage des\nvon der Bundesrepublik Jugoslawien angenommenen G-8-Friedensplans und der vom\nUN-Sicherheitsrat beschlossenen Kosovo-Friedensresolution 1244 hat Serbien die\neffektive Gebietsgewalt auf dem Territorium des Kosovo verloren, so dass eine\nvom ehemaligen jugoslawischen Staat ausgehende oder ihm zurechenbare\npolitische Verfolgung der Kosovo-Albaner in diesem Gebiet ausgeschlossen ist.\nDurch die Prasenz der KFOR-Truppen ist es fur absehbare Zeit ausgeschlossen,\ndass Serbien auf militarischem Weg die effektive Gebietsherrschaft im Kosovo\nwieder erlangen konnte. Die UN-Resolution 1244 sieht vor, dass die\ninternationale zivile Prasenz und die internationale Sicherheitsprasenz\nzunachst fur einen Zeitraum von zwolf Monaten eingerichtet werden, dass dieser\nZeitraum jedoch zu verlangern ist, wenn der Sicherheitsrat nichts anderes\nbeschließt. Fur letzteres gibt es keinerlei Anhaltspunkte, zumal die\nStationierung der KFOR-Truppen zur Sicherung der dauerhaften Ruckkehr der\nVertriebenen und zur allgemeinen Befriedung der Region erfolgt ist. Es gibt\nkeinerlei Hinweise dafur, dass sich die KFOR und die internationale zivile\nPrasenz in absehbarer Zeit aus dem Kosovo zuruckziehen (vgl. AA, ad hoc-\nBerichte vom 4.6.2002 und vom 27.11.2002 sowie Lagebericht vom 10.2.2004;\nSchweizerische Fluchtlingshilfe, Kosovo-Lageanalyse Marz 2000; VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 17.03.2002 - A 14 S 1167/98 u. Urt. v. 29.03.2001 - A 14\nS 2078/99, Asylmagazin 5 - 6/2001, 29). Da die Organe von Serbien seit dem\nEinmarsch der KFOR-Truppen die Gebietsgewalt im Kosovo verloren haben,\nscheiden sie als Urheber politischer Verfolgung im Sinne von Art. 16a Abs. 1\nGG und § 51 Abs. 1 AuslG aus. Entsprechendes gilt fur albanische\nGruppierungen, da die Gebietsgewalt im Kosovo allein von der UNMIK und den\nKFOR-Truppen ausgeubt wird. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Klage ist auch unbegrundet, soweit die Klagerin die Feststellung\nbegehrt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Gemaß § 51\nAbs. 2 Satz 2 AuslG stellt das Bundesamt fur die Anerkennung auslandischer\nFluchtlinge in einem Asylverfahren nach den Vorschriften des AsylVfG fest, ob\ndie Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Nach dieser Bestimmung\ndarf ein Auslander nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben\noder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehorigkeit, seiner\nZugehorigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner\npolitischen Überzeugung bedroht ist. Diese Voraussetzungen sind hier nicht\ngegeben, wie aus dem Ausgefuhrten folgt. Anhaltspunkte fur das Vorliegen\ndieser Voraussetzungen außerhalb des Prufungsgegenstandes des Artikels 16 a\nAbs.1 GG sind ebenfalls nicht ersichtlich. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Klagerin hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur\nFeststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 1, 2 und 4 AuslG;\nderartige Abschiebungshindernisse hat die Klagerin weder geltend gemacht noch\nsind solche ersichtlich. Der Klagerin steht jedoch ein Abschiebungshindernis\nnach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG zur Seite. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG kann von der Abschiebung eines Auslanders in\neinen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort fur diesen Auslander eine\nerhebliche konkrete Gefahr fur Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese\nBestimmung fragt nicht danach, von wem die Gefahr ausgeht oder wodurch sie\nhervorgerufen wird; die Regelung stellt vielmehr lediglich auf das Bestehen\neiner konkreten Gefahr ab ohne Rucksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder\nihm zumindest zuzurechnen ist (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, NVwZ 1996,\n199). Eine Aussetzung der Abschiebung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG kommt\njedoch nicht in Betracht, wenn die geltend gemachten Gefahren nicht landesweit\ndrohen und der Auslander sich ihnen durch Ausweichen in sichere Gebiete seines\nHerkunftslandes entziehen kann (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995 aaO.). Ein\nAuslander kann schon dann auf einen alternativen Landesteil verwiesen werden,\nwenn ihm dort konkrete Gefahren i. S. d. § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG nicht mit\nbeachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen; sonstige Mindestanforderungen an die\nQualitat und Verfolgungssicherheit des Aufenthalts in der Ausweichregion\nbestehen nicht (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. vom 22.07.1998 - A 6 S 3421/96 -).\nDie Gefahr fur Leib, Leben oder Freiheit muss mit beachtlicher\nWahrscheinlichkeit bestehen. Die besondere Schwere eines drohenden Eingriffs\nist im Rahmen der gebotenen qualifizierenden Betrachtungsweise im Sinne einer\nGewichtung, Abwagung und zusammenfassenden Bewertung des zur Prufung\ngestellten Lebenssachverhalts vermittels des Kriteriums, ob die\nWahrscheinlichkeit der Rechtsgutverletzung beachtlich ist, zu berucksichtigen\n(vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995 aaO. und Urt. vom 05.07.1994, InfAuslR 1995,\n24). Dieser Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit ist auch in Fallen\nbereits erlittener gleichartiger Gefahrenlagen nicht herabzusetzen (vgl.\nBVerwG, Urt. vom 17.10.1995 aaO.) \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Auch die drohende Verschlimmerung einer Krankheit wegen ihrer nur\nunzureichenden medizinischen Behandlung im Zielstaat der Abschiebung kann ein\nAbschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG darstellen (vgl. BVerwG,\nUrt. vom 25.11.1997, BVerwGE 105, 383 = NVwZ 1998, 524; Urt. vom 27.04.1998,\nNVwZ 1998, 973 und Urt. vom 21.09.1999, NVwZ 2000, 206). Eine\nzielstaatsbezogene Gefahr fur Leib und Leben besteht auch dann, wenn die\nnotwendige Behandlung oder Medikation im Zielstaat zwar allgemein zur\nVerfugung steht, dem betroffenen Auslander individuell jedoch aus finanziellen\noder sonstigen Grunden nicht zuganglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.10.2002,\nNVwZ - Beilage I 2003, 53 = DVBl. 2003, 463 und B. v. 29.04.2003, Buchholz\n402.240 § 53 AuslG Nr. 60; VGH Kassel, Urt. v. 24.06.2003, AuAS 2004, 20). \n--- \n| 31 \n--- \n| Nach diesen Grundsatzen ist Abschiebungsschutz zu gewahren, weil die\nKlagerin an einer posttraumatischen Belastungsstorung im Übergang zur\nchronischen Personlichkeitsstorung nach Extrembelastung leidet, fur die es im\nKosovo keine ausreichenden Behandlungsmoglichkeiten gibt. Das Gericht ist\naufgrund der Angaben der Klagerin in der mundlichen Verhandlung zu der\nÜberzeugung gelangt, dass die Klagerin unmittelbar vor ihrer Ausreise nach\neiner Razzia durch die serbische Polizei durch serbische Polizisten\nvergewaltigt wurde und dass dieses Ereignis und die Hinrichtung ihrer Bruder,\ndie ihr zu helfen versucht hatten, zu der fachpsychiatrisch diagnostizierten\nTraumatisierung gefuhrt haben. Der Sachverhalt, der in dem vom Gericht\neingeholten Gutachten der Klinik fur Psychiatrie und Psychotherapie des\n...-Krankenhauses zugrunde gelegt wurde, hat sich damit als tragfahig\nerwiesen. Aufgrund der glaubhaften Schilderungen der Klagerin bestehen auch an\nder Richtigkeit der gestellten medizinischen Diagnose keine Zweifel. Die im\nGutachten des ...-Krankenhauses diagnostizierte posttraumatische\nBelastungsstorung ist in der Auflistung aller Krankheiten durch die\nWeltgesundheitsorganisation unter F 43.1 der ICD 10 enthalten (vgl. Dilling\nu.a., Internationale Klassifikation psychischer Storungen, 3. Auflage, S.\n121). In der internationalen Klassifikation sind Traumata definiert als kurz\noder lang anhaltende Ereignisse oder Geschehen von außergewohnlicher Bedrohung\nmit katastrophalem Ausmaß, die nahezu bei jedem Betroffenen tiefgreifende\nVerzweiflung auslosen werden (vgl. Koch in: Asylpraxis, Band 9, Seite 61,\n69ff). Man unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen traumatischen\nEreignissen in Folge von Unfallen oder Katastrophen und willentlich durch\nMenschen verursachten Traumata (z. B. Folter, Misshandlung, Vergewaltigung und\nKriegserlebnisse). Dass letzteres bei der Klagerin der Fall ist, ergibt sich\naus den uberzeugenden Ausfuhrungen im Gutachten des ...-Krankenhauses. Die\nhier vorliegende Traumatisierung durch Vergewaltigung stellt einen Fall mit\neiner besonders ungunstigen Prognose, namlich den Fall der sog. man made\ndesaster dar, wobei das Kernproblem der Traumatisierung die erlebte\nHilflosigkeit ist. Neben dem erlittenen Trauma (sog. A-Kriterium) spielen die\nflashbacks der Erinnerungen (sog. B-Kriterium) eine bestimmende Rolle im\nKrankheitsbild, so dass Nachhallerinnerungen dem Betroffenen das Gefuhl\nvermitteln, die traumatische Situation wieder zu erleben. Daraus ergibt sich\nals sog. C-Kriterium das bewusste Vermeiden von Orten oder Menschen, die\nErinnerungen wachrufen konnen (vgl. Koch a. a. O. S. 79ff; Dr. Haenel in:\nAsylpraxis Band 9, S. 111ff; Dr. Lindstedt in: Asylpraxis Band 7, S. 97,\n121ff; Hofmann, EMDR in der Therapie psychotraumatischer Belastungssyndrome,\nS. 2ff). Es ist anerkannt, dass medikamentose Behandlung nur mit zusatzlicher\nPsychotherapie langfristig erfolgreich sein kann und eine solche Therapie nur\nunter gleichsam geschutzten Bedingungen, d. h. ohne die Gefahr des\nWiederaufkeimens der Befurchtungen moglich ist (vgl. Bittenbinder in :\nAsylpraxis Band 9, S. 35, 54 ff; Graessner u.a., Die Spuren von Folter, S. 77\nff; Koch a. a. O. S. 78). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Den dem Verwaltungsgericht vorliegenden Erkenntnisquellen uber den Zustand\ndes Gesundheitswesens im Kosovo, insbesondere uber die Moglichkeiten einer\nBehandlung schwerer psychischer Erkrankungen durch dortige Krankenhauser und\nÄrzte, lassen sich keine Anhaltspunkte dafur entnehmen, dass die Erkrankung\nder Klagerin im Kosovo zuverlassig behandelt werden konnte. Dies begrundet die\nGefahr einer Verfestigung und Verstarkung der Krankheitssymptome, was eine\nerhebliche Gefahr fur die Gesundheit der Klagerin darstellt. Zwar ist im\nKosovo eine medizinische Grundversorgung vorhanden und nach dem Ende des\nKrieges im Juni 1999 verbesserte sich die allgemeine gesundheitliche\nVersorgung dort nach und nach. Schwerste Erkrankungen, insbesondere auch\nschwerste psychische Erkrankungen, konnen dort jedoch nach wie vor kaum\nzuverlassig behandelt werden. Psychische Erkrankungen werden im offentlichen\nGesundheitswesen rein medikamentos behandelt. Zwar gibt es einzelne privat\npraktizierende Facharzte fur Psychiatrie. Die Behandlungsplatze im privaten\nBereich sind jedoch sehr begrenzt und die Kosten muss der Patient selbst\ntragen (AA, Lagebericht vom 10.2.2004). Nach den vorliegenden\nErkenntnisquellen kann nicht davon ausgegangen werden, dass jede Person, die\neine psychotherapeutische Behandlung benotigt, eine solche auch in\nangemessener Zeit und in wenigstens ausreichender Qualitat erfahrt. So wird\nvon zum Teil sehr langen Wartezeiten berichtet sowie daruber, dass in vielen\nFallen lediglich eine Behandlung durch die Verabreichung von Medikamenten\nerfolgt, wodurch aber eine wirkliche Heilung nicht herbeigefuhrt werden kann\n(vgl. UNHCR, Auskunft v. 29.9.2003 an VG Koblenz und Auskunft v. 26.11.2003 an\nRechtsanwalt Vesin; Schweizerische Fluchtlingshilfe, Die medizinische\nVersorgungslage im Kosovo, Mai 2004, Seite 13ff; Dr. Schluter-Muller,\nGutachten v. 29.07.2003 an VG Frankfurt = Asylmagazin 11/2003, 25; AA,\nLagebericht vom 10.2.2004 und Auskunft v. 20.11.2003 an VG Kassel; Deutsches\nVerbindungsburo Kosovo, Auskunft v. 04.06.2004 an VG Stuttgart, vom 6.8.2002\nan VG Wurzburg u. vom 11.3.2002 an VG Schwerin). Nach Auffassung der\nSchweizerischen Fluchtlingshilfe (a. a. O.) leiden die\nNichtregierungsorganisationen, die im Bereich der Behandlung der\nposttraumatischen Belastungsstorung tatig sind, an Überlastung und verweisen\nTraumatisierte auf das staatliche Angebot; in der offentlichen\nGesundheitsversorgung kann PTBS jedoch nicht adaquat behandelt werden. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Zwar sind psychische Erkrankungen wie Depressionen und posttraumatische\nBelastungsstorungen in Serbien und Montenegro nach den vorliegenden\nErkenntnismitteln behandelbar (vgl. AA, Lagebericht zu Serbien und Montenegro\n- ohne Kosovo - vom 28.07.2003). Es ist jedoch offenkundig, dass eine\nerfolgreiche Behandlung der Klagerin in Serbien, dem „Land der Tater",\nausscheidet. Daruber hinaus ist die Krankenversorgung in Serbien und\nMontenegro fur die Klagerin auch individuell nicht erreichbar. Denn die\nadministrative Grenze zwischen dem Kosovo und dem ubrigen Serbien und\nMontenegro wird streng kontrolliert. Es ist keineswegs sicher, dass Personen\naus dem Kosovo die Einreise nach Serbien gewahrt wird. Erschwerend kommt\nhinzu, dass fur die Einreise jugoslawische Dokumente notwendig sind. Die von\nder UN-Verwaltung im Kosovo ausgestellten Personal- und Reisedokumente werden\nim restlichen Serbien und Montenegro nicht anerkannt. Im Übrigen setzt der\nZugang zum staatlichen Gesundheitssystem eine Wohnsitznahme in Serbien voraus.\nEine solche ist aber nur moglich fur Personen, die uber serbische\nPersonalpapiere verfugen (vgl. UNHCR, Stellungnahme v. 04.09.2003 an VG\nKoblenz - Asylmagazin 10/2003, 23 und Stellungnahme v. 29.09.2003 an VG\nKoblenz). Das Gericht kann somit dahingestellt sein lassen, ob der Kosovo in\nder gegenwartigen Situation noch als Teil des Gesamtstaates Serbien und\nMontenegro angesehen werden kann (vgl. verneinend VG Aachen, B. v. 29.04.2003,\nAsylmagazin 6/2003, 18 und Urt. v. 02.10.2003 - 1 K 2124/02. A - Juris =\nAsylmagazin 1-2/2004, 24). \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Unabhangig von der Behandelbarkeit der Klagerin im Kosovo bzw. in Serbien\nund Montenegro besteht ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG\nauch aufgrund der Gefahr der Retraumatisierung der Klagerin bei einer Ruckkehr\nin ihr Heimatland. Insoweit fuhrt das ...-Krankenhaus im Gutachten vom\n04.04.2004 aus, eine Ruckkehr der Klagerin sowohl in den Kosovo als auch nach\nSerbien fuhre zu einer Retraumatisierung. Eine Behandlung mit dem Ziel der\nVerarbeitung des Traumas sei nur mit zeitlichem und raumlichen Abstand zur\ntraumatisierenden Situation moglich. Bereits die ungeachtet etwaiger\nBehandlungsmoglichkeiten im Heimatland drohende Retraumatisierung, also das\ninnerliche Wiedererleben des traumatischen Ereignisses, das zur\nposttraumatischen Belastungsstorung gefuhrt hat, ausgelost durch erinnernde\nUmstande, z. B. im Wiedersehen von Orten oder Personen, die mit dem\ntraumatisierenden Ereignis in enger Beziehung gestanden haben, kann, wenn die\nGefahr hinreichend konkretisiert erscheint, zu einem Abschiebungshindernis\nnach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG fuhren (vgl. VGH Munchen, Urt. v. 20.10.1999 - 23\nB 98.30524; Treiber, Fallgruppen traumatisierter Fluchtlinge im Asylverfahren\nin: Asylpraxis Band 7 S. 15ff, 30 m. w. N.). So liegt der Fall hier. Aus der\nTraumaforschung ist bekannt, dass die Ruckkehr an Orte des Traumas wie ein\nTrigger wirkt und Panikattacken auslosen kann, die im Sinne einer\nRetraumatisierung wirken; dies fuhrt dann zu einer Verscharfung der\nposttraumatischen Belastungsstorung (vgl. Fischer/Riedesser, Lehrbuch der\nPsychotraumatologie). Die Retraumatisierung geht einher mit der vollen oder\ngesteigerten Entfaltung des Symptombildes der ursprunglichen traumatischen\nReaktion auf der korperlichen, psychischen und sozialen Ebene (vgl.\nKoch/Winter, Psychische Reaktionen nach Extrembelastung bei traumatisierten\nKriegsfluchtlingen, S. 6; Graessner u.a., Die Spuren von Folter, S. 78 ff).\nDie Gefahr der Retraumatisierung lasst sich auch nicht auf den eigentlichen\nOrt eingrenzen, an dem die Verletzungshandlung erfolgte, denn auch andere Orte\nund Personen im Heimatland, die dem zugrundeliegenden traumatischen Erlebnis\ngleichen, ahneln oder auch Anklange daran haben, fuhren zu einer\nReaktualisierung der Bilder des traumatischen Erlebens in der Vorstellung und\nden korperlichen Reaktionen des Betroffenen (vgl. Prof. Dr. Pfafflin,\nUniversitat Ulm, Gutachten vom 30.9.2000 an VG Sigmaringen), so dass im Falle\nder Klagerin die Gefahr der Retraumatisierung, die auch im Gutachten des\n...-Krankenhauses prognostiziert wird, konkret und landesweit gegeben ist. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Anwendung des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG wird schließlich auch nicht durch\n§ 53 Abs. 6 S. 2 AuslG gesperrt. Zwar mag zutreffen, dass die Anzahl\ntraumatisierter Albaner aus dem Kosovo recht groß ist. Fur die Gewahrung von\nAbschiebungsschutz gemaß § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG und die insoweit sich aus Satz\n2 dieser Vorschrift ergebende Begrenzung kommt es jedoch allein auf solche\nErkrankungen an, bei denen bei einer Abschiebung die in dieser Vorschrift\ngenannten Gefahren bestehen. Angesichts des vielfaltigen Symptombildes der\nposttraumatischen Belastungsstorung bestehen jedoch keine Anhaltspunkte dafur,\ndass in jedem Fall davon auszugehen ist, dass die Ruckkehr in den Kosovo\nGefahren erwarten lasst, die die Notwendigkeit von Abschiebungsschutz\nbegrunden. Es liegt in der Natur einer psychischen Erkrankung, die auf von\nvielen Menschen in gleicher oder ahnlicher Weise erlebten Ereignissen beruht,\ndass sie nicht allein durch diese Ereignisse entsteht, sondern vielmehr in der\nIndividualitat des Erlebenden ihre Ursache hat. Personen, die in Folge\nindividueller Ereignisse traumatisiert sind, stellen somit keine\nBevolkerungsgruppe im Sinne des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG dar (vgl. OVG Munster,\nB. v. 19.11.1999 - 19 B 1599/98 und B. v. 16.02.2004 - 14 A 548/04.A - Juris =\nAsylmagazin 6/2004,30; VG Gottingen, Urt. v. 05.09.2003, Asylmagazin 12/2003,\n26; VG Oldenburg, U. v. 27.01.2004, Asylmagazin 6/2004, 33). \n--- \n| 36 \n--- \n| Damit erfullt die Klagerin die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53\nAbs. 6 S. 1 AuslG. Diese Vorschrift sieht zwar die Feststellung eines\nAbschiebungshindernisses nicht als zwingende Rechtsfolge vor, sondern raumt\nder Beklagten bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen noch ein\nErmessen ein, jedoch reduziert sich hier das Ermessen auf Null (vgl. EGMR,\nEntscheidung v. 07.03.2000, NVwZ, 2001, 301 = InfAuslR 2000, 321). Mit Blick\nauf die der Klagerin bei einer Abschiebung nach Serbien und Montenegro\ndrohende konkrete Gefahr einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes,\ndie sich innerhalb kurzester Zeit realisierte, bleibt der Beklagten nur die\nEntscheidung, ein Abschiebungshindernis gem. § 53 Abs.6 S. 1 AuslG\nfestzustellen. \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Abschiebungsandrohung entspricht § 34 Abs. 1 AsylVfG und ist rechtlich\nnicht zu beanstanden. Die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach §\n53 Abs. 6 S. 1 AuslG durch das Bundesamt bewirkt nur eine zeitweilige\nVollziehbarkeitshemmung gem. § 41 AsylVfG. Fur eine erweiternde Auslegung des\n§ 50 Abs. 3 S. 2 AuslG ist bei einer auf asylverfahrensrechtlicher Grundlage\ngetroffenen Abschiebungsandrohung kein Raum (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.04.1997,\nNVwZ 1997, 1132). \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO und entsprechender\nAnwendung von § 162 Abs. 3 VwGO. Es besteht keine Veranlassung, die\naußergerichtlichen Kosten des beteiligten Bundesbeauftragten fur\nAsylangelegenheiten fur erstattungsfahig zu erklaren. \n---\n\n |
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139,950 | vg-karlsruhe-2004-07-06-4-k-375403 | 158 | Verwaltungsgericht Karlsruhe | vg-karlsruhe | Karlsruhe | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 4 K 3754/03 | 2004-07-06 | 2019-01-07 14:46:53 | 2019-01-17 12:00:07 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Der Bescheid der Beklagten vom 22.11.2002 und der Widerspruchsbescheid des\nLandratsamts Karlsruhe vom 25.09.2003 werden aufgehoben.\n\n2\\. Die Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klager wenden sich gegen ihre Heranziehung zu einem Erstattungsbetrag\nfur von der Beklagten durchgefuhrte naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Sie sind Eigentumer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstucks Flst.Nr.\nxxx der Gemarkung Malsch-Volkersbach, welches von dem Geltungsbereich des\nBebauungsplans „Kreuzacker" der Beklagten vom 24.11.1995 erfasst wird. Der\nBebauungsplan beinhaltet neben seinen zeichnerischen Festsetzungen\nschriftliche „Planungsrechtliche und baurechtliche Festsetzungen", eine\nBegrundung sowie einen Grunordnungsplan. Wegen der Einzelheiten wird auf den\nInhalt der im vorliegenden Verfahren beigezogenen Ausfertigung des\nBebauungsplans verwiesen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Im Jahr 1997 schlossen die Klager mit der Beklagten eine\nAblosevereinbarung, wonach der Erschließungsbeitrag, der Entwasserungsbeitrag,\nder Wasserversorgungsbeitrag und der Kostenersatz fur den\nKanalhausanschlussschacht mit der Zahlung einer Ablosesumme abgegolten wurden. \n--- \n| 4 \n--- \n| In seiner Sitzung vom 26.07.1999 beschloss der Gemeinderat der Beklagten\nden Erlass einer „Satzung zur Erhebung von Kostenerstattungsbetragen nach §§\n135 a \\- c BauGB". Diese am 05.08.1999 im Gemeindeanzeiger veroffentlichte\nSatzung ermoglicht nach ihrem § 1 die Erhebung von Kostenerstattungsbetragen\nfur die Durchfuhrung von zugeordneten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach den\nBestimmungen des Baugesetzbuchs. Erstattungsfahig nach § 2 Abs. 1 der Satzung\nsind die Kosten fur die Durchfuhrung von allen Ausgleichs- und\nErsatzmaßnahmen, die nach § 9 Abs. 1 a BauGB zugeordnet sind. Die\nDurchfuhrungskosten umfassen nach § 2 Abs. 2 der Satzung die Kosten fur den\nErwerb und die Freilegung der Flachen fur Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen\nsowie die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen selbst einschließlich ihrer Planung,\nFertigstellungs- und Entwicklungspflege. § 2 Abs. 3 der Satzung sieht vor,\ndass sich die Ausgestaltung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich\nderen Durchfuhrungsdauer aus den Festsetzungen des Bebauungsplans in\nVerbindung mit den in einer Anlage zur Satzung dargestellten Grundsatzen\nergibt. Nach § 4 der Satzung werden die erstattungsfahigen Kosten auf die nach\n§ 9 Abs. 1 a BauGB zugeordneten Grundstucke nach Maßgabe der zulassigen\nGrundflache verteilt. Nach § 8 der Satzung tritt diese am Tage nach ihrer\noffentlichen Bekanntmachung in Kraft. \n--- \n| 5 \n--- \n| Auf der Grundlage dieser Satzung zog die Beklagte die Klager mit Bescheid\nvom 22.11.2002 gesamtschuldnerisch zu einem Kostenerstattungsbetrag in Hohe\nvon 1.224,-- EUR heran. In dem Bescheid ist ausgefuhrt, die in dem\neinschlagigen Bebauungsplan vorgeschriebenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen\nseien in vollem Umfang dem Bebauungsplan „Kreuzacker" zugeordnet. Das\nGrundstuck der Klager sei baulich nutzbar und die beitragspflichtigen\nMaßnahmen seien auch hergestellt. Aufgrund eines umlagefahigen Gesamtaufwands\nvon 101.006,65 EUR ergebe sich nach dem Verteilungsmaßstab der zulassigen\nGrundflache und einem Beitragssatz von 10,-- EUR je qm fur das klagerische\nGrundstuck die Beitragssumme von 1.224,-- EUR. In den dem Bescheid beigefugten\nErlauterungen fuhrte die Beklagte aus, die im Bebauungsplan „Kreuzacker" neben\nden Bau- und Erschließungsvorgaben enthaltenen Naturschutzmaßnahmen mussten\naufgrund einer am 01.01.1998 erfolgten Änderung des Baugesetzbuches\nabgerechnet werden. Hierbei handele es sich um die Herstellung einer Flutmulde\nsowie sonstiger Grunanlagen und Baumpflanzungen, die innerhalb und außerhalb\ndes Baugebiets lagen und in dem Grunordnungsplan ausgewiesen seien.\nAbgerechnet wurden lediglich die Kosten fur die Herstellung und Pflege der\nFlutmulde. Sodann heißt es weiter: „Diese Maßnahme wurde im Umlegungsverfahren\nvon Naturschutz- und Umweltseite vorgeschrieben und ohne deren Anlage ware der\nBebauungsplan nicht genehmigt worden." Die Kosten aller ubrigen Maßnahmen\nseien von der Gemeinde ubernommen worden. \n--- \n| 6 \n--- \n| Gegen diesen Bescheid erhoben die Klager unter dem 18.12.2002 Widerspruch,\nwelchen sie im Wesentlichen wie folgt begrundeten: Als sie mit der Bebauung\nihres Grundstucks im Marz 1998 begonnen hatten, sei die Flutmulde, die in\nWirklichkeit einen Abwassergraben fur Oberflachenwasser darstelle, bereits\nfertiggestellt gewesen. Endgultig hergestellt sei sie definitiv im Juni 1998\ngewesen. Die Satzung der Beklagten zur Erhebung von Kostenerstattungsbetragen\nnach §§ 135 a - c BauGB vom 26.07.1999 sei von der Beklagten daher auf bereits\nabgeschlossene Tatbestande angewandt worden, was dem Rechtsstaatsprinzip\nwiderspreche. Dem angefochtenen Bescheid stehe aber auch die von ihnen im Jahr\n1997 geschlossene Ablosevereinbarung entgegen. Sie hatten die Ablosesumme voll\nbezahlt und daher darauf vertrauen durfen, dass weitere Forderungen seitens\nder Gemeinde an sie nicht mehr gestellt werden wurden. Dies gelte um so mehr,\nals ein Vorbehalt oder auch nur ein Hinweis auf noch anfallende Kosten wegen\nnaturschutzrechtlicher Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen seitens der Beklagten\nnicht erfolgt sei. Bei der sogenannten Flutmulde handele es sich auch um eine\nErschließungsmaßnahme und gerade nicht um einen Ausgleich fur Eingriffe in\nNatur und Landschaft. Sie hatten gehort, dass der Entwasserungsgraben zur\nSicherung des Baugebiets erforderlich gewesen sei, weshalb es sich bei ihm um\neine Anlage handele, die als Voraussetzung fur die Ausweisung des Gelandes als\nBaugebiet notwendig gewesen sei. Ihre Deklarierung als naturschutzrechtliche\nAusgleichsmaßnahme sei unerheblich, selbst wenn ein entsprechender Nebeneffekt\ndamit verbunden ware. Fur die Herstellung des Grabens sei auch ein\nwasserrechtliches Plangenehmigungsverfahren gefordert worden, die Abfuhrung\ninsbesondere von Quellwasser zum Schutz eines Baugebiets aufgrund einer\nwasserrechtlichen Genehmigung stelle aber mit Sicherheit keine\nlandschaftspflegerische Maßnahme dar. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2003 wies das Landratsamt Karlsruhe \\-\nRechts- und Kommunalamt - den Widerspruch der Klager zuruck. Zur Begrundung\nfuhrte es an, dass eine Satzung nach § 135 c BauGB nicht nur Bebauungsplane\nmit Ausgleichsmaßnahmen betreffe, deren Verfahren nach dem 01.01.1998\neingeleitet worden sei, sondern auch Bebauungsplane, die davor in Kraft\ngetreten seien. Vor dem 01.01.1998 festgesetzte Ausgleichsmaßnahmen konnten\nallerdings nur abgerechnet werden, wenn sie im zeitlichen Geltungsbereich der\nSatzung verwirklicht worden seien. § 135 a Abs. 3 S. 3 BauGB knupfe die\nEntstehung der Erstattungspflicht an die Herstellung der Ausgleichsmaßnahmen.\nDies sei dann der Fall, wenn die Ausgleichsmaßnahmen „technisch" realisiert\nund abgeschlossen seien, wozu nach der vorliegend einschlagigen Satzung auch\ndie Fertigstellungs- und Entwicklungspflege gehore. Mit der Verwirklichung\ndieser Maßnahme durch Anpflanzungen am 09.04.2002 sei der\nKostenerstattungsanspruch entstanden. Die mit den Klagern geschlossene\nAblosevereinbarung stehe dem Kostenerstattungsanspruch der Beklagten nicht\nentgegen. Denn aus ihr ergebe sich klar, welche „Arten" von Beitragen von der\nVereinbarung erfasst seien. Kostenerstattungsbetrage nach den §§ 135 a - c\nBauGB seien in der Vereinbarung gerade nicht erwahnt worden. Entgegen der\nAuffassung der Klager seien die in die Berechnung der Kostenerstattungsbetrage\neingestellten Kosten fur die sogenannte Flutmulde auch nicht den\nEntwasserungsbeitragen nach dem Kommunalabgabengesetz zuzuordnen. Die\nAuslegung der Flutmulde als solche und deren Bepflanzung und Begrunung sei\ninsgesamt eine Maßnahme des Naturschutzes und diene dem naturschutzrechtlichen\nAusgleich. Der Widerspruchsbescheid wurde den Klagern am 01.10.2003\nzugestellt. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Klager haben am 03.11.2003, einem Montag, Klage erhoben, mit der sie\nbeantragen, \n--- \n| 9 \n--- \n| den Bescheid der Beklagten vom 22.11.2002 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids des Landratsamts Karlsruhe vom 25.09.2003 aufzuheben. \n--- \n| 10 \n--- \n| Zur Begrundung ihrer Klage beziehen sie sich im Wesentlichen auf das\nbereits Vorgetragene. Erganzend behaupten sie, dass die Beklagte die Maßnahmen\nzur Herstellung der Flutmulde langst vor dem Erlass der\nKostenerstattungssatzung hatte abschließen konnen. Die Maßnahmen seien\ntreuwidrig verzogert worden, damit die Flutmulde nicht bereits vor dem Beginn\ndes zeitlichen Geltungsbereichs der Satzung fertig gestellt werde. Die\nvorgenommene Kostenverteilung leide daneben per se an dem Mangel, dass eine\nZuordnung auf die Grundstucke textlich nicht stattgefunden habe. Von Interesse\nsei schließlich, dass der mit der Herstellung der Flutmulde beauftragte\nIngenieur einem Dritten gegenuber erklart habe, diese diene der dauerhaften\nAbleitung des Oberflachenwassers, das sich oberhalb des Baugebiets bilde. Das\nWasser werde am Baugebiet vorbei unter der Kreisstraße 3551 hindurch auf die\nWiesen unterhalb des Baugebiets geleitet. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 12 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Sie halt daran fest, dass der Kostenerstattungsbescheid rechtmaßig sei und\nverweist hierzu auf die Ausfuhrungen des Landratsamts Karlsruhe in dessen\nWiderspruchsbescheid. Erganzend tragt sie vor, Voraussetzung fur die\nEntstehung des streitgegenstandlichen Kostenerstattungsbetrags sei das\nVorliegen einer rechtswirksamen Satzung nach § 135 c BauGB. Diese sei 1999\nbeschlossen worden, und mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung fur\ndie Grunordnungsmaßnahmen im Abrechnungsgebiet sei sodann die\nKostenerstattungspflicht der Klager entstanden. Zu diesem Zeitpunkt seien alle\nVoraussetzungen fur deren Entstehen gegeben gewesen. Auf den Zeitpunkt des\nInkrafttretens des Bebauungsplans, auf dessen Grundlage das Baugebiet\nrealisiert und die Grunordnungsmaßnahmen durchgefuhrt worden seien, komme es -\nwie auch im Erschließungsbeitragsrecht - nicht an. Der Tatbestand der\nKostenerstattungspflicht sei vor Erlass der Kostenerstattungssatzung noch\nnicht abgeschlossen gewesen, so dass mit der Satzung keine unzulassige\nRuckwirkung verbunden gewesen sei. Der Satzung fehle es auch nicht an der\nerforderlichen Bestimmtheit. Aus ihr ergebe sich eindeutig, nach welchen\nKriterien die Kostenerstattungsbetrage zu ermitteln seien. Der Vorwurf der\ntreuwidrigen Verzogerung der Herstellung der Ausgleichsmaßnahmen sei\nzuruckzuweisen. Es konne eindeutig nachvollzogen werden, welche Kosten in die\nmit den Klagern abgeschlossene Ablosungsvereinbarung fur den\nErschließungsbeitrag eingeflossen und daher nicht uber\nKostenerstattungsbetrage abgerechnet worden seien. Durch den Umstand, dass ein\nTeil der Grunordnungsmaßnahme uber Erschließungsbeitrage abgelost worden sei,\nseien die Klager gerade begunstigt worden, da - anders als im\nKostenerstattungsrecht nach den §§ 135 a - c BauGB - die Gemeinde im\nErschließungsbeitragsrecht einen 10%-igen Gemeindeanteil auf sich behalten\nmusse. Schließlich sei die Herstellung der Flutmulde allein eine\nnaturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme und habe mit dem Entwasserungssystem\nder Gemeinde als solchem nichts zu tun. Die Herstellung der Flutmulde habe\nallein und ausschließlich aufgrund ihrer okologischen Wertigkeit dem\nnaturschutzrechtlichen Ausgleich desjenigen Eingriffs gedient, der durch die\nAusweisung des Baugebiets entstanden sei. \n--- \n| 14 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung hat der ehemalige Ortsbaumeister der\nBeklagten auf Fragen des Gerichts erklart, die angelegte sogenannte Flutmulde\nbefinde sich in Hanglage und sei etwa 30 cm tief. Vor der Verwirklichung des\nBaugebiets sei ein Einzugsbereich von etwa 12,2 ha Wiesenflache in den\nStraßengraben der unterhalb des Baugebiets verlaufenden Albtalstraße\nentwassert worden. Nach der Verwirklichung des Baugebiets habe sich diese\nFlache auf 8,1 ha verringert. Das auf dieser Flache anfallende\nNiederschlagswasser habe nicht der Kanalisation des Baugebiets zugefuhrt\nwerden, sondern mittels der Wiesen- bzw. Flutmulde um das Gebiet herum zu dem\nnaturlichen Vorfluter gefuhrt werden sollen. Die Mulde konne daher nicht als\nEntwasserungseinrichtung fur das Baugebiet bezeichnet werden. Anlasslich von\nSitzungen des Gemeinderats der Beklagten am 28.09. und 23.11.1995 sei uber die\nMulde als Ausgleichsmaßnahme beraten worden. Als Ergebnis des\nAbwagungsvorgangs sei es zu deren Darstellung als Ausgleichsmaßnahme im\nBebauungsplan gekommen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Dem Gericht liegen die einschlagigen Akten der Beklagten und des\nLandratsamts Karlsruhe vor. Ihm liegen daneben eine Ausfertigung des\nBebauungsplans „Kreuzacker" der Beklagten, ein Abdruck der Satzung zur\nErhebung von Kostenerstattungsbetragen nach §§ 135 a - c BauGB vom 26.07.1999\nsowie 4 Aufstellungen uber „Grunordnerische Maßnahmen im Baugebiet\n„Kreuzacker" entsprechend dem Grunordnungsplan und hierfur veranschlagte\nKosten" vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der\nbeigezogenen Akten, der gewechselten Schriftsatze und der Niederschrift uber\ndie mundliche Verhandlung verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 16 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Kostenerstattungsbescheid der Beklagten vom 22.11.2002 sowie der hierzu\nergangene Widerspruchsbescheid des Landratsamts Karlsruhe vom 25.09.2003 sind\nrechtswidrig und verletzen die Klager daher in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S.\n1 VwGO). Die gesetzlichen Voraussetzungen fur die Erhebung des von der\nBeklagten geforderten Kostenerstattungsbetrags sind nicht gegeben. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Sache nach handelt es sich bei dem von der beklagten Gemeinde geltend\ngemachten Kostenerstattungsbetrag um eine auf der Regelung des § 8 a BNatSchG\nin seiner bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung beruhende offentlich-rechtliche\nKostenforderung. Nach dieser Vorschrift gilt Folgendes: Sind aufgrund der\nAufstellung, Änderung, Erganzung oder Aufhebung von Bauleitplanen Eingriffe in\nNatur und Landschaft zu erwarten, ist uber die Belange des Naturschutzes und\nder Landschaftspflege im Bauleitplan im Rahmen der Abwagung nach § 1 BauGB zu\nentscheiden. Hierzu rechnen auch Entscheidungen uber Darstellungen und\nFestsetzungen nach den §§ 5 und 9 BauGB, die dazu dienen, die zu erwartenden\nBeeintrachtigungen der Leistungsfahigkeit des Naturhaushalts und des\nLandschaftsbildes auf den Grundstucksflachen, auf denen Eingriffe zu erwarten\nsind, oder im sonstigen Geltungsbereich des Bauleitplans auszugleichen, zu\nersetzen oder zu mindern (§ 8 a Abs. 1 S. 1 und 2 BNatSchG). Die Festsetzungen\nfur Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind vom jeweiligen Vorhabentrager\ndurchzufuhren (§ 8 a Abs. 3 S. 1 BNatSchG). Festsetzungen im sonstigen\nGeltungsbereich eines Bebauungsplans konnen erganzend zu § 9 BauGB denjenigen\nGrundstucksflachen, auf denen Eingriffe aufgrund sonstiger Festsetzungen zu\nerwarten sind, fur Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen ganz oder teilweise\nzugeordnet werden (§ 8 a Abs. 1 S. 4 BNatSchG). Ist eine solche Zuordnung\nvorgenommen worden, soll die Gemeinde diese an Stelle und auf Kosten der\nVorhabentrager oder der Eigentumer der Grundstucke durchfuhren, sofern die\nDurchfuhrung nicht auf andere Weise gesichert ist (§ 8 a Abs. 3 S. 2\nBNatSchG). Die Maßnahmen konnen bereits vor dem Eingriff durchgefuhrt werden,\nwenn dies aus stadtebaulichen Grunden oder aus Grunden des Naturschutzes\nerforderlich ist; Kosten hierfur konnen geltend gemacht werden, sobald die\nGrundstucke, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, baulich oder gewerblich\ngenutzt werden durfen (§ 8 a Abs. 3 S. 3 BNatSchG). Soweit die Gemeinde\nAusgleichs- und Ersatzmaßnahmen selbst an Stelle und auf Kosten der\nVorhabentrager oder der Eigentumer der Grundstucke durchfuhrt, sind die Kosten\nauf die zugeordneten Grundstucke zu verteilen (§ 8 a Abs. 4 S. 1 BNatSchG).\nDie Einzelheiten des Umfangs der Kostenerstattung sind von der Gemeinde in\neiner Satzung zu regeln (§ 8 a Abs. 5 BNatSchG). \n--- \n| 19 \n--- \n| Diese Vorschriften, die im Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplans\n„Kreuzacker" der Beklagten galten, sind durch das Bau- und Raumordnungsgesetz\nvom 18.08.1997 zwischenzeitlich in das Baugesetzbuch uberfuhrt worden (vgl.\ndort die §§ 1 a Abs. 3, 9 Abs. 1 a, 135 a - c). Im Unterschied zu der zuvor im\nBundesnaturschutzgesetz enthaltenen Regelung ermoglicht das Bau- und\nRaumordnungsgesetz gem. § 9 Abs. 1 a S. 1 BauGB weitergehend die Festsetzung\nvon Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen an anderer Stelle als dem Ort des\nEingriffs auch im Rahmen des Geltungsbereichs eines anderen Bebauungsplans\n(siehe zum Ganzen Schmidt, Die Neuregelung des Verhaltnisses zwischen Baurecht\nund Naturschutz, NVwZ 1998, 340; Bartholomai, Die uberschatzte\nKostenerstattung nach § 8 BNatSchG, NVwZ 1996, 852; Birk, Die Kostenerstattung\nbei naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen unter besonderer\nBerucksichtigung des Erschließungsbeitragsrechts, VBlBW 1998, 81;\nBattis/Krautzberger/Lohr, BauGB, Komm., 8. Aufl., § 9 RN 98 a ff.; Bunzel,\nKostengerechtigkeit bei der Zuordnung von Flachen und Maßnahmen zum Ausgleich\nim Bebauungsplan, BauR 1999, 3; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Komm., § 9 RN\n231 ff. sowie den Muster-Einfuhrungserlass zum Bau- und Raumordnungsgesetz\n1998 der Fachkommission Stadtebau der ARGE Bau vom 09.09.1997, abgedr. bei\nBrugelmann, BauGB, Komm. zu § 1 a BauGB). \n--- \n| 20 \n--- \n| Abgesehen davon, dass die nach dem Ausgefuhrten fur den Erlass eines\nKostenerstattungsbescheids erforderliche Satzung der Beklagten zur Erhebung\nvon Kostenerstattungsbetragen nach §§ 135 a - c BauGB vom 26.07.1999 keinerlei\nBezug zu nach § 8 a Abs. 1 S. 4 BNatSchG zugeordneten Ausgleichs- und\nErsatzmaßnahmen herstellt, was nach Auffassung der Kammer zumindest\nklarstellungsbedurftig ist, deutet fur die Kammer nichts auf eine Nichtigkeit\ndieser gemeindlichen Satzung hin. Die Satzung regelt in ihrem § 2 Abs. 1\ninsbesondere zutreffend, dass erstattungsfahig nur diejenigen Kosten fur die\nDurchfuhrung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind, die auch entsprechend\nden bauplanungsrechtlichen Vorschriften bestimmten Grundstucken zugeordnet\nwurden (vgl. § 8 a Abs. 4 BNatSchG bzw. § 135 b S. 1 BauGB). \n--- \n| 21 \n--- \n| Eine derartige bauplanungsrechtliche Zuordnung hat in der Form einer\nverbindlichen Regelung als Festsetzung im Bebauungsplan zu erfolgen (vgl.\nBunzel, a.a.O., Birk, a.a.O., Bartholomai, a.a.O., Schmidt, a.a.O.). Aus dem\nGrundsatz der Planbestimmtheit folgt, dass hierfur mindestens eine textliche\nFestsetzung erforderlich ist, in welcher die von der Zuordnung betroffenen\nFlachen nach Flurstucken einzeln aufgefuhrt werden (vgl. VG Dresden, Beschl.\nv. 04.08.2000, NVwZ-RR 2001, 582). Allein der Umstand der Festsetzung von\nAusgleichs- und Eingriffsflachen in einem Bauleitplan genugt insoweit nicht.\nSo unterscheidet der Gesetzgeber ausdrucklich einerseits die Entscheidung, ob\nin einem Bebauungsplan uberhaupt Ausgleichs- und Ersatzflachen ausgewiesen\nwerden sollen, und andererseits die Entscheidung, ob, sofern dies erfolgt ist,\ndiese bestimmten Grundstucksflachen zum Zwecke der spateren Kostenerstattung\nganz oder teilweise zugeordnet werden. Ersteres beruht auf einer\neigenstandigen Abwagungsentscheidung des Gemeinderats (vgl. dazu etwa VGH\nBaden-Wurttemberg, Urt. v. 17.05.2001, NVwZ-RR, 2002, 168), Letzteres auf\neiner hiervon zu unterscheidenden eigenstandigen Ermessensentscheidung des\nPlangebers. Die Entscheidung des Gemeinderats, naturschutzrechtliche\nAusgleichs- und Ersatzmaßnahmen festzusetzen, hat nicht zwingend auch die\nZuordnung solcher Maßnahmen zu einzelnen Grundstucken zur Folge. Vielmehr\neroffnet § 8 a Abs. 1 S. 4 BNatSchG der Gemeinde nur die Moglichkeit, durch\neine Zuordnung schon auf der Planungsstufe eine bestimmte Strukturierung zur\nUmsetzung der festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen vorzunehmen. Mit der Zuordnung\nverschafft sie sich das Recht, die Ausgleichsmaßnahme in eigener Regie\ndurchzufuhren und die Eigentumer der Grundstucke, die nicht mit den\nVorhabentragern identisch sind, an den Kosten zu beteiligen. Die Vorschrift\neroffnet der Gemeinde daher nur die Moglichkeit, eine Zuordnungsentscheidung\nzu treffen, sie stellt es ihr aber zugleich frei, ob und wieweit sie von\ndieser Ermachtigung Gebrauch macht. Der Gemeinde wird in diesem\nNormierungssystem ein Weg aufgezeigt, der es ihr ermoglicht, in Eigenregie dem\nKompensationsinteresse Geltung zu verschaffen, ohne die Last der hierfur\nerforderlichen Kosten tragen zu mussen. Mit diesen Regelungen wird aber nur\neines von mehreren Modellen aufgezeigt, denen gemeinsam ist, sicherzustellen,\ndass die im Bebauungsplan festgesetzten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auch\ntatsachlich durchgefuhrt werden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass sich das\nvon ihm erstrebte Ziel, den Kompensationsinteressen schon auf der\nPlanungsstufe Rechnung zu tragen, auch mit anderen geeigneten Mitteln\nerreichen lasst. Ist die Realisierung der Maßnahmen auf andere Weise\ngesichert, wie z. B. durch einen Vertrag nach § 11 Abs. 1 BauGB, bedarf es\neiner solchen Zuordnungsfestsetzung nicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.03.1999,\nBauR 2000, 242; VG Dresden, a.a.O.; VG Freiburg, Urt. v. 22.01.2003 - 2 K\n314/01 -, Juris). \n--- \n| 22 \n--- \n| Eine fur die Anforderung eines Kostenerstattungsbetrags bei den Klagern\nhiernach notwendige Zuordnungsfestsetzung hat die Beklagte indes bislang nicht\ngetroffen. Zwar sehen die zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplans\n„Kreuzacker" der Beklagten entlang der nordlichen und der ostlichen Grenze des\nPlangebiets die Anlage eines Wiesenstreifens mit Flutmulde sowie die\nNeupflanzung von Baumen vor. Insoweit sieht auch der erwahnte\nGrunordnungsplan, auf den in den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans\nverwiesen wird, als „weitere Ausgleichsmaßnahme fur das Baugebiet" die Fuhrung\neines im Norden und Osten des Baugebiets geplanten Grabens in einem etwa 1-10\nm breiten Wiesenstreifen als flache, maximal 0,3 m tiefe und 1 m breite\nFlutmulde vor (Nr. 5.4 des Grunordnungsplans). Hierin konnte moglicherweise\neine gultige Festsetzung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach § 8 a Abs. 1\nBNatSchG gesehen werden, was indes fur das vorliegende Verfahren nicht\nentschieden werden muss, weil aus keiner einzigen Formulierung der gesamten\nPlanunterlagen hervorgeht, dass uber eine bloße Festsetzung von Ausgleichs-\nund Ersatzmaßnahmen nach § 8 a Abs. 1 S. 1 BNatSchG diese auch bestimmten\nGrundstucken des Plangebiets im Sinne von § 8 a Abs. 1 S. 4 BNatSchG\nzugeordnet wurden. Da es sich bei einer derartigen Zuordnung - wie ausgefuhrt\n- um eine eigenstandige Festsetzung im Bebauungsplan handelt, musste sie aus\nGrunden der Planbestimmtheit ausdrucklich und konkret erfolgt sein und dem\nBebauungsplan auch ohne Weiteres entnommen werden konnen. Dies ist nach\nAuffassung der Kammer vor allem deshalb zu fordern, weil dem Plangeber bei dem\nErlass des Bebauungsplans die finanziellen Auswirkungen einer solchen\nZuordnungsfestsetzung auf die von dem Plan betroffenen Vorhabentrager bzw.\nGrundstuckseigentumer vor Augen gefuhrt werden mussen. Aber auch die\nVorhabentrager und Grundstuckseigentumer selbst mussen anhand der\nFestsetzungen des Bebauungsplans unzweideutig erkennen konnen, ob sie mit\neinem Kostenerstattungsanspruch im Hinblick auf von der Gemeinde durchgefuhrte\nAusgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu rechnen haben (vgl. zu dem Wortlaut einer -\nnachgeholten - Zuordnungsfestsetzung das Urteil des VG Freiburg v. 22.01.2003,\na.a.O.). Diesen Anforderungen genugt der Inhalt des Bebauungsplans\n„Kreuzacker" der Beklagen aber in keiner Weise. Dass, wie die Beklagte in der\nmundlichen Verhandlung hat ausfuhren lassen, die einschlagige Passage des\nGrunordnungsplans jedenfalls als eine Zuordnungsentscheidung „interpretiert"\nwerden konne, weil auch die Regelungen der Gemeindeordnung die Ausschopfung\naller Refinanzierungsmoglichkeiten forderten, kann vor dem Hintergrund des aus\ndem Rechtsstaatsprinzip folgenden Bestimmtheitsgebots gerade nicht ausreichen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Mangels einer erforderlichen Zuordnung der mit dem Bebauungsplan\nmoglicherweise festgesetzten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen fehlt es bereits\nan dem Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen fur den Erlass eines\nErstattungsbescheids im Hinblick auf die von der Beklagten aufgewendeten\nKosten. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 der Satzung zur Erhebung von\nKostenerstattungsbetragen nach §§ 135 a - c BauGB sind nicht gegeben, sodass\ndie von den Klagern angegriffenen Bescheide aufzuheben sind. \n--- \n| 24 \n--- \n| Keiner Entscheidung bedarf es in dem vorliegenden Klageverfahren, ob eine\nZuordnung der sogenannten Flutmulde als Ausgleichsmaßnahme beschrankt auf die\nBaugrundstucke des Baugebiets auch noch im Wege einer Erganzung des\nBebauungsplans „Kreuzacker" etwa im vereinfachten Verfahren nach § 13 BauGB\nerfolgen kann und ggf. eine solche Zuordnung mit dem Ruckwirkungsverbot\nvereinbar ist oder einem solchen Vorgehen sonstige Grunde des\nVertrauensschutzes entgegenstehen. \n--- \n| 25 \n--- \n| Ebenso kann fur das vorliegende Verfahren dahingestellt bleiben, ob die\nAuffassung der Beklagten zutrifft, dass der Bau der sogenannten Flutmulde in\nseiner Gesamtheit als Ausgleichsmaßnahme im Sinne des § 8 a BNatSchG beurteilt\nwerden darf. Hiergegen konnten bereits die Ausfuhrungen des fruheren\nOrtsbaumeisters der Beklagten in der mundlichen Verhandlung zu der\nFunktionsweise der Flutmulde sprechen. Auch die Ausfuhrungen unter Nr. 4.2 des\nGrunordnungsplans zum Bebauungsplan „Kreuzacker" der Beklagten, wonach die\nAnlage des Grabens selbst einen „Eingriff in den Boden" darstelle, sprechen\neher gegen die Auffassung der Beklagten. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Berufung ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 124\nAbs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO vorliegt (§ 124 a Abs. 1 S. 1 VwGO). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 16 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Kostenerstattungsbescheid der Beklagten vom 22.11.2002 sowie der hierzu\nergangene Widerspruchsbescheid des Landratsamts Karlsruhe vom 25.09.2003 sind\nrechtswidrig und verletzen die Klager daher in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S.\n1 VwGO). Die gesetzlichen Voraussetzungen fur die Erhebung des von der\nBeklagten geforderten Kostenerstattungsbetrags sind nicht gegeben. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Sache nach handelt es sich bei dem von der beklagten Gemeinde geltend\ngemachten Kostenerstattungsbetrag um eine auf der Regelung des § 8 a BNatSchG\nin seiner bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung beruhende offentlich-rechtliche\nKostenforderung. Nach dieser Vorschrift gilt Folgendes: Sind aufgrund der\nAufstellung, Änderung, Erganzung oder Aufhebung von Bauleitplanen Eingriffe in\nNatur und Landschaft zu erwarten, ist uber die Belange des Naturschutzes und\nder Landschaftspflege im Bauleitplan im Rahmen der Abwagung nach § 1 BauGB zu\nentscheiden. Hierzu rechnen auch Entscheidungen uber Darstellungen und\nFestsetzungen nach den §§ 5 und 9 BauGB, die dazu dienen, die zu erwartenden\nBeeintrachtigungen der Leistungsfahigkeit des Naturhaushalts und des\nLandschaftsbildes auf den Grundstucksflachen, auf denen Eingriffe zu erwarten\nsind, oder im sonstigen Geltungsbereich des Bauleitplans auszugleichen, zu\nersetzen oder zu mindern (§ 8 a Abs. 1 S. 1 und 2 BNatSchG). Die Festsetzungen\nfur Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind vom jeweiligen Vorhabentrager\ndurchzufuhren (§ 8 a Abs. 3 S. 1 BNatSchG). Festsetzungen im sonstigen\nGeltungsbereich eines Bebauungsplans konnen erganzend zu § 9 BauGB denjenigen\nGrundstucksflachen, auf denen Eingriffe aufgrund sonstiger Festsetzungen zu\nerwarten sind, fur Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen ganz oder teilweise\nzugeordnet werden (§ 8 a Abs. 1 S. 4 BNatSchG). Ist eine solche Zuordnung\nvorgenommen worden, soll die Gemeinde diese an Stelle und auf Kosten der\nVorhabentrager oder der Eigentumer der Grundstucke durchfuhren, sofern die\nDurchfuhrung nicht auf andere Weise gesichert ist (§ 8 a Abs. 3 S. 2\nBNatSchG). Die Maßnahmen konnen bereits vor dem Eingriff durchgefuhrt werden,\nwenn dies aus stadtebaulichen Grunden oder aus Grunden des Naturschutzes\nerforderlich ist; Kosten hierfur konnen geltend gemacht werden, sobald die\nGrundstucke, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, baulich oder gewerblich\ngenutzt werden durfen (§ 8 a Abs. 3 S. 3 BNatSchG). Soweit die Gemeinde\nAusgleichs- und Ersatzmaßnahmen selbst an Stelle und auf Kosten der\nVorhabentrager oder der Eigentumer der Grundstucke durchfuhrt, sind die Kosten\nauf die zugeordneten Grundstucke zu verteilen (§ 8 a Abs. 4 S. 1 BNatSchG).\nDie Einzelheiten des Umfangs der Kostenerstattung sind von der Gemeinde in\neiner Satzung zu regeln (§ 8 a Abs. 5 BNatSchG). \n--- \n| 19 \n--- \n| Diese Vorschriften, die im Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplans\n„Kreuzacker" der Beklagten galten, sind durch das Bau- und Raumordnungsgesetz\nvom 18.08.1997 zwischenzeitlich in das Baugesetzbuch uberfuhrt worden (vgl.\ndort die §§ 1 a Abs. 3, 9 Abs. 1 a, 135 a - c). Im Unterschied zu der zuvor im\nBundesnaturschutzgesetz enthaltenen Regelung ermoglicht das Bau- und\nRaumordnungsgesetz gem. § 9 Abs. 1 a S. 1 BauGB weitergehend die Festsetzung\nvon Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen an anderer Stelle als dem Ort des\nEingriffs auch im Rahmen des Geltungsbereichs eines anderen Bebauungsplans\n(siehe zum Ganzen Schmidt, Die Neuregelung des Verhaltnisses zwischen Baurecht\nund Naturschutz, NVwZ 1998, 340; Bartholomai, Die uberschatzte\nKostenerstattung nach § 8 BNatSchG, NVwZ 1996, 852; Birk, Die Kostenerstattung\nbei naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen unter besonderer\nBerucksichtigung des Erschließungsbeitragsrechts, VBlBW 1998, 81;\nBattis/Krautzberger/Lohr, BauGB, Komm., 8. Aufl., § 9 RN 98 a ff.; Bunzel,\nKostengerechtigkeit bei der Zuordnung von Flachen und Maßnahmen zum Ausgleich\nim Bebauungsplan, BauR 1999, 3; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Komm., § 9 RN\n231 ff. sowie den Muster-Einfuhrungserlass zum Bau- und Raumordnungsgesetz\n1998 der Fachkommission Stadtebau der ARGE Bau vom 09.09.1997, abgedr. bei\nBrugelmann, BauGB, Komm. zu § 1 a BauGB). \n--- \n| 20 \n--- \n| Abgesehen davon, dass die nach dem Ausgefuhrten fur den Erlass eines\nKostenerstattungsbescheids erforderliche Satzung der Beklagten zur Erhebung\nvon Kostenerstattungsbetragen nach §§ 135 a - c BauGB vom 26.07.1999 keinerlei\nBezug zu nach § 8 a Abs. 1 S. 4 BNatSchG zugeordneten Ausgleichs- und\nErsatzmaßnahmen herstellt, was nach Auffassung der Kammer zumindest\nklarstellungsbedurftig ist, deutet fur die Kammer nichts auf eine Nichtigkeit\ndieser gemeindlichen Satzung hin. Die Satzung regelt in ihrem § 2 Abs. 1\ninsbesondere zutreffend, dass erstattungsfahig nur diejenigen Kosten fur die\nDurchfuhrung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind, die auch entsprechend\nden bauplanungsrechtlichen Vorschriften bestimmten Grundstucken zugeordnet\nwurden (vgl. § 8 a Abs. 4 BNatSchG bzw. § 135 b S. 1 BauGB). \n--- \n| 21 \n--- \n| Eine derartige bauplanungsrechtliche Zuordnung hat in der Form einer\nverbindlichen Regelung als Festsetzung im Bebauungsplan zu erfolgen (vgl.\nBunzel, a.a.O., Birk, a.a.O., Bartholomai, a.a.O., Schmidt, a.a.O.). Aus dem\nGrundsatz der Planbestimmtheit folgt, dass hierfur mindestens eine textliche\nFestsetzung erforderlich ist, in welcher die von der Zuordnung betroffenen\nFlachen nach Flurstucken einzeln aufgefuhrt werden (vgl. VG Dresden, Beschl.\nv. 04.08.2000, NVwZ-RR 2001, 582). Allein der Umstand der Festsetzung von\nAusgleichs- und Eingriffsflachen in einem Bauleitplan genugt insoweit nicht.\nSo unterscheidet der Gesetzgeber ausdrucklich einerseits die Entscheidung, ob\nin einem Bebauungsplan uberhaupt Ausgleichs- und Ersatzflachen ausgewiesen\nwerden sollen, und andererseits die Entscheidung, ob, sofern dies erfolgt ist,\ndiese bestimmten Grundstucksflachen zum Zwecke der spateren Kostenerstattung\nganz oder teilweise zugeordnet werden. Ersteres beruht auf einer\neigenstandigen Abwagungsentscheidung des Gemeinderats (vgl. dazu etwa VGH\nBaden-Wurttemberg, Urt. v. 17.05.2001, NVwZ-RR, 2002, 168), Letzteres auf\neiner hiervon zu unterscheidenden eigenstandigen Ermessensentscheidung des\nPlangebers. Die Entscheidung des Gemeinderats, naturschutzrechtliche\nAusgleichs- und Ersatzmaßnahmen festzusetzen, hat nicht zwingend auch die\nZuordnung solcher Maßnahmen zu einzelnen Grundstucken zur Folge. Vielmehr\neroffnet § 8 a Abs. 1 S. 4 BNatSchG der Gemeinde nur die Moglichkeit, durch\neine Zuordnung schon auf der Planungsstufe eine bestimmte Strukturierung zur\nUmsetzung der festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen vorzunehmen. Mit der Zuordnung\nverschafft sie sich das Recht, die Ausgleichsmaßnahme in eigener Regie\ndurchzufuhren und die Eigentumer der Grundstucke, die nicht mit den\nVorhabentragern identisch sind, an den Kosten zu beteiligen. Die Vorschrift\neroffnet der Gemeinde daher nur die Moglichkeit, eine Zuordnungsentscheidung\nzu treffen, sie stellt es ihr aber zugleich frei, ob und wieweit sie von\ndieser Ermachtigung Gebrauch macht. Der Gemeinde wird in diesem\nNormierungssystem ein Weg aufgezeigt, der es ihr ermoglicht, in Eigenregie dem\nKompensationsinteresse Geltung zu verschaffen, ohne die Last der hierfur\nerforderlichen Kosten tragen zu mussen. Mit diesen Regelungen wird aber nur\neines von mehreren Modellen aufgezeigt, denen gemeinsam ist, sicherzustellen,\ndass die im Bebauungsplan festgesetzten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auch\ntatsachlich durchgefuhrt werden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass sich das\nvon ihm erstrebte Ziel, den Kompensationsinteressen schon auf der\nPlanungsstufe Rechnung zu tragen, auch mit anderen geeigneten Mitteln\nerreichen lasst. Ist die Realisierung der Maßnahmen auf andere Weise\ngesichert, wie z. B. durch einen Vertrag nach § 11 Abs. 1 BauGB, bedarf es\neiner solchen Zuordnungsfestsetzung nicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.03.1999,\nBauR 2000, 242; VG Dresden, a.a.O.; VG Freiburg, Urt. v. 22.01.2003 - 2 K\n314/01 -, Juris). \n--- \n| 22 \n--- \n| Eine fur die Anforderung eines Kostenerstattungsbetrags bei den Klagern\nhiernach notwendige Zuordnungsfestsetzung hat die Beklagte indes bislang nicht\ngetroffen. Zwar sehen die zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplans\n„Kreuzacker" der Beklagten entlang der nordlichen und der ostlichen Grenze des\nPlangebiets die Anlage eines Wiesenstreifens mit Flutmulde sowie die\nNeupflanzung von Baumen vor. Insoweit sieht auch der erwahnte\nGrunordnungsplan, auf den in den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans\nverwiesen wird, als „weitere Ausgleichsmaßnahme fur das Baugebiet" die Fuhrung\neines im Norden und Osten des Baugebiets geplanten Grabens in einem etwa 1-10\nm breiten Wiesenstreifen als flache, maximal 0,3 m tiefe und 1 m breite\nFlutmulde vor (Nr. 5.4 des Grunordnungsplans). Hierin konnte moglicherweise\neine gultige Festsetzung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach § 8 a Abs. 1\nBNatSchG gesehen werden, was indes fur das vorliegende Verfahren nicht\nentschieden werden muss, weil aus keiner einzigen Formulierung der gesamten\nPlanunterlagen hervorgeht, dass uber eine bloße Festsetzung von Ausgleichs-\nund Ersatzmaßnahmen nach § 8 a Abs. 1 S. 1 BNatSchG diese auch bestimmten\nGrundstucken des Plangebiets im Sinne von § 8 a Abs. 1 S. 4 BNatSchG\nzugeordnet wurden. Da es sich bei einer derartigen Zuordnung - wie ausgefuhrt\n- um eine eigenstandige Festsetzung im Bebauungsplan handelt, musste sie aus\nGrunden der Planbestimmtheit ausdrucklich und konkret erfolgt sein und dem\nBebauungsplan auch ohne Weiteres entnommen werden konnen. Dies ist nach\nAuffassung der Kammer vor allem deshalb zu fordern, weil dem Plangeber bei dem\nErlass des Bebauungsplans die finanziellen Auswirkungen einer solchen\nZuordnungsfestsetzung auf die von dem Plan betroffenen Vorhabentrager bzw.\nGrundstuckseigentumer vor Augen gefuhrt werden mussen. Aber auch die\nVorhabentrager und Grundstuckseigentumer selbst mussen anhand der\nFestsetzungen des Bebauungsplans unzweideutig erkennen konnen, ob sie mit\neinem Kostenerstattungsanspruch im Hinblick auf von der Gemeinde durchgefuhrte\nAusgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu rechnen haben (vgl. zu dem Wortlaut einer -\nnachgeholten - Zuordnungsfestsetzung das Urteil des VG Freiburg v. 22.01.2003,\na.a.O.). Diesen Anforderungen genugt der Inhalt des Bebauungsplans\n„Kreuzacker" der Beklagen aber in keiner Weise. Dass, wie die Beklagte in der\nmundlichen Verhandlung hat ausfuhren lassen, die einschlagige Passage des\nGrunordnungsplans jedenfalls als eine Zuordnungsentscheidung „interpretiert"\nwerden konne, weil auch die Regelungen der Gemeindeordnung die Ausschopfung\naller Refinanzierungsmoglichkeiten forderten, kann vor dem Hintergrund des aus\ndem Rechtsstaatsprinzip folgenden Bestimmtheitsgebots gerade nicht ausreichen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Mangels einer erforderlichen Zuordnung der mit dem Bebauungsplan\nmoglicherweise festgesetzten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen fehlt es bereits\nan dem Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen fur den Erlass eines\nErstattungsbescheids im Hinblick auf die von der Beklagten aufgewendeten\nKosten. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 der Satzung zur Erhebung von\nKostenerstattungsbetragen nach §§ 135 a - c BauGB sind nicht gegeben, sodass\ndie von den Klagern angegriffenen Bescheide aufzuheben sind. \n--- \n| 24 \n--- \n| Keiner Entscheidung bedarf es in dem vorliegenden Klageverfahren, ob eine\nZuordnung der sogenannten Flutmulde als Ausgleichsmaßnahme beschrankt auf die\nBaugrundstucke des Baugebiets auch noch im Wege einer Erganzung des\nBebauungsplans „Kreuzacker" etwa im vereinfachten Verfahren nach § 13 BauGB\nerfolgen kann und ggf. eine solche Zuordnung mit dem Ruckwirkungsverbot\nvereinbar ist oder einem solchen Vorgehen sonstige Grunde des\nVertrauensschutzes entgegenstehen. \n--- \n| 25 \n--- \n| Ebenso kann fur das vorliegende Verfahren dahingestellt bleiben, ob die\nAuffassung der Beklagten zutrifft, dass der Bau der sogenannten Flutmulde in\nseiner Gesamtheit als Ausgleichsmaßnahme im Sinne des § 8 a BNatSchG beurteilt\nwerden darf. Hiergegen konnten bereits die Ausfuhrungen des fruheren\nOrtsbaumeisters der Beklagten in der mundlichen Verhandlung zu der\nFunktionsweise der Flutmulde sprechen. Auch die Ausfuhrungen unter Nr. 4.2 des\nGrunordnungsplans zum Bebauungsplan „Kreuzacker" der Beklagten, wonach die\nAnlage des Grabens selbst einen „Eingriff in den Boden" darstelle, sprechen\neher gegen die Auffassung der Beklagten. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Berufung ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 124\nAbs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO vorliegt (§ 124 a Abs. 1 S. 1 VwGO). \n---\n\n |
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140,243 | vghbw-2004-09-16-a-2-s-47102 | 161 | Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg | vghbw | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | A 2 S 471/02 | 2004-09-16 | 2019-01-07 14:53:21 | 2019-01-17 12:00:26 | Urteil | ## Tenor\n\nAuf die Berufung des Bundesbeauftragten fur Asylangelegenheiten und der\nBeklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19. Marz 2002\n- A 12 K 10694/01 - teilweise geandert. Die Klage wird abgewiesen.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszugen mit Ausnahme\nder Kosten des Bundesbeauftragten fur Asylangelegenheiten im ersten Rechtszug,\ndie dieser selbst tragt. Gerichtskosten werden nicht erhoben.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager ist nach seinen Angaben am 11.2.1982 in Makhmour/Zentralirak\ngeboren und irakischer Staatsangehoriger kurdischer Volkszugehorigkeit. Bei\nseiner Asylantragstellung am 1.3.2001 gab er an, nicht im Besitz von\nPersonalpapieren zu sein. \n--- \n| 2 \n--- \n| Am 14.3.2001 wurde der Klager beim Bundesamt fur die Anerkennung\nauslandischer Fluchtlinge personlich angehort. Er gab an, auf dem Landweg uber\ndie Turkei in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Der Schlepper habe ihm\nseinen Personalausweis in Istanbul abgenommen. Fur die gesamte Ausreise habe\ner 3.500,-- Dollar bezahlt. Er habe den Irak verlassen mussen, weil ihm\nVerhaftung gedroht habe. Er habe zusammen mit einem Freund ein Geschaft\nbetrieben, in dem Fenster, Turen und Wagen hergestellt worden seien. Sein\nFreund habe ohne sein Wissen uber einen Offizier Eisenteile aus Armeebestanden\nund aus der Stromwirtschaft bezogen. Nachdem dies entdeckt worden sei, seien\nbeide festgenommen worden und spurlos verschwunden. Auch gegen ihn sei ein\nHaftbefehl erlassen worden. Nachdem sein Vater am 15. oder 16.1.2001\nfestgenommen worden sei, hatten seine Verwandten Geld gesammelt und seine\nAusreise ermoglicht. Sein Vater sei noch im Gefangnis des Geheimdienstes von\nMakhmour. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Bescheid vom 10.5.2001 wurde der Asylantrag des Klagers abgelehnt und\nfestgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und\nAbschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Zugleich wurde der\nKlager aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats\nnach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen und ihm fur den Fall der\nnicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung in den Irak angedroht. \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Klager hat am 28.5.2001 Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte\nunter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts fur die Anerkennung auslandischer\nFluchtlinge vom 10.5.2001 zu verpflichten, festzustellen, dass die\nVoraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG - hilfsweise: Abschiebungshindernisse\nnach § 53 AuslG - vorliegen. Den angekundigten Antrag auf Verpflichtung der\nBeklagten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, hat er in der mundlichen\nVerhandlung nicht wiederholt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Der beteiligte Bundesbeauftragte fur Asylangelegenheiten hat sich nicht\ngeaußert. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Urteil vom 19.3.2002 - A 12 K 10694/01 - hat das Verwaltungsgericht das\nVerfahren eingestellt, soweit die Klage hinsichtlich des Begehrens auf\nAsylanerkennung zuruckgenommen worden war. Weiter hat es die Nrn. 2 und 4 des\nBescheids des Bundesamts vom 10.5.2001 aufgehoben und die Beklagte\nverpflichtet, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG\nhinsichtlich des Iraks festzustellen. Zur Begrundung hat es ausgefuhrt, es\nkonne offen bleiben, ob der Klager vorverfolgt ausgereist sei. Denn ihm drohe\nauf Grund von Nachfluchtgrunden, namlich seiner illegalen Ausreise aus dem\nIrak und der Asylantragstellung im Bundesgebiet, im Falle der Ruckkehr in den\nIrak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Auf die\nSchutzzone im Nordirak konne er nicht verwiesen werden, denn er stamme nicht\nvon dort und habe dort auch keine Familienangehorigen, weshalb das\nwirtschaftliche Existenzminimum fur ihn nicht gewahrleistet sein wurde. Auf\ndie Moglichkeit der Aufnahme in ein vom UNHCR betriebenes Lager im Nordirak\nkonne er nicht verwiesen werden, weil seine Existenz dort nicht gesichert sein\nwurde. \n--- \n| 8 \n--- \n| Auf Antrag der Beklagten und des Beteiligten hat der Senat mit Beschluss\nvom 10.6.2002 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts\nzugelassen, soweit es die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1\nAuslG und die angefochtene Abschiebungsandrohung betrifft. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Beklagte und der Beteiligte beantragen, \n--- \n| 10 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19.3.2002 - A 12 K\n10694/01 - zu andern und die Klage insgesamt abzuweisen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 12 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Klager ist in der mundlichen Verhandlung angehort worden. Wegen seiner\nAngaben wird auf die Anlage zur Niederschrift uber die mundliche Verhandlung\nverwiesen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Dem Senat liegen die angefallenen Akten des Bundesamts fur die Anerkennung\nauslandischer Fluchtlinge und die des Verwaltungsgerichts vor. Auf sie und auf\ndie den Beteiligten uberlassene Liste von Erkenntnismitteln und die in der\nmundlichen Verhandlung erfolgten erganzenden Hinweise (s.\nSitzungsniederschrift vom 16.9.2004) wird wegen der weiteren Einzelheiten\nverwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 15 \n--- \n| Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten und des beteiligten\nBundesbeauftragten fur Asylangelegenheiten, uber die der Senat in deren\nAbwesenheit entscheidet (vgl. § 125 Abs. 1, § 102 Abs. 2 VwGO), ist zulassig\n(vgl. auch § 87b AsylVfG i. d. F. des Art. 3 Nr. 48 des Zuwanderungsgesetzes)\nund begrundet. Das Verwaltungsgericht hatte die Klage abweisen mussen; denn\nder Klager hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten festzustellen,\ndass bei ihm die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen (dazu 1.),\noder hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG\n(dazu 2.) vorliegen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). \n--- \n| 16 \n--- \n| (1) Nach § 51 Abs. 1 AuslG darf ein Auslander nicht in einen Staat\nabgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse,\nReligion, Staatsangehorigkeit, seiner Zugehorigkeit zu einer bestimmten\nsozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Der\nBegriff des Verfolgten im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG ist , was die\nVerfolgungsmaßnahmen, die geschutzten Rechtsguter und den politischen\nCharakter der Verfolgung angeht, mit dem entsprechenden Begriff in Art. 16a\nAbs. 1 GG identisch (vgl. BVerwG, Urteile vom 18.2.1992, Buchholz 402.25 § 7\nAsylVfG Nr. 1 und vom 18.4.1994, NVwZ 1994, 497; vgl. ferner etwa\nKanein/Renner, Auslanderrecht, 6. Aufl., § 51 AuslG RdNr. 9). Politische\nVerfolgung im Sinne vom Art. 16a Abs. 1 GG ist grundsatzlich staatliche\nVerfolgung durch Zufugung gezielter Rechtsverletzungen, die den Betroffenen\nihrer Intensitat nach aus der ubergreifenden Friedensordnung der staatlichen\nEinheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315, 345;\nBVerwG, Urteil vom 22.3.1994, NVwZ 1994, 1112). Der Abschiebungsschutz nach §\n51 Abs. 1 AuslG greift weitergehend aber auch dann ein, wenn etwa politische\nVerfolgung wegen eines unbeachtlichen Nachfluchtgrunds droht oder ein\nAsylanspruch an einer fruher erlangten anderweitigen Sicherheit vor Verfolgung\ngemaß § 27 AsylVfG oder der Einreise aus einem sicheren Drittstaat nach § 26a\nAsylVfG scheitert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.3.1992, Buchholz 402.25 § 5\nAsylVfG Nr. 10). \n--- \n| 17 \n--- \n| Bei unverfolgt aus dem Heimatstaat ausgereisten Schutzsuchenden gilt der\nallgemeine Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im\nAbschiebungsverfahren nach § 51 Abs. 1 AuslG ebenso wie im\nAnerkennungsverfahren nach Art. 16a Abs. 1 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom\n3.11.1992, InfAuslR 1993, 150). Dieser Prognosemaßstab enthalt neben dem\nElement der Eintrittswahrscheinlichkeit auch das Element der zeitlichen Nahe\ndes befurchteten Eingriffs (BVerwG, Urteil vom 14.12.1993, Buchholz 402.25 § 1\nAsylVfG Nr. 166). Von einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden oder\n- was gleichbedeutend ist - unmittelbaren Verfolgung ist dann auszugehen, wenn\ndie fur die Verfolgung sprechenden Umstande ein großeres Gewicht besitzen und\ndeshalb gegenuber den dagegen sprechenden Tatsachen uberwiegen (vgl. BVerwG,\nUrteil vom 5.11.1991, BVerwGE 89, 162, 169 ff.). Dabei ist eine rein\nquantitative oder statistische Betrachtung nicht angezeigt (vgl. BVerwG,\nUrteil vom 23.7.1991, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 146). Maßgebend ist\nletztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit einer Ruckkehr in den\nHeimatstaat; dieser bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der\nBeurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr „beachtlich"\nist. Die Moglichkeit einer Verfolgung im Heimatland muss derart greifbar sein,\ndass ein verstandiger Mensch das Risiko einer Ruckkehr nicht auf sich nimmt,\nwobei auch die Schwere des befurchteten Eingriffs in gewissem Umfang zu\nberucksichtigen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, a.a.O.). \n--- \n| 18 \n--- \n| Wer demgegenuber bereits vor der Flucht vom Verfolgungsmaßnahmen betroffen\noder unmittelbar damit bedroht war, ist nur dann nicht als politisch verfolgt\nanzusehen, wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen im Fall einer\nRuckkehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann (vgl.\nBVerfG, Beschlusse vom 2.7.1980, BVerfGE 54, 341, und vom 10.7.1989, BVerfGE\n80, 315, 345; BVerwG, Urteil vom 25.9.1984, BVerwGE 70, 169, 171). \n--- \n| 19 \n--- \n| Der Klager unterlag nach Überzeugung des Senats in seinem Heimatland bis zu\nseiner Ausreise nicht politischer Verfolgung. \n--- \n| 20 \n--- \n| Geht man von seinen Angaben aus, so geht der Entschluss des Klagers, sein\nHeimatland zu verlassen, auf die Befurchtung zuruck, wegen von seinem\nehemaligen Geschaftspartner zum Nachteil des irakischen Staates begangener\nEigentumsdelikte ebenfalls bestraft zu werden. Der befurchteten Sanktion ware\nschon kein Verfolgungscharakter zugekommen, der die Annahme einer sog.\nVorverfolgung tragen konnte, denn sie hatte sich ausschließlich als staatliche\nVerfolgung kriminellen Unrechts dargestellt. Der Unrechtsgehalt der\nvorgeworfenen Tat ware nicht durch einen Angriff auf ein politisches Rechtsgut\ngepragt gewesen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Dem nach allem unverfolgt ausgereisten Klager steht auch ein nach § 51 Abs.\n1 AuslG zu berucksichtigender Nachfluchtgrund nicht zu. Denn fur den Fall\neiner Ruckkehr in den Irak drohen ihm asylrechtlich erhebliche Maßnahmen mit\nder zu fordernden beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht. Derzeit und fur die\nnachste Zukunft ist eine politische Verfolgung des Klagers bei einer Ruckkehr\nin den Irak ausgeschlossen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Zwar kann mittlerweile nicht mehr davon die Rede sein, es fehle an einer\nirakischen Staatsmacht, die politische Verfolgung zurechenbar veranlassen\nkonnte (so noch der Senat im Beschluss vom 26.4.2004 - A 2 S 172/02 -). Im\njetzigen Zeitpunkt (vgl. dazu auch § 77 AsylVfG) und damit fur das anhangige\nAsylverfahren ist von dem Vorhandensein einer staatlichen Macht im Irak\nauszugehen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Staatlichkeit (und „Quasi-Staatlichkeit") im Sinne vom Art. 16a Abs. 1 GG\nist im Zusammenhang mit dem Begriff des „politisch" Verfolgten zu betrachten\nund daher in Beziehung zu setzen zu der Frage, ob eine Maßnahme den Charakter\neiner politischen Verfolgung im Sinne des Art. 16a GG aufweist, vor der dem\ndavon Betroffenen Schutz gewahrt werden soll. Politische Verfolgung geht\ndemnach von einem Trager uberlegener, in der Regel hoheitlicher Macht aus, der\nder Verletzte unterworfen ist; politische Verfolgung ist demnach grundsatzlich\nstaatliche Verfolgung (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, a.a.O., 333 ff.).\nMaßgeblich fur die Bewertung einer Maßnahme als politische Verfolgung ist,\ndass der Schutzsuchende einerseits in ein ubergreifendes, das Zusammenleben in\nder konkreten Gemeinschaft durch Befehl und Zwang ordnendes Herrschaftsgefuge\neingebunden ist, welches den ihm Unterworfenen in der Regel Schutz gewahrt,\nandererseits aber wegen asylerheblicher Merkmale von diesem Schutz ausgenommen\nund durch gezielt zugefugte Rechtsverletzungen aus der konkreten Gemeinschaft\nausgeschlossen wird, was ihn in eine ausweglose Lage bringt, der er sich nur\ndurch Flucht entziehen kann. Mit Blick auf eine Burgerkriegssituation hat das\nBundesverfassungsgericht entschieden, dass sich die Frage, ob nach dem\nFortfall der bisherigen Staatsgewalt von einer Kriegspartei politische\nVerfolgung ausgehen kann, maßgeblich danach beurteilt, ob diese zumindest in\neinem „Kernterritorium" ein solches Herrschaftsgefuge von gewisser Stabilitat\n- im Sinne einer „ubergreifenden Friedensordnung" (BVerfG, Beschluss vom\n10.7.1989, a.a.O., 334 ff.) -tatsachlich errichtet hat (so BVerfG, Beschluss\nvom 10.8.2000 - 2 BvR 260/98, 1353/98 -). Dieser rechtliche Ansatz, mit dem\neinem mehr staatsrechtlichen Verstandnis (so BVerwG, Urteil vom 4.11.1997,\nBVerwGE 105, 306) entgegengetreten wird, ist auch in Übergangssituationen\nmaßgeblich, in denen sich - wie hier - nach Auflosung der bisherigen\nStaatsmacht eine neue Herrschaftsordnung bildet. Auch Letztere ist danach zu\nbeurteilen, ob sie eine im genannten Sinne „ubergreifende Friedensordnung"\ngeschaffen hat. Dies ist im Falle des Iraks zum hier maßgeblichen Zeitpunkt\nder Berufungsverhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) anzunehmen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die staatliche Macht, wie sie sich derzeit darstellt, ist nach Beendigung\ndes Saddam-Regimes und einem zwischenzeitlichen „Machtvakuum" neu entstanden.\nDas ehemalige Regime hat seine politische und militarische Herrschaft durch\ndie am 20.03.2003 unter der Fuhrung der USA begonnenen Militaraktionen\nendgultig verloren (Auswartiges Amt, Lageberichte vom 06.11.2003 und vom\n7.5.2004; Senat, Beschl. vom 27.01.2004 - A 2 S 1079/02 -; HessVGH, Beschl.\nvom 21.11.2003 - 10 UZ 984/03.A -; OVG Sachsen, Beschl. vom 28.08.2003 - A 4 B\n573/02 -). Die Militaraktionen fuhrten zur Auflosung der staatstragenden\nOrganisationen und Institutionen dieses Regimes wie beispielsweise der Baath-\nPartei, der Armee und der Geheimdienste. Saddam Hussein selbst wurde\nfestgesetzt, die meisten der an der Regierungsausubung beteiligten Angehorigen\nund eine Vielzahl an Funktionstragern sind entmachtet. Nach Abschluss der\nMilitaraktionen wurde eine „provisorische Behorde" (Coalition Provisional\nAuthority - CPA) gebildet, die sich auf Krafte der amerikanischen und\nbritischen Armee sowie auf Militar- und Polizeikontingente weiterer 36 Staaten\nstutzte (Auswartiges Amt, Lagebericht vom 6.11.2003). Diese Behorde begann mit\ndem Neuaufbau einer Verwaltung, um die offentliche Sicherheit und die\nGrundversorgung der Bevolkerung zu gewahrleisten (Auswartiges Amt, a.a.O.). \n--- \n| 25 \n--- \n| Als erster Schritt zum Aufbau einer Übergangsregierung wurde ein\nRegierungsrat (Transitory Governing Council) berufen, der sich aus Vertretern\naller Bevolkerungsschichten, Ethnien und Glaubensrichtungen zusammensetzte und\nvon einer unter den Ratsmitgliedern rotierenden Prasidentschaft gefuhrt wurde.\nDer Übergangsrat hatte unter anderem die Aufgabe, eine neue Verfassung\nauszuarbeiten sowie allgemeine freie Wahlen vorzubereiten (dazu Auswartiges\nAmt, Ad-hoc-Berichte vom 7.8. und 6.12.2003.). Anfang September 2003 kam es\nzur Bildung eines 25-kopfigen Interimskabinetts, das dem politischen und\nreligiosen Anteil des Übergangsrats entsprach. Dieser vereinbarte mit der CPA\nam 15.11.2003 die „Beschleunigung des politischen Prozesses", wobei u.a. die\nVerpflichtung der Vereinigten Staaten zur Beendigung der Besatzung zum\n1.7.2004 vorgesehen wurde. \n--- \n| 26 \n--- \n| Mittlerweile ist am 1.7.2004 die irakische Übergangsregierung eingesetzt\nund eine Nationalversammlung einberufen, die ein kunftiges Parlament bestimmen\nund Wahlen fur Januar 2005 vorbereiten soll (FAZ vom 16.8.2004). Die Regierung\nAllawi hat die Geschafte einer Übergangsregierung ubernommen und leitet die\nVerwaltung des Landes - wenn auch dies alles im Rahmen einer noch nicht\nabgeschlossenen Anlaufphase erfolgt. Namentlich die staatliche Ordnungsmacht\nmuss sich noch auf die Koalitionstruppen stutzen, um den um die Teilhabe an\nder Macht kampfenden Gruppierungen im Land zu begegnen. Der Übergangsrat hat\nsich Anfang Juni 2004 aufgelost, nachdem er sich am 01.03.2004 auf eine\nÜbergangsverfassung geeinigt hatte, die am 8.3.2004 unterzeichnet worden ist.\nIn ihr bekennt sich der irakische Staat zu demokratischen Grundwerten,\ndarunter Meinungs- und Religionsfreiheit (BNN vom 09.03.2004), und regelt u.a.\ndie Staatsburgerschaft, das Recht auf Wiedereinburgerung (Art. 11) und\nAbschiebungsschutz fur Fluchtlinge (Art. 19). \n--- \n| 27 \n--- \n| Die staatliche Souveranitat ist - auch nach außen - gestarkt durch den\neinstimmigen Beschluss des UN-Sicherheitsrats vom 8.6.2004, der die\nMachtubergabe an eine souverane Übergangsregierung im Irak zum 30.6.2004\nhervorhebt und die Erklarung enthalt, dass die neue Regierung des Iraks\njederzeit die internationalen Truppen zum Abzug aufzufordern darf. Zwar ist\nein Veto-Recht gegen US-gefuhrte Militareinsatze nicht vorgesehen, das Mandat\nhierfur lauft jedoch entsprechend der Resolution auf jeden Fall Ende Januar\n2006 aus (NZZ vom 9.6.2004 und BNN vom 10.6.2004). Am 28.6.2004 hat die\namerikanisch gefuhrte Zivilverwaltung ihre Befugnisse an die irakische\nÜbergangsregierung Allawi abgetreten. Diese nimmt die staatlichen Befugnisse\nnach Auflosung des Übergangsrats Anfang Juni 2004 auch wahr. So wurde u.a.\n(Die Welt vom 9.8.2004) am 7.8.2004 ein Amnestiegesetz unterzeichnet, das\nStraffreiheit fur geringfugige Delikte regelt; ausgenommen sind\nTotungsdelikte. Auch wurde (so Die Welt a.a.O.) die Todesstrafe wieder\neingefuhrt fur Morddelikte und Delikte gegen die Sicherheit des Landes. Ein\nbereits am 7.7.2004 unterzeichnetes Notstandsgesetz gibt der Regierung\numfangreiche Vollmachten und namentlich die Moglichkeit, das Kriegsrecht zu\nverhangen (BZ vom 8.7.2004). Der Aufbau einer Ordnungsmacht ist in vollem Gang\nund Polizeikrafte des Iraks nehmen umfangreiche Ordnungs- und\nSicherheitsmaßnahmen wahr, wie die Auseinandersetzung um die Stadt Nadjaf im\nAugust 2004 belegt. Die irakische Armee verfugt derzeit uber sieben\nausgebildete und einsatzbereite Bataillone (FAZ vom 16.8.2004). Nachdem auch\nformal als Folge der o.a. UN-Resolution eine Besetzung des Iraks seit dem\n1.7.2004 nicht mehr gegeben ist, ist bei einer Gesamtwurdigung der\naufgezeigten derzeitigen Verhaltnisse im Irak insgesamt die Herausbildung\neiner irakischen Staatsgewalt als Grundvoraussetzung fur eine ihr zurechenbare\npolitische Verfolgung gegeben. \n--- \n| 28 \n--- \n| Diese Entwicklung darf der Senat auf der Grundlage der o.a. Erkenntnisse,\nauch soweit sie allgemeinkundige Tatsachen betreffen, hier verwerten. Denn es\ngeht bei Letzteren um Tatsachen, von denen verstandige und erfahrene Menschen\nin der Regel ohne weiteres Kenntnis haben oder von denen sie sich doch\njederzeit durch Benutzen allgemein zuganglicher Quellen unschwer uberzeugen\nkonnen (zu dieser Voraussetzung BVerwG, Urteil vom 13.7.1982, NVwZ 1983, 99;\nUrteil vom 20.10.1992, BVerwGE 91, 104, 108 = NVwZ 1993, 275; vgl. auch\nBVerfG, Beschl. vom 7.11.1990 - 2 BvR 1566/87 -, InfAuslR 1991, 100, 102).\nZwar ist eine Tatsache nicht schon dann allgemeinkundig, wenn sie in allgemein\nzuganglichen Medien - namentlich der Presse \\- veroffentlicht wird (dazu\nBVerfG, Beschl. vom 4.12.1991 - 2 BvR 675/91 -, NVwZ 1992, 561, 562). Indes\nist hier zu berucksichtigen, dass sich der Zugang zu diesen Quellen angesichts\ndes konkreten Bezugs der Beteiligten zur anstehenden Problematik nahezu\naufdrangt. In Erganzung dessen ist den Beteiligten in der mundlichen\nVerhandlung zudem auch eine Presseubersicht aus neuerer Zeit ausgehandigt\nworden. \n--- \n| 29 \n--- \n| Dass sich mit Blick auf die aufgezeigte Entwicklung eine Wahrscheinlichkeit\nfur eine politische Verfolgung des Klagers durch die irakische Staatsgewalt\nergeben konnte, ist nicht erkennbar. Selbst wenn man zugunsten des Klagers\ndavon ausgeht, dass er den Irak als Vorverfolgter verlassen hat, ware ihm\nAbschiebungsschutz grundsatzlich nur dann zu versagen, wenn eine Wiederholung\nvon Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen\nware (sog. herabgestufter Prognosemaßstab, vgl. BVerwG, Urt. vom 5.7.1994,\nNVwZ 1994, 500). Eine solche Wiederholung steht aber nicht in Rede. Sie und\nder damit anzuwendende Prognosemaßstab setzen eine Verknupfung zwischen\nerlittener und kunftig drohender Verfolgung fur die Frage der Schutzgewahrung\nvoraus (vgl. OVG NW, Urt. vom 14.8.2003 - 20 A 430/02. A -). Eine\nsituationsbedingte Vorverfolgung fuhrt nur bei der Gefahr der Wiederholung\neiner gleichartigen Verfolgung zur Anwendung des herabgestuften Maßstabs. Der\nherabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist nur dann anzuwenden, wenn bei\neiner am Gedanken der Zumutbarkeit der Ruckkehr ausgerichteten wertenden\nBetrachtung ein innerer Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und der\nmit dem Asylbegehren geltend gemachten Gefahr erneuter Verfolgung dergestalt\nbesteht, dass bei Ruckkehr des Asylsuchenden mit einem Wiederaufleben der\nbereits einmal erlittenen Verfolgung zu rechnen ist oder nach den gesamten\nUmstanden das Risiko der Wiederholung einer gleichartigen Verfolgung besteht.\nIst die (vermutete) politische Überzeugung oder Gesinnung des Asylsuchenden\nAnknupfungspunkt der Verfolgung, ist zu prufen, ob eine darauf beruhende\nVorverfolgung auch unter veranderten politischen Verhaltnissen - wie etwa bei\neinem Regimewechsel - ein Wiederholungsrisiko indiziert (BVerwG, Urt. vom\n18.2.1997, BVerwGE 104, 97). \n--- \n| 30 \n--- \n| Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Vor einer Verfolgungswiederholung\naus Grunden, die den Anlass zu der behaupteten Vorverfolgung gegeben haben\nsollen, ist der Klager hinreichend sicher. Es sind keine Anhaltspunkte dafur\ngegeben, dass der Klager im Falle einer Ruckkehr in den Irak in Anknupfung an\ndie ihm zur Last gelegten Vorgange - ihren „politischen" Charakter als gegen\ndas Regime Saddam Husseins gerichtetes oder von diesem so gewertetes Verhalten\nunterstellt - von der neu gebildeten Staatsgewalt Übergriffe zu besorgen\nhatte. Vielmehr ist es mehr als uberwiegend wahrscheinlich, dass dem Klager in\nAnknupfung an das bisher Vorgetragene durch die jetzige Staatsgewalt keine\nasylrelevanten Nachteile drohen, eine Wiederholungsgefahr mithin mit\nhinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom\n11.2.2004 - 1 C 23.02 -; Urteil vom 24.2.2004 -1 C 24.02 -). Gleiches gilt fur\ndie Bewertung des ungenehmigten Auslandsaufenthaltes und der\nAsylantragstellung. Es ist nicht zu erkennen, dass der irakische Staat in\nseiner jetzigen Herrschaftsform diese Umstande zum Anlass fur asyl- bzw.\nabschiebungsrelevante Verfolgungsmaßnahmen nehmen wird (vgl. dazu auch\nNds.OVG, Beschl. vom 30.3.2004, AuAS 2004, 13, 14). Etwa drohende\nstrafrechtliche Ermittlungen oder die Ahndung kriminellen Unrechts in\nAnknupfung an Vorgange vor der Ausreise waren in diesem Zusammenhang - wie\noben dargelegt - ohnehin bedeutungslos. \n--- \n| 31 \n--- \n| (2) Der Klager hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur\nFeststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG. \n--- \n| 32 \n--- \n| Ein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1 bis Abs. 4 AuslG erfordert eine von\neinem Staat oder einer staatsahnlichen Organisation ausgehende konkret-\nindividuell drohende Gefahr. Daran fehlt es, da - wie oben dargelegt\n-Anhaltspunkte fur vom irakischen Staat ausgehende Gefahren im Sinne der\ngenannten Bestimmungen (vgl. BVerwG, Urt. vom 27.4.1998, NVwZ 1998, 973 und\nvom 15.4.1997, BVerwGE 104, 265) nicht gegeben sind. \n--- \n| 33 \n--- \n| Dem Klager drohen bei einer unterstellten Ruckkehr auch keine landesweiten\nGefahren, die ein Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 53 Abs. 6 Satz 1\nAuslG begrunden. Danach kann von der Abschiebung eines Auslanders in einen\nanderen Staat abgesehen werden, wenn dort fur diesen Auslander eine erhebliche\nkonkrete Gefahr fur Leib, Leben oder Freiheit besteht. Fur die Annahme einer\nsolchen Gefahr genugt nicht die lediglich denkbare Moglichkeit, Opfer von\nEingriffen in die genannten Rechtsguter zu werden. Gefordert ist vielmehr die\nbeachtliche Wahrscheinlichkeit eines derartigen Eingriffs. Die Annahme einer\n„konkreten" Gefahr setzt - wie durch Satz 2 der Bestimmung deutlich wird -\neine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche\nGefahrdungssituation voraus, und zwar ohne Rucksicht darauf, ob sie vom Staat\nausgeht oder ihm zugerechnet werden muss (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995,\nBVerwGE 99, 324; Urt. vom 12.7.2001, BVerwGE 115, 1, 7 ff. und neuerdings Urt.\nvom 16.6.2004 - 1 C 27.03 -). Einen solchermaßen bestimmten Sachverhalt, der\nein Abschiebungshindernis nach diesen Voraussetzungen erfullen konnte, hat der\nKlager nicht vorgetragen. \n--- \n| 34 \n--- \n| Auch bei der allgemeinen unsicheren Lage, den terroristischen Anschlagen\nund den wirtschaftlich schlechten Lebensumstanden, handelt es sich um Gefahren\nallgemeiner Art, die nicht zum Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG\nfuhren, weil ihnen die gesamte Bevolkerung des betroffenen Landes \\- wenn auch\nin unterschiedlichem Ausmaß - ausgesetzt ist. Individuelle Gefahrdungen des\nAuslanders, die sich aus allgemeinen Gefahren im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2\nAuslG ergeben, konnen auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar\nnach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG berucksichtigt werden, wenn sie durch Umstande\nin der Person oder in den Lebensverhaltnissen des Auslanders begrundet oder\nverstarkt werden, aber nur typische Auswirkungen der allgemeinen Gefahrenlage\nsind (BVerwG, Urt. vom 8.12.1998, BVerwGE 108, 77). \n--- \n| 35 \n--- \n| Handelt es sich um allgemeine Gefahren, denen aber die gesamte Bevolkerung\nausgesetzt ist, konnen sie im Grundsatz nur entsprechend der Regelung in § 53\nAbs. 6 Satz 2 AuslG aufgrund einer Entscheidung der obersten Landesbehorde\nnach § 54 AuslG zur Aussetzung der Abschiebung fuhren. Mit dieser Regelung\nsoll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine\nbestimmte Gefahr der ganzen Bevolkerung oder einer Bevolkerungsgruppe (als\nabgrenzbarer Teil der Bevolkerung) gleichermaßen droht, uber deren Aufnahme\noder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt fur die Anerkennung\nauslandischer Fluchtlinge (Bundesamt) und eine Ermessensentscheidung der\nAuslanderbehorde, sondern fur die ganze Gruppe der moglicherweise Betroffenen\neinheitlich durch eine politische Leitentscheidung der obersten\nLandesbehorden, gegebenenfalls im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des\nInnern, entschieden wird (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 324,\n327; Urt. vom 27.4.1998, NVwZ 1998, 973 und Urt. vom 8.12.1998, BVerwGE 108,\n77, 80). Diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung ist fur das genannte\nBundesamt und die Verwaltungsgerichte wegen der verfassungsrechtlichen Vorgabe\nin Art. 20 Abs. 3 GG regelmaßig bindend (vgl. BVerwG, Urt. vom 12.7.2001,\nBVerwGE 114, 379). \n--- \n| 36 \n--- \n| Auch ein Anspruch des Klagers auf Feststellung eines\nAbschiebungshindernisses auf der Grundlage einer verfassungskonformen\nAnwendung von § 53 Abs. 6 AuslG besteht nicht. \n--- \n| 37 \n--- \n| Ausnahmsweise durfen das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte im\nEinzelfall Auslandern, die zwar einer gefahrdeten Gruppe im Sinne von § 53\nAbs. 6 Satz 2 AuslG angehoren, fur welche aber ein Abschiebestopp nach § 54\nAuslG nicht besteht, Schutz vor der Durchfuhrung der Abschiebung in\nverfassungskonformer Handhabung des § 53 Abs. 6 AuslG zusprechen, wenn die\nAbschiebung wegen einer außergewohnlichen Gefahrenlage im Zielstaat\nVerfassungsrecht verletzen wurde. Das ist der Fall, wenn der Auslander in\nFolge einer Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder\nschwersten Verletzungen ausgeliefert wurde. Dann gebieten es die Grundrechte\naus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG als Ausdruck eines\nmenschenrechtlichen Mindeststandards, jedem betroffenen Auslander trotz\nFehlens einer Ermessensentscheidung nach §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG\nAbschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewahren. Gleiches folgt\nmit Rucksicht auf das gesetzliche Schutzkonzept auch dann, wenn der\nAbschiebung zwar anderweitige - nicht unter § 53 Abs. 1, 2, 4 und Abs. 6 Satz\n1 AuslG oder § 54 AuslG - fallende Hindernisse entgegenstehen, diese aber\nkeinen gleichwertigen Schutz bieten. \n--- \n| 38 \n--- \n| Gleichwertig ist ein anderweitiger Schutz nur, wenn er dem entspricht, den\nder Auslander bei Vorliegen eines Erlasses nach § 54 AuslG hatte oder den er\nbei Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erreichen konnte. Anderweitiger\nvergleichbarer Schutz vor Abschiebung besteht ferner dann, wenn der Auslander\nim entscheidungserheblichen Zeitpunkt bereits im Besitz einer\nAufenthaltsgenehmigung als eines weiterreichenden Titels zum legalen\nAufenthalt oder zumindest einer Duldung ist, die aus\nasylverfahrensunabhangigen Grunden erteilt worden ist und deren Schutzwirkung\nnicht hinter der einer gesetzlichen Duldung nach § 41 AsylVfG zuruckbleibt.\nDies dient auch der Verfahrens- und Prozessokonomie, das Bundesamt und die\nGerichte von der -u.U. aufwandigen - Prufung einer extremen Gefahrenlage zu\nentlasten, wenn der Aufenthalt des Auslanders wegen eines anderweitigen\nBleiberechts oder Abschiebungshindernisses ohnehin nicht in engem zeitlichem\nZusammenhang mit dem negativen Abschluss des Asylverfahrens beendet werden\nkann. \n--- \n| 39 \n--- \n| Ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG ist unter\ndem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit demnach nicht zulassig, wenn ebenso wie\nbei einem Erlass nach § 54 AuslG eine entsprechende sonstige Erlasslage\nbesteht. Fur diese ist ebenso wie bei § 54 AuslG nur maßgebend, ob sie besteht\nund anwendbar ist. Ein Durchbrechen der o.g. Sperrwirkung ist ferner nicht\nzulassig, wenn der Betroffene einen Abschiebungsschutz besitzt, den er bei\nunmittelbarer Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erreichen konnte. Wird\nein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG festgestellt, ist die\nAbschiebung in den betreffenden Staat - ohne Aufhebung der Androhung und der\nAusreisepflicht -in widerruflicher Weise fur die Dauer von zunachst drei\nMonaten ausgesetzt (§ 41 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AsylVfG); nach Ablauf von\ndrei Monaten entscheidet die Auslanderbehorde - unter Beachtung der\nBindungswirkung der Entscheidung zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nach § 42 AsylVfG\n- uber die Erteilung einer Duldung (§ 41 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG) (zum Ganzen\nvgl. dazu BVerwG, Urteil vom 12.7.2001, BVerwGE 114, 379 f. = NVwZ 2001, 1420\nf., m.w.N. zur Rspr. des Gerichts). \n--- \n| 40 \n--- \n| Ein danach gleichwertiger Abschiebungsschutz besteht im Falle des Klagers\nauf der Grundlage der baden-wurttembergischen Erlasslage. Nach dem Beschluss\nder Standigen Konferenz der Innenminister und -senatoren vom 21.11.2003\n(abgedruckt u.a. in Asylmagazin 2003, 15) hat eine freiwillige Ruckkehr in den\nIrak Vorrang vor der zwangsweisen Ruckfuhrung dorthin, von der erst nach\nSchaffung eines abgestimmten Konzepts des Bundes mit den Landern Gebrauch\ngemacht werden soll. Dem Rechnung tragend hat das Innenministerium Baden-\nWurttemberg durch Erlass vom 27.11.2003 (4-13-IRK/12) entschieden, dass\nirakischen Staatsangehorigen Duldungen erteilt werden bzw. ausgesprochene\nDuldungen verlangert werden. \n--- \n| 41 \n--- \n| Einen entsprechenden Beschluss hat die Konferenz der Innenminister und\n-senatoren in ihrer Sitzung vom 7. und 8. Juli 2004 gefasst, fur dessen\nUmsetzung das Innenministerium Baden-Wurttemberg mit Erlass vom 29.7.2004\n(4-13-IRK/12) eine weitere Regelung getroffen hat. Danach ist eine freiwillige\nRuckkehr in den Irak grundsatzlich moglich und zumutbar und es kommt daher die\nErteilung und Verlangerung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 und\nAbs. 4 AuslG in der Regel nicht mehr in Betracht. Jedoch konnen Duldungen\nweiterhin fur jeweils drei Monate verlangert werden. Sobald\nRuckkehrmoglichkeiten gegeben seien, wird das Innenministerium daruber\ninformieren. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Da sich die Frage nach der Gleichwertigkeit auf den Abschiebungsschutz\nbezieht (und beschrankt), ist es rechtlich unerheblich, dass die Erlasslage\nauch von der Moglichkeit der freiwilligen Ruckkehr der Betroffenen in den Irak\nausgeht und deshalb die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis fur Betroffene\nausschließt. Folgt aus dem Nachrang der verfassungskonformen Anwendung von §\n53 Abs. 6 AuslG deren Nichtanwendung dann, wenn der Auslander bereits eine den\nvergleichbar wirksamen Abschiebungsschutz vermittelnde Duldung besitzt oder\ndiese ihm auf Grund der auslanderrechtlichen Erlasslage gewahrt wird oder\ngewahrt werden muss, so kommt es nicht darauf an, ob der Schutz auf\nrechtlichen - insbesondere inlandsbezogenen - Abschiebungshindernissen, die\nauch die Zumutbarkeit der freiwilligen Ruckkehr ausschließen, oder lediglich\nauf faktischen Abschiebungshindernissen beruht. Denn auch der auf § 54 AuslG\nberuhende Abschiebungsschutz umfasst keine Feststellung zur Zumutbarkeit einer\nfreiwilligen Ruckkehr, da er nach politischem Ermessen gewahrt wird.\nAbschiebungsschutz in diesem Sinn kann auch dann gewahrt werden, wenn dieser\nweder einfachgesetzlich noch verfassungsrechtlich zwingend geboten ist. \n--- \n| 43 \n--- \n| Der nach allem entscheidungserhebliche gleichwertige Abschiebungsschutz ist\nentsprechend der o.a. Erlassregelung gewahrleistet, nach der irakischen\nStaatsangehorigen mit Blick auf die derzeitigen Verhaltnisse in ihrem\nHeimatland eine dreimonatige Duldung zu erteilen ist. Der hiervon gleichfalls\nerfasste Klager steht im rechtlichen Ergebnis deshalb nicht schlechter als er\nim Falle der Gewahrung von Abschiebungsschutz durch einen Erlass nach § 54\nAuslG stunde. Dann hatte ein auf § 53 Abs. 6 AuslG in verfassungskonformer\nAnwendung gestutztes Feststellungsbegehren zwar keinen Erfolg, indes ware eine\nRechtsschutzlucke nicht gegeben. Sollte der durch die in Rede stehende\nErlasslage vermittelte Abschiebungsschutz entfallen, kann der Betroffene unter\nBerufung auf eine extreme Gefahrenlage jederzeit ein Wiederaufgreifen des\nVerfahrens fordern. Bis zu einer Entscheidung des Bundesamts darf die\nAbschiebung nur vollzogen werden, wenn der Betroffene zuvor Gelegenheit zur\nInanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen (Eil-)Rechtsschutzes hatte (dazu\nBVerwG, Urt. vom 12.7.2001, a.a.O., m.w.N.). Ist davon auszugehen, dass ein\ngleichwertiger Abschiebungsschutz hier gegeben ist, kann offen bleiben, ob\ndieser auch dem aus § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG folgenden (gleichwertig)\nentspricht. Jedenfalls scheidet eine Feststellung eines\nAbschiebungshindernisses in verfassungskonformer Anwendung von § 53 Abs. 6\nAuslG aus. \n--- \n| 44 \n--- \n| Sie kommt unabhangig davon auch deshalb nicht in Betracht, weil eine\naußergewohnliche („extreme") Gefahrenlage fur den Fall der Ruckkehr des\nKlagers in den Irak nicht festgestellt werden kann. \n--- \n| 45 \n--- \n| Ob von einer solchen Lage auszugehen ist, ist nach den Verhaltnissen des\nLandes zu beurteilen, in das abgeschoben werden soll (BVerwG, Urt. vom\n12.7.2001, a.a.O.). Diese Verhaltnisse sind landesweit in Blick zu nehmen.\nAuch wenn man erhebliche Gefahrdungsmomente fur einen zuruckkehrenden Iraker\nannehmen wurde, ware diese Gefahrenlage indes nicht im gesamten Land\nanzunehmen. Dass allein der Schluss erlaubt sei, im Falle der Abschiebung\nirakischer Staatsangehoriger wurden diese gleichsam sehenden Auges dem\nsicheren Tod oder schwersten Verletzungen oder mangels jeglicher\nLebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungerstod ausgeliefert (s. dazu das\nbereits oben genannte Urteil des BVerwG vom 12.7.2001, a.a.O., m.w.N.), lasst\nsich nicht feststellen. \n--- \n| 46 \n--- \n| Nicht zu verkennen ist allerdings, dass die Sicherheitslage im Irak außerst\nangespannt ist und Gewaltakte, wie der taglichen Berichterstattung durch die\nMedien zu entnehmen ist, an der Tagesordnung sind (Auswartiges Amt <im\nFolgenden AA>, Ad-hoc-Bericht uber die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im\nIrak vom 7.5.2004; Suddeutsche Zeitung vom 30.6.2004). Auch die Kriminalitat -\nvor allem in den Stadten - hat zugenommen, wenn auch Polizei- und\nOrdnungskrafte begrenzte Erfolge im Kampf gegen die allgemeine Kriminalitat\naufweisen konnen (AA vom 7.5.2004). Ferner zeigt der innerirakische politische\nMachtkampf, dass eine erhebliche Gewaltbereitschaft besteht, wenn es um die\nzukunftige Teilhabe an der Regierungsmacht geht. Der maßigende Einfluss des\nschiitischen Fuhrers Sistani, dem es gelang, die Auseinandersetzungen in\nNadjaf zu beenden, ist bislang selbst bei den Schiiten des Landes nicht\nuneingeschrankt wirksam. Zunehmend ist auch die Zahl der gewalttatigen\nterroristischen Auseinandersetzungen, die irakischen, aber auch auslandischen\nGruppen zugeschrieben werden, und die zunehmend auch im anfanglich stabilen\nNorden des Landes erfolgen (UNCHR, UNHCR-Position zur Ruckkehrgefahrdung\nirakischer Schutzsuchender vom Marz 2003). \n--- \n| 47 \n--- \n| Indes lasst sich nicht feststellen, dass Terror und Gewalt landesweit\nerfolgen. Vielmehr sind es vorwiegend wirtschaftlich bedeutsame Objekte und\nlokale Bereiche, die von gewalttatigen terroristischen Anschlagen betroffen\nsind. So sind es vor allem die Besatzungstruppen, die mit ihnen\nzusammenarbeitenden Politiker und sonstige irakische Staatsangehorige, die mit\nRacheakten zu rechnen haben. Namentlich auch die neu gebildeten irakischen\nPolizeikrafte sind immer mehr Ziel von Anschlagen (AA vom 7.5.2004; Die Welt\nvom 16.4.2004). Auszugehen ist daher von - wenn auch erheblichen -\nAuseinandersetzungen gewaltsamer Art, die aber als noch regional begrenzt\nanzusehen sind und namentlich die großeren Stadte oder Orte mit exponierten\nEinrichtungen betreffen, jedenfalls aber nicht als landesweit bestehende\nGefahrenlage zu beurteilen sind. Auch fallt auf, dass erkennbares Ziel von\nAnschlagen vor allem herausragende Personlichkeiten (prominente Politiker und\nGeistliche) bzw. besondere Einrichtungen sind (FAZ vom 14.6.2004). Dass die\nFolgen solcher gewalttatigen Auseinandersetzungen und Anschlage die\nBevolkerung gleichsam „blind" (mit-)treffen konnen, ist in Betracht zu ziehen,\ntragt allerdings die Annahme einer landesweit bestehenden extremen\nGefahrenlage nicht (ebenso Nds. OVG, Beschluss vom 30.3.2004, aaO). \n--- \n| 48 \n--- \n| Auch die Versorgungslage im Irak stellt sich nicht als extrem existenziell\ngefahrdend dar. Die Lebensmittelversorgung ist seit der Wiederaufnahme des\n„Oil-for-Food"-Programms nach den Kriegshandlungen wieder gewahrleistet, auch\nwenn Millionen von Menschen auf fremde Hilfe angewiesen bleiben (AA vom\n7.5.2004). Die Stromversorgung leidet zwar zunehmend unter den Anschlagen auf\ndie Elektrizitatswerke (FAZ vom 21.6.2004) und wird - wie die mit ihr\nzusammenhangende Trinkwasserversorgung - als kritisch bezeichnet, ohne dass\nindes von einer „existenziellen Gefahrdung" ausgegangen werden kann (AA vom\n7.5.2004). Eine befurchtete „humanitare Katastrophe" ist ausgeblieben, wobei\ndie Lage im Nordirak wegen der dort vorhandenen Verwaltungsstrukturen besser\nist als im Suden des Landes und im Zentralirak. Die medizinische\nGrundversorgung ist moglicherweise nicht im Einzelfall, aber dem Grunde nach\ngewahrleistet (AA vom 7.5.2004). \n--- \n| 49 \n--- \n| Unter den genannten Umstanden, dass einerseits die moglicherweise extreme\nGefahrenlage nicht landesweit besteht und andererseits die Versorgungslage als\nzwar angespannt aber nicht existenziell gefahrdend zu beurteilen ist, kann\nnicht festgestellt werden, dass der Klager bei einer Abschiebung gleichsam\nsehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein\nwurde. Dies wurde unabhangig davon gelten, ob es ihm gelingen wurde, im\nNordirak Fuß zu fassen, oder ob er gezwungen ware, in sein Herkunftsgebiet im\nZentralirak zuruckzukehren. \n--- \n| 50 \n--- \n| Auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung im Bescheid des\nBundesamts sind aus Rechtsgrunden nicht zu beanstanden (vgl. dazu §§ 34, 38\nAsylVfG i.V.m. § 50 AuslG). \n--- \n| 51 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 (entspr.) VwGO,\n§ 83b AsylVfG. \n--- \n| 52 \n--- \n| Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132\nAbs. 2 VwGO vorliegt. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 15 \n--- \n| Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten und des beteiligten\nBundesbeauftragten fur Asylangelegenheiten, uber die der Senat in deren\nAbwesenheit entscheidet (vgl. § 125 Abs. 1, § 102 Abs. 2 VwGO), ist zulassig\n(vgl. auch § 87b AsylVfG i. d. F. des Art. 3 Nr. 48 des Zuwanderungsgesetzes)\nund begrundet. Das Verwaltungsgericht hatte die Klage abweisen mussen; denn\nder Klager hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten festzustellen,\ndass bei ihm die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen (dazu 1.),\noder hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG\n(dazu 2.) vorliegen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). \n--- \n| 16 \n--- \n| (1) Nach § 51 Abs. 1 AuslG darf ein Auslander nicht in einen Staat\nabgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse,\nReligion, Staatsangehorigkeit, seiner Zugehorigkeit zu einer bestimmten\nsozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Der\nBegriff des Verfolgten im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG ist , was die\nVerfolgungsmaßnahmen, die geschutzten Rechtsguter und den politischen\nCharakter der Verfolgung angeht, mit dem entsprechenden Begriff in Art. 16a\nAbs. 1 GG identisch (vgl. BVerwG, Urteile vom 18.2.1992, Buchholz 402.25 § 7\nAsylVfG Nr. 1 und vom 18.4.1994, NVwZ 1994, 497; vgl. ferner etwa\nKanein/Renner, Auslanderrecht, 6. Aufl., § 51 AuslG RdNr. 9). Politische\nVerfolgung im Sinne vom Art. 16a Abs. 1 GG ist grundsatzlich staatliche\nVerfolgung durch Zufugung gezielter Rechtsverletzungen, die den Betroffenen\nihrer Intensitat nach aus der ubergreifenden Friedensordnung der staatlichen\nEinheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315, 345;\nBVerwG, Urteil vom 22.3.1994, NVwZ 1994, 1112). Der Abschiebungsschutz nach §\n51 Abs. 1 AuslG greift weitergehend aber auch dann ein, wenn etwa politische\nVerfolgung wegen eines unbeachtlichen Nachfluchtgrunds droht oder ein\nAsylanspruch an einer fruher erlangten anderweitigen Sicherheit vor Verfolgung\ngemaß § 27 AsylVfG oder der Einreise aus einem sicheren Drittstaat nach § 26a\nAsylVfG scheitert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.3.1992, Buchholz 402.25 § 5\nAsylVfG Nr. 10). \n--- \n| 17 \n--- \n| Bei unverfolgt aus dem Heimatstaat ausgereisten Schutzsuchenden gilt der\nallgemeine Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im\nAbschiebungsverfahren nach § 51 Abs. 1 AuslG ebenso wie im\nAnerkennungsverfahren nach Art. 16a Abs. 1 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom\n3.11.1992, InfAuslR 1993, 150). Dieser Prognosemaßstab enthalt neben dem\nElement der Eintrittswahrscheinlichkeit auch das Element der zeitlichen Nahe\ndes befurchteten Eingriffs (BVerwG, Urteil vom 14.12.1993, Buchholz 402.25 § 1\nAsylVfG Nr. 166). Von einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden oder\n- was gleichbedeutend ist - unmittelbaren Verfolgung ist dann auszugehen, wenn\ndie fur die Verfolgung sprechenden Umstande ein großeres Gewicht besitzen und\ndeshalb gegenuber den dagegen sprechenden Tatsachen uberwiegen (vgl. BVerwG,\nUrteil vom 5.11.1991, BVerwGE 89, 162, 169 ff.). Dabei ist eine rein\nquantitative oder statistische Betrachtung nicht angezeigt (vgl. BVerwG,\nUrteil vom 23.7.1991, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 146). Maßgebend ist\nletztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit einer Ruckkehr in den\nHeimatstaat; dieser bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der\nBeurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr „beachtlich"\nist. Die Moglichkeit einer Verfolgung im Heimatland muss derart greifbar sein,\ndass ein verstandiger Mensch das Risiko einer Ruckkehr nicht auf sich nimmt,\nwobei auch die Schwere des befurchteten Eingriffs in gewissem Umfang zu\nberucksichtigen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, a.a.O.). \n--- \n| 18 \n--- \n| Wer demgegenuber bereits vor der Flucht vom Verfolgungsmaßnahmen betroffen\noder unmittelbar damit bedroht war, ist nur dann nicht als politisch verfolgt\nanzusehen, wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen im Fall einer\nRuckkehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann (vgl.\nBVerfG, Beschlusse vom 2.7.1980, BVerfGE 54, 341, und vom 10.7.1989, BVerfGE\n80, 315, 345; BVerwG, Urteil vom 25.9.1984, BVerwGE 70, 169, 171). \n--- \n| 19 \n--- \n| Der Klager unterlag nach Überzeugung des Senats in seinem Heimatland bis zu\nseiner Ausreise nicht politischer Verfolgung. \n--- \n| 20 \n--- \n| Geht man von seinen Angaben aus, so geht der Entschluss des Klagers, sein\nHeimatland zu verlassen, auf die Befurchtung zuruck, wegen von seinem\nehemaligen Geschaftspartner zum Nachteil des irakischen Staates begangener\nEigentumsdelikte ebenfalls bestraft zu werden. Der befurchteten Sanktion ware\nschon kein Verfolgungscharakter zugekommen, der die Annahme einer sog.\nVorverfolgung tragen konnte, denn sie hatte sich ausschließlich als staatliche\nVerfolgung kriminellen Unrechts dargestellt. Der Unrechtsgehalt der\nvorgeworfenen Tat ware nicht durch einen Angriff auf ein politisches Rechtsgut\ngepragt gewesen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Dem nach allem unverfolgt ausgereisten Klager steht auch ein nach § 51 Abs.\n1 AuslG zu berucksichtigender Nachfluchtgrund nicht zu. Denn fur den Fall\neiner Ruckkehr in den Irak drohen ihm asylrechtlich erhebliche Maßnahmen mit\nder zu fordernden beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht. Derzeit und fur die\nnachste Zukunft ist eine politische Verfolgung des Klagers bei einer Ruckkehr\nin den Irak ausgeschlossen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Zwar kann mittlerweile nicht mehr davon die Rede sein, es fehle an einer\nirakischen Staatsmacht, die politische Verfolgung zurechenbar veranlassen\nkonnte (so noch der Senat im Beschluss vom 26.4.2004 - A 2 S 172/02 -). Im\njetzigen Zeitpunkt (vgl. dazu auch § 77 AsylVfG) und damit fur das anhangige\nAsylverfahren ist von dem Vorhandensein einer staatlichen Macht im Irak\nauszugehen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Staatlichkeit (und „Quasi-Staatlichkeit") im Sinne vom Art. 16a Abs. 1 GG\nist im Zusammenhang mit dem Begriff des „politisch" Verfolgten zu betrachten\nund daher in Beziehung zu setzen zu der Frage, ob eine Maßnahme den Charakter\neiner politischen Verfolgung im Sinne des Art. 16a GG aufweist, vor der dem\ndavon Betroffenen Schutz gewahrt werden soll. Politische Verfolgung geht\ndemnach von einem Trager uberlegener, in der Regel hoheitlicher Macht aus, der\nder Verletzte unterworfen ist; politische Verfolgung ist demnach grundsatzlich\nstaatliche Verfolgung (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, a.a.O., 333 ff.).\nMaßgeblich fur die Bewertung einer Maßnahme als politische Verfolgung ist,\ndass der Schutzsuchende einerseits in ein ubergreifendes, das Zusammenleben in\nder konkreten Gemeinschaft durch Befehl und Zwang ordnendes Herrschaftsgefuge\neingebunden ist, welches den ihm Unterworfenen in der Regel Schutz gewahrt,\nandererseits aber wegen asylerheblicher Merkmale von diesem Schutz ausgenommen\nund durch gezielt zugefugte Rechtsverletzungen aus der konkreten Gemeinschaft\nausgeschlossen wird, was ihn in eine ausweglose Lage bringt, der er sich nur\ndurch Flucht entziehen kann. Mit Blick auf eine Burgerkriegssituation hat das\nBundesverfassungsgericht entschieden, dass sich die Frage, ob nach dem\nFortfall der bisherigen Staatsgewalt von einer Kriegspartei politische\nVerfolgung ausgehen kann, maßgeblich danach beurteilt, ob diese zumindest in\neinem „Kernterritorium" ein solches Herrschaftsgefuge von gewisser Stabilitat\n- im Sinne einer „ubergreifenden Friedensordnung" (BVerfG, Beschluss vom\n10.7.1989, a.a.O., 334 ff.) -tatsachlich errichtet hat (so BVerfG, Beschluss\nvom 10.8.2000 - 2 BvR 260/98, 1353/98 -). Dieser rechtliche Ansatz, mit dem\neinem mehr staatsrechtlichen Verstandnis (so BVerwG, Urteil vom 4.11.1997,\nBVerwGE 105, 306) entgegengetreten wird, ist auch in Übergangssituationen\nmaßgeblich, in denen sich - wie hier - nach Auflosung der bisherigen\nStaatsmacht eine neue Herrschaftsordnung bildet. Auch Letztere ist danach zu\nbeurteilen, ob sie eine im genannten Sinne „ubergreifende Friedensordnung"\ngeschaffen hat. Dies ist im Falle des Iraks zum hier maßgeblichen Zeitpunkt\nder Berufungsverhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) anzunehmen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die staatliche Macht, wie sie sich derzeit darstellt, ist nach Beendigung\ndes Saddam-Regimes und einem zwischenzeitlichen „Machtvakuum" neu entstanden.\nDas ehemalige Regime hat seine politische und militarische Herrschaft durch\ndie am 20.03.2003 unter der Fuhrung der USA begonnenen Militaraktionen\nendgultig verloren (Auswartiges Amt, Lageberichte vom 06.11.2003 und vom\n7.5.2004; Senat, Beschl. vom 27.01.2004 - A 2 S 1079/02 -; HessVGH, Beschl.\nvom 21.11.2003 - 10 UZ 984/03.A -; OVG Sachsen, Beschl. vom 28.08.2003 - A 4 B\n573/02 -). Die Militaraktionen fuhrten zur Auflosung der staatstragenden\nOrganisationen und Institutionen dieses Regimes wie beispielsweise der Baath-\nPartei, der Armee und der Geheimdienste. Saddam Hussein selbst wurde\nfestgesetzt, die meisten der an der Regierungsausubung beteiligten Angehorigen\nund eine Vielzahl an Funktionstragern sind entmachtet. Nach Abschluss der\nMilitaraktionen wurde eine „provisorische Behorde" (Coalition Provisional\nAuthority - CPA) gebildet, die sich auf Krafte der amerikanischen und\nbritischen Armee sowie auf Militar- und Polizeikontingente weiterer 36 Staaten\nstutzte (Auswartiges Amt, Lagebericht vom 6.11.2003). Diese Behorde begann mit\ndem Neuaufbau einer Verwaltung, um die offentliche Sicherheit und die\nGrundversorgung der Bevolkerung zu gewahrleisten (Auswartiges Amt, a.a.O.). \n--- \n| 25 \n--- \n| Als erster Schritt zum Aufbau einer Übergangsregierung wurde ein\nRegierungsrat (Transitory Governing Council) berufen, der sich aus Vertretern\naller Bevolkerungsschichten, Ethnien und Glaubensrichtungen zusammensetzte und\nvon einer unter den Ratsmitgliedern rotierenden Prasidentschaft gefuhrt wurde.\nDer Übergangsrat hatte unter anderem die Aufgabe, eine neue Verfassung\nauszuarbeiten sowie allgemeine freie Wahlen vorzubereiten (dazu Auswartiges\nAmt, Ad-hoc-Berichte vom 7.8. und 6.12.2003.). Anfang September 2003 kam es\nzur Bildung eines 25-kopfigen Interimskabinetts, das dem politischen und\nreligiosen Anteil des Übergangsrats entsprach. Dieser vereinbarte mit der CPA\nam 15.11.2003 die „Beschleunigung des politischen Prozesses", wobei u.a. die\nVerpflichtung der Vereinigten Staaten zur Beendigung der Besatzung zum\n1.7.2004 vorgesehen wurde. \n--- \n| 26 \n--- \n| Mittlerweile ist am 1.7.2004 die irakische Übergangsregierung eingesetzt\nund eine Nationalversammlung einberufen, die ein kunftiges Parlament bestimmen\nund Wahlen fur Januar 2005 vorbereiten soll (FAZ vom 16.8.2004). Die Regierung\nAllawi hat die Geschafte einer Übergangsregierung ubernommen und leitet die\nVerwaltung des Landes - wenn auch dies alles im Rahmen einer noch nicht\nabgeschlossenen Anlaufphase erfolgt. Namentlich die staatliche Ordnungsmacht\nmuss sich noch auf die Koalitionstruppen stutzen, um den um die Teilhabe an\nder Macht kampfenden Gruppierungen im Land zu begegnen. Der Übergangsrat hat\nsich Anfang Juni 2004 aufgelost, nachdem er sich am 01.03.2004 auf eine\nÜbergangsverfassung geeinigt hatte, die am 8.3.2004 unterzeichnet worden ist.\nIn ihr bekennt sich der irakische Staat zu demokratischen Grundwerten,\ndarunter Meinungs- und Religionsfreiheit (BNN vom 09.03.2004), und regelt u.a.\ndie Staatsburgerschaft, das Recht auf Wiedereinburgerung (Art. 11) und\nAbschiebungsschutz fur Fluchtlinge (Art. 19). \n--- \n| 27 \n--- \n| Die staatliche Souveranitat ist - auch nach außen - gestarkt durch den\neinstimmigen Beschluss des UN-Sicherheitsrats vom 8.6.2004, der die\nMachtubergabe an eine souverane Übergangsregierung im Irak zum 30.6.2004\nhervorhebt und die Erklarung enthalt, dass die neue Regierung des Iraks\njederzeit die internationalen Truppen zum Abzug aufzufordern darf. Zwar ist\nein Veto-Recht gegen US-gefuhrte Militareinsatze nicht vorgesehen, das Mandat\nhierfur lauft jedoch entsprechend der Resolution auf jeden Fall Ende Januar\n2006 aus (NZZ vom 9.6.2004 und BNN vom 10.6.2004). Am 28.6.2004 hat die\namerikanisch gefuhrte Zivilverwaltung ihre Befugnisse an die irakische\nÜbergangsregierung Allawi abgetreten. Diese nimmt die staatlichen Befugnisse\nnach Auflosung des Übergangsrats Anfang Juni 2004 auch wahr. So wurde u.a.\n(Die Welt vom 9.8.2004) am 7.8.2004 ein Amnestiegesetz unterzeichnet, das\nStraffreiheit fur geringfugige Delikte regelt; ausgenommen sind\nTotungsdelikte. Auch wurde (so Die Welt a.a.O.) die Todesstrafe wieder\neingefuhrt fur Morddelikte und Delikte gegen die Sicherheit des Landes. Ein\nbereits am 7.7.2004 unterzeichnetes Notstandsgesetz gibt der Regierung\numfangreiche Vollmachten und namentlich die Moglichkeit, das Kriegsrecht zu\nverhangen (BZ vom 8.7.2004). Der Aufbau einer Ordnungsmacht ist in vollem Gang\nund Polizeikrafte des Iraks nehmen umfangreiche Ordnungs- und\nSicherheitsmaßnahmen wahr, wie die Auseinandersetzung um die Stadt Nadjaf im\nAugust 2004 belegt. Die irakische Armee verfugt derzeit uber sieben\nausgebildete und einsatzbereite Bataillone (FAZ vom 16.8.2004). Nachdem auch\nformal als Folge der o.a. UN-Resolution eine Besetzung des Iraks seit dem\n1.7.2004 nicht mehr gegeben ist, ist bei einer Gesamtwurdigung der\naufgezeigten derzeitigen Verhaltnisse im Irak insgesamt die Herausbildung\neiner irakischen Staatsgewalt als Grundvoraussetzung fur eine ihr zurechenbare\npolitische Verfolgung gegeben. \n--- \n| 28 \n--- \n| Diese Entwicklung darf der Senat auf der Grundlage der o.a. Erkenntnisse,\nauch soweit sie allgemeinkundige Tatsachen betreffen, hier verwerten. Denn es\ngeht bei Letzteren um Tatsachen, von denen verstandige und erfahrene Menschen\nin der Regel ohne weiteres Kenntnis haben oder von denen sie sich doch\njederzeit durch Benutzen allgemein zuganglicher Quellen unschwer uberzeugen\nkonnen (zu dieser Voraussetzung BVerwG, Urteil vom 13.7.1982, NVwZ 1983, 99;\nUrteil vom 20.10.1992, BVerwGE 91, 104, 108 = NVwZ 1993, 275; vgl. auch\nBVerfG, Beschl. vom 7.11.1990 - 2 BvR 1566/87 -, InfAuslR 1991, 100, 102).\nZwar ist eine Tatsache nicht schon dann allgemeinkundig, wenn sie in allgemein\nzuganglichen Medien - namentlich der Presse \\- veroffentlicht wird (dazu\nBVerfG, Beschl. vom 4.12.1991 - 2 BvR 675/91 -, NVwZ 1992, 561, 562). Indes\nist hier zu berucksichtigen, dass sich der Zugang zu diesen Quellen angesichts\ndes konkreten Bezugs der Beteiligten zur anstehenden Problematik nahezu\naufdrangt. In Erganzung dessen ist den Beteiligten in der mundlichen\nVerhandlung zudem auch eine Presseubersicht aus neuerer Zeit ausgehandigt\nworden. \n--- \n| 29 \n--- \n| Dass sich mit Blick auf die aufgezeigte Entwicklung eine Wahrscheinlichkeit\nfur eine politische Verfolgung des Klagers durch die irakische Staatsgewalt\nergeben konnte, ist nicht erkennbar. Selbst wenn man zugunsten des Klagers\ndavon ausgeht, dass er den Irak als Vorverfolgter verlassen hat, ware ihm\nAbschiebungsschutz grundsatzlich nur dann zu versagen, wenn eine Wiederholung\nvon Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen\nware (sog. herabgestufter Prognosemaßstab, vgl. BVerwG, Urt. vom 5.7.1994,\nNVwZ 1994, 500). Eine solche Wiederholung steht aber nicht in Rede. Sie und\nder damit anzuwendende Prognosemaßstab setzen eine Verknupfung zwischen\nerlittener und kunftig drohender Verfolgung fur die Frage der Schutzgewahrung\nvoraus (vgl. OVG NW, Urt. vom 14.8.2003 - 20 A 430/02. A -). Eine\nsituationsbedingte Vorverfolgung fuhrt nur bei der Gefahr der Wiederholung\neiner gleichartigen Verfolgung zur Anwendung des herabgestuften Maßstabs. Der\nherabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist nur dann anzuwenden, wenn bei\neiner am Gedanken der Zumutbarkeit der Ruckkehr ausgerichteten wertenden\nBetrachtung ein innerer Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und der\nmit dem Asylbegehren geltend gemachten Gefahr erneuter Verfolgung dergestalt\nbesteht, dass bei Ruckkehr des Asylsuchenden mit einem Wiederaufleben der\nbereits einmal erlittenen Verfolgung zu rechnen ist oder nach den gesamten\nUmstanden das Risiko der Wiederholung einer gleichartigen Verfolgung besteht.\nIst die (vermutete) politische Überzeugung oder Gesinnung des Asylsuchenden\nAnknupfungspunkt der Verfolgung, ist zu prufen, ob eine darauf beruhende\nVorverfolgung auch unter veranderten politischen Verhaltnissen - wie etwa bei\neinem Regimewechsel - ein Wiederholungsrisiko indiziert (BVerwG, Urt. vom\n18.2.1997, BVerwGE 104, 97). \n--- \n| 30 \n--- \n| Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Vor einer Verfolgungswiederholung\naus Grunden, die den Anlass zu der behaupteten Vorverfolgung gegeben haben\nsollen, ist der Klager hinreichend sicher. Es sind keine Anhaltspunkte dafur\ngegeben, dass der Klager im Falle einer Ruckkehr in den Irak in Anknupfung an\ndie ihm zur Last gelegten Vorgange - ihren „politischen" Charakter als gegen\ndas Regime Saddam Husseins gerichtetes oder von diesem so gewertetes Verhalten\nunterstellt - von der neu gebildeten Staatsgewalt Übergriffe zu besorgen\nhatte. Vielmehr ist es mehr als uberwiegend wahrscheinlich, dass dem Klager in\nAnknupfung an das bisher Vorgetragene durch die jetzige Staatsgewalt keine\nasylrelevanten Nachteile drohen, eine Wiederholungsgefahr mithin mit\nhinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom\n11.2.2004 - 1 C 23.02 -; Urteil vom 24.2.2004 -1 C 24.02 -). Gleiches gilt fur\ndie Bewertung des ungenehmigten Auslandsaufenthaltes und der\nAsylantragstellung. Es ist nicht zu erkennen, dass der irakische Staat in\nseiner jetzigen Herrschaftsform diese Umstande zum Anlass fur asyl- bzw.\nabschiebungsrelevante Verfolgungsmaßnahmen nehmen wird (vgl. dazu auch\nNds.OVG, Beschl. vom 30.3.2004, AuAS 2004, 13, 14). Etwa drohende\nstrafrechtliche Ermittlungen oder die Ahndung kriminellen Unrechts in\nAnknupfung an Vorgange vor der Ausreise waren in diesem Zusammenhang - wie\noben dargelegt - ohnehin bedeutungslos. \n--- \n| 31 \n--- \n| (2) Der Klager hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur\nFeststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG. \n--- \n| 32 \n--- \n| Ein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1 bis Abs. 4 AuslG erfordert eine von\neinem Staat oder einer staatsahnlichen Organisation ausgehende konkret-\nindividuell drohende Gefahr. Daran fehlt es, da - wie oben dargelegt\n-Anhaltspunkte fur vom irakischen Staat ausgehende Gefahren im Sinne der\ngenannten Bestimmungen (vgl. BVerwG, Urt. vom 27.4.1998, NVwZ 1998, 973 und\nvom 15.4.1997, BVerwGE 104, 265) nicht gegeben sind. \n--- \n| 33 \n--- \n| Dem Klager drohen bei einer unterstellten Ruckkehr auch keine landesweiten\nGefahren, die ein Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 53 Abs. 6 Satz 1\nAuslG begrunden. Danach kann von der Abschiebung eines Auslanders in einen\nanderen Staat abgesehen werden, wenn dort fur diesen Auslander eine erhebliche\nkonkrete Gefahr fur Leib, Leben oder Freiheit besteht. Fur die Annahme einer\nsolchen Gefahr genugt nicht die lediglich denkbare Moglichkeit, Opfer von\nEingriffen in die genannten Rechtsguter zu werden. Gefordert ist vielmehr die\nbeachtliche Wahrscheinlichkeit eines derartigen Eingriffs. Die Annahme einer\n„konkreten" Gefahr setzt - wie durch Satz 2 der Bestimmung deutlich wird -\neine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche\nGefahrdungssituation voraus, und zwar ohne Rucksicht darauf, ob sie vom Staat\nausgeht oder ihm zugerechnet werden muss (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995,\nBVerwGE 99, 324; Urt. vom 12.7.2001, BVerwGE 115, 1, 7 ff. und neuerdings Urt.\nvom 16.6.2004 - 1 C 27.03 -). Einen solchermaßen bestimmten Sachverhalt, der\nein Abschiebungshindernis nach diesen Voraussetzungen erfullen konnte, hat der\nKlager nicht vorgetragen. \n--- \n| 34 \n--- \n| Auch bei der allgemeinen unsicheren Lage, den terroristischen Anschlagen\nund den wirtschaftlich schlechten Lebensumstanden, handelt es sich um Gefahren\nallgemeiner Art, die nicht zum Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG\nfuhren, weil ihnen die gesamte Bevolkerung des betroffenen Landes \\- wenn auch\nin unterschiedlichem Ausmaß - ausgesetzt ist. Individuelle Gefahrdungen des\nAuslanders, die sich aus allgemeinen Gefahren im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2\nAuslG ergeben, konnen auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar\nnach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG berucksichtigt werden, wenn sie durch Umstande\nin der Person oder in den Lebensverhaltnissen des Auslanders begrundet oder\nverstarkt werden, aber nur typische Auswirkungen der allgemeinen Gefahrenlage\nsind (BVerwG, Urt. vom 8.12.1998, BVerwGE 108, 77). \n--- \n| 35 \n--- \n| Handelt es sich um allgemeine Gefahren, denen aber die gesamte Bevolkerung\nausgesetzt ist, konnen sie im Grundsatz nur entsprechend der Regelung in § 53\nAbs. 6 Satz 2 AuslG aufgrund einer Entscheidung der obersten Landesbehorde\nnach § 54 AuslG zur Aussetzung der Abschiebung fuhren. Mit dieser Regelung\nsoll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine\nbestimmte Gefahr der ganzen Bevolkerung oder einer Bevolkerungsgruppe (als\nabgrenzbarer Teil der Bevolkerung) gleichermaßen droht, uber deren Aufnahme\noder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt fur die Anerkennung\nauslandischer Fluchtlinge (Bundesamt) und eine Ermessensentscheidung der\nAuslanderbehorde, sondern fur die ganze Gruppe der moglicherweise Betroffenen\neinheitlich durch eine politische Leitentscheidung der obersten\nLandesbehorden, gegebenenfalls im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des\nInnern, entschieden wird (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 324,\n327; Urt. vom 27.4.1998, NVwZ 1998, 973 und Urt. vom 8.12.1998, BVerwGE 108,\n77, 80). Diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung ist fur das genannte\nBundesamt und die Verwaltungsgerichte wegen der verfassungsrechtlichen Vorgabe\nin Art. 20 Abs. 3 GG regelmaßig bindend (vgl. BVerwG, Urt. vom 12.7.2001,\nBVerwGE 114, 379). \n--- \n| 36 \n--- \n| Auch ein Anspruch des Klagers auf Feststellung eines\nAbschiebungshindernisses auf der Grundlage einer verfassungskonformen\nAnwendung von § 53 Abs. 6 AuslG besteht nicht. \n--- \n| 37 \n--- \n| Ausnahmsweise durfen das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte im\nEinzelfall Auslandern, die zwar einer gefahrdeten Gruppe im Sinne von § 53\nAbs. 6 Satz 2 AuslG angehoren, fur welche aber ein Abschiebestopp nach § 54\nAuslG nicht besteht, Schutz vor der Durchfuhrung der Abschiebung in\nverfassungskonformer Handhabung des § 53 Abs. 6 AuslG zusprechen, wenn die\nAbschiebung wegen einer außergewohnlichen Gefahrenlage im Zielstaat\nVerfassungsrecht verletzen wurde. Das ist der Fall, wenn der Auslander in\nFolge einer Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder\nschwersten Verletzungen ausgeliefert wurde. Dann gebieten es die Grundrechte\naus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG als Ausdruck eines\nmenschenrechtlichen Mindeststandards, jedem betroffenen Auslander trotz\nFehlens einer Ermessensentscheidung nach §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG\nAbschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewahren. Gleiches folgt\nmit Rucksicht auf das gesetzliche Schutzkonzept auch dann, wenn der\nAbschiebung zwar anderweitige - nicht unter § 53 Abs. 1, 2, 4 und Abs. 6 Satz\n1 AuslG oder § 54 AuslG - fallende Hindernisse entgegenstehen, diese aber\nkeinen gleichwertigen Schutz bieten. \n--- \n| 38 \n--- \n| Gleichwertig ist ein anderweitiger Schutz nur, wenn er dem entspricht, den\nder Auslander bei Vorliegen eines Erlasses nach § 54 AuslG hatte oder den er\nbei Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erreichen konnte. Anderweitiger\nvergleichbarer Schutz vor Abschiebung besteht ferner dann, wenn der Auslander\nim entscheidungserheblichen Zeitpunkt bereits im Besitz einer\nAufenthaltsgenehmigung als eines weiterreichenden Titels zum legalen\nAufenthalt oder zumindest einer Duldung ist, die aus\nasylverfahrensunabhangigen Grunden erteilt worden ist und deren Schutzwirkung\nnicht hinter der einer gesetzlichen Duldung nach § 41 AsylVfG zuruckbleibt.\nDies dient auch der Verfahrens- und Prozessokonomie, das Bundesamt und die\nGerichte von der -u.U. aufwandigen - Prufung einer extremen Gefahrenlage zu\nentlasten, wenn der Aufenthalt des Auslanders wegen eines anderweitigen\nBleiberechts oder Abschiebungshindernisses ohnehin nicht in engem zeitlichem\nZusammenhang mit dem negativen Abschluss des Asylverfahrens beendet werden\nkann. \n--- \n| 39 \n--- \n| Ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG ist unter\ndem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit demnach nicht zulassig, wenn ebenso wie\nbei einem Erlass nach § 54 AuslG eine entsprechende sonstige Erlasslage\nbesteht. Fur diese ist ebenso wie bei § 54 AuslG nur maßgebend, ob sie besteht\nund anwendbar ist. Ein Durchbrechen der o.g. Sperrwirkung ist ferner nicht\nzulassig, wenn der Betroffene einen Abschiebungsschutz besitzt, den er bei\nunmittelbarer Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erreichen konnte. Wird\nein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG festgestellt, ist die\nAbschiebung in den betreffenden Staat - ohne Aufhebung der Androhung und der\nAusreisepflicht -in widerruflicher Weise fur die Dauer von zunachst drei\nMonaten ausgesetzt (§ 41 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AsylVfG); nach Ablauf von\ndrei Monaten entscheidet die Auslanderbehorde - unter Beachtung der\nBindungswirkung der Entscheidung zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nach § 42 AsylVfG\n- uber die Erteilung einer Duldung (§ 41 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG) (zum Ganzen\nvgl. dazu BVerwG, Urteil vom 12.7.2001, BVerwGE 114, 379 f. = NVwZ 2001, 1420\nf., m.w.N. zur Rspr. des Gerichts). \n--- \n| 40 \n--- \n| Ein danach gleichwertiger Abschiebungsschutz besteht im Falle des Klagers\nauf der Grundlage der baden-wurttembergischen Erlasslage. Nach dem Beschluss\nder Standigen Konferenz der Innenminister und -senatoren vom 21.11.2003\n(abgedruckt u.a. in Asylmagazin 2003, 15) hat eine freiwillige Ruckkehr in den\nIrak Vorrang vor der zwangsweisen Ruckfuhrung dorthin, von der erst nach\nSchaffung eines abgestimmten Konzepts des Bundes mit den Landern Gebrauch\ngemacht werden soll. Dem Rechnung tragend hat das Innenministerium Baden-\nWurttemberg durch Erlass vom 27.11.2003 (4-13-IRK/12) entschieden, dass\nirakischen Staatsangehorigen Duldungen erteilt werden bzw. ausgesprochene\nDuldungen verlangert werden. \n--- \n| 41 \n--- \n| Einen entsprechenden Beschluss hat die Konferenz der Innenminister und\n-senatoren in ihrer Sitzung vom 7. und 8. Juli 2004 gefasst, fur dessen\nUmsetzung das Innenministerium Baden-Wurttemberg mit Erlass vom 29.7.2004\n(4-13-IRK/12) eine weitere Regelung getroffen hat. Danach ist eine freiwillige\nRuckkehr in den Irak grundsatzlich moglich und zumutbar und es kommt daher die\nErteilung und Verlangerung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 und\nAbs. 4 AuslG in der Regel nicht mehr in Betracht. Jedoch konnen Duldungen\nweiterhin fur jeweils drei Monate verlangert werden. Sobald\nRuckkehrmoglichkeiten gegeben seien, wird das Innenministerium daruber\ninformieren. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Da sich die Frage nach der Gleichwertigkeit auf den Abschiebungsschutz\nbezieht (und beschrankt), ist es rechtlich unerheblich, dass die Erlasslage\nauch von der Moglichkeit der freiwilligen Ruckkehr der Betroffenen in den Irak\nausgeht und deshalb die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis fur Betroffene\nausschließt. Folgt aus dem Nachrang der verfassungskonformen Anwendung von §\n53 Abs. 6 AuslG deren Nichtanwendung dann, wenn der Auslander bereits eine den\nvergleichbar wirksamen Abschiebungsschutz vermittelnde Duldung besitzt oder\ndiese ihm auf Grund der auslanderrechtlichen Erlasslage gewahrt wird oder\ngewahrt werden muss, so kommt es nicht darauf an, ob der Schutz auf\nrechtlichen - insbesondere inlandsbezogenen - Abschiebungshindernissen, die\nauch die Zumutbarkeit der freiwilligen Ruckkehr ausschließen, oder lediglich\nauf faktischen Abschiebungshindernissen beruht. Denn auch der auf § 54 AuslG\nberuhende Abschiebungsschutz umfasst keine Feststellung zur Zumutbarkeit einer\nfreiwilligen Ruckkehr, da er nach politischem Ermessen gewahrt wird.\nAbschiebungsschutz in diesem Sinn kann auch dann gewahrt werden, wenn dieser\nweder einfachgesetzlich noch verfassungsrechtlich zwingend geboten ist. \n--- \n| 43 \n--- \n| Der nach allem entscheidungserhebliche gleichwertige Abschiebungsschutz ist\nentsprechend der o.a. Erlassregelung gewahrleistet, nach der irakischen\nStaatsangehorigen mit Blick auf die derzeitigen Verhaltnisse in ihrem\nHeimatland eine dreimonatige Duldung zu erteilen ist. Der hiervon gleichfalls\nerfasste Klager steht im rechtlichen Ergebnis deshalb nicht schlechter als er\nim Falle der Gewahrung von Abschiebungsschutz durch einen Erlass nach § 54\nAuslG stunde. Dann hatte ein auf § 53 Abs. 6 AuslG in verfassungskonformer\nAnwendung gestutztes Feststellungsbegehren zwar keinen Erfolg, indes ware eine\nRechtsschutzlucke nicht gegeben. Sollte der durch die in Rede stehende\nErlasslage vermittelte Abschiebungsschutz entfallen, kann der Betroffene unter\nBerufung auf eine extreme Gefahrenlage jederzeit ein Wiederaufgreifen des\nVerfahrens fordern. Bis zu einer Entscheidung des Bundesamts darf die\nAbschiebung nur vollzogen werden, wenn der Betroffene zuvor Gelegenheit zur\nInanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen (Eil-)Rechtsschutzes hatte (dazu\nBVerwG, Urt. vom 12.7.2001, a.a.O., m.w.N.). Ist davon auszugehen, dass ein\ngleichwertiger Abschiebungsschutz hier gegeben ist, kann offen bleiben, ob\ndieser auch dem aus § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG folgenden (gleichwertig)\nentspricht. Jedenfalls scheidet eine Feststellung eines\nAbschiebungshindernisses in verfassungskonformer Anwendung von § 53 Abs. 6\nAuslG aus. \n--- \n| 44 \n--- \n| Sie kommt unabhangig davon auch deshalb nicht in Betracht, weil eine\naußergewohnliche („extreme") Gefahrenlage fur den Fall der Ruckkehr des\nKlagers in den Irak nicht festgestellt werden kann. \n--- \n| 45 \n--- \n| Ob von einer solchen Lage auszugehen ist, ist nach den Verhaltnissen des\nLandes zu beurteilen, in das abgeschoben werden soll (BVerwG, Urt. vom\n12.7.2001, a.a.O.). Diese Verhaltnisse sind landesweit in Blick zu nehmen.\nAuch wenn man erhebliche Gefahrdungsmomente fur einen zuruckkehrenden Iraker\nannehmen wurde, ware diese Gefahrenlage indes nicht im gesamten Land\nanzunehmen. Dass allein der Schluss erlaubt sei, im Falle der Abschiebung\nirakischer Staatsangehoriger wurden diese gleichsam sehenden Auges dem\nsicheren Tod oder schwersten Verletzungen oder mangels jeglicher\nLebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungerstod ausgeliefert (s. dazu das\nbereits oben genannte Urteil des BVerwG vom 12.7.2001, a.a.O., m.w.N.), lasst\nsich nicht feststellen. \n--- \n| 46 \n--- \n| Nicht zu verkennen ist allerdings, dass die Sicherheitslage im Irak außerst\nangespannt ist und Gewaltakte, wie der taglichen Berichterstattung durch die\nMedien zu entnehmen ist, an der Tagesordnung sind (Auswartiges Amt <im\nFolgenden AA>, Ad-hoc-Bericht uber die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im\nIrak vom 7.5.2004; Suddeutsche Zeitung vom 30.6.2004). Auch die Kriminalitat -\nvor allem in den Stadten - hat zugenommen, wenn auch Polizei- und\nOrdnungskrafte begrenzte Erfolge im Kampf gegen die allgemeine Kriminalitat\naufweisen konnen (AA vom 7.5.2004). Ferner zeigt der innerirakische politische\nMachtkampf, dass eine erhebliche Gewaltbereitschaft besteht, wenn es um die\nzukunftige Teilhabe an der Regierungsmacht geht. Der maßigende Einfluss des\nschiitischen Fuhrers Sistani, dem es gelang, die Auseinandersetzungen in\nNadjaf zu beenden, ist bislang selbst bei den Schiiten des Landes nicht\nuneingeschrankt wirksam. Zunehmend ist auch die Zahl der gewalttatigen\nterroristischen Auseinandersetzungen, die irakischen, aber auch auslandischen\nGruppen zugeschrieben werden, und die zunehmend auch im anfanglich stabilen\nNorden des Landes erfolgen (UNCHR, UNHCR-Position zur Ruckkehrgefahrdung\nirakischer Schutzsuchender vom Marz 2003). \n--- \n| 47 \n--- \n| Indes lasst sich nicht feststellen, dass Terror und Gewalt landesweit\nerfolgen. Vielmehr sind es vorwiegend wirtschaftlich bedeutsame Objekte und\nlokale Bereiche, die von gewalttatigen terroristischen Anschlagen betroffen\nsind. So sind es vor allem die Besatzungstruppen, die mit ihnen\nzusammenarbeitenden Politiker und sonstige irakische Staatsangehorige, die mit\nRacheakten zu rechnen haben. Namentlich auch die neu gebildeten irakischen\nPolizeikrafte sind immer mehr Ziel von Anschlagen (AA vom 7.5.2004; Die Welt\nvom 16.4.2004). Auszugehen ist daher von - wenn auch erheblichen -\nAuseinandersetzungen gewaltsamer Art, die aber als noch regional begrenzt\nanzusehen sind und namentlich die großeren Stadte oder Orte mit exponierten\nEinrichtungen betreffen, jedenfalls aber nicht als landesweit bestehende\nGefahrenlage zu beurteilen sind. Auch fallt auf, dass erkennbares Ziel von\nAnschlagen vor allem herausragende Personlichkeiten (prominente Politiker und\nGeistliche) bzw. besondere Einrichtungen sind (FAZ vom 14.6.2004). Dass die\nFolgen solcher gewalttatigen Auseinandersetzungen und Anschlage die\nBevolkerung gleichsam „blind" (mit-)treffen konnen, ist in Betracht zu ziehen,\ntragt allerdings die Annahme einer landesweit bestehenden extremen\nGefahrenlage nicht (ebenso Nds. OVG, Beschluss vom 30.3.2004, aaO). \n--- \n| 48 \n--- \n| Auch die Versorgungslage im Irak stellt sich nicht als extrem existenziell\ngefahrdend dar. Die Lebensmittelversorgung ist seit der Wiederaufnahme des\n„Oil-for-Food"-Programms nach den Kriegshandlungen wieder gewahrleistet, auch\nwenn Millionen von Menschen auf fremde Hilfe angewiesen bleiben (AA vom\n7.5.2004). Die Stromversorgung leidet zwar zunehmend unter den Anschlagen auf\ndie Elektrizitatswerke (FAZ vom 21.6.2004) und wird - wie die mit ihr\nzusammenhangende Trinkwasserversorgung - als kritisch bezeichnet, ohne dass\nindes von einer „existenziellen Gefahrdung" ausgegangen werden kann (AA vom\n7.5.2004). Eine befurchtete „humanitare Katastrophe" ist ausgeblieben, wobei\ndie Lage im Nordirak wegen der dort vorhandenen Verwaltungsstrukturen besser\nist als im Suden des Landes und im Zentralirak. Die medizinische\nGrundversorgung ist moglicherweise nicht im Einzelfall, aber dem Grunde nach\ngewahrleistet (AA vom 7.5.2004). \n--- \n| 49 \n--- \n| Unter den genannten Umstanden, dass einerseits die moglicherweise extreme\nGefahrenlage nicht landesweit besteht und andererseits die Versorgungslage als\nzwar angespannt aber nicht existenziell gefahrdend zu beurteilen ist, kann\nnicht festgestellt werden, dass der Klager bei einer Abschiebung gleichsam\nsehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein\nwurde. Dies wurde unabhangig davon gelten, ob es ihm gelingen wurde, im\nNordirak Fuß zu fassen, oder ob er gezwungen ware, in sein Herkunftsgebiet im\nZentralirak zuruckzukehren. \n--- \n| 50 \n--- \n| Auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung im Bescheid des\nBundesamts sind aus Rechtsgrunden nicht zu beanstanden (vgl. dazu §§ 34, 38\nAsylVfG i.V.m. § 50 AuslG). \n--- \n| 51 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 (entspr.) VwGO,\n§ 83b AsylVfG. \n--- \n| 52 \n--- \n| Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132\nAbs. 2 VwGO vorliegt. \n---\n\n |
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140,398 | arbg-freiburg-2004-10-26-5-bv-104 | 117 | Arbeitsgericht Freiburg | arbg-freiburg | Freiburg | Baden-Württemberg | Arbeitsgerichtsbarkeit | 5 BV 1/04 | 2004-10-26 | 2019-01-07 15:12:21 | 2019-01-17 12:00:34 | Beschluss | ## Tenor\n\n> Der Antrag der Antragstellerin auf Auflosung des Arbeitsverhaltnisses mit\n> der Antragsgegnerin wird zuruckgewiesen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| **A** \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Beteiligten streiten uber den Anspruch des Arbeitgebers auf\ngerichtliche Auflosung des gemaß § 78 a Abs. 2 BetrVG auf Verlangen der\nAntragsgegnerin als Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung\ngesetzlich begrundeten Arbeitsverhaltnisses. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Antragstellerin ist unternehmerisch im Bereich der Druckvorstufe tatig\nund beschaftigt uber 300 Arbeitnehmer, davon 17 Auszubildende. Die\nAntragsgegnerin ist Vorsitzende der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Sie\nwurde in der Zeit vom 3.9.2001 bis 31.7.2004 ausgebildet zur Mediengestalterin\nfur Digital- und Printmedien, Fachrichtung Medienoperating. Mit Schreiben vom\n5.5.2004 verlangte die Antragsgegnerin die Übernahme in ein "unbefristetes\nArbeitsverhaltnis". Die Antragstellerin ubernahm den Auszubildenden B\nebenfalls Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung, sowie den\nAuszubildenden M. Die Antragstellerin bietet den Auszubildenden grundsatzlich\nnur befristete Arbeitsverhaltnisse an. Demzufolge ist auch das\nArbeitsverhaltnis mit Herrn ... auf 1 Jahr befristet. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Antragstellerin verweist auf Umsatzeinbruche im Jahr 2004 und die\nNotwendigkeit des Personalabbaus. Im Reprobereich wurden von 38 Arbeitsplatzen\n7 abgebaut. Die Antragstellerin tragt vor, es mußten weitere Arbeitsplatze\nabgebaut werden. Verschiedene Arbeitsplatze wurden nicht wieder besetzt. Die\nAntragsgegnerin habe nicht auf dem mit dem Auszubildenden F besetzten\nArbeitsplatz ubernommen werden konnen, weil Herr F uber eine andere\nQualifikation verfuge. Unstreitig wurden sowohl Herr F als auch die\nAntragsgegnerin fur den Ausbildungsberuf Mediengestalter/-in fur Digital- und\nPrintmedien, Fachrichtung Medienoperating und Spezialisierungsrichtung Print\nausgebildet. Nach der Ausbildungsordnung konnen fur die Ausbildung aus 3\nAuswahllisten verschiedene Ausbildungsmodule ausgewahlt werden. Sowohl die\nAntragsgegnerin als auch der Arbeitnehmer F belegten aus der "gemeinsamen\nAuswahlliste W 1" die Module "Elektronische Bildbearbeitung I" und\n"Medienubergreifende Datenausgabe". Aus der fachrichtungsbezogenen\nAuswahlliste W 2 belegten beide das Modul 2.9 "Elektronische Bildbearbeitung\nII". Die Antragsgegnerin belegte desweiteren das Modul 2.5 "Gestaltung\ndigitaler Medien" und der Auszubildende F das Modul 2.13\n"Druckformherstellung". Aus der fachrichtungsbezogenen Auswahlliste W 3 war\nein Modul von insgesamt 16 auszuwahlen. Davon belegte die Antragsgegnerin das\nModul 3.8 "Text-, Grafik-, Bilddatenbearbeitung" und der Auszubildende F das\nModul 3.15 "Tiefdruckformherstellung". Die Antragstellerin behauptet, die\nAntragsgegnerin mußte 3 Monate lang zusatzlich ausgebildet werden, um den\nArbeitsplatz von Herrn F (Gravur/Gravur-AV) einnehmen zu konnen. Unstreitig\nwar der Arbeitnehmer F in der Ausbildung 89 Wochen im Bereich Gravur/Gravur-AV\neingesetzt, die Antragsgegnerin hingegen lediglich 2 Wochen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Antragstellerin hat zuletzt beantragt, \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| das nach § 78 a Abs. 2 BetrVG begrundete Arbeitsverhaltnis aufzulosen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Antragsgegnerin und die weiteren Beteiligten haben beantragt, \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| den Antrag zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Antragsgegnerin verweist auf die Anzahl von Überstunden im Bereich\nRepro sowie darauf, daß 3 Arbeitsplatze nach Ablauf von Befristungen nicht\nwieder besetzt worden seien. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beteiligten Ziffer 3 und 4 berufen sich ebenfalls auf zum 31.7.2004\ninfolge von Befristungen oder einer Eigenkundigung auslaufenden\nArbeitsverhaltnissen sowie auf umfangreiche Überstunden in der Abteilung MAC-\nartpro. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten\nSchriftsatze nebst Anlagen Bezug genommen. Hinsichtlich des Inhalts der\nAnhorung der Beteiligten in der Verhandlung vom 26.10.2004 wird auf die\nSitzungsniederschrift verwiesen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| **B** \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Antrag ist zulassig, jedoch unbegrundet. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Ein Auflosungsanspruch gemaß § 78 a Abs. 4 Nr. 2 BetrVG besteht nicht. Der\nAntragstellerin war im Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhaltnisses\nmit der Antragsgegnerin deren Weiterbeschaftigung unter Berucksichtigung aller\nUmstande zuzumuten. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Dabei bedarf es nicht der Entscheidung, ob auch andere Arbeitsplatze fur\neine Weiterbeschaftigung der Antragsgegnerin zur Verfugung gestanden hatten.\nJedenfalls hatte die Antragstellerin auf dem mit dem Arbeitnehmer F besetzten\nArbeitsplatz weiterbeschaftigt werden konnen. Wird nur ein Teil der\nAuszubildenden eines Jahrganges vom Arbeitgeber ubernommen, so mussen sich die\ngemaß § 78 a BetrVG geschutzten Amtstrager darunter befinden (vergl. LAG\nDusseldorf, DB 75, 1995; LAG Hamm, DB 93, 439; DKK-Kittner, Kommentar zum\nBetrVG, § 78 a BetrVG Rd. Nr. 33 und 35). Ein Qualifikationsvergleich zwischen\neinem ausgebildeten Mandatstrager und anderen Auszubildenden ist dabei nicht\nzulassig. Der Arbeitgeber ist auch nicht berechtigt, einen fur einen\ngeschutzten Mandatstrager freiwerdenden Arbeitsplatz mit einem solchen\nAuszubildenden zu besetzen, den er aufgrund seiner in der Ausbildung\nerworbenen Qualifikation fur geeigneter halt. Es kommt gemaß § 78 a BetrVG\nlediglich darauf an, ob ein Arbeitsplatz zur Verfugung steht, den der\ngeschutzte Mandatstrager aufgrund seiner Ausbildung ausfullen kann. Die\nAntragsgegnerin konnte bei Ende ihres Ausbildungsverhaltnisses auf dem\nArbeitsplatz, der mit dem Auszubildenden F besetzt wurde, weiterbeschaftigt\nwerden. Die Antragsgegnerin und der Arbeitnehmer F haben den gleichen\nAusbildungsberuf mit jeweils gleicher Fachrichtung und\nSpezialisierungsrichtung absolviert. Sie haben daruber hinaus von 6 moglichen\nauszuwahlenden Modulen 3 gleiche Module innerhalb ihrer Ausbildung belegt. Die\nAntragstellerin ist der Auffassung, die Antragsgegnerin musse nochmals 12\nWochen ausgebildet werden, um den konkreten Arbeitsplatz, der mit dem\nArbeitnehmer F besetzt wurde, auszufullen. Dies ist der Antragstellerin jedoch\nnach Auffassung der Kammer zumutbar. Auch im Falle einer Neueinstellung ware\neine Einarbeitungszeit von 12 Wochen nicht ungewohnlich. Bereits die\nAusbildungsordnung zeigt, daß wegen der Vielzahl der zur Auswahl stehenden\nModule die Auszubildenden sehr verschiedene Schwerpunkte in ihrer Ausbildung\nauswahlen konnen. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, daß nur solche\nAuszubildende fur einen Arbeitsplatz als geeignet angesehen werden, die von\nallen zur Verfugung stehenden Modulen genau solche Module ausgewahlt haben,\ndie fur den Arbeitsplatz am geeignetsten erscheinen. Die Kammer verkennt\nnicht, daß der Arbeitnehmer F aufgrund seines Ausbildungsverlaufes der\ngeeignetere Bewerber fur den zur Verfugung stehenden Arbeitsplatz ist. Hierauf\nkommt es jedoch gemaß § 78 a Abs. 4 BetrVG nicht an. Maßgebend ist vielmehr,\nob fur die gemaß § 78 a BetrVG geschutzte Mandatstragerin ein geeigneter\nArbeitsplatz zur Verfugung stand bei Beendigung ihres\nAusbildungsverhaltnisses, auf dem sie hatte weiterbeschaftigt werden konnen.\nDies ist fur die Antragsgegnerin zu bejahen. Sie ist mit einer relativ kurzen\nEinarbeitungszeit von 12 Wochen in der Lage, die Tatigkeiten auf dem\nArbeitsplatz fachgerecht auszufuhren. Selbst wenn der Arbeitsplatz eine hohere\ndurch die Ausbildung nicht abgedeckte Qualifikation erfordern wurde, ware die\nAntragstellerin verpflichtet, im Rahmen der betriebsublichen Zeit des\nQualifikationserwerbes dem Auszubildenden eine Qualifizierungsmaßnahme\nzuzubilligen (vergl. DKK-Kittner, § 78 a BetrVG Rd. Nr. 35). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Zumutbarkeit der Weiterbeschaftigung der Antragsgegnerin steht auch\nnicht der Umstand entgegen, daß das Arbeitsverhaltnis mit dem Arbeitnehmer F\nauf 1 Jahr befristet wurde. Im Rahmen von § 78 a Abs. 4 BetrVG kommt es\nlediglich darauf an, ob im Zeitpunkt der Beendigung des\nAusbildungsverhaltnisses ein auf Dauer angelegter Arbeitsplatz zur Verfugung\nstand (vergl. BAG vom 24.7.1991, AP Nr. 23 zu § 78 a BetrVG). Ein solcher\nArbeitsplatz stand der Antragstellerin zur Verfugung. Die Antragstellerin\nmachte lediglich von der Befristungsmoglichkeit gemaß § 14 Abs. 2 TzBfG der\nsachgrundlosen Befristung oder aber der Befristung aus dem Sachgrund gemaß §\n14 Abs. 1 Ziffer 2 TzBfG Gebrauch. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz erlaubt\nsowohl eine sachgrundlose Befristung auf die Dauer von 2 Jahren im Anschluß an\ndas Ausbildungsverhaltnis wie auch eine Befristung aus dem Sachgrund gemaß §\n14 Abs. 1 Ziffer 2 TzBfG (Befristung im Anschluß an eine Ausbildung, um den\nÜbergang des Arbeitnehmers in eine Anschlußbeschaftigung zu erleichtern). Der\nUmstand, daß die Antragstellerin von dieser rechtlichen Moglichkeit Gebrauch\ngemacht hat, rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, es habe kein Arbeitsplatz\nvon unbegrenzter Dauer zur Verfugung gestanden. Die Antragstellerin hat im\nAnhorungstermin erklart, die Ausbildungsverhaltnisse wurden grundsatzlich alle\nbefristet. Die Antragstellerin beugt damit einem Ruckgang des\nBeschaftigungsbedarfes vor und erleichtert den Abbau befristeter\nArbeitsverhaltnisse. Bei dem Arbeitsplatz des Arbeitnehmers F handelt es sich\njedoch nicht um eine bei Begrundung des Arbeitsverhaltnisses absehbar zeitlich\nbegrenzte Aufgabe. Nach der in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen\nAuffassung des Bundesarbeitsgerichts besteht ein Auflosungsgrund gemaß § 78 a\nAbs. 4 BetrVG, wenn lediglich ein befristeter Arbeitsvertrag angeboten werden\nkann und der die Übernahme geltend machende Auszubildende nicht signalisiert\nhat, daß er auch bereit ist, zu geanderten Arbeitsbedingungen tatig zu sein\n(vergl. BAG vom 24.7.1991, AP Nr. 23 zu § 71 a BetrVG). Die Entscheidung des\nBundesarbeitsgerichts betrifft jedoch den Fall einer Befristung fur einen\ndrittmittel-finanzierten Arbeitsplatz von begrenzter Zeitdauer. Eine solche\nBefristung ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Im vorliegenden\nFall verfugt die Antragstellerin uber einen Arbeitsplatz von unbegrenzter\nDauer. Die vom Gesetzgeber eingeraumte Moglichkeit, die Arbeitsvertrage fur\nubernommene Auszubildende zu befristen, rechtfertigt nicht die Annahme, es\nstunde kein dauerhafter Arbeitsplatz zur Verfugung. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Weiterbeschaftigung der Antragsgegnerin war der Antragstellerin daher\nunter Berucksichtigung aller Umstande zumutbar. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| D. Vorsitzende: \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Gremmelspacher \n---\n\n |
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140,937 | lg-heidelberg-2005-06-14-11-o-405-kfh | 133 | Landgericht Heidelberg | lg-heidelberg | Heidelberg | Baden-Württemberg | Ordentliche Gerichtsbarkeit | Landgericht | 11 O 4/05 KfH | 2005-06-14 | 2019-01-08 16:53:12 | 2019-01-17 12:01:07 | Urteil | ## Tenor\n\n> 1. | | Die Klage wird abgewiesen. \n> ---|---|--- \n \n> 2. | | Die Kosten des Rechtsstreits tragt der Klager. \n> ---|---|--- \n \n> 3. | | Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages \n> ---|---|--- \n \n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmaßigen Aufgaben\ndie Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die\nAchtung darauf gehort, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten\nwerden. Er ist entsprechend der Unterlassungsklageverordnung eingetragen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Beklagte, eine Tochtergesellschaft der ... AG (einem der weltweit\ngroßten Anbieter fur Speisegelatine), stellt das Produkt "GELITA CH alpha" als\nNahrungserganzungsmittel her und bewarb es in "Die Welt" am 28.08.2004 mit den\nim Klagantrag aufgefuhrten Angaben, die der Klager vorliegend nach erfolgloser\nAbmahnung als unzulassig angreift. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Klagerin meint, die Werbeaussagen fur "GELITA CH alpha" seien\nwettbewerbswidrig, da "GELITA CH alpha" den Stoffwechsel im Gelenkbereich\nnicht fordere. Es finde weder eine Anreicherung von "GELITA CH alpha" im\nGelenkknorpel und noch eine Stimulierung der Gelenkknorpelbildung statt. Nach\nwissenschaftlichen Erkenntnissen seien diese Werbeaussagen fur "GELITA CH\nalpha" nicht haltbar. \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Klager beantragt: \n--- \n| 5 \n--- \n| **Der Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht f ur jeden Fall der\nkunftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR,\nersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu\nvollziehen an den Geschaftsfuhrern, untersagt, im geschaftlichen Verkehr fur\ndas Mittel "GELITA CH alpha" zu werben** \n--- \n| 6 \n--- \n| \n--- \n**1.** | | **"die Gelenkschutzformel"** \n| 7 \n--- \n| \n--- \n**2.** | | **"... enth alt ein speziell entwickeltes Kollagen-Hydrolysat, dessen Knorpel aufbauende und regenerierende Wirkung bei alters- oder belastungsbedingtem Gelenkverschleiß mehrfach nachgewiesen wurde."** \n| 8 \n--- \n| \n--- \n**3.** | | **"Wissenschaftliche Studien zeigen : GELITA CH alpha (...) reichert sich im Gelenkknorpel an und stimuliert dort die Gelenkknorpelbildung"** \n| 9 \n--- \n| \n--- \n**4.** | | **"T aglich eine Trinkampulle GELITA CH alpha versorgt Ihr Gelenk mit der empfohlenen Tagesdosis von 10 g Kollagen-Hydrolysat."** \n| 10 \n--- \n| Die Beklagte beantragt \n--- \n| 11 \n--- \n| **Klageabweisung.** \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Sie behauptet unter Bezugnahme auf teilweise - auch in medizinischen bzw.\nernahrungswissenschaftlichen Fachzeitschriften - veroffentlichte Gutachten,\nBerichte und Stellungnahmen von Medizinern, das Kollagen-Hydrolysat in "GELITA\nCH alpha" sei eine besondere Form der Gelatine. Dieses Kollagen-Hydrolysat\nwerde - im Gegensatz zu normaler Speisegelatine - besonders gut vom Korper\nresorbiert, gelange sodann direkt in den Gelenkknorpel und trage zur\nNeubildung von Knorpelgewebe bei. Im ubrigen konne ihr aus Rechtsgrunden die\nvom Antrag umfasste Etikettierung des Produktes nicht verboten werden; auch\nhandele es sich teilweise nur um allgemeine Anpreisungen, die nicht geeignet\nseien, die Gefahr einer Irrefuhrung der angesprochenen Verkehrskreise zu\nbegrunden. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf die Schriftsatze und deren\nAnlagen verwiesen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, aber unbegrundet. \n--- \n| 15 \n--- \n| Zwar geht die Kammer von der Klagbefugnis des Klagers aus. \n--- \n| 16 \n--- \n| Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 5, 8 III Nr.2 UWG\ni.V.m. 17 I Nr. 5a LMBG besteht jedoch nicht. Die betreffenden Werbeaussagen\nbeeintrachtigen den Wettbewerb nicht und sind deshalb auch nicht unlauter\ngemaß §§ 3, 5 UWG. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| 1\\. Es ist nicht im Streit, dass die angegriffenen Aussagen eine\nWettbewerbshandlung sind. Die Erheblichkeitsschwelle nach § 3 UWG ist\nerreicht, da die betreffende Werbung fur "GELITA CH alpha" von einem gewissen\nGewicht fur das Wettbewerbsgeschehen und fur die Interessen des geschutzten\nAdressatenkreis ist. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| 2\\. Die betreffende Werbung fuhrt aber zu keiner Irrefuhrung. Die Werbung\nfur "GELITA CH alpha" ware irrefuhrend, wenn sie falsch oder geeignet ware,\nbei einem nicht unerheblichen Teil der Verbraucher bei ungezwungener\nBetrachtungsweise eine falsche Vorstellung hervorzurufen. Insbesondere ist es\nnach 17 I Nr.5a LMBG verboten, falsche Angaben uber Ursprung, Fullmenge,\nHaltbarkeit etc. zu machen. Darum geht es nicht. § 17 LMBG verbietet aber auch\ndie Beilegung gesundheitlicher Wirkungen, die nicht wissenschaftlich gesichert\nzutreffen sowie das Inverkehrbringen eines Produktes unter dem Anschein, es\nhandele sich um ein Arzneimittel. Auch letzteres liegt nicht vor. Zur\nBegrundung wird auf das Urteil des OLG Karlsruhe vom 23.06.2004 - 6 U 61/04 -\nzwischen den Parteien verwiesen. § 18 LMBG schließlich verbietet im Verkehr\nmit Lebensmitteln oder in der Werbung Aussagen, die sich auf die Beseitigung,\nLinderung oder Verhutung von Krankheiten beziehen. \n--- \n| 19 \n--- \n| Dazu gilt: \n--- \n| 20 \n--- \n| a) Der maßgeblicher Adressatenkreis der betreffenden Werbung ist der\ndurchschnittlich informierte, aufmerksame und verstandige\nDurchschnittsverbraucher. \n--- \n| 21 \n--- \n| b) Ein solcher Verbraucher versteht die Bezeichnung fur "GELITA CH alpha"\nals "Gelenkschutzformel" nicht dahin, daß dieses Mittel die Gelenke schutzt.\nEr entnimmt ihr allenfalls die unspezifische Vorstellung, es erhalte die\nFunktion der Gelenke und verbessere dadurch die Lebensqualitat.. \n--- \n| 22 \n--- \n| c) Aufgrund der Aussage "enthalt ein speziell entwickeltes Kollagen-\nHydrolysat, dessen Knorpel aufbauende und regenerierende Wirkung bei alters-\noder belastungsbedingtem Gelenkverschleiß mehrfach nachgewiesen wurde." geht\nder Verbraucher nicht davon aus, daß bei der Einnahme von "GELITA CH alpha"\nGelenkleiden beseitigt, lindert oder verhutet. Die Beklagte bezieht sich nur\nauf alters- oder belastungsbedingte Verschließerscheinungen, die der Verkehr\nnicht als Krankheit versteht. \n--- \n| 23 \n--- \n| d) Die Klage kann in den Angriffen 2 und 3 des Klagantrages deshalb nur\nErfolg haben, wenn die dort aufgefuhrten wirkungsbezogene Aussagen (vgl. § 17\nAbs. 1 Nr. 5a LMBG) nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht vorliegen\noder wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind. \n--- \n| 24 \n--- \n| Fur ersteres ergibt der Vortrag des insoweit beweisbelasteten Klagers\nkeinen Anhalt. Die von ihm zitierten Studien und Stimmen beziehen sich zum\neinen nicht auf Kollagen-Hydrolysat, sondern auf Gelatine und liegen zum\nanderen zeitlich zum Teil lange vor den Gegenstimmen, die die Beklagte\nvorgelegt hat. Der Klager hat auch nicht bestritten, dass chemische\nUnterschiede zwischen Gelatine und Kollagen-Hydrolysat bestehen, die zu\nunterschiedlicher Aufnahme durch den Korper fuhren. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die wissenschaftliche Absicherung im obigen Sinne muss mit allgemein\nanerkannten wissenschaftlichen Daten erfolgen. Zum erforderlichen Umfang der\nwissenschaftlichen Absicherung von Werbeaussagen konnen aber keine generellen\nMaßstabe genannt werden, vielmehr ist eine Einzelfallprufung notwendig. Bei\nAussagen zur Reduzierung eines Krankheitsrisikos mussen strengere Maßstabe\nangelegt werden als bei rein ernahrungsphysiologischen Aussagen. Die\nangegriffene Werbung fur "GELITA CH alpha" bezieht sich nicht auf die\nReduzierung eines Krankheitsrisikos, sondern stellt eine bloße\nernahrungsphysiologische Aussage dar. Bei ernahrungsphysiologischen Aussagen\nkann der wissenschaftliche Nachweis der ernahrungsphysiologischen Wirkung\neinzelner Lebensmittelbestandteile mit nach allgemein anerkannten Regeln\nerhobenen wissenschaftlichen Daten belegt werden, ohne dass es, wie der Klager\noffenbar annimmt, einer Absicherung im Sinne von medizinischen\nWirksamkeitsstudien oder deren Aufnahme in die medizinischen oder\npharmazeutischen Standardwerke bedarf. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Werbeaussagen zu "GELITA CH alpha", Kollagen-Hydrolysat habe eine\nknorpelaufbauende und -regenerierende Wirkung und reichere sich im Knorpel an,\nsind jedenfalls nicht haltlos. Die Beklagte hat wissenschaftliche Studien\nvorgelegt, die die beworbenen Wirkungen von Kollagen-Hydrolysat belegen. Den\nStreit daruber zu entscheiden, ob eine Studie mehr oder weniger\nwissenschaftlich fundiert ist, ob ein Wissenschaftler mehr oder weniger\nrenommiert ist, von wem er Gelder fur seine Untersuchungen erhalten hat, ist\nnicht Sache des Wettbewerbsrechtes. § 17 Abs. 1 Nr. 5 a LMBG verlangt keine\nabsolute und unbezweifelbare Gewissheit der wissenschaftlichen Richtigkeit der\nWerbeaussage, sondern nur deren hinreichende wissenschaftliche Absicherung.\nDas kann auch eine zumindest bedeutende Mindermeinung sein. Hier gibt es eine\nsolche, nach der sich Kollagen-Hydrolysat im Gelenkknorpel anlagert und die\nKnorpelbildung stimuliert. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Auffassung des Klagers wurde zu einem allgemeinen Verbot, im\nLebensmittelbereich mit neuen Erkenntnissen zu werben, fuhren bis diese sich\nallgemein durchgesetzt haben. Das ist nicht der Sinn des Lebensmittelrechtes,\ndas vor Gefahren schutzen will. \n--- \n| 28 \n--- \n| e.) Die Formulierungen der betreffenden wirkungsbezogenen Werbeaussagen\nuber "GELITA CH alpha" verleiten auch nicht zu einem einseitigen\nErnahrungsverhalten. Es wird beim Verbraucher nicht der Eindruck erweckt, dass\nder erwunschte Effekt durch den alleinigen Verzehr von "GELITA CH alpha"\nerreicht wird. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| 3\\. Auch die Interessenabwagung ergibt nicht anderes. Der Sinn und Zweck\ndes neuen UWG ist auch der Abschied von dem fruheren teilweise ubertrieben\nstrengen deutschen Irrefuhrungsbegriff. Maßgeblich ist nur noch, ob die\nRationalitat des Verbrauchers bei der Kaufentscheidung durch die betreffende\nWerbung ausgeschaltet wird oder nicht. Das ist hier nicht der Fall. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| 4\\. Die Empfehlung laut Antrag 4 kann nicht untersagt werden, da § 4 Abs. 2\nZiffer 2 der Verordnung uber Nahrungserganzungsmittel zwingend vorschreibt,\ndie tagliche Verzehrmenge mit Warnhinweis vor Überschreitung anzugeben. Da es\nfur Kollagen-Hydrolysat keine amtliche Empfehlung gibt, die Verordnung aber\ndie Pflichtangabe nicht auf die Wiedergabe amtlicher Empfehlungen beschrankt,\nbleibt deren Inhalt dem Hersteller uberlassen. Anhaltspunkte dafur, dass sie\nim Interesse der Absatzsteigerung zu hoch angesetzt wurde, bestehen nicht. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Die beanstandeten Werbeaussagen sind damit lauter, die Klage ist mit der\nKostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen. Die vorlaufige Vollstreckbarkeit ergibt\nsich aus § 709 ZPO. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, aber unbegrundet. \n--- \n| 15 \n--- \n| Zwar geht die Kammer von der Klagbefugnis des Klagers aus. \n--- \n| 16 \n--- \n| Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 5, 8 III Nr.2 UWG\ni.V.m. 17 I Nr. 5a LMBG besteht jedoch nicht. Die betreffenden Werbeaussagen\nbeeintrachtigen den Wettbewerb nicht und sind deshalb auch nicht unlauter\ngemaß §§ 3, 5 UWG. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| 1\\. Es ist nicht im Streit, dass die angegriffenen Aussagen eine\nWettbewerbshandlung sind. Die Erheblichkeitsschwelle nach § 3 UWG ist\nerreicht, da die betreffende Werbung fur "GELITA CH alpha" von einem gewissen\nGewicht fur das Wettbewerbsgeschehen und fur die Interessen des geschutzten\nAdressatenkreis ist. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| 2\\. Die betreffende Werbung fuhrt aber zu keiner Irrefuhrung. Die Werbung\nfur "GELITA CH alpha" ware irrefuhrend, wenn sie falsch oder geeignet ware,\nbei einem nicht unerheblichen Teil der Verbraucher bei ungezwungener\nBetrachtungsweise eine falsche Vorstellung hervorzurufen. Insbesondere ist es\nnach 17 I Nr.5a LMBG verboten, falsche Angaben uber Ursprung, Fullmenge,\nHaltbarkeit etc. zu machen. Darum geht es nicht. § 17 LMBG verbietet aber auch\ndie Beilegung gesundheitlicher Wirkungen, die nicht wissenschaftlich gesichert\nzutreffen sowie das Inverkehrbringen eines Produktes unter dem Anschein, es\nhandele sich um ein Arzneimittel. Auch letzteres liegt nicht vor. Zur\nBegrundung wird auf das Urteil des OLG Karlsruhe vom 23.06.2004 - 6 U 61/04 -\nzwischen den Parteien verwiesen. § 18 LMBG schließlich verbietet im Verkehr\nmit Lebensmitteln oder in der Werbung Aussagen, die sich auf die Beseitigung,\nLinderung oder Verhutung von Krankheiten beziehen. \n--- \n| 19 \n--- \n| Dazu gilt: \n--- \n| 20 \n--- \n| a) Der maßgeblicher Adressatenkreis der betreffenden Werbung ist der\ndurchschnittlich informierte, aufmerksame und verstandige\nDurchschnittsverbraucher. \n--- \n| 21 \n--- \n| b) Ein solcher Verbraucher versteht die Bezeichnung fur "GELITA CH alpha"\nals "Gelenkschutzformel" nicht dahin, daß dieses Mittel die Gelenke schutzt.\nEr entnimmt ihr allenfalls die unspezifische Vorstellung, es erhalte die\nFunktion der Gelenke und verbessere dadurch die Lebensqualitat.. \n--- \n| 22 \n--- \n| c) Aufgrund der Aussage "enthalt ein speziell entwickeltes Kollagen-\nHydrolysat, dessen Knorpel aufbauende und regenerierende Wirkung bei alters-\noder belastungsbedingtem Gelenkverschleiß mehrfach nachgewiesen wurde." geht\nder Verbraucher nicht davon aus, daß bei der Einnahme von "GELITA CH alpha"\nGelenkleiden beseitigt, lindert oder verhutet. Die Beklagte bezieht sich nur\nauf alters- oder belastungsbedingte Verschließerscheinungen, die der Verkehr\nnicht als Krankheit versteht. \n--- \n| 23 \n--- \n| d) Die Klage kann in den Angriffen 2 und 3 des Klagantrages deshalb nur\nErfolg haben, wenn die dort aufgefuhrten wirkungsbezogene Aussagen (vgl. § 17\nAbs. 1 Nr. 5a LMBG) nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht vorliegen\noder wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind. \n--- \n| 24 \n--- \n| Fur ersteres ergibt der Vortrag des insoweit beweisbelasteten Klagers\nkeinen Anhalt. Die von ihm zitierten Studien und Stimmen beziehen sich zum\neinen nicht auf Kollagen-Hydrolysat, sondern auf Gelatine und liegen zum\nanderen zeitlich zum Teil lange vor den Gegenstimmen, die die Beklagte\nvorgelegt hat. Der Klager hat auch nicht bestritten, dass chemische\nUnterschiede zwischen Gelatine und Kollagen-Hydrolysat bestehen, die zu\nunterschiedlicher Aufnahme durch den Korper fuhren. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die wissenschaftliche Absicherung im obigen Sinne muss mit allgemein\nanerkannten wissenschaftlichen Daten erfolgen. Zum erforderlichen Umfang der\nwissenschaftlichen Absicherung von Werbeaussagen konnen aber keine generellen\nMaßstabe genannt werden, vielmehr ist eine Einzelfallprufung notwendig. Bei\nAussagen zur Reduzierung eines Krankheitsrisikos mussen strengere Maßstabe\nangelegt werden als bei rein ernahrungsphysiologischen Aussagen. Die\nangegriffene Werbung fur "GELITA CH alpha" bezieht sich nicht auf die\nReduzierung eines Krankheitsrisikos, sondern stellt eine bloße\nernahrungsphysiologische Aussage dar. Bei ernahrungsphysiologischen Aussagen\nkann der wissenschaftliche Nachweis der ernahrungsphysiologischen Wirkung\neinzelner Lebensmittelbestandteile mit nach allgemein anerkannten Regeln\nerhobenen wissenschaftlichen Daten belegt werden, ohne dass es, wie der Klager\noffenbar annimmt, einer Absicherung im Sinne von medizinischen\nWirksamkeitsstudien oder deren Aufnahme in die medizinischen oder\npharmazeutischen Standardwerke bedarf. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Werbeaussagen zu "GELITA CH alpha", Kollagen-Hydrolysat habe eine\nknorpelaufbauende und -regenerierende Wirkung und reichere sich im Knorpel an,\nsind jedenfalls nicht haltlos. Die Beklagte hat wissenschaftliche Studien\nvorgelegt, die die beworbenen Wirkungen von Kollagen-Hydrolysat belegen. Den\nStreit daruber zu entscheiden, ob eine Studie mehr oder weniger\nwissenschaftlich fundiert ist, ob ein Wissenschaftler mehr oder weniger\nrenommiert ist, von wem er Gelder fur seine Untersuchungen erhalten hat, ist\nnicht Sache des Wettbewerbsrechtes. § 17 Abs. 1 Nr. 5 a LMBG verlangt keine\nabsolute und unbezweifelbare Gewissheit der wissenschaftlichen Richtigkeit der\nWerbeaussage, sondern nur deren hinreichende wissenschaftliche Absicherung.\nDas kann auch eine zumindest bedeutende Mindermeinung sein. Hier gibt es eine\nsolche, nach der sich Kollagen-Hydrolysat im Gelenkknorpel anlagert und die\nKnorpelbildung stimuliert. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Auffassung des Klagers wurde zu einem allgemeinen Verbot, im\nLebensmittelbereich mit neuen Erkenntnissen zu werben, fuhren bis diese sich\nallgemein durchgesetzt haben. Das ist nicht der Sinn des Lebensmittelrechtes,\ndas vor Gefahren schutzen will. \n--- \n| 28 \n--- \n| e.) Die Formulierungen der betreffenden wirkungsbezogenen Werbeaussagen\nuber "GELITA CH alpha" verleiten auch nicht zu einem einseitigen\nErnahrungsverhalten. Es wird beim Verbraucher nicht der Eindruck erweckt, dass\nder erwunschte Effekt durch den alleinigen Verzehr von "GELITA CH alpha"\nerreicht wird. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| 3\\. Auch die Interessenabwagung ergibt nicht anderes. Der Sinn und Zweck\ndes neuen UWG ist auch der Abschied von dem fruheren teilweise ubertrieben\nstrengen deutschen Irrefuhrungsbegriff. Maßgeblich ist nur noch, ob die\nRationalitat des Verbrauchers bei der Kaufentscheidung durch die betreffende\nWerbung ausgeschaltet wird oder nicht. Das ist hier nicht der Fall. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| 4\\. Die Empfehlung laut Antrag 4 kann nicht untersagt werden, da § 4 Abs. 2\nZiffer 2 der Verordnung uber Nahrungserganzungsmittel zwingend vorschreibt,\ndie tagliche Verzehrmenge mit Warnhinweis vor Überschreitung anzugeben. Da es\nfur Kollagen-Hydrolysat keine amtliche Empfehlung gibt, die Verordnung aber\ndie Pflichtangabe nicht auf die Wiedergabe amtlicher Empfehlungen beschrankt,\nbleibt deren Inhalt dem Hersteller uberlassen. Anhaltspunkte dafur, dass sie\nim Interesse der Absatzsteigerung zu hoch angesetzt wurde, bestehen nicht. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Die beanstandeten Werbeaussagen sind damit lauter, die Klage ist mit der\nKostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen. Die vorlaufige Vollstreckbarkeit ergibt\nsich aus § 709 ZPO. \n--- \n---\n\n |
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141,437 | vghbw-2005-11-08-9-s-182105 | 161 | Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg | vghbw | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 9 S 1821/05 | 2005-11-08 | 2019-01-08 19:28:37 | 2019-01-17 12:01:36 | Beschluss | ## Tenor\n\nDie Beschwerden der Beschwerdefuhrer gegen den Beschluss des\nVerwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15. August 2005 - 2 K 236/05 - werden\nzuruckgewiesen.\n\nDie Beschwerdefuhrer tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die zulassigen Beschwerden der Beschwerdefuhrer haben keinen Erfolg. Das\nVerwaltungsgericht hat ihre Antrage auf Beiladung zum verwaltungsgerichtlichen\nVerfahren, in dem die Klagerin die Verpflichtung des Beklagten auf\nFeststellung ihrer Aufnahme in den Krankenhausplan in der Fachrichtung\nOrthopadie und Unfallchirurgie begehrte, zu Recht abgelehnt. Das\nBeschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. \n--- \n| 2 \n--- \n| Es kann dahinstehen, ob die Beschwerden bereits deshalb erfolglos sind,\nweil das verwaltungsgerichtliche Verfahren durch wirksamen gerichtlichen\nVergleich - was die Beschwerdefuhrer wegen ihrer fehlenden, aber\nmoglicherweise erforderlichen Zustimmung nach § 58 LVwVfG bezweifeln -\nbeendet, mithin seine Rechtshangigkeit beseitigt wurde (vgl. dazu BVerwG,\nBeschluss vom 27.10.1993 - 4 B 175/93 -, Buchholz 310 § 106 VwGO Nr. 17;\nBeschluss vom 04.11.1987 - 1 B 112/87 -, NJW 1988, 622; BGH, Urteil vom\n03.12.1980 - VII ZR 274/79 -, BGHZ 79, 71). Mangels eines anhangigen\nVerfahrens ware eine Beiladung dann nicht mehr zulassig, auch wenn die\nBeiladungsantrage vor Abschluss des Vergleiches gestellt waren (vgl. VGH\nBaden-Wurttemberg, Beschluss vom 13.09.1984 - 5 S 2049/84 -, NVwZ 1986, 141;\nvgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11.01.2001 - 7 C 10/00 -, Buchholz 310 § 65\nVwGO Nr. 138; Eyermann/Jorg Schmidt, VwGO, 11. Aufl., § 65 Rn. 7; Bier in\nSchoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 65 Rn. 30). Denn jedenfalls ist die\nAblehnung der Beiladung durch das Verwaltungsgericht in der Sache nicht zu\nbeanstanden. \n--- \n| 3 \n--- \n| Ein Fall der notwendigen Beiladung liegt nicht vor. § 65 Abs. 2 VwGO\nschreibt die notwendige Beiladung dann vor, wenn Dritte an dem streitigen\nRechtsverhaltnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen\ngegenuber nur einheitlich ergehen kann. Die Notwendigkeit einer einheitlichen\nEntscheidung ist das maßgebliche Merkmal, um die einfache Beiladung nach § 65\nAbs. 1 VwGO von der notwendigen abzugrenzen. Einheitliche Entscheidung\nbedeutet jedoch nicht, dass inhaltlich gleich entschieden werden muss.\nVielmehr ist die Beiladung nur dann notwendig, wenn die Entscheidung\nunmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen Dritter gestalten soll, sie aber\nohne deren Beteiligung am Verfahren im Wege der Beiladung nicht wirksam\ngestalten kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.02.1977 - VII B 111.75 -,\nBuchholz 310 § 65 VwGO Nr. 44). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. \n--- \n| 4 \n--- \n| Klagerin und Beschwerdefuhrer stehen nur tatsachlich miteinander in\nVerbindung. Sie streiten um dieselben zur Aufnahme in den Krankenhausplan zur\nBedarfsdeckung vorgesehenen Bettenkapazitaten fur Orthopadie und\nUnfallchirurgie. Dies fuhrt zwar zu einer Konkurrenzsituation, die den jeweils\nunterlegenen Aufnahmebewerber zur Drittanfechtung einer den Konkurrenten\nbegunstigenden Entscheidung berechtigt, um die Schaffung vollendeter Tatsachen\ndurch den moglicherweise zu Unrecht aufgenommenen Mitbewerber zu verhindern,\ndie eine Ruckgangigmachung der Entscheidung praktisch unmoglich machen (vgl.\nBVerfG, Beschluss vom 14.01.2004 - 1 BvR 506/03 -, DVBl 2004, 431 = NVwZ 2004,\n718; Beschlusse des Senats vom 12.07.2005 - 9 S 240/05 - und vom 20.12.2004 -\n9 S 2530/04 -; vgl. auch zum Anspruch eines neu hinzutretenden Krankenhauses:\nBVerfG, 2. Kammer des 1. Senats, Beschluss vom 04.03.2004 - 1 BvR 88/00 -, NJW\n2004, 1648). Dagegen sind die Beschwerdefuhrer mit ihren (hier bereits\nerfullten) Aufnahmeanspruchen an dem hier streitigen Rechtsverhaltnis der\nKlagerin, das durch deren geltend gemachten Aufnahmeanspruch mit Blick auf den\ndenselben fiktiv vorhandenen Bedarf begrundet wird, nicht beteiligt. Die\ngleichartigen Aufnahmeanspruche von Beschwerdefuhrer und Klagerin sind\nvielmehr selbstandig und voneinander unabhangig. Durch die beanspruchte und\nvergleichsweise beabsichtigte Feststellung der Aufnahme der Klagerin mit 30\nBetten in den Krankenhausplan wurde die Rechtsstellung der mit ihren Betten\nbereits aufgenommenen Beschwerdefuhrer zwar beruhrt, aber nicht unmittelbar\nverandert. Vielmehr bedurfte es bei einer dadurch eintretenden\nBedarfsuberdeckung zu deren Abbau zum Nachteil aller oder nur einzelner\nBeschwerdefuhrer gegebenenfalls erst noch einer entsprechenden Umsetzung durch\neine erneute und gesonderte Auswahlentscheidung mit entsprechender\nFeststellung gegenuber den dann betroffenen Beschwerdefuhrern (§ 7 Abs. 1\nLKHG), die sie uneingeschrankt angreifen konnten. Darum wird auch der\nRechtsstreit um einen Feststellungsbescheid durch die Existenz oder die\nBestandskraft eines gegenuber dritten Krankenhaustragern bereits ergangenen\nanderen Feststellungsbescheids rechtlich gerade nicht prajudiziert, um einer\nVersteinerung der Krankenhauslandschaft vorzubeugen und neuen Krankenhausern\neine Chance auf spatere Aufnahme in den Krankenhausplan zu eroffnen (vgl.\nBeschluss des Senats vom 20.11.2001 - 9 S 1572/01 -, ESVGH 52, 107; vgl. auch\nBVerfG, Beschluss vom 04.03.2004, a.a.O.). Zwar mag sich danach die Beiladung\nder konkurrierenden Krankenhauser(trager) in Fallen der vorliegenden Art\nempfehlen, um unter Bindung auch der Dritten (vgl. § 121 VwGO) den Streitstoff\nin einem einzigen Verfahren erledigen zu konnen. Das Nebeneinander der\ngleichartigen Anspruche ergibt aber in Fallen der vorliegenden Art gleichwohl\nkeine Situation, die die Annahme einer notwendigen Beiladung nach § 65 Abs. 2\nVwGO rechtfertigen konnte (vgl. zu einer ahnlichen Konstellation im\nKapazitatsprozess: BVerwG, Urteil vom 08.02.1980 - VII C 93.77 -, BVerwGE 60,\n25; Beschluss des Senats vom 06.04.1981 - NC 9 S 283/81 -, ESVGH 31, 146). \n--- \n| 5 \n--- \n| Liegen danach allenfalls nur die Voraussetzungen einer so genannten\neinfachen Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO vor, weil die beanspruchte Aufnahme\nvon Betten der Klagerin in den Krankenhausplan Rechte der Beschwerdefuhrer\nberuhren konnte, hat das Verwaltungsgericht diese jedenfalls im Ergebnis\nermessensfehlerfrei abgelehnt. Maßgebend dabei ist, dass eine fur die\nBeteiligten verbindliche gerichtliche Entscheidung nicht ergehen sollte und\ndeshalb ihre Erstreckung auf die Beschwerdefuhrer nicht angezeigt war. Der\nzwischen der Klagerin und dem Beklagten abgeschlossene Vergleich ist fur die\nBeschwerdefuhrer mangels ihrer Mitwirkung ebenfalls in keiner Weise bindend\nund bedurfte nach Vorstehendem zu seiner Ausfuhrung neben der Aufnahme der\nBetten der Klagerin in den Krankenhausplan zur Vermeidung oder zum Abbau einer\ndadurch entstehenden Überkapazitat erst noch weiterer Umsetzungen. Erst durch\ndiese - von den Beschwerdefuhrern uneingeschrankt angreifbaren -\nEntscheidungen wurden die Rechte bisher bevorzugter Mitbewerber wieder\nverbindlich geregelt, wenn sich namlich ergibt, dass sein Krankenhausvolumen\naus dem Krankenhausplan ganz oder teilweise zu streichen ist (vgl. Beschluss\ndes Senats vom 20.11.2001, a.a.O.). Da auch Klagerin und Beklagte eine\nBeteiligung der Beschwerdefuhrer an dem von ihnen zur raschen Beendigung des\ngerichtlichen Verfahrens geschlossenen Vergleich nicht wunschten, konnte und\nkann die im Beschwerdeverfahren nur noch zu dem Zweck der Mitwirkung an dem\nVergleich oder dessen Verhinderung angestrebte Beiladung ermessensfehlerfrei\nunterbleiben. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. \n--- \n| 7 \n--- \n| Einer Festsetzung des Streitwerts fur das Beschwerdeverfahren bedurfte es\nnicht (vgl. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG). \n--- \n| 8 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n |
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141,654 | lg-heidelberg-2005-12-20-2-o-22505 | 133 | Landgericht Heidelberg | lg-heidelberg | Heidelberg | Baden-Württemberg | Ordentliche Gerichtsbarkeit | Landgericht | 2 O 225/05 | 2005-12-20 | 2019-01-08 22:11:06 | 2019-01-17 12:01:50 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n3\\. Das Urteil ist fur den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 110\n% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorlaufig vollstreckbar.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien streiten um Schadenersatzanspruche des Klagers aus seinem\nseitens der Beklagten nicht ausgefuhrten Überweisungsauftrages uber 20.000,00\nEUR. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager ist der Neffe von Frau Sch., vormals wohnhaft in S.weg, 69117\nHeidelberg, die am 03.06.2005 verstorben ist. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 1.6.2005 besuchte der Klager Frau Sch. zusammen mit seiner Großmutter,\nFrau Elisabeth G. Aufgrund der Erkrankung der Frau Sch. wurde im Beisein des\nRechtsanwalts der Frau Sch., Herrn Rechtsanwalt W. aus Mannheim, eine\nGeneralvollmacht (Anlage K 1) auf den Klager und seine Großmutter ausgestellt.\nDiese Vollmacht bezieht sich auch auf Rechtsgeschafte nach dem Tod der Frau\nSch.. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| In Unkenntnis der Tatsache, dass Frau Sch. am 3.6.2005 verstorben war, hat\nder Klager bei der Beklagten am 6.6.2005 unter Vorlage eines handschriftlichen\nZettels (Anlage B1) um Ausfuhrung von zwei Überweisungsauftragen, einen uber\n10.000,00 EUR an seine Großmutter Frau G. und den zweiten uber 60.000,00 EUR\nzu seinen Gunsten (Anlage K 2) gebeten. Es wurde darauf hingewiesen, dass\nzunachst die Vollmacht und der Sachverhalt uberpruft wurden, bevor von der\nBeklagten uber die Annahme der Überweisungsauftrage entschieden werden konne. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Beklagte hatte jedoch Zweifel an der vorgelegten Generalvollmacht.\nDaraufhin wandte sich Herr Rechtsanwalt W. aus Mannheim, der Anwalt der\nverstorbenen Frau Sch., mit Schreiben vom 7.6.2005 (Anlage K 3) an die\nBeklagte und wies darauf hin, dass die Vollmacht ordnungsgemaß erteilt sei.\nDies erlauterte er ihr auch noch telefonisch am 7.6.2005 und wies darauf hin,\ndass die Streichung des Zusatzes uber die Geschaftsfahigkeit der Waltraud Sch.\nin der Generalvollmacht keinerlei rechtliche Bedeutung habe. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Nach weiterem Hinweis auf die Notwendigkeit der Benutzung der\nvorgeschriebenen Vordrucke sind vom Klager und seiner Großmutter zwei\nÜberweisungstrager unterschrieben worden und bei der Beklagten am 8.6.2005\nmorgens in der Heidelberger Filiale bei der zustandigen Mitarbeiterin S. unter\nVorlage der Generalvollmacht (Anlage K 1) eingereicht worden. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Dabei wurde auch eine handschriftliche Vollmacht der Frau C. (Anlage B 3)\nvorgelegt, die den Klager angeblich dazu ermachtige, die von Frau Waltraud\nSch. angewiesenen 40.000,00 EUR auf seinem Konto bei der Volksbank Wiesloch in\nEmpfang zu nehmen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Mitarbeiterin S., der sich nicht unerhebliche Zweifel an der Lauterkeit\nder Transaktionen aufgedrangt haben, nahm die beiden Überweisungsauftrage\nentgegen und teilte dem Klager mit, dass diese zunachst gepruft werden\nmussten. Von dem Ergebnis der Prufung hinge dann ab, ob die Bank die\nÜberweisungsauftrage annehmen und durchfuhren werde oder nicht. Noch am selben\nTag bat Frau S. erneut die Rechtsabteilung der Beklagten unter Vorlage der\nÜberweisungsauftrage und der Vollmacht von Frau C. um Prufung und Mitteilung,\nob die Überweisungsauftrage angenommen werden mussten oder nicht. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Nachdem sich die Beklagte dennoch weigerte, die Überweisungen auszufuhren,\nwandte sich der Klagervertreter mit Schreiben vom 16.6.2005 (Anlage K 4) unter\nAndrohung von Schadenersatzanspruchen an die Beklagte mit der Aufforderung,\ndie Auftrage unverzuglich auszufuhren. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beklagte reagierte mit Schreiben ihrer Zentrale in Stuttgart vom\n21.6.2005 (Anlage K 5) und lehnte die Ausfuhrung der Überweisungen mit Hinweis\nauf ihre Untersuchungspflicht weiterhin ab. Sie wollte erst eine Entscheidung\nder Erben abwarten. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Klagervertreter wies mit Schreiben vom 23.06.2005 (Anlage K 6) darauf\nhin, dass der Rechtsanwalt der verstorbenen Frau Waltraud Sch. die\nOrdnungsgemaßheit der Vollmacht ausdrucklich bestatigt habe und deshalb keine\nrechtliche Moglichkeit mehr bestehe, die Ausfuhrung der Überweisung zu\nverweigern. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Mit Schreiben vom 27.6.2005 (Anlage B 4) widerrief die Alleinerbin der Frau\nSch., Vera F., Heidelberg, die Generalvollmacht des Klagers mit sofortiger\nWirkung. Dies teilte die Beklagte dem Klager mit Schreiben vom 27.6.2005\n(Anlage K 7) mit und wies darauf hin, dass die Überweisungsauftrage nun nicht\nmehr ausgefuhrt werden konnten. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Beklagten wurde daraufhin mit Schreiben vom 14.7.2005 (Anlage K 8)\nmitgeteilt, dass aus ihrer rechtswidrigen Weigerung Schadenersatzanspruche\nentstanden seien und sie wurde aufgefordert, einen Betrag i.H.v. 20.000,00 EUR\nan den Klager unter Fristsetzung bis zum 28.7.2005 zu zahlen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Mit Schreiben vom 19.7.2005 (Anlage K 9) lehnte die Beklagte die Zahlung\nab. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Klager behauptet, der Klager und seine Großmutter seien noch eine Weile\nbei Frau Sch. geblieben, nachdem Herr Rechtsanwalt W. am 1.6.2005 gegangen\nwar. Im Rahmen der folgenden Gesprache habe sich Frau Sch. entschlossen,\nverschiedene Schenkungsversprechen abzugeben, da sie selbst aufgrund eines\ngemeinschaftlichen Testaments mit ihrem vorverstorbenen Ehemann erbrechtlich\ngebunden war, andererseits aber den Klager, dessen Großmutter sowie eine\nweitere Person, die sie in den letzten Jahren gepflegt und betreut hatten,\nbedenken wollte. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Frau Sch. habe ihm einen Betrag i.H.v. 20.000,00 EUR mundlich fur die\nPflege und Betreuung in den letzten Jahren versprochen, seiner Großmutter\neinen Betrag i.H.v. 10.000,00 EUR und einer Freundin, Frau Elfriede C., einen\nBetrag i.H.v. 40.000,00 EUR. Er habe sich bei Frau Sch. dafur bedankt und das\nSchenkungsangebot angenommen. Gleichzeitig habe Frau Sch. ihn darum gebeten,\ndie Schenkungsversprechen unter Einsatz der erteilten Generalvollmacht zu\nerfullen (Anlage K 1). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Frau Sch. sei bei Erteilung der Generalvollmacht und bei Abgabe der\nmundlichen Schenkungsversprechen am 1.6.2005 noch in vollem Umfang\ngeschaftsfahig gewesen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| **Der Kl ager beantragt,** \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Beklagte wird verurteilt, an den Klager EUR 20.000,00 nebst Zinsen in\nHohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit 10.6.2005 zu zahlen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| **Die Beklagte beantragt,** die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Beklagte bestreitet, dass Frau Sch. bei der Erteilung der\nGeneralvollmacht am 1.6.2005 an den Klager und dessen Großmutter Frau G. nach\nihrer langen, schweren Krankheit geschaftsfahig war und somit dem Klager eine\nwirksame Generalvollmacht erteilt worden sei. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| **Die Beklagte behauptet,** die ausdruckliche Streichung des entsprechenden\nZeugnisses auf Seite 4 unten der Generalvollmacht durch den die Vollmacht im\nubrigen bezeugenden Rechtsanwalt Christian W. liefere hinreichendes Indiz\ndafur, dass eine hinreichende Geschaftsfahigkeit der Frau Sch. zu diesem\nZeitpunkt nicht mehr gegeben gewesen sei. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Der Klager habe die Heidelberger Filiale am 6.6.2005 verlassen, ohne\nformgerechte Überweisungsauftrage erteilt zu haben. Trotzdem habe Frau S. die\nvon dem Klager vorgelegte Vollmacht unverzuglich der Rechtsabteilung der\nBeklagten vorgelegt und den ihr bekannten, sparlichen Sachverhalt erlautert\nund um Prufung gebeten, ob die Überweisungsauftrage angenommen werden konnten. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| In einem Telefonat am 7.6.2005 habe die Mitarbeiterin Frau S. Herrn\nRechtsanwalt W. die sich aufdrangende Frage gestellt, warum er denn am\n1.6.2005 vor den eigentlich wichtigen Geschaften der Frau Sch., namlich den\numfangreichen Schenkungen, aus dem Haus der Frau Sch. gegangen sei, wenn er\ndoch angeblich zur umfassenden Beratung der Frau Sch. in deren Wohnung\neinbestellt worden sei. Auf diese Frage habe Rechtsanwalt W. nur ausweichend\nund in einer die Zweifel der Beklagten an den angeblichen Schenkungen eher\nverstarkenden als beseitigenden Art und Weise geantwortet. Fur die Beklagte\nsei die Auskunft des Rechtsanwalts W. uber die Geschaftsfahigkeit der\nVerstorbenen auch nicht verbindlich gewesen, vielmehr sei fraglich, ob seine\nanwaltliche Vollmacht nicht bereits durch den Tod der Frau Sch. am 3.6.2005\nerloschen gewesen sei. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Der Rechtsabteilung hatten sich erhebliche Zweifel an der rechtswirksamen\nErteilung der Vollmacht, der Existenz und Rechtswirksamkeit der angeblich zu\nerfullenden Schenkungen und der Lauterkeit des Klagers und seiner Großmutter\naufgedrangt. Diese Zweifel seien erstens dadurch hervorgerufen worden, dass\ndie Kontoinhaberin Frau Sch. bereits zwei Tage nach der angeblichen Erteilung\nder Generalvollmacht, am 3.6.2005 nach langerer, schwerer Krankheit verstorben\nwar und zweitens dadurch, dass von dem Zeugen Rechtsanwalt W. der in der\nVollmacht vorgedruckte Zusatz, mit welchem dieser die geistige Gesundheit von\nFrau Sch. bei Vollmachterteilung bestatigen sollte, gestrichen worden war.\nDrittens seien die Zweifel noch dadurch hervorgerufen worden, dass der Klager\nund seine Großmutter es nach dem Tod der Kontoinhaberin eilig gehabt hatten,\nangeblich mundliche und damit formunwirksame Schenkungsversprechen durch\nVollziehung zu heilen. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Rechtsabteilung der Beklagten habe damit Anlass zu der Befurchtung\nhaben mussen, dass die Beklagte mit Annahme der Überweisungsauftrage an einer\nrechtswidrigen Tat des Klagers mitwirken wurde, der Klager keinen rechtlichen\nGrund zur Vornahme der Überweisungen habe und dass die Beklagte im Fall einer\nAusfuhrung der Überweisungen Ruckforderungsanspruchen der Erbin von Frau Sch.\nausgesetzt sein wurde. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Daher habe die Rechtsabteilung Frau S. angewiesen, die Annahme und\nAusfuhrung der Überweisungsauftrage des Klagers vom 8.6.2005 abzulehnen und\ndem Klager dies unverzuglich mitzuteilen, was diese dem Klager am 9.6.2005\ntelefonisch mitgeteilt habe. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Daraufhin habe der Klager am 10., 11., 12. und 15.6.2005 begonnen, mit der\nEC-Karte der verstorbenen Frau Sch. zweimal bei der Beklagten, und zweimal bei\nder Sparda-Bank Barabhebungen in Hohe des maximalen Tageslimits von jeweils\n1000,00 EUR vorzunehmen. Dies habe die bestehenden Zweifel der Beklagten\nverstarkt und die Beklagte dazu veranlasst, die EC-Karte der Verstorbenen zu\nsperren. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Beklagte bestreitet, dass der Klager und seine Großmutter die\nverstorbene Frau Waltraud Sch. in den letzten Jahren vor ihrem Tod in\nerheblichem Umfang gepflegt haben und die Verstorbene ein Interesse an den\nsehr substantiellen Geschenken gehabt habe. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Bezuglich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten und\nvorgetragenen Schriftsatze in den Akten nebst Anlagen Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Klage ist zulassig aber unbegrundet. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Der Klagerin stehen die von ihr verfolgten Anspruche auf Schadenersatz\ngemaß §§ 280 Abs. 1 BGB i.V.m. den Grundsatzen uber das Schuldverhaltnis mit\nSchutzwirkung zugunsten Dritter und aus § 826 BGB nicht zu. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Parteien streiten uber die ordnungsgemaße Ausfuhrung eines durch den\nKlager als Generalbevollmachtigten erteilten, von der Beklagten aber weder\nangenommenen noch abgewickelten Überweisungsauftrags. \n--- \n--- \nA. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Als Anspruchsgrundlage fur einen Schadenersatzanspruch des Klagers kommt\nder zwischen der verstorbenen Kontoinhaberin Frau Waltraud Sch. und der\nBeklagten bestehende Girovertrag gemaß § 676 f BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB\ni.V.m. den Grundsatzen uber Vertrage mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in\nBetracht. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| 1\\. Als zugrundeliegendes Schuldverhaltnis kommt hier nicht ein\nÜberweisungsvertrag gemaß § 676 a BGB zwischen der Kontoinhaberin, vertreten\ndurch den Klager, und der Beklagten in Frage, sondern allenfalls der\nGirovertrag gemaß § 676 f BGB zwischen der Beklagten und der Kontoinhaberin.\nDer in einem Überweisungsauftrag enthaltene Antrag des Kontoinhabers auf\nAbschluss eines Überweisungsvertrags mit seiner kontofuhrenden Bank wird in\nder Regel durch die Ausfuhrung der Überweisung angenommen (Palandt-Sprau, 64.\nA.; § 676 a, Rn 11). Die Beklagte hat im vorliegenden Fall bei Entgegennahme\nder Überweisungstrager am 6.6. bzw. 8.6.2005 umgehend darauf hingewiesen, dass\ndiese zunachst gepruft werden mussten, und dass von dem Ergebnis der Prufung\ndann abhinge, ob die Bank die Überweisungsauftrage annehmen und durchfuhren\nwerde oder nicht. Das Angebot auf Abschluss eines Überweisungsvertrages konnte\ndaher nicht als angenommen gelten gemaß § 362 Abs. 1 HGB (vgl. Palandt-Sprau,\n64 A., § 676 a, Rn 11). Vielmehr hat die Beklagte die Ausfuhrung zunachst am\n6.6. und dann am 8.6.2005 durch ihre Mitarbeiterin Frau S. ausdrucklich\nabgelehnt. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| 2\\. Aus dem Girovertrag zwischen der Beklagten und der Kontoinhaberin kann\nnach erganzender Vertragsauslegung keine Schutzwirkung zugunsten des Klagers\nabgeleitet werden. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| a) Das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter\nberuht nach der Rechtsprechung auf einer an §§ 242, 133, 157 BGB orientierten\nerganzenden Vertragsauslegung (BGH NJW 1977, 2074; NJW 1984, 365).\nSchadenersatzanspruche aus Schutzpflichtverletzungen kommen im allgemeinen in\nBetracht, wenn ein zwischen zwei Parteien bestehendes Schuldverhaltnis zwar\nden Anforderungen des § 328 BGB (Vertrag zugunsten Dritter) nicht genugt, aber\neine Einbeziehung bestimmter Dritter in seinen Schutzbereich durch den\nVertragszweck und wegen der erkennbaren Auswirkungen der vertragsgemaßen\nLeistung auf sie nach Treu und Glauben geboten ist. Um eine Ausuferung von\nAnspruchen dieser Art in nicht mehr kalkulierbarem Umfang zu vermeiden und\neine klare Grenze zu ziehen, jenseits derer der Schutz Dritter auf das Recht\nder unerlaubten Handlungen beschrankt sein muss, hat die fruhere\nRechtsprechung allerdings wiederholt ausgesprochen, eine solche Einbeziehung\nDritter komme regelmaßig nur in Betracht, wenn das Innenverhaltnis zwischen\ndem Glaubiger und Dritten durch einen personenrechtlichen Einschlag\ngekennzeichnet und erkennbar sei, dass der Glaubiger in Mitverantwortung und\nFursorge fur den Dritten handle. Der BGH hat seine Rechtsprechung in diesem\nPunkt jedoch in der Folgezeit aufgegeben und verlangt stattdessen, dass die\nVertragsparteien nach allgemeinen Auslegungsgrundsatzen den Willen haben, zu\nGunsten eines Dritten eine Schutzpflicht zu begrunden. Bei Bankgeschaften hat\nder BGH in einer zum Lastschriftverfahren ergangenen fruheren Entscheidung\ndieses Erfordernis eines personenrechtlichen Einschlags fur das Wohl und Wehe\nindessen als unnotig eng bezeichnet, wenn es sich um Massengeschafte eines\nbestimmten Typs mit einem einheitlich praktizierten Verfahren handelt, das dem\nRechtsverkehr in großem Stile unter Inanspruchnahme des Vertrauens auf\nsachgerechte und interessengerechte Abwicklung angeboten wird. Hier konne nach\nTreu und Glauben eine Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich der\nanfallenden Schuldverhaltnisse moglich und geboten sein, wenn das Verfahren\nfur den Dritten, der sich dessen bedient, bestimmte verfahrenstypische Risiken\nin sich birgt und den mit der Durchfuhrung betrauten Verfahrensbeteiligten\nohne weiteres zugemutet werden kann, diese Risiken klein zu halten (BGHZ 69,\n82 [86]). \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| b) Um einen solchen Fall handelt es sich nach der Rechtsprechung unter\nanderem beim sogenannten mehrgliedrigen Überweisungsverkehr (OLG Frankfurt, DB\n1984, 585, 586; OLG Dusseldorf, ZIP 1982, 428 [430]). Davon spricht man, wenn\nder Überweisungsempfanger sein Konto nicht bei derselben Kontostelle hat wie\nder Überweisende. Bei diesem handelt es sich um ein Massengeschaft eines\nbestimmten Typs mit einheitlich praktizierten Verfahren, das mit\nverfahrenstypischen Risiken fur den Dritten einhergeht und bei dem ein\nschutzwurdiges Vertrauen auf die Geringhaltung dieser Risiken besteht.\nSamtliche Merkmale, die die Rechtsprechung fur das Bestehen einer\nSchutzpflicht der Bank aufgestellt hat, sind somit bei dem mehrgliedrigen\nÜberweisungsverkehr fur den uberweisenden Kunden im Verhaltnis zur\nEmpfangerbank gegeben. Die Empfangerbank ist daher nicht nur ihrer\nAuftraggeberin zur ordnungsgemaßen Ausfuhrung des Auftrags verpflichtet,\nsondern hat auch die Vermogensinteressen von deren Kunden wahrzunehmen. (OLG\nFrankfurt, a.a.O.) Im vorliegenden Fall hatte zwar grundsatzlich eine\nKonstellation eines mehrgliedrigen Überweisungsverkehrs vorgelegen, da der\nKlager sein Konto bei der Volksbank Wiesloch und somit nicht bei der Beklagten\nhat. Jedoch geht es hier um die umgekehrte Konstellation, ob eine\nSchutzwirkung zugunsten des am Überweisungsvorgang zunachst unbeteiligten\nÜberweisungsempfangers besteht. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| c) Eine Schutzwirkung fur den Klager musste sich aus dem Girovertrag\nzwischen der Kontoinhaberin und dem Klager ergeben, also aus dem dargelegten\nRechtsverhaltnis, ihrem Vertragszweck und dem Grundsatz von Treu und Glauben\n(vgl. BGH NJW 1977, 1916). Einen solchen Fall hat die Rechtsprechung beim\nLastschriftverfahren angenommen, soweit die Schuldnerbank Lastschriften\nzuruckzuleiten hat, weil diese mangels Deckung nicht eingelost werden konnen\n(BGH a.a.O.). Die Pflicht zur alsbaldigen Rucksendung nicht eingeloster\nLastschriften ist auch eine Schutzpflicht der Schuldnerbank zugunsten des\njeweiligen Lastschriftglaubigers. Im Einzelfall beruht diese Schutzpflicht auf\ndem Rechtsverhaltnis, das zwischen den zwei Banken hinsichtlich der einzelnen\nLastschrift auf der Grundlage des zwischen ihnen bestehenden Girovertrages\nentsteht (BGH NJW 1977, 1916 [1917]). Jedoch sind diese Voraussetzungen auf\nden vorliegenden Fall nicht ubertragbar. Eine Verpflichtung der Schuldnerbank\nzur Wahrnehmung des Glaubigerinteresses wie in dem vom Bundesgerichtshof\nentschiedenen und vom Klager in der Klageschrift angefuhrten Fall liegt auf\nSeiten der Beklagten nicht vor. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| d) Beim Überweisungsverkehr entsteht weder ein unmittelbares\nVertragsverhaltnis zwischen dem Empfanger und der Bank des Überweisenden, noch\nsind etwa die Rechtsverhaltnisse des Überweisenden mit seiner Bank Vertrage\nzugunsten des Überweisungsempfangers als eines Dritten. (BGHZ 69, 82-89). Ein\nÜberweisungsvertrag entfaltet grundsatzlich auch keine Schutzwirkungen zu\nseinen Gunsten (BGH, NJW 1998, 1640; Schimansky, Bankrechts-Handbuch, § 49 Rn\n4; Nobbe, WM Sonderbeil. Nr.4 zu Heft 29/2001, 23). Dass die Bank des\nSchuldners ausnahmsweise aus besonderen direkten Zusagen gegenuber dem\nGlaubiger auch dann haftet, wenn er nicht ihr Kunde ist, andert an diesem\nGrundsatz nichts. Der normale Überweisungsauftrag entfaltet jedenfalls keine\nSchutzwirkungen zugunsten des Empfangers. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Eine uber einen normalen Überweisungsauftrag hinausgehende selbstandige\nZahlungsverpflichtung der Beklagten ist im vorliegenden Fall mangels Abschluss\neines konkreten Überweisungsauftrags gerade nicht ersichtlich. Eine solche ist\nim vorliegenden Fall nicht etwa - wie in der Praxis ublich - durch eine\nformliche „Bestatigung" des Überweisungsauftrages gegenuber dem Klager\nbegrundet worden. Vielmehr wurde ihm bei Einreichung des Überweisungsauftrages\ndurch die Mitarbeiterin Frau S. umgehend mitgeteilt, dass Zweifel an der\nvorgelegten Generalvollmacht bestunden und eine interne Prufung der\nvorgelegten Überweisungsauftrage abgewartet werden musse. Die vorliegende\nKonstellation ist auch nicht mit den der Entscheidung des OLG Oldenburg (NJW-\nRR 1998, 918) und des OLG Dusseldorf (NJW-RR 1987, 1327) zugrundeliegenden\nFallen vergleichbar, in denen ebenfalls uber den normalen Überweisungsauftrag\nhinausgehende Zusagen und Vereinbarungen der Kunden mit ihrer Bank getroffen\nwurden, die dann erst eine Schutzwirkung zugunsten eines Dritten im Einzelfall\nauslosten. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| 2\\. Daruber hinaus fehlt es auch an einer schuldhaften Pflichtverletzung\ndes Girovertrages durch die Beklagte. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| a) Selbst wenn man eine Schutzwirkung zugunsten des Klagers annehmen wurde,\nso liegt eine schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten nicht vor. Zwar ist\ndem Klager grundsatzlich zuzugeben, dass im Rahmen eines bestehenden\nGirovertrages ein Kreditinstitut grundsatzlich verpflichtet ist, Angebote auf\nAbschluss eines Überweisungsvertrages allein aus dem Zweck des Girovertrages,\nden bargeldlosen Zahlungsverkehr abzuwickeln, anzunehmen, wenn die\nVoraussetzungen fur die Durchfuhrung gemaß § 676 a Abs. 2 S.3 BGB vorliegen.\nNach § 676 a Abs. 2 S.3 BGB beginnt die Ausfuhrungsfrist mit Ablauf des Tages,\nan dem der Bank die zur Ausfuhrung der Überweisung notwendigen Angaben\nvorliegen und ausreichende Deckung vorhanden ist. Es darf somit nicht der Sinn\ndieser Regelung dadurch umgangen werden, dass es in Handen der Banken liegt,\nden Beginn der Ausfuhrungsfrist durch unberechtigtes Hinauszogern der Annahme\nzu beeinflussen (Schimansky, Bankrechts-Handbuch Bd.1, 2001; § 49, Rn 1c). Die\nsich daraus ergebende grundsatzliche Verpflichtung zum sofortigen Abschluss\ndes Überweisungsvertrages fehlt somit im Hinblick auf die\nverschuldensunabhangige Haftung gemaß § 676 b BGB nur bei außergewohnlichen\nÜberweisungen (Palandt-Sprau, 64 A., § 676 f, Rn 14). \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| b) Zwar bestehen Warn- und Schutzpflichten des Kreditinstitutes wegen des\nMassencharakters der Überweisungen nur in engen Grenzen und eine\nÜberweisungsbank braucht sich deshalb grundsatzlich auch keine Gedanken uber\ndas Valutaverhaltnis und die Interessen ihrer Kunden zu machen (BGH NJW 1978,\n1852; Nobbe, WM Sonderbeil. Nr. 4 zu Heft 29/2001, S.10) oder ihre Kunden vor\nunzweckmaßigen Überweisungen zu warnen (LG Berlin, Urteil vom 9. Mai 1996, Az:\n21 O 575/95). Vielmehr mussen sich die Banken streng innerhalb der Grenzen des\nihnen erteilten formalen Auftrags halten (BGH NJW 1987, 317 [318]). Jedoch hat\nein Kreditinstitut auf rechtliche Bedenken, die sie gegenuber einer ihr\nerteilten Überweisung hat oder bei Anwendung der ihr obliegenden Sorgfalt\neines ordentlichen Kaufmanns haben muss, hinzuweisen (BGHZ 23, 222) und\nausnahmsweise den Auftraggeber z.B. daruber aufzuklaren, wenn ihr der\nunmittelbar bevorstehende Zusammenbruch des Überweisungsempfangers oder der\nEmpfangerbank bekannt ist (BGH WM 1960, 1321 [1322]; WM 1961, 510 [511]; WM\n1976, 474 [475]; WM 1986, 1409 [1410]). Eine vergleichbare Informations- und\nRuckfragepflicht besteht auch bei positiver Kenntnis der Bank von einem\naußergewohnlich hohen Scheckbetrag, der in einem außergewohnlichen Maß die im\nsonstigen Scheckverkehr mit dem Kunden ubliche Summe ubersteigt (OLG Hamburg,\nWM 1994, 1107). \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| c) Auch beim vorliegenden Fall handelt es sich um eine besonders gelagerte\nAusnahme von dem Grundsatz, dass sich die Banken im Überweisungsverkehr nicht\num die Interessen der Beteiligten zu kummern haben. Eine Warn- und\nRuckfragepflicht ergibt sich im vorliegenden Fall aufgrund der einzelnen\nUmstande des Überweisungsauftrags. Nach der neueren Rechtsprechung bestand\ndemnach eine Pflicht der Bank zur Ruckfrage bei der Kontoinhaberin, nach dem\nTod der Frau Sch. am 3.6.2005 deren Alleinerbin Frau Vera F., vor Auszahlung\ndes Geldes, da aufgrund der Umstande der evidente Verdacht bestand, dass der\nBevollmachtigte treuwidrig handelt und seine Vertretungsmacht missbraucht.\nDieser Verdacht drangte sich aus Sicht der Bank im vorliegenden Fall\ninsbesondere daher auf, dass der bevollmachtigte Klager einen ungewohnlich\nhohen Betrag in Hohe von insgesamt 70.000,00 EUR uberweisen wollte, der\ngegenuber einer normalen Kontobewegung vollig aus dem Rahmen fallt und in Hohe\nvon 60.000,00 EUR auch noch auf sein eigenes Privatkonto uberwiesen werden\nsollte. Dazu nahrten auch der zeitliche Zusammenhang mit dem Tod der\nKontoinhaberin und die Durchstreichung des Zusatzes in der vorgelegten\nVollmacht, der die Geschaftsfahigkeit der Vollmachtgeberin bezeugen sollte,\nZweifel an der Transaktion. Insbesondere unter der Gefahr, sich durch eine\numgehende Ausfuhrung der Überweisung und eines dadurch bewirkten Abschlusses\neines Überweisungsvertrages gegenuber der Kontoinhaberin Frau Vera F.\nschadenersatzpflichtig zu machen, lagen die Voraussetzungen fur eine\nRuckfragepflicht der Beklagten vor Auszahlung des Geldes an den\nkontobevollmachtigten Klager vor (vgl. OLG Frankfurt, OLGR 2004, 68-70). Eine\nVerpflichtung, sich mit den Rechtsverhaltnissen der beteiligten Bankkunden\neingehend zu befassen und sie rechtlich zu beurteilen, bestand fur die\nBeklagte nicht. Dies ware mit den Zwecken des Überweisungsverkehrs nicht\nvereinbar und fur die beteiligten Banken eine unzumutbare Belastung. Deshalb\nbleibt in den Fallen, in denen mit einer Schadigung des Überweisenden oder\nseines Rechtsnachfolgers zu rechnen ist nur der Weg, ihn vor der drohenden\nGefahr zu unterrichten und ihm dadurch die Moglichkeit zu geben, entsprechende\nMaßnahmen zu ergreifen um Schaden zu verhindern. Da sich der Bank der Verdacht\neines Missbrauchs zu Lasten der Kontoinhaberin geradezu aufdrangen musste, war\nsie verpflichtet, im Interesse des Kunden tatig zu werden und dem Verdacht\ndurch geeignete Maßnahmen nachzugehen. Dass sich eventuell der Verdacht eines\nMissbrauchs im Nachhinein nicht bestatigt, andert am pflichtgemaßen Verhalten\nder Beklagten zum damaligen Zeitpunkt nichts. Es andert auch nichts an dieser\nBeurteilung, dass der Rechtsanwalt der Verstorbenen, Herr Christian W., die\nordnungsgemaße Bevollmachtigung des Klagers gegenuber der Beklagten mehrfach\nbestatigt hat. Die Tatsache, dass er die vom Klager behaupteten\nSchenkungsversprechen der Frau Sch. nicht bestatigen kann, da er das \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Anwesen der Versprechenden vorher verlassen hatte, berechtigte die\nBeklagte, ihre Zweifel an der Existenz dieser formunwirksamen\nSchenkungsversprechen aufrecht zu erhalten und eine Ruckfrage an die\nAlleinerbin als Rechtsnachfolgerin der Kontoinhaberin abzuwarten. Deren\nunverzuglicher Widerruf der Vollmacht des Klagers fur das Konto bei der\nBeklagten haben die berechtigten Zweifel der Beklagten im Nachhinein auch\nbestatigt. \n--- \n--- \nB. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Ein Schadenersatzanspruch gemaß §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 i.V.m. § 280 Abs.\n1 BGB durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen scheidet mangels\nPflichtverletzung der Beklagten ebenfalls aus. \n--- \n--- \nC. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Ein Anspruch aus § 826 BGB wegen vorsatzlich-sittenwidriger Schadigung des\nKlagers scheidet ebenfalls aus. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Die Beklagte ist nicht zum Schadensersatz verpflichtet, weil die\nVoraussetzungen fur eine hier in Betracht kommende deliktsrechtliche Haftung\naus §§ 826, 249 Abs. 1 S. 1 BGB nicht vorliegen. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Ihr kann nach den Gesamtumstanden nicht vorgeworfen werden, den Klager im\nZusammenhang mit der verweigerten Ausfuhrung der von der Klagerseite am 6.6.\nund 8.6.2005 vorgelegten Überweisungsauftrage vorsatzlich sittenwidrig\ngeschadigt zu haben. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt auf Seiten der\nBeklagten aufgrund der berechtigten Weigerung, den Überweisungsauftrag\nauszufuhren, nicht vor. Eine sittenwidrige Schadigung des Klagers durch die\nBeklagte scheidet deshalb aus, weil die Beklagte, wie bereits dargestellt,\nausnahmsweise eine Ruckfrage- und Informationspflicht gegenuber der\nKontoinhaberin hatte, ob die von der Klagerseite begehrte Überweisung zu\nbeanstanden sei. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der Tatsache,\ndass die Bank durch den Klagervertreter am 22.6.2005 daruber informiert wurde,\ndass ein Widerruf der Generalvollmacht und des Schenkungsversprechens durch\ndie Erbin die mundlich geaußerten und damit formunwirksamen\nSchenkungsversprechen vereiteln wurde. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Zudem entsteht aus formunwirksamen Schenkungsversprechen gemaß § 518 Abs. 1\nBGB kein Anspruch auf Leistung des Schenkungsgegenstandes. Sinn und Zweck des\n§ 518 BGB ist es u.a. Streitigkeiten uber angebliche Schenkungen Verstorbener\nzu vermeiden (Palandt-Putzo, 64.A., § 518, Rn 1). Zwar hatte durch die\nAusfuhrung des Überweisungsauftrags durch die Beklagte eine Heilung dieses\nFormmangels herbeigefuhrt werden konnen. Vor der Heilung war diese\nformunwirksame Schenkungsvereinbarung jedoch nichtig. Die Beklagte haftet\ndaher nicht als Dritte aus sittenwidriger Schadigung wegen Vereitelung einer\nSchenkungsleistung (vgl. BGH, NJW 1992, 2152). \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung uber\ndie vorlaufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Klage ist zulassig aber unbegrundet. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Der Klagerin stehen die von ihr verfolgten Anspruche auf Schadenersatz\ngemaß §§ 280 Abs. 1 BGB i.V.m. den Grundsatzen uber das Schuldverhaltnis mit\nSchutzwirkung zugunsten Dritter und aus § 826 BGB nicht zu. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Parteien streiten uber die ordnungsgemaße Ausfuhrung eines durch den\nKlager als Generalbevollmachtigten erteilten, von der Beklagten aber weder\nangenommenen noch abgewickelten Überweisungsauftrags. \n--- \n--- \nA. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Als Anspruchsgrundlage fur einen Schadenersatzanspruch des Klagers kommt\nder zwischen der verstorbenen Kontoinhaberin Frau Waltraud Sch. und der\nBeklagten bestehende Girovertrag gemaß § 676 f BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB\ni.V.m. den Grundsatzen uber Vertrage mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in\nBetracht. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| 1\\. Als zugrundeliegendes Schuldverhaltnis kommt hier nicht ein\nÜberweisungsvertrag gemaß § 676 a BGB zwischen der Kontoinhaberin, vertreten\ndurch den Klager, und der Beklagten in Frage, sondern allenfalls der\nGirovertrag gemaß § 676 f BGB zwischen der Beklagten und der Kontoinhaberin.\nDer in einem Überweisungsauftrag enthaltene Antrag des Kontoinhabers auf\nAbschluss eines Überweisungsvertrags mit seiner kontofuhrenden Bank wird in\nder Regel durch die Ausfuhrung der Überweisung angenommen (Palandt-Sprau, 64.\nA.; § 676 a, Rn 11). Die Beklagte hat im vorliegenden Fall bei Entgegennahme\nder Überweisungstrager am 6.6. bzw. 8.6.2005 umgehend darauf hingewiesen, dass\ndiese zunachst gepruft werden mussten, und dass von dem Ergebnis der Prufung\ndann abhinge, ob die Bank die Überweisungsauftrage annehmen und durchfuhren\nwerde oder nicht. Das Angebot auf Abschluss eines Überweisungsvertrages konnte\ndaher nicht als angenommen gelten gemaß § 362 Abs. 1 HGB (vgl. Palandt-Sprau,\n64 A., § 676 a, Rn 11). Vielmehr hat die Beklagte die Ausfuhrung zunachst am\n6.6. und dann am 8.6.2005 durch ihre Mitarbeiterin Frau S. ausdrucklich\nabgelehnt. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| 2\\. Aus dem Girovertrag zwischen der Beklagten und der Kontoinhaberin kann\nnach erganzender Vertragsauslegung keine Schutzwirkung zugunsten des Klagers\nabgeleitet werden. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| a) Das Rechtsinstitut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter\nberuht nach der Rechtsprechung auf einer an §§ 242, 133, 157 BGB orientierten\nerganzenden Vertragsauslegung (BGH NJW 1977, 2074; NJW 1984, 365).\nSchadenersatzanspruche aus Schutzpflichtverletzungen kommen im allgemeinen in\nBetracht, wenn ein zwischen zwei Parteien bestehendes Schuldverhaltnis zwar\nden Anforderungen des § 328 BGB (Vertrag zugunsten Dritter) nicht genugt, aber\neine Einbeziehung bestimmter Dritter in seinen Schutzbereich durch den\nVertragszweck und wegen der erkennbaren Auswirkungen der vertragsgemaßen\nLeistung auf sie nach Treu und Glauben geboten ist. Um eine Ausuferung von\nAnspruchen dieser Art in nicht mehr kalkulierbarem Umfang zu vermeiden und\neine klare Grenze zu ziehen, jenseits derer der Schutz Dritter auf das Recht\nder unerlaubten Handlungen beschrankt sein muss, hat die fruhere\nRechtsprechung allerdings wiederholt ausgesprochen, eine solche Einbeziehung\nDritter komme regelmaßig nur in Betracht, wenn das Innenverhaltnis zwischen\ndem Glaubiger und Dritten durch einen personenrechtlichen Einschlag\ngekennzeichnet und erkennbar sei, dass der Glaubiger in Mitverantwortung und\nFursorge fur den Dritten handle. Der BGH hat seine Rechtsprechung in diesem\nPunkt jedoch in der Folgezeit aufgegeben und verlangt stattdessen, dass die\nVertragsparteien nach allgemeinen Auslegungsgrundsatzen den Willen haben, zu\nGunsten eines Dritten eine Schutzpflicht zu begrunden. Bei Bankgeschaften hat\nder BGH in einer zum Lastschriftverfahren ergangenen fruheren Entscheidung\ndieses Erfordernis eines personenrechtlichen Einschlags fur das Wohl und Wehe\nindessen als unnotig eng bezeichnet, wenn es sich um Massengeschafte eines\nbestimmten Typs mit einem einheitlich praktizierten Verfahren handelt, das dem\nRechtsverkehr in großem Stile unter Inanspruchnahme des Vertrauens auf\nsachgerechte und interessengerechte Abwicklung angeboten wird. Hier konne nach\nTreu und Glauben eine Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich der\nanfallenden Schuldverhaltnisse moglich und geboten sein, wenn das Verfahren\nfur den Dritten, der sich dessen bedient, bestimmte verfahrenstypische Risiken\nin sich birgt und den mit der Durchfuhrung betrauten Verfahrensbeteiligten\nohne weiteres zugemutet werden kann, diese Risiken klein zu halten (BGHZ 69,\n82 [86]). \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| b) Um einen solchen Fall handelt es sich nach der Rechtsprechung unter\nanderem beim sogenannten mehrgliedrigen Überweisungsverkehr (OLG Frankfurt, DB\n1984, 585, 586; OLG Dusseldorf, ZIP 1982, 428 [430]). Davon spricht man, wenn\nder Überweisungsempfanger sein Konto nicht bei derselben Kontostelle hat wie\nder Überweisende. Bei diesem handelt es sich um ein Massengeschaft eines\nbestimmten Typs mit einheitlich praktizierten Verfahren, das mit\nverfahrenstypischen Risiken fur den Dritten einhergeht und bei dem ein\nschutzwurdiges Vertrauen auf die Geringhaltung dieser Risiken besteht.\nSamtliche Merkmale, die die Rechtsprechung fur das Bestehen einer\nSchutzpflicht der Bank aufgestellt hat, sind somit bei dem mehrgliedrigen\nÜberweisungsverkehr fur den uberweisenden Kunden im Verhaltnis zur\nEmpfangerbank gegeben. Die Empfangerbank ist daher nicht nur ihrer\nAuftraggeberin zur ordnungsgemaßen Ausfuhrung des Auftrags verpflichtet,\nsondern hat auch die Vermogensinteressen von deren Kunden wahrzunehmen. (OLG\nFrankfurt, a.a.O.) Im vorliegenden Fall hatte zwar grundsatzlich eine\nKonstellation eines mehrgliedrigen Überweisungsverkehrs vorgelegen, da der\nKlager sein Konto bei der Volksbank Wiesloch und somit nicht bei der Beklagten\nhat. Jedoch geht es hier um die umgekehrte Konstellation, ob eine\nSchutzwirkung zugunsten des am Überweisungsvorgang zunachst unbeteiligten\nÜberweisungsempfangers besteht. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| c) Eine Schutzwirkung fur den Klager musste sich aus dem Girovertrag\nzwischen der Kontoinhaberin und dem Klager ergeben, also aus dem dargelegten\nRechtsverhaltnis, ihrem Vertragszweck und dem Grundsatz von Treu und Glauben\n(vgl. BGH NJW 1977, 1916). Einen solchen Fall hat die Rechtsprechung beim\nLastschriftverfahren angenommen, soweit die Schuldnerbank Lastschriften\nzuruckzuleiten hat, weil diese mangels Deckung nicht eingelost werden konnen\n(BGH a.a.O.). Die Pflicht zur alsbaldigen Rucksendung nicht eingeloster\nLastschriften ist auch eine Schutzpflicht der Schuldnerbank zugunsten des\njeweiligen Lastschriftglaubigers. Im Einzelfall beruht diese Schutzpflicht auf\ndem Rechtsverhaltnis, das zwischen den zwei Banken hinsichtlich der einzelnen\nLastschrift auf der Grundlage des zwischen ihnen bestehenden Girovertrages\nentsteht (BGH NJW 1977, 1916 [1917]). Jedoch sind diese Voraussetzungen auf\nden vorliegenden Fall nicht ubertragbar. Eine Verpflichtung der Schuldnerbank\nzur Wahrnehmung des Glaubigerinteresses wie in dem vom Bundesgerichtshof\nentschiedenen und vom Klager in der Klageschrift angefuhrten Fall liegt auf\nSeiten der Beklagten nicht vor. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| d) Beim Überweisungsverkehr entsteht weder ein unmittelbares\nVertragsverhaltnis zwischen dem Empfanger und der Bank des Überweisenden, noch\nsind etwa die Rechtsverhaltnisse des Überweisenden mit seiner Bank Vertrage\nzugunsten des Überweisungsempfangers als eines Dritten. (BGHZ 69, 82-89). Ein\nÜberweisungsvertrag entfaltet grundsatzlich auch keine Schutzwirkungen zu\nseinen Gunsten (BGH, NJW 1998, 1640; Schimansky, Bankrechts-Handbuch, § 49 Rn\n4; Nobbe, WM Sonderbeil. Nr.4 zu Heft 29/2001, 23). Dass die Bank des\nSchuldners ausnahmsweise aus besonderen direkten Zusagen gegenuber dem\nGlaubiger auch dann haftet, wenn er nicht ihr Kunde ist, andert an diesem\nGrundsatz nichts. Der normale Überweisungsauftrag entfaltet jedenfalls keine\nSchutzwirkungen zugunsten des Empfangers. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Eine uber einen normalen Überweisungsauftrag hinausgehende selbstandige\nZahlungsverpflichtung der Beklagten ist im vorliegenden Fall mangels Abschluss\neines konkreten Überweisungsauftrags gerade nicht ersichtlich. Eine solche ist\nim vorliegenden Fall nicht etwa - wie in der Praxis ublich - durch eine\nformliche „Bestatigung" des Überweisungsauftrages gegenuber dem Klager\nbegrundet worden. Vielmehr wurde ihm bei Einreichung des Überweisungsauftrages\ndurch die Mitarbeiterin Frau S. umgehend mitgeteilt, dass Zweifel an der\nvorgelegten Generalvollmacht bestunden und eine interne Prufung der\nvorgelegten Überweisungsauftrage abgewartet werden musse. Die vorliegende\nKonstellation ist auch nicht mit den der Entscheidung des OLG Oldenburg (NJW-\nRR 1998, 918) und des OLG Dusseldorf (NJW-RR 1987, 1327) zugrundeliegenden\nFallen vergleichbar, in denen ebenfalls uber den normalen Überweisungsauftrag\nhinausgehende Zusagen und Vereinbarungen der Kunden mit ihrer Bank getroffen\nwurden, die dann erst eine Schutzwirkung zugunsten eines Dritten im Einzelfall\nauslosten. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| 2\\. Daruber hinaus fehlt es auch an einer schuldhaften Pflichtverletzung\ndes Girovertrages durch die Beklagte. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| a) Selbst wenn man eine Schutzwirkung zugunsten des Klagers annehmen wurde,\nso liegt eine schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten nicht vor. Zwar ist\ndem Klager grundsatzlich zuzugeben, dass im Rahmen eines bestehenden\nGirovertrages ein Kreditinstitut grundsatzlich verpflichtet ist, Angebote auf\nAbschluss eines Überweisungsvertrages allein aus dem Zweck des Girovertrages,\nden bargeldlosen Zahlungsverkehr abzuwickeln, anzunehmen, wenn die\nVoraussetzungen fur die Durchfuhrung gemaß § 676 a Abs. 2 S.3 BGB vorliegen.\nNach § 676 a Abs. 2 S.3 BGB beginnt die Ausfuhrungsfrist mit Ablauf des Tages,\nan dem der Bank die zur Ausfuhrung der Überweisung notwendigen Angaben\nvorliegen und ausreichende Deckung vorhanden ist. Es darf somit nicht der Sinn\ndieser Regelung dadurch umgangen werden, dass es in Handen der Banken liegt,\nden Beginn der Ausfuhrungsfrist durch unberechtigtes Hinauszogern der Annahme\nzu beeinflussen (Schimansky, Bankrechts-Handbuch Bd.1, 2001; § 49, Rn 1c). Die\nsich daraus ergebende grundsatzliche Verpflichtung zum sofortigen Abschluss\ndes Überweisungsvertrages fehlt somit im Hinblick auf die\nverschuldensunabhangige Haftung gemaß § 676 b BGB nur bei außergewohnlichen\nÜberweisungen (Palandt-Sprau, 64 A., § 676 f, Rn 14). \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| b) Zwar bestehen Warn- und Schutzpflichten des Kreditinstitutes wegen des\nMassencharakters der Überweisungen nur in engen Grenzen und eine\nÜberweisungsbank braucht sich deshalb grundsatzlich auch keine Gedanken uber\ndas Valutaverhaltnis und die Interessen ihrer Kunden zu machen (BGH NJW 1978,\n1852; Nobbe, WM Sonderbeil. Nr. 4 zu Heft 29/2001, S.10) oder ihre Kunden vor\nunzweckmaßigen Überweisungen zu warnen (LG Berlin, Urteil vom 9. Mai 1996, Az:\n21 O 575/95). Vielmehr mussen sich die Banken streng innerhalb der Grenzen des\nihnen erteilten formalen Auftrags halten (BGH NJW 1987, 317 [318]). Jedoch hat\nein Kreditinstitut auf rechtliche Bedenken, die sie gegenuber einer ihr\nerteilten Überweisung hat oder bei Anwendung der ihr obliegenden Sorgfalt\neines ordentlichen Kaufmanns haben muss, hinzuweisen (BGHZ 23, 222) und\nausnahmsweise den Auftraggeber z.B. daruber aufzuklaren, wenn ihr der\nunmittelbar bevorstehende Zusammenbruch des Überweisungsempfangers oder der\nEmpfangerbank bekannt ist (BGH WM 1960, 1321 [1322]; WM 1961, 510 [511]; WM\n1976, 474 [475]; WM 1986, 1409 [1410]). Eine vergleichbare Informations- und\nRuckfragepflicht besteht auch bei positiver Kenntnis der Bank von einem\naußergewohnlich hohen Scheckbetrag, der in einem außergewohnlichen Maß die im\nsonstigen Scheckverkehr mit dem Kunden ubliche Summe ubersteigt (OLG Hamburg,\nWM 1994, 1107). \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| c) Auch beim vorliegenden Fall handelt es sich um eine besonders gelagerte\nAusnahme von dem Grundsatz, dass sich die Banken im Überweisungsverkehr nicht\num die Interessen der Beteiligten zu kummern haben. Eine Warn- und\nRuckfragepflicht ergibt sich im vorliegenden Fall aufgrund der einzelnen\nUmstande des Überweisungsauftrags. Nach der neueren Rechtsprechung bestand\ndemnach eine Pflicht der Bank zur Ruckfrage bei der Kontoinhaberin, nach dem\nTod der Frau Sch. am 3.6.2005 deren Alleinerbin Frau Vera F., vor Auszahlung\ndes Geldes, da aufgrund der Umstande der evidente Verdacht bestand, dass der\nBevollmachtigte treuwidrig handelt und seine Vertretungsmacht missbraucht.\nDieser Verdacht drangte sich aus Sicht der Bank im vorliegenden Fall\ninsbesondere daher auf, dass der bevollmachtigte Klager einen ungewohnlich\nhohen Betrag in Hohe von insgesamt 70.000,00 EUR uberweisen wollte, der\ngegenuber einer normalen Kontobewegung vollig aus dem Rahmen fallt und in Hohe\nvon 60.000,00 EUR auch noch auf sein eigenes Privatkonto uberwiesen werden\nsollte. Dazu nahrten auch der zeitliche Zusammenhang mit dem Tod der\nKontoinhaberin und die Durchstreichung des Zusatzes in der vorgelegten\nVollmacht, der die Geschaftsfahigkeit der Vollmachtgeberin bezeugen sollte,\nZweifel an der Transaktion. Insbesondere unter der Gefahr, sich durch eine\numgehende Ausfuhrung der Überweisung und eines dadurch bewirkten Abschlusses\neines Überweisungsvertrages gegenuber der Kontoinhaberin Frau Vera F.\nschadenersatzpflichtig zu machen, lagen die Voraussetzungen fur eine\nRuckfragepflicht der Beklagten vor Auszahlung des Geldes an den\nkontobevollmachtigten Klager vor (vgl. OLG Frankfurt, OLGR 2004, 68-70). Eine\nVerpflichtung, sich mit den Rechtsverhaltnissen der beteiligten Bankkunden\neingehend zu befassen und sie rechtlich zu beurteilen, bestand fur die\nBeklagte nicht. Dies ware mit den Zwecken des Überweisungsverkehrs nicht\nvereinbar und fur die beteiligten Banken eine unzumutbare Belastung. Deshalb\nbleibt in den Fallen, in denen mit einer Schadigung des Überweisenden oder\nseines Rechtsnachfolgers zu rechnen ist nur der Weg, ihn vor der drohenden\nGefahr zu unterrichten und ihm dadurch die Moglichkeit zu geben, entsprechende\nMaßnahmen zu ergreifen um Schaden zu verhindern. Da sich der Bank der Verdacht\neines Missbrauchs zu Lasten der Kontoinhaberin geradezu aufdrangen musste, war\nsie verpflichtet, im Interesse des Kunden tatig zu werden und dem Verdacht\ndurch geeignete Maßnahmen nachzugehen. Dass sich eventuell der Verdacht eines\nMissbrauchs im Nachhinein nicht bestatigt, andert am pflichtgemaßen Verhalten\nder Beklagten zum damaligen Zeitpunkt nichts. Es andert auch nichts an dieser\nBeurteilung, dass der Rechtsanwalt der Verstorbenen, Herr Christian W., die\nordnungsgemaße Bevollmachtigung des Klagers gegenuber der Beklagten mehrfach\nbestatigt hat. Die Tatsache, dass er die vom Klager behaupteten\nSchenkungsversprechen der Frau Sch. nicht bestatigen kann, da er das \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Anwesen der Versprechenden vorher verlassen hatte, berechtigte die\nBeklagte, ihre Zweifel an der Existenz dieser formunwirksamen\nSchenkungsversprechen aufrecht zu erhalten und eine Ruckfrage an die\nAlleinerbin als Rechtsnachfolgerin der Kontoinhaberin abzuwarten. Deren\nunverzuglicher Widerruf der Vollmacht des Klagers fur das Konto bei der\nBeklagten haben die berechtigten Zweifel der Beklagten im Nachhinein auch\nbestatigt. \n--- \n--- \nB. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Ein Schadenersatzanspruch gemaß §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 i.V.m. § 280 Abs.\n1 BGB durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen scheidet mangels\nPflichtverletzung der Beklagten ebenfalls aus. \n--- \n--- \nC. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Ein Anspruch aus § 826 BGB wegen vorsatzlich-sittenwidriger Schadigung des\nKlagers scheidet ebenfalls aus. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Die Beklagte ist nicht zum Schadensersatz verpflichtet, weil die\nVoraussetzungen fur eine hier in Betracht kommende deliktsrechtliche Haftung\naus §§ 826, 249 Abs. 1 S. 1 BGB nicht vorliegen. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Ihr kann nach den Gesamtumstanden nicht vorgeworfen werden, den Klager im\nZusammenhang mit der verweigerten Ausfuhrung der von der Klagerseite am 6.6.\nund 8.6.2005 vorgelegten Überweisungsauftrage vorsatzlich sittenwidrig\ngeschadigt zu haben. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt auf Seiten der\nBeklagten aufgrund der berechtigten Weigerung, den Überweisungsauftrag\nauszufuhren, nicht vor. Eine sittenwidrige Schadigung des Klagers durch die\nBeklagte scheidet deshalb aus, weil die Beklagte, wie bereits dargestellt,\nausnahmsweise eine Ruckfrage- und Informationspflicht gegenuber der\nKontoinhaberin hatte, ob die von der Klagerseite begehrte Überweisung zu\nbeanstanden sei. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der Tatsache,\ndass die Bank durch den Klagervertreter am 22.6.2005 daruber informiert wurde,\ndass ein Widerruf der Generalvollmacht und des Schenkungsversprechens durch\ndie Erbin die mundlich geaußerten und damit formunwirksamen\nSchenkungsversprechen vereiteln wurde. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Zudem entsteht aus formunwirksamen Schenkungsversprechen gemaß § 518 Abs. 1\nBGB kein Anspruch auf Leistung des Schenkungsgegenstandes. Sinn und Zweck des\n§ 518 BGB ist es u.a. Streitigkeiten uber angebliche Schenkungen Verstorbener\nzu vermeiden (Palandt-Putzo, 64.A., § 518, Rn 1). Zwar hatte durch die\nAusfuhrung des Überweisungsauftrags durch die Beklagte eine Heilung dieses\nFormmangels herbeigefuhrt werden konnen. Vor der Heilung war diese\nformunwirksame Schenkungsvereinbarung jedoch nichtig. Die Beklagte haftet\ndaher nicht als Dritte aus sittenwidriger Schadigung wegen Vereitelung einer\nSchenkungsleistung (vgl. BGH, NJW 1992, 2152). \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung uber\ndie vorlaufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO. \n--- \n---\n\n |
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141,731 | lg-mannheim-2006-04-21-7-o-20805 | 137 | Landgericht Mannheim | lg-mannheim | Mannheim | Baden-Württemberg | Ordentliche Gerichtsbarkeit | Landgericht | 7 O 208/05 | 2006-04-21 | 2019-01-08 22:21:28 | 2019-01-17 12:01:55 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin 33.860,25 Euro nebst Zinsen\nin Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit dem 19.08.2005 zu\nbezahlen.\n\n2\\. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klagerin 4/5 und die Beklagte 1/5\nzu tragen.\n\n3\\. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 120% des jeweils zu\nvollstreckenden Betrages vorlaufig vollstreckbar.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin nimmt als Inhaberin des deutschen Patents DE 43 19 965 C 3 und\ndes deutschen Gebrauchsmusters DE 94 04 291 die Beklagte wegen Verletzung\ndieser Schutzrechte in Anspruch, dabei in erster Linie auf Schadensersatz in\nForm der Herausgabe des Verletzergewinns. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Beklagte wurde durch rechtskraftiges Versaumnisurteil der Kammer (Az.:\n7 O 402/02), das den Parteien an Stelle der Verkundung am 13.05.2003\nzugestellt wurde, zur Unterlassung, Rechnungslegung und Vernichtung\nverurteilt. Gleichzeitig wurde die Verpflichtung zum Schadensersatz\nfestgestellt. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Patentverletzung bezog sich auf die Produktion von Gehausen, die mit\neiner gemaß Dispension aufgebrachten Abschirmdichtung versehen wurden und die\nin Telekommunikationssystemen Verwendung fanden. Die Beklagte ubernahm die\nProduktion der patentverletzenden Gehause im Rahmen der Übertragung des\nGeschaftsbereichs „Öffentliche Telekommunikationsnetz-Ausrustungen und\n-Systeme (P1 Business)" von der A. GmbH und der B. GmbH. Dies erfolgte als\nsog. Asset Deal, d.h. durch Übertragung der einzelnen Gegenstande dieses\nGeschaftsbereichs (Produkte, Forderungen und Verpflichtungen) und nicht im\nWege der Gesamtrechtsnachfolge. Die Übertragung erfolgte einzeln ohne\nFirmenfortfuhrung mit Wirkung zum 01.02.2000. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Beklagte nahm auf Grund des Versaumnisurteils der Kammer vom Mai 2003\neine Rechnungslegung vor. Sie teilte am 14.07.2003 die Gesamtzahl der von\nSeptember 1996 bis zum Rechnungslegungsdatum gelieferten Gerate vom Typ … wie\nfolgt mit: Tabelle E., Zeitraum 05.09.1996 bis 23.04.1998, Menge 561, Kunden\nE.; Tabelle B., Zeitraum 20.02.1997 bis 26.01.1998, Menge 218, Kunden diverse;\nTabelle S., Zeitraum 13.03.1998 bis 12.05.2003, Menge 3602, Kunden diverse;\nSumme Menge 4.381. Hinsichtlich der Einzelheiten der Rechnungslegung wird auf\ndie Anlage K 2 Bezug genommen. Am 26.09.2003 teilte die Beklagte den Gewinn in\nEuro unter Bezugnahme auf den Verkaufspreis wie folgt mit: VP = Herstellkosten\n(= Stoff + Fertigung Doppelraupe + Dampfungsmasse) + Gemeinkosten + Gewinn;\n129,62 = 84,92 (= 72,84 + 2,50 + 9,58) + 37,36 + 7,34. Hinsichtlich der\nEinzelheiten dieser Mitteilung wird auf die Anlage K 3 Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Von den produzierten Gehausen entfiel von der Gesamtmenge von 4.381 Stuck\nauf den Zeitraum ab dem 01.02.2000 eine Liefermenge von 3.030 Stuck (Anlage B\n3). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Klagerin tragt vor, \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| dass sich ihr Verletzergewinn aus einer Stuckzahl von 4.381 Gehausen\nergebe, so wie sich dies aus der eigenen Rechnungslegung der Beklagten ergebe.\nDer Verletzergewinn pro Gehause berechne sich aus der Differenz des\nVerkaufspreises und der Herstellungskosten, da die angegebenen Gemeinkosten\nkein Abzugsposten zu Gunsten der Beklagten darstellten. Hinsichtlich der\nAnzahl der zu berechnenden Gerate seien keine mangelhaften Retourgerate in\nAnsatz zu bringen. Die Beklagte konne keine Kosten fur eine Dispensieranlage\nin Abzug bringen, da aus dem Übernahmevertrag der Beklagten nicht hervorgehe,\ndass sie die Dispensor-Produktion ubernommen habe. Die Fertigungsvorschrift\nder Firma B. … vom 30.10.1996 zeige zudem, dass die Firma B. bereits vor\ndiesem Datum eine Dispensieranlage gehabt habe. Etwaige Inbetriebnahmekosten\nfur eine derartige Anlage wurden der Hohe nach bestritten. Die\nDispensieranlage sei schließlich von der Beklagten an die Firma E.\nweiterverkauft worden. Aus dem Verletzergewinn von 44,70 Euro pro Gehause und\neiner Stuckzahl von 4.381 Gehausen errechne sich somit ein Verletzergewinn von\n195.830,70 Euro. Hilfsweise sei der Anspruch der Klagerin nach der\nLizenzanalogie wie folgt zu berechnen: Aus einer Rechnung der Firma A. vom\n12.09.1996 ergebe sich ein Rechnungsbetrag von umgerechnet 50,11 Euro pro\nDichtung. Ziehe man hiervon 2,50 Euro Materialkosten fur die Doppelraupe ab,\nso errechne sich ein Betrag von 47,61 Euro. Multipliziere man diesen Betrag\nmit der Summe der abgesetzten Gehause von 4.381 Stuck, ergebe sich ein\nLizenzbetrag von 208.579,41 Euro. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| die Beklagte zu verurteilen, an sie 195.830,70 Euro zuzuglich 5 % Zinsen\nuber dem jeweiligen Basiszins p.a. ab 19.08.2005 zu zahlen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Beklagte tragt vor, \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| dass die Berechnung des Verletzergewinns zunachst von einer geringeren Zahl\nzu berechnender Gehause auszugehen habe. Die Klagerin habe nur fur die Gehause\neinzustehen, die auf die Zeit nach der Produktionsubernahme durch sie am\n01.02.2000 entfalle, da sie fur Verletzungshandlungen der Firma B. mangels\nFirmenubernahme nicht in Anspruch genommen werden konne. Zudem seien die in\nden Tabellen „E." und „B." vermerkten Liefermengen von zusammen 779 Stuck nur\nTestgehause gewesen, deren Bestellungen storniert worden seien und bezuglich\nderer es folglich keinen Gewinn gegeben habe. Die Beklagte selber habe seit\ndem 01.02.2000 3.030 Gehause geliefert. Hinsichtlich des Gewinns pro Gehause\nseien nicht alle Gemeinkosten zu eliminieren. Zu berucksichtigen sei ein von\nder Firma B. angeschafftes spezielles und nur fur die streitgegenstandliche\nGehauseproduktion verwendbares Dispensiergerat, fur das 61.355 Euro bezahlt\nworden seien und das Inbetriebnahmekosten von 19.000 Euro verursacht habe. Ein\nWeiterverkauf an die Firma E. habe nicht stattgefunden. Hinsichtlich der\nDispensieranlage seien produktbezogene Gemeinkosten gegeben. Im Übrigen sei\nder Gewinn pro Gehause nur deshalb entstanden, weil die Beklagte komplette\nTelekommunikationssysteme verkauft habe, fur die zahlreiche eigene\nSchutzrechte bestunden. Die Lieferung sei zudem nur an Konzerngesellschaften\nund langjahrige Kunden erfolgt. Das streitgegenstandliche Gehause sei\nproblemlos durch ein nicht schutzrechtverletzendes Gehause zu ersetzen\ngewesen. Den Abnehmern der kompletten Telekommunikationssysteme sei es vollig\ngleichgultig gewesen, mit welchem Gehause sie die Gesamtanlagen erworben\nhatten. Die hilfsweise Lizenzberechnung der Klagerin sei im tatsachlichen zu\nbestreiten und uberdies nicht ansatzweise nachvollziehbar. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Zur Erganzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf alle Schriftsatze der\nParteien nebst Anlagen sowie alle sonstigen Aktenteile. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 15 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nur zum Teil begrundet. \n--- \n--- \n**I.** \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Klagerin steht unter dem Gesichtspunkt der Herausgabe des\nVerletzergewinns ein Zahlungsanspruch in Hohe von 33.860,25 Euro zu. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| 1\\. Die Herausgabe des Verletzergewinns ist als Schadensersatzanspruch unter\nEinbeziehung von Elementen unechter Geschaftsfuhrung analog §§ 687 Abs. 2, 667\nBGB anerkannt (Mes, Patengesetz, 2. Auflage 2005, § 139, Rdnr. 91 f; BGH, GRUR\n1995, 349 - Objektive Schadensberechnung; BGH, GRUR 1961, 401 -\nKreuzbodenventilsacke III). Dabei muss ein tatsachlicher Schaden des\nVerletzten festgestellt werden, da es sich nur um eine Berechnungsart handelt\nund nicht um einen selbstandigen Schadensgrund (BGH, GRUR 1995, 349 -\nObjektive Schadensberechnung). Ist wie im vorliegenden Fall ein\nVerletzergewinn vorhanden, wird nach der Lebenserfahrung fingiert, dass dem\nVerletzten entsprechende eigene Gewinnmoglichkeiten entgangen sind (BGH, GRUR\n2001, 329 - Gemeinkostenanteil). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| 2\\. Im konkreten Fall berechnet sich der Verletzergewinn ausgehend von einer\nStuckzahl von 3.030 Gehausen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Hinsichtlich der Menge der schutzrechtsverletzenden Gehause ist unstreitig,\ndass von der ursprunglich mitgeteilten Gesamtmenge von 4.381 Gehausen nur\n3.030 Gehause nach dem 01.02.2000 ausgeliefert wurden, wobei die Beklagte die\nProduktion der streitgegenstandlichen Gehause erst ab dem 01.02.2000 von zwei\nUnternehmen der B.-Gruppe erworben hat. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Damit folgt schon aus allgemeinen Grundsatzen, dass die Beklagte selbst\nzunachst nur fur die Anzahl an patentverletzenden Geraten einzustehen hat, die\nproduziert worden sind, als sie Inhaberin der Produktion war. Denn\npassivlegitimiert fur den Schadensersatzanspruch nach § 139 Abs. 2 PatG ist\nnur der Patentverletzer (Mes, a.a.O, § 139, Rdnr. 63), d.h. derjenige, der in\nirgendeiner Weise willentlich und adaquat kausal an der Herbeifuhrung der\nrechtswidrigen Patentverletzung mitgewirkt hat (Schulte, Patentgesetz, 6.\nAuflage 2001, § 139, Rdnr. 19). Hiervon kann bezuglich der Beklagten aber fur\neinen Zeitraum vor dem 01.02.2000 nicht die Rede sein, zu dem sie die\nstreitgegenstandliche Produktion noch gar nicht ubernommen hatte. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Eine Haftung der Beklagten fur die vor dem 01.02.2000 produzierten Gehause\nergibt sich nicht aus § 25 Abs. 1 HGB. Hiernach haftet der Erwerber eines\nGeschafts fur alle im Betrieb des Geschafts begrundeten Verbindlichkeiten,\nwenn er ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschaft unter der bisherigen\nFirma mit oder ohne Beifugung eines das Nachfolgeverhaltnis andeutenden\nZusatzes fortfuhrt. Im vorliegenden Fall fehlt es indessen an einer\nFirmenfortfuhrung der Beklagten, die die Firma der fruheren Geschaftsinhaberin\ngerade nicht ubernahm. Fur eine Haftung nach § 25 Abs. 3 HGB gibt es keine\nAnhaltspunkte. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Sind hiernach nur die nach dem 01.02.2000 produzierten Gehause fur die\nBerechnung des Verletzergewinns von Belang, kann es dahingestellt bleiben, ob\ndie 779 unter den Tabellen „E." und „B." gemaß Anlage K 2 erfassten Gerate\nretourniert worden sind oder nicht. Denn diese Lieferungen fanden gemaß Anlage\nK 2 unbestritten vor dem 01.02.2000 statt und sind wie oben ausgefuhrt schon\naus diesem Grund vorliegend nicht zu berucksichtigen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| 3\\. Bei der Berechnung des Verletzergewinns ist weiterhin von einem\nVerkaufspreis von 129,62 Euro abzuglich 84,92 Euro Herstellungskosten pro\nverkauftem Gehause auszugehen, also einem Betrag von 44,70 Euro. Der\nVerkaufspreis von 129,62 Euro und die Herstellungskosten von 84,92 Euro pro\nverkauftem Gerat sind zwischen den Parteien unstreitig. Ein Abzug von\nGemeinkosten findet nicht statt. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| a) Der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns ist kein Anspruch auf\nErsatz des konkret entstandenen Schadens, sondern zielt in anderer Weise auf\neinen billigen Ausgleich des Vermogensnachteils, den der verletzte\nRechtsinhaber erlitten hat (BGH, GRUR 2001, 329 - Gemeinkostenanteil). Dabei\ndient die Abschopfung des Verletzergewinns auch der Sanktionierung des\nschadigenden Verhaltens und auf diese Weise auch der Pravention gegen eine\nVerletzung der besonders schutzbedurftigen Immaterialguterrechte. Im Hinblick\nauf diese Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ist der Verletzergewinn von\ndem Gewinn eines Unternehmens, das auch seine Gemeinkosten erwirtschaften\nmuss, um lebensfahig zu bleiben, zu unterscheiden. Nach Sinn und Zweck des\nAnspruchs auf Herausgabe des Verletzergewinns ist es grundsatzlich\ngerechtfertigt, bei der Ermittlung des Verletzergewinns von den erzielten\nErlosen nur die variablen (d.h. vom Beschaftigungsgrad abhangigen) Kosten fur\ndie Herstellung und den Vertrieb der schutzrechtsverletzenden Gegenstande\nabzuziehen, nicht auch Fixkosten, d.h. solche Kosten, die von der jeweiligen\nBeschaftigung unabhangig sind wie z.B. Mieten oder zeitabhangige\nAbschreibungen fur Anlagevermogen (ebenda; Lehmann, BB 1988, 1680). \n--- \n| 25 \n--- \n| b) Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung sind die vorprozessual mit\n37,36 Euro bezifferten Gemeinkosten nicht abzugsfahig. Dies gilt auch unter\nBerucksichtigung der Überlegung, dass fur diese Kosten ohne Verletzung ein\nentsprechender Kostenbeitrag erwirtschaftet worden ware, indem man ein\nschutzrechtsfreies Gehause produziert hatte. Denn nach dem oben ausgefuhrten\nSinn und Zweck der Herausgabe des Verletzergewinns soll nach dem\nGemeinkostenurteil des Bundesgerichtshofs dem Verletzer auf Grund der\nVerletzung gerade kein Deckungsbeitrag zu seinen Gemeinkosten verbleiben (BGH,\na.a.O.). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| c) Die Beklagte kann nicht die Kosten fur ein Dispensiergerat zuzuglich\nInbetriebnahmekosten in Abzug bringen, da es sich hierbei nicht um bei der\nBeklagten angefallene Kosten handelt. Zwischen den Parteien ist unstreitig,\ndass die Anschaffungs- und Inbetriebnahmekosten der Dispensieranlage im Jahre\n1996 angefallen sind, also zu einem Zeitraum, als nicht die Beklagte, sondern\ndie B.-Firmengruppe Inhaberin der Produktion war. Mithin sind diese Kosten der\nB.-Firmengruppe entstanden und nicht der Beklagten. Eine Abzugsmoglichkeit von\nKosten der vormaligen Produktionsinhaberin besteht damit nicht, zumal sich die\nBeklagte auch darauf beruft, fur Verletzungshandlungen der vormaligen\nProduktionsinhaberin nicht einstehen zu mussen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Kosten fur Anschaffung und Inbetriebnahme der Dispensieranlage konnen\nauch nicht unter dem Gesichtspunkt berucksichtigt werden, dass hierauf ein\nTeil des Kaufpreises der Gesamtproduktion bei Übernahme der Produktion von der\nB.-Gruppe entfallen ist. Hierfur fehlt es an einem erheblichen Vorbringen. Aus\ndem von der Beklagten vorgelegten Kaufvertrag (Anlage B 1) ergibt sich nur ein\nKaufpreis fur die Gesamtproduktion von 148.275.00,00 Euro. Welcher Anteil von\ndiesen rund 150 Mio. Euro auf die Dispensieranlage entfallt, ist weder\nvorgetragen noch aus den Unterlagen ersichtlich. Dahingehend fehlt es an\njeglichem Anhaltspunkt dafur, welche Kosten der Beklagten fur die\nDispensiermaschine entstanden sein sollen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| 4\\. Von dem durch Multiplikation der maßgeblichen Anzahl gelieferter Gehause\n(3.030 Stuck) mit dem Gewinn pro Stuck (44,70 Euro) ermittelten\nVerletzergewinn von 135.441,00 Euro ist nur ein Anteil von 25 % als Schaden\nder Klagerin zu betrachten, da nur dieser Teil ursachlich darauf\nzuruckzufuhren ist, dass die schutzrechtsverletzenden Gehause von der Lehre\ndes Patents und des Gebrauchsmusters der Klagerin Gebrauch gemacht haben. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| a) Bei der notwendigen Kausalbeziehung zwischen der Schutzrechtsverletzung\nund dem Anspruch auf Herausgabe des Verletztergewinns muss der Gewinn des\nPatentverletzers in einer solchen Beziehung zu dem Patent und der\nPatentverletzung stehen, dass er eben deshalb billigerweise - sei es unter dem\nGedanken der "Entschadigung" fur den Eingriff in das Recht des Patentinhabers,\nsei es unter dem Gedanken der Patentbenutzung als Besorgung eines dem\nPatentinhaber vorbehaltenen Geschafts - dem Patentinhaber gebuhrt (BGH, GRUR\n1962, 509 - Dia-Rahmchen II). Der herauszugebende Gewinn muss also gerade\n"durch die Patentverletzung" (RGZ 156, 65, 67) und "durch die rechtswidrige\nBenutzung des fremden Patents" (vgl. BGHZ 34, 320, 323) erzielt sein, d. h.\neinen Gewinn gerade aus den Handlungen darstellen, durch die das Patent\nverletzt worden ist (BGH, GRUR 1962, 509 - Dia-Rahmchen II). Auch die\nEntscheidung des Bundesgerichtshofs zum Gemeinkostenanteil betont, dass der\nVerletzergewinn nur insoweit herauszugeben ist, als er auf der\nRechtsverletzung beruht (BGH, GRUR 2001, 329 - Gemeinkostenanteil). Die\nGemeinkostenentscheidung des Bundesgerichtshofs kann mithin nicht so\nverstanden werden, dass der Verletzergewinn unabhangig von der Ursachlichkeit\nder Verletzung fur den Gewinn herauszugeben ist (vgl. OLG Dusseldorf, InstGE\n5, 251 - Lifter; OLG Frankfurt, GRUR 2003, 274; Kohler, in:\nHefermehl/Kohler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Auflage 2006, § 9, Rdnr.\n1.45; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Auflage 2003, vor §§ 14-19, Rdnr. 114).\nInwieweit der Verletzergewinn gerade auf der Verletzung der technischen Lehre\ndes Schutzrechts bei der angegriffenen Ausfuhrungsform zuruckzufuhren sind,\nkann nur im Wege der tatrichterlichen Schatzung gem. § 287 ZPO ermittelt\nwerden (OLG Dusseldorf, a.a.O.). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| b) Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie ein\nnicht schutzrechtsverletzendes Gehause hatte produzieren konnen. Wie eingangs\ndargelegt zielt der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns auf einen\nbilligen Ausgleich des Vermogensnachteils, den der verletzte Rechtsinhaber\nerlitten hat, wobei die Abschopfung des Verletzergewinns zudem auch der\nSanktionierung des schadigenden Verhaltens dient (BGH, GRUR 2001, 329 -\nGemeinkostenanteil). Dahingehend ist auch der Ursachenzusammenhang zwischen\nSchutzrechtsverletzung und Verletzergewinn nicht im Sinne adaquater\nKausalitat, sondern wertend zu verstehen (OLG Frankfurt, a.a.O.; OLG\nDusseldorf, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund kann der Einwand eines\nhypothetischen Kausalverlaufs ohne Schutzrechtsverletzung keine\nBerucksichtigung finden. Denn dadurch wurde uberspielt, dass die Beklagte\ntatsachlich Schutzrechtsverletzungen begangen hat und tatsachlich einen Gewinn\nerzielt hat. Zugleich wurde der Ausgleichsfunktion des Anspruchs auf\nHerausgabe des Verletzergewinns nicht genugend Rechnung getragen, da bei\nBerucksichtigung eines hypothetischen Kausalverlaufs gerade kein billiger\nAusgleich im Hinblick auf einen real erzielten Gewinn auf Seiten des\nVerletzers gewahrleistet ware. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| c) Entscheidend ist fur den vorliegenden Fall mithin die konkrete Bestimmung\ndes Anteils der Schutzrechtsverletzung am erzielten Gewinn. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| aa) Schon im Ansatz ist zu berucksichtigen, dass bei der Verletzung von\nPatent- und Gebrauchsmusterrechten durch den Verkauf von Maschinen,\ntechnischen Geraten oder Gebrauchsgegenstanden kein Anhalt dafur besteht, dass\nder Verletzergewinn in vollem Umfang darauf beruht, dass fremde technische\nSchutzrechte benutzt worden sind. Denn meist geht es bei technischen\nSchutzrechten nicht um neue Grundlagenerfindungen, sondern um\nDetailverbesserungen bei bereits bekannten und durchaus tauglichen\nVorrichtungen und Verfahren (OLG Dusseldorf, a.a.O.). Die Abwagung, welcher\nTeil des Verletzergewinns nun konkret auf die Verletzung des Schutzrechts\nentfallt, ist außert schwierig und kann deshalb nur im Wege tatrichterlicher\nSchatzung gem. § 287 ZPO erfolgen, wobei an die Voraussetzungen fur eine\nSchadensschatzung nur geringe Anforderungen gestellt werden konnen (ebenda).\nEinzubeziehen sind hierbei alle Umstande des Einzelfalls. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| bb) Bei der Bemessung des konkreten Anteils ist zunachst zu berucksichtigen,\ndass es sich bei den in Rede stehenden Schutzrechten der Klagerin nicht um die\nGrundlagenerfindung eines abgeschirmten Gehauses handelt, sondern lediglich um\neine Weiterentwicklung im Hinblick auf die Abdichtung des Gehauses. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Das Patent DE 43 19 965 C 3 betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines\neine Abschirmung gegenuber elektromagnetischer Abstrahlung aufweisenden\nGehauses. Nach der Patentschrift sind derartige Gehause, die nach Art eines\nFaradayschen Kafigs wirken, im Stand der Technik bekannt. Bei diesen Gehausen\nhandelt es sich nach der Patentschrift meist um mehrteilige Konstruktionen,\nbei denen zumindest ein gelegentliches Öffnen wie etwa zu Wartungszwecken\nmoglich sein muss. Hierfur sind Gehauseteile mit elastischen leitfahigen\nDichtungen erforderlich. Auch derartige Dichtungen sind nach der Patentschrift\nschon im Stand der Technik vorhanden, wie etwa federartige metallische\nAbdichtungen, flexible Dichtprofile aus leitfahigem oder leitend gemachtem\nElastomaterial, die jedoch als separate Dichtungen gefertigt werden. Das\nPatent kritisiert den Stand der Technik u.a. dahingehend, dass das Vorgehen\nmit separaten Dichtungen zu arbeitsaufwendig ist, bei kleinen Gehausen\nseparate Dichtungen schwierig zu handhaben sind, kompliziert geformte\nDichtungen spezielle Einlegevorrichtungen benotigen und Dichtungen unter\nVerwendung von Pressformen mit hohem Druck und hoher Temperatur bei\ntemperatur- und druckempfindlichen Teilen wie etwa Leiterplatten nicht\nangewendet werden konnen. Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, ein\nVerfahren zur Erzeugung von Abschirmungen - insbesondere im Bereich von\nTrennfugen von einander losbaren Gehauseteilen - anzugeben, welches sich\nunterschiedlichsten Anforderungen auf einfache Weise - und insbesondere bei\nminiaturisierter Bauweise - anpassen lasst. Diese Aufgabe lost das Patent\ndurch ein Verfahren mit folgenden Merkmalen: Verfahren zur Herstellung eines\nGehauses mit elektromagnetischer Abschirmung, insbesondere zur Aufnahme\nelektronischer Funktionselemente, mit einer einen Spalt zwischen zwei\nbenachbarten Gehauseteilen ausfullenden Abschirmdichtung, bestehend aus\nelastischem und elektrisch leitfahigem Kunststoffmaterial, dadurch\ngekennzeichnet, dass als elastisches sowie leitfahiges Kunststoffmaterial ein\nschnell luft- und raumtemperaturtrocknendes Silikonpolymer eingesetzt wird,\ndas in einem pastosen Ausgangszustand mittels Druck aus einer Nadel bzw. Duse,\ndie uber dem zu dichtenden geometrischen Verlauf eines Gehauseabschnitts\ngefuhrt wird, direkt auf diesen Abschnitt eines Gehauseteils ohne Formwerkzeug\nein Abschirmprofil bildend aufgebracht wird und sich dort unter Anhaften an\ndessen Oberflache elastisch verfestigt, derart, dass das Abschirmprofil auch\nnach wiederholtem Öffnen des Gehauses eine gute Bestandigkeit aufweist. Das\nPatent enthalt weitere abgeleitete Unteranspruche. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Das Gebrauchsmuster DE 94 04 291 betrifft, anders als das Patent, nicht ein\nVerfahren zur Herstellung eines Gehauses, sondern ein abgeschirmtes Gehause\nals Erzeugnis. Gekennzeichnet ist es im wesentlichen dadurch, dass das\nAbschirmprofil zumindest bereichsweise aus uber- oder uber- und nebeneinander\nangeordneten Materialstrangen aufgebaut ist. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die vorgehende Betrachtung zeigt, dass es sich bei den Schutzrechten der\nKlagerin nicht um Erfindungen handelt, mit denen ein vollig neues Verfahren\noder ein vollig neues Erzeugnis hervorgebracht wurde. Denn die Klagerin hat\nweder den Faradayschen Kafig erfunden, noch das Prinzip des elektromagnetisch\nabschirmenden Gehauses, noch das mittels leitfahiger Dichtungen\nwiederverschließbare abschirmende Gehause. Bei den streitgegenstandlichen\nErfindungen geht es vielmehr um die Detailverbesserung bereits vorhandener\nabschirmender Gehause, die durchaus tauglich gewesen sind. Dies belegt, dass\nder Verletzergewinn bezuglich des einzelnen Gehauses nicht in vollem Umfang\nauf der Benutzung der Schutzrechte der Klagerin beruht. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| cc) Bei der Gesamtabwagung ist zudem zu berucksichtigen, dass die\npatentgemaße Losung ohne weiteres dadurch ersetzt werden kann, dass man wie im\nStand der Technik vorbekannt Dichtungen manuell einbringt. Die Beklagte hat\nallerdings nicht vorgetragen, wie ihre konkreten Losungen vor der Verwendung\nder Schutzrechte der Klagerin und nach Aufgabe der Benutzung der Schutzrechte\nder Klagerin ausgesehen haben und wie sich der Absatz seit der Aufgabe der\nPatentverletzung entwickelt hat. Weiterhin ist in Rechnung zu stellen, dass\ndie streitgegenstandlichen Gehause in Gesamteinrichtungen der Beklagten\nverkauft worden sind, d.h. ohne die Verwendung in Gesamtvorrichtungen der\nBeklagten die unstreitigen Produktmengen in diesem Umfang gar nicht\nnachgefragt worden waren. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass die\nstreitgegenstandlichen Gehause auf die Gewinnerzielung uberhaupt keinen\nEinfluss gehabt hatten, zumal die Beklagte schon auf die konkreten Gehause\nbezogene Anteile an Umsatz und Gewinn ausgewiesen hat. Unter Abwagung aller\ngenannten Faktoren ist der Anteil der Schutzrechtsverletzung am Gewinn\ndahingehend auf 25 % zu schatzen. \n--- \n| 38 \n--- \n| dd) Das aus dieser Schatzung gewonnene Ergebnis von 25 % am Gesamtgewinn von\n135.441,00 Euro (3.030 Gehause x 44,70 Euro Gewinn pro Gehause) = 33.860,25\nEuro wird dadurch bestatigt, dass sich dieser Betrag im Bereich von 8 % bis 9\n% des Umsatzes bewegt. Dabei handelt es sich um einen Anteil, der in der\nGroßenordnung des Schadensersatzanspruchs auf Grundlage der Lizenzanalogie\nliegt, da im Maschinenbau Lizenzsatze im Bereich von 5 % bis 10 % anzunehmen\nsind (Mes, a.a.O., § 139, Rdnr. 78; OLG Dusseldorf, Mitt. 1998, 27). Mit\ndieser Kontrolluberlegung soll und wird allerdings nicht in Frage gestellt,\ndass der Verletzergewinn im Einzelfall die angemessene Lizenzgebuhr\nubersteigen kann. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 39 \n--- \n| Ein hoherer Betrag ergibt sich auch nicht auf Grund der von der Klagerin\nvorgelegten Berechnung auf Grundlage einer Lizenzanalogie. Die Lizenzanalogie\nist hypothetisch und beruht darauf, was vernunftige Parteien bei Abschluss\neines Lizenzvertrages vereinbart hatten, wenn sie die kunftige Entwicklung\nsowie den Umfang der Rechtsverletzungen vorhergesehen hatten (Mes, a.a.O.,\nBGH, GRUR 1995, 578 - Steuereinrichtung II). Der Sachvortrag der Klagerin ist\nhierzu schon im Ansatz unschlussig. Denn inwiefern die Lieferung von\nDichtungen Ruckschlusse auf eine Lizenzvereinbarung in Hohe des Lieferpreises\nder Dichtungen geben soll, ist nicht ersichtlich. Aus diesem Grund war auch\ndem angebotenen Beweisangebot der Einholung eines Sachverstandigengutachtens\nnicht nachzugehen. Im Übrigen ware der Schadensersatz bei Zugrundelegung eines\nschon hoch angesetzten Lizenzsatzes von 8,5 % am Umsatz von 392.748,60 Euro\nund damit in Hohe von 33.383,63 Euro summenmaßig nicht hoher als die auf\nGrundlage des Verletzergewinns ermittelte Summe ausgefallen. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und S. 2 ZPO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 15 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nur zum Teil begrundet. \n--- \n--- \n**I.** \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Klagerin steht unter dem Gesichtspunkt der Herausgabe des\nVerletzergewinns ein Zahlungsanspruch in Hohe von 33.860,25 Euro zu. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| 1\\. Die Herausgabe des Verletzergewinns ist als Schadensersatzanspruch unter\nEinbeziehung von Elementen unechter Geschaftsfuhrung analog §§ 687 Abs. 2, 667\nBGB anerkannt (Mes, Patengesetz, 2. Auflage 2005, § 139, Rdnr. 91 f; BGH, GRUR\n1995, 349 - Objektive Schadensberechnung; BGH, GRUR 1961, 401 -\nKreuzbodenventilsacke III). Dabei muss ein tatsachlicher Schaden des\nVerletzten festgestellt werden, da es sich nur um eine Berechnungsart handelt\nund nicht um einen selbstandigen Schadensgrund (BGH, GRUR 1995, 349 -\nObjektive Schadensberechnung). Ist wie im vorliegenden Fall ein\nVerletzergewinn vorhanden, wird nach der Lebenserfahrung fingiert, dass dem\nVerletzten entsprechende eigene Gewinnmoglichkeiten entgangen sind (BGH, GRUR\n2001, 329 - Gemeinkostenanteil). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| 2\\. Im konkreten Fall berechnet sich der Verletzergewinn ausgehend von einer\nStuckzahl von 3.030 Gehausen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Hinsichtlich der Menge der schutzrechtsverletzenden Gehause ist unstreitig,\ndass von der ursprunglich mitgeteilten Gesamtmenge von 4.381 Gehausen nur\n3.030 Gehause nach dem 01.02.2000 ausgeliefert wurden, wobei die Beklagte die\nProduktion der streitgegenstandlichen Gehause erst ab dem 01.02.2000 von zwei\nUnternehmen der B.-Gruppe erworben hat. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Damit folgt schon aus allgemeinen Grundsatzen, dass die Beklagte selbst\nzunachst nur fur die Anzahl an patentverletzenden Geraten einzustehen hat, die\nproduziert worden sind, als sie Inhaberin der Produktion war. Denn\npassivlegitimiert fur den Schadensersatzanspruch nach § 139 Abs. 2 PatG ist\nnur der Patentverletzer (Mes, a.a.O, § 139, Rdnr. 63), d.h. derjenige, der in\nirgendeiner Weise willentlich und adaquat kausal an der Herbeifuhrung der\nrechtswidrigen Patentverletzung mitgewirkt hat (Schulte, Patentgesetz, 6.\nAuflage 2001, § 139, Rdnr. 19). Hiervon kann bezuglich der Beklagten aber fur\neinen Zeitraum vor dem 01.02.2000 nicht die Rede sein, zu dem sie die\nstreitgegenstandliche Produktion noch gar nicht ubernommen hatte. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Eine Haftung der Beklagten fur die vor dem 01.02.2000 produzierten Gehause\nergibt sich nicht aus § 25 Abs. 1 HGB. Hiernach haftet der Erwerber eines\nGeschafts fur alle im Betrieb des Geschafts begrundeten Verbindlichkeiten,\nwenn er ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschaft unter der bisherigen\nFirma mit oder ohne Beifugung eines das Nachfolgeverhaltnis andeutenden\nZusatzes fortfuhrt. Im vorliegenden Fall fehlt es indessen an einer\nFirmenfortfuhrung der Beklagten, die die Firma der fruheren Geschaftsinhaberin\ngerade nicht ubernahm. Fur eine Haftung nach § 25 Abs. 3 HGB gibt es keine\nAnhaltspunkte. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Sind hiernach nur die nach dem 01.02.2000 produzierten Gehause fur die\nBerechnung des Verletzergewinns von Belang, kann es dahingestellt bleiben, ob\ndie 779 unter den Tabellen „E." und „B." gemaß Anlage K 2 erfassten Gerate\nretourniert worden sind oder nicht. Denn diese Lieferungen fanden gemaß Anlage\nK 2 unbestritten vor dem 01.02.2000 statt und sind wie oben ausgefuhrt schon\naus diesem Grund vorliegend nicht zu berucksichtigen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| 3\\. Bei der Berechnung des Verletzergewinns ist weiterhin von einem\nVerkaufspreis von 129,62 Euro abzuglich 84,92 Euro Herstellungskosten pro\nverkauftem Gehause auszugehen, also einem Betrag von 44,70 Euro. Der\nVerkaufspreis von 129,62 Euro und die Herstellungskosten von 84,92 Euro pro\nverkauftem Gerat sind zwischen den Parteien unstreitig. Ein Abzug von\nGemeinkosten findet nicht statt. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| a) Der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns ist kein Anspruch auf\nErsatz des konkret entstandenen Schadens, sondern zielt in anderer Weise auf\neinen billigen Ausgleich des Vermogensnachteils, den der verletzte\nRechtsinhaber erlitten hat (BGH, GRUR 2001, 329 - Gemeinkostenanteil). Dabei\ndient die Abschopfung des Verletzergewinns auch der Sanktionierung des\nschadigenden Verhaltens und auf diese Weise auch der Pravention gegen eine\nVerletzung der besonders schutzbedurftigen Immaterialguterrechte. Im Hinblick\nauf diese Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ist der Verletzergewinn von\ndem Gewinn eines Unternehmens, das auch seine Gemeinkosten erwirtschaften\nmuss, um lebensfahig zu bleiben, zu unterscheiden. Nach Sinn und Zweck des\nAnspruchs auf Herausgabe des Verletzergewinns ist es grundsatzlich\ngerechtfertigt, bei der Ermittlung des Verletzergewinns von den erzielten\nErlosen nur die variablen (d.h. vom Beschaftigungsgrad abhangigen) Kosten fur\ndie Herstellung und den Vertrieb der schutzrechtsverletzenden Gegenstande\nabzuziehen, nicht auch Fixkosten, d.h. solche Kosten, die von der jeweiligen\nBeschaftigung unabhangig sind wie z.B. Mieten oder zeitabhangige\nAbschreibungen fur Anlagevermogen (ebenda; Lehmann, BB 1988, 1680). \n--- \n| 25 \n--- \n| b) Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung sind die vorprozessual mit\n37,36 Euro bezifferten Gemeinkosten nicht abzugsfahig. Dies gilt auch unter\nBerucksichtigung der Überlegung, dass fur diese Kosten ohne Verletzung ein\nentsprechender Kostenbeitrag erwirtschaftet worden ware, indem man ein\nschutzrechtsfreies Gehause produziert hatte. Denn nach dem oben ausgefuhrten\nSinn und Zweck der Herausgabe des Verletzergewinns soll nach dem\nGemeinkostenurteil des Bundesgerichtshofs dem Verletzer auf Grund der\nVerletzung gerade kein Deckungsbeitrag zu seinen Gemeinkosten verbleiben (BGH,\na.a.O.). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| c) Die Beklagte kann nicht die Kosten fur ein Dispensiergerat zuzuglich\nInbetriebnahmekosten in Abzug bringen, da es sich hierbei nicht um bei der\nBeklagten angefallene Kosten handelt. Zwischen den Parteien ist unstreitig,\ndass die Anschaffungs- und Inbetriebnahmekosten der Dispensieranlage im Jahre\n1996 angefallen sind, also zu einem Zeitraum, als nicht die Beklagte, sondern\ndie B.-Firmengruppe Inhaberin der Produktion war. Mithin sind diese Kosten der\nB.-Firmengruppe entstanden und nicht der Beklagten. Eine Abzugsmoglichkeit von\nKosten der vormaligen Produktionsinhaberin besteht damit nicht, zumal sich die\nBeklagte auch darauf beruft, fur Verletzungshandlungen der vormaligen\nProduktionsinhaberin nicht einstehen zu mussen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Kosten fur Anschaffung und Inbetriebnahme der Dispensieranlage konnen\nauch nicht unter dem Gesichtspunkt berucksichtigt werden, dass hierauf ein\nTeil des Kaufpreises der Gesamtproduktion bei Übernahme der Produktion von der\nB.-Gruppe entfallen ist. Hierfur fehlt es an einem erheblichen Vorbringen. Aus\ndem von der Beklagten vorgelegten Kaufvertrag (Anlage B 1) ergibt sich nur ein\nKaufpreis fur die Gesamtproduktion von 148.275.00,00 Euro. Welcher Anteil von\ndiesen rund 150 Mio. Euro auf die Dispensieranlage entfallt, ist weder\nvorgetragen noch aus den Unterlagen ersichtlich. Dahingehend fehlt es an\njeglichem Anhaltspunkt dafur, welche Kosten der Beklagten fur die\nDispensiermaschine entstanden sein sollen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| 4\\. Von dem durch Multiplikation der maßgeblichen Anzahl gelieferter Gehause\n(3.030 Stuck) mit dem Gewinn pro Stuck (44,70 Euro) ermittelten\nVerletzergewinn von 135.441,00 Euro ist nur ein Anteil von 25 % als Schaden\nder Klagerin zu betrachten, da nur dieser Teil ursachlich darauf\nzuruckzufuhren ist, dass die schutzrechtsverletzenden Gehause von der Lehre\ndes Patents und des Gebrauchsmusters der Klagerin Gebrauch gemacht haben. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| a) Bei der notwendigen Kausalbeziehung zwischen der Schutzrechtsverletzung\nund dem Anspruch auf Herausgabe des Verletztergewinns muss der Gewinn des\nPatentverletzers in einer solchen Beziehung zu dem Patent und der\nPatentverletzung stehen, dass er eben deshalb billigerweise - sei es unter dem\nGedanken der "Entschadigung" fur den Eingriff in das Recht des Patentinhabers,\nsei es unter dem Gedanken der Patentbenutzung als Besorgung eines dem\nPatentinhaber vorbehaltenen Geschafts - dem Patentinhaber gebuhrt (BGH, GRUR\n1962, 509 - Dia-Rahmchen II). Der herauszugebende Gewinn muss also gerade\n"durch die Patentverletzung" (RGZ 156, 65, 67) und "durch die rechtswidrige\nBenutzung des fremden Patents" (vgl. BGHZ 34, 320, 323) erzielt sein, d. h.\neinen Gewinn gerade aus den Handlungen darstellen, durch die das Patent\nverletzt worden ist (BGH, GRUR 1962, 509 - Dia-Rahmchen II). Auch die\nEntscheidung des Bundesgerichtshofs zum Gemeinkostenanteil betont, dass der\nVerletzergewinn nur insoweit herauszugeben ist, als er auf der\nRechtsverletzung beruht (BGH, GRUR 2001, 329 - Gemeinkostenanteil). Die\nGemeinkostenentscheidung des Bundesgerichtshofs kann mithin nicht so\nverstanden werden, dass der Verletzergewinn unabhangig von der Ursachlichkeit\nder Verletzung fur den Gewinn herauszugeben ist (vgl. OLG Dusseldorf, InstGE\n5, 251 - Lifter; OLG Frankfurt, GRUR 2003, 274; Kohler, in:\nHefermehl/Kohler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Auflage 2006, § 9, Rdnr.\n1.45; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Auflage 2003, vor §§ 14-19, Rdnr. 114).\nInwieweit der Verletzergewinn gerade auf der Verletzung der technischen Lehre\ndes Schutzrechts bei der angegriffenen Ausfuhrungsform zuruckzufuhren sind,\nkann nur im Wege der tatrichterlichen Schatzung gem. § 287 ZPO ermittelt\nwerden (OLG Dusseldorf, a.a.O.). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| b) Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie ein\nnicht schutzrechtsverletzendes Gehause hatte produzieren konnen. Wie eingangs\ndargelegt zielt der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns auf einen\nbilligen Ausgleich des Vermogensnachteils, den der verletzte Rechtsinhaber\nerlitten hat, wobei die Abschopfung des Verletzergewinns zudem auch der\nSanktionierung des schadigenden Verhaltens dient (BGH, GRUR 2001, 329 -\nGemeinkostenanteil). Dahingehend ist auch der Ursachenzusammenhang zwischen\nSchutzrechtsverletzung und Verletzergewinn nicht im Sinne adaquater\nKausalitat, sondern wertend zu verstehen (OLG Frankfurt, a.a.O.; OLG\nDusseldorf, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund kann der Einwand eines\nhypothetischen Kausalverlaufs ohne Schutzrechtsverletzung keine\nBerucksichtigung finden. Denn dadurch wurde uberspielt, dass die Beklagte\ntatsachlich Schutzrechtsverletzungen begangen hat und tatsachlich einen Gewinn\nerzielt hat. Zugleich wurde der Ausgleichsfunktion des Anspruchs auf\nHerausgabe des Verletzergewinns nicht genugend Rechnung getragen, da bei\nBerucksichtigung eines hypothetischen Kausalverlaufs gerade kein billiger\nAusgleich im Hinblick auf einen real erzielten Gewinn auf Seiten des\nVerletzers gewahrleistet ware. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| c) Entscheidend ist fur den vorliegenden Fall mithin die konkrete Bestimmung\ndes Anteils der Schutzrechtsverletzung am erzielten Gewinn. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| aa) Schon im Ansatz ist zu berucksichtigen, dass bei der Verletzung von\nPatent- und Gebrauchsmusterrechten durch den Verkauf von Maschinen,\ntechnischen Geraten oder Gebrauchsgegenstanden kein Anhalt dafur besteht, dass\nder Verletzergewinn in vollem Umfang darauf beruht, dass fremde technische\nSchutzrechte benutzt worden sind. Denn meist geht es bei technischen\nSchutzrechten nicht um neue Grundlagenerfindungen, sondern um\nDetailverbesserungen bei bereits bekannten und durchaus tauglichen\nVorrichtungen und Verfahren (OLG Dusseldorf, a.a.O.). Die Abwagung, welcher\nTeil des Verletzergewinns nun konkret auf die Verletzung des Schutzrechts\nentfallt, ist außert schwierig und kann deshalb nur im Wege tatrichterlicher\nSchatzung gem. § 287 ZPO erfolgen, wobei an die Voraussetzungen fur eine\nSchadensschatzung nur geringe Anforderungen gestellt werden konnen (ebenda).\nEinzubeziehen sind hierbei alle Umstande des Einzelfalls. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| bb) Bei der Bemessung des konkreten Anteils ist zunachst zu berucksichtigen,\ndass es sich bei den in Rede stehenden Schutzrechten der Klagerin nicht um die\nGrundlagenerfindung eines abgeschirmten Gehauses handelt, sondern lediglich um\neine Weiterentwicklung im Hinblick auf die Abdichtung des Gehauses. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Das Patent DE 43 19 965 C 3 betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines\neine Abschirmung gegenuber elektromagnetischer Abstrahlung aufweisenden\nGehauses. Nach der Patentschrift sind derartige Gehause, die nach Art eines\nFaradayschen Kafigs wirken, im Stand der Technik bekannt. Bei diesen Gehausen\nhandelt es sich nach der Patentschrift meist um mehrteilige Konstruktionen,\nbei denen zumindest ein gelegentliches Öffnen wie etwa zu Wartungszwecken\nmoglich sein muss. Hierfur sind Gehauseteile mit elastischen leitfahigen\nDichtungen erforderlich. Auch derartige Dichtungen sind nach der Patentschrift\nschon im Stand der Technik vorhanden, wie etwa federartige metallische\nAbdichtungen, flexible Dichtprofile aus leitfahigem oder leitend gemachtem\nElastomaterial, die jedoch als separate Dichtungen gefertigt werden. Das\nPatent kritisiert den Stand der Technik u.a. dahingehend, dass das Vorgehen\nmit separaten Dichtungen zu arbeitsaufwendig ist, bei kleinen Gehausen\nseparate Dichtungen schwierig zu handhaben sind, kompliziert geformte\nDichtungen spezielle Einlegevorrichtungen benotigen und Dichtungen unter\nVerwendung von Pressformen mit hohem Druck und hoher Temperatur bei\ntemperatur- und druckempfindlichen Teilen wie etwa Leiterplatten nicht\nangewendet werden konnen. Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, ein\nVerfahren zur Erzeugung von Abschirmungen - insbesondere im Bereich von\nTrennfugen von einander losbaren Gehauseteilen - anzugeben, welches sich\nunterschiedlichsten Anforderungen auf einfache Weise - und insbesondere bei\nminiaturisierter Bauweise - anpassen lasst. Diese Aufgabe lost das Patent\ndurch ein Verfahren mit folgenden Merkmalen: Verfahren zur Herstellung eines\nGehauses mit elektromagnetischer Abschirmung, insbesondere zur Aufnahme\nelektronischer Funktionselemente, mit einer einen Spalt zwischen zwei\nbenachbarten Gehauseteilen ausfullenden Abschirmdichtung, bestehend aus\nelastischem und elektrisch leitfahigem Kunststoffmaterial, dadurch\ngekennzeichnet, dass als elastisches sowie leitfahiges Kunststoffmaterial ein\nschnell luft- und raumtemperaturtrocknendes Silikonpolymer eingesetzt wird,\ndas in einem pastosen Ausgangszustand mittels Druck aus einer Nadel bzw. Duse,\ndie uber dem zu dichtenden geometrischen Verlauf eines Gehauseabschnitts\ngefuhrt wird, direkt auf diesen Abschnitt eines Gehauseteils ohne Formwerkzeug\nein Abschirmprofil bildend aufgebracht wird und sich dort unter Anhaften an\ndessen Oberflache elastisch verfestigt, derart, dass das Abschirmprofil auch\nnach wiederholtem Öffnen des Gehauses eine gute Bestandigkeit aufweist. Das\nPatent enthalt weitere abgeleitete Unteranspruche. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Das Gebrauchsmuster DE 94 04 291 betrifft, anders als das Patent, nicht ein\nVerfahren zur Herstellung eines Gehauses, sondern ein abgeschirmtes Gehause\nals Erzeugnis. Gekennzeichnet ist es im wesentlichen dadurch, dass das\nAbschirmprofil zumindest bereichsweise aus uber- oder uber- und nebeneinander\nangeordneten Materialstrangen aufgebaut ist. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die vorgehende Betrachtung zeigt, dass es sich bei den Schutzrechten der\nKlagerin nicht um Erfindungen handelt, mit denen ein vollig neues Verfahren\noder ein vollig neues Erzeugnis hervorgebracht wurde. Denn die Klagerin hat\nweder den Faradayschen Kafig erfunden, noch das Prinzip des elektromagnetisch\nabschirmenden Gehauses, noch das mittels leitfahiger Dichtungen\nwiederverschließbare abschirmende Gehause. Bei den streitgegenstandlichen\nErfindungen geht es vielmehr um die Detailverbesserung bereits vorhandener\nabschirmender Gehause, die durchaus tauglich gewesen sind. Dies belegt, dass\nder Verletzergewinn bezuglich des einzelnen Gehauses nicht in vollem Umfang\nauf der Benutzung der Schutzrechte der Klagerin beruht. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| cc) Bei der Gesamtabwagung ist zudem zu berucksichtigen, dass die\npatentgemaße Losung ohne weiteres dadurch ersetzt werden kann, dass man wie im\nStand der Technik vorbekannt Dichtungen manuell einbringt. Die Beklagte hat\nallerdings nicht vorgetragen, wie ihre konkreten Losungen vor der Verwendung\nder Schutzrechte der Klagerin und nach Aufgabe der Benutzung der Schutzrechte\nder Klagerin ausgesehen haben und wie sich der Absatz seit der Aufgabe der\nPatentverletzung entwickelt hat. Weiterhin ist in Rechnung zu stellen, dass\ndie streitgegenstandlichen Gehause in Gesamteinrichtungen der Beklagten\nverkauft worden sind, d.h. ohne die Verwendung in Gesamtvorrichtungen der\nBeklagten die unstreitigen Produktmengen in diesem Umfang gar nicht\nnachgefragt worden waren. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass die\nstreitgegenstandlichen Gehause auf die Gewinnerzielung uberhaupt keinen\nEinfluss gehabt hatten, zumal die Beklagte schon auf die konkreten Gehause\nbezogene Anteile an Umsatz und Gewinn ausgewiesen hat. Unter Abwagung aller\ngenannten Faktoren ist der Anteil der Schutzrechtsverletzung am Gewinn\ndahingehend auf 25 % zu schatzen. \n--- \n| 38 \n--- \n| dd) Das aus dieser Schatzung gewonnene Ergebnis von 25 % am Gesamtgewinn von\n135.441,00 Euro (3.030 Gehause x 44,70 Euro Gewinn pro Gehause) = 33.860,25\nEuro wird dadurch bestatigt, dass sich dieser Betrag im Bereich von 8 % bis 9\n% des Umsatzes bewegt. Dabei handelt es sich um einen Anteil, der in der\nGroßenordnung des Schadensersatzanspruchs auf Grundlage der Lizenzanalogie\nliegt, da im Maschinenbau Lizenzsatze im Bereich von 5 % bis 10 % anzunehmen\nsind (Mes, a.a.O., § 139, Rdnr. 78; OLG Dusseldorf, Mitt. 1998, 27). Mit\ndieser Kontrolluberlegung soll und wird allerdings nicht in Frage gestellt,\ndass der Verletzergewinn im Einzelfall die angemessene Lizenzgebuhr\nubersteigen kann. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 39 \n--- \n| Ein hoherer Betrag ergibt sich auch nicht auf Grund der von der Klagerin\nvorgelegten Berechnung auf Grundlage einer Lizenzanalogie. Die Lizenzanalogie\nist hypothetisch und beruht darauf, was vernunftige Parteien bei Abschluss\neines Lizenzvertrages vereinbart hatten, wenn sie die kunftige Entwicklung\nsowie den Umfang der Rechtsverletzungen vorhergesehen hatten (Mes, a.a.O.,\nBGH, GRUR 1995, 578 - Steuereinrichtung II). Der Sachvortrag der Klagerin ist\nhierzu schon im Ansatz unschlussig. Denn inwiefern die Lieferung von\nDichtungen Ruckschlusse auf eine Lizenzvereinbarung in Hohe des Lieferpreises\nder Dichtungen geben soll, ist nicht ersichtlich. Aus diesem Grund war auch\ndem angebotenen Beweisangebot der Einholung eines Sachverstandigengutachtens\nnicht nachzugehen. Im Übrigen ware der Schadensersatz bei Zugrundelegung eines\nschon hoch angesetzten Lizenzsatzes von 8,5 % am Umsatz von 392.748,60 Euro\nund damit in Hohe von 33.383,63 Euro summenmaßig nicht hoher als die auf\nGrundlage des Verletzergewinns ermittelte Summe ausgefallen. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und S. 2 ZPO. \n---\n\n |
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141,782 | lsgbw-2006-04-28-l-8-al-415005 | 128 | Landessozialgericht Baden-Württemberg | lsgbw | Baden-Württemberg | Sozialgerichtsbarkeit | L 8 AL 4150/05 | 2006-04-28 | 2019-01-08 22:21:54 | 2019-01-17 12:01:58 | Urteil | ## Tenor\n\nDie Berufung des Klagers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 9.\nSeptember 2005 wird zuruckgewiesen.\n\nAußergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Streitig ist die Gewahrung von Überbruckungsgeld anlasslich der Aufnahme\neiner selbstandigen Tatigkeit. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der am ... 1965 geborene Klager war bis zum 31.10.2003 als Kieferchirurg im\nUniklinikum H., Abteilung fur Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie,\nversicherungspflichtig beschaftigt. In dem zwischen ihm und dem Land Baden-\nWurttemberg geschlossenen Arbeitsvertrag vom 20.06.2001 wurde er als\nvollbeschaftigter wissenschaftlicher Angestellter (Vergutungsgruppe Ib BAT)\nauf bestimmte Zeit nach § 57a Hochschulrahmengesetz (HRG) bis zum 30.06.2004\nweiterbeschaftigt. Als Befristungsgrund wurde angegeben: „Nach § 57b Abs. 2\nNr. 1 HRG:" Sein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt im Jahr 2003 betrug\nca. 5.000,-- EUR monatlich, als Bemessungsentgelt wurde ein Betrag von\n1.132,40 EUR wochentlich festgestellt. Zum 31.10.2003 beendete er das\nArbeitsverhaltnis, um sich selbstandig zu machen. Seinem Antrag auf Zulassung\nals Zahnarzt gemaß § 18 Zahnarzte-ZV gab der Zulassungsausschuss fur Zahnarzte\nfur den Regierungsbezirk Karlsruhe ab 01.11.2003 statt (Bescheid vom\n10.09.2003). \n--- \n| 3 \n--- \n| Bereits am 24.10.2003 hatte der Klager bei der Beklagten die Gewahrung von\nÜberbruckungsgeld zur Aufnahme einer selbstandigen Tatigkeit nach § 57 SGB III\nbeantragt. Er gab an, er werde am 01.11.2003 eine selbstandige Tatigkeit als\nChirurg in M. aufnehmen. Er ubernehme eine bestehende Praxis. Die aus dem\nBetrieb erzielten Einnahmen wurden nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts\nausreichen, da im ersten halben Jahr keine Zahlungen von der\nKassenzahnarztlichen Vereinigung und der Kassenarztlichen Vereinigung zu\nerwarten seien. Die wochentliche Arbeitszeit betrage in der Regel mindestens\n50 bis 60 Stunden (Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie). Der Klager legte eine\nStellungnahme des Rechtsanwalts/Wirtschaftsprufers/Steuerberaters N. vom\n22.10.2003 vor, wonach der Klager zu einem Kaufpreis von 750.000,- DM die\nPraxis des Kieferchirurgen ubernehme, seine Ehefrau, Kieferorthopadin,\nubernehme zu einem Kaufpreis von 500.000,- DM die Praxis der Kieferorthopadin.\nBeigefugt war eine Umsatzubersicht der vom Klager zu ubernehmenden Praxis fur\ndie Jahre 1996 bis 2001. Danach belief sich das Betriebsergebnis ohne\nAbschreibung in jedem Jahr auf mehr als eine Million DM. Als Gewinnerwartung\nwurde ein Praxisgewinn von einer Million DM und als Unternehmerlohn fur den\nKlager und seine Ehefrau wurde ein Betrag von 200.000,- DM jahrlich angegeben. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit undatiertem Bescheid vom Dezember 2003 (Bl. 15 der Leistungsakte) wurde\nder Antrag des Klagers abgelehnt. Der Klager ubernehme eine bereits bestehende\nkieferchirurgische/kieferorthopadische Praxis, der Kundenkreis werde sich\nnicht andern. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe hervor, dass die\nBetriebsergebnisse der letzten Jahre vor Übernahme jahrlich uber 1.000.000,--\nDM gelegen hatten. Gleichzeitig gehe auch der Klager von einem Praxisgewinn\nfur sich und seine Ehefrau von jahrlich 1.000.000,- DM aus, der sich um den\nUnternehmerlohn fur sich und seine Ehefrau von 200.000,- DM verringere, so\ndass noch ein Ertrag von 800.000,- DM bleibe. Existenzgrundungswillige, die\neinen bestehenden Betrieb ubernahmen oder in einen solchen eintraten, konnten\njedoch nur gefordert werden, soweit die aus dem Betrieb erzielten Einkunfte\nnicht ausreichten, um in der Anlaufzeit ihren Lebensunterhalt und die\nAufwendungen fur die soziale Sicherung aufzubringen. Aus den vorgelegten\nZahlen gehe jedoch hervor, dass der Klager sowohl seinen Lebensunterhalt\nbestreiten als auch die Kosten fur seine soziale Absicherung aufbringen konne. \n--- \n| 5 \n--- \n| Hiergegen legte der Klager am 19.01.2004 Widerspruch ein. Es sei standige\nPraxis der Arbeitsamter, Existenzgrundungen von Ärzten und Zahnarzten zu\nfordern, bei denen die Prognosezahlen durchaus erkennen ließen, dass innerhalb\nkurzester Frist eine eigenstandige Überlebensfahigkeit des Existenzgrunders\ngewahrleistet sei. Bei dieser Prognose durften namlich die stutzenden\nForderungen wie Betriebsmittel, Kredite etc. nicht berucksichtigt werden,\nvielmehr konne eine Bezuschussung nur dann abgelehnt werden, wenn die\nbetroffenen Unternehmen in kurzester Zeit ohne Fremdmittel selbstandig\nwirtschaften konnten. Zudem seien die Praxisumsatze und Praxisergebnisse der\nubernommenen Praxis in den letzten Jahren deutlich geschrumpft, so dass bei\nFortentwicklung der Werte die fruheren hohen Ergebniswerte nicht mehr\nerzielbar sein wurden. Es seien aufgrund der gesetzlichen Änderungen im\nGesundheitsbereich hier erhebliche Einschnitte beim Vergutungsbereich zu\nerwarten. Die der Beklagten vorgelegten Zahlen seien also lediglich dafur\nverwendbar, dass eine Tragfahigkeit der Existenzgrundung anzunehmen sei. Das\nwirtschaftliche Risiko, das er mit der Übernahme der Praxis eingehe, sei\nvernunftigerweise und angemessen zu berucksichtigen. Hier sei eine\nKaufpreisfinanzierung mit einem Kredit von enormer Hohe aufgenommen worden.\nDieses existenzielle Risiko aus seiner Verschuldung sei in keiner Weise\nberucksichtigt worden. Es sei daher absurd, die Zahlen, die ihn bewogen\nhatten, die Praxis zu ubernehmen, ihm nun als unzureichend fur die\nForderungsfahigkeit vorzuhalten. Ohne Zweifel sei die Übernahme einer\nderartigen Praxis bei der verstarkten Konkurrenzsituation im Bereich M. mit\nder jahrzehntelangen Patientenbindung des Praxisgebers und angesichts der\ndramatischen Verschlechterung der Rahmenbedingungen im Gesundheitsbereich und\nunter Berucksichtigung seiner sehr großen Finanzierungsbelastung insgesamt zu\nsehen und so zu werten, dass zwar die Übernahme der Praxis nach wie vor\nangesichts der Bewertung aller Einzelprodukte als gerechtfertigt erscheine und\ndamit als tragfahig angesehen werden konne, jedoch eine Forderung nach den\nVorschriften des § 57 SGB III durchaus als gegeben eingeschatzt werden musse.\nEine Nichtgewahrung des Überbruckungsgeldes sei daher als willkurlich zu\nbetrachten. Die von der Beklagten herangezogenen Argumente, namlich die der\nnotigen Bedurftigkeit, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen und stelle ein rein\nwillkurliche Behandlung des Antrages dar. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Schreiben vom 01.06.2004 wurde der Klager darauf hingewiesen, dass die\nÜberbruckungsgeldleistung nach § 57 Abs. 1 SGB III in der bis 31.12.2003\ngultigen Fassung eine „Ermessensleistung" sei. In diesem Rahmen seien die\nzugeteilten Haushaltsmittel nicht zu uberschreiten. Unter Beachtung dieser\nAnhaltspunkte sei in einer internen Richtlinie festgelegt worden, dass\nExistenzgrundungswillige, die einen bestehenden Betrieb ubernahmen oder in\neinen solchen eintraten, nur gefordert werden konnten, wenn die aus dem\nBetrieb erzielten Einkunfte nicht ausreichten, um in der Anlaufzeit ihren\nLebensunterhalt und die Aufwendungen fur die soziale Sicherung aufzubringen.\nAusgehend von den Zahlen des Klagers werde dieser einen monatlichen Betrag von\nca. 33.333,-- DM erwirtschaften. Ausgehend von diesem Betrag sei unterstellt\nworden, dass der Klager in der Anlaufzeit seinen Lebensunterhalt und die\nAufwendungen fur die soziale Sicherheit aufbringen konne. \n--- \n| 7 \n--- \n| Hierauf teilte der Klager mit, bei den genannten Werten handle es sich um\nSchatzbetrage. Es sei bereits darauf hingewiesen worden, dass im Hinblick auf\ndie veranderten Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen und auch im Hinblick auf\ndie Bindung einiger Patienten an den zuvor die Praxis besitzenden Doktor dazu\nfuhren wurde, dass es bei der Erzielung der Einnahmen erhebliche Abschlage\ngeben werde. Der tatsachliche Verlauf der Praxis entspreche dieser\nEinschatzung. Von der Praxis werde noch nicht das Ergebnis erzielt, wie es\nbeim Praxisvorganger der Fall gewesen sei. Aus einer Anlage sei ersichtlich,\ndass er in den ersten Monaten seit Praxiseroffnung nahezu uberhaupt keine\nEinnahmen erzielt habe bzw. nur in außerst geringem Umfang. Dennoch habe er\nsamtliche Kosten tragen mussen. Dies habe er nur durch Inanspruchnahme eines\nPraxiskontokorrentkredits leisten konnen. Mithin habe er aus den Einnahmen\nbzw. Ergebnissen der Praxis in den ersten Monaten uberhaupt keine Mittel\nentnehmen konnen, um seinen Lebensunterhalt oder die Aufwendungen fur die\nsoziale Sicherung aufzubringen. Die Buchhaltungsergebnisse zeigten, dass er\nerst im funften Monat seit Praxiseroffnung einen Überschuss der Einnahmen uber\ndie Ausgaben erzielt habe. Dabei mussten jedoch auch noch die Abschreibungen\nberucksichtigt werden. Dies berucksichtigend wurde die Praxis auch nach Ablauf\nder ersten sechs Monate noch in den roten Zahlen stehen. Zudem habe auch seine\nEhefrau eine Praxis eroffnet, so dass sie eine Gewinnminderung in doppeltem\nUmfang hinzunehmen hatten. Aufgrund des Abrechnungssystems der\nKassenarztlichen Vereinigung bzw. Kassenzahnarztlichen Vereinigung seien ihm\nund seiner Ehefrau fur die ersten Monate uberhaupt keine Vergutungen von dort\nausgezahlt worden. Mithin hatten er und seine Ehefrau in den ersten Monaten\nder Praxiseroffnung lediglich von Ersparnissen und mit Hilfe von Krediten\nihren Lebensunterhalt und die Aufwendungen fur die soziale Sicherheit\naufbringen konnen. Beigefugt waren diverse Unterlagen uber die Praxiseinnahmen\nund Praxisausgaben der Monate Januar 2004 bis Juni 2004. \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2004\nzuruckgewiesen. Die Auswertung der betriebswirtschaftlichen\nBuchhaltungsangaben fur die Monate Januar bis Juni 2004 habe ergeben, dass der\nKlager entgegen der von ihm vertretenen Meinung sehr wohl in der Lage gewesen\nsei, mit den Einkunften aus der Praxis seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.\nDer Klager habe lediglich in den Monaten Januar und Februar 2004 ein Minus-\nEinkommen aus der Praxis erzielt, dies habe sich ab dem Monat Marz 2004\ngeandert. In diesem Monat habe das Praxisergebnis bereits 25.980,37 EUR\nbetragen, dies habe sich in den nachfolgenden Monaten noch erheblich\ngesteigert. Der Klager habe bereits ab Marz 2004 hohere Betrage als\nPrivatentnahme aus der Praxis entnommen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Am 09.12.2004 hat der Klager Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben.\nDieses Gericht hat sich mit Beschluss vom 17.01.2005 (S 1 AL 581/04) fur\nortlich unzustandig erklart und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Mannheim\n(SG) als das ortlich zustandige Sozialgericht verwiesen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Zur Begrundung seiner Klage hat der Klager ausgefuhrt, er erfulle die\nVoraussetzungen des § 57 SGB III zur Gewahrung von Überbruckungsgeld. Die\nersten Vergutungen habe er fur seine Tatigkeit im dritten Monat seit Beginn\nseiner Tatigkeit erhalten. Bereits fur die ersten beiden Monate habe er jedoch\nbereits sehr wesentliche Praxisausgaben zu tatigen gehabt. Dieses Minus aus\nden ersten beiden Monaten seit Aufnahme der selbstandigen Tatigkeit habe sich\ndann erst mit Ablauf des sechsten Monats seit Beginn der Tatigkeit ganzlich\nkompensieren lassen, so dass sich erst nach Ablauf des Monats Juni 2004 ein\nÜberschuss von 5.592,-- EUR ergeben habe. Die ersten sechs Monate habe er\nmithin lediglich aus anderen Mitteln, namlich aus Ersparnissen und Darlehen,\ngelebt. Mithin gehe die Beklagte von einem falschen Sachverhalt aus. Zwar habe\ndie Praxis im Marz 2004 einen Überschuss erwirtschaftet, er habe dann aber\ndiese Mittel dazu verwenden mussen, um die Darlehen bzw. Ersparnisse, die er\nzuvor entnommen habe, wieder zuruckzufuhren. Die Entnahmen, die er aus den\nPraxiseinnahmen vorgenommen habe, hatten also nicht zur Bestreitung des\nLebensunterhalts gedient, sondern seien benotigt worden, um die von dritter\nSeite erlangten Mittel zur Bestreitung des Praxisbetriebs wieder\nauszugleichen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat dargelegt, im\nvorliegenden Fall habe der Klager sein Arbeitsverhaltnis mit der Uni H. zum\n31.10.2003 selbst durch Aufhebungsvertrag beendet, um sich ab 01.11.2003\nselbstandig machen zu konnen. Vermeidung von Arbeitslosigkeit im Sinne des §\n57 SGB III sei dann gegeben, wenn die Fortdauer des\nBeschaftigungsverhaltnisses aus Grunden, die ein Arbeitnehmer nicht zu\nvertreten habe, gefahrdet sei und der Arbeitnehmer das Risiko der\nArbeitslosigkeit durch Aufnahme einer selbstandigen Tatigkeit abmildere.\nDagegen fuhre eine eigenstandige Kundigung zum Zweck der Grundung einer\nselbstandigen Existenz das Risiko der Arbeitslosigkeit selbst herbei. Auch aus\ndiesem Grunde liege daher im Falle des Klagers die Voraussetzung zur Zahlung\nvon Überbruckungsgeld nicht vor. Im Übrigen hat sie auf die Ausfuhrungen im\nWiderspruchsbescheid verwiesen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Mit Urteil vom 09.09.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Die\ntatbestandlichen Voraussetzungen des § 57 a.F. lagen zwar vor, doch habe die\nBeklagte von dem ihr zustehenden Ermessen sachgerecht Gebrauch gemacht. Das\nÜberbruckungsgeld solle zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen\nSicherung in der Zeit nach der Existenzgrundung dienen. Es soll fur eine\nÜbergangszeit, in der aus der neu aufgenommenen selbstandigen Tatigkeit keine\nvollen Einnahmen zu erwarten seien, den Lebensunterhalt des vorher\nArbeitslosen sichern. Daneben habe die Beklagte gemaß § 7 Abs. 1 SGB III bei\nder Auswahl von Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsforderung, zu denen\nnach § 3 Abs. 4 SGB III auch das Überbruckungsgeld zahle, stets die Grundsatze\nder Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Ausgehend von diesen\nMaßstaben sei die Beklagte im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens berechtigt\ngewesen, den Antrag des Klagers abzulehnen. Wegen weiterer Einzelheiten der\nBegrundung wird auf die weiteren Ausfuhrungen in den Entscheidungsgrunden\nverwiesen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Gegen dieses, seinem Prozessbevollmachtigten am 19.09.2005 zugestellte\nUrteil hat der Klager am 10.10.2005 Berufung eingelegt. Zur Begrundung der\nBerufung hat er u.a. vorgetragen, auch unter Berucksichtigung der Richtlinie\nder Beklagten fur Falle der Übernahme von bestehenden Betrieben durch\nExistenzgrundungswillige hatten sowohl die Beklagte als auch das SG falsche\nBeurteilungen vorgenommen. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass er\nwahrend der Dauer von sechs Monaten nicht in der Lage gewesen sei, seinen\nLebensunterhalt aus den erwirtschafteten Ertragen zu bestreiten. Als Beleg\ndafur, dass er sich selbstandig gemacht habe, um eine drohende\nArbeitslosigkeit zu vermeiden, legt er eine Bescheinigung des Ärztlichen\nDirektors der Abteilung fur Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des\nUniversitatsklinikums H. Prof. Dr. M. vom 16.02.2006 vor. Darin bestatigt\nProf. M., dass eine Verlangerung des bis zum 30.06.2004 befristeten\nArbeitsvertrages aufgrund des Personalbudgets der Klinik nicht moglich gewesen\nware. Zudem weist der Klager darauf hin, dass sein Beschaftigungsverhaltnis\nmit der Uniklinik ohnehin nur noch deshalb verlangert worden sei, weil er noch\neine dreijahrige Zusatzausbildung fur plastische Chirurgie habe anschließen\nwollen. Diese Zusatzausbildung habe er dann im Oktober 2003 abgeschlossen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 15 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 9. September 2005 sowie den\nBescheid der Beklagten vom Dezember 2003 - ohne Tagesangabe - in der Gestalt\ndes Widerspruchsbescheides vom 10. November 2004 aufzuheben und die Beklagte\nzu verurteilen, uber den Antrag des Klagers unter Beachtung der\nRechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 17 \n--- \n| die Berufung des Klagers zuruckzuweisen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Sie halt die Entscheidung des SG fur zutreffend und vertritt daruber hinaus\ndie Auffassung, dass auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1\nSGB III a.F. nicht erfullt seien. \n--- \n| 19 \n--- \n| Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens\nder Beteiligten wird auf Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die\nVerwaltungsakten der Beklagten verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 20 \n--- \n| Die gemaß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und\nzulassige Berufung des Klagers ist unbegrundet. Das SG und die Beklagte haben\neinen Anspruch des Klagers auf Gewahrung von Überbruckungsgeld zu Recht\nabgelehnt. \n--- \n| 21 \n--- \n| Rechtsgrundlage fur den vom Klager geltend gemachten Anspruch ist § 57 Abs.\n1 SGB III i.d.F. des Gesetzes vom 23.12.2002 (BGBl I S. 4607). Danach konnen\nArbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstandigen Tatigkeit die\nArbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, zur Sicherung des Lebensunterhalts\nund zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgrundung\nÜberbruckungsgeld erhalten. Überbruckungsgeld kann geleistet werden, wenn der\nArbeitnehmer in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der\nselbstandigen Tatigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen hat\noder einen Anspruch darauf hatte (§ 57 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) SGB III) und\neine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle uber die Tragfahigkeit der\nExistenzgrundung vorgelegt hat; fachkundige Stellen sind insbesondere die\nIndustrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsstandischen Kammern,\nFachverbande und Kreditinstitute (§ 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB III). \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfullt. Dabei kann offen\nbleiben, ob der Klager durch die Aufnahme einer selbstandigen Tatigkeit als\nZahnarzt bzw. Kieferchirurg am 01.11.2003 Arbeitslosigkeit vermieden hat. Die\nGewahrung von Überbruckungsgeld setzt zusatzlich voraus, dass der Arbeitnehmer\nin engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbstandigen Tatigkeit\nEntgeltersatzleistungen nach dem SGB III entweder bezogen hat oder einen\nAnspruch darauf hatte (§ 57 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) SGB III). Daran fehlt es\nhier. \n--- \n| 23 \n--- \n| Mit der Neufassung von § 57 Abs. 2 Nr. 1 durch Art 1 Nr. 23 des Gesetzes\nzur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom\n10.12.2001 (BGBl I S. 3443) und dem damit verbundenen Verzicht auf die bis\ndahin geltende Fordervoraussetzung einer mindestens 4-wochigen\nArbeitslosigkeit vor Aufnahme der selbstandigen Tatigkeit sollte zwar der\nunmittelbaren Zugang von einer versicherungspflichtigen Beschaftigung in eine\nselbstandige Tatigkeit unterstutzt werden (BT-Drucks 14/6944 S. 33). Einem\nAnspruch des Klagers auf Überbruckungsgeld steht daher nicht entgegen, dass er\nvor Aufnahme der selbstandigen Tatigkeit nicht arbeitslos war. Es ist aber\nauch weiterhin erforderlich, dass zwischen der Aufnahme der selbstandigen\nTatigkeit und einem Anspruch auf Entgeltersatzleistungen wie z.B.\nArbeitslosengeld ein enger zeitlicher Zusammenhang bestehen muss. Dies hat\nseinen Grund darin, dass die Forderung der Begrundung einer selbstandigen\nExistenz auf die Falle begrenzt wird, in denen die Solidargemeinschaft durch\nLeistungsanspruche wegen Arbeitslosigkeit belastet wird. Der Anreiz zur\nAufnahme einer selbstandigen Tatigkeit durch Arbeitslose oder von\nArbeitslosigkeit Bedrohten soll der Entlastung des Arbeitsmarktes dienen (vgl.\nBSG 24.06.1993 - 1 RAr 1/92 - SozR 3-4100 § 55a Nr. 4 zu fruheren Recht). Ein\nAnspruch auf Überbruckungsgeld scheidet daher nach Ansicht des Senats auch\naus, wenn ein Arbeitnehmer durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages\nArbeitslosigkeit erst begrundet oder eine Situation herbeifuhrt, die ohne die\nAufnahme der selbstandigen Tatigkeit einen Anspruch auf\nEntgeltersatzleistungen nach dem SGB III hatte begrunden konnen. Letzteres ist\nhier der Fall gewesen. Der Klager hat sein ungekundigtes und bis zum\n30.06.2004 befristetes Beschaftigungsverhaltnis mit dem Uniklinikum H.\nvorzeitig zum 31.10.2003 gelost. Ohne die Aufnahme der selbstandigen Tatigkeit\nals Zahnarzt ware es durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages - ggf. unter\nBerucksichtigung einer Sperrzeit - erst zu einer Belastung der\nSolidargemeinschaft gekommen. Es ist aber nicht Sinn und Zweck des § 57 SGB\nIII, ein Verhalten zu fordern, das nur eine solche Belastung der\nSolidargemeinschaft vermeidet, die durch dieses Verhalten erst begrundet\nwurde. \n--- \n| 24 \n--- \n| Hinzukommt, dass die Ausubung einer freiberufliche Tatigkeit fur Zahnarzte\nund Kieferchirurgen und vor allem die Übernahme einer bereits seit langerem\nbestehenden kieferchirurgischen Praxis auch im Jahre 2003 keines besonderen\nAnreizes bedurfte. Der Umstand, dass der Klager den Aufhebungsvertrag zu einem\nZeitpunkt abgeschlossen hat, in dem er auch seine dreijahrige Zusatzausbildung\nfur plastische Chirurgie beendet hat, und außerdem zeitgleich mit der\nÜbernahme einer kieferorthopadischen Praxis durch seine Ehefrau erfolgt ist,\nmacht deutlich, dass die Übernahme der Praxis ab 01.11.2003 seit langerem\ngeplant war und keineswegs erfolgte, um eine ab 01.07.2004 drohende\nArbeitslosigkeit abzuwenden. Die Gewahrung von Überbruckungsgeld in Fallen der\nvorliegenden Art wurde daher nicht zu einer Entlastung, sondern zu einer\nBelastung der Solidargemeinschaft fuhren und ist daher zu Recht unterblieben. \n--- \n| 25 \n--- \n| Im Übrigen handelt es sich bei dem hier streitgegenstandlichen Anspruch auf\nÜberbruckungsgeld (noch) um eine Ermessensleistung. Der Senat ist in\nÜbereinstimmung mit dem SG der Auffassung, dass die Beklagte die Gewahrung der\nbegehrten Leistung ermessensfehlerfrei abgelehnt hat, und weist deshalb\ninsoweit die Berufung auch aus den zutreffenden Grunden der angefochtenen\nEntscheidung zuruck, weshalb diesbezuglich auf die zutreffenden Ausfuhrungen\nim Urteil des SG verwiesen wird (§ 153 Abs. 2 SGG). \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 27 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Da der Senat die\nBerufung (auch) deshalb zuruckweist, weil die Beklagte von ihrem Ermessen\nsachgerecht Gebrauch gemacht hat, die vom Klager begehrte Leistung aber nach\nder ab 01.01.2004 geltenden Fassung des § 57 SGB III keine Ermessensleistung\nmehr ist, hat die Rechtssache keine grundsatzliche Bedeutung (mehr). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 20 \n--- \n| Die gemaß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und\nzulassige Berufung des Klagers ist unbegrundet. Das SG und die Beklagte haben\neinen Anspruch des Klagers auf Gewahrung von Überbruckungsgeld zu Recht\nabgelehnt. \n--- \n| 21 \n--- \n| Rechtsgrundlage fur den vom Klager geltend gemachten Anspruch ist § 57 Abs.\n1 SGB III i.d.F. des Gesetzes vom 23.12.2002 (BGBl I S. 4607). Danach konnen\nArbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstandigen Tatigkeit die\nArbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, zur Sicherung des Lebensunterhalts\nund zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgrundung\nÜberbruckungsgeld erhalten. Überbruckungsgeld kann geleistet werden, wenn der\nArbeitnehmer in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der\nselbstandigen Tatigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen hat\noder einen Anspruch darauf hatte (§ 57 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) SGB III) und\neine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle uber die Tragfahigkeit der\nExistenzgrundung vorgelegt hat; fachkundige Stellen sind insbesondere die\nIndustrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsstandischen Kammern,\nFachverbande und Kreditinstitute (§ 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB III). \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfullt. Dabei kann offen\nbleiben, ob der Klager durch die Aufnahme einer selbstandigen Tatigkeit als\nZahnarzt bzw. Kieferchirurg am 01.11.2003 Arbeitslosigkeit vermieden hat. Die\nGewahrung von Überbruckungsgeld setzt zusatzlich voraus, dass der Arbeitnehmer\nin engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbstandigen Tatigkeit\nEntgeltersatzleistungen nach dem SGB III entweder bezogen hat oder einen\nAnspruch darauf hatte (§ 57 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) SGB III). Daran fehlt es\nhier. \n--- \n| 23 \n--- \n| Mit der Neufassung von § 57 Abs. 2 Nr. 1 durch Art 1 Nr. 23 des Gesetzes\nzur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom\n10.12.2001 (BGBl I S. 3443) und dem damit verbundenen Verzicht auf die bis\ndahin geltende Fordervoraussetzung einer mindestens 4-wochigen\nArbeitslosigkeit vor Aufnahme der selbstandigen Tatigkeit sollte zwar der\nunmittelbaren Zugang von einer versicherungspflichtigen Beschaftigung in eine\nselbstandige Tatigkeit unterstutzt werden (BT-Drucks 14/6944 S. 33). Einem\nAnspruch des Klagers auf Überbruckungsgeld steht daher nicht entgegen, dass er\nvor Aufnahme der selbstandigen Tatigkeit nicht arbeitslos war. Es ist aber\nauch weiterhin erforderlich, dass zwischen der Aufnahme der selbstandigen\nTatigkeit und einem Anspruch auf Entgeltersatzleistungen wie z.B.\nArbeitslosengeld ein enger zeitlicher Zusammenhang bestehen muss. Dies hat\nseinen Grund darin, dass die Forderung der Begrundung einer selbstandigen\nExistenz auf die Falle begrenzt wird, in denen die Solidargemeinschaft durch\nLeistungsanspruche wegen Arbeitslosigkeit belastet wird. Der Anreiz zur\nAufnahme einer selbstandigen Tatigkeit durch Arbeitslose oder von\nArbeitslosigkeit Bedrohten soll der Entlastung des Arbeitsmarktes dienen (vgl.\nBSG 24.06.1993 - 1 RAr 1/92 - SozR 3-4100 § 55a Nr. 4 zu fruheren Recht). Ein\nAnspruch auf Überbruckungsgeld scheidet daher nach Ansicht des Senats auch\naus, wenn ein Arbeitnehmer durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages\nArbeitslosigkeit erst begrundet oder eine Situation herbeifuhrt, die ohne die\nAufnahme der selbstandigen Tatigkeit einen Anspruch auf\nEntgeltersatzleistungen nach dem SGB III hatte begrunden konnen. Letzteres ist\nhier der Fall gewesen. Der Klager hat sein ungekundigtes und bis zum\n30.06.2004 befristetes Beschaftigungsverhaltnis mit dem Uniklinikum H.\nvorzeitig zum 31.10.2003 gelost. Ohne die Aufnahme der selbstandigen Tatigkeit\nals Zahnarzt ware es durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages - ggf. unter\nBerucksichtigung einer Sperrzeit - erst zu einer Belastung der\nSolidargemeinschaft gekommen. Es ist aber nicht Sinn und Zweck des § 57 SGB\nIII, ein Verhalten zu fordern, das nur eine solche Belastung der\nSolidargemeinschaft vermeidet, die durch dieses Verhalten erst begrundet\nwurde. \n--- \n| 24 \n--- \n| Hinzukommt, dass die Ausubung einer freiberufliche Tatigkeit fur Zahnarzte\nund Kieferchirurgen und vor allem die Übernahme einer bereits seit langerem\nbestehenden kieferchirurgischen Praxis auch im Jahre 2003 keines besonderen\nAnreizes bedurfte. Der Umstand, dass der Klager den Aufhebungsvertrag zu einem\nZeitpunkt abgeschlossen hat, in dem er auch seine dreijahrige Zusatzausbildung\nfur plastische Chirurgie beendet hat, und außerdem zeitgleich mit der\nÜbernahme einer kieferorthopadischen Praxis durch seine Ehefrau erfolgt ist,\nmacht deutlich, dass die Übernahme der Praxis ab 01.11.2003 seit langerem\ngeplant war und keineswegs erfolgte, um eine ab 01.07.2004 drohende\nArbeitslosigkeit abzuwenden. Die Gewahrung von Überbruckungsgeld in Fallen der\nvorliegenden Art wurde daher nicht zu einer Entlastung, sondern zu einer\nBelastung der Solidargemeinschaft fuhren und ist daher zu Recht unterblieben. \n--- \n| 25 \n--- \n| Im Übrigen handelt es sich bei dem hier streitgegenstandlichen Anspruch auf\nÜberbruckungsgeld (noch) um eine Ermessensleistung. Der Senat ist in\nÜbereinstimmung mit dem SG der Auffassung, dass die Beklagte die Gewahrung der\nbegehrten Leistung ermessensfehlerfrei abgelehnt hat, und weist deshalb\ninsoweit die Berufung auch aus den zutreffenden Grunden der angefochtenen\nEntscheidung zuruck, weshalb diesbezuglich auf die zutreffenden Ausfuhrungen\nim Urteil des SG verwiesen wird (§ 153 Abs. 2 SGG). \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 27 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Da der Senat die\nBerufung (auch) deshalb zuruckweist, weil die Beklagte von ihrem Ermessen\nsachgerecht Gebrauch gemacht hat, die vom Klager begehrte Leistung aber nach\nder ab 01.01.2004 geltenden Fassung des § 57 SGB III keine Ermessensleistung\nmehr ist, hat die Rechtssache keine grundsatzliche Bedeutung (mehr). \n---\n\n |
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142,138 | olgstut-2006-07-25-1-u-8905 | 147 | Oberlandesgericht Stuttgart | olgstut | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 1 U 89/05 | 2006-07-25 | 2019-01-08 23:42:02 | 2019-02-12 13:10:34 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung der Klagerin wird das am 29.8.2005 verkundete Urteil des\nEinzelrichters der 22. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart - 22 O 340/04 -\n(Bl. 301 ff.d.A.)\n\n**_ abgeandert: _ **\n\nDie Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin 36.746,73 EUR zu zahlen nebst\nZinsen hieraus in Hohe von 8 Prozentpunkten uber dem jeweiligen Basiszinssatz\nseit 19.3.2004 Zug um Zug gegen Übergabe eines Films gemaß § 1 und § 3 des\nVertragsangebots der Klagerin vom 7.11.2003 (Bl. 20 ff.d.A.) - ohne\nSprechertext - einschließlich dazugehorigem Manuskript.\n\nIm Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n2\\. Die weitergehenden Berufung wird\n\n**_ zuruckgewiesen. _ **\n\n3\\. Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug tragt die Klagerin\n1/4, die Beklagte tragt 3/4. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragt die\nKlagerin 3/20, die Beklagte tragt 17/20.\n\n4\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Beide Parteien konnen die\nVollstreckung abwenden jeweils durch Sicherheitsleistung in Hohe von 110 % des\nauf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die jeweils\nvollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Hohe von 110 % des\njeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.\n\nStreitwert im 2. Rechtszug: 60\\. 519,40 EUR\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n** _A._** \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin nimmt die beklagte Rundfunkanstalt aus einer vorzeitig\nbeendeten Filmproduktion auf Zahlung von Vergutung fur die bis zur Beendigung\nerbrachten Arbeiten in Anspruch. Die Parteien streiten im Wesentlichen um die\nFrage, ob die Beklagte berechtigt war, ihr Vertragsangebot vom 7.11.2003 wegen\neines Vorfalls vom 28.11.2003 in Anlehnung an die Grundsatze einer fristlosen\nKundigung zu widerrufen. Ferner besteht Streit daruber, wie die erbrachten\nLeistungen der Klagerin abzurechnen sind, ob dem Anspruch angebliche Mangel\ndes Films entgegengehalten werden konnen und ob der Beklagten ein Anspruch auf\nZahlung einer Vertragsstrafe zusteht, mit dem sie hilfsweise die Aufrechnung\nerklart hat. \n--- \n--- \n**_I._** \n--- \n| 2 \n--- \n| Wegen des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf Tatbestand\nund Entscheidungsgrunde des angefochtenen Urteils Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Landgericht hat die Klage - nach Vernehmung der Zeugen O. und M. (Bl.\n256 ff.d.A.) - abgewiesen. Die Beklagte sei zur fristlosen Kundigung aus\nwichtigem Grund berechtigt gewesen. Zwar sei die - unzulassige -\nVeroffentlichung von Fotos und Filmausschnitten mit dem Logo der ARD und der\nBeklagten auf der Homepage der Klagerin nicht so schwerwiegend, dass allein\nhierauf eine fristlose Kundigung gestutzt werden konne. Diese sei aber\ngerechtfertigt gewesen im Hinblick auf eine grobe Vertragsverletzung des\nSohnes der Gesellschafter der Klagerin, M., im Rahmen der Besprechung vom\n28.11.2003 mit dem Redakteur der Beklagten, O. . Die Beweisaufnahme habe\nergeben, dass F. am 28.11.2003 nach kurzem Vorgesprach die Frage des Internet-\nAuftritts angesprochen und gefragt habe, ob M. die Angelegenheit geklart habe.\nDieser habe erwidert, dass die Sache noch nicht geklart sei und auch nicht in\nseine Zustandigkeit falle. Daraufhin habe F. die Besprechung unvermittelt\nabgebrochen, weil er die Internetproblematik vorab klaren musse. Die geplante\nBesichtigung des bereits produzierten Teils des Films sei an diesem Tag nicht\nmehr moglich. Durch dieses Verhalten habe M. O. „wie einen dummen Jungen\nstehen lassen", obwohl die Frage der Homepage mit dem Filmprojekt eigentlich\nnichts zu tun gehabt habe und auch noch zu einem spateren Zeitpunkt hatte\ngeklart werden konnen. Dieses Vorgehen von M. bedeute eine grobe\nVertragsverletzung. Sie habe die notwendige Vertrauensgrundlage zerstort und\nrechtfertige die fristlose Kundigung des Vertrages. Dementsprechend schulde\ndie Beklagte auch keine Vergutung fur die erbrachten Leistungen, weil das\nerstellte 17-minutige Teilwerk fur die Beklagte wertlos sei. \n--- \n--- \n**_II._** \n--- \n| 4 \n--- \n| Gegen das ihr am 2.9.2005 zugestellte Urteil hat die Klagerin am 14.9.2005\nBerufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 27.10.2005 (Bl. 320 ff.d.A.),\neingegangen am 28.10.2005, begrundet. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Sie macht geltend, eine Pflichtverletzung, die eine fristlose Kundigung\nrechtfertige, liege nicht vor. Insbesondere hatten sich die Vorgange am\n28.11.2003 anders abgespielt, als von der Beklagten behauptet. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Termin vom 28.11.2003 sei kein vertraglich vereinbarter und auch kein\nbesonders wichtiger Termin fur die weitere Zusammenarbeit der Parteien\ngewesen. Die Rohschnittvorfuhrung sei erst fur den 8.12.2003 verbindlich\nvereinbart gewesen. Dieser Termin hatte auch problemlos eingehalten werden\nkonnen; ebenso wenig sei die fristgerechte Fertigstellung des Films gefahrdet\ngewesen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Eine etwaige Pflichtverletzung wiege aber keinesfalls so schwer, dass sie\neine fristlose Kundigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertige. Bei der\nWurdigung und Bewertung der Vorgange vom 28.11.2003 sei zu berucksichtigen,\ndass der Redakteur M. im Auftrag der Vertragsabteilung der Beklagten - Herrn\nP. - am 24.11.2003 wegen der Entfernung der unzulassigen Inhalte von der\nHomepage angesprochen habe. F. habe sich sofort und bedingungslos bereit\nerklart, fur die Beseitigung bis Mitte Dezember 2003 zu sorgen. Gleichwohl\nhabe die Rechtsabteilung der Beklagten am 25.11.2003 eine „rechtsverbindlichen\nErklarung" verlangt. M. habe keinen Fehler begehen wollen und deshalb O. am\n26.11.2003 angerufen und gebeten, bei Herrn Wi., dem zustandigen Mitarbeiter\nder Rechtsabteilung der Beklagten, die erforderliche Klarung herbeizufuhren\nund insbesondere zu erfragen, was dieser unter „rechtsverbindlich" verstehe.\nEr, F., habe bereits bei diesem Telefonat am 26.11.2003 gegenuber O. deutlich\ngemacht, dass der vorgesehene Besichtigungstermin am 28.11.2003 nur\nstattfinden konnen, wenn zuvor geklart sei, was Herr Wi. unter einer\n„rechtsverbindlichen Erklarung" verstehe. Vor diesem Hintergrund habe sich M.\nam 28.11.2003 bei O. nach dem Stand der Internet-Angelegenheit erkundigt. Als\ndieser erklart habe, dass er mit Herrn Wi. nicht gesprochen habe und die\nKlarung auch nicht als seine Aufgabe betrachte, habe F. - was legitim gewesen\nsei - entgegnet, dann musse er die Sache selbst mit Herrn Wi. abklaren.\nDeshalb musse das gemeinsame Anschauen des Films vorlaufig zuruckgestellt\nwerden. Daraufhin habe O. von sich aus gefragt, ob das tatsachlich so sei, und\nschließlich - in ruhigem Ton - erklart, er konne dann gehen und habe die Raume\nverlassen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Es treffe also nicht zu, dass F. den Redakteur M. gewissermaßen\nhinausgeworfen oder wie einen dummen Jungen stehen gelassen habe. Sein\nBestreben um vorherige Abklarung der Internet-Angelegenheit sei im Hinblick\ndarauf, dass Herr Wi. Fristen ins Spiel gebracht habe, absolut berechtigt\ngewesen, zumal zu befurchten gewesen sei, dass Herr Wi. zu einem spateren\nZeitpunkt nicht mehr zu erreichen ware. M. sei auch in der Folge immer bereit\ngewesen, den Film nach vorheriger Abklarung anzusehen und habe dies schon am\n1.12.2003, dem auf den 28.11.2003 folgende Arbeitstag, per E-Mail ausdrucklich\nangeboten. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Eine fristlose Kundigung sei daher nicht gerechtfertigt, zumal keine\nvorherige Abmahnung erfolgt sei und der Beklagte auch weiterhin - wie bereits\nseit Jahrzehnten - die Dienste der Klagerin bzw. F.s in Anspruch nehme. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Klagerin rechnet ihren Anspruch auf der Grundlage der bis zum 1.12.2003\n(Zugang des Widerrufsschreibens) erbrachten Arbeiten ab (vgl. Bl. 290/291\nd.A.). Ausgehend von der vereinbarten Vergutung von 47.728,03 EUR lasst sie\nsich als Ersparnis sieben Arbeitstage ihres Mitarbeiters F. zu je 230.-EUR\n(1.610.-EUR netto = 1.722,70 EUR brutto) sowie in den Positionen Nr. 442 und\n443 des Angebots Betrage von 103,36 EUR und 109,57 EUR anrechnen. Pos. 09 sei\num 109,57 EUR zu mindern. Bei den Reisekosten sei ein Abzug von 273.-EUR\nvorzunehmen, so dass sich insgesamt ein Betrag von 45.519,40 EUR ergebe.\nSoweit das Filmmaterial anderweit in Gestalt eines Films fur SPIEGEL TV\nverwertet worden sei, habe die Klagerin einen Gewinn nicht erwirtschaftet, so\ndass insoweit auch kein anderweiter Erwerb anzurechnen sei. Den erzielten\nEinnahmen in Hohe von 13.075,15 EUR seitens SPIEGEL TV stunden Aufwendungen in\ndiese ubersteigender Hohe gegenuber, weil fur Akquisition und Herstellung des\nFilms insgesamt 13.127,34 EUR hatten aufgewandt werden mussen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Klagerin **beantragt,** \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 29.8.2005 abzuandern und die\nBeklagte zu verurteilen, an die Klagerin 45.519,40 EUR zu zahlen nebst Zinsen\nhieraus in Hohe von 8 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit 19.3.2004 Zug\num Zug gegen Übergabe eines Filmes gemaß § 1 und § 3 des zwischen den Parteien\nabgeschlossenen Vertrages vom 7.11./26.11.2003 (allerdings ohne Sprechertext)\neinschließlich dazugehorigem Manuskript, \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| hilfsweise, das Urteil samt Verfahren aufzuheben und die Sache an das\nLandgericht Stuttgart zuruckzuverweisen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beklagte **beantragt,** \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Sie ist der Ansicht, die fristlose Kundigung sei wegen grob vertragswidrigen\nund vertrauenszerstorenden Verhaltens des M. auch ohne vorherige Abmahnung\ngerechtfertigt. F. habe durch sein Verhalten am 28.11.2003 die - bereits zuvor\ndurch immer wieder ausgesprochene Beleidigungen in Richtung der\nVertragsabteilung des Beklagten stark strapazierte - Vertrauensgrundlage\nendgultig zerstort, so dass der Beklagten eine Fortsetzung der\nVertragsbeziehungen nicht zuzumuten gewesen sei. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Das Geschehen vom 28.11.2003 habe sich genau so zugetragen, wie es O. als\nZeuge vor dem Landgericht geschildert habe und wie er es in seinem internem\nVermerk vom 28.11.2003 (B 11) festgehalten habe. Danach habe es sich bei der\ngeplanten Besichtigung der erstellten 17-minutigen Rohfassung um einen ganz\nwesentlichen und grundlegenden Schritt auf dem Weg der Erstellung eines\nsendefahigen Filmwerks gehandelt. Die Klagerin bzw. M. hatten zuvor zwar\nbereits fur die Beklagte und die ARD Filmprojekte bearbeitet, aber noch nie\neinen Film von 45 Minuten Lange erstellt, der den hohen Anspruchen der\nSendereihe „Betrifft" genugen musste. Dementsprechend sei man im Haus der\nBeklagten auch skeptisch und gespannt gewesen, inwieweit es der Klagerin bzw.\nF. gelingen wurde, ein sendefahiges Produkt herzustellen. Aus der Sicht der\nRedaktion, insbesondere des verantwortlichen Redakteurs O. , sei es daher am\n28.11.2003 darum gegangen, zu sehen, inwieweit die Arbeit der Klagerin den\nVorstellungen des Beklagten entspreche und inwieweit Korrekturen erforderlich\nwurden. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Es treffe nicht zu, dass O. gegenuber M. zugesagt oder in Aussicht gestellt\nhabe, die Internetangelegenheit mit Herrn Wi. zu klaren. O. habe insoweit nur\nVermittlerdienste geleistet und bei dem Telefonat vom 26.11.2003 gegenuber M.\nauch klargestellt, dass er von ihm erwarte, dass er sich selbst mit Herrn Wi.\nins Benehmen setze. Er habe ihm empfohlen, doch einfach durch Abgabe der\nverlangten rechtsverbindlichen Erklarung die Sache ins Reine zu bringen. Die\nAngelegenheit habe im Übrigen wegen der erklarten Bereitschaft von Herrn Wi.,\nF. eine Frist bis Mitte Dezember zu gewahren, auch uberhaupt nicht geeilt, so\ndass umso weniger Anlass bestanden habe, dieses Thema am 28.11.2003 uberhaupt\nwieder aufzugreifen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Vollkommen unrichtig sei auch die Darstellung der Klagerin zum Gang der\nEreignisse selbst. M. habe, nachdem ihm O. erklart habe, dass er sich selbst\num die Online-Angelegenheit kummern musse, keineswegs nur einen kurzfristigen\nAufschub der Besprechung bis zur telefonischen Kontaktaufnahme mit Herrn Wi.\nin Aussicht gestellt. F. habe vielmehr unmissverstandlich mit dem\noffensichtlichen Ziel einer Demutigung und Bruskierung von O. diesem zu\nverstehen gegeben, dass zuerst die Problematik der Homepage geklart werden\nmusse und er nicht bereit sei, die Besprechung durchzufuhren. Um den\nArbeitstag von M. tate es ihm leid. Dessen Frage, ob er dann gehen konne, habe\nF. - breit grinsend - bejaht. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Diese bewusste und gezielte Provokation gegenuber dem verantwortlichen\nRedakteur und der dadurch absichtlich herbeigefuhrte Eklat sei eine so\nschwerwiegende Vertragsverletzung, dass eine sofortige Kundigung aus wichtigem\nGrund ohne vorherige Abmachung gerechtfertigt sei, zumal sich F. bereits in\nder Vergangenheit standig in unflatiger und abfalliger Weise uber die Beklagte\nund deren Mitarbeiter geaußert habe und deshalb auch bereits seitens des\nRedakteurs O. ermahnt worden sei. Mit dem Verhalten am 28.11.2003 habe F. das\nFass zum Überlaufen gebracht und vorsatzlich und endgultig das fur die weitere\nZusammenarbeit notwendige Vertrauensverhaltnis zum verantwortlichen Redakteur\nzerstort. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Beklagte schulde daher keine Vergutung. Die zum Zeitpunkt der Kundigung\nvorliegende Rohfassung von 17 Minuten Lange sei nicht mehr als ein\nunbrauchbares Fragment gewesen, welches im Übrigen den geschuldeten\nquantitativen und qualitativen Anforderungen nicht entsprochen habe, sondern\nmangelhaft gewesen sei. Das Thema des Films habe - gerade wegen seiner\npolitischen Brisanz und seiner Komplexitat - eine klare Erzahlform verlangt,\nder auch der „Normalzuschauer" ohne große Vorkenntnisse hatte folgen konnen.\nDer vorgelegte Beitrag habe - auch in der der Beklagen im Januar 2004\nubersandten Fassung - keinen roten Faden gehabt, keine klar herausgearbeiteten\nProtagonisten, er sei kleinteilig und konzeptionslos geblieben, so dass es fur\nden Zuschauer nicht moglich gewesen ware, dem darzustellenden Sachverhalt zu\nfolgen. Der Film habe weder textlich noch gestalterisch die bei der Beklagten\nbestehenden Bewertungs- und Abnahmekriterien erfullt, in Bezug auf die der\nBeklagten ein erheblicher redaktioneller und journalistischer\nBeurteilungsspielraum zustehe. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Zumindest musse sich die Klagerin ersparte Personal- und\nSubunternehmerkosten anrechnen lassen. Dass eine erhebliche Ersparnis bestehe,\nergebe sich per se aus der Tatsache, dass der Film zur Zeit der Kundigung nur\nzum Teil fertiggestellt gewesen sei. Die Klagerin habe nicht hinreichend\ndargelegt, ob und in welchem Umfang sie durch die vorzeitige\nVertragsbeendigung Personalkosten fur F. und sonstige Aufwendungen erspart\nhabe. Die Abrechnung sei nicht prufbar. Außerdem habe die Klagerin durch den\nVerkauf einer Kurzfassung des Films an SPIEGEL TV einen Erlos in Hohe von\n13.075,15 EUR erzielt, den sie sich anrechnen lassen musse, ohne die\nangeblichen Aufwendungen der Fa. PR... P..... (Inhaber: M.) entgegenhalten zu\nkonnen. Abwegig seien insbesondere die angefuhrten Akquisekosten, die\nunmoglich angefallen sein konnten, weil SPIEGEL TV von Anfang an als\nInteressent bekannt gewesen sei und eine Akquise auch nicht durch tageslanges\nHerumreisen, sondern durch telefonische Kontaktaufnahme oder per E-Mail\nerfolge. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Hilfsweise rechnet die Beklagte - erstmals im zweiten Rechtszug - mit\nAnspruchen auf Zahlung einer Vertragsstrafe auf, die sie - schriftsatzlich\n(Bl. 409 d.A.) - auf einen Betrag von 10.000.-EUR beziffert (vgl. demgegenuber\ndas Schreiben des Beklagten vom 20.3.2006, in dem 15.000.-EUR verlangt werden,\nBl. 410 ff. d.A.). Das Verhalten F.s am 28.11.2003 stelle eine vorsatzliche\nVerletzung von Vertragspflichten dar, so dass die in § 14 Abs.3 des Vertrages\nvereinbarte Vertragsstrafe verwirkt sei. \n--- \n--- \n**_III._** \n--- \n| 24 \n--- \n| Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten\nSchriftsatze nebst Anlagen, auf die Protokolle uber die mundlichen\nVerhandlungen vom 10.1.2006 (Bl. 371 ff.d.A.) und vom 20.6.2006 (Bl. 559\nff.d.A.) sowie auf die weiteren Urteilsgrunde (unten B.) Bezug genommen. \n--- \n--- \n--- \n**_B._ ** \n--- \n| 25 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Klagerin hat teilweise Erfolg. Der Klagerin\nsteht ein Vergutungsanspruch in Hohe von 36.746,73 EUR als Vergutung fur die\nbis zum 1.12.2003 erbrachten Leistungen zu. Dies ergibt sich aus einer\nentsprechenden Anwendung der Abrechnungsgrundsatze des § 649 BGB. Die Klagerin\nmuss sich allerdings die durch die anderweite Verwertung des Films uber\nSPIEGEL TV erzielten Einnahmen anrechnen lassen, die sie nur wegen der\nvorzeitigen Vertragsbeendigung erwirtschaften konnte. Die ubrigen Einwendungen\nder Beklagten greifen im Ergebnis nicht durch. Grunde, die einen Widerruf des\nbindenden Vertragsangebots entsprechend § 314 BGB (Kundigung bzw. Widerruf aus\nwichtigem Grund) rechtfertigen konnten, bestehen nicht. Mangel, die\ngegebenenfalls Gewahrleistungsrechte begrunden konnten, sind nicht schlussig\ndargetan. Schließlich sind auch die im Wege der Hilfsaufrechnung geltend\ngemachten Vertragsstrafenanspruche nicht begrundet. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Im Einzelnen: \n--- \n**_I._ ** \n--- \n| 27 \n--- \n| Dem Anspruch der Klagerin steht nicht entgegen, dass sie das\nVertragsangebot der Beklagten vom 7.11.2003 (Bl. 20 ff.d.A.) erst am 2.12.2003\nangenommen hat und diese Erklarung der Beklagten erst am 3.12.2003 zugegangen\nist (Bl. 168 d.A.). Zu diesem Zeitpunkt war die Frist, innerhalb derer eine\nAnnahme erfolgen konnte (§ 147 Abs.2 BGB), noch nicht abgelaufen, so dass die\nBeklagte an ihr Angebot rechtlich gebunden war. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| 1\\. Die Beklagte hatte der Klagerin unter dem 7.11.2003 ein Angebot auf\nAbschluss eines Filmproduktionsvertrages unterbreitet, welches bei der\nKlagerin - unstreitig - am 24.11.2003 eingegangen war. Dadurch war eine\nrechtliche Bindung der Beklagten an ihr Angebot eingetreten (§ 130 Abs.1 Satz\n1 BGB), so dass die Erklarung grundsatzlich nicht mehr widerrufen werden\nkonnte (vgl. § 130 Abs.1 Satz 2 BGB) und das Zustandekommen des Vertrages nur\nnoch von der Annahme durch die Klagerin abhing. Die Annahme wurde am 2.12.2003\nerklart. Die Erklarung ging der Beklagten am 3.12.2003 zu (Bl. 168 d.A.). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| 2\\. Die Annahme des Angebot konnte gemaß § 147 Abs.2 BGB innerhalb des\nZeitraums erfolgen, in dem die Beklagte unter regelmaßigen Umstanden den\nEingang einer Antwort erwarten durfte. Dies Frist war weder zur Zeit des\nWiderrufs des Angebots durch die Beklagte (1.12.2003) noch bei Zugang der\nAnnahmeerklarung der Klagerin (3.12.2003) abgelaufen. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| a) Die Lange der Annahmefrist des § 147 Abs.2 BGB kann nicht allgemein und\nunabhangig von den Besonderheiten des Einzelfalls bestimmt werden.\nEntscheidend ist, bis zu welchem Zeitpunkt der Antragende unter\nBerucksichtigung aller Umstande des jeweiligen Falles mit dem Eingang der\nAntwort rechnen konnte. Dabei ist insbesondere zu berucksichtigen, wie viel\nZeit fur die Prufung des Angebots angemessen ist, was wiederum unter anderem\nvon der Komplexitat und Schwierigkeit der Materie und der - vor allem\nwirtschaftlichen - Bedeutung des Vertrages abhangt. So wurde bei Mietvertragen\neine Frist von 2 bis 3 Wochen fur angemessen erachtet (OLG Dresden, NZG 2005,\n72; OLG Naumburg, NZG 2005, 75), wahrend beim Erwerb einer Eigentumswohnung\neine Zeitspanne von 6 Wochen zugebilligt wurde (OLG Dresden, BauR 2005, 559). \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| b) Im vorliegenden Fall ging das am 21.11.2003 ubermittelte Angebot bei der\nKlagerin am 24.11.2003 ein, so dass die Zeit bis zum Widerruf (1.12.2003)\nlediglich 7 Tage betrug. Bis zum Zugang der Annahmeerklarung (3.12.2003) waren\n9 Tage verstrichen. Berucksichtigt man, dass sich die Vertragsverhandlungen\nder Parteien uber mehrere Monate hingezogen hatten, sich die Beklagte selbst\nmit der Übermittlung des bereits am 7.11.2003 unterzeichneten Angebots mehr\nals 2 Wochen Zeit gelassen hatte und dass es sich um ein rechtlich\nkompliziertes Vertragswerk handelte, welches eine sorgfaltige Prufung - auch\nunter Hinzuziehung eines rechtlichen Beraters - als ratsam erscheinen ließ, so\nkann nicht angenommen werden, dass die Annahmefrist am 1.12.2003 bereits\nabgelaufen war, als die Beklagte ihr Angebot widerrief. Dies wurde auch\ngelten, soweit es auf den Zeitpunkt der Annahme ankame, weil eine Prufungs-\nund Überlegungsfrist von 9 Tagen nicht als zu lang erscheint. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| c) Dies bedeutet, dass die Beklagte bei Zugang des Widerrufsschreibens vom\n28.11.2003, also am 1.12.2003, noch an ihren Antrag gebunden war und sie sich\nhiervon grundsatzlich auch nicht losen konnte. \n--- \n--- \n**_II._ ** \n--- \n| 33 \n--- \n| Der Widerruf vom 28.11.2003 ist aber wie eine vorweggenommene Kundigung des\nin Aussicht genommenen Vertrages zu behandeln. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| 1\\. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 28.11.2003 (Bl. 31/32 d.A.) ergibt\nsich, dass die Beklagte die vertraglichen Beziehungen mit der Klagerin im\nHinblick auf den Vorfall vom selben Tag in jedem Fall beenden wollte und zu\neiner weiteren Zusammenarbeit auf der Grundlage des in Aussicht genommenen\nVertrages unter keinen Umstanden mehr bereit war. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| 2\\. Der Senat teilt die Auffassung, dass ein - noch nicht angenommenes -\nVertragsangebot keine starkere Bindung entfalten kann als ein bereits\ngeschlossener Vertrag und daher im Zeitraum zwischen dem Zugang des Angebots\nund seiner Annahme eine Beendigung der Bindung des Antragenden in\nentsprechender Anwendung der fur den jeweiligen Vertrag geltenden\nKundigungsvorschriften moglich sein muss (so fur die fristlose Kundigung OLG\nDusseldorf, NJW-RR 1991, 31; Kramer in Munchener Kommentar zum BGB, 4.\nAuflage, RN 18 zu § 145 BGB). Dies gilt nicht nur bei außergewohnlich langen\nAnnahmefristen, sondern - aus Grunden teleologischer Rechtsanwendung -\nallgemein. Ware sogar die Kundigung eines bereits geschlossenen Vertrages\nmoglich, so muss die Bindung an ein bloßes Vertragsangebot erst recht beendet\nwerden konnen. \n--- \n--- \n**_III._ ** \n--- \n| 36 \n--- \n| Da es sich bei dem in Aussicht genommenen Filmproduktionsvertrag um einen\nWerkvertrag (§§ 631 ff.BGB) gehandelt hatte, konnte sich die Beklagte von\nihrem Angebot nach den Grundsatzen der fristlosen Kundigung (§ 314 BGB) oder\naber - soweit ein wichtiger Grund nicht vorlag - entsprechend § 649 BGB (sog.\nfreie Kundigung) losen. Die Voraussetzungen einer Kundigung aus wichtigem\nGrund lagen nicht vor (unten 3.), so dass die Anspruche der Klagerin nach §\n649 BGB abzurechnen sind (unten 4.). \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| 1\\. Bei dem in Aussicht genommenen Auftragsproduktionsvertrag (Bl. 20\nff.d.A.) handelt es sich - wovon beide Parteien zu Recht ausgehen - um einen\nWerkvertrag (§§ 631 ff. BGB), weil die Klagerin nicht nur die Erbringung einer\nDienstleistung, sondern die Erstellung eines korperlichen und zugleich\ngeistigen Werks und damit einen Erfolg ihrer Tatigkeit geschuldet hatte. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| 2\\. Dass ein Werkvertrag - ungeachtet der Moglichkeit einer freien\nKundigung nach § 649 BGB - in den Fallen einer gravierenden, das\nVertrauensverhaltnis zerstorenden positiven Vertragsverletzung gekundigt\nwerden kann mit der Folge, dass dem Unternehmer fur die nicht erbrachten\nLeistungen keine Vergutung zusteht und der Anspruch auf Bezahlung der bereits\nerbrachten Leistungen entfallt, soweit diese fur den Besteller ohne Wert sind,\nwar vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes in der\nRechtsprechung anerkannt (BGHZ 45, 372; BGH NJW 1993, 1972; NJW-RR 1996, 1108;\nOLG Hamm, NJW-RR 1998, 380; Palandt-Sprau, BGB, 61. Auflage, RN 2 zu § 649\nBGB). \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Diese Grundsatze gelten - in der Sache unverandert - auch nach dem 1.1.2002\njedenfalls dann, wenn es sich um ein langerfristiges Vertragsverhaltnis\nhandelt und das gegenseitige Vertrauen der Vertragspartner als Voraussetzung\neiner erfolgreichen Zusammenarbeit unabdingbar ist (Palandt-Sprau, BGB, 65.\nAuflage, RN 10 zu § 649 BGB; Busche in Munchener Kommentar zum BGB, 4.\nAuflage, RN 32 zu § 649 BGB). Grundlage des Kundigungsrechts ist der\nRechtsgedanke des § 314 BGB, der bei Dauerschuldverhaltnissen eine vorzeitige\nVertragsbeendigung erlaubt, wenn dem kundigenden Teil unter Berucksichtigung\naller Umstande des Einzelfalls und unter Abwagung der beidseitigen Interessen\neine Fortsetzung des Vertragsverhaltnisses bis zur vereinbarten Beendigung\noder bis zum Ablauf der Kundigungsfrist nicht zugemutet werden kann. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Im vorliegenden Fall eines auf die Erstellung eines sendefahigen\nFilmbeitrags gerichteten Produktionsvertrages handelt es sich um ein\nlangerfristiges Vertragsverhaltnis in dem genannten Sinn, weil die\nLeistungserbringung der Klagerin nicht nur einen langeren Zeitraum\nbeanspruchte, sondern wahrend der Produktionsphase ein mehr oder minder\nhaufiger Kontakt der Parteien zum Zwecke der Abstimmung und Kooperation\nerforderlich war, was die Vertragsbeziehungen - jedenfalls in Teilen - einem\nDauerschuldverhaltnis annaherte. Daher geht der Senat zu Gunsten der Beklagten\ndavon aus, dass ein Widerruf ihres Angebots entsprechend § 314 BGB\ngrundsatzlich in Betracht kam. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| 3\\. Die Voraussetzungen des § 314 BGB lagen bei Zugang des\nWiderrufsschreiben vom 28.11.2003, also am 1.12.2003, aber nicht vor.\nInsbesondere rechtfertigte der Vorfall vom 28.11.2003 weder fur sich\nbetrachtet, noch in Zusammenschau mit dem behaupteten fruheren Verhalten des\nM. eine sofortige Beendigung der weiteren Zusammenarbeit aus wichtigem Grund. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| a) Ein wichtiger Grund nach § 314 BGB liegt vor, wenn Umstande gegeben\nsind, die dem kundigenden Teil eine Fortsetzung des Vertrags unter\nBerucksichtigung aller Umstande des Einzelfalles und unter Abwagung der\nbeidseitigen Interessen als nicht mehr zumutbar erscheinen lassen. Gemaß § 314\nAbs.2 BGB ist, soweit der Kundigungsgrund in einer Vertragsverletzung besteht,\ngrundsatzlich eine vorherige Abmahnung erforderlich, es sei denn, dass diese\nwegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 323 Abs.2 BGB im konkreten Fall\nentbehrlich ist. Als Umstande, die eine sofortige Beendigung des Vertrags ohne\nAbmahnung auch unter Berucksichtigung der Interessen des anderen Teil\nrechtfertigen konnen, kommen insbesondere gravierende Vertragsverletzungen in\nBetracht. Eine Kundigung ohne Abmahnung ist aber auch insoweit nur\ngerechtfertigt, wenn die notwendige Vertrauensgrundlage als Basis der weiteren\nZusammenarbeit nicht mehr besteht und auch durch kunftiges vertragsgerechtes\nVerhalten nicht wiederhergestellt werden kann. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| b) In Anwendung dieser Grundsatze erscheint das von der Beklagten\nbehauptete Verhalten von M. am 28.11.2003 als nicht so schwerwiegend, dass es\nder Beklagten nicht zuzumuten gewesen ware, die Klagerin abzumahnen, um ihr\nbzw. ihrem Mitarbeiter F. zu signalisieren, dass kunftige ahnliche\nVerhaltensweisen nicht mehr toleriert werden wurden und mit der sofortigen\nBeendigung des Vertrags zu rechnen sein wurde. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| aa) Der Senat lasst offen, ob einer Kundigung aus wichtigem Grund ohne\nvorherige Abmahnung nicht bereits der - formale - Umstand entgegensteht, dass\nM. selbst nicht Vertragspartner der Beklagten war und auch nicht behauptet\nist, dass sein Fehlverhalten - insbesondere vor dem 28.11.2003 - den\nGesellschaftern der Klagerin bekannt war oder hatte bekannt sein mussen. Es\nerscheint jedenfalls nicht ausgeschlossen, eine vorherige Abmahnung schon\ndeshalb zu verlangen, um den von M. personenverschiedenen Gesellschaftern der\nKlagerin die Moglichkeit zu geben, auf F. einzuwirken und ihn durch geeignete\nMaßnahmen von kunftigem Fehlverhalten abzuhalten. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| bb) Weder das behauptete Verhalten von M. am 28.11.2003 noch die\nbehaupteten vorangegangen Beschimpfungen von Mitarbeitern der Beklagten,\ninsbesondere wahrend der Vertragsverhandlungen, rechtfertigten eine Kundigung\naus wichtigem Grund ohne vorherige Abmahnung. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| (1) Soweit die Beklagte behauptet, M. habe sich bereits vor dem 28.11.2003\nmehrfach in abfalliger und beleidigender Weise uber Mitarbeiter der Beklagten,\ninsbesondere aus der Vertragsabteilung, geaußert, so kann dies als wahr\nunterstellt werden. Dieses Verhalten mag - je nach Anlass - ungebuhrlich\ngewesen sein und hatte gegebenenfalls eine deutliche Ruge und Ermahnung\ngegenuber der Klagerin gerechtfertigt. Eine solche ist aber offensichtlich\nnicht erfolgt, jedenfalls nicht durch die zustandigen Entscheidungstrager der\nBeklagten. Soweit die Beklagte - allerdings nur sehr wenig konkret -\nbehauptet, der Redakteur O. habe M. aufgefordert, Beleidigungen zu\nunterlassen, so stellte dies keine Erklarung im Sinne einer Abmahnung dar,\nweil M. hierzu nicht bevollmachtigt war und - auch nach dem eigenen Vortrag\nder Beklagten - eine Beendigung der Zusammenarbeit nie - ernsthaft - angedroht\nwurde. Vielmehr hat die Beklagte ungeachtet der angeblichen Beleidigungen die\nZusammenarbeit fortgesetzt und der Klagerin den Abschluss des Vertrages\nangeboten. Sie hat damit selbst zu erkennen gegeben, dass sie das\nFehlverhalten als nicht so schwerwiegend ansah, dass es der Zusammenarbeit\nentgegenstand. Daher kann sie - ohne sich mit ihrem eigenen Verhalten in\nWiderspruch zu setzen (§ 242 BGB) - eine fristlose Kundigung nicht auf etwaige\nVerfehlungen stutzen, die sich in der Phase der Vertragsverhandlungen ereignet\nhaben sollen. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| (2) Ein wichtiger Grund zur sofortigen Beendigung der Zusammenarbeit ohne\nvorherige Abmahnung ergibt sich auch nicht aus dem Vorfall vom 28.11.2003.\nDabei geht der Senat - zu Gunsten der Beklagten - von den vom Landgericht\ngetroffenen Feststellungen aus (LG-Urteil S.7, Bl. 307 d.A.), wonach M.\ngegenuber O. die Frage des Internet-Auftritts von sich aus ansprach und -\nnachdem M. ihm zu verstehen gegeben hatte, dass er sich insoweit nicht fur\nzustandig hielt - erklarte, dass er sich nun zuerst um diese Angelegenheit\nkummern musse und deshalb ein Anschauen des Films nicht mehr in Frage komme. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Selbst wenn sich die Vorgange - ungeachtet der gegenteiligen bzw. stark\nrelativierenden Aussage von M. - in dieser Weise abgespielt haben sollten, hat\nM. sich zwar hochst ungehorig und vertragswidrig verhalten, so dass die\nKlagerin gegebenenfalls fur die durch eine Wiederholung des Termins\nentstehenden Mehrkosten hatte einstehen mussen. Der Senat kann auch gut\nnachvollziehen, dass sich O. bruskiert und provoziert fuhlte. Allerdings ist\nbei der Gesamtbewertung auch zu berucksichtigen, dass M. sich schon am\ndarauffolgenden Arbeitstag, dem 1.12.2003, per E-Mail (Bl. 171 d.A.) bei O.\nentschuldigte und ihm anbot, den Film gemeinsam anzuschauen, wann immer M.\nwollte. Dieser Umstand erscheint - auch wenn der Widerruf bereits am\n28.11.2003 erklart wurde - nicht belanglos. Aber auch unabhangig davon war es\n- zumal im Hinblick auf den bereits erreichten Arbeitsstand - der Beklagten\nzumutbar, die Klagerin zunachst abzumahnen und ihr so eine „zweite Chance"\neinzuraumen, zumal dies auch zeitlich gesehen moglich gewesen ware. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Es kann unterstellt werden, dass es sich bei der geplanten Besprechung vom\n28.11.2003 um einen - aus Sicht der Beklagten - wichtigen Termin handelte, bei\ndem es darum ging, die bisherige Arbeit von M. zu begutachten, um\ngegebenenfalls Hinweise fur die endgultige Erstellung der Produktion erteilen\nzu konnen. Vertraglich verbindlich war die Rohschnittvorfuhrung allerdings\nerst fur den 8.12.2003 vorgesehen und die Fertigstellung hatte bis zum\n15.12.2003 zu erfolgen. Sendetermin sollte erst im Januar 2004 sein. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Es ist weder substantiiert behauptet noch plausibel, dass diese Termine bei\neiner Verzogerung der Besichtigung um wenige Tage nicht hatten eingehalten\nwerden konnen. Aus der vorgelegten Korrespondenz zur Vereinbarung des Termins\nvom 28.11.2003 lasst sich jedenfalls eine besondere Dringlichkeit oder\nzeitliche Enge nicht erkennen. Es ist daher davon auszugehen, dass eine\nfristgerechte Durchfuhrung des Filmprojektes nicht ernsthaft gefahrdet gewesen\nware, wenn sich die Beklagte bzw. O. bereit erklart hatten, in der Woche ab\ndem 1.12.2003 einen erneuten Termin zu vereinbaren. Dass dies wegen\nanderweiter Planungen nicht moglich gewesen ware, hat die Beklagte weder\nbehauptet noch ergibt es sich aus dem Vermerk von O. vom 28.11.2003 (Bl. 95/96\nd.A.), in dem der zeitliche Aspekt ohnehin nur eine untergeordnete Rolle\nspielt. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| c) Unter Berucksichtigung aller vorgenannten Umstande und unter Abwagung\nder beidseitigen Interessen der Parteien geht der Senat daher davon aus, dass\ndas vom Landgericht festgestellte und auch das von der Beklagten behauptete\nVerhalten M.s zwar eine Abmahnung rechtfertigte, dass aber die Voraussetzungen\neiner sofortigen Kundigung nach §§ 314 Abs.2, 323 Abs.2 BGB nicht gegeben\nwaren. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| 4\\. Daraus folgt allerdings nicht, dass der Widerruf vom 28.11.2003\nunwirksam ware. Er ist vielmehr - in entsprechender Anwendung des § 649 BGB -\nwie eine freie Kundigung zu behandeln, so dass der Klagerin Anspruch auf die\nzugesagte Vergutung zusteht. Es hat also eine Abrechnung zu erfolgen, wie wenn\neine Kundigung nach § 649 BGB erfolgt ware. Auf Grund dieser Abrechnung steht\nder Klagerin der zugesprochene Betrag zu. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| a) Das Schreiben vom 28.11.2003, der Klagerin zugegangen per Fax am\n1.12.2003, ist auch als freier Widerruf entsprechend § 649 BGB auszulegen.\nZwar mag die Rechtsabteilung der Beklagten - insbesondere Herr Wi. (vgl.\ndessen Schreiben vom 5.12.2003, Bl. 30 d.A.) - irrigerweise angenommen haben,\ndass der Widerruf eines Vertragsangebots nicht nur bis zu dessen Zugang beim\nEmpfanger (§ 130 Abs.1 Satz 2 BGB), sondern bis zur Annahme moglich sei. Aus\ndem Schreiben vom 28.11.2003 ergibt sich aber, wie auch aus den folgenden\nSchreiben vom 4.12.2003 (Bl. 88 d.A.) und vom 5.1.2004 (Bl. 30 d.A.) mit\nhinreichender Deutlichkeit, dass die Beklagte unter keinen Umstanden mehr an\nder weiteren Zusammenarbeit mit der Klagerin interessiert war und die\nRechtsbeziehungen in jedem Fall beenden wollte. Daher ist die Erklarung vom\n28.11.2003 - ungeachtet der gesetzlichen Rechtsfolgen einer grundsatzlich\nfortbestehenden Zahlungspflicht - als Widerruf entsprechend § 649 BGB\nanzusehen. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| b) Daraus folgt, dass der Klagerin im Ausgangspunkt die volle Vergutung\nentsprechend dem Angebot der Beklagten vom 7.11.2003 zusteht und sie sich\nhierauf anrechnen lassen muss, was sie dadurch erspart hat, dass der Vertrag\nnicht zur vollstandigen Durchfuhrung gelangt ist (§ 649 BGB entsprechend).\nFerner ist der Erlos aus der anderweiten Verwertung des Filmes bei SPIEGEL TV\nanzurechnen, den die Klagerin zwar nicht im Wortsinne durch „anderweitige\nVerwendung der Arbeitskraft" erzielt hat, den sie aber nur deshalb\nerwirtschaften konnte, weil ihr wegen des Wegfalls der Bindung die\nVerwertungsrechte verblieben sind. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| aa) Die Klagerin verlangt - von einem Teil der Kosten des Schnittplatzes\nabgesehen - Vergutung nur fur die bis zum 1.12.2003 erbrachten Leistungen .\nBis zur Kundigung erbrachte Leistungen sind - auch beim vorzeitig gekundigten\nVertrag - nach § 632 BGB abzurechnen (BGH NJW-RR 2000, 309). Da im\nvorliegenden Fall aber ein Pauschalpreis vorgesehen war, ist zunachst eine\nAbgrenzung der erbrachten von den nicht erbrachten Leistungen vorzunehmen, um\nden auf die erbrachten Leistungen entfallenden Vergutungsanteil uberhaupt\nfeststellen zu konnen. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Im Prozess uber die Abrechnung eines vorzeitig gekundigten Werkvertrages\nhat der Werkunternehmer zunachst substantiiert vorzutragen, welche Leistungen\ner bis zu Kundigung (1.12.2003) bereits erbracht hat und in welchem Verhaltnis\ndiese - wertmaßig - zu den noch nicht erbrachten Leistungen stehen. Diese\nDarlegung ist so weit zu konkretisieren, dass dem Besteller eine Überprufung\nder Abrechnung und eine sachgerechte Verteidigung moglich ist (BGH NJW 2001,\n85 = BauR 2001, 251; NJW-RR 2002, 1532). Genugt der Vortrag des Unternehmers\ndiesen Anforderungen, so kann sich der Besteller nicht darauf beschranken, die\nAbrechnung der Klagerin pauschal oder mit Nichtwissen zu bestreiten. Vielmehr\nhat er sich inhaltlich und substantiiert mit der vorgetragenen Abrechnung\nauseinander zu setzen. Er hat im Streitfall zu beweisen, dass die behaupteten\nLeistungen nicht erbracht wurden und sich daher eine hohere als die\nvorgetragene Ersparnis ergibt (Palandt-Sprau, BGB, 65. Auflage, RN 8 zu § 649\nBGB: Abrechnung nur vorzutragen). \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| bb) Der Vortrag der Klagerin genugt den Anforderungen an eine\nsubstantiierte Abrechnung. Sie hat mit Schriftsatz vom 12.8.2005 (Bl. 289\nff.d.A.) vorgetragen, dass der Film am 8.12.2003 bis auf die Sprachaufnahme\nund die Ton-Mischung fertiggestellt gewesen sei. Zum Stand am 1.12.2003, auf\nden es ankommt, hat sie mit Schriftsatz vom 3.5.2006 (Bl. 428/429 d.A.)\ndargelegt, dass bereits samtliches Filmmaterial hergestellt gewesen sei, alle\nnotwendigen Recherchen erfolgt seien und sie bereits am 25.11.2003 mit dem\nSchnitt begonnen habe. Die Konzeption habe gestanden, Archivarbeit,\nRecherchen, Dreharbeiten seien abgeschlossen gewesen; 10 Drehkassetten seien\ngesichtet gewesen, man habe auch bereits detaillierte Inhaltsangaben fur jede\nEinzelkassette mit Erlauterungen der Kameraeinstellungen erstellt gehabt.\nFerner seien die fur den Schnitt notwendigen Passagen bereits ausgewahlt und\nvon dem auf 10 Tage angesetzten Schnitt bereits 5 Tage absolviert gewesen\n(vgl. Bl. 423, 429 d.A.). Gefehlt hatten nur noch die Sprachaufnahme und die\nVertonung. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Anhand dieser Angaben ist - jedenfalls fur einen Fachkundigen -\nnachvollziehbar und verstandlich, welcher Arbeitsstand am 1.12.2003 gegeben\nwar, zumal auch vorgetragen ist, dass fur die endgultige Fertigstellung des\nFilms nur noch 7 Arbeitstage von M. erforderlich gewesen waren, an denen auch\nder restliche Schnitt noch hatte vollendet werden konnen. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Detaillierterer Vortrag kann der Klagerin - jedenfalls als Einstieg - nicht\nabverlangt werden. Das Vorbringen genugt zunachst, um der Beklagten eine\nsachgerechte Verteidigung zu ermoglichen. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| cc) Auf dieser Grundlage ware es Sache der Beklagten gewesen, den\nvorgetragenen Leistungsstand nicht nur - pauschal und mit Nichtwissen - zu\nbestreiten, sondern zumindest konkret aufzuzeigen, inwieweit und aus welchen\nGrunden der Anteil der erbrachten Leistungen im Verhaltnis zu den nicht\nerbrachten Leistungen anders zu bewerten ist. Erst dann ware zu erwagen\ngewesen, von der Klagerin eine weitere Vertiefung ihres Vortrags zu verlangen.\nDas Vorbringen der Beklagten beschrankt sich im Wesentlichen auf pauschales\nBestreiten, womit die Beklagte die Abrechnung der Klagerin nicht zu Fall\nbringen kann. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| (1) Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 20.3.2006 (Bl. 398 ff.d.A.) im\nHinblick auf den Beschluss des Senats vom 7.2.2006 (Bl. 392 ff.dA.) mit der\nAuflage, zur Hohe des Anspruchs Stellung zu nehmen, lediglich vorgetragen, es\nsei festzustellen, dass am 28.11.2003 lediglich ca. 1/3 des abzuliefernden\nFilms produziert gewesen sei und - was freilich mit dem Leistungsstand nichts\nzu tun hat - vollig unklar sei, ob die Klagerin fur die weitere Tatigkeit von\nM. noch irgend eine Vergutung geleistet habe (Bl. 404 d.A.). Ferner hat sie,\nwas allerdings mit der Fragestellung ebenfalls nichts zu tun hat, fehlende\nDarlegungen zum Vertragsverhaltnis mit M. gerugt. Die weiteren Ausfuhrungen\n(Bl. 406 d.A.) beziehen sich nicht auf den Leistungsstand, sondern auf die\nFrage einer kalkulatorischen Ersparnis, die sich in Bezug auf die erbrachten\nLeistungen aber so nicht stellt. Mit Schriftsatz vom 9.6.2006 (Bl. 552 ff.)\nhat die Beklagte den klagerischen Vortrag - pauschal - mit Nichtwissen\nbestritten und - im Gegensatz zu ihrem fruheren Vorbringen - erklart, sie\nkonne noch nicht einmal zugestehen, dass ein 17-minutiger Film vorgelegen\nhabe. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| (2) Dieser Vortrag genugt nicht, die Abrechnung der Klagerin in Zweifel zu\nziehen. Erst recht hat die Beklagte ihrer eigenen, sich aus § 649 BGB\nergebenden Darlegungs- und Beweislast nicht Genuge getan. Die Beklagte hat\nsich inhaltlich mit den einzelnen Behauptungen der Klagerin zum Leistungsstand\nuberhaupt nicht naher auseinandergesetzt und zum weiteren Vorbringen im\nSchriftsatz vom 3.5.2003 (Bl. 429 ff. d.A.) nicht einmal Stellung genommen.\nDaher ist der Abrechnung das Vorbringen der Klagerin im Schriftsatz vom\n12.8.2005 (Bl. 289 ff.d.A.) zu Grunde zu legen. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| c) Diese Abrechnung - auf die der Senat Bezug nimmt und die rechnerisch von\nder Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen wurde - ergibt einen Anspruch von\n45.519,40 EUR. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| aa) Die Behauptung der Beklagten, fur M. sei ein hoherer Stundensatz zu\nveranschlagen als die eingesetzten 230.-EUR netto, ist unerheblich, weil die\nAbrechnung auf der Grundlage der Kalkulation des Pauschalpreises zu erfolgen\nhat und im Angebot vom 15.9.2003 (Bl. 138/139 d.A.) dieser Stundensatz\nenthalten ist. \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| bb) Soweit die Klagerin hinsichtlich der Kosten fur die Anmietung des\nSchnittplatzes Bezahlung fur den gesamten vorgesehenen Zeitraum von 10 Tagen\nverlangt und damit auch Vergutung fur nicht erbrachte Leistungen beansprucht,\nsteht ihr dieser Anspruch unter dem Blickwinkel des § 649 BGB zu. Insoweit hat\ndie vorzeitige Beendigung des Projektes aus Sicht der Klagerin zu keiner\nErsparnis gefuhrt, weil sie die Rechnung der Fa. D. & K. vom 15.12.2003 (Bl.\n176 d.A.) fur den angemieteten Schnittplatz in voller Hohe (7.021,48 EUR) zu\nbezahlen hatte. Die Beklagte hat nicht bewiesen, dass insoweit eine Ersparnis\neingetreten ist. \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| cc) Daraus folgt, dass der Klagerin im Ausgangspunkt eine Vergutung von\n45.519,40 EUR zusteht, auf die sie sich jedoch den Erlos aus der anderweiten\nVerwertung des Films uber SPIEGEL TV anrechnen lassen muss. Dieser Erlos in\nHohe von - unstreitig - 13.075,15 EUR wurde zwar nicht durch die „anderweite\nVerwendung der Arbeitskraft" erzielt. Er ist aber gleichwohl eine (mittelbare)\nFolge davon, dass der Vertrag nicht durchgefuhrt wurde. Ware der Vertrag - wie\ngeplant - zur Durchfuhrung gelangt, so hatten die Nutzungsrechte im Inland\nausschließlich bei der Beklagten gelegen (§ 6 des Vertragsentwurfs, Bl. 23\nd.A.) und eine Verwertung des Materials bei SPIEGEL TV hatte nicht erfolgen\nkonnen. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| Es ist anerkannt, dass der aus einer anderweiten Veraußerung des erstellten\nWerks erzielte Erlos dem Unternehmer in analoger Anwendung des § 649 BGB\nentgegengehalten werden kann (BGH NJW-RR 1986, 1026; NJW-RR 1992, 1077; Busche\nin Munchener Kommentar zum BGB, RN 27 zu § 649 BGB). Entsprechendes muss\ngelten, wenn die anderweiten Einnahmen sonst im Hinblick auf den Wegfall der\nvertraglichen Bindungen erzielt werden konnten. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| Die Klagerin kann diesem Erlos die Rechnung des M. (PR... P.....) vom\n31.5.2004 (Bl. 181/182 d.A.) nur insoweit entgegenhalten, als es sich um\nAufwendungen handelt, die ihrerseits mit der Produktion fur SPIEGEL TV in\nZusammenhang stehen. Dies ist hinsichtlich der Positionen 601, 602, 605, 606,\n607 sowie der Titel 03 und 04 der Fall, nicht aber bezuglich der Kosten fur\ndie Akquise (Pos. 604) in Hohe von 7.660.-EUR zuzuglich 7 % Mehrwertsteuer\n(536,20 EUR). Hinsichtlich dieser Akquise bei verschiedenen TV-Redaktionen hat\ndie Klagerin zwar umfangreiche Unterlagen vorgelegt (Bl. 481 ff. d.A.). Es ist\naber weder vorgetragen noch nahe liegend, dass die umfangreichen Bemuhungen\nvon M. dazu dienten, den Auftrag von SPIEGEL TV zu erlangen, zumal die\nReisekosten fur SPIEGEL TV in der Rechnung vom 31.5.2004 (Bl. 181/182 d.A.)\nauch gesondert abgerechnet sind. Soweit die in Rechnung gestellten\nAufwendungen angefallen sind, um auch andere Interessenten zu kontaktieren, so\nkonnen sie dem erzielten Erlos von SPIEGEL TV nicht entgegengehalten werden.\nZu einem großen Teil sind auslandische Interessenten betroffen, denen nach dem\navisierten Vertrag (vgl. § 6) das Material ohnehin hatte angeboten werden\ndurfen, so dass sich die Klagerin auch einen etwaigen Verwertungserlos nicht\nhatte anrechnen lassen mussen. \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| Damit verbleibt aus der Rechnung der Fa. PR... P..... ein Betrag von\n4.302,48 EUR, den die Klagerin mit dem Erlos verrechnen kann. Im Ergebnis hat\nsie daher aus der Verwertung bei SPIEGEL TV einen Netto-Erlos von 8.772,48 EUR\nerzielt, der von der Vergutung (45.519,40 EUR) abzuziehen ist. Der Klagerin\nsteht daher eine Vergutung in Hohe von **36.746,92** EUR zu. \n--- \n--- \n**_IV._ ** \n--- \n| 70 \n--- \n| Gegen diese Forderung kann die Beklagte nicht mit Erfolg einwenden, das\nWerk der Klagerin sei mangelhaft gewesen, weil es nicht den Anforderungen an\neinen sendefahigen Beitrag entsprochen habe. \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| 1\\. Auch in den Fallen des § 649 BGB steht dem Besteller allerdings -\ngrundsatzlich - der Einwand offen, dass die erbrachten Leistungen, von der\nfehlenden Vollstandigkeit abgesehen, mangelhaft seien (BGH NJW 1997, 259; BGHZ\n136, 33). Werden Mangel schlussig und substantiiert geltend gemacht, so tragt\nder Unternehmer die Beweislast dafur, dass sein Werk - von der\nUnvollstandigkeit abgesehen - mangelfrei erbracht ist (BGH NJW 1997, 259;\nPalandt-Sprau, BGB, 65. Auflage, RN 8 zu § 649 BGB). \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| 2\\. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte behauptet, der - nach dem\n28.11.2003 - fertig gestellte und der Beklagten im Januar 2004 ubersandte Film\nhabe grundlegende konzeptionelle und dramaturgische Schwachen gehabt; es habe\nder rote Faden gefehlt, es seien keine klar herausgearbeiteten Protagonisten\nvorhanden gewesen, er sei kleinteilig und konzeptionslos geblieben, und es sei\neinem „Normalzuschauer" nicht moglich gewesen, dem darzustellenden Sachverhalt\nzu folgen (Bl. 405 d.A.). Insgesamt habe der Film nicht den Anspruchen genugt,\ndie die Beklagte fur die Reihe „Betrifft" erhebe (Bl. 405 d.A.). \n--- \n--- \n| 73 \n--- \n| 3\\. Es kann dahinstehen, ob die von der Beklagten behaupteten Eigenschaften\nuberhaupt einer objektiven Beurteilung als „mangelhaft" zuganglich sind.\nLetztlich handelt es sich - zumindest ganz uberwiegend - um Werturteile und\nEinschatzungen, die sich der Feststellung als Tatsachen entziehen. So ist\nbereits der Begriff des „Normalzuschauers" kaum zu definieren. Genauso wenig\nlasst sich die Bewertung als „konzeptionslos" objektivieren und als gegeben\noder nicht gegeben feststellen. So waren im Vertragsangebot der Beklagten vom\n7.11.2003, welches gegebenenfalls als Maßstab in Betracht kame, keine Vorgaben\nzu bestimmten Qualitatsanforderungen enthalten, an denen der Film gemessen\nwerden konnte. Schon aus diesen Grunden hat der Senat erhebliche Zweifel, ob\ndie Behauptungen der Beklagten uberhaupt als schlussige Mangelruge angesehen\nwerden konnten, zumal sich der Vortrag ersichtlich auf die im Januar 2004\nubersandte Fassung bezieht. \n--- \n--- \n| 74 \n--- \n| Dies kann aber im Ergebnis offen bleiben. Die von der Beklagten angefuhrten\nKriterien mogen zwar bei der Beurteilung eines fertigen Filmwerks von\nBedeutung sein. Dass und inwieweit sie schon der Beurteilung der Rohfassung\neines noch in der Entstehung befindlichen Films zu Grunde zu legen waren, hat\ndie Beklagte nicht dargetan. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| Am 1.12.2003, auf den die Abrechnung der Klagerin bezogen ist, musste\ngerade kein fertiges, sendefahiges Produkt erstellt sein. Ein solches hat die\nKlagerin der Abrechnung auch nicht zu Grunde gelegt, sondern ausdrucklich\nvorgetragen, dass ein großer Teil des Schnitts und die gesamte Vertonung des\nFilmes noch ausgestanden hatten und erst nach dem 1.12.2003 erfolgt seien. \n--- \n--- \n| 76 \n--- \n| Ausgehend von diesem Leistungsstand bedeuten angebliche konzeptionelle\nMangel in der Darstellung des Endprodukts, wie es der Beklagten im Januar 2004\nvorgelegen hatte und die nicht das recherchierte und verfilmte Material als\nden Hauptteil der erbrachten Leistungen betreffen konnten, keinen Mangel.\nJedenfalls hatten sie im Rahmen der Fertigstellung ohne Weiteres bereinigt\nwerden konnen. Dass bereits das Rohfilmmaterial mangelhaft gewesen ware, hat\ndie Beklagte nicht behauptet. \n--- \n--- \n**_V._ ** \n--- \n| 77 \n--- \n| Schließlich greift auch die hilfsweise erklarte Aufrechnung mit Anspruchen\nauf Zahlung einer Vertragsstrafe nicht durch. \n--- \n--- \n| 78 \n--- \n| 1\\. Dem Anspruch steht bereits entgegen, dass zur Zeit des Ereignisses vom\n28.11.2003 der Vertrag der Parteien noch nicht zustande gekommen war und daher\nauch eine wirksame Vertragsstrafenvereinbarung fehlte. Auch ohne Kundigung\nkame nur ein nach Vertragsschluss liegender Vorfall als Grund fur den Verfall\nder Vertragsstrafe in Betracht. \n--- \n--- \n| 79 \n--- \n| 2\\. Abgesehen davon kann das beanstandete Verhalten von M. vom 28.11.2003\nauch nicht als „Verletzung von Leistungs- und Gewahrleistungspflichten" i.S.\ndes § 14 Ziff.2 des Vertrages angesehen werden. Unter\n„Gewahrleistungspflichten" sind vertragliche oder gesetzliche\nMangelgewahrleistungsanspruche zu verstehen. „Leistungspflichten" konnen - je\nnach Willen der Parteien - neben den gegenseitigen Hauptleistungspflichten\nzwar auch vertragliche Nebenpflichten umfassen, soweit sie auf die Erbringung\neiner (Neben)Leistung gerichtet sind und sich nicht in bloßen Verhaltens- oder\nSchutzpflichten i. S. des § 241 Abs.2 BGB erschopfen. Eine vertragliche\nNebenleistungspflicht hat die Klagerin durch die Absage des Termins aber nicht\nverletzt, weil am 28.11.2003 keine bestimmte Leistung zu erbringen war,\nsondern nur O. Gelegenheit zu einer Sichtung gegeben werden sollte, was nicht\nals „Leistung" im Sinn des § 14 angesehen werden kann. \n--- \n--- \n**_VI._ ** \n--- \n| 80 \n--- \n| Auf Grund der vorstehenden Ausfuhrungen steht der Klagerin gegen die\nBeklagte ein Vergutungsanspruch in Hohe von 36.746,73 EUR zu, der - wie\nausgeurteilt - unter Verzugsgesichtspunkten gemaß § 288 Abs.2 BGB ab dem\n19.3.2004 mit 8 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz zu verzinsen ist.\nEntsprechend ihrem Antrag (§ 308 Abs.1 ZPO) kann die Klagerin den genannten\nBetrag aber nur Zug um Zug gegen Übergabe eines Films nach Maßgabe des\nVertragsangebots vom 7.11.2003 - ohne Sprechertext - fordern. \n--- \n--- \n| 81 \n--- \n| Da sich die Berufung somit in dem genannten Umfang als erfolgreich erweist,\nist das angefochtene Urteil entsprechend abzuandern. Die Kostenentscheidung\nfolgt aus den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs.1 ZPO. Fur den ersten Rechtszug ist zu\nberucksichtigen, dass die Klagerin zunachst 47.728,03 EUR geltend gemacht\nhatte und die Klage erst nach der mundlichen Verhandlung ermaßigt hat, als\nsamtliche Gebuhren bereits angefallen waren. In der Berufung hat die Klagerin\nerstmals die Hilfsaufrechnung mit einer Vertragsstrafe von 15.000.-EUR geltend\ngemacht, was - da hieruber entschieden wurde - zu einer entsprechenden\nStreitwerterhohung (§ 45 Abs.3 GKG) fuhrt und bei der Kostenentscheidung zu\nberucksichtigten ist. \n--- \n--- \n**_VII._ ** \n--- \n| 82 \n--- \n| Grunde, die die Zulassung der Revision rechtfertigen konnten (§ 543 Abs.2\nZPO) sind nicht gegeben. Weder hat die Sache grundsatzliche, d.h. uber den\nEinzelfall hinausreichende Bedeutung noch kommt eine Fortbildung des Rechts in\nBetracht. Auch weicht der Senat nicht von Entscheidungen anderer Gerichte ab,\nso dass auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht in Frage\nsteht. \n---\n\n |
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142,207 | olgkarl-2006-08-10-1-ak-106 | 146 | Oberlandesgericht Karlsruhe | olgkarl | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 1 AK 1/06 | 2006-08-10 | 2019-01-08 23:42:29 | 2019-02-12 13:10:37 | Beschluss | ## Tenor\n\n1\\. Die Auslieferung des Verfolgten nach Rumanien aufgrund des\nAuslieferungsersuchens der rumanischen Justizbehorden vom 01. Februar 2006\nwird fur nicht zulassig erklart.\n\n2\\. Der Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 17. Februar 2006 wird\naufgehoben.\n\n3\\. Die dem Verfolgten im Auslieferungsverfahren entstandenen notwendigen\nAuslagen fallen der Staatskasse zur Last.\n\n4\\. Eine Entschadigung fur die erlittene Auslieferungshaft wird nicht\nbewilligt.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Verfolgte ... befindet sich seit dem 10. Januar 2006 in\nAuslieferungshaft. Die rumanischen Justizbehorden begehren seine Auslieferung\nzur Vollstreckung der Freiheitsstrafe von drei Jahren, die mit Urteil des\nBezirksgerichts B. vom 17.2.1998 in Verbindung mit Berufungsurteil des\nTribunals in B./Rumanien vom 19.2.1999, wegen „schweren Diebstahls", strafbar\nnach Art. 208 und 209 des rumanischen Strafgesetzbuchs, gegen ihn verhangt\nworden ist. Nach den Feststellungen hat der bis dahin nicht vorbestrafte\nVerfolgte am 09.6.1997 seine Wohnung mit einem Schraubenzieher und einem\nRucksack verlassen, um ein Auto aufzubrechen und Stehlenswertes zu entwenden.\nGegen 23 Uhr hat er in O./Rumanien einen PKW mit einem Autoradio entdeckt und\ndas Fahrzeug etwa eine Stunde lang beobachtet; er hat sodann mit dem\nSchraubenzieher dessen linke hintere Scheibe eingeschlagen, aus dem\nFahrzeuginnern das Autoradio entwendet und in seinem Rucksack verborgen. Wenig\nspater - noch am fruhen Morgen des 10.6.1997 - wurde er von der Polizei\nfestgenommen. Das Autoradio wurde sichergestellt und dem Geschadigten\nausgehandigt. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Verfolgte hat gegen seine Auslieferung Einwendungen erhoben und\npersonlich und durch seinen Rechtsbeistand vorgetragen, nicht diejenige Person\nzu sein, welche in dem dem Auslieferungsersuchen des rumanischen\nJustizministeriums vom 01.2.2006 zugrunde liegenden Strafverfahren wegen des\nVorwurfs eines in der Nacht vom 09./10.6.1997 in B./Rumanien begangenen\nDiebstahls am 10./11.6.1997 festgenommen war und wegen dieser Tat durch das\nStrafurteil de Bezirksgerichts in B./Rumanien vom 17.2.1998 rechtskraftig zu\nder Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden ist. Er habe Rumanien\nbereits am 19.10.1996 verlassen und sei seitdem nicht mehr nach dort\nzuruckgekehrt. \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Rechtsbeistand des Verfolgten hat außerdem - hilfsweise - vorgetragen,\ndass die zu vollstreckende Freiheitsstrafe von drei Jahren gegen\nubergeordnetes Recht verstoße. Die Verhangung einer Freiheitsstrafe von drei\nJahren wegen Diebstahls gegen einen zum Tatzeitpunkt 18 Jahre alten und nicht\nvorbestraften Tater sei unter Berucksichtigung seines Gestandnisses und des\nweiteren Umstands, dass das Autoradio an den Geschadigten zuruckgegeben werden\nkonnte und dieser kein Interesse an der Bestrafung des Taters hatte,\nunverhaltnismaßig. In allen europaischen Staaten werde eine solche Tat mit\neiner Freiheitsstrafe im bewahrungsfahigen Bereich geahndet. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Beschluss vom 11.4. 2006 hat der Senat im Hinblick auf die Einwendung\ndes Verurteilten, nicht diejenigen Person zu sein, der in B./Rumanien\nverurteilt worden sei, eine weitere Aufklarung des Sachverhalts fur notwendig\nerachtet und die rumanischen Justizbehorden um Vorlage weiterer Unterlagen\nersucht. Daruber hinaus hat der Senat den Verfolgten am 27.7.2006 mundlich\nangehort. \n--- \nII. \n--- \n| 5 \n--- \n| Nach abschließender Beurteilung ist die Auslieferung des Verfolgten nach\nRumanien gemaß dem Auslieferungsersuchen vom 01.2.2006 nicht zulassig. \n--- \n| 6 \n--- \n| 1\\. Der Senat ist allerdings zu der sicheren Überzeugung gelangt, dass es\nsich bei dem Verfolgten um diejenige Person handelt, die in Rumanien wegen des\nin der Nacht vom 09. auf den 10. Juni 1997 begangenen Diebstahls verurteilt\nworden ist. \n--- \n| 7 \n--- \n| Zwar konnten die rumanischen Justizbehorden weder Lichtbild noch\nFingerabdruck des Taters vorlegen, obwohl dieser unmittelbar nach der Tat\nfestgenommen worden ist und sich vom 10.6.1997 fur 24 Stunden in polizeilichem\nGewahrsam befunden hat. Gleichwohl besteht nach einer Gesamtschau der\nvorhandenen Indizien kein Zweifel daran, dass es der Verfolgte ist, der durch\ndie genannten Strafurteile wegen Diebstahls verurteilt worden ist. \n--- \n| 8 \n--- \n| (wird ausgefuhrt) \n--- \n| 9 \n--- \n| 2\\. Die Auslieferung des Verfolgten ist auch nicht deshalb unzulassig, weil\ner in seiner Abwesenheit verurteilt worden ist. \n--- \n| 10 \n--- \n| (wird ausgefuhrt) \n--- \n| 11 \n--- \n| 3\\. Gleichwohl ist die Leistung der Rechtshilfe vorliegend unzulassig, weil\ndie vollstreckende Freiheitsstrafe von drei Jahren unter zusammenfassender\nWurdigung aller Umstande zur Ahndung der vom Verfolgten begangenen Tat\nunertraglich hart erscheint und seine Auslieferung daher wesentlichen\nGrundsatzen der deutschen Rechtsordnung widersprache (§ 73 Satz 1 IRG). \n--- \n| 12 \n--- \n| Nach dem innerstaatlich aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatz\nder Verhaltnismaßigkeit muss die Schwere der Straftat und die Schuld des\nTaters in einem gerechten Verhaltnis zu der gesetzlich angedrohten oder der\ngerichtlich verhangten Strafe stehen. Die abstrakte Strafandrohung und die\nkonkret verhangte Strafe mussen im Hinblick auf das unter Strafe gestellte\nVerhalten bzw. die konkret abgeurteilte Tat nach ihrem konkreten Unrechts- und\nSchuldgehalt angemessen sein. Der Kernbereich dieser Anforderungen zahlt zu\nden unabdingbaren Grundsatzen der verfassungsrechtlichen Ordnung der\nBundesrepublik und fordert auch im Auslieferungsverkehr Beachtung (BVerfGE 63,\n332; 75, 1; NJW 1994, 2884; EuGRZ 1984, 271). \n--- \n| 13 \n--- \n| Ein Verfolgter darf zur Strafvollstreckung daher nicht ausgeliefert werden,\nwenn die Strafe, die gegen ihn im ersuchenden Staat verhangt worden ist, als\nunertraglich hart und als unter jedem denkbaren Gesichtspunkt unangemessen\nerscheint (BVerfGE 75, 1; im Anschluss hieran OLG Stuttgart, Die Justiz 2003,\n454; NStZ-RR 2002, 180; OLG Zweibrucken, StV 1996, 105; OLG Hamm, NStZ-RR\n2001, 315; siehe auch Senat, MDR 1997, 188; Vogel, in: Grutzner/Potz,\nInternationale Rechtshilfe in Strafsachen, 2. Aufl., § 73 Rn. 99). Es genugt\nnicht, dass die Strafe unter Berucksichtigung der in der Bundesrepublik\nDeutschland geltenden Grundsatze als eindeutig zu hart anzusehen ist, sondern\ndie Strafe muss - bei einer Gesamtschau des materiellen Rechts und unter\nEinbeziehung der vollstreckungsrechtlichen Regelungen und der\nVollzugssituation (vgl. BGH NStZ 1993, 547) - unertraglich hart und\nschlechthin unangemessen sein (BVerfG, a.a.O; a.A.\nSchomburg/Lagodny,Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 4.\nAufl. 2006, § 73 Rn. 60: kein im Auslieferungsrecht abgesenkter\nPrufungsmaßstab; siehe auch Lagodny, Grundrechte als Auslieferungsgegenrechte,\nNJW 1988, 2146). Bei der Prufung der Frage der Angemessenheit im\nAuslieferungsverkehr ist zu berucksichtigen, dass die Staaten unterschiedliche\nAuffassungen uber die Strafwurdigkeit kriminellen Verhaltens haben (vgl.\nBVerfGE 108, 129); dies gilt insbesondere fur den Bereich der\nEigentumsdelikte. \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Senat ist im Rahmen der gebotenen Gesamtwurdigung aller Umstande\nzunachst zu der Auffassung gelangt, dass die zur Vollstreckung anstehende\nFreiheitsstrafe von drei Jahren fur die abgeurteilte Straftat des\nqualifizierten Diebstahls insbesondere angesichts des Umstands, dass der\nVerfolgte zum Tatzeitpunkt 18 Jahre alt, nicht vorbestraft und gestandig\ngewesen ist und das Diebesgut an den Geschadigten zuruckgegeben werden konnte,\nin hohem Maße hart ist. Im Inland ware bei Anwendung von Erwachsenenstrafrecht\n(vgl. § 105 JGG) und angesichts des Vorliegens mehrerer Milderungsgrunde\nzweifelhafter Annahme eines besonders schweren Falls des Diebstahls im Sinne\ndes § 243 Abs. 1 StGB ein Strafrahmen von drei Monaten bis zu zehn Jahren\neroffnet. Bei der nach Sachlage nahe liegenden Anwendung von Jugendstrafrecht\nkame die Anordnung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln oder bei Bejahung\nschadlicher Neigungen die Verhangung einer Jugendstrafe von sechs Monaten bis\nzu zehn Jahren (§§ 18 Abs. 1, 105 Abs. 3 JGG) in Betracht. Unter\nBerucksichtigung der in den rumanischen Strafurteilen festgestellten\nTatmodalitaten ware im Inland bei Anwendung von Erwachsenen-strafrecht und\nunter Beachtung von § 47 StGB, der die Verhangung kurzzeitiger\nFreiheitsstrafen nur in Ausnahmefallen zulasst, die Verhangung einer\nGeldstrafe wahrscheinlich, die Verhangung einer Freiheitsstrafe von sechs\nMonaten bis zu einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewahrung moglich, eine\nhohere, insbesondere eine zu vollstreckende Freiheitsstrafe dagegen\nwahrscheinlich außerhalb des Spielraums, der dem Tatrichter im Rahmen der\nStrafzumessung zuzubilligen ist. Eine den aussetzungsfahigen Bereich\nubersteigende Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wurde den Bereich\nschuldangemessenen Strafens nach innerstaatlichen Grundsatzen eindeutig\nverlassen. Dabei hat der Senat darauf Bedacht genommen, dass die rumanischen\nStrafurteile maßgeblich auch generalpraventive Gesichtspunkte bei der\nStrafzumessung berucksichtigen und dies auch nach deutschem Recht nicht\ngrundsatzlich ausgeschlossen ist. Der Senat hat auch bedacht, dass\nEigentumskriminalitat nach den Vorstellungen des rumanischen Gesetzgebers, der\nden einfachen Diebstahl mit einem Strafrahmen von einem bis zwolf Jahren und\nden so genannten „Qualifizierten" Diebstahl mit einem Strafrahmen von drei bis\nfunfzehn Jahren versehen hat, ersichtlich als in hohem Maße strafwurdig\nanzusehen ist und diese gesetzgeberische Einschatzung des ersuchenden Staates\nim Rahmen des Vertretbaren zu respektieren ist. \n--- \n| 15 \n--- \n| Gleichwohl erscheint die verhangte Strafe von drei Jahren, auch wenn sie\ndie gesetzlich vorgesehene Mindeststrafe ist, vorliegend als sehr hart und\nunangemessen: \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Verfolgte war zum Tatzeitpunkt 18 Jahre alt und besuchte noch die\nSchule. Er war vor der Tat strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten.\nZwar handelte es sich insgesamt um eine geplante Tat; gleichwohl ist letztlich\ndurch die vom Verfolgten begangene Tat kein bleibender Schaden entstanden; der\nVerfolgte hatte das entwendete Autoradio bei seiner Festnahme bei sich\ngefuhrt, so dass das Diebesgut sichergestellt und an den Geschadigten\nzuruckgegeben werden konnte; der Geschadigte hat auf eine Strafverfolgung\nausdrucklich verzichtet. Hinzu tritt, dass der Verfolgte gegenuber Polizei und\nStaatsanwaltschaft bereits unmittelbar nach der Tat ein von echter Reue\ngetragenes Gestandnis abgelegt hat. Unter zusammenfassender Wurdigung aller\ndie Tat und den Tater charakterisierenden Umstande erscheint die Ahndung der\nTat mit einer Freiheitsstrafe von drei Jahren daher als außerordentlich hart. \n--- \n| 17 \n--- \n| Hinzu tritt, dass die Tat mittlerweile neun Jahre und auch die Verurteilung\ndurch das Bezirksgericht in B./Rumanien immerhin schon acht Jahre zuruckliegt\nund die Strafvollstreckung den Verfolgten, der seit vielen Jahren - soweit\nersichtlich - unauffallig in Frankreich lebt und arbeitet, besonders hart\ntrifft. Im Rahmen der Prufung der konkreten Vollstreckungs- und\nVollzugssituation hat der Senat berucksichtigt, dass die Haftbedingungen in\nRumanien - trotz aktueller Bemuhungen der rumanischen Behorden - jedenfalls\ndie in Mitteleuropa herrschenden durchschnittlichen Standards unterschreiten\nund als erheblich belastend angesehen werden mussen. Die Moglichkeiten einer\nvorzeitigen Entlassung aus dem Strafvollzug sind außerdem ungewiss.\nSchließlich wurde die im November 2005 geschlossene Ehe des Verfolgten durch\nden anstehenden - moglicherweise mehrjahrigen - Freiheitsentzug in Rumanien\nerheblich belastet. Nicht zuletzt hat der Senat die besondere\nHaftempfindlichkeit des Verfolgten berucksichtigt. Nach dem personlichen\nEindruck, den der Senat im Anhorungstermin von den Verfolgten gewonnen hat,\nwurde der eher labil und wenig belastbar erscheinende Verfolgte durch den\nVollzug der Freiheitsstrafe in Rumanien in außergewohnlich hohem Maße\ngetroffen. Der Verfolgte hat eigenen und glaubhaften Angaben zufolge seinen\nLebensmittelpunkt seit Jahren in Frankreich, wo auch seine Ehefrau lebt. Die\nVollstreckung der Freiheitsstrafe ware fur ihn angesichts dieser personlichen\nLebensumstande daher besonders belastend. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Senat ist daher bei zusammenfassender Wurdigung aller Umstande zu der\nAuffassung gelangt, dass die Vollstreckung der Freiheitsstrafe von drei Jahren\nunertraglich hart und schlechthin unangemessen ist und die Auslieferung daher\nausscheidet. \n--- \nIII. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 IRG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO. \n--- \n| 20 \n--- \n| Eine Entschadigung aus der Staatskasse fur die vollzogene Auslieferungshaft\nnach dem Gesetz uber die Entschadigung fur Strafverfolgungsmaßnahmen scheidet\naus, weil eine entsprechende Anwendung dieses Gesetzes auf die\nAuslieferungshaft grundsatzlich ausgeschlossen ist (BGHSt 32, 221) und ein\nFall, in welchem Behorden der Bundesrepublik Deutschland die nach deutschem\nRecht unberechtigte Verfolgung zu vertreten hatten, nicht vorliegt (Senat\nwistra 2004, 199). \n---\n\n |
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143,027 | lsgbw-2007-05-24-l-7-as-271606 | 128 | Landessozialgericht Baden-Württemberg | lsgbw | Baden-Württemberg | Sozialgerichtsbarkeit | L 7 AS 2716/06 | 2007-05-24 | 2019-01-09 15:01:00 | 2019-01-17 12:03:11 | Urteil | ## Tenor\n\nAuf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts\nFreiburg vom 24. April 2006 aufgehoben und die Beklagte unter Abanderung des\nBescheids vom 18. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.\nMai 2005 verurteilt, der Klagerin einen Zuschlag gemaß § 24 SGB II in Hohe von\n95,00 EUR monatlich fur die Zeit vom 1. Januar bis 31. Marz 2005 zu gewahren.\n\nIm ubrigen wird die Berufung zuruckgewiesen.\n\nDer Beklagte erstattet die Halfte der außergerichtlichen Kosten der Klagerin\nin beiden Rechtszugen. Im ubrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu\nerstatten.\n\nDie Revision wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten daruber, ob der Klagerin die Regelleistung fur\neine alleinstehende Person zusteht sowie uber die Gewahrung eines befristeten\nZuschlags nach § 24 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) fur die Zeit vom 1.\nJanuar bis 31. Marz 2005. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin und Herr D. (im Folgenden: D.) leben seit August 2003\ngemeinsam in einer Wohnung in K.. Die Klagerin bezog bis 24. Juni 2004\nArbeitslosengeld (Alg) in Hohe von 194,95 EUR wochentlich, D. bezog bis 15.\nFebruar 2004 Alg in Hohe von 149,66 EUR wochentlich. \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 30. September 2004 beantragte die Klagerin Leistungen zur Sicherung des\nLebensunterhaltes nach dem SGB II. Im Antragsformular gab sie als Partner D.\nan, erganzte jedoch handschriftlich, die eheahnliche Gemeinschaft bestehe erst\nseit August 2003, also noch keine drei Jahre. Mit Bescheid vom 15. Dezember\n2004 gewahrte der Beklagte Leistungen nach dem SGB II fur die\nBedarfsgemeinschaft bestehend aus der Klagerin und D. fur die Zeit vom 1.\nJanuar 2005 bis 31. Marz 2005 in Hohe von 796,39 EUR monatlich. Hierbei wurde\njeweils die Regelleistung in Hohe von 311,00 EUR, ein Teil der Nebenkosten der\nMiete und fur die Klagerin ein Zuschlag Alg in Hohe von 98,00 EUR\nberucksichtigt. Die Klagerin und D. erhoben Widerspruch und wandten sich u.a.\ndagegen, dass die Miete nicht berucksichtigt worden sei und die Zuschlage\nnicht richtig errechnet seien. Mit Änderungsbescheid vom 18. Januar 2005\nbewilligte der Beklagte fur Januar bis Marz 2005 Leistungen in Hohe von\n1.219,00 EUR monatlich. Hierbei wurde neben der Regelleistung bei den Kosten\nder Unterkunft die volle Miete in Hohe von 510,00 EUR, Nebenkosten in Hohe von\n60,00 EUR sowie die tatsachlichen Heizkosten abzuglich eines Warmwasseranteils\nberucksichtigt. Einkommen wurde im maßgeblichen Zeitraum weder von der\nKlagerin noch von D. erzielt. Gegen den Änderungsbescheid erhoben die Klagerin\nund D. erneut Widerspruch. Zu dem Punkt eheahnliche Gemeinschaft wurde in\ndiesem Widerspruch ausgefuhrt, dass die Anrechnung willkurlich sei. Es werde\ndie gesetzliche Vermutung aufgestellt, dass eine Unterstutzung vom Partner der\neheahnlichen Gemeinschaft erfolge. Im Gegensatz zu einer Ehe bestehe jedoch\nkein rechtlich durchsetzbarer Unterhaltsanspruch. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2005 wies der Beklagte die\nWiderspruche zuruck. Der Zuschlag betrage gemaß § 24 Abs. 2 SGB II zwei\nDrittel des Unterschiedsbetrages zwischen 1. dem von dem erwerbsfahigen\nHilfebedurftigen zuletzt bezogenen Alg und dem nach dem Wohngeldgesetz\nerhaltenen Wohngeld und 2. dem an den erwerbsfahigen Hilfebedurftigen und die\nmit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehorigen zu zahlenden\nArbeitslosengeld II nach § 19 Satz 1 Nr. 1 sowie Satz 2 oder Sozialgeld nach §\n28\\. Im vorliegenden Fall bestehe kein Anspruch auf Zahlung eines Zuschlags,\nda das zuletzt bezogene Alg in Hohe von monatlich 824,78 EUR niedriger sei als\ndas ab Januar 2005 errechnete monatliche Alg II in Hohe von 1.219,00 EUR.\nDasselbe gelte fur D., dessen monatlich gewahrtes Alg in Hohe von 648,53 EUR\nebenfalls unter dem gewahrten Alg II liege. \n--- \n| 5 \n--- \n| Hiergegen richtet sich die am 17. Juni 2005 zum Sozialgericht Freiburg (SG)\nerhobene Klage. Zur Begrundung wird vorgetragen, die Klagerin und D. bildeten\nkeine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 2, 3 SGB II. Beide wohnten\nzwar zusammen in einer Wohnung, dies reiche jedoch nicht aus. Auch die Dauer\ndes Zusammenlebens als mogliches Indiz fur das Vorliegen einer eheahnlichen\nGemeinschaft sei bei der Klagerin und D. sehr kurz. Die Klagerin habe zwar\nimmer angegeben, dass sie in einer eheahnlichen Gemeinschaft mit D. lebe, sie\nhabe jedoch nicht gewusst, unter welchen Voraussetzungen uberhaupt eine\neheahnliche Gemeinschaft im rechtlichen Sinne vorliege. Die Klagerin benutze\nmit D. zusammen lediglich die gemeinsamen Teile der Wohnungseinrichtung\n(Kuhlschrank, Waschmaschine und Kuchengerate), was jedoch auch fur eine\nWohngemeinschaft typisch sei und allein nicht zur Feststellung einer\nVerantwortungsgemeinschaft genuge. Neben der Teilung der Wohnkosten und\nTelefonkosten sowie der gemeinsamen Benutzung von Einrichtung und\nGeratschaften liege keine wirtschaftliche und finanzielle Gemeinschaft vor.\nBeide hatten ein eigenes Konto, die Klagerin konne auch nicht uber\nVermogensgegenstande von D. uneingeschrankt verfugen, was auch im umgekehrten\nSinne gelte. Daher sei auch Einkommen von D. im Rahmen der Leistungen zur\nSicherung des Lebensunterhalts der Klagerin nicht anzurechnen. Die Klagerin\nhabe auch Anspruch auf Zahlung des Zuschlages gemaß § 24 SGB II. Sofern der\nKlagerin allein Leistungen nach dem SGB II gewahrt wurden, liege die Leistung\nunter dem gewahrten Alg in Hohe von 844,78 EUR. Etwas anderes gelte auch\nnicht, wenn das Gericht von einer Bedarfsgemeinschaft bei der Klagerin und D.\nausginge. Bei der Berechnung des Zuschlages mussten in diesem Fall entgegen\nder Auffassung des Beklagten die jeweils zuvor erhaltenen Leistungen (Alg) von\nder Klagerin und D. addiert werden. Sinn und Zweck der Regelung des § 24 SGB\nII sei es, dass grundsatzlich zwei Drittel desjenigen Unterschiedsbetrages\nausgeglichen werden solle, der zwischen dem Haushaltseinkommen bei Alg-Bezug\nund der neuen nach dem SGB II maßgebenden Leistungshohe bestehe (unter Hinweis\nauf Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 24 Rdnr. 8). Bei dieser Berechnung\nbetrage die Differenz zum Alg II insgesamt 274,31 EUR. Zwei Drittel dieser\nSumme ergaben einen Zuschlag in Hohe von 180,84 EUR. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Gerichtsbescheid vom 24. April 2006 hat das SG unter Abanderung des\nBescheids vom 18. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.\nMai 2005 den Beklagten verurteilt, der Klagerin Leistungen zur Sicherung des\nLebensunterhaltes nach dem SGB II ohne Berucksichtigung des Einkommens von D.\nzu gewahren. Das Einkommen von D. konne nicht zu Lasten der Klagerin\nberucksichtigt werden, da keine eheahnliche Lebensgemeinschaft bestehe. Da der\nKlagerin Leistungen nach dem SGB II ohne Berucksichtigung des Einkommens des\nD. zu gewahren seien, sei auch bei der Frage nach der Zuschlaggewahrung nach §\n24 SGB II das Einkommen von D. nicht zu berucksichtigen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Hiergegen richtet sich die am 26. Mai 2006 beim Landessozialgericht (LSG)\neingelegte Berufung des Beklagten. Der Beklagte ist der Auffassung, dass\nzwischen der Klagerin und D. eine eheahnliche Gemeinschaft vorliege. Die\nKlagerin habe bei Stellung des Erstantrags auf Leistungsgewahrung nicht das\nVorliegen einer engen, auf Dauer angelegten Bindung zwischen ihr und D.\nbestritten, sondern lediglich das Nichterreichen der von ihr als zwingende\nVoraussetzung fur die Annahme einer eheahnlichen Gemeinschaft angesehenen\nDreijahresgrenze reklamiert. Auch in der Begrundung des Widerspruchs vom 26.\nDezember 2004 werde nicht die Annahme einer eheahnlichen Gemeinschaft\nbeanstandet, ebenso wenig im Rahmen einer personlichen Vorsprache am 10.\nJanuar 2005. Erstmals im Widerspruch vom 27. Januar 2005 werde die eheahnliche\nGemeinschaft in allgemeiner Form angesprochen. Hierbei handele es sich um ein\nuber das Internet verbreitetes Musterschreiben, das in keiner Weise\nindividualisiert oder prazisiert worden sei. Auch gegen den folgenden Bescheid\nsei in ahnlicher Weise widersprochen worden, wobei unmissverstandlich\nbeanstandet werde, dass „mein Partner fur mich aufkomme muss", nicht aber die\nVoraussetzungen der eheahnlichen Gemeinschaft als solche bestritten worden\nseien. Erstmals in der Klageschrift werde vom Anwalt der Klagerin vorgetragen,\nes handele sich nur um eine Wohngemeinschaft ohne engere personliche Bindung.\nDie Beweisaufnahme vor dem SG habe ein anderes Bild ergeben. Die laufenden\nKosten (Miete, Strom, Telefon) seien geteilt worden, was eine\nWirtschaftsgemeinschaft ausmache. Auch wurden Lebensmittel aus einer\ngemeinsamen Kasse bezahlt. Daruber hinaus liege auch eine Verantwortungs- und\nEinstehensgemeinschaft vor, was sich darin zeige, dass D. von seinem Einkommen\ndie volle Miete bezahle, ohne dass hierzu nachweislich eine Darlehensregelung\nzwischen der Klagerin und ihm getroffen worden sei. Auch besuche die Klagerin\nam Wochenende mit D. seine kranke Mutter, weil er selbst keine Fahrerlaubnis\nhabe. Die Klagerin habe eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie weiterhin\nmit D. zusammenleben wolle, auch bei einem kunftigen Wohnortwechsel nach\nBrandenburg, was sie als ihre Idealvorstellung bezeichnet habe. Verheiratet\nseien sie nur deshalb nicht, weil sich „jeder ein Hinterturchen offen halten\nmochte". Die Äußerungen zeigten deutlich, dass die Klagerin von einer engen,\nauf Fortdauer angelegten Beziehung ausgehe. Ihr fehle lediglich Verstandnis\nfur die Entscheidung des Gesetzgebers, den Partner eines in einer eheahnlichen\nGemeinschaft lebenden Arbeitsuchenden in gleicher Weise wie einen Ehepartner\nin die Bedarfsgemeinschaft und damit in die finanzielle Mitverantwortung\neinzubeziehen. D. habe sich hingegen auffallend bemuht, die Beziehung zur\nKlagerin als unverbindlich darzustellen. Dies stehe nicht nur im krassen\nGegensatz zu seinem tatsachlichen Verhalten, sondern auch zur Wertung des SG,\nwonach er die Miete nur bezahle, um eine Kundigung zu vermeiden. Wenn diese\nEinlassung zutrafe, konnte er die Wohnung auch allein (oder mit jemand\nanderem) unterhalten, ohne die Belange der Klagerin zu beachten. Weiter\nbestreite er, dass die Klagerin seine Partnerin sei. Dies stehe kontrar zu den\nEinlassungen der Klagerin. Das Gericht habe die beschriebenen Unstimmigkeiten\nin den Aussagen nicht oder nur unzureichend gewurdigt. Die anfanglichen\nÄußerungen der Klagerin im Verwaltungsverfahren und die vorliegenden Indizien\nsprachen fur eine eheahnliche Gemeinschaft der Klagerin und D. Hatten zwei\nPartner am 1. Januar 2005 grundsatzlich einen Anspruch auf den Zuschlag nach §\n24 SGB II, weil beide innerhalb der Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember\n2004 Alg bezogen hatten, sei fur beide getrennt der Anspruch auf Zuschlag zu\nermitteln. Dabei sei der ab 1. Januar 2005 errechnete monatliche Gesamtbedarf\nmit dem jeweiligen letzten monatlichen Alg-Bezug zu vergleichen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 9 \n--- \n| den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24. April 2006\naufzuheben und die Klage abzuweisen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 11 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Es liege keine eheahnliche Gemeinschaft vor. Die Klagerin habe zwar immer\nangegeben, in einer eheahnlichen Gemeinschaft mit D. zu leben, sie habe jedoch\nnicht genau gewusst, unter welchen Voraussetzungen eine eheahnliche\nGemeinschaft im rechtlichen Sinne vorliege. Es liege auch keine\nWirtschaftsgemeinschaft vor. Die Ersparnis liege lediglich in der Reduzierung\nder allgemeinen Wohnkosten. Nach der Argumentation des Beklagten musse jede\nWohngemeinschaft eine eheahnliche Gemeinschaft im Sinne des § 7 SGB II bilden.\nDas Vorliegen einer gemeinsamen Haushaltskasse sei auch kein gewichtiges Indiz\nfur das Vorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft. Zweck einer solchen Kasse sei\ngerade die gerechte Aufteilung der Kosten. Es liege keine Verantwortungs- und\nEinstehensgemeinschaft vor. Zwar uberweise D. die gesamten Mietkosten von\nseinem Konto an den Vermieter. Das vom SG als mitmenschlich bezeichnete\nVerhalten sei auch bei befreundeten Personen in einer Wohngemeinschaft ublich.\nDer Beklagte habe auch nicht naher erlautert, warum gemeinsame Besuche bei der\nMutter von D. eine Verantwortungsgemeinschaft begrundeten. Hierbei handele es\nsich ganz offensichtlich lediglich um eine Gefalligkeit. Die Klagerin habe\nausfuhrlich dargelegt, warum sie und Herr Doerr jeweils eigene Leben ohne\nfeste Bindung fuhren wollten. Als Grunde seien uberzeugend und plausibel die\nschlechten Erfahrungen mit Partnern in der Vergangenheit genannt worden. Die\nKlagerin habe auch Anspruch auf den Zuschlag gemaß § 24 SGB II, unabhangig\ndavon, ob von einer Bedarfsgemeinschaft ausgegangen werde. \n--- \n| 13 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung am 24. Mai 2007 hat der Senat D. als Zeugen\nvernommen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens\nder Beteiligten wird auf die Leistungsakten des Beklagten, die Leistungsakte\nder Bundesanstalt fur Arbeit uber die Klagerin, die Klageakte des SG und die\nBerufungsakte des Senats verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | A. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Berufung des Beklagten hat teilweise Erfolg. \n--- \n| 16 \n--- \n| I. Vorliegend hat allein die Klagerin Klage erhoben, D. ist nicht Klager in\ndiesem Verfahren. Zwar spricht zunachst der vor dem SG gestellte Hilfsantrag\nauf Gewahrung eines Zuschlages nach § 24 SGB II an die Klagerin und D. dafur,\ndass auch dieser unter Berucksichtigung einer weitgehenden Auslegung als\nKlager anzusehen sein konnte (vgl. hierzu ausfuhrlich BSG, Urteil vom 7.\nNovember 2006 - B 7b AS 8/06 R - <juris>). Allerdings hat sich die Klagerin\nstets auf den Standpunkt gestellt, dass keine Bedarfsgemeinschaft vorliege und\nfolgerichtig hat sie in der mundlichen Verhandlung vor dem Senat klar\ngestellt, dass sie allein zur Geltendmachung ihrer eigenen Anspruche Klage\nerhoben habe, nicht zur Durchsetzung von Anspruchen anderer Mitglieder einer\nvon ihr bestrittenen Bedarfsgemeinschaft. \n--- \n| 17 \n--- \n| Streitgegenstand ist die Gewahrung hoherer Leistungen allein fur den\nZeitraum 1. Januar bis 31. Marz 2005. Angefochten ist der Bescheid vom 15.\nDezember 2004, ersetzt durch Bescheid vom 18. Januar 2005 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 19. Mai 2005. Mit diesem Bescheid werden die Alg-II-\nLeistungen fur die Zeit vom 1. Januar bis 31. Marz 2005 geregelt. Bescheide\nuber Folgezeitraume sind nicht Gegenstand des Verfahrens geworden. Eine\nanaloge Anwendung des § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf\nBewilligungsbescheide fur Folgezeitraume im Rahmen des SGB II ist nach der\nRechtsprechung des BSG grundsatzlich nicht gerechtfertigt, da anders als im\nRahmen eines Dauerrechtsverhaltnisses im Bereich des Arbeitsforderungsrechts\nregelmaßig kurzere Bewilligungszeitraume vorliegen, Änderungen bei der\nBerucksichtigung von Einkommen und Vermogen zu berucksichtigen sind und zudem\neine Abhangigkeit von der jeweiligen Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft\nbesteht (BSG, Urteile vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R - und vom 23.\nNovember 2006 - B 11b AS 9/06 R <beide juris>). Auch eine Klageerweiterung\nnach § 99 Abs. 1 SGG ist nicht erfolgt, da Folgebescheide in das Verfahren zu\nkeinem Zeitpunkt eingefuhrt wurden. Diesbezuglich sind vielmehr noch\nWiderspruchsverfahren anhangig. Klarstellend haben die Beteiligten in der\nmundlichen Verhandlung auch eine entsprechende Einschrankung des\nStreitgegenstands erklart. Inhaltlich ist der Streitgegenstand auf die\nÜberprufung der Hohe des Regelsatzes und des Zuschlags nach § 24 SGB II\nbeschrankt. Nicht Gegenstand sind damit die Kosten der Unterkunft und Heizung.\nBei letzteren handelt es sich um eine eigenstandige, abgrenzbare Verfugung,\nwobei sich die rechtliche Trennbarkeit von den ubrigen Verfugungen des\nBewilligungsbescheids aus § 6 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 19 Satz 2 SGB II ergibt,\nso dass von einem abtrennbaren Streitgegenstand auszugehen ist (vgl. BSG,\nUrteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - a.a.O.). Ob auch der Zuschlag\nnach § 24 SGB II allein als Streitgegenstand abtrennbar ist, hat das BSG in\nder genannten Entscheidung offen gelassen. Hierauf kommt es auch vorliegend\nnicht an, da es der Klagerin auch um die Hohe der Regelleistung geht.\nMehrbedarfszuschlage nach § 21 SGB II, die im gesamten Verfahren nicht\nthematisiert wurden, stehen der Klagerin ohnehin nicht zu. Hierfur ist nichts\nvorgetragen und es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte. \n--- \nB. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Berufung ist zulassig. Sie ist gemaß § 151 Abs. 1 SGG form- und\nfristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil der Wert des\nBeschwerdegegenstands 500,00 EUR ubersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).\nDenn zu berucksichtigen ist zum einen die Differenz zwischen der Regelleistung\nin Hohe von 345,00 EUR zu 311,00 EUR fur drei Monate, somit 102,00 EUR (34,00\nEUR x 3). Hinzu kommt der Zuschlag nach § 24 SGB II, welcher zwei Drittel der\nDifferenz zwischen Alg in Hohe von 844,78 EUR und Alg II fiktiv berechnet nur\nfur die Klagerin in Hohe von 643,50 EUR (vom Beklagten unter Anwendung eines\nRegelsatzes in Hohe von 311,00 EUR gewahrt: 609,50 EUR) ausmacht. Fur drei\nMonate ergibt sich somit ein Betrag in Hohe von 402,57 EUR (134,19 EUR x 3).\nIn der Summe betragt die Beschwer des Beklagten demnach 504,57 EUR. \n--- \nC. \n--- \n| 19 \n--- \n| In der Sache ist die Berufung des Beklagten teilweise begrundet, denn\nentgegen der Auffassung des SG liegt eine Bedarfsgemeinschaft bestehend aus\nder Klagerin und D. vor (dazu I.). Die Klagerin hat jedoch gleichwohl Anspruch\nauf Gewahrung des Zuschlags nach § 24 SGB II (dazu II.). \n--- \n| 20 \n--- \n| Unstreitig ist die Klagerin dem Grunde nach leistungsberechtigt gemaß § 7\nAbs. 1 SGB II als erwerbsfahige Person innerhalb der Altersgrenzen des Satz 1\nNr. 1 mit gewohnlichem Aufenthalt in der BRD. Sie ist auch hilfebedurftig\ni.S.v. § 9 SGB II. Zu berucksichtigendes Vermogen liegt nicht vor, die\nKlagerin hat im maßgebenden Zeitraum - ebenso wie D. - auch kein Einkommen\nerzielt. Nach § 20 Abs. 2 und 3 SGB II ist die Regelleistung in Hohe von\n311,00 EUR zu gewahren, da die Klagerin und D. als Mitglieder einer\nBedarfsgemeinschaft anzusehen sind. Zur Bedarfsgemeinschaft gehort neben dem\nerwerbsfahigen Hilfebedurftigen (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II) nach § 7 Abs. 3 Nr.\n3 b SGB II in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 30. Juli 2004\n(BGBl. I S. 2014) als Partner die Person, die mit dem Hilfebedurftigen in\neheahnlicher Gemeinschaft lebt. Darlegungs- und beweispflichtig ist hierfur\nder Leistungstrager (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. Juni\n2006 - L 9 AS 292/06 ER -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22. April 2005 -\nL 2 B 9/05 AS ER - <beide juris>). \n--- \n| 21 \n--- \n| Obwohl sich der Begriff der „eheahnlichen Gemeinschaft" in einer Vielzahl\nvon Gesetzen - darunter in den zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen\nSozialleistungsgesetzen - findet, existiert keine durchgangige gesetzliche\nDefinition des Begriffs (vgl. dazu bereits Urteil des Senats vom 14. November\n2005 - L 7 SO 3743/05 - <juris>). Nach der Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts (Urteil vom 17. November 1992 - 1 WvL 8/87 - BVerfGE\n87, 234; vgl. auch Kammerbeschluss vom 2. September 2004 - 1 BvR 1962/04 -,\nNVwZ 2005, 1178) liegt eine eheahnliche Gemeinschaft nur vor, wenn sie als auf\nDauer angelegte Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau uber\neine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht und sich im Sinne\neiner Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft durch innere Bindungen\nauszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner - auch in den Not-\nund Wechselfallen des Lebens - fureinander begrundet und daneben keine weitere\nLebensgemeinschaft gleicher Art zulasst. Nur wenn sich die Partner einer\nGemeinschaft so sehr fureinander verantwortlich fuhlen, dass sie zunachst den\ngemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr personliches\nEinkommen zur Befriedigung eigener Bedurfnisse verwenden, ist ihre Lage mit\nderjenigen nicht getrennt lebender Ehegatten im Hinblick auf die Anrechnung\nvon Einkommen und Vermogen vergleichbar (vgl.BVerfGE 87, 234, 265; vgl. auch\nUrteil des Senats vom 21. September 2006 - L 7 SO 5441/05 - und Beschlusse vom\n12. Januar 2006 - L 7 AS 5535/05 ER-B - und vom 31. Januar 2006 - L 7 AS\n108/06 ER-B - <beide in juris>). An Hinweistatsachen fur das Vorliegen einer\neheahnlichen Gemeinschaft kommen neben der langen Dauer und Intensitat des\nZusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehorigen im gemeinsamen\nHaushalt, die Befugnis, uber Einkommens- und Vermogensgegenstande des anderen\nPartners zu verfugen, sowie das Vorliegen intimer Beziehungen in Betracht. \n--- \n| 22 \n--- \n| Dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf\ndie Regelung des § 122 Satz 1 BSHG mit Urteil vom 17. Mai 1995 - 5 C 16.93 -\n(BVerwGE 98, 195, 199 f.; vgl. auch Beschluss vom 24. Juni 1999 - 5 B 114/98 -\n<juris>; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 15; SozR 3-4300 § 144 Nr. 10; Debus, SGb\n2006, 82, 84 f.).) angeschlossen, ihrer Anwendung auch im Bereich des § 7 Abs.\n3 Nr. 3 Buchst. b SGB II in der genannten (Alt-) Fassung steht jedoch nichts\nentgegen; das sicher gewichtigste Indiz stellt danach eine lange Dauer des\nZusammenlebens bei Beginn des streitgegenstandlichen Zeitraums dar. Bei\nZusammenfall des Beginns des Zusammenlebens mit dem Beginn des\nLeistungszeitraums kommen als Hinweistatsachen Dauer und Intensitat der\nBekanntschaft zwischen den Partnern vor der Begrundung ihrer Wohngemeinschaft,\nder Anlass fur das Zusammenziehen, die konkrete Lebenssituation der Partner\nwahrend der streitgegenstandlichen Zeit und die - nach außen erkennbare -\nIntensitat der gelebten Gemeinschaft in Betracht. Gegebenenfalls kann auch ein\nlanges Fortdauern der Gemeinschaft uber den streitgegenstandlichen Zeitraum\nhinaus Berucksichtigung finden. Zu einer auf Dauer angelegten\nLebensgemeinschaft gehort grundsatzlich auch die Wohngemeinschaft. Zur\nBejahung einer eheahnlichen Gemeinschaft reicht allerdings eine bloße\nWohngemeinschaft ebenso wenig aus (so bereits BSGE 63, 120, 123 = SozR 4100 §\n138 Nr. 17) wie eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft. \n--- \n| 23 \n--- \n| Da es sich bei den genannten Voraussetzungen zum großen Teil um innere\nTatsachen handelt, die dem Beweis kaum zuganglich sind, bedarf es außerer\nHinweistatsachen, wobei das durch eine Gesamtwurdigung zu findende Bild der\nfur den streitgegenstandlichen Zeitraum feststellbaren Indiztatsachen\nentscheidend ist (vgl. BVerwGE 98, 195, 201; Senatsbeschlusse vom 12. und 31.\nJanuar 2006, a.a.O.). An die Ernsthaftigkeit einer „nichtehelichen\nLebensgemeinschaft" im Sinne einer eheahnlichen Gemeinschaft sind strenge\nAnforderungen zu stellen (vgl. BSGE 90, 90, 99; Senatsbeschlusse vom 12. und\n31. Januar 2006 a.a.O.; Munder in LPK-SGB XII, 7. Aufl., § 20 Rdnr. 23;\nBrandts in Niesel, SGB III, 2. Aufl., § 194 Rdnr. 25). \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Gesetzgeber hat zwar durch das Gesetz zur Fortentwicklung der\nGrundsicherung fur Arbeitssuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1706 ff), welches\nmit Wirkung vom 1. August 2006 in Kraft getreten ist, unter Anderem § 7 Abs. 3\nSGB II in der Weise geandert, dass in einem nunmehr eingefugten Absatz 3a an\ndas Vorliegen bestimmter Hinweistatsachen (Zusammenleben langer als 1 Jahr\noder mit einem gemeinsamen Kind, Versorgung von Kindern oder Angehorigen im\nHaushalt oder Befugnis, uber Einkommen oder Vermogen des anderen zu verfugen)\ndie normative Vermutung eines wechselseitigen Willens der Partner geknupft\nwird, Verantwortung fureinander zu tragen und fureinander einzustehen (vgl.\nzur Neuregelung Beschluss des Senats vom 22. Marz 2007 - L 7 AS 640/07 ER-B -;\nvgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. August 2006 - L 9 AS\n349/06 ER - <jeweils juris>). Fur den vorliegend streitbefangenen Zeitraum (1.\nJanuar bis 31. Marz 2005) bleibt es allerdings fur das Vorliegen einer\neheahnlichen Gemeinschaft bei der Anwendung der oben genannten Kriterien und\nder beschriebenen Beweislastverteilung. Eine Ruckwirkung dieser gesetzlichen\nVermutungsregelung und der sich daraus ergebenen Beweiserschwernis zu Lasten\nder Klagerin fur Leistungszeitraume vor dem 1. August 2006 ist weder\ngesetzgeberisch angeordnet noch aus sonstigen Grunden veranlasst (Beschluss\ndes Senats vom 8. Mai 2007 - L 7 AS 5741/06 - und vom 22. Marz 2007, a.a.O.). \n--- \n| 25 \n--- \n| Unter Berucksichtigung der oben dargestellten Grundsatze ist der Senat\naufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des Vorbringens der\nBeteiligten zu der Überzeugung gelangt, dass zwischen der Klagerin und D. eine\neheahnliche Gemeinschaft besteht. Die Klagerin und D. lernten sich nach\neigenen Angaben im Jahr 2002 kennen, als D. im Sch.wald auf Montage arbeitete.\n2003 zog die Klagerin, die bis 30. Juni 2003 als Erzieherin in einem Mutter-\nKind-Kurheim auf dem Feldberg gearbeitet hatte, bei D. in dessen Wohnung in K.\nein. Im August 2003 erfolgte dann ein Umzug in die jetzt bewohnte, gemeinsam\nangemietete Wohnung. Zunachst spricht die Aufteilung der 3-Zimmer-Wohnung mit\ngemeinsamem Schlafzimmer fur das Vorliegen einer eheahnlichen Gemeinschaft.\nAuch hat die Klagerin selbst stets angegeben, in einer eheahnlichen\nGemeinschaft zu leben. Bereits im Rahmen der Beantragung von Arbeitslosenhilfe\nhatte die Klagerin angegeben, mit D. als Lebenspartner in einer\nHaushaltsgemeinschaft zu leben und sich gegenseitig finanziell zu unterstutzen\n(Bl. 19 Leistungsakte der Bundesagentur), entsprechend hat sie auch\nVerdienstbescheinigungen von D. vorgelegt. Ebenso hat sie bei der Beantragung\nvon Alg II D. als Partner in eheahnlicher Gemeinschaft angegeben, lediglich\nhandschriftlich hinzugefugt, die eheahnliche Gemeinschaft bestehe noch keine\ndrei Jahre. Ebenso wurde im Widerspruchsverfahren nicht das Vorliegen einer\neheahnlichen Gemeinschaft als solcher bestritten, sondern es wurden lediglich\ndie daran anknupfenden Rechtsfolgen fur rechtswidrig erachtet. Mit\nEinschaltung des Prozessbevollmachtigten im Klageverfahren wurde erstmals\ngeltend gemacht, es liege lediglich eine Wohngemeinschaft vor. Der Vortrag,\ndie Klagerin habe keine Vorstellung uber die rechtliche Bedeutung und den\nInhalt des Begriffs der eheahnlichen Lebensgemeinschaft gehabt, uberzeugt den\nSenat nicht. Im Rahmen der mundlichen Verhandlung hat die Klagerin, die nach\neigenen Angaben auch mehrere Semester Germanistik studiert hat, auf den Senat\neinen durchaus differenzierten Eindruck einer Person gemacht, die sorgfaltig\nformuliert und sich genau bewusst ist, was sie sagt. \n--- \n| 26 \n--- \n| Auch eine Wirtschaftsgemeinschaft liegt vor. Dagegen spricht nicht, dass die\ngemeinsamen Kosten, insbesondere Miete und Einkauf des taglichen Bedarfs\nzunachst geteilt wurden (Haushaltskasse) und sowohl die Klagerin wie auch D.\nuber eigene Konten verfugen, auf die sie wechselseitig keinen Zugriff haben.\nAuch unter Eheleuten ist ein gemeinsames Konto nicht allgemein ublich (vgl.\nLSG Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 2. Dezember 2005 - L 8 AS 4496/05 ER-B)\nund auch bei Ehepartnern ist es ublich, dass jeder, soweit er uber Einkommen\nverfugt, hiervon zu den gemeinsamen Lebenshaltungskosten beitragt. Ein ganz\nwesentliches Indiz fur ein gemeinsames Wirtschaften ist jedoch, dass D. die\nMietkosten seit nahezu zwei Jahren allein tragt, seit die Klagerin uber kein\nEinkommen mehr verfugt. Auch wenn die Klagerin zusatzlich nach eigenen Angaben\ndurch ihre Mutter finanziell unterstutzt wurde, wird hierdurch ein\nEinstandswille von D. deutlich, der auch durch die Zeugenvernehmung in der\nmundlichen Verhandlung bestatigt wurde. So hat D. dort ausgesagt, er konne die\nKlagerin doch nicht „raus schmeißen". \n--- \n| 27 \n--- \n| Schließlich spricht fur das Vorliegen einer Einstands- und\nVerantwortungsgemeinschaft auch, dass die Klagerin im Antrag vom 10. Marz 2005\nauf eine fondsgebundene Rentenversicherung mit Beitragsgarantie (db\nForderrente, Deutscher Herold) als Berechtigten fur den Todesfall D. angegeben\nhatte. Damit wird eine personliche Nahe deutlich, die weit uber das bei einer\nreinen Zweckgemeinschaft ohne innere Bindungen ubliche Maß hinausgeht. Daran\nvermogen auch die Einwendungen der Klagerin im Rahmen der mundlichen\nVerhandlung nichts zu andern, sie habe sonst niemanden gehabt, den sie hatte\nbegunstigen konnen. Insgesamt ist damit aufgrund der außeren Umstande der\nSenat zur vollen richterlichen Überzeugung gelangt, dass eine eheahnliche\nLebensgemeinschaft vorliegt. Die Frage der Beweislast stellt sich damit nicht\nmehr. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Klagerin hat jedoch Anspruch auf Gewahrung eines Zuschlags nach § 24 SGB\nII in Hohe von monatlich 95,00 EUR fur den hier streitigen Zeitraum. \n--- \n| 29 \n--- \n| Soweit der erwerbsfahige Hilfebedurftige - wie die Klagerin - Alg II\ninnerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Alg bezieht, erhalt er\nin diesem Zeitraum einen monatlichen Zuschlag, welcher nach Ablauf des ersten\nJahres um 50 vom Hundert vermindert wird (§ 24 Abs. 1 SGB II). Der Zuschlag\nbetragt nach § 24 Abs. 2 SGG (i.d.F. des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl.\nI S. 2954) zwei Drittel des Unterschiedsbetrags zwischen \n--- \n| 30 \n--- \n| 1\\. dem von dem erwerbsfahigen Hilfebedurftigen zuletzt bezogenen Alg und\ndem nach dem Wohngeldgesetz erhaltenen Wohngeld und \n--- \n| 31 \n--- \n| 2\\. dem an den erwerbsfahigen Hilfebedurftigen und die mit ihm in\nBedarfsgemeinschaft lebenden Angehorigen \n--- \n| 32 \n--- \n| zu zahlenden Alg II nach § 19 oder Sozialgeld nach § 28. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Der Senat teilt nicht die Auffassung des Beklagten, dass streng nach dem\nWortlaut der Vorschrift fur jeden einzelnen Berechtigten die Differenz\nzwischen dem von ihm bezogenen Alg und dem Gesamtanspruch der\nBedarfsgemeinschaft auf Alg II zu berechnen ist (so aber LSG Baden-\nWurttemberg, Urteile vom 25. April 2006 - L 12 AS 5081/05 - und 18. Juli 2006\n- L 12 AS 1362/06 -; SG Dusseldorf, Urteil vom 27. November 2006 - S 43 (35)\nAS 37/05 - <juris- nur Kurztext>, Revision anhangig - B 11b AS 5/07 R -).\nVielmehr ist eine Gesamtdifferenzberechnung in der Weise vorzunehmen, dass die\nAlg-Anspruche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft addiert und dann dem\nGesamtanspruch der Bedarfsgemeinschaft gegenuber gestellt werden. \n--- \n| 34 \n--- \n| Diese an Sinn und Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung widerspricht\nnicht dem Wortlaut. Dieser zwingt mit der Verwendung des Singulars in § 24\nAbs. 2 Nr. 1 SGB II nicht zu der Auslegung, dass die Alg-Anspruche der\neinzelnen Berechtigten isoliert dem Alg II-Anspruch der Bedarfsgemeinschaft\ngegenuber gestellt werden. Denn dies kann dem Umstand geschuldet sein, dass es\nsich um Individualanspruche handelt, zudem die Gesetzessprache haufig den\nSingular verwendet, ohne damit Vorentscheidungen uber die Behandlung\nproblematischer Falle zu treffen, etwa wenn mehrere Betroffene gleichzeitig\neinen Anspruch geltend machen, eine Einrede erheben etc. (so SG Frankfurt,\nUrteil vom 24. Marz 2006 - S 47 AS 130/05 - <juris>, Revision anhangig - B 11b\nAS 33/06 R -). Nach anderer Auffassung soll sich der Gesetzgeber im Ausdruck\n„vergriffen" haben, was ebenfalls von der Bindung an den Wortlaut - nicht\nWortsinn - dispensiere (so SG Konstanz, Urteil vom 26. Juli 2005 - S 9 AS\n851/05 - <juris>). Jedenfalls spricht die Entstehungsgeschichte deutlich fur\nein derartiges Normverstandnis. Aus den Materialien lasst sich ersehen, dass\nursprunglich bei der Berechnung des Zuschlags das gesamte Haushaltseinkommen -\nnicht nur Alg und Wohngeld - herangezogen werden sollte (BT-Drucks. 15/1516,\nS. 58). Davon wurde abgesehen, weil dies zu hohen Verwaltungsaufwand\nverursache und zudem Einkommensveranderungen in die Zuschlagsberechnung\neingingen, die sich aufgrund des Wechsels vom Alg in Alg II nicht oder in der\nRegel nicht veranderten (BT-Drucks., a.a.O.). Diese Vereinfachungsuberlegungen\nlassen jedoch nicht erkennen, dass der Gesetzgeber von der Gesamtbetrachtung\nbei der Bedarfsgemeinschaft konzeptionell hatte Abschied nehmen wollen (vgl.\nSG Konstanz, a.a.O. und SG Frankfurt, a.a.O; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil\nvom 9. Mai 2006 - L 10 AS 88/06 - <juris>, Revision anhangig - B 7b AS 42/06\nR). Auch systematisch erscheint es folgerichtiger, dass innerhalb einer\nBedarfsgemeinschaft, auf die auch bei der Hilfebedurftigkeit abgestellt wird\n(§ 9 Abs. 1 und 2 SGB II), nicht nur das von einem erwerbsfahigen\nHilfebedurftigen erzielte Alg bei der Berechnung des Zuschlags nach § 24 SGB\nII Berucksichtigung finden soll, wenn auf der anderen Seite der gesamte Alg\nII-Anspruch gegenuber gestellt wird. Auch der Zweck des Zuschlags, „in\nvertretbarem Umfang einen Teil der Einkommenseinbußen abzufedern, die in der\nRegel beim Übertritt in die neue Leistung entstehen" (BT-Drucks., a.a.O.),\nkonnte bei einer ganz streng am Wortlaut haftenden Auslegung in Fallen der\nvorliegenden Art nicht erreicht werden. Es ware auch nicht ersichtlich, warum\netwa bei Erzielung eines Einkommens in vergleichbarer Hohe wie Alg durch einen\nPartner und folglich deutlich niedrigerem Alg II-Anspruch mit der Folge\nhoheren Zuschlags nach § 24 SGB II die Abfederungsfunktion greifen sollte,\nnicht jedoch, wenn der Hilfebedarf der Bedarfsgemeinschaft mangels Einkommen\nsogar noch großer ist (vgl. dazu das fiktive Berechnungsbeispiel bei LSG\nBerlin-Brandenburg, a.a.O.). Daruber hinaus erscheint bei der isolierten\nBetrachtung die Ungleichbehandlung von Ehen und Familien (Art. 3 und 6 GG)\nverfassungsrechtlich problematisch, die sich je nach Ausgestaltung der\nFamilienrollen ergeben kann. Bei einem Alleinverdiener stellt sich die\nProblematik nicht, wohl aber, wenn Verdienerrolle und Haushalts- und\nErziehungsaufgaben aufgeteilt sind (vgl. SG Frankfurt, a.a.O.). Auffallig in\ndiesem Zusammenhang ist schließlich noch, dass die - fur die Gerichte nicht\nbindenden - Durchfuhrungshinweise der Bundesagentur fur Arbeit vorsehen, von\nder Summe der Alg-Anspruche nach SGB III auszugehen, wenn der Bezug dieser\nLeistung bei zwei oder mehr Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft gleichzeitig\nendet (unter Rz. 24.20; so auch <nur> bei gleichzeitigem Wechsel zweier\nPartner: Muller in Hauck/Noftz, SGB II, § 24 Rdnr. 17). Es ist jedoch nicht\nersichtlich, warum dies bei dem viel haufigeren Fall, dass zwar der Alg-Bezug\nzu verschiedenen Zeiten, jedoch noch vor Inkrafttreten des SGB II endet, so\ndass die Partner gleichzeitig in den Alg II-Bezug wechseln, anders gehandhabt\nwerden sollte. \n--- \n| 35 \n--- \n| Dagegen halt der Senat fur mit dem Wortlaut des § 24 Abs. 2 Nr. 2 SGB II\nnicht vereinbar, der Summe aus zuletzt bezogenem Alg und Wohngeld nicht den\nGesamtbetrag des an alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu zahlenden Alg\nII gegenuber zu stellen, sondern nur den auf den erwerbsfahigen\nHilfebedurftigen entfallenden individuellen Anteil des Alg II (so aber Sachs.\nLSG, Urteil vom 30. Marz 2006 - L 3 AS 18/05 - <juris>, Revision anhangig - B\n11b AS 23/06 R -). \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Berechnung des fur die Klagerin maßgeblichen Zuschlags ergibt sich nach\nalledem wie folgt. Gegenuber zu stellen ist die Summe des Alg von Klagerin und\nD. (824,78 EUR + 648,53 EUR = 1.473,31 EUR) sowie der Alg II-Anspruch der\nBedarfsgemeinschaft in Hohe von 1.219,00 EUR. Die Differenz betragt demnach\n254,31 EUR (1.473,31 EUR - 1.219,00 EUR). Der Anteil der Klagerin am Gesamt-\nAlg betragt 55,98% (824,78 EUR von 1.473,31 EUR). Entsprechend ist auch der\nAnteil der Klagerin am Differenzbetrag festzusetzen, so dass auf sie 142,36\nEUR des Differenzbetrags entfallen (55,98% von 254,31 EUR). Fur eine genaue\nanteilige Berechnung spricht, dass es sich um Individualanspruche handelt und\nauf diese Weise abgebildet wird, in welcher Hohe die einzelnen Mitglieder der\nBedarfsgemeinschaft zuvor Alg bezogen haben und auf diese Weise zudem\nproblemlos berucksichtigt werden kann, wenn den einzelnen Mitgliedern der\nBedarfsgemeinschaft der Zuschlag wegen unterschiedlichen zeitlichen Abstands\nzum Alg-Bezug in unterschiedlicher Hohe zu gewahren ist (fur eine halftige\nAufteilung des Differenzbetrags dagegen LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Der\nZuschlag berechnet sich fur die Klagerin somit aus 2/3 von 142,36 EUR und\nbetragt folglich 94,91 EUR, gerundet 95,00 EUR (vgl. § 41 Abs. 2 SGB II). Die\nTatsache, dass sich der hier nicht streitgegenstandliche Zuschlag fur D. ab\n16. Februar 2005 nach § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB II um die Halfte vermindern\nwurde, wirkt sich auf die Hohe des der Klagerin zustehenden Zuschlags nicht\naus, da dies nur den D. zustehenden Anteil am Differenzbetrag betrifft. \n--- \nD. \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat des\nVerhaltnis von Obsiegen und Unterliegen berucksichtigt. \n--- \n| 38 \n--- \n| Der Senat hat die Revision wegen grundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache\nzugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). \n--- \n \n## Gründe\n\n| | A. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Berufung des Beklagten hat teilweise Erfolg. \n--- \n| 16 \n--- \n| I. Vorliegend hat allein die Klagerin Klage erhoben, D. ist nicht Klager in\ndiesem Verfahren. Zwar spricht zunachst der vor dem SG gestellte Hilfsantrag\nauf Gewahrung eines Zuschlages nach § 24 SGB II an die Klagerin und D. dafur,\ndass auch dieser unter Berucksichtigung einer weitgehenden Auslegung als\nKlager anzusehen sein konnte (vgl. hierzu ausfuhrlich BSG, Urteil vom 7.\nNovember 2006 - B 7b AS 8/06 R - <juris>). Allerdings hat sich die Klagerin\nstets auf den Standpunkt gestellt, dass keine Bedarfsgemeinschaft vorliege und\nfolgerichtig hat sie in der mundlichen Verhandlung vor dem Senat klar\ngestellt, dass sie allein zur Geltendmachung ihrer eigenen Anspruche Klage\nerhoben habe, nicht zur Durchsetzung von Anspruchen anderer Mitglieder einer\nvon ihr bestrittenen Bedarfsgemeinschaft. \n--- \n| 17 \n--- \n| Streitgegenstand ist die Gewahrung hoherer Leistungen allein fur den\nZeitraum 1. Januar bis 31. Marz 2005. Angefochten ist der Bescheid vom 15.\nDezember 2004, ersetzt durch Bescheid vom 18. Januar 2005 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 19. Mai 2005. Mit diesem Bescheid werden die Alg-II-\nLeistungen fur die Zeit vom 1. Januar bis 31. Marz 2005 geregelt. Bescheide\nuber Folgezeitraume sind nicht Gegenstand des Verfahrens geworden. Eine\nanaloge Anwendung des § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf\nBewilligungsbescheide fur Folgezeitraume im Rahmen des SGB II ist nach der\nRechtsprechung des BSG grundsatzlich nicht gerechtfertigt, da anders als im\nRahmen eines Dauerrechtsverhaltnisses im Bereich des Arbeitsforderungsrechts\nregelmaßig kurzere Bewilligungszeitraume vorliegen, Änderungen bei der\nBerucksichtigung von Einkommen und Vermogen zu berucksichtigen sind und zudem\neine Abhangigkeit von der jeweiligen Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft\nbesteht (BSG, Urteile vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R - und vom 23.\nNovember 2006 - B 11b AS 9/06 R <beide juris>). Auch eine Klageerweiterung\nnach § 99 Abs. 1 SGG ist nicht erfolgt, da Folgebescheide in das Verfahren zu\nkeinem Zeitpunkt eingefuhrt wurden. Diesbezuglich sind vielmehr noch\nWiderspruchsverfahren anhangig. Klarstellend haben die Beteiligten in der\nmundlichen Verhandlung auch eine entsprechende Einschrankung des\nStreitgegenstands erklart. Inhaltlich ist der Streitgegenstand auf die\nÜberprufung der Hohe des Regelsatzes und des Zuschlags nach § 24 SGB II\nbeschrankt. Nicht Gegenstand sind damit die Kosten der Unterkunft und Heizung.\nBei letzteren handelt es sich um eine eigenstandige, abgrenzbare Verfugung,\nwobei sich die rechtliche Trennbarkeit von den ubrigen Verfugungen des\nBewilligungsbescheids aus § 6 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 19 Satz 2 SGB II ergibt,\nso dass von einem abtrennbaren Streitgegenstand auszugehen ist (vgl. BSG,\nUrteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - a.a.O.). Ob auch der Zuschlag\nnach § 24 SGB II allein als Streitgegenstand abtrennbar ist, hat das BSG in\nder genannten Entscheidung offen gelassen. Hierauf kommt es auch vorliegend\nnicht an, da es der Klagerin auch um die Hohe der Regelleistung geht.\nMehrbedarfszuschlage nach § 21 SGB II, die im gesamten Verfahren nicht\nthematisiert wurden, stehen der Klagerin ohnehin nicht zu. Hierfur ist nichts\nvorgetragen und es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte. \n--- \nB. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Berufung ist zulassig. Sie ist gemaß § 151 Abs. 1 SGG form- und\nfristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil der Wert des\nBeschwerdegegenstands 500,00 EUR ubersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).\nDenn zu berucksichtigen ist zum einen die Differenz zwischen der Regelleistung\nin Hohe von 345,00 EUR zu 311,00 EUR fur drei Monate, somit 102,00 EUR (34,00\nEUR x 3). Hinzu kommt der Zuschlag nach § 24 SGB II, welcher zwei Drittel der\nDifferenz zwischen Alg in Hohe von 844,78 EUR und Alg II fiktiv berechnet nur\nfur die Klagerin in Hohe von 643,50 EUR (vom Beklagten unter Anwendung eines\nRegelsatzes in Hohe von 311,00 EUR gewahrt: 609,50 EUR) ausmacht. Fur drei\nMonate ergibt sich somit ein Betrag in Hohe von 402,57 EUR (134,19 EUR x 3).\nIn der Summe betragt die Beschwer des Beklagten demnach 504,57 EUR. \n--- \nC. \n--- \n| 19 \n--- \n| In der Sache ist die Berufung des Beklagten teilweise begrundet, denn\nentgegen der Auffassung des SG liegt eine Bedarfsgemeinschaft bestehend aus\nder Klagerin und D. vor (dazu I.). Die Klagerin hat jedoch gleichwohl Anspruch\nauf Gewahrung des Zuschlags nach § 24 SGB II (dazu II.). \n--- \n| 20 \n--- \n| Unstreitig ist die Klagerin dem Grunde nach leistungsberechtigt gemaß § 7\nAbs. 1 SGB II als erwerbsfahige Person innerhalb der Altersgrenzen des Satz 1\nNr. 1 mit gewohnlichem Aufenthalt in der BRD. Sie ist auch hilfebedurftig\ni.S.v. § 9 SGB II. Zu berucksichtigendes Vermogen liegt nicht vor, die\nKlagerin hat im maßgebenden Zeitraum - ebenso wie D. - auch kein Einkommen\nerzielt. Nach § 20 Abs. 2 und 3 SGB II ist die Regelleistung in Hohe von\n311,00 EUR zu gewahren, da die Klagerin und D. als Mitglieder einer\nBedarfsgemeinschaft anzusehen sind. Zur Bedarfsgemeinschaft gehort neben dem\nerwerbsfahigen Hilfebedurftigen (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II) nach § 7 Abs. 3 Nr.\n3 b SGB II in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 30. Juli 2004\n(BGBl. I S. 2014) als Partner die Person, die mit dem Hilfebedurftigen in\neheahnlicher Gemeinschaft lebt. Darlegungs- und beweispflichtig ist hierfur\nder Leistungstrager (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. Juni\n2006 - L 9 AS 292/06 ER -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22. April 2005 -\nL 2 B 9/05 AS ER - <beide juris>). \n--- \n| 21 \n--- \n| Obwohl sich der Begriff der „eheahnlichen Gemeinschaft" in einer Vielzahl\nvon Gesetzen - darunter in den zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen\nSozialleistungsgesetzen - findet, existiert keine durchgangige gesetzliche\nDefinition des Begriffs (vgl. dazu bereits Urteil des Senats vom 14. November\n2005 - L 7 SO 3743/05 - <juris>). Nach der Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts (Urteil vom 17. November 1992 - 1 WvL 8/87 - BVerfGE\n87, 234; vgl. auch Kammerbeschluss vom 2. September 2004 - 1 BvR 1962/04 -,\nNVwZ 2005, 1178) liegt eine eheahnliche Gemeinschaft nur vor, wenn sie als auf\nDauer angelegte Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau uber\neine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht und sich im Sinne\neiner Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft durch innere Bindungen\nauszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner - auch in den Not-\nund Wechselfallen des Lebens - fureinander begrundet und daneben keine weitere\nLebensgemeinschaft gleicher Art zulasst. Nur wenn sich die Partner einer\nGemeinschaft so sehr fureinander verantwortlich fuhlen, dass sie zunachst den\ngemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr personliches\nEinkommen zur Befriedigung eigener Bedurfnisse verwenden, ist ihre Lage mit\nderjenigen nicht getrennt lebender Ehegatten im Hinblick auf die Anrechnung\nvon Einkommen und Vermogen vergleichbar (vgl.BVerfGE 87, 234, 265; vgl. auch\nUrteil des Senats vom 21. September 2006 - L 7 SO 5441/05 - und Beschlusse vom\n12. Januar 2006 - L 7 AS 5535/05 ER-B - und vom 31. Januar 2006 - L 7 AS\n108/06 ER-B - <beide in juris>). An Hinweistatsachen fur das Vorliegen einer\neheahnlichen Gemeinschaft kommen neben der langen Dauer und Intensitat des\nZusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehorigen im gemeinsamen\nHaushalt, die Befugnis, uber Einkommens- und Vermogensgegenstande des anderen\nPartners zu verfugen, sowie das Vorliegen intimer Beziehungen in Betracht. \n--- \n| 22 \n--- \n| Dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf\ndie Regelung des § 122 Satz 1 BSHG mit Urteil vom 17. Mai 1995 - 5 C 16.93 -\n(BVerwGE 98, 195, 199 f.; vgl. auch Beschluss vom 24. Juni 1999 - 5 B 114/98 -\n<juris>; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 15; SozR 3-4300 § 144 Nr. 10; Debus, SGb\n2006, 82, 84 f.).) angeschlossen, ihrer Anwendung auch im Bereich des § 7 Abs.\n3 Nr. 3 Buchst. b SGB II in der genannten (Alt-) Fassung steht jedoch nichts\nentgegen; das sicher gewichtigste Indiz stellt danach eine lange Dauer des\nZusammenlebens bei Beginn des streitgegenstandlichen Zeitraums dar. Bei\nZusammenfall des Beginns des Zusammenlebens mit dem Beginn des\nLeistungszeitraums kommen als Hinweistatsachen Dauer und Intensitat der\nBekanntschaft zwischen den Partnern vor der Begrundung ihrer Wohngemeinschaft,\nder Anlass fur das Zusammenziehen, die konkrete Lebenssituation der Partner\nwahrend der streitgegenstandlichen Zeit und die - nach außen erkennbare -\nIntensitat der gelebten Gemeinschaft in Betracht. Gegebenenfalls kann auch ein\nlanges Fortdauern der Gemeinschaft uber den streitgegenstandlichen Zeitraum\nhinaus Berucksichtigung finden. Zu einer auf Dauer angelegten\nLebensgemeinschaft gehort grundsatzlich auch die Wohngemeinschaft. Zur\nBejahung einer eheahnlichen Gemeinschaft reicht allerdings eine bloße\nWohngemeinschaft ebenso wenig aus (so bereits BSGE 63, 120, 123 = SozR 4100 §\n138 Nr. 17) wie eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft. \n--- \n| 23 \n--- \n| Da es sich bei den genannten Voraussetzungen zum großen Teil um innere\nTatsachen handelt, die dem Beweis kaum zuganglich sind, bedarf es außerer\nHinweistatsachen, wobei das durch eine Gesamtwurdigung zu findende Bild der\nfur den streitgegenstandlichen Zeitraum feststellbaren Indiztatsachen\nentscheidend ist (vgl. BVerwGE 98, 195, 201; Senatsbeschlusse vom 12. und 31.\nJanuar 2006, a.a.O.). An die Ernsthaftigkeit einer „nichtehelichen\nLebensgemeinschaft" im Sinne einer eheahnlichen Gemeinschaft sind strenge\nAnforderungen zu stellen (vgl. BSGE 90, 90, 99; Senatsbeschlusse vom 12. und\n31. Januar 2006 a.a.O.; Munder in LPK-SGB XII, 7. Aufl., § 20 Rdnr. 23;\nBrandts in Niesel, SGB III, 2. Aufl., § 194 Rdnr. 25). \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Gesetzgeber hat zwar durch das Gesetz zur Fortentwicklung der\nGrundsicherung fur Arbeitssuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1706 ff), welches\nmit Wirkung vom 1. August 2006 in Kraft getreten ist, unter Anderem § 7 Abs. 3\nSGB II in der Weise geandert, dass in einem nunmehr eingefugten Absatz 3a an\ndas Vorliegen bestimmter Hinweistatsachen (Zusammenleben langer als 1 Jahr\noder mit einem gemeinsamen Kind, Versorgung von Kindern oder Angehorigen im\nHaushalt oder Befugnis, uber Einkommen oder Vermogen des anderen zu verfugen)\ndie normative Vermutung eines wechselseitigen Willens der Partner geknupft\nwird, Verantwortung fureinander zu tragen und fureinander einzustehen (vgl.\nzur Neuregelung Beschluss des Senats vom 22. Marz 2007 - L 7 AS 640/07 ER-B -;\nvgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. August 2006 - L 9 AS\n349/06 ER - <jeweils juris>). Fur den vorliegend streitbefangenen Zeitraum (1.\nJanuar bis 31. Marz 2005) bleibt es allerdings fur das Vorliegen einer\neheahnlichen Gemeinschaft bei der Anwendung der oben genannten Kriterien und\nder beschriebenen Beweislastverteilung. Eine Ruckwirkung dieser gesetzlichen\nVermutungsregelung und der sich daraus ergebenen Beweiserschwernis zu Lasten\nder Klagerin fur Leistungszeitraume vor dem 1. August 2006 ist weder\ngesetzgeberisch angeordnet noch aus sonstigen Grunden veranlasst (Beschluss\ndes Senats vom 8. Mai 2007 - L 7 AS 5741/06 - und vom 22. Marz 2007, a.a.O.). \n--- \n| 25 \n--- \n| Unter Berucksichtigung der oben dargestellten Grundsatze ist der Senat\naufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des Vorbringens der\nBeteiligten zu der Überzeugung gelangt, dass zwischen der Klagerin und D. eine\neheahnliche Gemeinschaft besteht. Die Klagerin und D. lernten sich nach\neigenen Angaben im Jahr 2002 kennen, als D. im Sch.wald auf Montage arbeitete.\n2003 zog die Klagerin, die bis 30. Juni 2003 als Erzieherin in einem Mutter-\nKind-Kurheim auf dem Feldberg gearbeitet hatte, bei D. in dessen Wohnung in K.\nein. Im August 2003 erfolgte dann ein Umzug in die jetzt bewohnte, gemeinsam\nangemietete Wohnung. Zunachst spricht die Aufteilung der 3-Zimmer-Wohnung mit\ngemeinsamem Schlafzimmer fur das Vorliegen einer eheahnlichen Gemeinschaft.\nAuch hat die Klagerin selbst stets angegeben, in einer eheahnlichen\nGemeinschaft zu leben. Bereits im Rahmen der Beantragung von Arbeitslosenhilfe\nhatte die Klagerin angegeben, mit D. als Lebenspartner in einer\nHaushaltsgemeinschaft zu leben und sich gegenseitig finanziell zu unterstutzen\n(Bl. 19 Leistungsakte der Bundesagentur), entsprechend hat sie auch\nVerdienstbescheinigungen von D. vorgelegt. Ebenso hat sie bei der Beantragung\nvon Alg II D. als Partner in eheahnlicher Gemeinschaft angegeben, lediglich\nhandschriftlich hinzugefugt, die eheahnliche Gemeinschaft bestehe noch keine\ndrei Jahre. Ebenso wurde im Widerspruchsverfahren nicht das Vorliegen einer\neheahnlichen Gemeinschaft als solcher bestritten, sondern es wurden lediglich\ndie daran anknupfenden Rechtsfolgen fur rechtswidrig erachtet. Mit\nEinschaltung des Prozessbevollmachtigten im Klageverfahren wurde erstmals\ngeltend gemacht, es liege lediglich eine Wohngemeinschaft vor. Der Vortrag,\ndie Klagerin habe keine Vorstellung uber die rechtliche Bedeutung und den\nInhalt des Begriffs der eheahnlichen Lebensgemeinschaft gehabt, uberzeugt den\nSenat nicht. Im Rahmen der mundlichen Verhandlung hat die Klagerin, die nach\neigenen Angaben auch mehrere Semester Germanistik studiert hat, auf den Senat\neinen durchaus differenzierten Eindruck einer Person gemacht, die sorgfaltig\nformuliert und sich genau bewusst ist, was sie sagt. \n--- \n| 26 \n--- \n| Auch eine Wirtschaftsgemeinschaft liegt vor. Dagegen spricht nicht, dass die\ngemeinsamen Kosten, insbesondere Miete und Einkauf des taglichen Bedarfs\nzunachst geteilt wurden (Haushaltskasse) und sowohl die Klagerin wie auch D.\nuber eigene Konten verfugen, auf die sie wechselseitig keinen Zugriff haben.\nAuch unter Eheleuten ist ein gemeinsames Konto nicht allgemein ublich (vgl.\nLSG Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 2. Dezember 2005 - L 8 AS 4496/05 ER-B)\nund auch bei Ehepartnern ist es ublich, dass jeder, soweit er uber Einkommen\nverfugt, hiervon zu den gemeinsamen Lebenshaltungskosten beitragt. Ein ganz\nwesentliches Indiz fur ein gemeinsames Wirtschaften ist jedoch, dass D. die\nMietkosten seit nahezu zwei Jahren allein tragt, seit die Klagerin uber kein\nEinkommen mehr verfugt. Auch wenn die Klagerin zusatzlich nach eigenen Angaben\ndurch ihre Mutter finanziell unterstutzt wurde, wird hierdurch ein\nEinstandswille von D. deutlich, der auch durch die Zeugenvernehmung in der\nmundlichen Verhandlung bestatigt wurde. So hat D. dort ausgesagt, er konne die\nKlagerin doch nicht „raus schmeißen". \n--- \n| 27 \n--- \n| Schließlich spricht fur das Vorliegen einer Einstands- und\nVerantwortungsgemeinschaft auch, dass die Klagerin im Antrag vom 10. Marz 2005\nauf eine fondsgebundene Rentenversicherung mit Beitragsgarantie (db\nForderrente, Deutscher Herold) als Berechtigten fur den Todesfall D. angegeben\nhatte. Damit wird eine personliche Nahe deutlich, die weit uber das bei einer\nreinen Zweckgemeinschaft ohne innere Bindungen ubliche Maß hinausgeht. Daran\nvermogen auch die Einwendungen der Klagerin im Rahmen der mundlichen\nVerhandlung nichts zu andern, sie habe sonst niemanden gehabt, den sie hatte\nbegunstigen konnen. Insgesamt ist damit aufgrund der außeren Umstande der\nSenat zur vollen richterlichen Überzeugung gelangt, dass eine eheahnliche\nLebensgemeinschaft vorliegt. Die Frage der Beweislast stellt sich damit nicht\nmehr. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Klagerin hat jedoch Anspruch auf Gewahrung eines Zuschlags nach § 24 SGB\nII in Hohe von monatlich 95,00 EUR fur den hier streitigen Zeitraum. \n--- \n| 29 \n--- \n| Soweit der erwerbsfahige Hilfebedurftige - wie die Klagerin - Alg II\ninnerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Alg bezieht, erhalt er\nin diesem Zeitraum einen monatlichen Zuschlag, welcher nach Ablauf des ersten\nJahres um 50 vom Hundert vermindert wird (§ 24 Abs. 1 SGB II). Der Zuschlag\nbetragt nach § 24 Abs. 2 SGG (i.d.F. des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl.\nI S. 2954) zwei Drittel des Unterschiedsbetrags zwischen \n--- \n| 30 \n--- \n| 1\\. dem von dem erwerbsfahigen Hilfebedurftigen zuletzt bezogenen Alg und\ndem nach dem Wohngeldgesetz erhaltenen Wohngeld und \n--- \n| 31 \n--- \n| 2\\. dem an den erwerbsfahigen Hilfebedurftigen und die mit ihm in\nBedarfsgemeinschaft lebenden Angehorigen \n--- \n| 32 \n--- \n| zu zahlenden Alg II nach § 19 oder Sozialgeld nach § 28. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Der Senat teilt nicht die Auffassung des Beklagten, dass streng nach dem\nWortlaut der Vorschrift fur jeden einzelnen Berechtigten die Differenz\nzwischen dem von ihm bezogenen Alg und dem Gesamtanspruch der\nBedarfsgemeinschaft auf Alg II zu berechnen ist (so aber LSG Baden-\nWurttemberg, Urteile vom 25. April 2006 - L 12 AS 5081/05 - und 18. Juli 2006\n- L 12 AS 1362/06 -; SG Dusseldorf, Urteil vom 27. November 2006 - S 43 (35)\nAS 37/05 - <juris- nur Kurztext>, Revision anhangig - B 11b AS 5/07 R -).\nVielmehr ist eine Gesamtdifferenzberechnung in der Weise vorzunehmen, dass die\nAlg-Anspruche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft addiert und dann dem\nGesamtanspruch der Bedarfsgemeinschaft gegenuber gestellt werden. \n--- \n| 34 \n--- \n| Diese an Sinn und Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung widerspricht\nnicht dem Wortlaut. Dieser zwingt mit der Verwendung des Singulars in § 24\nAbs. 2 Nr. 1 SGB II nicht zu der Auslegung, dass die Alg-Anspruche der\neinzelnen Berechtigten isoliert dem Alg II-Anspruch der Bedarfsgemeinschaft\ngegenuber gestellt werden. Denn dies kann dem Umstand geschuldet sein, dass es\nsich um Individualanspruche handelt, zudem die Gesetzessprache haufig den\nSingular verwendet, ohne damit Vorentscheidungen uber die Behandlung\nproblematischer Falle zu treffen, etwa wenn mehrere Betroffene gleichzeitig\neinen Anspruch geltend machen, eine Einrede erheben etc. (so SG Frankfurt,\nUrteil vom 24. Marz 2006 - S 47 AS 130/05 - <juris>, Revision anhangig - B 11b\nAS 33/06 R -). Nach anderer Auffassung soll sich der Gesetzgeber im Ausdruck\n„vergriffen" haben, was ebenfalls von der Bindung an den Wortlaut - nicht\nWortsinn - dispensiere (so SG Konstanz, Urteil vom 26. Juli 2005 - S 9 AS\n851/05 - <juris>). Jedenfalls spricht die Entstehungsgeschichte deutlich fur\nein derartiges Normverstandnis. Aus den Materialien lasst sich ersehen, dass\nursprunglich bei der Berechnung des Zuschlags das gesamte Haushaltseinkommen -\nnicht nur Alg und Wohngeld - herangezogen werden sollte (BT-Drucks. 15/1516,\nS. 58). Davon wurde abgesehen, weil dies zu hohen Verwaltungsaufwand\nverursache und zudem Einkommensveranderungen in die Zuschlagsberechnung\neingingen, die sich aufgrund des Wechsels vom Alg in Alg II nicht oder in der\nRegel nicht veranderten (BT-Drucks., a.a.O.). Diese Vereinfachungsuberlegungen\nlassen jedoch nicht erkennen, dass der Gesetzgeber von der Gesamtbetrachtung\nbei der Bedarfsgemeinschaft konzeptionell hatte Abschied nehmen wollen (vgl.\nSG Konstanz, a.a.O. und SG Frankfurt, a.a.O; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil\nvom 9. Mai 2006 - L 10 AS 88/06 - <juris>, Revision anhangig - B 7b AS 42/06\nR). Auch systematisch erscheint es folgerichtiger, dass innerhalb einer\nBedarfsgemeinschaft, auf die auch bei der Hilfebedurftigkeit abgestellt wird\n(§ 9 Abs. 1 und 2 SGB II), nicht nur das von einem erwerbsfahigen\nHilfebedurftigen erzielte Alg bei der Berechnung des Zuschlags nach § 24 SGB\nII Berucksichtigung finden soll, wenn auf der anderen Seite der gesamte Alg\nII-Anspruch gegenuber gestellt wird. Auch der Zweck des Zuschlags, „in\nvertretbarem Umfang einen Teil der Einkommenseinbußen abzufedern, die in der\nRegel beim Übertritt in die neue Leistung entstehen" (BT-Drucks., a.a.O.),\nkonnte bei einer ganz streng am Wortlaut haftenden Auslegung in Fallen der\nvorliegenden Art nicht erreicht werden. Es ware auch nicht ersichtlich, warum\netwa bei Erzielung eines Einkommens in vergleichbarer Hohe wie Alg durch einen\nPartner und folglich deutlich niedrigerem Alg II-Anspruch mit der Folge\nhoheren Zuschlags nach § 24 SGB II die Abfederungsfunktion greifen sollte,\nnicht jedoch, wenn der Hilfebedarf der Bedarfsgemeinschaft mangels Einkommen\nsogar noch großer ist (vgl. dazu das fiktive Berechnungsbeispiel bei LSG\nBerlin-Brandenburg, a.a.O.). Daruber hinaus erscheint bei der isolierten\nBetrachtung die Ungleichbehandlung von Ehen und Familien (Art. 3 und 6 GG)\nverfassungsrechtlich problematisch, die sich je nach Ausgestaltung der\nFamilienrollen ergeben kann. Bei einem Alleinverdiener stellt sich die\nProblematik nicht, wohl aber, wenn Verdienerrolle und Haushalts- und\nErziehungsaufgaben aufgeteilt sind (vgl. SG Frankfurt, a.a.O.). Auffallig in\ndiesem Zusammenhang ist schließlich noch, dass die - fur die Gerichte nicht\nbindenden - Durchfuhrungshinweise der Bundesagentur fur Arbeit vorsehen, von\nder Summe der Alg-Anspruche nach SGB III auszugehen, wenn der Bezug dieser\nLeistung bei zwei oder mehr Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft gleichzeitig\nendet (unter Rz. 24.20; so auch <nur> bei gleichzeitigem Wechsel zweier\nPartner: Muller in Hauck/Noftz, SGB II, § 24 Rdnr. 17). Es ist jedoch nicht\nersichtlich, warum dies bei dem viel haufigeren Fall, dass zwar der Alg-Bezug\nzu verschiedenen Zeiten, jedoch noch vor Inkrafttreten des SGB II endet, so\ndass die Partner gleichzeitig in den Alg II-Bezug wechseln, anders gehandhabt\nwerden sollte. \n--- \n| 35 \n--- \n| Dagegen halt der Senat fur mit dem Wortlaut des § 24 Abs. 2 Nr. 2 SGB II\nnicht vereinbar, der Summe aus zuletzt bezogenem Alg und Wohngeld nicht den\nGesamtbetrag des an alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu zahlenden Alg\nII gegenuber zu stellen, sondern nur den auf den erwerbsfahigen\nHilfebedurftigen entfallenden individuellen Anteil des Alg II (so aber Sachs.\nLSG, Urteil vom 30. Marz 2006 - L 3 AS 18/05 - <juris>, Revision anhangig - B\n11b AS 23/06 R -). \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Berechnung des fur die Klagerin maßgeblichen Zuschlags ergibt sich nach\nalledem wie folgt. Gegenuber zu stellen ist die Summe des Alg von Klagerin und\nD. (824,78 EUR + 648,53 EUR = 1.473,31 EUR) sowie der Alg II-Anspruch der\nBedarfsgemeinschaft in Hohe von 1.219,00 EUR. Die Differenz betragt demnach\n254,31 EUR (1.473,31 EUR - 1.219,00 EUR). Der Anteil der Klagerin am Gesamt-\nAlg betragt 55,98% (824,78 EUR von 1.473,31 EUR). Entsprechend ist auch der\nAnteil der Klagerin am Differenzbetrag festzusetzen, so dass auf sie 142,36\nEUR des Differenzbetrags entfallen (55,98% von 254,31 EUR). Fur eine genaue\nanteilige Berechnung spricht, dass es sich um Individualanspruche handelt und\nauf diese Weise abgebildet wird, in welcher Hohe die einzelnen Mitglieder der\nBedarfsgemeinschaft zuvor Alg bezogen haben und auf diese Weise zudem\nproblemlos berucksichtigt werden kann, wenn den einzelnen Mitgliedern der\nBedarfsgemeinschaft der Zuschlag wegen unterschiedlichen zeitlichen Abstands\nzum Alg-Bezug in unterschiedlicher Hohe zu gewahren ist (fur eine halftige\nAufteilung des Differenzbetrags dagegen LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Der\nZuschlag berechnet sich fur die Klagerin somit aus 2/3 von 142,36 EUR und\nbetragt folglich 94,91 EUR, gerundet 95,00 EUR (vgl. § 41 Abs. 2 SGB II). Die\nTatsache, dass sich der hier nicht streitgegenstandliche Zuschlag fur D. ab\n16. Februar 2005 nach § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB II um die Halfte vermindern\nwurde, wirkt sich auf die Hohe des der Klagerin zustehenden Zuschlags nicht\naus, da dies nur den D. zustehenden Anteil am Differenzbetrag betrifft. \n--- \nD. \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat des\nVerhaltnis von Obsiegen und Unterliegen berucksichtigt. \n--- \n| 38 \n--- \n| Der Senat hat die Revision wegen grundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache\nzugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). \n---\n\n |
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151,912 | lg-stuttgart-2007-11-05-10-t-22007 | 142 | Landgericht Stuttgart | lg-stuttgart | Stuttgart | Baden-Württemberg | Ordentliche Gerichtsbarkeit | Landgericht | 10 T 220/07 | 2007-11-05 | 2019-01-09 21:10:41 | 2019-01-17 12:04:37 | Beschluss | ## Tenor\n\n1\\. Die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 gegen den Beschluss des Notariats\nStuttgart - Vormundschaftsgericht - vom 04.03.2005 (Az.: 1 VG 77/2004) wird\nals unzulassig verworfen.\n\n2\\. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei.\n\n3\\. Die Beteiligte Ziff. 1 hat die der Betreuerin im Beschwerdeverfahren\nerwachsenen notwendigen Kosten zu erstatten.\n\n4\\. Der Geschaftswert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Betroffene leidet seit Anfang August 2004 an einem schweren\nhirnorganischen Psychosyndrom nach einem Herzinfarkt. Ein nervenarztliches\nGutachten vom 21.09.04 bescheinigt ihm einen komatosen Zustand nach\nhypoxischem Hirnschaden. Der Betroffene ist auch heute noch schwerst\npflegebedurftig, sitzt im Rollstuhl und muss kunstlich ernahrt werden. Eine\nKommunikation ist ausweislich des Aktenvermerks des Vormundschaftsgerichts vom\n05.10.06 nicht moglich. Eine Besserung seines Allgemeinzustands in den\nvergangenen Monaten ist nach Aktenlage nicht ersichtlich und steht mit Blick\nauf das genannte nervenarztliche Gutachten nicht zu erwarten. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Beschluss vom 04.10.04 hat das Vormundschaftsgericht im Wege der\neinstweiligen Anordnung die jetzige Betreuerin - die Beteiligte Ziff. 2 - fur\ndie Dauer von 6 Monaten als vorlaufige Betreuerin fur den Betroffenen\nbestellt. Zur Begrundung hat das Vormundschaftsgericht ausgefuhrt, dass\naufgrund innerhalb der Familie bestehender Konflikte und Interessenkollisionen\nzum Wohl des Betroffenen eine außenstehende, unparteiische und erfahrene\nBerufsbetreuerin zu bestellen sei. Ein Antrag der Beteiligten Ziff. 1 zur\nBetreuerin bestellt zu werden, wurde abgelehnt. Im selben Beschluss hat das\nVormundschaftsgericht Frau Notariatsassessorin R. als Verfahrenspflegerin fur\ndas Betreuungsverfahren bestellt. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Beschluss vom 04.03.05 hat das Vormundschaftsgericht die Beteiligte\nZiff. 2 sodann als Betreuerin des Betroffenen fur alle Angelegenheiten\nbestellt, da dies dem Wohl des Betroffenen aufgrund des bisherigen positiven\nVerlaufs der vorlaufigen Betreuung, der Schwierigkeiten der\nBetreuungsgeschafte und den weiterhin fortbestehenden innerfamiliaren\nDifferenzen am besten entspreche. Den Antrag der Beteiligten Ziff. 1 vom\n24.02.05 auf Bestellung als Betreuerin hat es zuruckgewiesen. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Schreiben vom 28.03.06 hat die Beteiligte Ziff. 1 „erneut die Betreuung\nmeines Vaters beantragt." Zur Begrundung wurde ausgefuhrt, dass sich nach\ninzwischen eineinhalb Jahren der „Fremdbetreuung" nach Veraußerung der\nGesellschafteranteile des Betroffenen der ursprungliche Interessenkonflikt\nnicht mehr gegeben sei. Mit Schriftsatz vom 23.08.06 hat der nunmehrige\nProzessbevollmachtigte der Beteiligten Ziff. 1 beim Vormundschaftsgericht\nbeantragt, die mit Beschluss vom 04.03.05 verfugte Betreuerbestellung\naufzuheben. Hilfsweise wurde geltend gemacht, die Betreuerstellung der\nBeteiligten Ziff. 2 aufzuheben und die Beteiligte Ziff. 1 als Betreuerin zu\nbestellen. Begrundet wurden die Antrage im Wesentlichen damit, dass die\nAngelegenheiten des Betroffenen durch die Beteiligte Ziff. 1 ebenso gut\nbesorgt werden konnten. Aufgrund der menschlichen und familiaren Nahe zum\nBetroffenen und der sozialen und fachlichen Kompetenz konne diese die\nBetreuung besser und daruber hinaus auch unentgeltlich durchfuhren. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Das Vormundschaftsgericht hat die Antrage mit Beschluss vom 23.10.06\nzuruckgewiesen. Ein Betreuungserfordernis sei unter vorliegenden Umstanden\nohne Zweifel gegeben. Auch dem Hilfsantrag konne nicht entsprochen werden, da\nkeine Grunde vorlagen, die die Entlassung der bestellten Betreuerin\nrechtfertigten. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte Ziff. 1 zunachst uber ihren\nProzessbevollmachtigten mit Schriftsatz vom 12.12.06, der am 13.12.06 bei\nGericht eingegangen ist, und schließlich selbst mit Schreiben vom 15.12.06\n(Eingang beim Vormundschaftsgericht: 20.12.06) Beschwerde eingelegt und\nbeantragt: \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| 1\\. Der Beschluss des Notariats Stuttgart, Vormundschaftsgericht, 1 VG\n77/2004, vom 23.10.2006, wird hinsichtlich seiner Ziffer I 2. aufgehoben. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| 2\\. Die Betreuerin des Herrn M., Frau B., (Betreuerin) wird als Betreuerin\ndes Herrn M. entlassen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| 3\\. Die Beschwerdefuhrerin hilfsweise ein vom Gericht einzusetzender\nBerufsbetreuer, wird fur alle Angelegenheiten des Betroffenen, Herrn M.,\neinschließlich der Regelung des Post- und Fernmeldeverkehrs, als Betreuerin\nfur Herrn M. bestellt, die den Betroffenen im Rahmen dieses Aufgabenkreises\ngerichtlich und außergerichtlich vertritt. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| 4\\. Die Auslagen der Beschwerdefuhrerin, die zur Verfolgung der\nzweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, werden der Staatskasse\nauferlegt. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Zur Begrundung wurde ausgefuhrt, dass das Vormundschaftsgericht\nmoglicherweise den Grundsatz rechtlichen Gehors verletzt habe, und auf die aus\nSicht der Beteiligten Ziff. 1 widerspruchliche Entscheidung hingewiesen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Beteiligte Ziff. 3 ist dem angeregten Betreuerwechsel entgegengetreten. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Mit Nichtabhilfebeschluss vom 23.01.07 hat das Vormundschaftsgericht an\nseiner Entscheidung vom 23.10.06 festgehalten und die in der Beschwerdeschrift\ngestellten Antrage vollumfanglich zuruckgewiesen. Die Akten wurden am 26.01.07\ndem Landgericht Stuttgart zur weiteren Entscheidung vorgelegt. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Kammer hat zunachst Termin zur Anhorung der Beteiligten bestimmt. Im\nRahmen der Terminsvorbereitung und nach Beratung ist die Kammer jedoch von der\nUnzulassigkeit der Beschwerde ausgegangen. Der auf 27.06.2007 bestimmte\nAnhorungstermin wurde demgemaß aufgehoben und der Beteiligten Ziff. 1\nGelegenheit zur Stellungnahme gegeben. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 10.07.2007 hat diese vorgetragen, dass eine\nBeschwerdeberechtigung gegeben sei, da sie sich weiterhin gegen die erstmalige\nBestellung der Frau B. zur Betreuerin wende. Dass dies der Fall sei, ergebe\nsich insbesondere aus den nochmals vorgelegten Schreiben der Beteiligten Ziff.\n1 vom 28.03.2006 und des Verfahrensbevollmachtigten der Beteiligten Ziff. 1\nvom 23.08.2006. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Vorsorglich wurde gegen den Beschluss des Notariats Stuttgart,\nVormundschaftsgericht (Az.: 1 VG 77/2004) vom 04.03.2005 und gegen die\nBeschlusse des Notariats Stuttgart vom 23.10.2006 und 23.01.2007 mit demselben\nAktenzeichen Beschwerde eingelegt. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Zur Begrundung der Beschwerde gegen den Beschluss vom 04.03.2005 wurde auf\ndie Schreiben Beteiligten Ziff. 1 und die Schriftsatze ihres\nProzessbevollmachtigten verwiesen. Aus diesen lasse sich ableiten, dass die\nBeschwerdefuhrerin auch die Aufhebung des Erstbeschlusses des\nVormundschaftsgerichts vom 04.03.2005 begehre. Sein Inhalt, Frau B. zur\nBetreuerin des Betroffenen zu bestellen, sei dadurch angegriffen worden, dass\nbeantragt worden sei, Frau B. als Betreuerin zu entlassen und die\nBeschwerdefuhrerin, hilfsweise einen vom Gericht anzusetzenden Berufsbetreuer,\nmit der Betreuung des Betroffenen zu betrauen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Mit Beschlussen vom 17.07.2007 hat die Kammer die Beschwerden der\nBeteiligten Ziff. 1 gegen die Beschlusse des Vormundschaftsgerichts vom\n23.10.2006 bzw. 23.01.2007 teils als unzulassig verworfen, teils\nzuruckgewiesen. Die Beteiligte Ziff. 1 hat gegen diese Beschlusse das\nRechtsmittel der weiteren Beschwerde zum Oberlandesgericht Stuttgart\neingelegt. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Mit Beschluss vom 09.10.2007 hat das Oberlandesgericht Stuttgart auf Antrag\nder Rechtsbeschwerdefuhrerin und mit Zustimmung der Betreuerin eine\nEntscheidung bis zu einer Entscheidung des Landgerichts Stuttgart im\nErstbeschwerdeverfahren mit dem Az.: 10 T 220/07 zuruckgestellt und die Akten\ndem Landgericht zur Entscheidung zuruckgegeben. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags und der Einzelheiten wird auf die\neinzelnen Schriftsatze nebst Anlagen und den Akteninhalt im Übrigen verwiesen. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 gegen den Beschluss des Notariats\nStuttgart - Vormundschaftsgericht - vom 04.03.2005 (Az.: 1 VG 77/2004) war\nwegen Verwirkung als unzulassig zu verwerfen. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist in allen Rechtsgebieten anwendbar,\ninsbesondere auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Rahmen der\nunbefristeten Beschwerde (OLG Koln, Beschluss vom 13.10.1976, Az.: 16 Wx\n121/76) und im Prozessrecht (vgl. dazu Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl., §\n242 Rdnr. 92). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Eine Verwirkung des Beschwerderechts der Beteiligten Ziff. 1 setzt voraus,\ndass seit Erlass der Entscheidung ein langerer Zeitablauf und uberdies weitere\nUmstande eingetreten sind, die die Beschwerdeeinlegung als\nrechtsmissbrauchlich erscheinen lassen (Zeit- und Umstandsmoment) - z. B. weil\ndie Beteiligten den geschaffenen Zustand als endgultig angesehen haben und\nansehen durften (vgl. Bassenge/Roth, FGG, 11. Aufl., § 20 Rdnr. 4). Stets sind\njedoch alle Umstande des Einzelfalls aus objektiver Sicht zu wurdigen, wobei\neine Verwirkung immer nur in Ausnahmefallen angenommen werden kann, weil\nandernfalls die vom Gesetzgeber ausdrucklich nicht vorgesehene\nRechtsmittelfrist konterkariert wurde (vgl. nur BayObLG, FamRZ 1999, S. 1095\nf.). Andererseits verlangt die Rechtssicherheit, dass Rechtsbehelfe nicht ohne\njede zeitliche Beschrankung eingelegt werden konnen, insbesondere in\nVerfahren, die einer raschen Klarung bedurfen. Eine Verwirkung setzt kein\nVerschulden voraus. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Unter Beachtung dieser Grundsatze ist das Beschwerderecht der Beteiligten\nZiff. 1 den Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 04.03.2005 betreffend\nverwirkt. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| 1\\. Das erforderliche Zeitmoment liegt vor. Ein Rechtsbehelf, der sich\nausdrucklich gegen den Beschluss vom 04.03.2005 wendet, ist erstmals mit\nSchriftsatz des Prozessbevollmachtigten der Beteiligten Ziff. 1 am 10.07.2007\nbeim Landgericht Stuttgart eingegangen (Bl. 310 d. A.). Damit wurde der\nBeschluss erst mehr als 2 Jahre nach seinem Wirksamwerden angefochten. Dieser\nZeitraum genugt, um eine Verwirkung anzunehmen (OLG Koln, Beschluss vom\n13.10.1976, Az.: 16 Wx 121/76; LG Kiel, Rpfleger 1996, S. 346). Selbst wenn\nman das Schreiben der Beteiligten Ziff. 1 vom 28.03.2006 heranzieht, ging\ndieses erst uber 1 Jahr nach dem Beschluss vom 04.03.2005 beim\nVormundschaftsgericht ein. Das OLG Koln hat in einer neueren Entscheidung\nausgefuhrt, dass auch dieser Zeitraum - bei Vorliegen der weiteren\nVoraussetzungen - Grundlage einer Verwirkung sein kann (OLG Koln, NJW-RR 2007,\nS. 799 f.). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Sofern darauf hingewiesen wird, dass die Beteiligte Ziff. 1 sich schon immer\nauch gegen die Erstbestellung der Betreuerin wenden wollte, kann dem aus Sicht\nder Kammer nicht gefolgt werden. Insoweit wird auf die Ausfuhrungen der Kammer\nim Beschluss vom 17.07.2007 (Az.: 10 T 29/07) Bezug genommen. Die Beteiligte\nZiff. 1 hat zunachst die Entlassung und Auswechslung der Betreuerin begehrt.\nGegen die Bestellung der Frau B. als Betreuerin wurde kein Rechtsmittel\neingelegt. Im Schreiben der Beteiligten Ziff. 1 vom 28.03.2006 (Bl. 120 d. A.)\nlegt diese gegenuber dem Vormundschaftsgericht dar, dass nach uber 1,5 Jahren\nder „Fremdbetreuung" alle geschaftlichen Belange durch die Betreuerin\nabgewickelt worden seien. Der ursprungliche Interessenkonflikt sei daher nicht\nmehr gegeben. Die Beteiligte Ziff. 1 hat deshalb „erneut die Betreuung meines\nVaters" beantragt. Hieraus ist zu entnehmen, dass gerade nicht die\nErstbestellung der Betreuerin angefochten wurde, sondern ein Antrag auf\nEntlassung bzw. Auswechslung der Betreuerin gestellt wurde. Dem steht nicht\nentgegen, dass die Beteiligte Ziff. 1 nach Aktenlage zunachst nicht mit der\nBestellung der Frau B. als Betreuerin einverstanden war (vgl. hierzu das\nSchreiben des O. auch in Vollmacht der Beteiligten Ziff. 1 vom 24.02.2005; Bl.\n75 ff. d. A.). Entscheidend fur die objektive Auslegung des Begehrens der\nBeteiligten Ziff. 1 kann nur der Zeitraum ab Erlass des Beschlusses vom\n04.03.2005, dessen Inhalt u. a. die Bestellung von Frau B. als Betreuerin war,\nsein. Und in diesem Zeitraum wurde jedenfalls bis zum 10.07.2007 die\nErstbestellung der Frau B. akzeptiert. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| So wie die Kammer hat auch das Vormundschaftsgericht die Antrage der\nBeteiligten Ziff.1 verstanden und dementsprechend seinen Beschluss vom\n23.10.2006 gefasst. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Auch aus dem Schriftsatz des Verfahrenbevollmachtigten der Beteiligten Ziff.\n1 vom 23.08.2006 ergibt sich nichts anderes. Soweit dort die Aufhebung der\nBetreuung uberhaupt mangels Erforderlichkeit geltend gemacht wurde, wurde\nhieruber im Beschluss vom 17.07.2007 (Az.: 10 T 29/07) entscheiden. Dass der\nBetroffene weiterhin einer Betreuung bedarf, steht fur die Kammer in\nAnbetracht seines Zustands außer Frage. Hilfsweise wurde beantragt, die\nBetreuerstellung der Frau B. aufzuheben und die Beteiligte Ziff. 1 als\nBetreuerin zu bestellen (Betreuerauswechslung). Dass der Beteiligten Ziff. 1\ninsoweit die Antrags- bzw. die Beschwerdebefugnis fehlt, wurde dargelegt. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| 2\\. Auch das erforderliche Umstandsmoment ist zu bejahen. Der Beschluss des\nVormundschaftsgerichts vom 04.03.2005 wurde erst dann wieder zum\nVerfahrensgegenstand gemacht, als die Kammer mit rechtlichem Hinweis vom\n25.06.2007 auf Bedenken hinsichtlich der Zulassigkeit des ursprunglichen\nRechtsmittels der Beteiligten Ziff. 1 hingewiesen hat. Durch die Anfechtung\ndes Beschlusses vom 04.03.2005 widerspricht die Beteiligte Ziff. 1 ihrem\nbisherigem und zuvor festgestellten Verhalten, in dem ab dem 04.03.2005 stets\nnur das Begehren nach Aufhebung der Betreuung oder Auswechslung der\nBetreuerperson und gerade nicht die Anfechtung der Erstbetreuerbestellung zum\nAusdruck gekommen ist. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Erstbetreuerbestellung von Frau B. hat die Beteiligte Ziff. 1 vielmehr\nnach dem 04.03.2005 hingenommen. Dies zeigt sich zunachst daran, dass im\nZeitraum vom 04.03.2005 bis zum 28.03.2006 in den Akten keinerlei Schreiben\nder Beteiligten Ziff. 1, in denen sie sich gegen die Betreuerbestellung\nwendet, ersichtlich sind, obwohl sie jederzeit die Moglichkeit hatte, eine\nÄnderung der Betreuerbestellung gemaß § 18 Abs. 1 FGG anzuregen. Weiterhin\nwird dies dadurch belegt, dass die Beschwerdefuhrerin eine Auskunfts- und\nInformationsvollmacht bei der Betreuerin beantragt und auch erhalten hat (vgl.\nBl. 92 d. A.). Auf die Tatsache der Bestellung hat sich insbesondere die\nBetreuerin in der Folge auch eingestellt und zahlreiche ihrem Aufgabenkreis\nentsprechende Maßnahmen getroffen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Mit der nunmehr zusatzlich eingelegten Beschwerde setzt sich die Beteiligte\nZiff. 1 zu ihrem Verhalten in der Zeit vom 04.03.2005 an in Widerspruch. Die\nVoraussetzungen der Verwirkung sind daher gegeben. Die Beschwerde war deshalb\nals unzulassig zu verwerfen. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Gemaß 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG hat die Beteiligte Ziff. 1 die der Betreuerin\nim Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten, da sie\nein unzulassiges Rechtsmittel eingelegt hat. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Das Beschwerdeverfahren ist gemaß § 131 Abs. 3 KostO gerichtsgebuhrenfrei,\nda das Rechtmittel nach Auffassung der Kammer zumindest auch im Interesse des\nBetroffenen eingelegt wurde. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Festsetzung des Geschaftswerts beruht auf §§ 131 Abs. 2, 31 Abs. 1 Satz\n1, 30 Abs. 2 Satz 1 KostO. \n---\n\n |
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159,907 | olgstut-2007-12-13-13-u-8307 | 147 | Oberlandesgericht Stuttgart | olgstut | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 13 U 83/07 | 2007-12-13 | 2019-01-10 10:06:56 | 2019-02-12 12:21:04 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Die Berufung der Klagerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des\nLandgerichts Ulm vom 27. Marz 2007 wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Klagerin tragt die Kosten der Berufung.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDie Klagerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Hohe\nvon 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagten vor der\nVollstreckung Sicherheit in Hohe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden\nBetrages leisten.\n\nStreitwert der Berufung: 110.000,00 EUR.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Es wird Bezug genommen auf die tatsachlichen Feststellungen im angefochtenen\nUrteil des Landgerichts Ulm. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Zur Begrundung ihrer Berufung tragt die Klagerin vor, das Urteil verletze\nmaterielles Recht, und der entscheidungserhebliche Sachverhalt sei nicht\nrichtig festgestellt. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 4 \n--- \n| unter Abanderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagten zu verurteilen,\nan die Klagerin als Gesamtschuldner 110.000,00 EUR nebst Zinsen in Hohe von 8\nProzentpunkten uber dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshangigkeit der Klage\nzu bezahlen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Beklagten beantragen, \n--- \n| 6 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Sie verteidigen das Urteil. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Schriftsatze\nverwiesen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die zulassige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat\ndie Klage zu Recht abgewiesen. Eine Abanderung des Urteils ist nicht\nveranlasst. Der Klagerin stehen gegen die Beklagten weder wegen Planungs- noch\nwegen Bauuberwachungsfehlern Schadensersatzanspruche zu. Auch einer weiteren\nBeweisaufnahme bedarf es nicht. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Den Beklagten kann nicht vorgeworfen werden, die Bodenplatte der Tiefgarage\nfalsch geplant zu haben. Die Unterdimensionierung der Bewehrung beruhte\nausschließlich auf einem Fehler des Statikers, fur den die Beklagten nicht\nverantwortlich sind. Die Unterdimensionierung beruht nicht darauf, dass die\nBeklagten dem Statiker falsche Vorgaben gemacht oder Vorgaben nicht oder nur\nteilweise weitergegeben hatten, sondern alleine auf einer falschen Berechnung\ndes Statikers. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Zu Recht und mit zutreffender Begrundung hat das Landgericht angenommen,\ndass die Beklagten nicht verpflichtet waren, die statische Berechnung zu\nuberprufen. Die Arbeit eines eingeschalteten Sonderfachmanns zu uberprufen,\nsind die Beklagten als Architekten nicht verpflichtet. Hierfur bestand auch\nkein Anlass. Sie durften auf die Richtigkeit der Leistung des Statikers\nvertrauen, der im Gegensatz zu einem Architekten uber die entsprechenden\nFachkenntnisse verfugt und deswegen die Anfertigung der statischen Berechnung\nbeauftragt erhalten hat. Ebenso wenig waren die Beklagten entgegen der Ansicht\nder Berufung verpflichtet, insoweit eine Begutachtung zu veranlassen.\nFachplaner erbringen ihre Leistungen eigenverantwortlich gegenuber dem\nBauherrn. Dem Architekten obliegt lediglich die Koordinierung. Die Beklagten\nmussten entgegen dem Vorbringen der Berufung auch nicht die geltenden\nRechenwerte fur die Rissbreitenbeschrankung heranzuziehen, um die Berechnung\ndes Statikers zu uberprufen. Zum einen ware es den Beklagten nicht „ein\nLeichtes" gewesen, die Unterdimensionierung festzustellen. Dafur bedarf es\ngerade der Kenntnisse eines Sonderfachmanns. Zum anderen muss ein Architekt,\nselbst wenn ihm dies aufgrund vereinzelt vorhandener spezieller Kenntnisse\nmoglich ware, keine statischen Kontrollberechnungen durchfuhren. \n--- \n| 12 \n--- \n| Ebenso wenig ist den Beklagten ein schadensursachlicher Fehler aus ihrer\nBauleitertatigkeit anzulasten. Die Klagerin wirft den Beklagten zu Unrecht\nvor, die falsche Lage der Bewehrung vor dem Betonieren nicht gesehen zu haben.\nDie Beklagten hatten keine entsprechende Verpflichtung, auch wenn sie generell\nmit der Bauleitungstatigkeit befasst waren. Die Bewehrungsabnahme wurde vom\nFachbauleiter der Rohbaufirma ... durchgefuhrt. Ausweislich des\nBesprechungsprotokolls Nr. 2 vom 27. Januar 1994 (B 3, Bl. 126) vereinbarten\ndie Parteien mit der Firma ..., dass die Kontrolle der Bewehrung vom\nFachbauleiter der Firma ... durchgefuhrt wird und die Protokolle der\nBewehrungsabnahme der Bauleitung vorgelegt werden (Ziff. 20.1 des Protokolls).\nLetzteres ist geschehen, was sich daraus ergibt, dass die Beklagten\nentsprechende Protokolle vorlegen konnten (B 1, Bl. 117). Da die Klagerin\naußerdem nicht vortragt, dass es fur die Beklagten konkrete Anhaltspunkte fur\nZweifel gab, durften sie aufgrund der ubersandten Protokolle nicht nur von der\nÜbernahme, sondern auch von der Erfullung der Pflichten durch die Firma ...\nbzw. deren Fachbauleiter ausgehen. Hinzu kommt, dass ausweislich Ziff. 20.3\ndes genannten Protokolls von der Klagerin erwogen wurde, die Beklagten mit der\n„stichprobenweisen Bewehrungskontrolle zu beauftragen." Dass eine\nentsprechende Beauftragung erfolgte, ist nicht dargetan. Ohne konkrete\nDarlegung trotz der Übertragung der Bewehrungsabnahme noch bestehender\nPflichten der Beklagten lediglich durch Verweis auf die teilweise nicht\nrichtig liegende Bewehrung kann die Klagerin den Beklagten einen\nPflichtenverstoß hinsichtlich der Bauuberwachung betreffend die Lage der\nBewehrung nicht anlasten. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Ebenso wenig kann die Klagerin den Beklagten vorwerfen, ihre\nBauleitungspflichten insofern verletzt zu haben, als sie hatten die Qualitat\ndes gelieferten Betons uberprufen mussen. Die Schadensursachlichkeit eines\nsolchen Verstoßes hat die Klagerin nicht dargestellt. Abgesehen davon, dass\ndie Beklagten einen entsprechenden Verstoß bestreiten und auf ihre\nDokumentation verweisen, weisen sie zu Recht darauf hin, dass entnommene\nBetonproben nicht sofort an der Baustelle analysiert werden konnen, sondern im\nLabor untersucht werden mussen und das Untersuchungsergebnis erst vorliegt,\nwenn der Beton langst eingebracht ist, sodass die Ursachlichkeit einer solchen\nUnterlassung fur Schaden aufgrund zu hoher Betondichtigkeit bzw. nicht\nausreichender Betonnachbehandlung nicht festgestellt werden kann. Wenn das\nAnalyseergebnis erst lange nach Einbringung des Betons vorliegt, besteht keine\nReaktionsmoglichkeit mehr. \n--- \n| 14 \n--- \n| Sonstige Fehler der Beklagten im Zusammenhang mit der Behandlung des Betons\nwurden in der umfangreichen Berufungsbegrundung nicht naher dargelegt. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Des Weiteren steht der Klagerin ein Anspruch auf Ersatz eines Schadens wegen\nmoglicher Bauleitungsfehler der Beklagten nicht mehr zu. Die Rohbaufirma hat\nnachgebessert und dadurch den wesentlichen Schaden beseitigt. Soweit die\nKlagerin weitergehende (finanzielle) Schaden behauptet, hat sie nicht\nnachvollziehbar dargelegt, dass diese einer mangelnden Bauleitungstatigkeit\nder Beklagten zugeordnet werden konnen. Die Klagerin kann insoweit nicht die\nKosten der Nachbesserung zu Grunde legen. Diese fielen bei ihr aufgrund der\nErbringung der Arbeiten durch die Firma ... nicht an. Die Klagerin hat an die\nFirma ... aufgrund des Vergleichs 160.000,00 EUR bezahlt und hatte Gutachter-\nund Verfahrenskosten, die aber den Beklagten im Falle eines\nBauuberwachungsfehlers auch nicht ohne Weiteres angelastet werden konnen,\nsondern nur, wenn die Klagerin bei einer Gesamtbetrachtung jetzt noch einen\nSchaden hatte. Angesichts der erfolgten Nachbesserung durch die Rohbauerin\nhatte es der Klagerin daher oblegen, konkret darzustellen, inwieweit ihr\nverbliebene Unkosten, die im Zusammenhang mit Ausfuhrungsfehlern der\nRohbauerin bzw. Überwachungsfehlern der Beklagten stehen, nach Abzug von\nSowieso-Kosten bzw. Vergutung der Rohbauerin fur zusatzlich zu erbringende\nLeistungen (Vergleich S. 3/4) nicht ausgeglichen sind und der Klagerin als\nSchaden verbleiben. Die Klagerin kann nicht nur die Zahlung des Statikers von\n100.000,00 EUR ihrer Zahlung von 160.000,00 EUR und den Kosten gegenuber\nstellen. Sie hatte die Zusammensetzung und Berechtigung der Betrage\nnachvollziehbar darlegen mussen, Es ist unklar, weshalb die Klagerin der Fa.\n... mehr bezahlte, als sie vom Statiker erhielt. Ebenso ist nicht erkennbar,\nob der Statiker mit seiner Vergleichszahlung von 100.000,00 EUR einen seinem\nHaftungsanteil tatsachlich entsprechenden ausreichenden Beitrag geleistet hat.\nEine Unterdeckung insoweit konnte den Beklagten nicht angelastet werden, weil\nsie fur die Folgen der Fehler des Statikers mangels Pflicht zur Überprufung\nder statischen Berechnung auf keinen Fall haften. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Zudem besteht gegen die Beklagten kein Anspruch im Hinblick auf den\nVergleich, den die Klagerin am 20.12.2004 mit der Rohbaufirma ... (und dem\nStatiker ...) geschlossen hat (K 1, Bl. 18). In Ziff. 5 des Vergleichs erklart\ndie Klagerin gegenuber dem Statiker und der Rohbaufirma, dass fur den Fall,\ndass diese im Hinblick auf den Streitgegenstand des Verfahrens und die\nLeistungen nach dem Vergleich wider Erwarten von den Streitverkundeten, was\ndie Beklagten waren, in Anspruch genommen werden oder von Planenden oder\nsonstigen Bausonderfachleuten im Wege eines Gesamtschuldnerregresses etwa\ngemaß § 426 BGB in Anspruch genommen werden, die Klagerin sich verpflichtet,\nden Statiker und die Rohbaufirma von diesbezuglichen Forderungen\nvollumfanglich im Innenverhaltnis freizustellen. Aus dieser\nFreistellungsverpflichtung ergibt sich, dass die Klagerin Anspruche gegen die\nBeklagten wegen mangelnder Bauleitungstatigkeit nicht geltend machen kann.\nZwar haften fur Ausfuhrungsfehler des Rohbauers, hinsichtlich der ein\nÜberwachungsfehler des Architekten vorliegt, Rohbauer und Architekt gegenuber\ndem Bauherrn als Gesamtschuldner. Im Innenverhaltnis zwischen Rohbauer und\nArchitekt ist insoweit jedoch der Rohbauer alleine verantwortlich. Der in\nAnspruch genommene Architekt kann vom Rohbauer vollen Ausgleich verlangen.\nSoweit also die Beklagten wegen mangelnder Überwachung der Arbeiten der\nRohbauerin verurteilt werden wurden, konnten sie bei der Firma ... vollen\nRegress nehmen, wovon wiederum die Klagerin aufgrund Ziff. 5 des Vergleichs\ndie Firma ... freizustellen hatte. Aus dieser Freistellungsverpflichtung\nergibt sich, dass der Vergleich jedenfalls insoweit Gesamtwirkung haben\nsollte. Die Klagerin ging beim Vergleichsschluss, wie sich in der mundlichen\nVerhandlung vor dem Senat ergeben hat, zwar davon aus, dass sie eine ihr\nverbleibende finanzielle Differenz wurde von den Beklagten erlangen konnen.\nDies fuhrt jedoch nicht dazu, dass zu Gunsten der Klagerin Anspruche aufleben,\nderen Geltendmachung ihr nach dem Vergleich verwehrt ist. Übereinstimmender\nWille der Vergleichsparteien war es, dass nach der Erbringung der\nNachbesserungsarbeiten die Rohbaufirma ... weitergehende\nSchadenersatzverpflichtungen im Zusammenhang mit dem Tiefgaragenboden nicht\nmehr haben sollte. Das wird erreicht dadurch, dass auch der Klagerin gegen die\nBeklagten keine Anspruche mehr wegen der mangelnden Objektuberwachung\nzustehen, soweit es solche uber die Erbringung der Arbeiten durch die\nRohbauerin und die Zahlungen des Statikers hinaus uberhaupt noch geben sollte. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Berufung war nach alledem mit den sich aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711\nZPO ergebenden Nebenfolgen zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen hierfur liegen nicht\nvor (§ 543 Abs. 2 ZPO). \n---\n\n |
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161,209 | olgkarl-2008-09-16-12-u-7308 | 146 | Oberlandesgericht Karlsruhe | olgkarl | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 12 U 73/08 | 2008-09-16 | 2019-01-16 06:39:42 | 2019-02-12 12:22:29 | Entscheidung | ## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung der Klagerin wird das Urteil des Landgerichts Mannheim\nvom 14. Marz 2008 - 3 O 270/07 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie\nfolgt geandert:\n\n> Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende\n> Krankenversicherungsverhaltnis Nr. ... unter Einschluss des\n> Krankentagegeldtarifs S7 32 uber den 30.09.2005 hinaus so lange fortzusetzen\n> ist, wie von der Klagerin Einkommen aus einer beruflichen Tatigkeit bezogen\n> wird.\n\n2\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien streiten um Anspruche aus einer Krankentagegeldversicherung. \n--- \n| 2 \n--- \n| Zwischen der ... Klagerin und der Beklagten besteht unter der Nr. .... eine\nKrankheitskostenvollversicherung, in die zum 01.09.1997 auch der\nKrankentagegeldtarif S7 32 (im Folgenden: Krankentagegeldtarif) einbezogen\nwurde. Nach diesem Tarif erhalten Versicherte ab dem 43. Tag der\nArbeitsunfahigkeit Krankengeld in Hohe von 81,81 EUR pro Tag. Dem Tarif liegen\nunter anderem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten fur die\nKrankentagegeldversicherung (AVB) - Teil I Musterbedingungen 1994 (MB/KT 94)\nund Teil II Tarifbedingungen - zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten: \n--- \n| 3 \n--- \n| § 1 Gegenstand, Umfang und Geltungsbereich des Versicherungsschutzes \n--- \n| 4 \n--- \n| 1\\. Der Versicherer bietet Versicherungsschutz gegen Verdienstausfall als\nFolge von Krankheiten oder Unfallen, soweit dadurch Arbeitsunfahigkeit\nverursacht wird. Er gewahrt im Versicherungsfall fur die Dauer einer\nArbeitsunfahigkeit ein Krankentagegeld in vertraglichem Umfang. \n--- \n| 5 \n--- \n| 2\\. Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer\nversicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf\nArbeitsunfahigkeit arztlich festgestellt wird. Der Versicherungsfall beginnt\nmit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Befund keine\nArbeitsunfahigkeit und keine Behandlungsbedurftigkeit mehr bestehen. Eine\nwahrend der Behandlung neu eingetretene und behandelte Krankheit oder\nUnfallfolge, in deren Verlauf Arbeitsunfahigkeit arztlich festgestellt wird,\nbegrundet nur dann einen neuen Versicherungsfall, wenn sie mit der ersten\nKrankheit oder Unfallfolge in keinem ursachlichen Zusammenhang steht. Wird\nArbeitsunfahigkeit gleichzeitig durch mehrere Krankheiten oder Unfallfolgen\nhervorgerufen, so wird das Krankentagegeld nur einmal gezahlt. \n--- \n| 6 \n--- \n| 3\\. Arbeitsunfahigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die\nversicherte Person ihre berufliche Tatigkeit nach medizinischem Befund\nvorubergehend in keiner Weise ausuben kann, sie auch nicht ausubt und keiner\nanderweitigen Erwerbstatigkeit nachgeht. \n--- \n| 7 \n--- \n| … \n--- \n| 8 \n--- \n| § 15 Sonstige Beendigungsgrunde \n--- \n| 9 \n--- \n| Das Versicherungsverhaltnis endet hinsichtlich der betroffenen versicherten\nPersonen \n--- \n| 10 \n--- \n| a) bei Wegfall einer im Tarif bestimmten Voraussetzung fur die\nVersicherungsfahigkeit zum Ende des Monats, in dem die Voraussetzung\nweggefallen ist. Besteht jedoch zu diesem Zeitpunkt in einem bereits\neingetretenen Versicherungsfall Arbeitsunfahigkeit, so endet das\nVersicherungsverhaltnis nicht vor dem Zeitpunkt, bis zu dem der Versicherer\nseine im Tarif aufgefuhrten Leistungen fur diese Arbeitsunfahigkeit zu\nerbringen hat, spatestens aber drei Monate nach Wegfall der Voraussetzung; \n--- \n| 11 \n--- \n| b) mit Eintritt der Berufsunfahigkeit. Berufsunfahigkeit liegt vor, wenn die\nversicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeubten Beruf auf\nnicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfahig ist. Besteht jedoch zu diesem\nZeitpunkt in einem bereits eingetretenen Versicherungsfall Arbeitsunfahigkeit,\nso endet das Versicherungsverhaltnis nicht vor dem Zeitpunkt, bis zu dem der\nVersicherer seine im Tarif aufgefuhrten Leistungen fur diese\nArbeitsunfahigkeit zu erbringen hat, spatestens aber drei Monate nach Eintritt\nder Berufsunfahigkeit; \n--- \n| 12 \n--- \n| c) mit dem Bezug von Altersrente, spatestens nach Vollendung des 65.\nLebensjahres zum Ende des Monats, in dem die Altersgrenze erreicht wird; \n--- \n| 13 \n--- \n| d) mit dem Tod. Beim Tode des Versicherungsnehmers haben die versicherten\nPersonen das Recht, das Versicherungsverhaltnis unter Benennung des kunftigen\nVersicherungsnehmers fortzusetzen. Die Erklarung ist innerhalb zweier Monate\nnach dem Tode des Versicherungsnehmers abzugeben; \n--- \n| 14 \n--- \n| e) mit dem Wegzug aus dem Tatigkeitsgebiet des Versicherers, es sei denn,\ndass eine anderweitige Vereinbarung getroffen wird. \n--- \n| 15 \n--- \n| 1\\. Die versicherte Person hat abweichend von Buchstabe c) das Recht, das\nVersicherungsverhaltnis so lange fortzusetzen, wie Einkommen aus einer\nberuflichen Tatigkeit bezogen wird. \n--- \n| 16 \n--- \n| 2\\. Als Tatigkeitsgebiet im Sinne von Buchstabe e) gilt die Bundesrepublik\nDeutschland. Der Versicherer verpflichtet sich, eine anderweitige Vereinbarung\ngemaß Buchstabe e) zu treffen, wenn dies innerhalb von zwei Monaten nach\nWegzug in einen Mitgliedstaat des europaischen Wirtschaftsraums beantragt\nwird. Die Annahme des Antrags kann von besonderen Bedingungen abhangig gemacht\nwerden. Bei nur vorubergehendem Wegzug kann der Versicherungsnehmer verlangen,\ndass das Versicherungsverhaltnis im Rahmen einer Anwartschaftsversicherung\nfortgefuhrt wird. \n--- \n| 17 \n--- \n| 3\\. Wird das Versicherungsverhaltnis wegen Aufgabe einer Erwerbstatigkeit,\nwegen Eintritts der Berufsunfahigkeit oder wegen Bezugs einer\nBerufsunfahigkeitsrente beendet - vgl. Buchstaben a) und b) -, kann der\nVersicherungsnehmer das Versicherungsverhaltnis fur die Dauer der\nUnterbrechung der Erwerbstatigkeit, die Dauer der Berufsunfahigkeit oder die\nDauer des Bezugs von Berufsunfahigkeitsrente hinsichtlich der betroffenen\nversicherten Person im Rahmen einer Anwartschaftsversicherung fortsetzen. Der\nAntrag auf diese Umwandlung des Versicherungsverhaltnisses ist innerhalb von\nzwei Monaten seit Aufgabe einer Erwerbstatigkeit, seit Eintritt der\nBerufsunfahigkeit oder seit Bezug der Berufsunfahigkeitsrente, bei erst\nspaterem Bekanntwerden des Ereignisses gerechnet ab diesem Zeitpunkt, zu\nstellen. \n--- \n| 18 \n--- \n| … \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Klagerin macht gegen die Beklagte Anspruche auf Krankentagegeld fur 46\nTage im Zeitraum vom 09.05.2007 bis 26.10.2007 sowie Freistellung von ihr\nvorprozessual entstandenen Rechtsanwaltskosten geltend. Des Weiteren begehrt\nsie die Feststellung, dass der Krankentagegeldtarif uber den 30.09.2005 - den\nAblauf des Monats, in dem sie ihr 65. Lebensjahr vollendete - hinaus\nBestandteil des Versicherungsvertrages geblieben ist. \n--- \n| 20 \n--- \n| In einem Schreiben von November 2005 teilte die Beklagte der Klagerin mit,\ndass zum 01.01.2006 eine Beitragsanpassung erfolgen werde. Dem Schreiben\nbeigefugt war ein „Nachtrag Beitragsanpassung" vom 14.11.2005, in welchem die\nTarife AR, AS 1, PVN, SE 2 und SEK aufgefuhrt wurden, der Krankentagegeldtarif\nS7 32 jedoch keine Erwahnung (mehr) fand. \n--- \n| 21 \n--- \n| Mit Schreiben vom 06.07.2007 ubersandte die Klagerin der Beklagten zwei\nArbeitsunfahigkeitsbescheinigungen fur die Zeit vom 09.05.2007 bis 14.05.2007\nund die Zeit vom 25.05.2007 bis 08.06.2007. Außerdem erklarte sie, vom\n15.05.2007 bis 24.05.2007 stationar in der Universitatsklinik M gewesen zu\nsein, und bat um Erstattung entsprechend den „Richtlinien". Die Beklagte wies\nmit Schreiben vom 09.07.2007 den von der Klagerin geltend gemachten Anspruch\nzuruck. Mit Schreiben vom 03.08.2007 machten die Prozessbevollmachtigten der\nKlagerin den Anspruch erneut geltend. Darauf entgegnete die Beklagte mit\nSchreiben vom 22.08.2007 und fuhrte darin unter anderem aus, dass sie die\nKrankentagegeldversicherung zum 30.09.2005 beendet habe und sie nach nunmehr\nfast zwei Jahren keinen ruckwirkenden Wiedereinbezug derselben in den Vertrag\nmehr vornehmen konne. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Beklagte erklarte mit Beitragsruckstanden fur den Zeitraum vom\n01.10.2005 bis 30.09.2008 in Hohe von insgesamt 1.611,75 EUR hilfsweise die\nAufrechnung. Beitrage fur die Krankentagegeldversicherung wurden seit Oktober\n2005 nicht mehr bezahlt. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Klagerin hat in erster Instanz vorgetragen, sie sei uber ihr 65.\nLebensjahr hinaus wie bisher als Geschaftsfuhrerin bei der K Druckluft- und\nBaumaschinen GmbH angestellt. Vom 09.05.2007 bis 11.06.2007, 15.06.2007 bis\n18.06.2007, 22.06.2007 bis 03.07.2007, 09.07.2007 bis 11.07.2007, 20.07.2007\nbis 05.08.2007, 15.08.2007 bis 27.08.2007, am 11.09.2007, 05.10.2007,\n10.10.2007 und vom 25.10.2007 bis 26.10.2007 sei sie arbeitsunfahig erkrankt\ngewesen. Sie habe von der Beklagten keinen Hinweis erhalten, dass die\nKrankentagegeldversicherung mit Vollendung des 65. Lebensjahres entfalle. Es\nsei auch nicht erkennbar, weshalb ihr Recht, das Versicherungsverhaltnis\nfortzusetzen, weggefallen sein solle. Indem sie Krankentagegeld geltend\ngemacht habe, habe sie konkludent auch die Fortsetzung des\nVersicherungsvertrages betreffend den Krankentagegeldtarif begehrt. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Klagerin hat in erster Instanz beantragt, \n--- \n| 25 \n--- \n| 1\\. die Beklagte zu verurteilen, \n--- \n| 26 \n--- \n| a) an die Klagerin 4.085,26 EUR nebst Zinsen in Hohe von funf Prozentpunkten\nuber dem Basiszinssatz seit Rechtshangigkeit zu bezahlen; \n--- \n| 27 \n--- \n| b) die Klagerin gegenuber den Rechtsanwalten ..., von der\nAnwaltsgebuhrenforderung in Hohe von 446,13 EUR nebst Zinsen in Hohe von funf\nProzentpunkten uber dem Basiszinssatz hierauf seit Rechtshangigkeit\nfreizustellen, \n--- \n| 28 \n--- \n| 2\\. festzustellen, dass die Klagerin bei der Beklagten unter dem\nVersicherungsvertrag mit der Nr. .... auch uber den 30.09.2005 den Schutz\ngegen Verdienstausfall infolge der Arbeitsunfahigkeit nach dem\nKrankentagegeldtarif der Beklagten S7 32 erhalte und dieser\nVersicherungsschutz insbesondere nicht nach § 15 Abs. 1 Buchst. c MB/KT 94\nautomatisch zum 30.09.2005 entfallen sei. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt, \n--- \n| 30 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Beklagte hat in erster Instanz vorgetragen, sie habe die Klagerin unter\ndem 06.09.2005 angeschrieben und darauf hingewiesen, dass mit Vollendung des\n65. Lebensjahres bzw. mit dem Bezug einer Altersrente die Voraussetzungen fur\neine Krankentagegeldversicherung entfielen, sie eine entsprechende\nVertragsanderung zum 30.09.2005 vorgenommen habe und die Klagerin den sich\ndaraus ergebenden neuen Beitrag dem beigefugten Nachtrag zum\nVersicherungsschein entnehmen konne. Daruber hinaus habe sie in diesem\nSchreiben ausgefuhrt, dass der Krankentagegeldtarif bis zur Beendigung der\nberuflichen Tatigkeit fortgefuhrt werden konne, falls die Klagerin weiterhin\neiner Beschaftigung nachgehe. Falls das Krankentagegeld uber das 65.\nLebensjahr hinaus fortgefuhrt werden solle, moge die Klagerin ihr innerhalb\nder nachsten 14 Tage eine entsprechende Willenserklarung zukommen lassen. Das\nSchreiben vom 06.09.2005 sei der Klagerin zeitnah zugegangen. Die Klagerin\nhabe sich jedoch erst mit Schreiben vom 06.07.2007 wieder gemeldet. Es konne\nnicht angehen, dass ein Versicherungsnehmer nahezu zwei Jahre ins Land gehen\nlasse, um sich dann fur die Fortsetzung des\nKrankentagegeldversicherungsvertrages zu entscheiden, wenn ein\nVersicherungsfall eingetreten sei. Eine ruckwirkende Fortsetzung des Vertrages\nnach Eintritt eines Versicherungsfalls widerspreche im Übrigen auch dem Wesen\nder Schadensversicherung, die davon ausgehe, dass Versicherungsschutz nur fur\nkunftige Schadensereignisse zu gewahren sei. Hinsichtlich der vorprozessualen\nRechtsverfolgungskosten fehle es an einer Pflichtverletzung der Beklagten,\naußerdem gehe die Klagerin von einem zu hohen Streitwert aus. \n--- \n| 32 \n--- \n| Das Landgericht, auf dessen tatsachliche Feststellungen im angefochtenen\nUrteil vom 14.03.2008 Bezug genommen wird, soweit sie mit den hier getroffenen\ntatsachlichen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, hat die Klage\nabgewiesen. \n--- \n| 33 \n--- \n| Dagegen richtet sich die Berufung der Klagerin, mit der sie ihre\nerstinstanzlich gestellten Klageantrage in vollem Umfang weiterverfolgt. Die\nBeklagte tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil. \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Klage ist der Beklagten am 23.10.2007 zugestellt worden. Wegen der\nweiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der\nvorbereitenden Schriftsatze der Parteien in beiden Instanzen nebst Anlagen\nsowie auf den Inhalt der gerichtlichen Verfugungen und Sitzungsprotokolle\nBezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | **II.** \n--- \n| 35 \n--- \n| Die zulassige Berufung ist begrundet, soweit die Klagerin der Sache nach die\nFeststellung begehrt, dass das zwischen den Parteien bestehende\nKrankenversicherungsverhaltnis unter Einschluss des Krankentagegeldtarifs uber\nden 30.09.2005 hinaus so lange fortzusetzen ist, wie von der Klagerin\nEinkommen aus einer beruflichen Tatigkeit bezogen wird. Insoweit hat das\nLandgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen. Das beruht auf folgenden\nErwagungen: \n--- \n| 36 \n--- \n| 1\\. Das Landgericht hat allerdings zutreffend angenommen, dass § 15 Buchst.\nc AVB wirksam ist. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Koln VersR\n1994, 165 f.; OLG Dusseldorf r+s 1999, 81, 82; zustimmend Prolss in\nProlss/Martin, VVG 27. Aufl. § 15 MB/KT 94 Rdn. 28a; Wilmes in Bach/Moser,\nPrivate Krankenversicherung 3. Aufl. § 15 MB/KT Rdn. 33; Tschersich in\nBeckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch § 45 Rdn. 49), der\nsich der Senat anschließt, benachteiligt eine Klausel, die eine Beendigung\neiner Krankentagegeldversicherung mit dem Bezug von Altersrente, spatestens\njedoch mit Vollendung des 65. Lebensjahres des Versicherten vorsieht,\ndenselben nicht unangemessen und verstoßt daher nicht gegen § 307 BGB. Denn\ndie weit uberwiegende Anzahl der Versicherten beendet spatestens mit Erreichen\ndieses Lebensalters ihr Arbeitsleben und hat ab dann keine krankheitsbedingten\nVerdienstausfalle mehr zu befurchten; die Vollendung des 65. Lebensjahres\nmarkiert zumindest bis zum Jahre 2005, in dem die Klagerin dieses Alter\nerreichte, noch den hierfur typischen Zeitpunkt (vgl. Tschersich aaO; BT-Drs.\n16/3945 vom 20.12.2006, Seite 112). Aus diesem Grunde kann es entgegen der\nAnsicht der Berufung auch nicht als uberraschend im Sinne des § 305c Abs. 1\nBGB angesehen werden, wenn eine Versicherung, die Verdienstausfalle absichern\nsoll, mit diesem Zeitpunkt auslauft. \n--- \n| 37 \n--- \n| 2\\. Die Klagerin hat jedoch von dem ihr durch § 15 Nr. 1 AVB verbrieften\nRecht, das Versicherungsverhaltnis fortzusetzen, (rechtzeitig) Gebrauch\ngemacht. \n--- \n| 38 \n--- \n| a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Allgemeine\nVersicherungsbedingungen so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher\nVersicherungsnehmer bei verstandiger Wurdigung, aufmerksamer Durchsicht und\nBerucksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt\nes auf die Verstandnismoglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne\nversicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine\nInteressen an (BGHZ 123, 83, 85 und standig). \n--- \n| 39 \n--- \n| Ein verstandiger Versicherungsnehmer geht vom Wortlaut der Klausel aus.\nDabei wird er, wenn er § 15 AVB insgesamt in den Blick nimmt, feststellen,\ndass zum einen unter den Buchstaben a bis e verschiedene, das\nVersicherungsverhaltnis beendende Umstande und zum andern unter den Nummern 1\nbis 3 verschiedene, auf einzelne Beendigungsgrunde bezogene Gestaltungsrechte\ngeregelt sind. Er wird erkennen, dass er in den Fallen des § 15 Buchst. a und\nb AVB gemaß § 15 Nr. 3 AVB und des § 15 Buchst. e AVB gemaß § 15 Nr. 2 AVB\n„innerhalb von zwei Monaten" den entsprechenden Antrag stellen muss, wahrend §\n15 Nr. 1 AVB, der ihm bei Beendigung des Versicherungsverhaltnisses nach § 15\nBuchst. c AVB mit dem Bezug von Altersrente, spatestens mit Ablauf des Monats\nnach Vollendung des 65. Lebensjahres, unter bestimmten Voraussetzungen eine\nVerlangerungsoption gewahrt, dieses Erfordernis nicht kennt. Daraus wird er\nschließen, dass er hier nicht „innerhalb von zwei Monaten" reagieren muss,\nsondern die ihm eingeraumte Verlangerungsoption vielmehr (unbefristet) so\nlange ausuben kann, wie er Einkommen aus einer beruflichen Tatigkeit erzielt. \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Klagerin hat durch Bescheinigung der Steuerberatungsgesellschaft ... vom\n17.01.2008 nachgewiesen, dass sie auch nach Vollendung ihres 65. Lebensjahres\nals Geschaftsfuhrerin bei der K Druckluft- und Baumaschinen GmbH mit vollem\nVerdienst beschaftigt ist, mithin Einkommen aus einer beruflichen Tatigkeit\nbezieht. Sie hat (spatestens) konkludent durch Schreiben ihrer\nProzessbevollmachtigten vom 03.08.2007 um Fortsetzung des\nVersicherungsvertrages betreffend den Krankentagegeldtarif uber das 65.\nLebensjahr hinaus gebeten. Die Prozessbevollmachtigten der Klagerin sind darin\nzwar (rechtsirrtumlich) von einer Nichtbeendigung des\nVersicherungsverhaltnisses bezuglich des Krankentagegeldtarifs ausgegangen;\ndass sie aber insoweit auch die „Fortsetzung" des Versicherungsverhaltnisses\nbegehrt haben und die Beklagte dieses Begehren tatsachlich auch so verstanden\nhat, folgt daraus, dass die Beklagte - wenn auch ablehnend - in ihrer Antwort\nvom 22.08.2007 von einem „ruckwirkenden Wiedereinbezug der\nKrankentagegeldversicherung" gesprochen hat. Damit hat die Klagerin die in §\n15 Nr. 1 AVB geregelten Voraussetzungen des Rechts auf Fortsetzung der\nKrankentagegeldversicherung uber ihr 65. Lebensjahr hinaus erfullt. \n--- \n| 41 \n--- \n| b) Die Klagerin hat ihr Recht auf Fortsetzung der\nKrankentagegeldversicherung nach § 15 Nr. 1 AVB entgegen der Ansicht der\nBeklagten nicht verwirkt. Das ergibt sich aus den hier maßgeblichen Umstanden\ndes Einzelfalls. Eine Verwirkung lasst sich insbesondere nicht unter\nZugrundelegung des Schreibens der Beklagten vom 06.09.2005 begrunden. Da die\nKlagerin dessen Zugang bestritten und die - dafur beweisbelastete (vgl.\nHeinrichs in Palandt, BGB 67. Aufl. § 242 Rdn. 96) - Beklagte hierfur keinen\nBeweis angetreten hat, muss davon ausgegangen werden, dass die Klagerin dieses\nSchreiben nicht erhalten und vom Erloschen ihrer Krankentagegeldversicherung\nzum 30.09.2005 sowie den fur eine Fortfuhrung derselben notwendigen\nVoraussetzungen keine Kenntnis erlangt hat. Daruber hinaus ware die Klagerin\nnicht gehalten gewesen, zur Vermeidung eines Rechtsverlusts sich binnen der im\nSchreiben vom 06.09.2005 gesetzten Frist von 14 Tagen zu erklaren. Die\nBeklagte muss sich vielmehr daran festhalten lassen, dass sie die Ausubung des\nRechts zur Fortsetzung des Versicherungsverhaltnisses in § 15 Nr. 1 AVB nicht\nan eine Frist - nicht einmal an eine solche von zwei Monaten (vgl. § 15 Nrn. 2\nund 3 AVB) - gebunden hat. \n--- \n| 42 \n--- \n| Des Weiteren lasst sich Verwirkung nicht annehmen im Hinblick auf ein\nSchreiben der Beklagten von November 2005 und dem beigefugten „Nachtrag\nBeitragsanpassung" vom 14.11.2005. Anhand der darin aufgefuhrten Tarife hatte\ndie Klagerin den Wegfall des Krankentagegeldtarifs zwar bemerken konnen. Da\nder Versicherungsnehmer jedoch, wenn er - ohne jeden weiteren Hinweis -\nlediglich einen „Nachtrag Beitragsanpassung" nebst Begleitschreiben erhalt,\nnicht mit dem Wegfall eines der versicherten Tarife rechnet, durfte die\nBeklagte in der Folge dieses Schreibens keine entsprechende (Gegen-)Reaktion\nder Klagerin erwarten. Im Übrigen ist anzunehmen, dass die Klagerin im Herbst\n2005 den Wegfall des Tarifs noch nicht bemerkt hatte; sie hat unwidersprochen\nvorgetragen, davon ausgegangen zu sein, dass die Reduzierung des\nGesamtbeitrags auf Alterungsruckstellungen zuruckzufuhren sei. \n--- \n| 43 \n--- \n| Eine Verwirkung folgt auch nicht daraus, dass die Klagerin den Antrag auf\nFortsetzung des Versicherungsverhaltnisses erst kurz vor Vollendung ihres 67.\nLebensjahres gestellt hat. Zwar fuhrt die Beklagte in der Berufungserwiderung\nzutreffend aus, dass nach § 196 Abs. 2 Satz 1 VVG bei fehlendem Hinweis des\nVersicherers ein Antrag auf Abschluss einer neuen Krankentagegeldversicherung\nnur vor Vollendung des 66. Lebensjahres wirksam gestellt werden kann, wobei\ndie Versicherung mit Zugang des Antrags beim Versicherer beginnt. Die Beklagte\nverkennt auch nicht, dass diese Regelung auf den vorliegenden (Alt-)Fall noch\nkeine Anwendung findet. Sie ubersieht jedoch, dass (auch) mit dieser Regelung\nnur gesetzliche Mindeststandards geschaffen werden, von denen zum Vorteil des\nVersicherungsnehmers und der versicherten Person in Allgemeinen\nVersicherungsbedingungen (auch weiterhin) abgewichen werden kann (vgl. § 208\nSatz 1 VVG; BT-Drs. 16/3945, Seite 47). In Anbetracht dessen kann bei einer\nAntragstellung - wie hier - vor Vollendung des 67. Lebensjahres das fur die\nVerwirkung erforderliche „Zeitmoment" (vgl. Heinrichs aaO Rdn. 93) noch nicht\nals erfullt angesehen werden. \n--- \n| 44 \n--- \n| Verwirkung ist schließlich auch nicht deswegen eingetreten, weil die\nKlagerin den Antrag auf Fortsetzung des Versicherungsverhaltnisses erst nach\nEintritt des (hier unterstellten) Versicherungsfalles gestellt hat. Denn damit\nmuss ein Versicherer rechnen, wenn er - wie hier - dem Versicherungsnehmer in\nden Allgemeinen Versicherungsbedingungen eine auch nach Beendigung des\nVersicherungsverhaltnisses noch ausubbare Verlangerungsoption einraumt. § 2\nAbs. 2 Satz 2 VVG a.F. steht ebenfalls nicht entgegen. Die Vorschrift ist\nabdingbar (BGHZ 84, 268, 277). Die konkludente Abbedingung ergibt sich hier\naus der fehlenden Befristung des Antragsrechts des Versicherungsnehmers in §\n15 Nr. 1 AVB. \n--- \n**III.** \n--- \n| 45 \n--- \n| Hinsichtlich des Zahlungsantrags und des von ihm abhangigen\nFreistellungsantrags ist der Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif.\nAuf den Senatsbeschluss vom heutigen Tage wird Bezug genommen. \n--- \n| 46 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO bestehen\nnicht. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | **II.** \n--- \n| 35 \n--- \n| Die zulassige Berufung ist begrundet, soweit die Klagerin der Sache nach die\nFeststellung begehrt, dass das zwischen den Parteien bestehende\nKrankenversicherungsverhaltnis unter Einschluss des Krankentagegeldtarifs uber\nden 30.09.2005 hinaus so lange fortzusetzen ist, wie von der Klagerin\nEinkommen aus einer beruflichen Tatigkeit bezogen wird. Insoweit hat das\nLandgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen. Das beruht auf folgenden\nErwagungen: \n--- \n| 36 \n--- \n| 1\\. Das Landgericht hat allerdings zutreffend angenommen, dass § 15 Buchst.\nc AVB wirksam ist. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Koln VersR\n1994, 165 f.; OLG Dusseldorf r+s 1999, 81, 82; zustimmend Prolss in\nProlss/Martin, VVG 27. Aufl. § 15 MB/KT 94 Rdn. 28a; Wilmes in Bach/Moser,\nPrivate Krankenversicherung 3. Aufl. § 15 MB/KT Rdn. 33; Tschersich in\nBeckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch § 45 Rdn. 49), der\nsich der Senat anschließt, benachteiligt eine Klausel, die eine Beendigung\neiner Krankentagegeldversicherung mit dem Bezug von Altersrente, spatestens\njedoch mit Vollendung des 65. Lebensjahres des Versicherten vorsieht,\ndenselben nicht unangemessen und verstoßt daher nicht gegen § 307 BGB. Denn\ndie weit uberwiegende Anzahl der Versicherten beendet spatestens mit Erreichen\ndieses Lebensalters ihr Arbeitsleben und hat ab dann keine krankheitsbedingten\nVerdienstausfalle mehr zu befurchten; die Vollendung des 65. Lebensjahres\nmarkiert zumindest bis zum Jahre 2005, in dem die Klagerin dieses Alter\nerreichte, noch den hierfur typischen Zeitpunkt (vgl. Tschersich aaO; BT-Drs.\n16/3945 vom 20.12.2006, Seite 112). Aus diesem Grunde kann es entgegen der\nAnsicht der Berufung auch nicht als uberraschend im Sinne des § 305c Abs. 1\nBGB angesehen werden, wenn eine Versicherung, die Verdienstausfalle absichern\nsoll, mit diesem Zeitpunkt auslauft. \n--- \n| 37 \n--- \n| 2\\. Die Klagerin hat jedoch von dem ihr durch § 15 Nr. 1 AVB verbrieften\nRecht, das Versicherungsverhaltnis fortzusetzen, (rechtzeitig) Gebrauch\ngemacht. \n--- \n| 38 \n--- \n| a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Allgemeine\nVersicherungsbedingungen so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher\nVersicherungsnehmer bei verstandiger Wurdigung, aufmerksamer Durchsicht und\nBerucksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt\nes auf die Verstandnismoglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne\nversicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine\nInteressen an (BGHZ 123, 83, 85 und standig). \n--- \n| 39 \n--- \n| Ein verstandiger Versicherungsnehmer geht vom Wortlaut der Klausel aus.\nDabei wird er, wenn er § 15 AVB insgesamt in den Blick nimmt, feststellen,\ndass zum einen unter den Buchstaben a bis e verschiedene, das\nVersicherungsverhaltnis beendende Umstande und zum andern unter den Nummern 1\nbis 3 verschiedene, auf einzelne Beendigungsgrunde bezogene Gestaltungsrechte\ngeregelt sind. Er wird erkennen, dass er in den Fallen des § 15 Buchst. a und\nb AVB gemaß § 15 Nr. 3 AVB und des § 15 Buchst. e AVB gemaß § 15 Nr. 2 AVB\n„innerhalb von zwei Monaten" den entsprechenden Antrag stellen muss, wahrend §\n15 Nr. 1 AVB, der ihm bei Beendigung des Versicherungsverhaltnisses nach § 15\nBuchst. c AVB mit dem Bezug von Altersrente, spatestens mit Ablauf des Monats\nnach Vollendung des 65. Lebensjahres, unter bestimmten Voraussetzungen eine\nVerlangerungsoption gewahrt, dieses Erfordernis nicht kennt. Daraus wird er\nschließen, dass er hier nicht „innerhalb von zwei Monaten" reagieren muss,\nsondern die ihm eingeraumte Verlangerungsoption vielmehr (unbefristet) so\nlange ausuben kann, wie er Einkommen aus einer beruflichen Tatigkeit erzielt. \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Klagerin hat durch Bescheinigung der Steuerberatungsgesellschaft ... vom\n17.01.2008 nachgewiesen, dass sie auch nach Vollendung ihres 65. Lebensjahres\nals Geschaftsfuhrerin bei der K Druckluft- und Baumaschinen GmbH mit vollem\nVerdienst beschaftigt ist, mithin Einkommen aus einer beruflichen Tatigkeit\nbezieht. Sie hat (spatestens) konkludent durch Schreiben ihrer\nProzessbevollmachtigten vom 03.08.2007 um Fortsetzung des\nVersicherungsvertrages betreffend den Krankentagegeldtarif uber das 65.\nLebensjahr hinaus gebeten. Die Prozessbevollmachtigten der Klagerin sind darin\nzwar (rechtsirrtumlich) von einer Nichtbeendigung des\nVersicherungsverhaltnisses bezuglich des Krankentagegeldtarifs ausgegangen;\ndass sie aber insoweit auch die „Fortsetzung" des Versicherungsverhaltnisses\nbegehrt haben und die Beklagte dieses Begehren tatsachlich auch so verstanden\nhat, folgt daraus, dass die Beklagte - wenn auch ablehnend - in ihrer Antwort\nvom 22.08.2007 von einem „ruckwirkenden Wiedereinbezug der\nKrankentagegeldversicherung" gesprochen hat. Damit hat die Klagerin die in §\n15 Nr. 1 AVB geregelten Voraussetzungen des Rechts auf Fortsetzung der\nKrankentagegeldversicherung uber ihr 65. Lebensjahr hinaus erfullt. \n--- \n| 41 \n--- \n| b) Die Klagerin hat ihr Recht auf Fortsetzung der\nKrankentagegeldversicherung nach § 15 Nr. 1 AVB entgegen der Ansicht der\nBeklagten nicht verwirkt. Das ergibt sich aus den hier maßgeblichen Umstanden\ndes Einzelfalls. Eine Verwirkung lasst sich insbesondere nicht unter\nZugrundelegung des Schreibens der Beklagten vom 06.09.2005 begrunden. Da die\nKlagerin dessen Zugang bestritten und die - dafur beweisbelastete (vgl.\nHeinrichs in Palandt, BGB 67. Aufl. § 242 Rdn. 96) - Beklagte hierfur keinen\nBeweis angetreten hat, muss davon ausgegangen werden, dass die Klagerin dieses\nSchreiben nicht erhalten und vom Erloschen ihrer Krankentagegeldversicherung\nzum 30.09.2005 sowie den fur eine Fortfuhrung derselben notwendigen\nVoraussetzungen keine Kenntnis erlangt hat. Daruber hinaus ware die Klagerin\nnicht gehalten gewesen, zur Vermeidung eines Rechtsverlusts sich binnen der im\nSchreiben vom 06.09.2005 gesetzten Frist von 14 Tagen zu erklaren. Die\nBeklagte muss sich vielmehr daran festhalten lassen, dass sie die Ausubung des\nRechts zur Fortsetzung des Versicherungsverhaltnisses in § 15 Nr. 1 AVB nicht\nan eine Frist - nicht einmal an eine solche von zwei Monaten (vgl. § 15 Nrn. 2\nund 3 AVB) - gebunden hat. \n--- \n| 42 \n--- \n| Des Weiteren lasst sich Verwirkung nicht annehmen im Hinblick auf ein\nSchreiben der Beklagten von November 2005 und dem beigefugten „Nachtrag\nBeitragsanpassung" vom 14.11.2005. Anhand der darin aufgefuhrten Tarife hatte\ndie Klagerin den Wegfall des Krankentagegeldtarifs zwar bemerken konnen. Da\nder Versicherungsnehmer jedoch, wenn er - ohne jeden weiteren Hinweis -\nlediglich einen „Nachtrag Beitragsanpassung" nebst Begleitschreiben erhalt,\nnicht mit dem Wegfall eines der versicherten Tarife rechnet, durfte die\nBeklagte in der Folge dieses Schreibens keine entsprechende (Gegen-)Reaktion\nder Klagerin erwarten. Im Übrigen ist anzunehmen, dass die Klagerin im Herbst\n2005 den Wegfall des Tarifs noch nicht bemerkt hatte; sie hat unwidersprochen\nvorgetragen, davon ausgegangen zu sein, dass die Reduzierung des\nGesamtbeitrags auf Alterungsruckstellungen zuruckzufuhren sei. \n--- \n| 43 \n--- \n| Eine Verwirkung folgt auch nicht daraus, dass die Klagerin den Antrag auf\nFortsetzung des Versicherungsverhaltnisses erst kurz vor Vollendung ihres 67.\nLebensjahres gestellt hat. Zwar fuhrt die Beklagte in der Berufungserwiderung\nzutreffend aus, dass nach § 196 Abs. 2 Satz 1 VVG bei fehlendem Hinweis des\nVersicherers ein Antrag auf Abschluss einer neuen Krankentagegeldversicherung\nnur vor Vollendung des 66. Lebensjahres wirksam gestellt werden kann, wobei\ndie Versicherung mit Zugang des Antrags beim Versicherer beginnt. Die Beklagte\nverkennt auch nicht, dass diese Regelung auf den vorliegenden (Alt-)Fall noch\nkeine Anwendung findet. Sie ubersieht jedoch, dass (auch) mit dieser Regelung\nnur gesetzliche Mindeststandards geschaffen werden, von denen zum Vorteil des\nVersicherungsnehmers und der versicherten Person in Allgemeinen\nVersicherungsbedingungen (auch weiterhin) abgewichen werden kann (vgl. § 208\nSatz 1 VVG; BT-Drs. 16/3945, Seite 47). In Anbetracht dessen kann bei einer\nAntragstellung - wie hier - vor Vollendung des 67. Lebensjahres das fur die\nVerwirkung erforderliche „Zeitmoment" (vgl. Heinrichs aaO Rdn. 93) noch nicht\nals erfullt angesehen werden. \n--- \n| 44 \n--- \n| Verwirkung ist schließlich auch nicht deswegen eingetreten, weil die\nKlagerin den Antrag auf Fortsetzung des Versicherungsverhaltnisses erst nach\nEintritt des (hier unterstellten) Versicherungsfalles gestellt hat. Denn damit\nmuss ein Versicherer rechnen, wenn er - wie hier - dem Versicherungsnehmer in\nden Allgemeinen Versicherungsbedingungen eine auch nach Beendigung des\nVersicherungsverhaltnisses noch ausubbare Verlangerungsoption einraumt. § 2\nAbs. 2 Satz 2 VVG a.F. steht ebenfalls nicht entgegen. Die Vorschrift ist\nabdingbar (BGHZ 84, 268, 277). Die konkludente Abbedingung ergibt sich hier\naus der fehlenden Befristung des Antragsrechts des Versicherungsnehmers in §\n15 Nr. 1 AVB. \n--- \n**III.** \n--- \n| 45 \n--- \n| Hinsichtlich des Zahlungsantrags und des von ihm abhangigen\nFreistellungsantrags ist der Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif.\nAuf den Senatsbeschluss vom heutigen Tage wird Bezug genommen. \n--- \n| 46 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO bestehen\nnicht. \n---\n\n |
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161,285 | olgstut-2008-10-14-1-u-7408 | 147 | Oberlandesgericht Stuttgart | olgstut | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 1 U 74/08 | 2008-10-14 | 2019-01-16 06:40:16 | 2019-02-12 12:22:32 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Die Berufung des Klagers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom\n20.Juni 2008 - AZ.: 20 O 337/07 - wird\n\n**_zur uckgewiesen._**\n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nStreitwert im 2. Rechtszug : 5.243,74 EUR.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| _\\- abgek urzt gemaß § 540 Abs.2, 313 a ZPO -_ \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Berufung ist zwar zulassig. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Wie\nder Senat bereits in seinem Hinweisverfugung vom 6.10.2008 (Bl. 125/126 d.A.),\nauf die Bezug genommen wird, dargelegt hat, scheitert die Klage bereits daran,\ndass die formalen Voraussetzungen eines Garantieanspruchs nicht gegeben sind.\nZudem liegt auch eine „Durchrostung von innen nach außen" im Sinne der\nGarantiebedingungen nicht vor. \n--- \n--- \n**I.** \n--- \n| 3 \n--- \n| 1\\. Nach den Bedingungen der sog. „mobilo-life-Garantie" der Beklagten (vgl.\ndie Anlage zu Bl. 114 d.A.) konnen Anspruche der Kunden wegen Rostschaden\neines Neufahrzeuges ab dem 5. Jahr nur geltend werden, wenn der letzte\nWartungsdienst in einer autorisierten (Name)-Werkstatt nicht langer als zwei\nJahre zuruckliegt. Gegen die rechtliche Wirksamkeit dieser den\nGarantieanspruch einschrankenden Vertragsklausel bestehen im Hinblick auf die\nberechtigten Interessen der Beklagten an einer langerfristigen Kundenbindung\nkeine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Klausel halt insbesondere der\nInhaltskontrolle nach Maßgabe des § 307 Abs.1 BGB stand (BGH, Urteil vom\n12.12.2007 - VIII ZR 187/06, NJW 2008, 843 = DAR 2008, 141). \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| 2\\. Das Fahrzeug wurde am 8.5.2000 erstmals zum offentlichen Straßenverkehr\nzugelassen, so dass es zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Beklagten\n(Anwaltsschreiben vom 1.2.2007, Bl. 6 d.A.) bereits mehr als 4 Jahre alt war.\nDass der Klager bereits zuvor gegen die Vertragshandlerin der Beklagten\nvergeblich vorgegangen war, ist im Verhaltnis zur Beklagten ohne Belang. Zudem\nerfolgte auch insoweit die Inanspruchnahme wegen der streitgegenstandlichen\nSchaden erst nach dem 8.5.2004. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| 3\\. Es ist unstreitig, dass der Klager keine Wartungsdienste in\nautorisierten (Name) - Werkstatten durchfuhren ließ. Daher sind die formalen\nVoraussetzungen eines Garantieanspruchs nicht gegeben. Eine Zuruckweisung des\ndiesbezuglichen „Einwandes" der Beklagten kommt weder gemaß § 296 ZPO noch\ngemaß § 531 Abs. 2 ZPO in Betracht. Unstreitiges Vorbringen kann nicht nach §\n531 Abs.2 ZPO zuruckgewiesen werden (BGH NJW 2005, 291). Auch eine\nZuruckweisung gemaß § 296 ZPO kann schon deshalb nicht erfolgen, weil durch\ndie Zulassung eine Verzogerung des Rechtstreits nicht eintritt. Ohnehin\nhandelt es sich bei den durchzufuhrenden Wartungen um eine inhaltliche\nVoraussetzung des geltend gemachten Anspruchs und nicht um eine Einwendung der\nBeklagten, so dass es zur Darlegungslast des Klagers stand, die entsprechende\nBehauptung aufzustellen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Berufung der Beklagten auf die nicht durchgefuhrten Wartungsarbeiten\nverstoßt auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Es ist nicht\nersichtlich, dass die Beklagte den Eindruck erweckt hatte, sie werde sich im\nStreitfalle nicht auf das Fehlen dieser Anspruchsvoraussetzung berufen. Noch\nweniger ist ersichtlich, dass der Klager gerade im Vertrauen darauf davon\nabgesehen hat, Wartungsdienste in autorisierten Werkstatten durchfuhren zu\nlassen. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Berufung hat aber auch deshalb keinen Erfolg, weil eine „Durchrostung\nvon innen nach außen" im Sinne der Garantie nicht gegeben ist. Das Landgericht\nhat die Klausel zutreffend dahingehend ausgelegt, dass nicht jeder Rostansatz\nan der Karosserie Garantieanspruche auslost. Unter einer „Durchrostung" ist im\nallgemeinen Sprachgebrauch mindestens eine korrosionsbedingte, die Substanz\nerheblich schadigende Schwachung des Karosserieblechs zu verstehen. Soweit\nkeine vollstandige Durchrostung im engeren Sinne gegeben ist, muss die\nKorrosion wenigstens ein Ausmaß erreicht haben, dass aus technischen Grunden\nMaßnahmen erforderlich sind, um eine unmittelbar bevorstehende vollstandige\nDurchrostung zu verhindern oder die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs nicht zu\ngefahrden. Dagegen genugen rein optische und oberflachliche Beeintrachtigungen\nauch dann nicht, wenn sie - wie hier - das außere Erscheinungsbild storen und\nbei einem Fahrzeug der sog. „Premiumklasse" eigentlich nicht zu erwarten sind. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Diese Auslegung steht auch im Einklang mit den Erwartungen eines\ndurchschnittlichen Kunden. Im Hinblick auf den 30-jahrigen Garantiezeitraum\nkann ein verstandiger Kunde nicht ernsthaft annehmen, dass die Beklagte die\nVerpflichtung ubernehmen wollte, selbst gegen Ende der Garantie fur jede\nsichtbare Rosterscheinung einzustehen. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 9 \n--- \n| Da die Berufung somit keinen Erfolg hat, hat der Klager die Kosten des\nRechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs.1 ZPO). Die Entscheidung uber die vorlaufige\nVollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Ziff.10, 713 ZPO. \n---\n\n |
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193,873 | vg-koblenz-2008-09-05-4-k-171007ko | 917 | Verwaltungsgericht Koblenz | vg-koblenz | Koblenz | Rheinland-Pfalz | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 4 K 1710/07.KO | 2008-09-05 | 2019-02-12 09:31:53 | 2019-02-12 14:03:34 | Urteil | ECLI:DE:VGKOBLE:2008:0905.4K1710.07.KO.0A | \n\n#### Tenor\n\n \n\n \n\nDie Nr. 2 des Tenors des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des\nLandkreises Cochem-Zell vom 10. September 2007 - KRA W 278/2007 - wird\ninsoweit aufgehoben, als darin der Streitwert auf mehr als 2.480,63 €\nfestgesetzt wird.\n\n \n\nIm Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n \n\n \n\nVon den Kosten des Verfahrens tragt der Klager 9/10 und der Beklagte 1/10.\n\n \n\n \n\nDas Urteil ist wegen der Kosten vorlaufig vollstreckbar.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDer Klager begehrt die Gewahrung eines betriebsindividuellen Betrages im\nRahmen der Agrarforderung von dem Beklagten.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer Klager ist nach seinen Angaben Nebenerwerbslandwirt und erwarb seit 2002\nMutterschafe. Auf seinen Antrag wurden ihm mit Bescheid des Beklagten vom 8.\nDezember 2003 150 Pramienanspruche fur Mutterschafe aus der nationalen Reserve\nfur das Antragsjahr 2004 zugeteilt. Den Pramienantrag fur das Jahr 2004 zog er\nim Hinblick auf eine im Landkreis Bernkastel-Wittlich angeordnete Quarantane,\nder auch seine sich seinerzeit bei einem Wanderschafer befindenden Schafe\nunterfielen, zuruck. Gleichwohl lehnte der Beklagte den Antrag auf die\nSchafpramie mit Bescheid vom 30. November 2004 bestandskraftig ab, erkannte\njedoch die Grunde nach Art. 41 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 an.\n\n \n\n3\n\n \n\nDer Klager stellte am 17. Mai 2005 einen Antrag auf Erhohung der\nZahlungsanspruche fur seinen Betrieb um einen betriebsindividuellen Betrag im\nHinblick auf die auf Investitionen basierende Ausweitung der Schafhaltung. Er\nfugte einen sog. „Investitionsplan Tierbestand" vom 16. Mai 2005 bei, in der\ner die getatigten Investitionen in Mutterschafe, Flachen und Gerate/Maschinen\nerlauterte. Zum Nachweis seiner Investition legte er verschiedene Vertrage fur\nden Erwerb von Schafen, eine Übersicht und zum Teil Rechnungen uber die\nAnschaffung von Geraten und Maschinen vor. Die Gesamtinvestitionen gab er mit\n34.636,42 € an.\n\n \n\n4\n\n \n\nDer Beklagte wies den Klager mit Schreiben vom 1. Juni 2005 darauf hin, dass\nPramienrechte ab der Einfuhrung der Betriebspramie ohne Bedeutung seien und\ndeshalb in 2004 fur 2005 kein Antragsverfahren fur die Schafpramie\ndurchgefuhrt werde. Wegen der Beantragung des Betriebsindividuellen Betrages\nwerde jedoch ein nachtragliches Antragsverfahren bis zum 3. Juni 2005\nzugelassen. Der Klager stellte am 3. Juni 2005 einen Antrag auf Zuteilung von\n150 Pramienanspruchen, der mit Bescheid des Beklagten vom 5. November 2005\nbestandskraftig abgelehnt wurde.\n\n \n\n5\n\n \n\nMit Schreiben vom 11. August 2005 horte der Beklagte den Klager zur\nbeabsichtigten Ablehnung der Betriebspramie fur Betriebe in besonderer Lage an\nund fuhrte aus, da in den Jahren 2000-2002 keine Produktionskapazitaten\nvorhanden gewesen seien, konnten diese auch nicht erhoht werden (§ 15 Abs. 2\nNr. 1 BetrPramDurchfV). Die Investitionen betrugen auch nicht mind. 20.000,-\n€, da die Maschinen nach § 15 Abs. 3 BetrPramDurchfV nicht\nberucksichtigungsfahig seien und der Kauf der Flache nicht belegt sei. Eine\nUmdeutung in einen Antrag fur Neueinsteiger scheide aus, da Betrieb bereits\nbestehe.\n\n \n\n6\n\n \n\nMit Bescheid vom 20. Februar 2006 teilte der Beklagte dem Klager\nflachenbezogene Zahlungsanspruche zu, lehnte aber die Zuteilung\nbetriebsbezogener Zahlungsanspruche hinsichtlich des Antrages „Besondere Lage\naufgrund von Investitionen gemaß Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 795/2004" ab.\nZur Begrundung ist in dem Bescheid ausgefuhrt, es habe nicht nachgewiesen\nwerden konnen, dass in zusatzliche Produktionskapazitaten investiert worden\nsei. Hiergegen legte der Klager per Telefax am 14. Mai 2006 Widerspruch ein.\n\n \n\n7\n\n \n\nMit Bescheid vom 10. November 2006 lehnte der Beklagte den Antrag auf einen\nBetriebsindividuellen Betrages „endgultig" ab und fuhrte zur Begrundung aus,\nzum einen sei die Maßnahme nicht bis zum 17. Mai 2005 fertig gestellt gewesen\nund zum anderen seien keine ausreichenden Nachweise fur Investitionen in\nzusatzliche Produktionskapazitaten vorgelegt worden. Der Bescheid wurde am 16.\nNovember 2006 zur Post aufgegeben.\n\n \n\n8\n\n \n\nDer Klager erhob mit am 10. Dezember 2006 eingegangenen Schreiben hiergegen\nWiderspruch und trug vor, er habe ausreichende Nachweise uber die\nerforderlichen Investitionen vorgelegt.\n\n \n\n9\n\n \n\nDer Kreisrechtsausschusses des Landkreises Cochem-Zell wies den Widerspruch\nmit Widerspruchsbescheid vom 10. September 2007 - KRA - W 278/2007 - zuruck\nund fuhrte zur Begrundung im Wesentlichen aus, nach den Ausfuhrungen des\nKlagers in der mundlichen Verhandlung des Kreisrechtsausschusses hatten die\nerworbenen Schafe einschließlich der Nachzucht, soweit diese nicht als\nLammabzahlung Herrn S. abzugeben gewesen seien, anfanglich in seinem Betrieb\ngestanden. Anfang 2004 seien dann die Schafe Herrn S., der als Wanderschafer\ntatig sei, als Pensionstiere ubergeben worden, was noch zum jetzigen Zeitpunkt\nder Fall sei. Der Klager habe ferner erklart, dass die Vereinbarung vom 15.\nMarz/29. August 2004 allein eigentumsrechtlicher Natur gewesen sei. Da sich\ndie Schafe somit nachweislich seit Anfang 2004 nicht mehr im Betrieb des\nKlagers befunden hatten - durch die Pensionshaltung des Herrn S. befanden sich\ndie Schafe nunmehr in dessen Betrieb - seien die Voraussetzungen des § 15 Abs.\n4 letzter Satz Betriebspramiendurchfuhrungsverordnung nicht erfullt. In Ziffer\n2. des Tenors setzte der Kreisrechtsausschuss den Streitwert auf 23149,20 €\nfest. Er ging dabei von einem jahrlichen Betrag von 22,05 € pro Schaf mal 150\nSchafe gleich 3.307,50 € fur die Jahre 2005 bis 2010 aus, fur 2011 von 2/3\ndavon, gleich 2.202,80 € und fur 2012 von 1/3, gleich 1.101,40 € aus und\nrechnete diese Betrage zusammen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Klager am\n12. September 2007 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.\n\n10\n\n \n\nMit Telefax seiner Prozessbevollmachtigten vom 2. Oktober 2007 hat der Klager\nKlage erhoben und tragt erganzend vor, er habe seine Investitionen vollstandig\nnachgewiesen und ohne die Berucksichtigung unbarer Eigenleistungen zum Aufbau\nseiner Mutterschafherde 34.636,42 € investiert. Er habe 150 Mutterschafe\nangeschafft. Die Urkunde W. sei von Herrn W. im Verkauferfeld gezeichnet,\nnachdem er zunachst seine Unterschrift in das Kauferfeld gesetzt habe, diese\nUnterschrift dann „kringelte". Er, der Klager, habe seine Unterschrift neben\nden Kringel gesetzt. Zudem sei diese Urkunde eine Kaufpreisquittung. Mit der\nKlage sei auch die Kostenentscheidung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens\nangefochten. Der Gegenstandswert des Kreisrechtsausschusses sei uberhoht.\n\n \n\n11\n\n \n\nDer Klager beantragt,\n\n \n\n12\n\n \n\nDer unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 20. Februar 2006 und vom 10.\nNovember 2006 sowie des Widerspruchsbescheids vom 10. September 2007 den\nBeklagten zu verpflichten, ihm fur das Jahr 2005 einen betriebsindividuellen\nBetrag wegen besonderer Lage aufgrund von Investitionen zu gewahren.\n\n13\n\n \n\nhilfsweise,\n\n14\n\n \n\nden Streitwert im Widerspruchsbescheid vom 10. September 2007 auf 2.480,63 €\nzu beschranken.\n\n \n\n15\n\n \n\nBeklagte beantragt,\n\n \n\n16\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n17\n\n \n\nDer Beklagte tragt vor, mit der Zuteilung von 150 Mutterschafpramienrechten\nmit Bescheid vom 8. Dezember 2003 wurde keinesfalls ein Bestand von 150\nMutterschafen anerkannt. Die Tatsache, dass der Klager im Folgejahr keine\nMutterschafe gehalten habe, fuhre dazu, dass die gesamten dem Klager gewahrten\nPramienrechte wieder verfallen bzw. eingezogen worden seien. Im\nWiderspruchsbescheid werde darauf abgestellt, dass die Anschaffung von\nProduktionsmittel unmittelbar der Erhohung des Schafbestandes diene bzw. die\nErhohung erst ermoglichen musse. Der Klager habe nur in die Erhohung des\nMutterschafbestandes investiert. Die anerkennungsfahigen Investitionen allein\nin der Erhohung des Tierbestandes reichten fur die zusatzliche Zuteilung eines\nbetriebsindividuellen Betrages nicht aus. Der Klager hatte daneben in die\nAusweitungen der Produktionsmittel investieren mussen. Gerade seine\nAusfuhrungen in der mundlichen Verhandlung des Kreisrechtsausschusses am 4.\nSeptember 2007 zeigten, dass die Voraussetzungen fur die Zuteilung eines\nbetriebsindividuellen Betrages nicht gegeben seien.\n\n \n\n18\n\n \n\nWegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschrift,\ndie zu den Akten gereichten Schriftsatze und Unterlagen der Beteiligten sowie\ndie vorgelegten drei Hefte Verwaltungs- und Widerspruchsakten verwiesen;\nsamtliche Unterlagen waren Gegenstand der mundlichen Verhandlung.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n \n\n19\n\n \n\nDie zulassige Klage hat nur hinsichtlich der hilfsweise angefochtenen\nStreitwertfestsetzung des Kreisrechtsausschusses Erfolg und ist hinsichtlich\ndes mit dem Hauptantrag begehrten betriebsindividuellen Betrages unbegrundet.\n\n \n\n**I.**\n\n20\n\n \n\nDer Klager hat keinen Anspruch auf die mit seinem Hauptantrag begehrte\nAnerkennung einer besonderen Lage aufgrund von Investitionen in die\nMutterschafhaltung, die zur Berucksichtigung eines zusatzlichen\nbetriebsindividuellen Betrages bei der Festsetzung der Zahlungsanspruche fur\ndie Betriebspramie fuhrt.\n\n \n\n21\n\n \n\nAb dem Jahr 2005 wurde eine Neuausrichtung der europaischen Agrarpolitik\numgesetzt, die im Wesentlichen in der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates\nvom 29. September 2003, in der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 der Kommission vom\n21. April 2004 sowie dem Betriebspramiendurchfuhrungsgesetz vom 21. Juli 2004\n(BGBl. I S. 1763) und der Verordnung zur Durchfuhrung der einheitlichen\nBetriebspramie (Betriebspramiendurchfuhrungsverordnung - BetrPramDurchfV -)\nvom 3. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3204 in der Fassung der Bekanntmachung vom\n26. Oktober 2006, BGBl. I, 2376) geregelt ist. Sie umfasst die Umstellung von\nproduktionsabhangigen Direktzahlungen auf betriebsbezogene\nproduktionsunabhangige Direktzahlungen in Form einer einheitlichen\nBetriebspramie. Diese Betriebspramie wird nach Maßgabe der fur den Betrieb\nfestzusetzenden Zahlungsanspruche gewahrt, soweit im jeweiligen Anspruchsjahr\nweitere Voraussetzungen erfullt sind. Die Zahlungsanspruche errechnen sich aus\ndem flachenbezogenen Betrag und gegebenenfalls daruber hinaus aus dem\nbetriebsindividuellen Betrag (§ 5 Abs. 2 und Abs. 3\nBetriebspramiendurchfuhrungsgesetz). Berechnungsgrundlage ist fur den\nflachenbezogenen Betrag die von dem Betrieb am 15. Mai 2005 bewirtschaftete\nFlache entsprechend ihrer Nutzung als Acker oder Dauergrunland, fur den\nbetriebsindividuellen Betrag die durchschnittlich in den Jahren 2000 bis 2002\nnach Anhang VI der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 gewahrten Pramien. Daruber\nhinaus sind beim betriebsindividuellen Betrag besondere Umstande zu\nberucksichtigen, namlich Hartefalle (Art. 40 Abs. 4 i.V.m. Verordnung (EG) Nr.\n1782/2003 und Art. 16 Verordnung (EG) Nr. 795/2004) und Falle von\n„Betriebsinhabern in besonderer Lage" (Art. 42 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr.\n1782/2003 i.V.m. Art. 18 ff. Verordnung (EG) Nr. 795/2004). Zu den Fallen des\n„Betriebsinhabers in besonderer Lage" gehort auch der Fall, auf den der Klager\nsich beruft, namlich, dass der Betriebsinhaber in Produktionskapazitaten\ninvestiert hat (Art. 42 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 i.V.m. Art. 21\nVerordnung (EG) Nr. 795/2004 sowie § 15 BetrPramDurchfV). Die Voraussetzungen\nhierfur sind jedoch nicht erfullt.\n\n \n\n22\n\n \n\nNach Art 21 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 795/2004 erhalt ein Betriebsinhaber,\nder bis spatestens 15. Mai 2004 gemaß den Bedingungen der Absatze 2 bis 6 in\nProduktionskapazitaten investiert hat, Zahlungsanspruche. Zu den Bedingungen\ngehort, dass die Investitionen in einem Plan oder Programm vorgesehen sein\noder durch andere objektive Nachweise belegt sein mussen (Art. 21 Abs. 2\nVerordnung (EG) Nr. 795/2004). Weitere Voraussetzungen ergeben sich aus § 15\nBetrPramDurchfV und Art. 21 Verordnung (EG) Nr. 795/2004 i.V.m. Art. 111 ff.\nVerordnung (EG) Nr. 1782/2003.\n\n23\n\n \n\n1\\. Der Klager war im Jahr 2005 nicht als Betriebsinhaber Halter von\nMutterschafen in dem von der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 in Verbindung mit\nder Verordnung (EG) 1782/2003 geforderten Sinne eines Erzeugers von\nSchaffleisch.\n\n \n\n24\n\n \n\nDer Klager war im Referenzjahr 2005 nach seinen Angaben Eigentumer einer -\nwenn auch die von ihm pramienrechtlich beanspruchte Zahl unterschreitenden,\njedoch beachtlichen - Zahl von Mutterschafen (laut Nachweisblatt 122\nMutterschafe zum 16. Mai 2005 - Verwaltungsakte I Blatt 56). Er hat sie jedoch\nnicht in seinem Betrieb gehalten. Der Klager ist zwar als Betriebsinhaber\neines landwirtschaftlichen Betriebes im Sinne des Art. 2 a Verordnung (EG) Nr.\n1782/2003 anzusehen, nachdem er in der mundlichen Verhandlung dargelegt hat,\ndass er auf ca. 25 ha Getreide- und Ölsaaten anbaut und auf ca. 10 ha Flache\nGrunland bewirtschaftet. Er hat jedoch in dem hier pramienrechtlich relevanten\nBezugsjahr 2005 keine Schafe in seinem Betrieb im Sinne des Art. 115\nVerordnung (EG) Nr. 1782/2003 gehalten. Die Erforderlichkeit der\nbetriebsbezogenen Zuordnung der Mutterschafhaltung ergibt sich aus den\nRegelungen der Art. 113 bis 115 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003. Danach muss die\nHaltung der Tiere betriebsbezogen erfolgen („in seinem Betrieb Mutterschafe\nhalt", Art. 113 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003). Erfasst sind auch die\nBetriebe, die Wandertierhaltung betreiben (Art. 114 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr.\n1782/2003). Damit ist eine eindeutige Zuordnung eines Tieres fur den gesamten\nJahreszeitraum (Art. 113 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003) erforderlich.\nFur diese Auslegung der vorgenannten Verordnungen spricht auch der\nZusammenhang der Regelung mit der zuvor gezahlten und durch die Neuregelung\nder Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 (vgl. Art. 152 Buchstabe c) i.V.m. Art. 156\nf) zum 1. Januar 2005 gestrichenen Mutterschafpramie. Nach Art. 5 Abs. 1 der\nVerordnung (EG) Nr. 2529/2001 (Nachfolgeregelung zur Verordnung (EG) Nr.\n2467/1998) wurde eine Mutterschafpramie gewahrt, soweit dies erforderlich ist,\num einen Einkommensausfall der Schaffleischerzeuger in der Gemeinschaft im\nLaufe eines Wirtschaftsjahres auszugleichen. Nach Art. 3 Buchstabe a und b der\nVerordnung (EG) Nr. 2529/2001 ist „Erzeuger" der Leiter eines in der\nEuropaischen Gemeinschaft ansassigen Schaf- oder Ziegenhaltungsbetriebs als\nnaturliche oder juristische Person oder als Gemeinschaft naturlicher oder\njuristischer Personen, ungeachtet der Rechtsform dieser Gemeinschaft oder\nihrer Mitglieder nach einzelstaatlichem Recht und „Betrieb" die Gesamtheit der\nin einem Mitgliedstaat gelegenen und von einem Erzeuger geleiteten\nProduktionseinheiten.\n\n \n\n25\n\n \n\nDer Klager hat die Schafe nicht in dem vorgenannten Sinne der Verordnung (EG)\nNr. 1782/2003 selbst gehalten. Er hat nie behauptet, selbst Wanderschaferei zu\nbetreiben, noch hat er eine solche bei der Beklagten oder einer anderen\nBehorde angemeldet. Sein landwirtschaftlicher Betrieb bezieht sich daher\nallenfalls auf seine eigenen und die von ihm gepachteten Wirtschaftsflachen\nund -gebaude. Auf diesen haben die Schafe nach eigenem Bekunden des Klagers\nsowohl im Widerspruchsverfahren als auch in der mundlichen Verhandlung zu\nkeinem Zeitpunkt des Jahres 2005 gestanden. Der Klager war - im Gegensatz zum\nJahre 2004 - auch nicht durch eine veterinararztlich angeordnete Quarantane\ndaran gehindert, die Tiere auf den eigenen Flachen zu halten, da die\ntierseuchenrechtlichen Anordnung schon im Herbst 2004 aufgehoben wurde. Der\nKlager hat lediglich behauptet, den Wanderschafer S. mit Winterfutter\nunterstutzt und gelegentlich (soweit ihm dies die Tatigkeit als\nBerufsschullehrer erlaubte) vertreten zu haben. Eine (eigenverantwortliche)\nLeitung des Betriebes der Wanderschaferei hat er nicht dargetan, ebenso wenig\neine eigenstandige Haltung der Schafe auf eigenem Gelande.\n\n \n\n26\n\n \n\nSoweit der Klager behauptet, er halte die Schafe arbeitsteilig mit Herrn S.,\ngenugt dies nicht, um eine Haltung im Sinne der vorgenannten Vorschriften\nnachzuweisen. Lediglich die (finanzielle, materielle und/oder arbeitsteilige)\nBeteiligung an einem Unternehmen ist schon nach dem bisherigen europaischen\nPramienrecht nicht ausreichend fur die Qualifizierung als Erzeuger (vgl. VG\nGelsenkirchen - Urteil vom 12.09.2007 - 7 K 3888/05 - juris). Das EG-Recht\nwill den tatsachlich landwirtschaftlich und im eigenen Betrieb tatigen\nErzeuger unterstutzen, nicht denjenigen, der lediglich finanziell oder durch\nsachliche oder personliche Mithilfe an der Erzeugung durch einen Dritten in\nirgendeiner Form beteiligt ist. Daher genugt es nicht, dass Herr S. in einer\nvon dem Klager in der mundlichen Verhandlung angeregten Zeugenaussage\nbestatigen konnte, der Klager durfe allein entscheiden, wann welches Tier aus\nseinem (des Klagers) Schafbestand verkauft werden durfe und wie und wann es\ngedeckt werde. Selbst diese Entscheidungsbefugnis unterstellt, ware der Klager\nselbst nicht pramienberechtigt, weil er die Schafhaltung nicht leitet und\ndamit nicht uber die taglichen Lebensbedingungen der Schafe entscheidet.\nEbenso ist Herr S. nicht bloßer Gehilfe des Klagers, da er eigenstandig\ntagtaglich im Jahr 2005 uber den Standort und den Ablauf der Haltung der\ngesamten Schafherde befunden hat. Er ist insoweit nicht, wie ein Mitarbeiter\ndes Klagers, von dessen Weisungen abhangig und damit bloßer Besitzdiener.\nDamit konnte der von Klager mit der Zeugenaussage unter Beweis gestellte\nVortrag als wahr unterstellt werden, ohne dass sich die rechtliche\nEinschatzung andert. Einer Einvernahme des Zeugen S. bedurfte es nicht.\n\n \n\n27\n\n \n\n2\\. Unabhangig davon hat der Klager der zustandigen Behorde auch nicht gemaß §\n21 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 795/2004 einen Plan oder ein Programm, in dem\ndie von ihm angegebenen Investitionen in die Schafhaltung vorgesehen sind und\ndessen Durchfuhrung spatestens am 15. Mai 2004 begonnen hat, ubermittelt.\n\n \n\n28\n\n \n\na) Nach der Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (Urteile vom 30. Januar\n2008 - 8 A 11113/07.OVG - und - 8 A 11114/08.OVG -) richten sich die\nAnforderungen, die an einen solchen Investitionsplan zu stellen sind, nach\nseinem Zweck. Es soll belegt werden, dass im Vertrauen auf die bisherige\nRechtslage Investitionen getatigt wurden, die bei Nichteinfuhrung der\nBetriebspramie zu einer Erhohung des Direktzahlungsbetrages gefuhrt hatten\n(Erwagungsgrund Nr. 17 zur Verordnung (EG) Nr. 795/2004). Es handelt sich um\neine Ausnahmeregelung aus Grunden des Vertrauensschutzes, deren Missbrauch\nausgeschlossen werden muss. Aus dieser Zweckbestimmung ergibt sich zunachst,\ndass der Investitionsplan tatsachlich die Grundlage fur die getatigten\nInvestitionen gewesen sein muss und nicht lediglich eine nachtragliche\nSchilderung oder Begrundung hierfur darstellt. Aus der Regelung, wonach die\nDurchfuhrung des Investitionsplanes spatestens am 15. Mai 2004 begonnen haben\nmuss (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 795/2004), folgt, dass der\nInvestitionsplan vorher erstellt worden ist und nicht erst nach Beginn der\nInvestitionen passend zu den getatigten Maßnahmen geschrieben wird. Der Plan\nmuss daruber hinaus die Feststellung ermoglichen, welche\nProduktionskapazitaten mit den Investitionen gesteigert werden sollen. Dies\nist erforderlich, weil eine Steigerung der Produktionskapazitat nur solche\nSektoren betreffen darf, fur die im Bezugszeitraum eine Direktzahlung gemaß\nAnhang VI der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 gewahrt worden ware (Art. 21 Abs.\n3 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 795/2004).\n\n \n\n29\n\n \n\nEinen entsprechenden Investitionsplan hat der Klager nicht vorgelegt. Der von\nihm am 17. Mai 2005 gestellte Antrag enthalt unter I. die vorgedruckte und vom\nKlager angekreuzte Angabe „Ich habe gemaß folgendem Plan investiert: Sonstiger\nInvestitionsplan, aus dem Art und Umfang der Investitionen genau hervorgehen.\nDie jeweiligen Unterlagen sind beigefugt." Der vom Klager so bezeichnete\n„Investitionsplan - Tierbestand" stammt vom 16. Mai 2005 und enthalt eine\nBeschreibung der seit Marz 2002 erfolgten Maßnahmen. Es fehlt darin die\nDarlegung, dass die getroffenen Maßnahmen einem (vor-)gefassten Plan\nentsprechend vorbereitet und (zielgerichtet) abgearbeitet wurden. Einen -\nnotwendigerweise vorherigen - Plan hat der Klager nicht vorgelegt, sondern\nlediglich in der mundlichen Verhandlung behauptet, er habe nicht planlos\ngearbeitet.\n\n \n\n30\n\n \n\nb) Es liegen, mit Ausnahme der Kaufvertrage uber Mutterschafe, keine anderen\nobjektiven Nachweise fur das Vorliegen von Investitionen in die Haltung von\nMutterschafen vor, die hier zu berucksichtigen waren. Nach Art. 21 Abs. 2\nUnterabs. 2 Verordnung (EG) Nr. 795/2004 konnen die Mitgliedstaaten andere\nobjektive Nachweise berucksichtigen. Es kann dahinstehen, ob die\nBerucksichtigung anderer objektiver Nachweise hier deshalb ausgeschlossen ist,\nweil die Bundesrepublik Deutschland von dieser Ermachtigung nicht durch eine\ngesetzliche Regelung Gebrauch gemacht hat (so etwa VG Trier, Urteil vom 25.\nOktober 2007 - 6 K 601/07.TR -). In der Tat enthalten weder das\nBetriebspramiendurchfuhrungsgesetz noch die\nBetriebspramiendurchfuhrungsverordnung ausdruckliche Regelungen uber die\nZulassigkeit anderer objektiver Nachweise. Auch ist in § 15 Abs. 4\nBetrPramDurchfV nur der Investitionsplan erwahnt, nicht aber die Moglichkeit\nsonstiger Nachweise. Andererseits ist nicht ersichtlich, dass die Ermachtigung\nsich auf gesetzliche Regelungen beschrankt, so dass mangels eines\nausdrucklichen Ausschlusses der Berucksichtigung anderer Nachweise durch den\nGesetz- und Verordnungsgeber diese aufgrund ihrer europarechtlichen\nZulassigkeit auch durch die Verwaltungsbehorden erfolgen konnte.\n\n \n\n31\n\n \n\nZwar hat der Klager durchaus Anhaltspunkte dafur geliefert, dass er in die\nMutterschafhaltung investieren wollte. So enthalt der Vertrag mit Herrn W.\n(Anlage 2 zum Antrag - Verwaltungsakte I Bl. 9) einen Hinweis auf eine Option\nauf die Übernahme der Mutterschafpramie, die dann laut „Investitionsplan -\nTierbestand" nicht habe ausgeubt werden konnen, da die Pramienanspruche\nverfallen gewesen seien. Nahere Nachweise hierzu wurden nicht vorgelegt.\nJedoch fehlt jede Angabe, von welchem Anfangsbestand auf welchen Endbestand\ndie Mutterschafhaltung ausgebaut werden sollte und welche Maßnahmen hierzu\nneben dem Ankauf von Mutterschafen vorgesehen waren. Allenfalls als\nAnhaltspunkt kann der Antrag des Klagers vom 8. Dezember 2003 auf Zuweisung\nvon Pramienrechten fur 150 Mutterschafe gewertet werden. Damit sind jedoch\nlediglich die Kaufvertrage uber Mutterschafe (insgesamt 4.600,- €\nvorbehaltlich der Wertung des Vertrages W.) und die Eigenbestandsaufstockung\n(behauptet 7.300,- €) von dem Plan abgedeckt, nicht die vom Klager\naufgefuhrten Investitionen in Gerate und Maschinen (14.736,42 €) und die\nBeschaffung von Flachen (9.000,- €), welche das Gros der behaupteten\nInvestitionen ausmachen. Im Übrigen hat der Klager fur den behaupteten\nFlachenkauf (Betriebsubernahme von 1,8 ha Grunland) bis heute keine Nachweise\nvorgelegt.\n\n \n\n32\n\n \n\n3\\. Die Investitionen des Klagers erfullen daruber hinaus nicht die im\nnationalen Recht aufgestellten objektiven Kriterien zur Feststellung des\nReferenzbetrages gemaß Art. 21 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 795/2005, die in §\n15 BetrPramDurchfV geregelt sind.\n\n \n\n33\n\n \n\na) Der Klager hat keine ausreichenden Investitionen, die unmittelbar zur\nErhohung der Produktionskapazitat dienen, in Hohe von mindestens 20.000,- €\nnachgewiesen (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 und § 15 Abs. 4 BetrPramDurchfV). Die\nInvestitionen des Klagers haben, mit Ausnahme des Kaufes der Mutterschafe,\nnicht gemaß § 15 Abs. 2 Nr. 1 BetrPramDurchfV unmittelbar zu einer Erhohung\nder Produktionskapazitat im Bereich der Mutterschafe gefuhrt. Durch die\nForderung nach einer unmittelbaren Erhohung der Produktionskapazitat und nach\neiner erheblichen Erhohung des Referenzbetrages (§ 15 Abs. 2 Satz 2\nBetrPramDurchfV) soll sichergestellt werden, dass die Erhohung der\nProduktionskapazitat und der Pramienanspruche maßgeblich fur die\nInvestitionsentscheidung war. Denn eine Investition, die nicht eine\nunmittelbare Erhohung der Produktionskapazitat und damit eine hohere Forderung\nbezweckte, erfolgte nicht im Vertrauen auf die bestehende Forderung. Hier\nsind, wie oben bereits ausgefuhrt wurde, mit Ausnahme des Kaufes von\nMutterschafen selbst und der Bestandserweiterung durch Nachzucht (erster\nVertrag S.), auf die Erweiterung der Mutterschafhaltung gezielte Investitionen\nnicht erkennbar. Die nach der vom Klager vorgelegten Liste (Verwaltungsakte I\nBlatt 12) getatigten Anschaffungen sind i.S.d. § 15 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3\nBetrPramDurchfV nicht ohne weiteres eindeutig und ausschließlich der\nMutterschafhaltung zurechenbar. Dies folgt zunachst schon aus dem fehlenden\nPlan, der einem fur verschiedene Betriebszweige verwendbaren Gegenstand wie\netwa einem Zaun, einem Bauwagen, einem Wasserfass, einem Anhanger, eine\nHeumaschine oder einem Schwader seine konkrete Zuordnung zu einem\nBetriebszweig, hier der Mutterschafhaltung, geben kann. Selbst die erworbenen\nHutehunde konnen auch fur andere tatsachlich vorhandene oder durch\nUmstrukturierung mogliche Betriebszweige, etwa die Haltung von Freilandrindern\noder Ziegen, oder gar fur den Privathaushalt genutzt werden. Daher stellt § 15\nAbs. 3 BetrPramDurchfV klar, dass nur durch einen betriebsbezogenen Plan und\ndarin vorgesehene Investitionen in andere Bereiche dieses Betriebes (etwa\nFlachen, Viehbestand, Stallungen) die darauf bezogenen Anschaffung von\nMaschinen, Geraten und technischen Einrichtungen berucksichtigungsfahig sein\nkonnen. Eine solche Betriebsbezogenheit zur Mutterschafhaltung hat der Klager\nnicht nachgewiesen. Damit konnen die auf Blatt 12 der Verwaltungsakte I\naufgefuhrten Investitionen von 14.736,42 € nicht berucksichtigt werden.\nDaruber hinaus hat der Klager den Erwerb (Betriebsnachfolge) von Flachen im\nWert von 9.000,- € mangels vorgelegter Belege nicht nachgewiesen. Dieser\nBetrag ist ebenso nicht zu berucksichtigen.\n\n \n\n34\n\n \n\nHinsichtlich der eigenen Bestandaufstockung ist auszufuhren, dass diese nach\ndem eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs. 4 S. 2 BetrPramDurchfV nicht zur\nErreichung des Mindestbetrages hinzugerechnet werden kann. Lediglich fur den\nNachweis der Ernsthaftigkeit der Investitionen in die Erweiterung durch\nNachzucht ist eine eigenstandige Regelung in § 15 Abs. 4 S. 4 BetrPramDurchfV\nvorgesehen, welche fur die Hohe der Pramie von Bedeutung ist (vgl. dazu OVG\nRheinland-Pfalz, Urteil vom 30.01.2008 -- 8 A 11113/07.OVG - und BayVGH\nBeschluss vom 06.05.2008 - 19 BV 07.3002 - juris).\n\n \n\n35\n\n \n\nNach alledem hat der Klager allenfalls - ungeachtet der im\nWiderspruchsbescheid aufgezeigten und bisher nicht vollstandig ausgeraumten\nBedenken an dem Kaufvertrag W. - Nachweise fur Investitionen in die\nMutterschafhaltung in Hohe von 4.600,- € vorgelegt, nicht aber Vertrage etc.\nfur Investitionen in Hohe von mindestens 20.000,- € bis zum 15. Mai 2004 (§ 15\nAbs. 4 S. 2 BetrPramDurchfV). Auch aus diesem Grunde kann der Klager mit dem\nHauptantrag nicht durchdringen.\n\n \n\n36\n\n \n\nb) Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Klager nach § 15 Abs. 5\nBetrPramDurchfV auch den Erwerb der zusatzlichen Pramienanspruche entsprechend\nden Investitionen bis zum 15. April 2004 nachweisen kann. Dem Klager waren\nMutterschafpramienanspruche fur 150 Mutterschafe fur das Wirtschaftsjahr 2004\nmit Bescheid vom 8. Dezember 2003 zugeteilt worden. Nachdem der Klager dem\nBeklagten das Unterfallen der Schafe unter eine Quarantane außerhalb des\nBezirks der Beklagten mitteilte, wurde die Zahlung von Mutterschafpramien mit\nBescheid vom 30. November 2004 abgelehnt unter Anerkennung der Grunde nach\nArt. 41 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001. Ob damit ein ordnungsgemaß begrundeter\nAusnahmefall vorlag und kein Verfall nach Art. 11 Abs 2 und 4 Verordnung (EG)\nNr. 2550/2001 eingetreten ist, bedurfte naherer Prufung und kann hier - da der\nAnspruch des Klagers schon aus den dargelegten Grunden nicht besteht, auf sich\nberuhen (zu den Anforderungen an einen ordnungsgemaß begrundeten Ausnahmefall\nvgl. BVerwG, Urteil vom 11. Marz 2008 - 3 C 29.07 - RdL 2008, 222). Ebenso\nkann dahingestellt bleiben ob dem Klager, der auch im Jahr 2005 die Zuteilung\nvon Pramienanspruchen aus der nationalen Reserve beantragt hat, trotz der\nbestandskraftigen Ablehnung vom 5. November 2005 solche im Sinne des § 15 Abs.\n5 S. 2 BetrPramDurchfV (fiktiv) hatten zugeteilt werden konnen.\n\n \n\n**II.**\n\n37\n\n \n\nDer Hilfsantrag ist zulassig. In Nr. 2 Satz 2 des Tenors des\nWiderspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Landkreises Cochem Zell\nvom 10. September 2007 wurde ein Streitwert fur das Widerspruchsverfahren in\nHohe von 23.149,20 € festgesetzt. Darin liegt eine der Bestandskraft fahige\nund den Klager nach der Kostenregelung des Widerspruchsbescheides belastende\nRegelung, gegen die der Klager unmittelbar nach § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO\nklagen kann. Ebenso richtet sich der Hauptantrag gegen denselben Beklagten (§\n44 VwGO), da Trager des Kreisrechtsausschusses (vgl. § 79 Abs. 2 VwGO) der\nbeklagte Landkreis ist (§ 7 Abs. 1 AGVwGO).\n\n \n\n38\n\n \n\nDer Hilfsantrag ist begrundet. Der Tenor des Widerspruchsbescheides des\nKreisrechtsausschusses des Landkreises Cochem Zell vom 10. September 2007 war\nhinsichtlich des darin festgesetzten Streitwertes fur das\nWiderspruchsverfahren im Umfang der Anfechtung aufzuheben. Es kann\ndahingestellt bleiben, ob der Rechtsausschuss uberhaupt selbst befugt ist,\neinen Streitwert fur sein Verfahren festzusetzen. Dagegen spricht, dass fur\ndie Abwicklung der Kostengrundentscheidung (§ 73 Abs. 3 S. 3 VwGO) und damit\ndie Kostenregelung im Verfahren der Rechtsausschusse die Kreisverwaltung als\nVerwaltungsbehorde des Landeskreises zustandig ist. Nach § 19 Abs. 3 AGVwGO\nist sie fur die Festsetzung der Kosten der Beteiligten zustandig, nach § 15\nAbs. 7 LGebG fur die Erhebung der Widerspruchsgebuhren. Zu diesem\nVerfahrensabschnitt durfte auch die Zugrundelegung eines eventuellen\nStreitwertes zur Anwendung der Gebuhrentabelle des Landkreistages Rheinland-\nPfalz bzw. des Rechtsanwaltsvergutungsgesetzes gehoren. Da der Klager die\nFestsetzung des Streitwertes jedoch nur teilweise angefochten hat, kann das\nGericht diese Festsetzung im Umfang des Klageantrages auch deshalb aufheben,\nweil sie dem Wert des Streitgegenstandes erkennbar nicht entspricht.\n\n \n\n39\n\n \n\nDer Streitwert fur das Widerspruchsverfahren ist in Anlehnung an § 52 Abs. 1\nGKG der Wert, den die Sache bei objektiver Beurteilung fur den Klager hat\n(vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16.11.2005 - 7 E 11489/05.OVG -,\njuris; und Beschluss vom 18.12.2007 - 2 E 11030/07.OVG -). Das vorliegende\nVerfahren beschrankt sich, wie auch das vorausgegangene Widerspruchsverfahren\nauf das Antragsjahr 2005, auch wenn dieser Streit hinsichtlich einer Reihe von\nFragen durchaus prajudiziell fur die Jahre 2006 bis 2012 sein kann. Dennoch\nmusste der Klager seine Zahlungsanspruche fur jedes weitere Jahr neu\naktivieren, um den Beklagten zur Zahlung zu veranlassen, insbesondere auch\nweiterhin Mutterschafe halten. Mit dem Widerspruch konnte der Klager im\nHochstfall einen moglichen Pramienanspruch fur 150 Schafen von 3.307,50 €\nbegehren. Bei der Bestimmung des Streitwertes orientiert sich die Kammer mit\nder obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OVG Luneburg, Beschluss vom\n17.11.2006 - 10 OA 223/06 - RdL 2007, 47; OVG Saarland, Beschluss vom\n25.04.2007 - 1 E 163/07 - RdL 2007, 224 m.w.N.; ebenso OVG Rheinland-Pfalz,\nUrteile vom 30.01.2008 - 8 A 11113/07.OVG - und - 8 A 11114/07.OVG -) an den\nEmpfehlungen des Streitwertkataloges fur die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004\n(NVwZ 2004, 1327), die in Nr. 24.2 fur die Zuteilung der zahlenmaßigen\nObergrenze pramienberechtigter Tiere einen Wert von 75 % der Pramie pro Tier\nund Jahr vorsehen. Der Empfehlung in Nr. 24.2 des Streitwertkataloges 2004\nliegt ein System der Pramiengewahrung unter anderem nach Art. 6 Abs. 1 der\nVerordnung (EG) Nr. 1254/1999 zugrunde fur die Haltung von Tieren eine Pramie\nzur Haltung des Bestandes erhalten konnen. Diese Pramie wird auf Jahresbasis\nje Kalenderjahr und Betrieb im Rahmen der individuellen Hochstgrenzen gewahrt.\nDie individuelle Hochstgrenze wird erzeugerbezogen nach bestimmten\nbetrieblichen Voraussetzungen durch Bescheid festgesetzt und ist Voraussetzung\nund gleichzeitig Hochstgrenze fur den jahrlichen Pramienanspruch des Erzeugers\nfur die von ihm in seinem Betrieb gehaltenen Tiere, in die wiederum durch\ngesonderten Bescheid festzusetzen ist. In ahnlicher Weise werden nach der\nVerordnung (EG) Nr. 1782/2003 als Ersatz fur die Mutterschafpramie auf der\nGrundlage von Pramienanspruchen fur die Jahre 2000 bis 2002 ein\nbetriebsindividueller Betrag festgesetzt, der sich an der Hochstgrenze der\nzugeteilten oder zuzuteilenden Mutterschafpramienrechte orientiert. Unter\ndiesen Voraussetzungen ist in Anlehnung an Nr. 24.2 des Streitwertkataloges\nein Streitwert von 75 % der hier streitigen Zahlungsanspruche fur ein Jahr\nanzunehmen. Fur das hier ausweislich des Antragsformulars („Antrag\nAgrarforderung 2005") ausschließlich beantragten Pramie fur das Jahr 2005 ist\nbei einem moglichen Pramienanspruch fur 150 Schafe von 3.307,50 € und einer\nReduzierung auf 75 % von einem Streitwert fur das Widerspruchsverfahren in\nHohe von 2.480,63 € auszugehen.\n\n \n\n**III.**\n\n40\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 VwGO entsprechend\nden Anteilen des Obsiegens und Unterliegens im Verhaltnis des Streitwerts.\n\n \n\n41\n\n \n\nDer Ausspruch zur vorlaufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO.\n\n42\n\n \n\n**Beschluss**\n\n43\n\n \n\nDer Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.770,63 € festgesetzt (§ 45 Abs. 1\nS. 2 i.V.m. §§ 52, 63 Abs. 2 GKG). Hinsichtlich des Hauptantrages geht die\nKammer von 2.480,63 € in Anlehnung an Nr. 24.2 des Streitwertkatalogs fur die\nVerwaltungsgerichtsbarkeit in NVwZ 2004, 1327 aus. Hinsichtlich des\nHilfsantrages ist ein Wert von 290 € hinzuzurechnen, der sich unter\nBerucksichtigung der von dem Beklagten regelmaßig angewandten Gebuhrentabelle\ndes Landkreistages Rheinland-Pfalz aus dem Unterschiedsbetrag der in Frage\nkommenden Gebuhrenpositionen fur den vom Kreisrechtsausschuss festgesetzten\nund fur den vom Klager fur zutreffend erachteten Streitwert bei mittlerem\nSchwierigkeitsgrad ergibt.\n\n \n\n44\n\n \n\nDie Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der\n**Beschwerde** angefochten werden.\n\n |
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193,899 | vg-trier-2008-08-27-5-k-36008tr | 920 | Verwaltungsgericht Trier | vg-trier | Trier | Rheinland-Pfalz | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 5 K 360/08.TR | 2008-08-27 | 2019-02-12 09:32:37 | 2019-02-12 14:03:38 | Urteil | ECLI:DE:VGTRIER:2008:0827.5K360.08.TR.0A | #### Tenor\n\n \n\n \n\n1\\. Der Bescheid der Beklagten vom 22. April 2005 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids des Kreisrechtsausschusses des Eifelkreises Bitburg-Prum\nvom 16. April 2008 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, gegen den\nLKW-Stellplatz des Beigeladenen bauaufsichtlich einzuschreiten.\n\n \n\n \n\n2\\. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klagers haben die\nBeklagte und der Beigeladene jeweils zur Halfte zu tragen. Ihre eigenen\naußergerichtlichen Aufwendungen fallen ihnen jeweils selbst zur Last.\n\n \n\n \n\n3\\. Das Urteil ist wegen der Kosten vorlaufig vollstreckbar. Der jeweilige\nKostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder\nHinterlegung in Hohe des vollstreckungsfahigen Betrages abwenden, wenn nicht\nder Klager vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Hohe leistet.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDer Klager begehrt ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen einen vom\nBeigeladenen errichteten und auch genutzten LKW-Stellplatz. Er selbst ist\nEigentumer des an der ca. 400 m langen Straße ... gelegenen Grundstucks\nGemarkung ..., Flur 2, Flurstuck 16/5 - ... 7 -, das mit einem Einfamilienhaus\nbebaut ist. Der Beigeladene ist Miteigentumer des ebenfalls mit einem Wohnhaus\nbebauten Nachbargrundstucks Flurstuck 16/6 - ... 5 -, auf dem er - auf einer\nmit Verbundsteinpflaster gepflasterten Flache - wiederholt - die Haufigkeit\nist zwischen den Beteiligten streitig - einen Lastkraftwagen seines\nArbeitgebers, teilweise auch mit Anhanger, abstellt und in den fruhen\nMorgenstunden wieder startet.\n\n2\n\n \n\nBeide Grundstucke liegen im Geltungsbereich einer vor ihrer Bebauung\nerlassenen Satzung der Ortsgemeinde ... uber die Klarstellung und Erweiterung\nder im Zusammenhang bebauten Ortslage ... vom 3. Juli 2000, in der es unter\nBezugnahme auf § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB heißt, dass folgende Festsetzungen in\nBezug auf Art und Maß der baulichen Nutzung getroffen werden:\n\n \n\n3\n\n \n--- \n\\- GRZ (Grundflachenzahl): 0,2 \n\\- GFZ (Geschossflachenzahl): 0,4 \n\\- Es sind nur freistehende Wohngebaude mit max. 2 Wohneinheiten pro Gebaude\nzulassig. \n \n \n\n4\n\n \n\nIm Aufstellungsverfahren fur diese Satzung hatte der Ortsgemeinderat ...\nwiederholt, zuletzt bei der abschließenden Beratung uber die Satzung am 22.\nNovember 1999, beschlossen, dass nur Wohngebaude zulassig sein sollten, weil\ndie betreffende Flache uberwiegend von Wohnnutzung gepragt sei, nur vorhandene\nBaulucken geschlossen werden sollten und nur Wohnbebauung gewunscht sei, um\ndie bei der Zulassung landwirtschaftlicher Gebaude zu befurchtenden\ngegenseitigen Beeintrachtigungen von vornherein auszuschließen. Außerdem heißt\nes in der Begrundung zu der Satzung, dass zur Sicherstellung des\nWohnflachenbedarfs uberwiegend fur Ortsansassige durch die einbezogenen\nFlachen Baugrundstucke zur Erstellung von Wohngebauden angeboten werden\nsollten.\n\n \n\n5\n\n \n\nDie gleichen textlichen Festsetzungen finden sich im Übrigen in einer weiteren\n"Satzung der Ortsgemeinde ... uber die Erganzung der im Zusammenhang bebauten\nOrtslage - Ortsteil ..., 2. Teilbereich" vom 21. November 2006, die sich auf\nandere Grundstucke an dieser Straße erstreckt.\n\n \n\n6\n\n \n\nIn den Jahren 2004 und 2005 wandte sich der Klager mehrfach an die Beklagte\nmit der Bitte, gegen das seinen Angaben zufolge seit zwei Jahren erfolgende\nAbstellen des Lastkraftwagens einzuschreiten, wobei der LKW zum Teil so\nabgestellt werde, dass er auf das klagerische Grundstuck hineinrage.\n\n \n\n7\n\n \n\nDaraufhin teilte der Burgermeister der Beklagten dem Klager mit formlosem\nSchriftsatz vom 22. April 2005 mit, dass die Umgebung einem Mischgebiet\nentspreche, in dem das Abstellen eines Lastkraftwagens mit den damit\nverbundenen Gerauschen zulassig sei, und von daher kein Raum fur ein\nhoheitliches Einschreiten sei. Soweit der LKW gelegentlich auf das Grundstuck\ndes Klagers hineinrage, bleibe es ihm vorbehalten, hiergegen privatrechtlich\nvorzugehen.\n\n \n\n8\n\n \n\nDem widersprach der Klager mit Schriftsatz vom 1. Mai 2005 und vertrat die\nAnsicht, dass sich die Umgebung als Wohngebiet darstelle, in dem das Abstellen\neines LKW nicht zulassig sei. Das Abstellen des Fahrzeugs verstoße auch gegen\ndie Straßenverkehrsordnung und gefahrde spielende Kinder. Soweit andere\nBehorden zustandig seien, werde um Weiterleitung des Begehrens gebeten.\n\n \n\n9\n\n \n\nMit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2008 wies der Kreisrechtsausschuss des\nBeklagten den Widerspruch des Klagers zuruck. Der LKW-Stellplatz stelle eine\nnicht genehmigungspflichtige bauliche Anlage im Sinne des § 62 Abs. 1 Nr. 11d\nLBauO dar, die im vorliegenden maßgebenden Bereich, der einem Misch- bzw.\nDorfgebiet entspreche, zulassig sei. Im Ortsteil ... mit ca. 20 - 25\nWohngebauden sei ein Haupterwerbslandwirt ansassig. Außerdem befinde sich in\nder unmittelbaren Nachbarschaft zu den Beteiligten eine Maschinenhalle, die\neinem Nebenerwerbslandwirt gehore. Ferner werde im Ort ein Pferdestall\ngenutzt. Von daher sei ein LKW-Stellplatz grundsatzlich zulassig. Vorliegend\ngingen von dem Stellplatz des Beigeladenen auch keine unzumutbaren\nBeeintrachtigungen fur die Umgebung aus, so dass kein Anspruch des Klagers auf\nbauaufsichtliches Einschreiten bestehe.\n\n \n\n10\n\n \n\nNach Zustellung des Widerspruchsbescheids am 30. April 2008 hat der Klager am\n14. Mai 2008 Klage erhoben. Die Umgebung entspreche, wie auch in den fur den\nBereich ... geltenden Klarstellungs- und Abrundungssatzungen festgelegt, einem\nreinen Wohngebiet, in dem ein LKW-Stellplatz nicht zulassig sei, den der\nBeigeladene - unter Verstoß gegen die vorgenannte Satzung - mit\nVerbundsteinpflaster befestigt habe und auch zur Fahrzeugwasche benutze. Im\nOrtsteil ... sei entgegen den Ausfuhrungen der Beklagten kein\nlandwirtschaftlicher Betrieb mehr vorhanden, nachdem der fruhere Betrieb eines\nHerrn ... aufgegeben worden sei, der im Übrigen nicht mehr im raumlichen\nZusammenhang zu seinem Grundstuck und demjenigen des Beigeladenen stehe.\nSoweit in der Umgebung Tiere gehalten wurden, stehe diese Tierhaltung nicht im\nZusammenhang mit landwirtschaftlichen Betrieben, sondern erfolge hobbymaßig.\nDie Maschinenhalle diene ebenfalls keinem landwirtschaftlichem Betrieb,\nsondern werde zum Basteln an alten Baumaschinen genutzt.\n\n \n\n11\n\n \n\nDer Klager beantragt,\n\n12\n\n \n\nden Bescheid der Beklagten vom 22. April 2005 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 16. April 2008 aufzuheben und die Beklagte zu\nverpflichten, gegen den LKW-Stellplatz des Beigeladenen bauaufsichtlich\neinzuschreiten.\n\n \n\n13\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n14\n\n \n\ndie Klage abzuweisen,\n\n \n\n15\n\n \n\nund verweist auf die Ausfuhrungen im Widerspruchsbescheid und das Vorbringen\ndes Beigeladenen.\n\n \n\n16\n\n \n\nDer Beigeladene beantragt,\n\n17\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n18\n\n \n\nEr nimmt Bezug auf die Ausfuhrungen zur Umgebungsbebauung im\nWiderspruchsbescheid und tragt erganzend vor, dass im Bereich ... mit\nallerdings nur 12 Hausern außerdem eine Heilpraktikerin ansassig sei, die\nPferde und Schafe halte. Außerdem befinde sich im Ortsteil ein Pferdestall fur\nmehrere Tiere. Beruflich sei er - der Beigeladene - im Fernverkehr zwischen\nSpanien und Schweden tatig und stelle den LKW seines Arbeitgebers, bei dem es\nsich um ein larmarmes Fahrzeug handele, in der Regel nur noch an Wochenenden\nauf seinem Grundstuck ab. Die Festsetzungen der Satzung seien im Übrigen nicht\nrechtmaßig.\n\n \n\n19\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug\ngenommen auf die Schriftsatze der Beteiligten sowie die Verwaltungs- und\nWiderspruchsvorgange, die vorlagen und Gegenstand der mundlichen Verhandlung\nwaren.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n \n\n20\n\n \n\nDie Klage ist zulassig. Als Rechtsgrundlage fur die vom Klager begehrte\nVerpflichtung der Beklagten als nach der Landesverordnung vom 17. September\n1991 (GVBl. S. 342) zustandigen unteren Bauaufsichtsbehorde zum\nbauaufsichtlichen Einschreiten gegenuber dem Beigeladenen kommt grundsatzlich\n§ 81 Satz 1 Landesbauordnung - LBauO - in Betracht, wenn das Bauvorhaben,\ngegen das eingeschritten werden soll, gegen nachbarschutzende Vorschriften\nverstoßt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. April 2003 - 8 A\n10936/02.OVG -, ESOVGRP).\n\n \n\n21\n\n \n\nDie Klage ist auch begrundet, denn die Errichtung des mit Verbundsteinpflaster\ngepflasterten LKW-Stellplatzes auf dem Grundstuck des Beigeladenen und seine\nNutzung verstoßen gegen den Interessen des Klagers dienende offentlich-\nrechtliche Bestimmungen und verletzt ihn in eigenen Rechten. Im fraglichen\nBereich sind namlich befestigte LKW-Stellplatze, die bauliche Anlagen im Sinne\nder §§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 LBauO, 29 Baugesetzbuch - BauGB - darstellen,\nbauplanungsrechtlich nicht zulassig. Dies folgt aus der Satzung der\nOrtsgemeinde ... uber die Klarstellung und Erweiterung der im Zusammenhang\nbebauten Ortslage ... vom 3. Juli 2000, die mit ihrer Festschreibung, dass nur\nfreistehende Wohngebaude mit maximal zwei Wohneinheiten pro Gebaude zulassig\nsind, eine Festlegung uber die zulassige Art der Nutzung im Sinne der §§ 34\nAbs. 5 Satz 2, 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB enthalt.\n\n \n\n22\n\n \n\nZweifel an der Rechtmaßigkeit dieser Satzung bestehen nicht.\n\n \n\n23\n\n \n\nNach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB kann die Gemeinde eine Satzung erlassen,\num einzelne Außenbereichsflachen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile\neinzubeziehen, wenn diese Flachen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden\nBereichs entsprechend gepragt sind und unmittelbar an diesen angrenzen. Dabei\nreicht es allerdings nicht aus, wenn es sich um einen "in der Nahe gelegenen"\nbebauten Bereich handelt. In Abgrenzung zu einer Außenbereichssatzung nach §\n35 BauGB einerseits und zum freien Planungsermessen der Gemeinde bei\nAufstellung eines Bebauungsplanes andererseits stellt fur diese Art der\nSatzung gerade die unmittelbare Nahe zum bebauten Bereich das Hauptmerkmal\ndar. Es soll also nicht eine vom bebauten Bereich raumlich abgesetzte Flache\n"neu" als Bauflache herangezogen werden. Vielmehr muss es sich um einen\nBereich handeln, der zwar nicht in den Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34\nAbs. 1 BauGB gehort, aber auch noch nicht so weit von diesem entfernt ist,\ndass seine Bebauung eindeutig nicht mehr dazugehoren kann (vgl. OVG Rheinland-\nPfalz, Urteil vom 9. November 2005 - 8 C 10463/05.OVG -, ESOVGRP).\n\n \n\n24\n\n \n\nDieser Zusammenhang ist vorliegend zur Überzeugung der Kammer unter\nBerucksichtigung der Bebauung im Bereich ..., wie sie sich aus dem bei den\nAkten befindlichen Kartenmaterial und der Luftbildaufnahme Blatt 84 des\n"Aktenvorgangs I" ergibt, zu bejahen, zumal in der Rechtsprechung des OVG\nRheinland-Pfalz (vgl. Urteil vom 16. Januar 2001 - 6 A 11446/00.OVG -) und der\nerkennenden Kammer (vgl. Urteil vom 10. Januar 2007 - 5 K 734/06.TR -) zur\nSiedlungsstruktur in Teilen der Eifel, die auf den Bereich ... ubertragbar\nerscheint, anerkannt ist, dass auch kleinere Siedlungsbereiche bereits einen\nBebauungszusammenhang darstellen konnen.\n\n \n\n25\n\n \n\nVon daher enthalt die Satzung der Ortsgemeinde eine verbindliche\nFestschreibung dahingehend, dass nur noch Wohngebaude neu errichtet werden\ndurfen.\n\n \n\n26\n\n \n\nEine dahingehende Festschreibung ist auch bauplanungsrechtlich zulassig.\n\n \n\n27\n\n \n\nNach §§ 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 2 BauGB kann die Gemeinde in einer\nSatzung einzelne Nutzungsarten festsetzen, wobei ihr Gestaltungsspielraum\ndadurch beschrankt wird, dass sich die zulassigen Nutzungsarten an der bereits\nvorhandenen Bebauung orientieren mussen. Dabei ist die Gemeinde allerdings\nnicht gehalten, bestimmte Baugebiete im Sinne der §§ 2 ff.\nBaunutzungsverordnung - BauNVO - festzuschreiben, sondern kann auch\ndetaillierte Einzelregelungen treffen. § 34 Abs. 4 BauGB bezweckt namlich die\nallmahliche Entwicklung eines Siedlungssplitters zu einem Ortsteil. Dabei\nstehen der Gemeinde zur Gewahrleistung einer geordneten stadtebaulichen\nEntwicklung effektive Regelungsmoglichkeiten zur Verfugung (vgl. Brugelmann,\nKommentar zum BauGB § 34 Rdnr. 132 ff.).\n\n \n\n28\n\n \n\nVon daher ist es nicht zu beanstanden, wenn sich die Ortsgemeinde ... bei der\nSatzungsaufstellung - wie den entsprechenden Gemeinderatsbeschlussen\nzweifelsfrei zu entnehmen ist und auch in den textlichen Festsetzungen Der\nSatzung und in ihrer Begrundung zum Ausdruck kommt, davon hat leiten lassen,\nnur Wohnbebauung zu gestatten, um die bei der Zulassung landwirtschaftlicher\nGebaude zu befurchtenden gegenseitigen Beeintrachtigungen von vornherein\nauszuschließen.\n\n \n\n29\n\n \n\nDies aber hat zur Folge, dass ungeachtet der Frage, ob die getroffene Regelung\ndazu fuhrt, dass der fragliche Bereich angesichts der weiteren Festsetzungen\nder Satzung hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzungen im Sinne des § 17\nAbs. 1 BauNVO nunmehr letztlich die Qualifikation eines Kleinsiedlungsgebiets\nim Sinne des § 2 BauNVO erhalt oder als Wohngebiet im Sinne der §§ 3, 4 BauNVO\nanzusehen ist, die Errichtung eines LKW-Stellplatzes jedenfalls nach § 12 Abs.\n2 BauNVO bauplanungsrechtlich unzulassig ist, weil ein derartiger Stellplatz\nkeinem durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf dient.\n\n \n\n30\n\n \n\nHierauf kann sich der Klager als Eigentumer des unmittelbaren\nNachbargrundstucks auch berufen, denn § 12 Abs. 2 BauNVO gehort, ohne dass\ndies ausdrucklich in einen Bebauungsplan oder eine Satzung im Sinne des § 34\nBauGB aufgenommen werden musste, zu den kraft Bundesrecht nachbarschutzenden\nGebietsfestsetzungen, sofern die Gemeinde nicht gemaß § 12 Abs. 4 bis 6 BauNVO\nausdrucklich etwas Abweichendes bestimmt hat. Letzteres ist indessen\nvorliegend nicht der Fall (vgl.: BVerwG, Beschluss vom 27. September 2007 - 4\nB 36/07 -, juris, und Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28/91 -, BVerwGE 94,\nS. 151 ff.)..\n\n \n\n31\n\n \n\nWird daher unter Verstoß gegen § 12 Abs. 2 BauNVO ein Stellplatz errichtet, so\nhat der Nachbar selbst dann einen Anspruch auf die Bewahrung der festgesetzten\nGebietsart, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall noch\nnicht zu einer tatsachlich spurbaren und nachweisbaren Beeintrachtigung des\nNachbarn fuhrt, denn der Abwehranspruch wird grundsatzlich bereits durch die\nZulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelost,\nweil hierdurch das nachbarliche Austauschverhaltnis gestort und eine\nVerfremdung des Gebietes eingeleitet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.\nSeptember 1993, a.a.O.).\n\n \n\n32\n\n \n\nVon daher kann der Klage mit der auf § 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO beruhenden\nKostenentscheidung der Erfolg nicht versagt bleiben, ohne dass es darauf\nankommt, wie groß die von einer Nutzung des LKW-Stellplatzes ausgehenden\nEmissionen tatsachlich sind.\n\n \n\n33\n\n \n\nDie Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit des Urteils\nhinsichtlich der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr.\n11, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.\n\n \n\n34\n\n \n\nGrunde, nach § 124a Abs. 1 VwGO die Berufung zuzulassen, sind nicht gegeben,\ndenn die Rechtssache hat weder grundsatzliche Bedeutung noch liegt eine\nAbweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr.\n4 VwGO vor.\n\n \n\n35\n\n \n\n**Beschluss**\n\n36\n\n \n\nDer Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,00 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 1,\n63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des von Richtern der Verwaltungsgerichtsbarkeit\nerarbeiteten Streitwertkatalogs, DVBl. 2004, S. 1525).\n\n \n\n37\n\n \n\nDabei sieht die Kammer keine Veranlassung, die Beschwerde gegen die\nStreitwertfestsetzung nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 Satz 2 GKG zuzulassen, denn\ndie Streitwertfestsetzung hat keine grundsatzliche Bedeutung.\n\n \n\n38\n\n \n\nDie Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der\nBeschwerde angefochten werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00\n€ ubersteigt.\n\n |
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102,854 | lg-itzehoe-2008-11-18-3-o-31408 | 1,063 | Landgericht Itzehoe | lg-itzehoe | Itzehoe | Schleswig-Holstein | Ordentliche Gerichtsbarkeit | Landgericht | 3 O 314/08 | 2008-11-18 | 2018-11-23 07:30:18 | 2019-02-14 05:39:55 | Urteil | ECLI:DE:LGITZEH:2008:1118.3O314.08.0A | #### Tenor\n\n \n\n1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n \n\n2\\. Die Kosten des Rechtsstreit hat der Kläger zu tragen.\n\n \n\n3\\. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu\nvollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDer Kläger macht gegenüber dem Beklagten Ansprüche wegen einer fehlerhaften\nAnkaufuntersuchung im Rahmen eines Pferdekaufvertrages geltend; der Beklagte\nsoll bei der Untersuchung eine Verletzung des Pferdes am linken Vorderbein\npflichtwidrig übersehen haben.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer Kläger ist Pferdehalter, der Beklagte Tierarzt. Am 04.12.2002 verkaufte\nder Kläger den damals dreijährigen Fuchshengst ... zu einem Kaufpreis von\n35.500,00 € an einen ... Käufer, Herrn .... Der Kaufvertrag stand unter der\naufschiebenden Bedingung der Billigung der klinischen und röntgenologischen\nAnkaufuntersuchung durch den Käufer .... Im Auftrag des ... führte der\nBeklagte noch am 04.12.2002 die Untersuchung des Pferdes durch. Herr ... hatte\ntrotz eines ausgiebigen Proberitts am 03.12.2002, in dem er das Pferd für gut\nbefunden hatte, auf einer solchen Untersuchung bestanden und sich erst\naufgrund des Ergebnisses dieser Untersuchung zum Kauf entschließen wollen. Der\nUmfang der Ankaufuntersuchung durch den Beklagten beschränkte sich in\nröntgenologischer Hinsicht auf die Fertigung und Bewertung von 12\nStandardröntgenaufnahmen, die den Bereich der streitgegenständlichen\nVerletzung des Pferdes unstreitig nicht abdeckten. Die Untersuchung umfasste\ndaneben nach Nr. 12 A) c) die Adspektion und Palpation aller vier Gliedmaßen.\n\n \n\n3\n\n \n\nDer Beklagte stellte keine Beeinträchtigungen des Pferdes fest, welche seinen\nEinsatz im Reitsport fraglich machten; insbesondere stellte der Beklagte keine\nknöcherne Verdickung im Sinne eines Überbeins an der linken Vordergliedmaße\nmedial fest. Im Untersuchungsprotokoll vom 04.12.2002, wegen dessen\nEinzelheiten auf Bl. 79-82 d.A. Bezug genommen wird, kreuzte der Beklagte\nunter dem Punkt 12 A) c) „Sicht- und tastbare Veränderungen an den Gliedmaßen\n(Muskeln, Knochen, Gelenke, Sehnen und Sehnenscheiden, Bänder)“ das Kästchen\n„Nein“ an.\n\n \n\n4\n\n \n\nAufgrund der positiven Kaufuntersuchung erwarb Herr ... das Pferd zum\nvereinbarten Kaufpreis. Nach vorangegangenem Transport übergab der Kläger am\n23.12.2002 dem Herrn ... das Tier in .... Bereits am 24.12.2002 wurde ...\nwegen Lahmheit durch den Tierarzt Dr. ... untersucht, erneut am 27.12.2002 in\nder Universitätsklinik .... Dr. ... gab als Befund am 24.12.2002 an (Bl. 125\nd.A.): „Harte Auftreibung Vorderfuß links“; er riet zur röntgenologischen\nAbklärung dieses Befundes im Tierspital ... oder der Pferdeklinik ....\nAusweislich des Tierärztlichen Berichts der Pferdeklinik der Universität ...\nvom 27.12.2002, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 121 d.A. Bezug genommen\nwird, zeigte das Pferd bei der Untersuchung an diesem Tag eine deutliche,\ndruckdolente Schwellung des medialen Griffelbeines. Radiologische war eine\ndeutliche fokale Periostitis mit knöchernen Zubildungen im mittleren Drittel\ndes medialen Griffelbeines vorne links zu sehen. Aufgrund des Ausmaßes der\nknöchernen Zubildung wurde das Alter des Traumas auf 2-3 Wochen geschätzt.\n\n \n\n5\n\n \n\nDer Käufer ... erklärte in der Folge gegenüber dem Kläger den Rücktritt und\nnahm ihn vor dem Landgericht ... auf Rückabwicklung des Kaufvertrages über das\nPferd ... in Anspruch. Mit Urteil vom 25.03.2004 wurde der Kläger dort\nverurteilt, das Pferd Zug um Zug gegen Zahlung von 36.740,04 € nebst 5\nProzentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.01.2003 zurückzunehmen sowie\nweitere 13.261,20 € an Unterhaltskosten an den ... zu zahlen. Seine gegen das\nlandgerichtliche Urteil eingelegte Berufung nahm der Kläger wegen\nAussichtslosigkeit schließlich zurück. Nach dem Kostenfestsetzungsbeschluss\ndes Landgerichts ... (Anlage K6 - Bl. 8 d.A.) musste der Kläger dem ...\nweitere 6.447,17 € erstatten und die Kostenrechnung des Landgerichts ...\n(Anlage K7 - Bl. 33 d.A.) i.H.v. 885,40 € begleichen. Seinen mit der\nvorliegenden Klage geltend gemachten Gesamtschaden beziffert der Kläger auf\ninsgesamt 22.146,50 €.\n\n \n\n6\n\n \n\nMit Schreiben vom 27.12.2006 forderte der Kläger den Beklagten unter\nFristsetzung zum 29.12.2006 - im Ergebnis erfolglos - auf, seine Ersatzpflicht\nin Höhe dieser 22.146,50 € anzuerkennen. Dabei berief sich der Kläger auf die\nAusführungen des Sachverständigen Prof. ... in dessen Gutachten vom 24.11.2003\nund Ergänzungsgutachten vom 05.02.2004, die das Landgericht ... in dem\nRechtsstreit zwischen dem Kläger und Herrn ... eingeholt hatte und wegen deren\nEinzelheiten hier auf die Anlagen K1 und K2 (Bl. 10-15 d.A.) Bezug genommen\nwird.\n\n \n\n7\n\n \n\nDer Kläger behauptet unter Rekurs auf o.g. Gutachten des Prof...., das\nÜberbein bzw. eine dieses nach sich ziehende Verletzung in Form einer\ndruckdolenten Schwellung am linken Vorderbein des Pferdes mit vermehrter Wärme\nhabe zwingend bereits am 04.12.2002 und damit im Zeitpunkt der\nKaufuntersuchung vorgelegen und sei für den Beklagten im Rahmen der\nKaufuntersuchung palpierbar gewesen. Bei einer entsprechend sorgfältigen\nAdspektion und Palpation der Gliedmaßen des Tieres wäre das Überbein zwingend\nzu ertasten, zu ersehen und im Untersuchungsprotokoll zu dokumentieren\ngewesen.\n\n \n\n8\n\n \n\nDer Kläger ist der Ansicht,\n\n9\n\n \n\nder Beklagte hafte für seine fehlerhafte Begutachtung wegen Pflichtverletzung\nim Rahmen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. An dieser\nHaftung ändere auch die Tatsache nichts, dass der Beklagte nach außen nur\neinen Auftraggeber hatte.\n\n \n\n10\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n \n\n11\n\n \n\n1\\. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 22.146,50 € nebst Zinsen\ni.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen;\n\n12\n\n \n\n2\\. den Beklagten weiter zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Kosten\ni.H.v. 540,44 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu\nzahlen.\n\n \n\n13\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n \n\n14\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n15\n\n \n\nDer Beklagte bestreitet, dass am 04.12.2002 ein ertastbares Überbein oder auch\nnur eine ertastbare druckdolente Schwellung am linken Vorderbein des Pferdes\nvorgelegen habe. Er macht geltend, die Verletzung des linken Vorderbeines des\nPferdes könne auch in der Zeit zwischen seiner Untersuchung am 04.12.2002 und\nder Untersuchung am 24.12.2002 (...) eingetreten sein. Wenn die bei den\nUntersuchungen am 24. und 27.12.2002 festgestellten Befunde schon am\n04.12.2002 vorgelegen hätten, wären diese im Rahmen der Adspektion und\nPalpation sowie bei den Lahmheitsuntersuchungen und Provokationsproben sowohl\nihm - dem Beklagten - als auch schon tags zuvor dem Käufer ... zwingend\naufgefallen.\n\n \n\n16\n\n \n\nFerner erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung. Der Kläger habe im\nRahmen eines Telefonats mit dem Pferdekäufer ... am 26.12.2002 bzw. durch\ndessen Schreiben vom 27.12.2002 Kenntnis von sämtlichen Tatsachen erhalten,\ndie ggf. einen Anspruch gegen den Beklagten zu rechtfertigen vermocht hätten.\nWegen der weitergehenden Einzelheiten des diesbezüglichen Vorbringens wird auf\nSeite 2-3 des Schriftsatzes vom 26.01.2007 (Bl. 42/43 d.A.) verwiesen.\n\n \n\n17\n\n \n\nEs ist Beweis erhoben worden durch Einholung eines Gutachtens des\nSachverständigen Dr. ..., der zusätzlich in der mündlichen Verhandlung vom\n17.09.2008 zum Zwecke der Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens vom\n26.11.2007 angehört worden ist.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n18\n\n \n\nDie zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.\n\n \n\n \n\nI.\n\n19\n\n \n\nDem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 22.146,50 €\nunter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.\n\n \n\n20\n\n \n\nDer Zahlungsanspruch ergibt sich weder als werkvertragsrechtlicher\nSchadensersatzanspruch wegen mangelhafter Gutachtenerstellung im Rahmen eines\ndirekten Vertragsverhältnisses zwischen Kläger und Beklagtem (§§ 634 Nr. 4,\n280 I BGB) noch kommt er vorliegend unter dem Gesichtspunkt einer\nPflichtverletzung i.S.v. § 280 I BGB im Rahmen eines Vertrages mit\nSchutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht. Die Voraussetzungen beider\nAnspruchsgrundlagen liegen nicht vor.\n\n \n\n21\n\n \n\n1\\. Ein Mängelgewährleistungsansprüche begründendes eigenes werkvertragliches\nVerhältnis zwischen Kläger und Beklagtem besteht nicht. Die sachverständige\nBegutachtung im Rahmen der Ankaufsuntersuchung erfolgte unstreitig im Auftrag\ndes Käufers .... Schon aus diesem Grund scheiden Sekundäransprüche i.S.v. §\n634 BGB wegen Erstellung eines mangelhaften Gutachtens aus.\n\n \n\n22\n\n \n\n2\\. Der Beklagte haftet auch nicht wegen einer Pflichtverletzung im Rahmen\neines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Die Grundsätze des\nVertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter finden auf den vorliegenden Fall\nschon keine Anwendung.\n\n \n\n23\n\n \n\nLediglich der Fall der Kaufuntersuchung - bei welcher der Begutachtungsauftrag\nan den Tierarzt primär im Interesse des Verkäufers und gerade durch diesen\nerteilt wird - weist anerkanntermaßen die Besonderheit auf, dass dieser\nWerkvertrag zwischen Verkäufer und Tierarzt auch Rechtswirkungen gegenüber den\npotentiellen Käufern des untersuchten Tieres entfaltet, welchen mit der\nKaufuntersuchung eine solide Grundlage für ihre Kaufentscheidung an die Hand\ngegeben werden soll (vgl. E. Graf von Westphalen, VersR 2005, 1055 m.w.N.).\nAnders ist dies jedoch bei der hiervon - auch terminologisch - abzugrenzenden\nAnkaufsuntersuchung. In diesen Fällen, in denen die Untersuchung nicht den\nVerkäuferinteressen dient, tritt - wie hier - der Käufer als Auftraggeber der\nBegutachtung auf und erhält bei mangelhafter Erstellung des Gutachtens einen\ndirekten werkvertraglichen Anspruch gegen den untersuchenden Tierarzt (vgl. E.\nGraf von Westphalen, VersR 2005, 1055). Ein erkennbares Interesse des\nWerkvertragsgläubigers an der Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich\ndes Gutachtenvertrages - wie es Voraussetzung eines Vertrages mit\nSchutzwirkung Dritter ist - ist im Falle der Ankaufsuntersuchung gerade nicht\ngegeben. Vielmehr geht das Interesse des Käufers und Auftraggebers des\nGutachtens allein dahin, sich ein von den Verkäuferaussagen unabhängiges Bild\nüber den Zustand des Kaufobjekts zu schaffen. Zu diesem Zwecke bedient er sich\neines Dritten, nämlich eines sachverständigen Tierarztes, auf dessen\nverlässliche und fachkundige Bekundungen er seine Kaufentscheidung mit dem\nVorteil stützen will, im Falle der fehlerhaften Begutachtung einen weiteren\nHaftungsadressaten für etwaige Schadensersatzansprüche wegen des Kaufes eines\nmangelhaften Tieres zu haben.\n\n \n\n24\n\n \n\nNach alledem mangelt es im vorliegenden Fall an einer anspruchsbegründenden\nEinbeziehung des Klägers in den Schutzbereich des Gutachtenvertrages: der\nBeklagte hatte eine Ankaufuntersuchung allein im Auftrag des Pferdekäufers ...\nvorzunehmen. In dessen Interesse erfolgte die Untersuchung; er als Käufer des\nTieres sollte das Recht bekommen, im Falle des negativen Ausgangs der\nUntersuchung von dem Kauf Abstand zu nehmen. Er bestand trotz des\nvorangegangenen ausführlichen Proberitts auf einer solchen klinischen und\nröntgenologischen Standarduntersuchung durch den Beklagten. Ohne dieses\nVerlangen nach Begutachtung hätte eine Begutachtung des Pferdes durch einen\nDritten gar nicht stattgefunden.\n\n \n\n25\n\n \n\n3\\. Der geltend gemachte Anspruch besteht aber auch in Ermangelung einer\nnachgewiesenen Pflichtverletzung des Beklagten nicht.\n\n \n\n26\n\n \n\nDer Kläger hat den ihm obliegenden Beweis, dass der Beklagte die\nAnkaufuntersuchung mangelhaft durchgeführt und eine im Begutachtungszeitpunkt\nvorhandene druckdolente Schwellung nebst knöcherner Verdickung (Überbein)\npflichtwidrig nicht palpiert hat, nicht geführt. Auch nach der durchgeführten\nBeweisaufnahme steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest (§ 286 I ZPO),\ndass am 04.12.2002, dem Tag der Ankaufuntersuchung, bereits eine grundsätzlich\nsicht- oder ertastbare Verletzung des linken Vorderbeines des Pferdes ...\nexistiert hat.\n\n \n\n27\n\n \n\nDas Gutachten des Sachverständigen Dr. ... stützt die klägerische Behauptung\neiner nicht sorgsamen palpatorischen und visuellen Untersuchung durch den\nBeklagten nicht. Der Sachverständige vermag selbst nicht zu dem Schluss zu\nkommen, dass die am 27.12.2002 in der Pferdeklinik festgestellte Verletzung\ndes linken Vorderbeines des ... zwingend schon im Zeitpunkt der\nAnkaufuntersuchung am 04.12.2002 vorgelegen haben muss.\n\n28\n\n \n\nAnschaulich, in sich schlüssig und nachvollziehbar hat der Sachverständige ...\ninsoweit in seinem schriftlichen Gutachten und dessen mündlicher Erläuterung\nim Termin vom 17.09.2008 zum Ausdruck gebracht, es lasse sich nicht\nausschließen, dass sich das für die Entzündung, Schwellung und das Überbein\nursächliche Trauma erst nach der Ankaufsuntersuchung ereignet hat. Aus dem\nAusmaß der am 27.12.2002 röntgenologisch sichtbaren Knochenveränderungen\nverlässliche Rückschlüsse auf den Zeitpunkt des Traumas und den Zustand des\nBeines am 04.12.2002 zu ziehen, sei nicht möglich. Bei traumatisch bedingter\nKnochenentzündung ließen die Längen- und Breitenausdehnung keinen Rückschluss\nauf das Alter der knöchernen Zubildung oder ihre weitere Entwicklung zu; erste\nperiostale Reaktionen könnten sich bereits innerhalb von fünf Tagen nach dem\nTrauma entwickeln. Insoweit könne nicht ausgeschlossen werde, dass sich das\nursächliche Trauma erst um den 20.12.2002 ereignet habe. Die am 27.12.2002\nfestgestellten, röntgenologisch sichtbaren Veränderung seien als geringgradig\neinzustufen und könnten sich auch im Zeitraum nach dem 04.12.2002 entwickelt\nhaben.\n\n \n\n29\n\n \n\nDas Gericht hat keinerlei Bedenken an der Sachkunde des Sachverständige Dr.\n... und erachtet dessen Gutachten auch nicht etwa als ungenügend (§ 412 ZPO).\nAnlass für Zweifel an der Sachkunde des Dr. ... hat das Gericht insbesondere\nauch nicht vor dem Hintergrund, dass dieser von den Einschätzungen des\nSachverständigen Prof. ... in dessen schriftlichen Gutachten (Anlage K1 u. K2)\nabweicht. Sofern Prof. ... aufgrund der Röntgenaufnahmen vom 27.12.2002 in\nseinem Ergänzungsgutachten zu dem Schluss kommt, das zugrundeliegende Trauma\nmüsse bereits länger als einen Monat her sein (Seite 2 des Gutachtens vom\n05.02.2004), hat der Sachverständige Dr. ... insbesondere im Rahmen seiner\nAnhörung plausibel erläutert, warum er derartige rein hypothetische\nFeststellungen zu dem zurückliegenden Trauma nicht treffen und die\nEinschätzungen des Prof. ... nicht teilen könne: Rückdatierungen, wie sie der\nSachverständige Prof. ... vorgenommen habe, könne man nämlich allein aufgrund\nder Röntgenbilder einfach nicht treffen. Aus seiner Erfahrung könne er - Dr.\n... - sagen, dass es etwa zwei Tage dauere, bis eine Entzündung eintrete;\nerste periostale Reaktionen könnten sich innerhalb von fünf Tagen entwickeln.\nEine Überbeinbildung verlaufe aber nicht nach Regeln, man könne insoweit keine\nNormen ansetzen; die periostalen Reaktionen zeigten sogar bei ein- und\ndemselben Pferd unterschiedliche Verlaufstendenzen. Im Übrigen konstatiert\nauch Prof. ..., dass die Frage, ob das Griffelbein am 04.12.2002 bereits\nansatzweise vorhanden war, nicht zu beantworten ist; aufgrund des Verlaufs\n(starkes Wachstum des Überbeines ab dem 27.12.) hält Prof. ... es auch nur für\ndenkbar, dass in den vorangegangenen Wochen eine Druckdolenz mit vermehrter\nWärme palpierbar gewesen wäre (Seite 3 des Gutachtens vom 24.11.2003).\nSchließlich führt auch Prof. ... aus, dass erste periostale Zubildungen im\nRöntgenbild zwischen 14 und 20 Tagen nach Trauma bilden (Seite 2 des\nGutachtens vom 05.02.2004). Dies führt ihn zu der Einschätzung, die auf den\nRöntgenbildern vom 27.12.2002 erkennbaren Veränderungen hätten ihren Ursprung\nin einem Trauma, das länger als einen Monat zurückliege (Seite 2 des\nGutachtens vom 05.02.2004). Dass diese Vermutung aber gerade keinesfalls\nzwingend und zweifelsfrei den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen muss,\nhat der Sachverständige Dr. ... entsprechend den obigen Ausführungen schlüssig\naufzuzeigen vermocht. Zutreffend hat er im Übrigen auf den - der\nAnkaufuntersuchung nachfolgenden - Transport des Tieres in die Schweiz\nhingewiesen, bei dem die Gefahr für den Eintritt der streitgegenständlichen\nVerletzungen durch ein Anschlagen deutlich erhöht sei. Schließlich hat der\nSachverständige nachvollziehbar erläutert, dass eine traumatische Entzündung\ndes Pferdebeines am 03.12.2002 zu sichtbaren Bewegungsstörung des Tieres\ngeführt hätte, die insbesondere auch der Reiter (...) hätte bemerken müssen.\nAuch dies spricht gegen die Annahme, einen Tag später bei der\nAnkaufuntersuchung hätten Verletzungen des ... vorgelegen, die der Beklagte\nhätte palpieren müssen.\n\n \n\n30\n\n \n\n4\\. Da der geltend gemachte Anspruch somit zu keinem Zeitpunkt bestanden hat,\nerübrigen sich Ausführungen zur Frage der Verjährung.\n\n \n\n \n\nII.\n\n31\n\n \n\nMangels Begründetheit der Hauptforderung erweisen sich die Nebenforderungen -\nZinsen und außergerichtliche nicht anrechenbare Rechtsanwaltskosten -\nzwangsläufig als unbegründet.\n\n \n\n \n\nIII.\n\n32\n\n \n\nDie prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 709 ZPO.\n\n \n\n |
105,365 | lagmv-2008-04-22-1-sa-21907 | 476 | Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern | lagmv | Mecklenburg-Vorpommern | Arbeitsgerichtsbarkeit | 1 Sa 219/07 | 2008-04-22 | 2018-11-24 10:30:18 | 2019-02-26 18:31:41 | Urteil | #### Tenor\n\n \n\n1\\. Die Berufung wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.\n\n \n\n2\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten um Urlaubsabgeltung.\n\n2\n\n \n\nDie Klägerin ist seit November 1995 bei der Beklagten als Altenpflegerin\nbeschäftigt. Gemäß § 2 des zwischen den Parteien geschlossenen\nArbeitsvertrages findet die Arbeitsvertragsrichtlinie des Diakonischen Werkes\nder Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung\nauf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. In den AVR heißt es\nauszugsweise:\n\n3\n\n \n\n"§ 28 Abs. 7:\n\n4\n\n \n\nDer Urlaub ist spätestens bis zum Ende des Urlaubsjahres anzutreten. Kann der\nUrlaub bis zum Ende des Urlaubsjahres nicht angetreten werden, ist er bis zum\n30. April des folgenden Urlaubsjahres anzutreten. Kann der Urlaub aus\ndienstlichen oder betrieblichen Gründen oder wegen Dienstunfähigkeit nicht bis\nzum 30. April angetreten werden, ist er bis zum 30. Juni anzutreten.\n\n \n\n...\n\n5\n\n \n\nUrlaub, der nicht innerhalb der genannten Fristen angetreten ist, verfällt.\n\n6\n\n \n\n§ 28 c Abs. 1:\n\n7\n\n \n\nIst im Zeitpunkt der Kündigung des Dienstverhältnisses der Urlaubsanspruch\nnoch nicht erfüllt, soll der Urlaub, soweit dies dienstlich oder betrieblich\nmöglich ist, während der Kündigungsfrist gewährt und genommen werden. Soweit\nder Urlaub nicht gewährt werden kann oder die Kündigungsfrist nicht ausreicht,\nist der Urlaub abzugelten. Entsprechendes gilt, wenn das Dienstverhältnis ...\nnach § 35 Abs. 1 Unterabsatz 3 zum Ruhen kommt.\n\n \n\n§ 35\n\n8\n\n \n\nBeendigung des Dienstverhältnisses wegen verminderter Erwerbsfähigkeit\n\n9\n\n \n\n(1) Die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter hat die Dienstgeberin bzw.\nDienstgeber unverzüglich von der Zustellung des Rentenbescheides zu\nunterrichten.\n\n10\n\n \n\nDas Dienstverhältnis endet, wenn der Rentenbescheid eines\nRentenversicherungsträgers die volle Erwerbsminderung feststellt.\n\n11\n\n \n\nSetzt der Rentenbescheid eine befristete Rente fest, ruht das Dienstverhältnis\nso lange, wie die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter die befristete Rente\nbezieht, längstens jedoch bis zum Ablauf des Tages, an dem das\nDienstverhältnis endet.\n\n \n\n...\n\n12\n\n \n\n(3) Das Dienstverhältnis endet mit Ablauf des Monats, in dem der\nRentenbescheid zugestellt wird.\n\n13\n\n \n\nBeginnt die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erst nach der Zustellung\ndes Rentenbescheides, endet das Dienstverhältnis mit Ablauf des dem\nRentenbeginn vorangegangenen Tages.\n\n14\n\n \n\nBei Gewährung einer Rente auf Zeit ruht das Dienstverhältnis von dem Tage an,\nder auf den nach Unterabsatz 1 maßgeblichen Zeitpunkt folgt. Beginnt die Rente\nauf Zeit erst nach der Zustellung des Rentenbescheides, ruht das\nDienstverhältnis von dem Tag des Rentenbeginns an."\n\n15\n\n \n\nDie Klägerin war ab dem 8. Oktober 2004 durchgehend bis zur Aussteuerung bei\nder Krankenversicherung im April 2006 arbeitsunfähig erkrankt. Auch für die\nZeit nach der Aussteuerung gehen beide Parteien davon aus, dass eine\nArbeitsfähigkeit der Klägerin nicht vorgelegen hat. Auf ihren Antrag vom\n15.06.2005 wurde der Klägerin mit Bescheid vom 22.06.2006 rückwirkend ab dem\n01.06.2005 befristet bis zum 31.05.2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung\nbewilligt.\n\n16\n\n \n\nAußergerichtlich hat die Klägerin im November 2005, März 2006 sowie mit\nanwaltlichem Schreiben vom 30.06.2006 ihre Ansprüche auf Urlaubsabgeltung für\neinen Resturlaub 2004 und den gesamten Urlaub 2005 geltend gemacht.\n\n17\n\n \n\nMit der am 27.12.2006 beim Arbeitsgericht Schwerin eingegangenen Klage fordert\ndie Klägerin Urlaubsabgeltung für insgesamt 43 Tage, wobei 13 Tage auf das\nJahr 2004 und 30 Tage auf das Jahr 2005 entfallen.\n\n18\n\n \n\nDas Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14.06.2007 abgewiesen. Wegen\nder weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht\nwird auf dieses Urteil Bezug genommen.\n\n19\n\n \n\nDas Urteil ist der Klägerin am 31.07.2007 zugestellt worden. Die hiergegen\ngerichtete Berufung vom 30.08.2007 ist per Fax noch am selben Tag beim\nLandesarbeitsgericht eingegangen. Sie ist mit Schriftsatz vom 28.09.2007,\nGerichtseingang per Fax am 28.09.2007, begründet worden.\n\n20\n\n \n\nDie Klägerin verfolgt im Berufungsrechtszug ihr ursprüngliches Begehren im\nvollen Umfang weiter.\n\n21\n\n \n\nSie vertritt die Auffassung, gemäß § 28 c AVR stehe ihr Urlaubsabgeltung zu.\nDie vorgenannte Regelung enthalte eine Abweichung vom Bundesurlaubsgesetz. Die\nausdrückliche Aufnahme des Punktes "Ausscheiden durch verminderte\nErwerbsfähigkeit" in § 28 c AVR wäre sinnlos und würde ins Leere laufen, wenn\nman die Regelung nicht so auslegen würde, dass Abgeltungsansprüche trotz\nDienstunfähigkeit bestünden.\n\n22\n\n \n\nAußerdem habe die Beklagte mit außergerichtlichem Schreiben vom 18.06.2007\nselbst das Bestehen von Urlaubsansprüchen bestätigt (wegen der Einzelheiten\nwird auf Blatt 161 d. A. Bezug genommen).\n\n23\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n24\n\n \n\nunter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen,\nan die Klägerin 3.802,49 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten\nüber dem Basiszinssatz seit dem 13.07.2006 zu zahlen.\n\n25\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n26\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n27\n\n \n\nDie Beklagte leugnet den erhobenen Abgeltungsanspruch. Sie verweist darauf,\ndass die Klägerin infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ab dem\n08.10.2004 nicht in der Lage gewesen sei, ihren Urlaub anzutreten. Da die\nKlägerin nicht in der Lage gewesen sei, den Urlaub anzutreten, könne es auch\nkeinen Urlaubsabgeltungsanspruch geben.\n\n28\n\n \n\nAus § 28 c AVR ergebe sich nichts anderes, denn auch diese Vorschrift setze\nfür die Urlaubsabgeltung voraus, dass der Urlaub bei Fortsetzung des\nArbeitsverhältnisses noch hätte gewährt werden können.\n\n29\n\n \n\nDem Schreiben der Beklagten vom 18.06.2007 könne keine rechtliche Bedeutung\nbeigemessen werden, insbesondere habe die Beklagte darin kein\nLeistungsversprechen abgegeben. Das sei zudem mit ergänzendem Schreiben vom\n21.06.2007 (Blatt 174 d. A., es wird Bezug genommen) der Klägerin gegenüber\nklargestellt worden.\n\n30\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze nebst\nAnlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n31\n\n \n\nDie Berufung ist nicht begründet. Der klägerische Anspruch lässt sich weder\nauf das Bundesurlaubsgesetz noch auf davon abweichende Regelungen in der\nArbeitsvertragsrichtlinie (AVR) stützen.\n\n32\n\n \n\n1\\. Der klägerische Anspruch lässt sich nicht auf § 7 Abs. 4\nBundesurlaubsgesetz stützen. Nach der genannten Vorschrift ist ein nicht\nerfüllter Urlaubsanspruch abzugelten, wenn dieser wegen Beendigung des\nArbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Diese\nVoraussetzung ist hier nicht erfüllt.\n\n33\n\n \n\nNach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes wird Urlaub\ndadurch gewährt, dass der Arbeitnehmer zum Zwecke der Erholung von einer\nansonsten bestehenden Arbeitspflicht befreit wird. Urlaub kann also nur\ngewährt werden, wenn ansonsten eine Arbeitspflicht des Arbeitnehmers bestehen\nwürde. Besteht die Arbeitspflicht aus anderen Gründen nicht, etwa - wie hier -\nwegen Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin, ist die Urlaubsgewährung aus\nRechtsgründen unmöglich. Ist die Urlaubsgewährung sowohl während des laufenden\nKalenderjahres als auch während des Übertragungszeitraumes im Folgejahr nicht\nmöglich, da im gesamten Zeitraum keine Arbeitspflicht besteht, verfällt der\nUrlaubsanspruch ersatzlos. Insoweit kommt auch eine Abgeltung nicht in\nBetracht.\n\n34\n\n \n\nDer Abgeltung unterliegen demnach nur diejenigen noch nicht erfüllten\nUrlaubsansprüche, die noch nicht untergegangen sind. Auch diese sind nach der\nRechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes allerdings nur dann abzugelten, wenn\nbei einer fiktiven Betrachtung bei einer unterstellten Fortsetzung des\nArbeitsverhältnisses der dem Abgeltungsanspruch zu Grunde liegende eigentliche\nUrlaubsanspruch noch im laufenden Kalenderjahr oder wenigstens während des\nÜbertragungszeitraums im Folgejahr hätte in natura gewährt werden können.\nDaher setzt auch der Abgeltungsanspruch voraus, dass im Arbeitsverhältnis bei\neiner unterstellten Fortsetzung desselben eine Arbeitspflicht des\nArbeitnehmers bestanden hätte.\n\n35\n\n \n\nNach diesen Grundsätzen steht der Klägerin nach § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz\nkein Abgeltungsanspruch zu.\n\n36\n\n \n\nStellt man darauf ab, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien noch fortbesteht\nund lediglich die beiderseitigen Hauptpflichten derzeit ruhen, käme eine\nAbgeltung ohnehin nicht in Betracht. Aber selbst dann, wenn man den\nderzeitigen Zustand des wegen des Rentenbezuges ruhenden Arbeitsverhältnisses\neiner Beendigung desselben gleichstellt, ergibt sich kein Abgeltungsanspruch,\nda zum Zeitpunkt des Eintritts des Ruhens des Arbeitsverhältnisses die von der\nKlägerin hier gerichtlich geltend gemachten Urlaubsansprüche aus den Jahren\n2004 und 2005 bereits verfallen waren. Zwischen den Parteien ist unstreitig,\ndass der Resturlaubsanspruch 2004 sowie der gesamte Urlaubsanspruch 2005\nwährend des Jahres 2005 wegen der durchgehenden Arbeitsunfähigkeit der\nKlägerin nicht gewährt werden konnte. Nach § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz muss\nein nicht genommener Urlaub in den ersten drei Monaten des Folgejahres\ngenommen werden. Da die Klägerin auch während der ersten drei Monate des\nJahres 2006 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war, konnte der Arbeitgeber\nauch im Übertragungszeitraum keinen Urlaub gewähren. Nach der gesetzlichen\nRegelung ist der hier geltend gemachte Urlaubsanspruch der Klägerin daher mit\nAblauf des 31.03.2006 verfallen. Daher standen diese untergegangenen\nUrlaubsansprüche bei Eintritt des Ruhens des Arbeitsverhältnisses nicht mehr\nzur Abgeltung an.\n\n37\n\n \n\nDieses Ergebnis gilt unabhängig davon, ob und gegebenenfalls zu welchem\nZeitpunkt die Klägerin die Gewährung von Urlaub oder die Abgeltung des nicht\ngewährten Urlaubes außergerichtlich verlangt hat. Diese Frage spielt\nallenfalls dann eine Rolle, wenn dem Arbeitgeber die Gewährung von Urlaub\nobjektiv möglich gewesen wäre, er sie dennoch unterlassen hätte.\n\n38\n\n \n\n2\\. Auch unter Einbeziehung der besonderen Regelungen in der AVR ergibt sich\nim Ergebnis nichts anderes.\n\n39\n\n \n\nAus § 28 c Abs. 1 AVR ergibt sich kein anderer Begriff der Urlaubsabgeltung\nals der im Bundesurlaubsgesetz.\n\n40\n\n \n\nIn Satz 1 der vorgenannten Vorschrift wird lediglich nochmals der Sinngehalt\nvon § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz wiederholt. Im Anschluss daran heißt es,\nentsprechendes gelte, wenn das Arbeitsverhältnis nach § 35 Abs. 1 Unterabsatz\n3 AVR wegen eines befristeten Rentenbezuges ruhe. Aus dem Sinnzusammenhang\nergibt sich, dass mit der Wendung "entsprechendes" lediglich gemeint ist, dass\nder Zustand des ruhenden Arbeitsverhältnisses während des Rentenbezuges der\nBeendigung des Arbeitsverhältnisses gleichgestellt werden soll. Daraus ergibt\nsich, dass der Arbeitnehmerin, deren Arbeitsverhältnis wegen befristetem\nRentenbezug ruht, dann einen Urlaubsabgeltungsanspruch haben soll, wenn sie\neinen Urlaubsabgeltungsanspruch hätte, wenn das Arbeitsverhältnis zu diesem\nZeitpunkt beendet worden wäre.\n\n41\n\n \n\nIn diesem Sinne steht der Klägerin auch nach § 28 c Abs. 1 AVR ein\nUrlaubsabgeltungsanspruch nicht zu, denn ihr hätte selbst dann, wenn das\nArbeitsverhältnis zu dem entsprechenden Zeitpunkt geendet hätte, kein\nUrlaubsabgeltungsanspruch zugestanden.\n\n42\n\n \n\nDa der Klägerin vorliegend durch den Rentenbescheid aus Juni 2006 rückwirkend\nab Juni 2005 Rente befristet bewilligt wurde, ruhte das Arbeitsverhältnis der\nParteien ab dem 1. Juli 2006 (§ 35 Abs. 3 AVR). Zu diesem Zeitpunkt waren die\nUrlaubsansprüche der Klägerin aus den Kalenderjahren 2004 und 2005 allerdings\nbereits verfallen. Nach § 28 Abs. 7 AVR gibt es bei Arbeitsunfähigkeit des\nArbeitnehmers zwar einen erweiterten Übertragungszeitraum bis zum 30.06. des\nFolgejahres. Da das Arbeitsverhältnis erst seit dem 01.07.2006 ruht, waren\njedoch zu diesem Zeitpunkt auch die geltend gemachten Urlaubsansprüche aus dem\nJahre 2005 bereits verfallen.\n\n43\n\n \n\nDa die Klägerin unstreitig während des gesamten Juni 2006 und auch in den\nFolgemonaten aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, ihrer\nArbeitspflicht nachzukommen, war es der Arbeitgeberin auch nicht möglich, die\nGewährung des Urlaubs so anzuordnen, dass wenigstens der erste Tag des\nUrlaubsantritts vor dem Tag des Verfalls der Ansprüche gelegt werden könnte.\n\n44\n\n \n\nDa die Urlaubsabgeltungsansprüche der Klägerin aus vorvergangenen Jahren\nbereits verfallen waren, kommt es nicht auf die Frage an, ob nach § 28 c AVR\nfür die Abgeltung noch nicht verfallener Urlaubsansprüche wie in der\nRechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zu § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz\nauf die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers bei unterstellter Fortsetzung des\nDienstverhältnisses abgestellt werden muss. Diese Frage könnte sich allenfalls\nhinsichtlich der Abgeltung möglicher Urlaubsansprüche aus dem Jahre 2006\nstellen, die hier allerdings nicht streitgegenständlich ist.\n\n45\n\n \n\n3\\. Das Schreiben der Beklagten vom 18.06.2007 scheidet als eigenständige\nAnspruchsgrundlage aus, denn es enthält lediglich eine Wissensmitteilung und\nist ohne rechtsgeschäftlichen Bindungswillen übermittelt worden.\n\n46\n\n \n\n4\\. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, da ihr\nRechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 ZPO).\n\n47\n\n \n\nZur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, da die möglicherweise noch\noffenen Auslegungsfragen zu § 28 c Abs. 1 AVR für die Entscheidung des\nGerichtes keine Rolle gespielt haben.\n\n |
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106,449 | olgsh-2007-02-16-4-u-15106 | 1,070 | Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht | olgsh | Schleswig-Holstein | Oberlandesgericht | 4 U 151/06 | 2007-02-16 | 2018-11-24 21:30:12 | 2019-02-26 19:12:54 | Urteil | ECLI:DE:OLGSH:2007:0216.4U151.06.0A | #### Tenor\n\n \n\nAuf die Berufung der Klägerin wird das am 8. September 2006 verkündete Urteil\ndes Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg zusammen mit\ndem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben und die Sache an das Landgericht\nzur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten\nzurückverwiesen.\n\n \n\n \n\nGerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.\n\n \n\n \n\nDie Beschwer beträgt für beide Parteien 21.698,43 €.\n\n#### Gründe\n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nDie Klägerin macht aus übergeleitetem Recht (§ 67 VVG) ihres\nVersicherungsnehmers (=…) Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte wegen\neines Wasserschadens vom 20.06.2003 in dem Reihenhaus A-Weg 14c in Flensburg\ngeltend.\n\n \n\n2\n\n \n\nNachdem Mitarbeiter der Beklagten (der Zeuge W. zusammen mit einem Lehrling)\nam 16.06.2003 in dem vorgenannten Reihenhaus Installationsarbeiten\ndurchgeführt hatten (Austausch von Ventilen und Thermostaten an allen\nHeizkörpern), wurde vier Tage später, nämlich am 20.06.03, ein erheblicher\nWasserschaden festgestellt. Die Hausbewohnerin, die Zeugin E (= frühere\nEhefrau des Hauseigentümers) war bereits am Morgen des 17.06.03 in Urlaub\ngefahren und hatte zuvor von dem Wasseraustritt nichts bemerkt. Auf den\nWasserschaden wurde erstmals die Nachbarin (Frau …) am Morgen des 20.06.03\naufmerksam, als in ihrer Wohnung schon das Wasser aus den Steckdosen lief. Es\nwurde festgestellt, dass Schadensquelle der im Spitzboden des Hauses\ninstallierte Heizkörper (im Wäsche- und Computerraum) war. Auf Veranlassung\ndes zuständigen Schadensregulierers der Klägerin, Herrn …, wurde der\nschadensursächliche Heizkörper durch Mitarbeiter der Beklagten demontiert. Der\nUmfang des von der Klägerin erteilten Untersuchungsauftrages (Feststellung der\nSchadensursache oder nur Durchführung einer Druckprobe?) ist zwischen den\nParteien streitig. Am 27.06.03 wurde in der Firma der Beklagten eine\nDruckprobe durchgeführt. Sie ergab, dass der Wasseraustritt „durch die\nUndichtigkeit am Gewindeanschluss der Entlüftungsschraube“ verursacht worden\nwar. Der Entlüftungsstutzen wurde anschließend durch Mitarbeiter der Beklagten\nentfernt und ein neuer eingesetzt. Die nunmehr durchgeführte Druckprobe ergab\nkeinen Druckverlust mehr. Der Heizkörper wurde bis zur Begutachtung durch den\nPrivatgutachter S am 14.08.03 in der Firma der Beklagten gelagert und\nanschließend wieder in das Objekt installiert (29.08.03).\n\n3\n\n \n\nDie Klägerin hatte als Gebäudeversicherer für die Schadensbeseitigung einen\nBetrag in Höhe von insgesamt 26.205,39 € aufzuwenden (inklusive Kosten für\nGebäudetrocknung, Fußbodentrockenbau und Malerarbeiten sowie vorübergehende\nAußenlagerung von Haushalt und Mietminderung). Davon macht sie unter\nBerücksichtigung eines Abzugs „Neu für Alt“ einen Betrag in Höhe von 21.698,43\n€ geltend. Die Haftpflichtversicherung der Beklagten (…) hatte bereits\nvorgerichtlich mit Schreiben vom 08.10.2004 eine Eintrittspflicht abgelehnt.\n\n \n\n4\n\n \n\nDie Klägerin hat behauptet, die Undichtigkeit an der Entlüftungsschraube des\nHeizkörpers sei auf die Installationsarbeiten der Beklagten zurückzuführen.\nMitarbeiter der Beklagten hätten nach dem Entlüften die Schraube nicht wieder\nordnungsgemäß zugedreht.\n\n \n\n5\n\n \n\nDas Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen E und W.\n\n6\n\n \n\nMit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen u.a. mit\nder Begründung, dass der Wasserschaden möglicherweise auch durch eine defekte\nHanfdichtung am Gewinde des Lüftungsstutzens entstanden sein könnte, für den\ndie Beklagte nicht verantwortlich sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird\nauf das Urteil einschließlich der darin enthaltenen Verweisungen Bezug\ngenommen.\n\n \n\n7\n\n \n\nDagegen richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der\nKlägerin.\n\n \n\n8\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n \n\n9\n\n \n\ndas angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an\ndas Landgericht zurückzuverweisen,\n\n \n\n10\n\n \n\nhilfsweise,\n\n \n\n11\n\n \n\nunter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Flensburg vom 08.09.06 die\nBeklagte zu verurteilen, an sie 21.698,43 € nebst 8 % Zinsen über dem\njeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.12.2004 sowie vorgerichtliche\nRechtsanwaltsgebühren in Höhe von 487,08 € zu zahlen.\n\n \n\n12\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n \n\n13\n\n \n\ndie Berufung der Klägerin zurückzuweisen.\n\n \n\n14\n\n \n\nWegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird\nauf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst aller Anlagen Bezug\ngenommen.\n\n \n\n**II.**\n\n15\n\n \n\nDie Berufung der Klägerin hat insoweit Erfolg, als das Urteil des Landgerichts\nund das zugrunde liegende Verfahren gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aufzuheben\nund an das Landgericht zurückzuverweisen sind. Denn das Verfahren des ersten\nRechtszuges leidet an einem wesentlichen Mangel, aufgrund dessen eine\numfangreiche Beweisaufnahme notwendig wäre. Das Landgericht hat bei seiner\nEntscheidung unter Verstoß gegen § 286 ZPO die Beweislast (= Nachweis einer\nPflichtverletzung gemäß § 280 BGB n.F.) verkannt und unter Verstoß gegen\nArtikel 103 Abs. 1 GG qualifizierten Parteivortrag (= Privatgutachten S vom\n18.08.2003; Bl. 34-38 GA) unberücksichtigt gelassen. Im Einzelnen:\n\n \n\n16\n\n \n\n1\\. Voraussetzung für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch nach §§\n280, 278, 823, 831 BGB ist der Nachweis einer Pflichtverletzung sowie der\nUrsächlichkeit für den eingetretenen Schaden. Grundsätzlich trägt nach § 280\nAbs. 1 BGB zwar der Gläubiger die Beweislast für die Pflichtverletzung sowie\nden Ursachenzusammenhang. Dies gilt jedoch ausnahmsweise dann nicht, wenn der\nSchaden den Umständen nach seine Ursache nur in der Sphäre des Schuldners\nhaben kann. Die Neuregelung des § 280 BGB n. F. ändert nichts an den von der\nRechtsprechung zu § 282 BGB a. F. entwickelten Grundsätzen, dass sich die\nBeweislastverteilung an den Verantwortungsbereichen von Schuldner und\nGläubiger zu orientieren hat (sogenannte Sphärentheorie). Wenn der Gläubiger\ndartut, dass die Schadensursache allein aus dem Verantwortungsbereich des\nSchuldners herrühren kann, kann ausnahmsweise von dem Schaden auf eine\nPflichtverletzung geschlossen werden (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl. §\n280 Rn. 237 mit Hinweis auf BGH ZIP 2000, 1110). Das ist hier der Fall.\nUnstreitig war der im Spitzboden installierte Heizkörper (geschätztes Alter\nzwischen 5-10 Jahre) vor Beginn der Installationsarbeiten dicht und unstreitig\nhaben Mitarbeiter der Beklagten am 16.06.2003 an der Entlüftungseinheit\n(entweder nur an der Vierkantentlüftungsschraube – wie die Beklagte behauptet\n– oder aber auch am Entlüftungsstutzen – was im Rahmen einer Beweisaufnahme\nnoch zu klären sein wird -) hantiert, um zunächst Wasser abzulassen.\nUnstreitig hat kein Dritter in dem Zeitraum zwischen Beendigung der\nInstallationsarbeiten (am 16.06.03) und Entdeckung des Wasserschadens (am\n20.06.03, 11:30 Uhr) an dem streitgegenständlichen Heizkörper auf dem\nSpitzboden gearbeitet. Der Senat konnte sich – durch Augenscheinseinnahme – im\nTermin vom 31.01.07 davon überzeugen, dass Vierkantentlüftungsschraube sowie\nEntlüftungsstutzen baulich eine Einheit bilden und lokal so eng miteinander\nverbunden sind, dass eine Differenzierung der Verantwortungsbereiche\n(Vierkantentlüftungsschraube im Verantwortungsbereich der Beklagten und\nEntlüftungsstutzen im Verantwortungsbereich des Hauseigentümers/Bestellers)\ninsoweit nicht sach- und interessengerecht ist. Auch der zeitliche\nZusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden ist nach Auffassung des\nSenats gegeben. Der Beweis der objektiven Pflichtwidrigkeit ist immer dann\nerbracht, wenn der Gläubiger „bei Abwicklung des Vertrages“ geschädigt worden\nist (BGH BauR 1985, 705; OLG Hamm NJW-RR 1989, 468). Der Umstand, dass der\nSchaden erstmals vier Tage nach Durchführung der Installationsarbeiten (am\n20.06.03) entdeckt wurde, ist insoweit unerheblich, als das unstreitig als\nWasseraustrittsquelle eine Undichtigkeit im Bereich der Entlüftungseinheit\n(Entlüftungsschraube/Entlüftungsstutzen) des Heizkörpers im obersten Stockwerk\nfeststeht, die Wohnung in der Zwischenzeit wegen Urlaubs der Zeugin L\nunbewohnt war und es physikalisch stets einige Zeit in Anspruch nimmt, bis\naufgrund einer relativ kleinen Leckage ein Wasserschaden in dem hier\nstreitgegenständlichen Ausmaß – auch für Hausnachbarn - offenkundig wird.\n\n \n\n17\n\n \n\nDie Annahme des Landgerichts, Ursache für den Schaden könne auch eine defekte\nbzw. überalterte Hanfdichtung am Entlüftungsstopfen sein, stellt nur eine\nreine Mutmaßung bzw. Spekulation ohne greifbare Anhaltspunkte dar. Dabei ist\nzu berücksichtigen, dass der von der Klägerin beauftragte Privatgutachter S\n(Heizung- und Lüftungsbaumeister) am 14.08.2003 die „Einhanfung“ des\nEntlüftungsstopfens überprüft hat: Im Ergebnis „ohne Befund“ (vgl. Bl. 40 GA).\n\n \n\n18\n\n \n\nEs ist deshalb zunächst Sache der Beklagten, darzulegen und zu beweisen, dass\nsie bzw. ihre Mitarbeiter die Installationsarbeiten am 16.06.2003\nordnungsgemäß durchgeführt haben, insbesondere die Entlüftungsschraube am\nobersten Heizkörper ordnungsgemäß verschlossen und am Entlüftungsstutzen nicht\nhantiert worden ist. Dazu müsste zunächst der Lehrling (nach den Erklärungen\ndes Geschäftsführers der Beklagten im Senatstermin ein „Lehrling im 3.\nLehrjahr“) als Zeuge benannt und zusammen mit dem Zeugen W gehört werden. Der\nZeuge W hat im Termin vom 24.07.06 (Bl. 86 GA) bekundet, dass beim Ablassen\ndes Wassers „ _die Verschraubung am Ventil geöffnet worden sei, um die Luft\nhereinzulassen_ “. Der Geschäftsführer der Beklagten hat zwar im Senatstermin\nerklärt, dass damit das „Thermostatventil“ gemeint gewesen sei, dies sollte\njedoch von dem Zeugen W klargestellt werden. Nur wenn nach dem Ergebnis der\nBeweisaufnahme eine Pflichtverletzung der Beklagten auszuschließen und bei\nlebensnaher Betrachtung eine ernstzunehmende anderweitige Schadensursache\n(z.B. Verschleiß, undichte Hanfabdichtung etc.) in Betracht kommt, wäre der\nAnspruch der Klägerin dem Grunde nach nicht gegeben.\n\n \n\n19\n\n \n\n2\\. Selbst wenn sich die Beklagte nach der Sphärentheorie entlasten könnte und\ndie Beweislast für Pflichtverletzung und Schadensursächlichkeit wieder bei der\nKlägerin liegen würden, wird das Landgericht zu erwägen haben, ob im Rahmen\nder Beweiswürdigung hier die Grundsätze der Beweisvereitelung (entsprechend\nder Regelungen der §§ 444, 427 ZPO) zum Tragen kommen. Die Beweisvereitelung\nsetzt ein missbilligenswertes Verhalten vor dem Prozess voraus, durch welches\ndie Beweiswürdigung unmöglich oder erschwert wird (Zöller-Greger, ZPO, 26.\nAufl. § 286 Rn. 14a). Neben der Beseitigung von Beweismitteln gehört dazu\nunter anderem auch die Beseitigung der von dem Sachverständigen auf ihre\nErheblichkeit zu untersuchenden Störquelle (Zöller a.a.O.).\n\n \n\n20\n\n \n\nHier ist zunächst streitig, welchen Umfang der Untersuchungsauftrag der\nKlägerin (Beweis durch Zeugnis des Schadenssachbearbeiters Herrn St.) vom\n26.06.2003 gehabt hat (Feststellung der Schadensursache oder nur Durchführung\neiner Druckprobe). Wenn die Firma der Beklagten lediglich mit der Durchführung\neiner Druckprobe beauftragt wurde, gab es keinen Grund, weshalb ihre\nMitarbeiter anschließend auch noch den Entlüftungsstopfen herausgedreht und\ndurch einen neuen ersetzt haben. Für den Privatgutachter S war es deshalb\nnicht mehr möglich, eigenständige Untersuchungen am Heizkörper im\nOriginaleinbauzustand vorzunehmen. Insbesondere ist dadurch auch der Nachweis,\ndass die Hanfabdichtung vor dem Ausbau des Entlüftungsstopfens ordnungsgemäß\ngewesen ist, unmöglich geworden. Ob darüber hinaus ein Defekt am\nGewindeanschluss des Entlüftungsstopfens vorlag, kann ebenfalls nicht mehr\nfestgestellt werden, weil die gesamte Entlüftungseinheit (Entlüftungsstopfen\nincl. Vierkantentlüftungsschraube) verschwunden ist (die Klägerin behauptet,\nder Sachverständige S habe die damals bereits ausgebaute Entlüftungseinheit\nnach dem Ortstermin vom 14.08.03 bei der Beklagten belassen, vgl. Bl. 180 GA;\ndie Beklagte behauptet hingegen, der Entlüftungsstopfen sei dem\nPrivatgutachter S mitgegeben worden, Bl. 171 GA).\n\n \n\n21\n\n \n\nSollte allerdings seinerzeit die Beklagte durch den Schadenssachbearbeiter\nStrecker mit der vollständigen Untersuchung der Schadensursache beauftragt\nworden sein, wird der Beklagten nicht angelastet werden können, die\nEntlüftungseinheit vor der Untersuchung durch den Privatgutachter S ausgebaut\nund durch eine neue ersetzt zu haben. Indiz für den Umfang des\nUntersuchungsauftrages könnte der Auftragszettel vom 27.06.2003 (Bl. 31 GA)\nsein, in dem es hinter dem Stichwort auszuführende Arbeiten heißt: „\n_Werkstatt: Heizkörper abgedrückt_ “.\n\n \n\n22\n\n \n\n3\\. Auch zur Schadenshöhe wäre gegebenenfalls Beweis zu erheben. Die Beklagte\nhat das Alter der Parkettbelege (nach den Behauptungen der Klägerin zwei Jahre\nvor dem Schadensereignis grundüberholt) sowie das Alter der Farbanstriche\n(Behauptung der Klägerin: zwei Jahre) bestritten. Ferner behauptet die\nBeklagte, dass die im Zuge der Schadensbeseitigung durchgeführten Parkett- und\nDämmungsarbeiten qualitativ besser und höherwertig gewesen seien, als der\nursprüngliche Bauzustand.\n\n \n\n23\n\n \n\nDie geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 487,08 €\ndürften – bei Vorliegen eines Haftungsgrundes – der Höhe nach gerechtfertigt\nsein. Die Klägerin hat vorgetragen, dass sie im Bereich Sachschaden über keine\neigene personelle oder sachliche Ausstattung verfüge und deshalb entsprechende\nRegressverfahren ausschließlich extern von ihren Wiesbadener Hausanwälten\nbearbeitet würden. Die Organisationsform eines Outsourcings hat der Schuldner\nhinzunehmen (BGH NJW 2005, 1454). Die Klägerin hat die Beklagte mit\nanwaltlichem Schreiben vom 22.09.2004 (Bl. 73 und 74 GA) vorgerichtlich in\nRegress genommen.\n\n \n\n24\n\n \n\nDas angefochtene Urteil ist nach alledem aufzuheben. Eine eigene\nSachentscheidung des Senats ist gemäß § 538 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf die\nweitere erforderliche Sachaufklärung sowie eine- in jedem Fall- notwendige\nBeweisaufnahme und wegen des Verlustes einer Tatsacheninstanz für die Parteien\n– trotz der bei Zurückverweisung entstehenden Mehrkosten – nicht sachdienlich.\n\n \n\n25\n\n \n\nÜber die Kosten des Berufungsverfahrens wird das Landgericht zu befinden\nhaben, soweit die Kosten nicht gemäß § 21 GKG in der Urteilsformel\nniedergeschlagen worden sind.\n\n \n\n26\n\n \n\nDurch dieses Urteil ist nur die Beklagte beschwert. Die Klägerin hat ihren\nZurückverweisungsantrag nach § 538 Abs. 2 Satz 1 ZPO als Hauptantrag gestellt.\nDie Beklagte ist wegen der Aufhebung des klagabweisenden Urteils des\nLandgerichts beschwert.\n\n \n\n27\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2\nZPO nicht vorliegen.\n\n \n\n |
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106,991 | ovgmv-2007-12-14-2-m-20707 | 484 | Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern | ovgmv | Mecklenburg-Vorpommern | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 2 M 207/07 | 2007-12-14 | 2018-11-25 07:30:05 | 2019-02-26 19:45:22 | Beschluss | #### Tenor\n\n \n\nAuf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des\nVerwaltungsgerichts Schwerin - 6. Kammer - vom 14. Dezember 2007 zu Ziff. 1\ngeändert.\n\n \n\nDem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt,\naufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen die Antragstellerin zu ergreifen, bzw.\nverpflichtet, bereits eingeleitete entsprechende Maßnahmen umgehend\naufzuheben.\n\n \n\nDer Antragsgegner trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.\n\n \n\nDer Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro\nfestgesetzt.\n\n#### Gründe\n\n1\n\n \n\nMit Beschluss vom 14. Dezember 2007 hat das Verwaltungsgericht den Antrag der\nAntragstellerin abgelehnt, dem Antragsgegner einstweilen zu untersagen, ihr\ngegenüber aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu ergreifen und ihm aufzugeben,\nbereits eingeleitete Maßnahmen umgehend aufzuheben.\n\n2\n\n \n\nDie hiergegen gerichtete Beschwerde vom gleichen Tag hat Erfolg. Die von der\nAntragstellerin dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist\n(vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen die Änderung des angefochtenen\nBeschlusses.\n\n3\n\n \n\nDie Antragstellerin hat nicht nur den auch vom Verwaltungsgericht gesehenen\nAnordnungsgrund, sondern auch einen Anordnungsanspruch i. S. des § 123 Abs. 1\nVwGO glaubhaft gemacht.\n\n4\n\n \n\nZwar dürfte ein Aufenthaltstitel namentlich auch nach § 25 Abs. 5 Sätze 1 und\n2 AufenthG bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage entgegen der\nBeschwerdebegründung ausscheiden. Nach dem in den Gründen des angefochtenen\nBeschlusses mitgeteilten Sachverhalt, dem in der Beschwerde nicht entgegen\ngetreten wird, scheidet eine Aufenthaltserlaubnis im Hinblick auf § 25 Abs. 5\nSätze 3 und 4 AufenthG wohl aus, wie das Verwaltungsgericht in seiner\nEntscheidung näher ausgeführt hat. Darauf geht die Beschwerdebegründung nicht\nein.\n\n5\n\n \n\nDie Antragstellerin hat aber einen Anspruch auf Duldung wegen rechtlicher\nUnmöglichkeit der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 AufenthG. Ihr Ehemann hält\nsich derzeit rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Nach den Feststellungen des\nVerwaltungsgerichts hat er - wenngleich unter falschem Namen - nach dem\nBescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 5.\nAugust 2003 zur Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG - von\nder Ausländerbehörde eine Aufenthaltsbefugnis erhalten. Am 14. September 2007\nbeantragte er nach den Gründen des angegriffenen Beschlusses die Verlängerung\nseiner (nunmehr) Aufenthaltserlaubnis, woraufhin ihm eine\nFiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG ausgestellt wurde. Danach gilt\nder bisherige Aufenthaltstitel - die Aufenthaltsbefugnis hat sich nach Maßgabe\ndes § 101 Abs. 2 AufenthG in eine Aufenthaltserlaubnis gewandelt - vom\nZeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde, die\noffenbar noch nicht getroffen wurde, als fortbestehend.\n\n6\n\n \n\nInsoweit weist die Beschwerde zu Recht auf die Bedeutung und Reichweite des\nArt. 6 Abs. 1 GG hin. Eine Abschiebung der Antragstellerin würde gegen dieses\nGrundrecht verstoßen. Von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffene, in\nehelicher Gemeinschaft lebende Ausländer können sich nicht nur dann auf Art. 6\nAbs. 1 GG berufen, wenn sie mit einem/einer Deutschen verheiratet sind; der\nSchutzbereich dieses Grundrechts ist vielmehr auch dann betroffen, wenn die\neheliche Gemeinschaft mit einem Ausländer besteht, dessen Aufenthalt aufgrund\neines Aufenthaltstitels berechtigt ist (vgl. OVG Magdeburg, Beschl. v. 13.\nJuli 2006 - 2 M 189/06 -, NVwZ-RR 2007, 351 unter Hinweis auf BVerfG, Beschl.\nv. 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 -, BVerfGE 76, 1; OVG Magdeburg, Beschl. v.\n22. Oktober 2003 - 2 M 497/03 -); hiervon geht auch das Verwaltungsgericht\naus, kommt sodann aber zu einer abweichenden Würdigung des Einzelfalls.\n\n7\n\n \n\nDer Grundrechtsschutz gilt aber selbst dann, wenn die eheliche\nLebensgemeinschaft auch im jeweiligen Heimatland hergestellt werden könnte.\nDer Ausländer ist im Hinblick darauf, dass sich sein ausländischer Ehepartner\naufgrund eines bestimmten aufenthaltsrechtlichen Titels rechtmäßig im\nBundesgebiet befindet, berechtigt, sein Recht auf eheliches Zusammenleben in\nräumlich ganz bestimmter Hinsicht, nämlich in der Bundesrepublik Deutschland,\nwahrzunehmen. Ein den Betroffenen auferlegter Zwang, für geraume Zeit eine\nräumliche Trennung von ihren Angehörigen hinzunehmen oder ein bestehendes\nAufenthaltsrecht endgültig aufzugeben und die Bundesrepublik Deutschland zu\nverlassen, ist hingegen geeignet, das Ehe- und Familienleben zu\nbeeinträchtigen und muss sich daher an Art. 6 Abs. 1 GG messen lassen.\nInsoweit kann nichts anderes gelten als in Fällen, in denen der Aufenthalt\neines deutschverheirateten Ausländers gegen den Willen der Eheleute durch\nAusweisung oder Nichtverlängerung einer Aufenthaltserlaubnis beendet oder von\nvornherein nicht ermöglicht wird (OVG Magdeburg, Beschl. v. 13. Juli 2006, a.\na. O., m. w. N.; enger dagegen wohl OVG Lüneburg, Beschl. v. 12. September\n2005 - 9 ME 311/05 -, zitiert aus juris, Rn. 6, wonach auch ein\nFamilienmitglied auf die Lebenshilfe des anderen angewiesen sein muss und sich\ndie Hilfe nur im Bundesgebiet erbringen lässt). Insofern liegen die Dinge\nanders als in den Fällen vorübergehender Trennung der ausländischen,\nvollziehbar ausreisepflichtigen Ehepartner durch getrennte Abschiebungen in\nihr Heimatland etwa nach erfolglosem Asylverfahren (vgl. VGH München, Beschl.\nv. 15. Oktober 2007 - 24 CE 07.2794 -, zitiert aus juris, Rn. 10 m.w.N.),\nwobei allerdings auch hier die voraussichtliche Dauer der vorübergehenden (!)\nTrennung eine entscheidende Rolle spielen dürfte.\n\n8\n\n \n\nDer Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der grundrechtliche besondere\nSchutz der Ehe Platz lässt für die Überlegung, ob dies bei erkennbar nur sehr\nkurzer Trennung der Eheleute, etwa für wenige Tage oder Wochen, anders zu\nbeurteilen sein könnte. Denn so liegen die Dinge hier nicht. Offenbar wurde\nerst vor wenigen Tagen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein\nWiderrufsverfahren nach § 73 AsylVfG hinsichtlich des gewährten\nAbschiebungsschutzes des Ehemanns der Antragstellerin nach § 51 Abs. 1 AuslG\nbzw. § 60 Abs. 1 AufenthG wegen des Verschweigens seiner wahren Identität\neingeleitet. In dem Schreiben des Bundesamts vom 12. Dezember 2007 an den\nAntragsgegner, wie es in den Gründen des angefochtenen Beschlusses\nwiedergegeben ist, wird aber zugleich mitgeteilt, dass dem Ehemann der\nAntragstellerin eine einmonatige Stellungnahmefrist eingeräumt worden ist.\nSelbst wenn danach zeitnah eine Widerrufsentscheidung erfolgen sollte, wird\nsich erfahrungsgemäß daran ein gerichtliches (Eil-) Verfahren anschließen.\nInsofern ist noch ungewiss, ob und wann der aufenthaltsrechtliche Status des\nEhemanns der Antragstellerin, aufgrund dessen er sich (noch) rechtmäßig in der\nBundesrepublik Deutschland aufhält, beendet wird und die Voraussetzungen für\nseine gegebenenfalls erforderliche Abschiebung vorliegen werden. Ebenso wenig\nträgt der Antragsgegner vor, die beantragte Verlängerung der\nAufenthaltserlaubnis alsbald ablehnen zu wollen.\n\n9\n\n \n\nEntscheidend für den Grundrechtsschutz des Art. 6 Abs. 1 GG und seine\nReichweite ist auch nicht, ob die Eheleute in der Vergangenheit über einen\nlängeren Zeitraum getrennt gelebt haben bzw. jeweils im Abstand von mehreren\nJahren in das Bundesgebiet eingereist sind, sondern ob sie seither bzw.\njedenfalls nunmehr wieder die eheliche Lebensgemeinschaft miteinander führen,\ninsbesondere zusammen leben. Ohne Belang ist auch, ob sich einer der Eheleute\njahrelang nicht durch Vorlage der Heiratsurkunde und damit Offenbarung seiner\nwahren Identität bzw. seines wahren Namens zum anderen Ehepartner bekannt hat,\nwie es das Verwaltungsgericht formuliert. Maßgeblich ist insoweit allein, dass\ndie beiden ausländischen Partner miteinander verheiratet sind und im\nBundesgebiet eine eheliche Lebensgemeinschaft führen, mag dies auch unter\nfalschem (Ehe-) Namen geschehen sein. Anhaltspunkte dafür, dass die\nAntragstellerin nicht mit Herrn G. alias S. verheiratet ist und im\nBundesgebiet mit ihm keine eheliche Lebensgemeinschaft führt, sind weder in\nder angegriffenen Entscheidung noch vom Antragsgegner in der\nBeschwerdeerwiderung dargetan.\n\n10\n\n \n\nÜberdies wäre die Abschiebung der Antragstellerin jedenfalls bis zum 18.\nDezember 2007 aber auch noch aus einem anderen Grund rechtswidrig gewesen. Es\nverstößt gegen die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG bzw. den\nrechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit, nach\neiner bereits mehrere Monate alten Abschiebungsankündigung gemäß §60a Abs.4\nSatz 4 AufenthG a. F. (hier: vom 20. August 2007) gegenüber einem sich bereits\nseit mehreren Jahren (hier: seit 2004) im Bundesgebiet aufhaltenden Ausländer\nnoch zwei Tage vor dem der Ausländerbehörde bekannten Abschiebetermin (15.\nDezember 2007) erneut eine auflösend bedingte Duldung ("erlischt am Tage der\nbenannten Ausreise") für wenige darüber hinausgehende Tage (hier: bis zum 18.\nDezember 2007) zu erteilen, ohne bei der Verlängerung der Duldung auf den\nkonkreten Abschiebetermin hinzuweisen, mithin den Tag der Ausreise zu\n"benennen". Auch unabhängig von einer damals noch erforderlichen\nAbschiebungsankündigung und der damit nach Ablauf eines Monats "jederzeit"\ndrohenden Abschiebung muss es einem sich seit längerem im Bundesgebiet\naufhaltenden Ausländer grundsätzlich ermöglicht werden, sich auch kurzfristig\n- vorliegend wären dafür sogar zwei Tage und damit grundsätzlich ausreichend\nZeit gewesen - auf die nunmehr unmittelbar bevorstehende Abschiebung\nvorzubereiten und nicht stattdessen jeden Tag (hier: seit etwa Ende September\n2007) auf "gepackten Koffern" zu sitzen und jederzeit bereit zu sein,\nabgeschoben zu werden.\n\n11\n\n \n\nEs ist für den Senat auch kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, warum der\nAntragsgegner nicht statt der (wohl Standard-)Formulierung der auflösenden\nBedingung am 13. Dezember 2007 eine Befristung der Duldung bis zum 14.\nDezember 2007 vorgenommen hat. Auch dann hätte für die Antragstellerin bereits\nhinreichend Anlass bestanden, sich auf die Abschiebung am 15. Dezember 2007\nvorzubereiten.\n\n12\n\n \n\nOb es Fälle geben mag, in denen die Ausländerbehörde den konkreten\nAbschiebungstermin dem betroffenen Ausländer "bis zuletzt" sozusagen als\nmilderes Mittel gegenüber der Abschiebungs(sicherungs)haft nach § 62 Abs. 2\nund 3 AufenthG verschweigen darf, etwa weil dieser sich bereits in der\nVergangenheit einer Abschiebung zum benannten Termin durch "Untertauchen"\nentzogen hat, muss der Senat nicht beurteilen. Dergleichen ist im Falle der\nAntragstellerin weder vorgetragen noch ersichtlich.\n\n13\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.\n\n14\n\n \n\nDie Entscheidung über den Streitwert beruht auf den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3\ndes Gerichtskostengesetzes.\n\n15\n\n \n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 68 Abs. 1\nSatz 5, 66 Abs. 3 Satz3 GKG.\n\n |
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109,700 | olgsh-2005-07-08-2-w-12505 | 1,070 | Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht | olgsh | Schleswig-Holstein | Oberlandesgericht | 2 W 125/05 | 2005-07-08 | 2018-11-26 09:52:49 | 2019-01-17 11:34:50 | Beschluss | ECLI:DE:OLGSH:2005:0708.2W125.05.0A | #### Tenor\n\n \n\nDer angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts Rendsburg vom 9.\nJuni 2005 werden geandert.\n\n \n\n \n\nDer Antrag der Beteiligten auf Verlangerung der Abschiebungshaft bis zum 15.\nJuli 2005 wird zuruckgewiesen.\n\n \n\n \n\nDie Bundesrepublik Deutschland tragt die zur zweckentsprechenden\nRechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen im Erst- und\nRechtsbeschwerdeverfahren nach einem Geschaftswert von 3.000,00 €.\n\n#### Grunde\n\n \n\nI.\n\n \n\n1\n\n \n\nDas Amtsgericht Oldenburg in Holstein hat auf Antrag der Beteiligten mit\nBeschluss vom 16. Marz 2005 angeordnet, dass der Betroffene langstens bis zum\n15. Juni 2005 in Zuruckschiebungshaft zu nehmen sei. Am 3. Mai 2005 stellte\nder Betroffene aus der Haft heraus beim Bundesamt fur Migration und\nFluchtlinge (BAMF) einen Asylantrag. Mit Beschluss vom 9. Juni 2005 hat das\nAmtsgericht Rendsburg auf Antrag der Beteiligten aufgrund der §§ 57, 62 Abs. 2\nNr. 5 AufenthaltsG die „Dauer der Abschiebungshaft bis zum 15. Juli 2005\neinschließlich verlangert". Die gegen den Beschluss vom 9. Juni 2005\ngerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht mit\nBeschluss vom 29. Juni 2005 zuruckgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten\nder angefochtenen Entscheidungen der Vorinstanzen wird auf die Beschlusse vom\n9. Juni 2005 und 29. Juni 2005 Bezug genommen. Gegen den Beschluss des\nLandgerichts hat der Betroffene form- und fristgerecht sofortige weitere\nBeschwerde eingelegt.\n\n \n\n \n\nII.\n\n \n\n2\n\n \n\nDie gemaß §§ 3, 7 FEVG, 22, 27, 29, 20 FGG zulassige sofortige weitere\nBeschwerde ist begrundet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer\nRechtsverletzung (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).\n\n \n\n3\n\n \n\nDie Anordnung der Haftverlangerung war nach § 14 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG\nunzulassig. Nach dieser Vorschrift endet eine gemaß §§ 57, 62 AufenthaltsG\nangeordnete Ruckschiebungshaft im Falle der Asylantragstellung des Betroffenen\nmit der Zustellung der Entscheidung des Bundesamts, spatestens jedoch vier\nWochen nach dem Eingang des Asylantrags beim Bundesamt, es sei denn, der\nAsylantrag wurde als unbeachtlich oder offensichtlich unbegrundet abgelehnt.\nIm vorliegenden Fall endete die Abschiebungshaft vier Wochen nach dem Eingang\ndes Asylantrags des Betroffenen beim BAMF, weil das BAMF noch keine wirksame\nEntscheidung uber den Asylantrag des Betroffenen getroffen hat. Der mit\nSchriftsatz der Beteiligten vom 8. Juli 2005 ubersandte Bescheid des BAMF vom\n5. Juli 2005 mit der Feststellung, dass dem Betroffenen in der Bundesrepublik\nDeutschland kein Asylrecht zustehe, und der Anordnung der Abschiebung nach\nGriechenland ist noch nicht zur Zustellung an den Betroffenen ubersandt und\ndamit noch nicht wirksam geworden. Die 4-Wochen-Frist des § 14 Abs. 3 Satz 3\nAsylVfG war daher am 9. Juni 2005 bereits abgelaufen und eine Haftverlangerung\nnicht mehr zulassig.\n\n \n\n4\n\n \n\nUnerheblich ist demgegenuber, dass Griechenland nach der VO (EG) Nr. 343/2003\ndes Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II, Amtsblatt der EU vom 25. Februar\n2003 L 50/1) fur das Asylverfahren zustandig ist. Denn das andert nichts\ndaran, dass das Asylverfahren durch den Asylantrag des Betroffenen in der\nBundesrepublik Deutschland eingeleitet worden und deshalb auch bis zur\nRuckschiebung des Betroffenen nach Griechenland nach dem hier geltenden Recht\nzu behandeln ist. § 14 AsylVfG findet daher Anwendung, solange sich der\nBetroffene in der Bundesrepublik Deutschland in Haft befindet. Die Anwendung\ndieser Vorschrift ist insbesondere nicht schon dadurch ausgeschlossen worden,\ndass das BAMF das Konsultationsverfahren nach Dublin II mit Griechenland\neingeleitet hat; dadurch ist die Frist des § 14 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG nach dem\neindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift auch nicht gehemmt worden (vgl. auch\nBayObLG NVwZ 2001, Beilage, Nr. 2, 23; KG Beschluss vom 8. Marz 2004, 25 W\n20/04 - bei Melchior, Abschiebungshaft, Anhang; Brandenburgisches OLG\nBeschluss vom 30. September 2004, 11 Wx 38/04 - bei Melchior aaO; OLG Celle\nBeschluss vom 3. Januar 2005, 16 W 195/04 - bei Melchior aaO; OLG Dresden\nBeschluss vom 3. Dezember 2004, 3. Dezember 2004 - bei Melchior aaO). Nach §\n14 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG gilt die 4-Wochen-Frist vielmehr gerade auch dann\nunbeschrankt, wenn ein Asylantrag letztlich als unbeachtlich zuruckgewiesen\nwird, weil aufgrund eines volkerrechtlichen Vertrages ein anderer\nVertragsstaat, der ein sicherer Drittstaat ist, fur die Durchfuhrung eines\nAsylverfahrens zustandig ist. Die Anwendbarkeit des § 14 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG\nscheitert auch nicht etwa daran, dass das BAMF kein den Aufenthalt des\nBetroffenen in der Bundesrepublik Deutschland gestattendes „Asylverfahren\ni.S.d. § 55 AsylVfG eingeleitet" hat, sondern nur ein Konsultationsverfahren\nmit den griechischen Behorden. Ein Asylverfahren i.S.d. § 55 AsylVfG ist\nvielmehr schon allein durch den Asylantrag des Betroffenen eingeleitet worden.\nDadurch hat er nach dem eindeutigen Wortlaut des § 55 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG\nungeachtet seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat insbesondere auch die\nerforderliche Aufenthaltsgestattung erlangt.\n\n \n\n5\n\n \n\nDie Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 16 FEVG, 30 f KostO.\n\n \n\n \n\n |
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109,728 | fg-mecklenburg-vorpommern-2007-04-26-2-k-21005 | 475 | Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern | fg-mecklenburg-vorpommern | Mecklenburg-Vorpommern | Mecklenburg-Vorpommern | Finanzgerichtsbarkeit | 2 K 210/05 | 2007-04-26 | 2018-11-26 09:54:08 | 2019-01-17 11:34:52 | Urteil | #### Tatbestand\n\n1\n\n \n\n(Überlassen von Datev)\n\n \n\n2\n\n \n\nDie Klagerin begehrt eine Investitionszulage fur die Herstellung eines\nTiefkuhllagers.\n\n \n\n3\n\n \n\nDie Klagerin stellt Speiseeis her, das uber den Großhandel vertrieben wird. In\nden Streitjahren erweiterte die Klagerin ihre Produktionsstatte unter anderem\num ein Mixtanklager, einen Packraum, einen Maschinenraum und ein\nTiefkuhllager.\n\n \n\n4\n\n \n\nZwischen den Beteiligten ist nur noch streitig, ob es sich bei dem Baukorper\nfur das Tiefkuhllager um eine Betriebsvorrichtung handelt, fur die eine\nInvestitionszulage in Hohe von 27,5 % der Bemessungsgrundlage gewahrt wird\noder um ein Gebaude, fur das nur eine Investitionszulage in Hohe von 15 % der\nBemessungsgrundlage zu gewahren ist.\n\n \n\n5\n\n \n\nIn dem Tiefkuhllager werden die von der Klagerin hergestellten Eisprodukte bis\nzur Auslieferung an den Handel zwischengelagert. Das Tiefkuhllager befindet\nsich in einem von der Produktionsstatte getrennten Gebaudeteil. Beim Betreten\ndes Gebaudes gelangt man zunachst in einen Vorraum, der "normal" temperiert\nist. Das Tiefkuhllager wird von Personen uber eine zwischen dem Vorraum und\ndem Lagerraum befindliche Eingangstur betreten. Fur die An- und Auslieferung\nder Ware befindet sich neben der Eingangstur eine Kalteschleuse. In dem\nTiefkuhllager herrschen Temperaturen zwischen - 27° und - 30° Celsius.\n\n \n\n6\n\n \n\nIn dem Lagerraum ist ein sogenanntes Verschieberegallager installiert.\nZwischen den einzelnen Lagereinheiten befinden sich eine breite und mehrere\nschmale Fahrstraßen, die ohne Schienenbindung von Gabelstaplern befahren\nwerden konnen. Die Gabelstapler werden von Fahrern gefuhrt und bedient. In den\nGabelstaplern befinden sich Steuerungssysteme, uber die das\nVerschieberegallager gesteuert, bedient und bestuckt werden kann. Storungen\ninnerhalb des Regalsystems, z. B. durch Umkippen einer Palette oder durch\nmenschliche Bewegungen fuhren unmittelbar zum Abschalten des Systems.\n\n \n\n7\n\n \n\nDer Raum kann von Menschen betreten werden, die sich auf den Fahrwegen frei\nbewegen konnen. Anlasslich eines durch die Berichterstatterin vorgenommenen\nOrtstermins war der Aufenthalt in dem Tiefkuhllager fur mehrere Minuten ohne\nSchutzkleidung moglich.\n\n \n\n8\n\n \n\nDie Gabelstapler sind zum Schutz der Fahrer vor der Kalte mit einer\nbeheizbaren Kabine umschlossen. Die Gabelstapler werden wegen der hohen\nTemperaturunterschiede aus dem Lagerraum nicht herausgenommen. Die Fahrer\nsteigen jeweils direkt hinter dem Eingang in den Gabelstapler und verrichten\nihre Arbeit im Tiefkuhlhaus vom Gabelstapler aus. Fur Arbeiten außerhalb des\nGabelstaplers legen die Mitarbeiter Schutzkleidung an. Bei großeren\nReparaturen muss die Kuhlung insgesamt abgestellt werden. Das Lager ist dann\nnicht nutzbar.\n\n \n\n9\n\n \n\nFur die Teilherstellungskosten des Baukorpers des Tiefkuhllagers hat die\nKlagerin in den Jahren 2001 und 2002 Investitionszulage fur\nBetriebsvorrichtungen in Hohe von 27,5 % beantragt.\n\n \n\n10\n\n \n\nDie Bemessungsgrundlage im Jahr 2001 (Pos. 4 des Antrages) betragt 104.828,11\nDM und im Jahr 2002 (Pos. 4 des Antrages) 1.112.480,26 EUR.\n\n \n\n11\n\n \n\nMit seinen Bescheiden vom 11. Dezember 2002 (Investitionszulage fur 2001) und\n3. Juli 2003 (Investitionszulage 2002), die unter dem Vorbehalt der\nNachprufung standen, gewahrte der Beklagte zunachst die Investitionszulage in\nbegehrter Hohe.\n\n \n\n12\n\n \n\nAufgrund einer Investitionszulagensonderprufung kam der Beklagte zu dem\nErgebnis, dass es sich bei dem Baukorper fur das Tiefkuhllager um ein Gebaude\nund nicht um eine Betriebsvorrichtung handelt. Mit seinen geanderten\nBescheiden vom 3. Mai 2004 versagte er insoweit die auf 27,5 % erhohte\nInvestitionszulage und gewahrte lediglich eine Investitionszulage fur Gebaude\nin Hohe von 15 %.\n\n \n\n13\n\n \n\nDie hiergegen eingelegten Einspruche wies der Beklagte mit seiner\nEinspruchsentscheidung vom 6. April 2005 als unbegrundet zuruck.\n\n \n\n14\n\n \n\nDie Klagerin hat am 4. Mai 2005 Klage erhoben.\n\n \n\n15\n\n \n\nZum Zeitpunkt der Klageerhebung war außerdem streitig die auf 27,5 % erhohte\nInvestitionszulage fur ein Mixtanklager (Streitwert: 10.053,13 EUR), einen\nPackraum (Streitwert: 12.315,05 EUR) und einen Maschinenraum (Streitwert:\n15.330,74 EUR). Nach einem Erorterungstermin am 28. Marz 2006 hat die Klagerin\ndie Klage hinsichtlich des Packraumes und des Lagerraumes zuruckgezogen.\nHinsichtlich des Mixtanklagers ist der Beklagte dem Klagebegehren gefolgt und\nhat am 28. Juli 2006 einen insoweit geanderten Investitionszulagenbescheid fur\n2002 erlassen. Die Klagerin hat daraufhin den Rechtsstreit insoweit in der\nHauptsache fur erledigt erklart.\n\n \n\n16\n\n \n\nHinsichtlich des Tiefkuhllagers verfolgt die Klagerin ihr Begehren weiter. Sie\nist der Auffassung, dass das von ihr betriebene Verschieberegallager mit einem\nvollautomatischen Verschieberegallager, das einschließlich der Gebaudehulle\nals Betriebsvorrichtung anzusehen sei, vergleichbar sei. Das vollautomatische\nVerschieberegallager unterscheide sich von ihrem Lager lediglich dadurch, dass\ndas Lager manuell von Gabelstaplern aus gesteuert werde. Dieser marginale\nUnterschied konne nicht zum Ausschluss der erhohten Forderung fuhren. Der\nAufenthalt von Menschen in dem Tiefkuhllager sei auch in entsprechender\nSchutzkleidung allenfalls fur 15 Minuten moglich. Ein schutzloser Aufenthalt\nuber mehrere Stunden sei unzulassig. Letztendlich sei ein Aufenthalt nur\nvermittels der geheizten Gabelstapler moglich. Diese Art des Aufenthaltes\ngenuge aber nicht zur Erfullung des Gebaudebegriffes.\n\n \n\n17\n\n \n\nDie Klagerin beantragt,\n\n \n\n18\n\n \n\nabweichend von dem geanderten Investitionszulagenbescheid 2001 und der\nEinspruchsentscheidung vom 06.04.2005 die Investitionszulage fur 2001 um\n6.699,72 EUR (13.103,51 DM) und abweichend von dem geanderten\nInvestitionszulagenbescheid 2002 die Investitionszulage fur 2002 um 139.060,03\nEUR zu erhohen.\n\n \n\n19\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n \n\n20\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n21\n\n \n\nDer Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass es sich bei dem das\nTiefkuhllager umschließenden Baukorper um ein Gebaude handelt, weil er - wenn\nauch nur mit entsprechender Schutzkleidung - zum Aufenthalt von Menschen\ngeeignet sei.\n\n \n\n22\n\n \n\nDem Gericht lagen zwei Ordner Investitionszulagenakten des Beklagten vor.\n\n \n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n23\n\n \n\n1.Die Klage ist unbegrundet. Der Beklagte hat zu Recht eine auf 27,5 vom\nHundert erhohte Investitionszulage fur den das Tiefkuhllager umschließenden\nBaukorper versagt. Die Bescheide sind daher rechtmaßig und verletzen die\nKlagerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).\n\n \n\n24\n\n \n\nDer Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei dem Baukorper um\nein Gebaude handelt.\n\n \n\n25\n\n \n\nGem. § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 InvZulG 1999 (in der in den Streitjahren\ngeltenden Fassung) sind begunstigte Investitionen - neben anderen hier nicht\nstreitigen Voraussetzungen - die Anschaffung und die Herstellung von neuen\nabnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgutern des Anlagevermogens, die mindestens\nfunf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung (Funfjahreszeitraum) zum\nAnlagevermogen eines Betriebs des verarbeitenden Gewerbes im Fordergebiet\ngehoren und wahrend des Funfjahreszeitraums in einem solchen Betrieb im\nFordergebiet verbleiben. Die Investitionszulage betragt 12,5 vom Hundert der\nBemessungsgrundlage fur Erstinvestitionen, die der Anspruchsberechtigte nach\ndem 31. Dezember 1999 begonnen hat und erhoht sich fur Investitionen im Sinne\ndes Absatzes 2 Nr. 1 (bewegliche Wirtschaftsguter in Betrieben des\nverarbeitenden Gewerbes) auf 27,5 vom Hundert fur Erstinvestitionen, die der\nAnspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 2000 begonnen hat, wenn es sich um\nInvestitionen in Betriebsstatten im Randgebiet nach der Anlage 2 zu diesem\nGesetz handelt (§ 2 Abs. 6 Nr. 2, Abs. 7 Nr. 3 InvZulG 1999).\n\n \n\n26\n\n \n\nGem. § 2 Abs. 3 InvZulG 1999 ist begunstigt auch die Herstellung neuer\nGebaude, soweit die Gebaude mindestens funf Jahre nach ihrer Anschaffung oder\nHerstellung in einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes verbleiben. Die\nInvestitionszulage betragt 12,5 vom Hundert der Bemessungsgrundlage fur\nErstinvestitionen, die der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 1999\nbegonnen hat und erhoht sich auf 15 vom Hundert der Bemessungsgrundlage fur\nErstinvestitionen, die der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 2000\nbegonnen hat, wenn es sich um Investitionen in Betriebsstatten im Randgebiet\nnach der Anlage 2 zu diesem Gesetz handelt.\n\n \n\n27\n\n \n\nBei dem das Tiefkuhllager umhullenden Bauwerk handelt es sich um ein Gebaude.\n\n \n\n28\n\n \n\nGemaß § 68 Abs. 1 BewG gehoren zum Grundvermogen außer dem Grund und Boden\nauch die Gebaude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehor. Nicht in das\nGrundvermogen einzubeziehen sind nach § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG Maschinen\nund sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehoren\n(Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Gebaudes\nsind. Bei der Abgrenzung der Gebaude von den Betriebsvorrichtungen ist vom\nGebaudebegriff auszugehen, weil Gebaude grundsatzlich zum Grundvermogen\ngehoren und demgemaß ein Bauwerk, das als Gebaude zu betrachten ist, nicht\nBetriebsvorrichtung sein kann (vgl. BFH-Urteile vom 13. Juni 1969, III 17/65,\nBFHE 96, 57, BStBl II 1969, 517; vom 25. Marz 1977, III R 5/75, BFHE 122, 150,\nBStBl II 1977, 594, sowie vom 28. Mai 2003, II R 41/01, BFHE 202, 376, BStBl\nII 2003, 693; vom 15.06.2005, II R 67/04, BFHE 210, 52, BStBl II 2005, 688).\nAls Gebaude ist ein Bauwerk anzusehen, das durch raumliche Umschließung Schutz\ngegen außere Einflusse gewahrt, den nicht nur vorubergehenden Aufenthalt von\nMenschen gestattet, fest mit dem Grund und Boden verbunden sowie von einiger\nBestandigkeit und standfest ist (vgl. BFH-Urteile vom 15. Juni 2005, II R\n67/04, BFHE 210, 52, BStBl II 2005, 688, und vom 15. Juni 2005, II R 60/02,\njuris, jeweils m. w. N.; vom 28. September 2000, III R 26/99, BFHE 193, 199,\nBStBl II 2001, 137, betreffend Tankstellen-Fahrbahndach; vom 21. Januar 1988,\nIV R 116/86, BFHE 152, 458, BStBl II 1988, 628, betreffend Gewachshauser; vom\n14. November 1975, III R 150/74, BFHE 117, 492, BStBl II 1976, 198, betreffend\nAutowaschhallen; vom 5. Februar 1965, III 35/61 U, BFHE 81, 611, BStBl III\n1965, 220, betreffend Siloanlagen). Alle Bauwerke, die samtliche dieser\nBegriffsmerkmale aufweisen, sind ausnahmslos als Gebaude zu behandeln (vgl.\nBFH-Urteile in BFHE 96, 57, BStBl II 1969, 517, sowie vom 13. Juni 1969, III R\n132/67, BFHE 96, 365, BStBl II 1969, 612, 614).\n\n \n\n29\n\n \n\nNicht erforderlich ist, dass ein Bauwerk zum Aufenthalt von Menschen bestimmt\nist. Ist der Aufenthalt von Menschen in dem Bauwerk aber nur moglich, wenn ein\nautomatisch laufender Betriebsvorgang abgeschaltet ist, handelt es sich nicht\num ein Gebaude (vgl. BFH-Urteil vom 18. Marz 1987, II R 222/84, BFHE 150, 62,\nBStBl II 1987, 551). Ein Bauwerk verliert seine Gebaudeeigenschaft nicht schon\ndadurch, dass bauliche Unzulanglichkeiten (z. B. schlechte Entluftung oder\nschlechte Lichtverhaltnisse) den Aufenthalt von Menschen erschweren.\nEbensowenig wird die Gebaudeeigenschaft dadurch beruhrt, dass Einwirkungen,\ndie durch den Betrieb hervorgerufen werden, auf Dauer zu gesundheitlichen\nSchaden fuhren konnen, z. B. in Fallen, in denen bei der Arbeit Masken oder\nSchutzkleidung getragen werden mussen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 117, 492,\nBStBl II 1976, 198, sowie in BFHE 163, 236, BStBl II 1991, 618;\nzusammenfassend BMF-Erlass vom 15. Marz 2006, BStBl I 2006, 314). Sofern wegen\nextremer Bedingungen wahrend des automatisch gesteuerten stetig laufenden\nBetriebsvorgangs der Aufenthalt von Menschen in einem Bauwerk auch in\nSchutzkleidung nur vorubergehend wahrend weniger Minuten moglich ist,\ngestattet das Bauwerk nicht einen mehr als nur vorubergehenden Aufenthalt von\nMenschen.\n\n \n\n30\n\n \n\nArbeitsschutzrechtliche Vorschriften zur Dauer des Aufenthaltes sind nicht der\nMaßstab fur die Gebaudeeigenschaft. Denn unter einem nicht nur vorubergehenden\nAufenthalt von Menschen ist kein Aufenthalt uber einen ganzen Arbeitstag hin\nzu verstehen (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juni 2005, II R 67/04, BStBl II 2005,\n688).\n\n \n\n31\n\n \n\nIn dem hier streitigen Tiefkuhllager ist ein Aufenthalt von Menschen\nkurzfristig sogar ohne Schutzkleidung moglich. Ob die Mitarbeiter der Klagerin\nsich mit entsprechender Schutzkleidung allenfalls 15 Minuten in dem\nTiefkuhllager aufhalten konnen oder langer, ist nach Auffassung des Senats im\nStreitfall nicht entscheidend, denn der Aufenthalt von Menschen ist mittels\nder beheizbaren Kabinen auf den Gabelstaplern unbegrenzt moglich. Hier ist es\nsogar so, dass das Lager von Menschen betreten werden muss, um den\nLagerungsprozess durchfuhren und kontrollieren zu konnen. Eine automatische\nSteuerung von Außen mit der Folge einer Betriebsunterbrechung bei Betreten des\nRaumes ist hier sogar ausgeschlossen. Dass ein Aufenthalt von Menschen\nzwischen den einzelnen Verschieberegalen sofort zu einer automatischen\nAbschaltung fuhrt, andert an diesem Ergebnis nichts, da die Verschieberegale\ninsoweit wie eine in einem Gebaude befindliche laufende Maschine anzusehen\nsind. Daraus folgt jedenfalls nicht, dass dem gesamten Gebaude die\nEigenschaften einer Maschine zukommen.\n\n \n\n32\n\n \n\n2.Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit und beruht auf § 151 Abs. 3, § 151 Abs. 1 Satz 1\nFGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision wurde nicht zugelassen, weil\ndie Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Der Streitwert wurde\ngem. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz n. F. festgesetzt.\n\n \n\n |
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109,750 | vg-greifswald-2007-04-17-2-a-52006 | 489 | Verwaltungsgericht Greifswald | vg-greifswald | Greifswald | Mecklenburg-Vorpommern | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 2 A 520/06 | 2007-04-17 | 2018-11-26 09:54:10 | 2019-01-17 11:34:53 | Urteil | #### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten uber vermogensrechtliche Anspruche.\n\n2\n\n \n\nDie in den Gemeinden S. und W. belegenen streitgegenstandlichen Flurstucke\nstanden ursprunglich im Eigentum von Herrn W. B. Dieser wurde von seiner\nEhefrau, Frau C. B., und deren Tochter, der Klagerin, beerbt. Die Klagerin ist\nwiederum ihrerseits gesetzliche Erbin nach ihrer im Jahre 1945 verstorbenen\nMutter. Sie wurde am 10.01.1986 in das Grundbuch als Eigentumerin eingetragen.\n\n3\n\n \n\nUnter dem 22.06.1984 trat der Rat der Gemeinde S. durch deren Burgermeisterin,\ndie Zeugin Ö., an die Klagerin heran:\n\n4\n\n \n\nEntsprechend deren Ortsgestaltungskonzeption und der gesetzlichen Bestimmungen\nuber Luckenbebauung wurde sie sich die Bitte erlauben, die Zustimmung der\nKlagerin fur die Errichtung eines Eigenheimes auf dem ehemaligen Grundstuck B.\nfur die Familie G. H.-J. zu erhalten.\n\n5\n\n \n\nIm Marz 1985 wandte sich der Rat der Gemeinde an den Rat des Kreises und\nteilte mit, dass die Klagerin am 01.08.1984 beim Rat der Gemeinde\nvorgesprochen habe. Zugegen sei der Schwiegervater der Klagerin gewesen. Die\nKlagerin habe ihre mundliche Zustimmung gegeben, dass die Familie G. mit den\nArbeiten zum Eigenheimbau beginnen konne. Sie wolle aber den Wertpreis des\nGrundstucks haben.\n\n6\n\n \n\nMit Schreiben vom 26.03.1985 teilte der Rat des Kreises der Klagerin mit, dass\ner vom Rat der Gemeinde die Mitteilung erhalten habe, die Klagerin wolle ihr\nEigentum an den Grundbuchern Blatt 52 (W.) und Blatt 20 (S.) abgeben. Die\nKlagerin wurde gebeten, Nachricht zu geben, ob sie auf ihr Eigentum verzichten\noder nur die Flache fur das Eigenheim verkaufen wolle. Der Einheitswert des\ngesamten Grundbesitzes betrage 17.400,00 M. Belastet seien die Grundstucke mit\n8.000,00 M. Bei einem Verzicht erfolge die Ablosung der Belastungen durch den\nRat des Kreises. Bei einem Verkauf werde der Kaufpreis zur Ablosung der\nBelastungen angerechnet. Die Klagerin wurde gebeten, ihre Entscheidung\nmitzuteilen.\n\n7\n\n \n\nUnter dem 12.09.1985 wandte sich der Rat der Gemeinde Bezug nehmend auf die am\n01.08.1984 erfolgte Vorsprache an die Klagerin. Die Klagerin habe damals ihre\nmundliche Zustimmung zur Nutzung und Vorbereitung fur einen Eigenheimbau der\nEheleute G. gegeben. Nach Vorsprachen durch sie - die Zeugin Ö. - beim Rat des\nKreises sei sie davon unterrichtet worden, dass auf dem Grundstuck der\nKlagerin eine Hypothek von 8.000,00 M laste. Wie sie sich gegenuber dem Rat\nder Gemeinde geaußert habe, sei es der Wunsch der Klagerin, dieses Grundstuck\nals Baustelle freizugeben, aber fur das zu nutzende Land einen finanziellen\nAusgleich zu bekommen. Dies wurde einen Verkauf bedeuten und der Klagerin\nfinanziell keine große Summe einbringen. Diese musste dann aber fur die\nHypothek aufkommen, was viel Geld ohne jeglichen Nutzen fur die Klagerin\nbedeuten wurde. Es werde der Klagerin angeraten, eine Verzichtserklarung zu\nschreiben, um sich unnotige Kosten zu ersparen.\n\n8\n\n \n\nUnter dem 03.01.1986 teilte der Rat des Kreises P. dem Rat des Bezirkes N.\nmit, der Einheitswert fur das landwirtschaftliche Grundstuck betrage 23.400,00\nM.\n\n9\n\n \n\nAm 27.10.1987 verzichtete die Klagerin auf den Grundbesitz (Grundbuch von W.\nund S., Blatt 52 und 20).\n\n10\n\n \n\nDer Rat des Kreises genehmigte den Eigentumsverzicht am 15.03.1988.\n\n11\n\n \n\nAm 25.03.1988 erfolgte die Umschreibung des bezeichneten Grundbesitzes im\nGrundbuch in "Eigentum des Volkes".\n\n12\n\n \n\nIm Verwaltungsverfahren trug die Klagerin vor, dass die Zeugin Ö. sich an sie\nmit dem Anliegen gewandt habe, auf 10.000 qm Eigenheime von Burgern in S.\nbauen zu lassen.\n\n13\n\n \n\nDem habe sie zugestimmt. In einem Brief und auch in mehreren personlichen\nGesprachen habe ihr die Zeugin Ö. geraten, eine Verzichtserklarung uber das\ngesamte Erbe zu geben, da sie ansonsten vollig verschuldet sei. Solange das\nLand vertraglich in der LPG sei, kamen keine Forderungen auf sie zu, aber die\nZinsen wurden sich so aufstocken, dass sie im Todesfalle ihren Kindern nichts\nvererben konne von dem, was sie sich selbst erspart hatten, sondern alles fur\ndie Hypothek "draufgehen" wurde, die ihr Großvater aufgenommen habe. Die\nKinder bekamen dann also gar nichts, denn man konne ja nicht nur einen Teil\nerben und die Schulden ausschlagen. Die Burgermeisterin habe sich darum\nkummern wollen. Dies sei im Jahre 1986 gewesen. Sie - die Klagerin - habe aber\nkeine Nachricht und auch kein Formular vom Rat des Kreises erhalten. Einige\nZeit darauf sei die Zeugin Ö. ja inhaftiert und verurteilt worden. Ob sie -\ndie Klagerin - der Zeugin Ö. auf einem formlosen Blatt eine Unterschrift\ngegeben habe, wisse sie nicht mehr. Die Zeugin habe sie - die Klagerin - in\ngroße Angst versetzt und dafur gesorgt, dass ihr vom Kreis P. ein Formular\nuber den Verzicht auf Eigentum zugunsten des Volkseigentums zugeschickt worden\nsei. Sie habe im Oktober 1987 unterschrieben.\n\n14\n\n \n\nDer Rechtsvorganger der Beklagten teilte der Klagerin unter dem 16.08.1996\nmit, es sei beabsichtigt, ihren Antrag auf Ruckubertragung der\nstreitgegenstandlichen Grundstucke abzulehnen. Unter den 30.06.2000 und\n23.08.2000 stellte der Rechtsvorganger der Beklagten der Klagerin in Aussicht,\ndass ihr Antrag auf Ruckubertragung der Flurstucke 85/2 (von den Eheleuten G.\nmit einem Eigenheim bebaut) und 85/4 (von den Eheleuten W. mit einem Eigenheim\nbebaut) wegen § 4 Abs. 2 VermG abgelehnt werde. Ob der Klagerin fur den\nVermogensverlust eine Entschadigung zustehe, werde dadurch (noch) nicht\nentschieden. Die Antrage auf Ruckubertragung der Flurstucke 85/2 und 85/4\nwurden durch Bescheide vom 04.09.2000 und 25.09.2000 abgelehnt.\n\n15\n\n \n\nDie Klagerin trug daraufhin erganzend zu ihrem bisherigen Vorbringen vor:\n\n16\n\n \n\nSie sei durch die Zeugin Ö. getauscht worden. Diese habe ihr erklart, dass ihr\n- der Klagerin - Großvater 1928 - 10 Jahre vor ihrer Geburt - 8.000,00 M bei\nder Bank aufgenommen habe und dass sich diese Schuld inzwischen - trotz\nEntwertung 1945 - auf ca. 100.000,00 M erhoht habe. Damit wurde sie ihren\nKindern einen riesigen Schuldenberg vererben und alles, was sie sich in ihrem\nLeben erspart hatten, ware verloren. Von Hypotheken und Krediten habe sie -\ndie Klagerin - damals keine Ahnung gehabt. Ihr damaliger Irrtum gehe auch aus\neinem an den Rat der Gemeinde S. gerichteten Schreiben vom 08.12.1985 hervor.\nDarin hatte die Klagerin u.a. erklart:\n\n17\n\n \n\n"... Ich werde nicht verkaufen, wenn ich kein Geld dafur erhalte, sondern um\nSchulden bezahle, die ich nicht verursacht habe. .."\n\n18\n\n \n\nFur die Hofstelle des fruheren Anwesens ihrer Eltern habe sie 1986 ihre\nZustimmung zum Bau eines Eigenheimes durch die Eheleute G. gegeben. Über die\nverbleibenden Grundstucke habe sie am 22.01.1986 mit dem Rat des Kreises P.\neinen Vertrag zur landwirtschaftlichen Nutzung geschlossen. In der Folgezeit\nhabe die Zeugin sie fortwahrend bedrangt, auf das gesamte Grundeigentum zu\nverzichten. Hierfur habe sie sie auch an ihrem Wohnsitz in P. aufgesucht, um\nmit ihr personlich zu sprechen. Bei den Gesprachen sei ihr Mann, der Zeuge W.\nK., anwesend gewesen. Die Burgermeisterin habe sich wiederholt auf eine\nangebliche Überschuldung der Grundstucke berufen. Zwar kamen auf sie - die\nKlagerin - wahrend der Laufzeit des landwirtschaftlichen Nutzungsvertrages\nkeine Zahlungsforderungen zu. Doch die schon in der Vergangenheit angefallenen\nund weiterhin anfallenden Zinsen aufgrund der Belastung des Grundstucks wurden\nsie und im Erbfall ihre Kinder in den finanziellen Ruin sturzen, da sie den\nWert des Grundstucks bei weitem ubersteigen wurden.\n\n19\n\n \n\nSie habe der Zeugin in ihrer Funktion als staatlicher Leiterin der Gemeinde\nvertraut. Diese habe sich auch erboten, Vorgesprache mit dem Rat des Kreises\nfur sie - die Klagerin - zu fuhren, da sie dort oft dienstlich zu tun habe.\nAus der geschurten Angst, ihren Kindern Schlechtes zuzufugen, sei es zur\nVerzichtserklarung gekommen.\n\n20\n\n \n\nSie - die Klagerin - habe ursprunglich vorgehabt, ihr Grundeigentum entweder\nan die LPG zur Nutzung zu uberlassen oder aber zu verkaufen. Der Rat des\nKreises habe mit Schreiben vom 22.02. und 27.02.1985 reagiert.\n\n21\n\n \n\nBis zu ihrem - der Klagerin - Rentenantritt habe sie als Erzieherin im\nInternat der Sprachheilschule P. gearbeitet. Ihre ersten Berufsjahre sei sie\nals Kindergartnerin tatig gewesen. Schon von ihrer beruflichen Ausrichtung her\nhabe sie uber keinerlei Vorstellung uber eine Bewertung der Objekte vor Ort\nverfugt und der Aussage einer Burgermeisterin vollstes Vertrauen geschenkt.\n\n22\n\n \n\nUnter dem 07.09.2004 teilte die Beklagte der Klagerin ihre beabsichtigte\nablehnende Entscheidung mit.\n\n23\n\n \n\nDurch Bescheid vom 29.10.2004 lehnte die Beklagte die Ruckubertragung der\nstreitgegenstandlichen Flurstucke ab. Der Klagerin stehe auch kein Anspruch\nauf Entschadigung zu. Zur Begrundung fuhrte die Beklagte aus:\n\n24\n\n \n\nUnlautere Machenschaften i.S. von § 1 Abs. 3 VermG lagen nicht vor. Es sei\ndavon auszugehen, dass sich die Eigentumer von landwirtschaftlichen Flachen,\nuber die Nutzungsvertrage mit Betrieben der Landwirtschaft abgeschlossen\nworden seien, nicht darum gekummert hatten, welche Lasten tatsachlich mit dem\nEigentum verbunden gewesen seien. Insoweit sei nachzuvollziehen, dass die\nKlagerin als Eigentumerin - obwohl ihr die Grundbucheinsicht nicht verwehrt\nworden ware - nichts von den Eintragungen im Grundbuch gewusst habe. Damals\nsei es darum gegangen, Eigenheimstandorte auszuweisen. Die Burgermeisterin der\nGemeinde S. habe daher Einsicht in das Grundbuch genommen. Daher sei zu\nunterstellen, dass diese dabei auch Kenntnis uber die eingetragenen\nBelastungen erhalten habe. Wenn davon ausgegangen werde, dass weder Tilgung\nnoch Zinszahlung vorgenommen worden seien, ware eine Belastung von 43.400,00 M\n(Zinsschulden in Hohe von 35.400,00 M) aufgelaufen. Ob die Burgermeisterin die\nRechnung so gefuhrt und der Klagerin auch so ubermittelt habe, sei nicht\nbekannt. Es konne heute jedoch nicht mehr festgestellt werden, wie hoch der\nKaufpreis gewesen ware und ob bei einer Verrechnung mit den Schulden sich ein\nPlus oder ein Minus fur den Grundstuckseigentumer ergeben hatte. Dies\nherauszufinden ware der Klagerin seinerzeit ohne weiteres moglich gewesen. Die\nKlagerin habe jedoch offensichtlich einen Verkauf nicht weiter in Erwagung\ngezogen, sondern auf ihr Eigentum verzichtet.\n\n25\n\n \n\nDer Bescheid wurde der Klagerin am 03.11.2004 zugestellt.\n\n26\n\n \n\nDie Klagerin legte gegen den Bescheid am 29.11.2004 Widerspruch ein.\n\n27\n\n \n\nDer Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 09.03.2006\nzuruckgewiesen. Zur Begrundung fuhrte der Widerspruchsausschuss im\nWesentlichen aus:\n\n28\n\n \n\nDa es sich bei dem Verfahrensgegenstand um landwirtschaftlich genutzte\nunbebaute Grundstucke gehandelt habe, treffe der vermogensrechtliche\nTatbestand des § 1 Abs. 2 VermG von vornherein nicht zu. Die Ansicht der\nKlagerin, sie sei uber den wahren (Einheits-)wert der Grundstucke und deren\nBelastung nicht korrekt informiert und insofern getauscht worden, eroffne\nzudem nicht den Geltungsbereich des § 1 Abs. 3 VermG. Aus der damals nicht\nkorrekten Angabe des Einheitswertes lasse sich nicht schlussfolgern, dass\ndieser willkurlich zu niedrig angegeben worden sei. Im Übrigen habe dieser\nEinheitswert, der noch uber den damaligen Nennwerten der in der Dritten\nAbteilung des Grundbuches eingetragenen Belastungen gelegen habe, keine\nAuswirkung auf den Eigentumsverzicht gehabt. Schließlich sei es noch zu keiner\nKaufpreisfestsetzung gekommen. Aus der Verfahrensakte gehe hervor, dass im\nRahmen der nochmaligen Prufung des Sachverhaltes hinsichtlich der\nEinheitswertfestsetzung offensichtlich eine Korrektur erfolgt sei. Der\nKlagerin ware es daruber hinaus durchaus moglich gewesen, Erkundigungen uber\ndie Hohe der valutierenden Belastungen bei dem Glaubiger und uber einen\netwaigen Kaufpreis beim Rat des Kreises einzuholen. Soweit der Rat des Kreises\ndarauf hingewiesen habe, dass im Falle des Verzichts die Ablosung der\nBelastungen durch ihn erfolge und im Falle des Verkaufs der Kaufpreis zur\nAblosung der Belastungen angerechnet werden wurde, habe das der Rechtslage\nentsprochen und stelle aus heutiger Sicht keine Tauschung bzw. keinen\nMachmissbrauch dar. Das beim Sachvorgang befindliche Schreiben der\nBurgermeisterin vom 12.09.1985 lasse ebenso wenig die Schlussfolgerung zu, die\nKlagerin sei zur Abgabe einer Verzichtserklarung genotigt und uber den wahren\nWert der Grundstucke getauscht worden. Letztendlich sei die Klagerin um eine\nbaldige Klarung der Angelegenheit gebeten worden. Soweit die Klagerin diese\nBitte gegebenenfalls auch das Drangen um eine Entscheidung als Notigung\nempfunden haben moge, handele es sich um ihr subjektives Empfinden, das mit\neiner Notigung im strafrechtlichen Sinne nicht vergleichbar sei. Sie sei auch\nnicht in Anlehnung an § 123 BGB durch arglistige Tauschung zur Abgabe einer\nWillenserklarung veranlasst worden. Vielmehr sei sie von der Burgermeisterin\nersucht worden, sich mit dem Rat des Kreises in Verbindung zu setzen. Daraus\ndurfte fur die Klagerin unzweifelhaft die Schlussfolgerung ersichtlich gewesen\nsein, dass der Rat des Kreises fur die Abgabe einer Verzichtserklarung oder\nden Abschluss eines Kaufvertrages der zustandige Ansprechpartner gewesen sei.\n\n29\n\n \n\nDer Widerspruchsbescheid wurde der Klagerin am 16.03.2006 zugestellt.\n\n30\n\n \n\nDie Klagerin hat am 12.04.2006 Klage erhoben.\n\n31\n\n \n\nZur Begrundung ihrer Klage fuhrt die Klagerin aus:\n\n32\n\n \n\nUnter Vortauschung von Bewertungsansatzen sei ihre - der Klagerin -\nVerzichtserklarung zur Überfuhrung in Volkseigentum "erschlichen" worden. Die\nvorliegenden Dokumente wurden zweifelsfrei belegen, dass sie durch\nVorspiegelung falscher Tatsachen insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung\ndes Einheitswertes des gesamten Grundbesitzes (angeblich lediglich 17.400,00\nM) dazu bewogen worden sei, die Verzichtserklarung zu unterzeichnen. Die\nVorspiegelung falscher Tatsachen, die auf die vorsatzliche Erregung oder\nAufrechterhaltung eines Irrtums gerichtet sei, sei als Tauschung im Sinne von\n§ 1 Abs. 3 VermG zu werten. Dem Schreiben des Rates des Kreises P. vom\n26.03.1985 konne entnommen werden dass abweichend von dem tatsachlich gultigen\nEinheitswert fur den gesamten Grundbesitz lediglich ein Einheitswert in Hohe\nvon 17.400,00 M angegeben worden sei. Demgegenuber belege das Schreiben des\nRates des Kreises P. vom 03.01.1986, dass allein die landwirtschaftlichen\nGrundstucke einen Einheitswert in Hohe von 23.400,00 M gehabt hatten. Dies sei\nihr jedoch verschwiegen worden. Hatte sie gewusst, dass der Grundbesitz\ntatsachlich um mindestens 25 % hoher bewertet worden sei als in dem\nAnschreiben des Rates des Kreises P. vom 26.03.1985, hatte sie die\nVerzichtserklarung niemals abgegeben. Das Schreiben vom 26.03.1985 sei\ninsoweit auch kausal fur die abgegebene Verzichtserklarung gewesen. Somit sei\nder Grundbesitz an sie zuruckzuubertragen.\n\n33\n\n \n\nDie Klagerin beantragt:\n\n34\n\n \n\n1\\. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 29.10.2004 in der\nGestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2006 verpflichtet, das Eigentum\nan den Grundstucken der Gemarkung S. und W., bestehend aus:\n\n35\n\n \n\nGemarkung S., Flur 2, Flurstuck 85/3 zur Große von 14.688 qm, eingetragen im\nGrundbuch von S., Blatt 16 Gemarkung S., Flur 3, Flurstuck 36 zur Große von\n16.637 qm, eingetragen im Grundbuch von S., Blatt 16 Gemarkung S., Flur 3,\nFlurstuck 46/1 zur Große von 17.347 qm, eingetragen im Grundbuch von S., Blatt\n10063 Gemarkung S., Flur 3, Flurstuck 46/2 zur Große von 125 qm, eingetragen\nim Grundbuch von S., Blatt 10063 Gemarkung S., Flur 4, Flurstuck 11 zur Große\nvon 17.411 qm, eingetragen im Grundbuch von S., Blatt 10063 Gemarkung S., Flur\n4, Flurstuck 15 zur Große von 68.457 qm, eingetragen im Grundbuch von S.,\nBlatt 16 Gemarkung S., Flur 4, Flurstuck 19 zur Große von 66.745 qm,\neingetragen im Grundbuch von S., Blatt 16 Gemarkung W., Flur 1, Flurstuck 104\nzur Große von 35.930 qm, eingetragen im Grundbuch von W., Blatt 4,\n\n36\n\n \n\nan die Klagerin zuruckzuubertragen.\n\n37\n\n \n\n2\\. Die Beklagte wird verurteilt, unter Abanderung des Bescheides vom\n29.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2006 eine\nEntschadigung fur den Eigentumsverlust an den Flurstucken 85/2 zur Große von\n512 qm sowie 85/4 zur Große von 500 qm der Flur 2 in S. festzusetzen.\n\n38\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n39\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n40\n\n \n\nDie Beigeladenen zu 1 und 2 haben keinen Antrag gestellt.\n\n41\n\n \n\nDie Beigeladene zu 1 tragt vor:\n\n42\n\n \n\nAllein die Nennung unterschiedlicher Einheitswerte belege fur sich genommen\nnoch keine unlauteren Machenschaften staatlicher Stellen. So konnten sich die\nunterschiedlichen Einheitswerte auf andere oder eine unterschiedliche Anzahl\nvon Flurstucken beziehen. Nicht ersichtlich sei auch, dass, sofern es sich um\ndie gleichen Flachen gehandelt haben sollte, der genannte Einheitswert im\nSchreiben vom 03.01.1986 der zutreffende Einheitswert gewesen sei oder ob\nnicht vielmehr doch der der Klagerin mitgeteilte Einheitswert zutreffend\ngewesen sei und es sich bei der Mitteilung im Schreiben vom 03.01.1986 um\neinen Irrtum des Rates des Kreises P., Abt. Finanzen, Referat Steuern,\ngehandelt habe. Selbst wenn dies nicht habe der Fall gewesen sein sollen und\nder Einheitswert in Hohe von 17.400,00 M unzutreffend habe gewesen sein\nsollen, sei nicht erkennbar, dass dieser Wert deshalb der Klagerin mitgeteilt\nworden sei, um diese uber den Wert ihrer Grundstucke zu tauschen. Denn die\nvalutierenden Grundschulden hatten unterhalb beider genannter Einheitswerte\ngelegen und ausgehend von der Annahme, dass sich die aufgelaufenen\nZinsschulden auf uber 35.000,00 M gesteigert hatten, bleibe festzuhalten, dass\ndieser Betrag wiederum weit uber beiden Einheitswerten gelegen habe, so dass\nsich hieraus kein Grund fur eine unterschiedliche Beurteilungssituation fur\neinen Verzicht ableiten lasse. Auch sei nicht erkennbar, dass die staatlichen\nStellen einen Gesamteigentumsverzicht hatten herbeifuhren wollen. Im Gegenteil\nzeige doch das Schreiben vom 23.03.1985, dass die staatlichen Stellen bei der\nKlagerin sogar nachgefragt hatten, ob sie tatsachlich auf ihr Eigentum\nverzichten oder nur die Flache fur den Eigenheimbau habe verkaufen wollen.\nInsofern sei keinerlei Druck bzw. Notigung im Hinblick auf einen Verzicht\nerkennbar.\n\n43\n\n \n\nDas Gericht hat in der mundlichen Verhandlung vom 17.04.2007 Beweis erhoben\ndurch Vernehmung der Zeugen C. Ö. und W. K. uber die Umstande des Verzichts\nder Klagerin auf ihr Eigentum im Grundbuch von W. und S., Blatt 52 und 20.\n\n44\n\n \n\nDie Klagerin wurde informatorisch angehort.\n\n45\n\n \n\nZum weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Verfahrensakte sowie auf die\nVerwaltungsvorgange der Beklagten Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n46\n\n \n\nDie Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulassig, aber unbegrundet.\n\n47\n\n \n\nDie angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmaßig und verletzen die\nKlagerin nicht in ihren Rechten. Die Klagerin hat keinen Anspruch auf\nRuckubertragung der streitgegenstandlichen Flurstucke und auch keinen Anspruch\nauf Entschadigung (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).\n\n48\n\n \n\nDer hier allein in Betracht kommende vermogensrechtliche Tatbestand des § 1\nAbs. 3 VermG liegt nicht vor.\n\n49\n\n \n\nNach § 1 Abs. 3 VermG ist eine vermogensrechtliche Schadigung gegeben, wenn\nVermogenswerte sowie Nutzungsrechte aufgrund unlauterer Machenschaften, z.B.\ndurch Machtmissbrauch, Korruption, Notigung oder Tauschung, von Seiten des\nErwerbers, staatlicher Stellen oder Dritter erworben wurden. Diese Bestimmung\nbetrifft solche Vorgange, bei denen im Einzelfall in manipulativer, sittlich\nvorwerfbarer Weise unter Verstoß gegen die Rechtsordnung der DDR auf bestimmte\nVermogenswerte zugegriffen wurde. Ein derartiges qualifiziertes\nEinzelfallunrecht liegt deshalb nicht vor, wenn bei dem Erwerbsvorgang -\ngemessen an den in der DDR gultigen Rechtsvorschriften und den sie tragenden\nideologischen Grundvorstellungen - "alles mit rechten Dingen zugegangen ist"\n(Urteile vom 20. Marz 1997 - BVerwG 7 C 23.96 - BVerwGE 104, 186 <188> =\nBuchholz 428 § 1 VermG Nr. 108 S. 324 <325 f.> und vom 18. Oktober 2000 -\nBVerwG 8 C 23.99 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 19 S. 49 <53>).\n\n50\n\n \n\nDas Gericht hat eine Tauschung der Klagerin durch die Zeugin Ö. nicht\nfeststellen konnen.\n\n51\n\n \n\nEine Tauschung liegt vor, wenn der Getauschte zur Abgabe einer\nWillenserklarung veranlasst wurde, die er ohne die vom Tauschenden\nvorgespiegelten Grunde nicht abgegeben hatte. Die Tauschung kann sowohl durch\nein positives Tun, als auch durch ein pflichtwidriges Unterlassen verwirklicht\nwerden, wobei auf die zu § 123 des Burgerlichen Gesetzbuches - BGB -\nentwickelten Grundsatze zuruckgegriffen werden kann. Dabei ist im Hinblick auf\ndas auch insoweit erforderliche manipulative Element ein zielgerichtetes\nHandeln des Tauschenden erforderlich, das beim Erklarungsempfanger eine\nFehlvorstellung hervorgerufen hat, die zur Abgabe einer Willenserklarung\nfuhrte, welche ihrerseits den Vermogensverlust herbeifuhrte.\n\n52\n\n \n\nEine Schadigung durch Tauschung ware z.B. dann anzunehmen, wenn dem\nAlteigentumer - hier der Klagerin - eine Überschuldungslage des\nGesamtgrundstucks vorgetauscht worden ware, um so einen (Gesamt-)Verzicht zu\nerreichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2001 - 8 C 32.00 -).\n\n53\n\n \n\nDie Zeugin Ö. hat entgegen der Behauptung der Klagerin keine\nÜberschuldungslage vorgetauscht.\n\n54\n\n \n\nDas Gericht geht zwar davon aus, dass die Zeugin der Klagerin erklart hat,\ndiese stunde sich bei einem Verzicht besser als bei einem Verkauf. Sie wurde\nandernfalls mit hohen Schulden rechnen mussen. Das Gericht hat jedoch nicht\ndie Überzeugung gewinnen konnen, dass - wie die Klagerin hingegen in der\nmundlichen Verhandlung angab und sich vielleicht fur sie mit Blick auf die\nVergangenheit so dargestellt haben mag - ihr die Zeugin Ö. bei einem Gesprach\nin X. mitgeteilt habe, dass die Schuld insgesamt auf 100.000,00 M aufgelaufen\nsei. Dem steht die Aussage ihres Ehemannes, des Zeugen W. K., entgegen. Dieser\nhat glaubhaft bekundet, dass uber einen bestimmten Betrag nicht gesprochen\nworden sei. Durch die Zeugin Ö. hatten sie aber Kenntnis uber die Hypothek von\n8.000,00 M und den Umstand, dass ruckwirkend Zinsen aufgelaufen seien,\nerhalten. Die Zinsen hatten sie - wie der Zeuge detailliert geschildert hat -\nnach dem Gesprach selbst ausgerechnet und dabei festgestellt, dass sie das\nniemals hatten bezahlen konnen. Es sei eine "Unsumme" gewesen. Sie seien von\neinem funfstelligen Betrag ausgegangen.\n\n55\n\n \n\nÜber den Wert der streitgegenstandlichen Flache bzw. die Hohe des\nEinheitswerts des Grundstucks hatten sich die Klagerin und ihr Ehemann jedoch\nkeine Gedanken gemacht und waren lediglich davon ausgegangen, dass die\nSchulden bedeutend hoher als der Wert des Grundstuckes gewesen sein mussten.\nDamit korrespondiert auch der Inhalt des Schreibens der Klagerin an den Rat\nder Gemeinde S. vom 08.12.1985, in dem sie erklart hat, nicht verkaufen zu\nwollen, "wenn sie kein Geld dafur erhalte, sondern nur Schulden bezahle, die\nsie nicht verursacht habe". Somit hatte die Hohe des Einheitswerts - ob dies\nnun z.B. 17.400,00 M oder 23.400,00 M gewesen waren - fur die Entscheidung der\nKlagerin, auf den Grundbesitz zu verzichten, keine Rolle gespielt. Dessen\nunzutreffende Angabe hatte also nicht zu einer Tauschung fuhren konnen.\n\n56\n\n \n\nDass der Klagerin eine Überschuldungslage vorgetauscht worden ist, lasst sich\nauch nicht dem beim Sachvorgang der Beklagten befindlichen Schriftwechsel\nentnehmen. Aus dem an die Klagerin gerichteten Schreiben des Rates des Kreises\nvom 26.03.1985 ergibt sich zunachst der Eindruck, die Belastung habe nur in\nHohe von 8.000,00 M bestanden. Bei einem Verzicht erfolge - so der Rat des\nKreises in dem bezeichneten Schreiben weiter - die Ablosung der Belastungen\ndurch den Rat des Kreises. Bei einem Verkauf werde der Kaufpreis zur Ablosung\nder Belastungen angerechnet. Von bestehenden daruber hinausgehenden\nZinsschulden ergibt sich in dem Schreiben nichts. Zwar hat die Zeugin Ö. in\nihrem Schreiben vom 12.09.1985 der Klagerin gegenuber den Verzicht - was der\nRat des Kreises indes nicht getan hatte - als gegenuber dem Verkauf mit Blick\nauf die bestehende Hypothek gunstiger beschrieben. Der Verkauf wurde der\nKlagerin - so die Zeugin in dem bezeichneten Schreiben weiter - finanziell\nkeine große Summe einbringen. Diese musste dann aber fur die Hypothek\naufkommen, was viel Geld ohne jeglichen Nutzen fur die Klagerin bedeuten\nwurde. Die Zeugin hat mit dieser Schilderung jedoch nicht zum Ausdruck\ngebracht, welchen Betrag die Klagerin oder ihre Erben letztlich hatten\nzuruckzahlen mussen. Das Gericht nimmt der Zeugin ab, dass diese selbst im\nUnklaren daruber war, welche Forderungen auf die Klagerin hatten zukommen\nkonnen. Daran andert der Umstand nichts, dass sie der Klagerin - wie oben\nbereits ausgefuhrt - erklart hatte, diese stunde sich bei einem Verzicht\nbesser als bei einem Verkauf. Hier ist von Bedeutung, dass die Klagerin\nunstreitig von der Gemeinde fur die Überlassung einer Flache von 10.000 qm zum\nBau von Eigenheimen - u.a. durch die Familien G. und W. - einen Geldbetrag in\nHohe von 3.000,00 M oder 4.000,00 M erhalten hat, damit die genannten Familien\nbereits vor Eigentumsumschreibung mit dem Bau beginnen konnten. Wie sich der\nbeim Sachvorgang der Beklagten befindlichen Aktennotiz uber ein Gesprach vom\n01.08.1984 entnehmen lasst, hatte die Klagerin zuvor einen finanziellen\nAusgleich fur die Nutzung der bezeichneten Grundstucksflache gefordert. Dass\nsich die Zeugin bei der Berechnung des (Ausgleichs)betrages an der Hohe der\nbestehenden Hypothek orientiert hatte, macht deutlich, dass ihr die Bedeutung\nder Hypothek und also auch die Hohe der die Klagerin treffenden Belastung\nnicht bekannt gewesen waren. Über den Wert der Grundstucke hatte sich die\nZeugin ebenso wie die Klagerin keine Gedanken gemacht. Ihr ging es - wie\nbereits erwahnt - lediglich um Überlassung der 10.000 qm und also nicht um den\nGesamtbesitz der Klagerin zum Eigenheimbau. Soweit der Zeuge K. in der\nmundlichen Verhandlung angegeben hat, die Zeugin Ö. habe ihnen eine\nVerzichtsurkunde gegeben, wird es sich dabei lediglich um den\nÜberlassungsvertrag vom 04.04.1986 uber die 10.000 qm gehandelt haben. Der\nVerzicht der Klagerin auf die Gesamtflache ist ausweislich des Sachvorgangs\nder Beklagten erst vom Rat des Kreises protokolliert und genehmigt worden.\n\n57\n\n \n\nDass sie vom Rat des Kreises bei Abgabe der Verzichtserklarung getauscht\nworden sei, hat die Klagerin nicht vorgetragen.\n\n58\n\n \n\nEs liegen auch keine unlauteren Machenschaften in Form einer Notigung vor.\n\n59\n\n \n\nUnter "Notigung" i.S. des § 1 Abs. 3 VermG ist in Anlehnung an § 240 StGB die\nrechtswidrige Einflussnahme auf die Willensentschließungs- oder\nWillensbetatigungsfreiheit durch Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen\nÜbel zu verstehen (stRspr, vgl. Urteil vom 29. Februar 1996 - BVerwG 7 C 59.94\n- BVerwGE 100, 310, 312 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 68 S. 191 <193> m.w.N.).\nEine Drohung ist das Inaussichtstellen eines kunftigen Übels, dessen Eintritt\ndavon abhangen soll, dass der Bedrohte sich nicht dem Willen des Drohenden\nbeugt. Das angedrohte Übel ist "empfindlich", wenn der in Aussicht gestellte\nNachteil bei objektiver Betrachtung geeignet ist, einen besonnenen Menschen zu\ndem damit erstrebten Verhalten zu bestimmen (Urteil vom 29. Februar 1996 -\nBVerwG 7 C 59.94 - a.a.O.) Ob eine solche Zwangslage von Gewicht bestand, ist\nalso nicht nach der individuellen Einschatzung der Situation durch den\nBetroffenen, sondern anhand eines objektivierten Maßstabs zu ermitteln. Im\nRahmen von § 1 Abs. 3 VermG ist daher zu fragen, ob von einem vernunftigen\nEigentumer in der konkreten Lage erwartet werden konnte, dem mit dem\nVerzichtsverlangen ausgeubten Druck zu widerstehen. Dementsprechend genugt die\nnur subjektiv gegrundete Vorstellung, sich in einer Zwangslage zu befinden,\nnicht fur die Annahme eines Notigungstatbestandes (Urteil vom 19. Februar 1996\n- BVerwG 7 C 59.94 - a.a.O. m.w.N.).\n\n60\n\n \n\nFur eine Notigung liegen hier keine konkreten Anhaltspunkte vor.\n\n61\n\n \n\nEs gab kein Verzichtsverlangen. Eine Alternative (Verkauf) wurde der Klagerin\neroffnet. Sie hatte die Moglichkeit gehabt, Rucksprache mit dem Rat des\nKreises zu nehmen. Dieser Kontakt war auch nicht behindert.\n\n |
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111,376 | lg-kiel-2005-02-23-1-s-29704 | 1,064 | Landgericht Kiel | lg-kiel | Kiel | Schleswig-Holstein | 1 S 297/04 | 2005-02-23 | 2018-11-26 22:30:20 | 2019-01-17 11:35:32 | Beschluss | ECLI:DE:LGKIEL:2005:0223.1S297.04.0A | #### Tenor\n\n \n\nAnmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs:\n\n \n\nDer Tenor wurde vom Gericht nicht mitgeteilt.\n\n \n\n#### Grunde\n\n1\n\n \n\nDie Kammer beabsichtigt, die Berufung vom 17.12.2004 nach § 522 Abs. 2 ZPO\ndurch einstimmigen Beschluss zuruckzuweisen, weil die Berufung keine Aussicht\nauf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsatzliche Bedeutung hat und die\nFortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung\neine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert.\n\n2\n\n \n\nNach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestutzt werden, dass die\nEntscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO\nzugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.\n\n3\n\n \n\nNach § 529 ZPO sind dabei die vom Gericht des ersten Rechtszuges\nfestgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete\nAnhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollstandigkeit der\nentscheidungserheblichen Feststellungen begrunden und deshalb eine erneute\nFeststellung gebieten.\n\n4\n\n \n\nDie Voraussetzungen des § 513 ZPO sind hier nicht erfullt.\n\n5\n\n \n\nDas Amtsgericht hat Anspruche des Klagers aus den §§ 823 BGB, 7 StVG, 3 PflVG\nim Ergebnis zu Recht verneint.\n\n6\n\n \n\nBedenken bestehen allerdings insoweit, als das Amtsgericht von einem\nAnscheinsbeweis fur einen manipulierten Unfall ausgeht. Der Tatrichter ist in\nseiner Beweiswurdigung zwar grundsatzlich frei. Die Voraussetzungen des\nAnscheinsbeweises sind im Rahmen der §§ 513, 546 ZPO aber zu prufen (Zoller-\nGummer, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 546 Rn. 13m. w. N.).\n\n7\n\n \n\nOb die Frage eines provozierten Unfalls dem Anscheinsbeweis zuganglich ist,\nwird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt (bejahend: OLG\nZweibrucken VersR 1988, 970; verneinend: OLG Dusseldorf NZV 1996, 321; nur in\nAusnahmefallen denkbar: BGH VersR 1978, 862). Die Kammer verneint dies. Der\nSache nach geht es um die Frage, ob der Eigentumer in die Beschadigung seines\nKraftfahrzeuges eingewilligt hat, so dass die Rechtswidrigkeit und damit ein\nAnspruch des Geschadigten sowohl aus § 823 BGB als auch aus § 7 StVG entfallt\n(BGH VersR 1978, 865). Dabei beruht die Einwilligung auf einem individuellen\nWillensentschluss des Geschadigten, der stark von seiner Personlichkeit und\nseinen Wert- und Moralvorstellungen abhangt und fur den es keinen typischen\nGeschehensablauf gibt, was aber Voraussetzung fur einen Anscheinsbeweis ware\n(BGH NJW 1988, 2040, OLG Dusseldorf NZV 1996, 321).\n\n8\n\n \n\nIst das Amtsgericht damit von einem unzutreffenden Beweismaß ausgegangen, weil\nfur eine Einwilligung des Klagers in die Beschadigung seines PKW der volle\nBeweis zu erbringen ist, so kann die Kammer die Beweiswurdigung selbst\nvornehmen. Aufgrund der Indizien sieht sie diesen Vollbeweis als erbracht an:\n\n9\n\n \n\nBereits der Unfallhergang selbst ist so unplausibel, dass der Verdacht einer\nvorsatzlichen Herbeifuhrung nahe liegt. Nach den uberzeugenden Angaben der\nunbeteiligten Zeugin K. fuhr der Beklagte zu 1) zunachst an den parkenden\nAutos vorbei, um dann ohne jeden erkennbaren Grund nach rechts gegen das\nparkende Fahrzeug des Klagers abzubiegen. Die Annahme der Berufung, der\nBeklagte habe falsch reagiert, weil die parkenden Fahrzeuge fur ihn plotzlich\naufgetaucht seien und ihm zudem die Zeugin entgegen gekommen sei, uberzeugt\nnicht, denn der Beklagte zu 1) war nach der Aussage der Zeugin bereits an\neinigen parkenden Fahrzeugen vorbeigefahren und die Zeugin selbst noch so weit\nentfernt, dass sie erst nach dem Unfall abgebremst und noch in einiger\nEntfernung angehalten hat. Aus dieser Aussage ergibt sich im Übrigen, dass die\nStraße zum Unfallzeitpunkt nicht besonders belebt war.\n\n10\n\n \n\nGegen einen gestellten Unfall spricht auch weder die Geschwindigkeit des\nBeklagten zu 1) noch die Tatsache, dass er gegen ein parkendes Auto gefahren\nist. Die genaue Geschwindigkeit steht nicht fest; nach Angaben der Zeugin K.\nwar sie unauffallig. Dass das Auto des Klagers parkte und nicht fuhr, spricht\neher fur als gegen einen gestellten Unfall. Denn die Folgen eines Unfalls mit\nzwei sich bewegenden Fahrzeugen sind schwerer zu kalkulieren.\n\n11\n\n \n\nNeben dem Unfallhergang als solchem sprechen auch weitere Indizien dafur, dass\nder Beklagte zu 1) den Unfall vorsatzlich herbeigefuhrt hat. So ist es fur\ngestellte Unfalle typisch, dass das Fahrzeug des vermeintlich Geschadigten -\nwie hier - relativ alt ist, so dass sich eine Abrechnung auf Gutachtenbasis\nbei unterlassener Reparatur lohnt. Auch spricht es fur einen gestellten\nUnfall, dass das vom Beklagten zu 1) gefuhrte Fahrzeug nicht sein eigenes,\nsondern ein Mietfahrzeug war, so dass er selbst keine großen wirtschaftlichen\nNachteile durch den Unfall zu erwarten hatte.\n\n12\n\n \n\nDer Beklagte zu 1) ist zudem unstreitig in einem Zeitraum von knapp 13 Monaten\nin insgesamt acht Unfalle verwickelt gewesen. Die Unfalle vom 6. August, 11.\nSeptember und 13. September 2002 liefen zudem insofern auf die gleiche Weise\nab wie der streitgegenstandliche Unfall vom 22. August 2002, als stets\nvorgegeben wurde, dem Gegenverkehr ausweichen zu mussen und dabei ein\nparkendes Fahrzeug beschadigt zu haben. Eine derartige Unfallserie ist so\nungewohnlich, dass sie mit normalen, hin und wieder vorkommenden\nMissgeschicken nicht mehr zu erklaren ist. Das gilt umso mehr, als der\nBeklagte zu 1) in der Vergangenheit haufiger den Versicherer gewechselt hat,\nnachdem er bereits am Zulassungstag oder ein paar Tage danach KFZ-\nHaftpflichtschaden verursacht hat. Ob er sich - wie eine Zeugin im\nErmittlungsverfahren ausgesagt hat - damit gebrustet hat, geschaftsmaßig\nUnfalle zu fingieren, ist vor diesem Hintergrund unerheblich.\n\n13\n\n \n\nFur eine Verabredung des Klagers und des Beklagten zu 1), den Unfall\nherbeizufuhren, spricht auch deren Verhalten im Prozess. Der Beklagte zu 1)\nhat sich - untypisch fur Schadensersatzprozesse nach Verkehrsunfallen - im\nProzess nicht zur Sache geaußert und ist zum Termin trotz ordnungsgemaßer\nLadung nicht erschienen. Obwohl er nach Mitteilung seiner Rechtsanwalte\nbereits seit Ende Oktober aus der Turkei zuruckgekehrt und am 3. November 2004\nmit diesen Kontakt aufgenommen hatte, hat er erst am 17. November - einen Tag\nvor dem Termin - mitteilen lassen, dass sich er (wieder?) in der Turkei\nbefinde.\n\n14\n\n \n\nDer Klager hat das untypische Prozessverhalten des Beklagten zu 1)\nvorausgesehen, als er mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2002 mitteilen ließ,\nmit einem Bestreiten des Klagvortrags sei nicht zu rechnen. Das lasst es wenig\nglaubhaft erscheinen, dass der Beklagte zu 1), der zudem unstreitig mit dem\nBruder des Klagers bekannt ist, dem Klager selbst vollig unbekannt sein soll.\n\n15\n\n \n\nAuch wenn jedes Indiz fur sich genommen noch erklarbar sein mag, rechtfertigt\ndie Gesamtheit der oben genannten Indizien ungeachtet der abweichenden Ansicht\nder Staatsanwaltschaft die Annahme eines fingierten Unfalls. Dass unmittelbar\nnach dem Unfall mehrere Personen zur Unfallstelle kamen, andert daran nichts,\nzumal unklar ist, um wen es sich dabei handelt. Ob der Klager die Polizei\nhinzugezogen hat, spielt ebenfalls keine Rolle, denn nach eigenen Angaben will\ner erst gegen 10:00 Uhr zu seinem Auto gekommen sein, einen Zettel an seiner\nWindschutzscheibe vorgefunden und erst daraufhin die Polizei verstandigt\nhaben. Der Unfall hat sich aber nach Aussage der Zeugin K. bereits gegen 8:40\nUhr ereignet.\n\n16\n\n \n\nDer Berufungsfuhrer erhalt Gelegenheit, hierzu binnen 2 Wochen Stellung zu\nnehmen.\n\n \n\n |
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111,569 | ovgmv-2007-02-02-3-m-1207 | 484 | Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern | ovgmv | Mecklenburg-Vorpommern | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 3 M 12/07 | 2007-02-02 | 2018-11-27 01:30:06 | 2019-01-17 11:35:34 | Beschluss | #### Tenor\n\n \n\nAuf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des\nVerwaltungsgerichts Greifswald vom 01.02.2007 geandert.\n\n \n\nDie aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die\nNutzungsuntersagung des Antragsgegners vom 23.01.2007 wird mit folgenden\nMaßgaben wiederhergestellt:\n\n \n\n1\\. Die Larmemissionen sind auf das notwendige Maß zu reduzieren. Die\nImmissionsrichtwerte "Außen" gemessen an der dem K.- Haus zugewandten\nAußenwand des nachstgelegenen Wohnhauses werden festgesetzt auf tagsuber 60 dB\n(A) und nachts 45 dB (A). Als Nachtzeit gilt die Zeit von 22.00 Uhr bis 06.00\nUhr.\n\n \n\n2\\. Zum Schutz der Wohnbevolkerung vor Larm und Abgasen hat der Antragsgegner\nals untere Verkehrsbehorde eine Anordnung nach § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO zu\ntreffen, nach der das Befahren der R.-Straße mit Kraftfahrzeugen am 03.02.2007\nab 22.00 Uhr bis zum 04.02.2007 um 8.00 Uhr untersagt wird.\n\n \n\n3\\. Der Parkplatz bei der Veranstaltungsstatte darf durch Mitglieder und\nMitarbeiter des Veranstalters, d.h. nicht durch Besucher, am 03.02.2007 bis\n22.00 Uhr angefahren werden.\n\n \n\n4\\. Es ist ein Ordnerdienst einzurichten, der den Zu- und Abgangsverkehr (PKW\nund Fußganger) regelt und auf die Besucher des KKH dahingehend einwirkt, das\nverkehrsrechtliche Verbot zu beachten und unnotige Larmbelastigung und\nVerunreinigung der Vorgarten etc. der Anwohner zu vermeiden.\n\n \n\nIm Übrigen wird der Antrag abgelehnt.\n\n \n\nDie Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 1/2, der Antragsgegner\nzu 1/4 und die Beigel. zu 3. - 10. je zu 1/32. Die außergerichtlichen Kosten\nder Beigeladenen zu 3. - 10. tragen diese zu 1/2 selbst; im Übrigen der\nAntragsteller. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. und 2.\nsind nicht erstattungsfahig.\n\n \n\nDer Streitwert fur das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- festgesetzt.\n\n#### Grunde\n\n1\n\n \n\nDas Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag des\nAntragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines\nWiderspruchs gegen die fur sofort vollziehbar erklarte Nutzungsuntersagung des\nAntragsgegners vom 23.01.2007 fur eine vom Antragsteller im ehemaligen K.-\nHauses W. in der Zeit vom 03.02.2007, 19.00 Uhr, bis zum 04.02.2007, 04.00\nUhr, geplante Veranstaltung abgelehnt. Das Interesse des Antragsgegners am\nsofortigen Vollzug der Nutzungsuntersagung uberwiege das Interesse des\nAntragstellers an der Durchfuhrung der Veranstaltung, da er im\nWiderspruchverfahren und einem sich eventuell anschließenden\nHauptsacheverfahren die Aufhebung der Verfugung nicht erreichen konne. Fur die\ngeplante Nutzung des Gebaudes bestehe keine bauaufsichtliche Zulassung und die\nformelle Illegalitat der Nutzung rechtfertige den Erlass der\nstreitgegenstandlichen Verfugung. Auch wenn es sich bei der Veranstaltung um\neine Versammlung i.S.v. Art. 8 Abs. 1 GG handeln sollte, konne diese nicht in\neinem fur diesen Zweck baurechtlich nicht genehmigten Gebaude durchgefuhrt\nwerden.\n\n2\n\n \n\nDie hiergegen gerichtete zulassige, insbesondere fristgerecht eingelegte und\nbegrundete Beschwerde hat im tenorierten Umfang Erfolg.\n\n3\n\n \n\nZu Recht verweist das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO maßgebende\nBeschwerdevorbringen auf den nach Auffassung des Antragstellers bestehenden\nCharakter der geplanten streitgegenstandlichen Veranstaltung als Versammlung\ni.S.v. Art. 8 GG.\n\n4\n\n \n\nVersammlungen im Sinne des Art. 8 GG sind ortliche Zusammenkunfte mehrerer\nPersonen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der offentlichen\nMeinungsbildung gerichteten Erorterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, B. v.\n24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 - BVerfGE 104, 92 =\nDVBl 2002, 256). In den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit fallen\nVersammlungen auch dann, wenn sie ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von\nMusik und Tanz verwirklichen und diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung\nmit der Ziel der Einwirkung auf die offentliche Meinungsbildung eingesetzt\nwerden. Von der Versammlungsfreiheit sind solche Veranstaltungen auch dann\nerfasst, wenn sie sich z.B. dafur einsetzen, dass bestimmte Musik- und\nTanzveranstaltungen auch in Zukunft ermoglicht werden. Andererseits wird eine\nsolche Veranstaltung nicht allein dadurch zu einer Versammlung i.S.v. Art. 8\nGG, das bei ihrer Gelegenheit auch Meinungskundgaben erfolgen. Es ist\nverfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die rechtliche Beurteilung danach\nzu richten, ob die Veranstaltung ihrem Gesamtgeprage nach eine Versammlung ist\noder ob der Spaß-, Tanz- oder Unterhaltungszweck im Vordergrund steht. Bleiben\nZweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die\nVeranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG, B. v.\n12.07.2001 - 1 BvQ 28/01 und 1 BvQ 30/01 -, NJW 2001, 2459).\n\n5\n\n \n\nBei Anwendung der o.g. Grundsatze spricht einiges dafur, dass es sich bei der\nvom Antragsteller geplanten Veranstaltung mit dem beschriebenen Inhalt um eine\nVersammlung i.S.v. Art. 8 GG handelt.\n\n6\n\n \n\nNach den Ausfuhrungen in der Beschwerdebegrundung fuhrt der Antragsteller die\nVersammlung eine Woche vor der Landratswahl mit den zwei Schwerpunkten "Freie\nWillensbildung zum Thema "Abbau der Freizeitangebote fur jungere Menschen""\nund "Vorstellung des Landratskandidaten der A. - Partei" durch. Der\nAntragsteller will insbesondere auf die besondere Situation der Jugendlichen\nim Landkreis, namentlich das Fehlen des vorgesehenen Veranstaltungsorts als\nTreffpunkt fur Jugendliche hinweisen. Er mochte hierzu wahrend der gesamten\nDauer der Veranstaltung eine Unterschriftenaktion durchfuhren. Samtliche\nLeistungen im Zusammenhang mit der Durchfuhrung der Veranstaltung wurden\nausschließlich von Mitgliedern des Antragstellers erbracht und es werde kein\nEintrittsgeld erhoben. Neben dem Landratskandidaten wurden Mitglieder des\nBundestages und des Landtages mit Wortbeitragen an der politischen\nWillensbildung mitwirken und samtliche Raume des K.- Hauses wurden mit Fahnen,\nPlakaten und Flyern tapeziert.\n\n7\n\n \n\nZweifel am Versammlungscharakter der Veranstaltung bestehen allerdings im\nHinblick auf den geplanten Zeitrahmen der Veranstaltung von 19.00 Uhr bis\n04.00 Uhr, fur den sich der Anteil an Meinungskundgaben im Verhaltnis zu\nVergnugungsanteilen weder aus den Darlegungen des Antragstellers hinreichend\ndeutlich ergibt noch im Rahmen der im Eilverfahren gebotenen summarischen\nPrufung aufklaren lasst. Erweist sich der Versammlungscharakter der\nVeranstaltung danach als offen, gebieten die o.g. Grundsatze, die\nVeranstaltung als Versammlung zu behandeln.\n\n8\n\n \n\nDies ist im Rahmen der auf § 80 Abs. 2 LBauO M-V gestutzten\nNutzungsuntersagungsverfugung durch den Antragsgegner zu treffenden\nErmessenentscheidung einzustellen, da er durch die Verfugung die konkrete\nVeranstaltung untersagt hat. Ob dies auch dann gelten wurde, wenn der\nAntragsgegner eine allgemeine Nutzungsuntersagung ausgesprochen hatte mit dem\nInhalt, dass eine typisierte Nutzung generell untersagt wird, kann\ndahinstehen, da er eine solche Anordnung nicht erlassen hat.\n\n9\n\n \n\nAuch wenn der Antragsgegner in der Beschwerdeerwiderung insoweit zutreffend\nmeint, dass dies nicht dazu fuhren konne, dass samtliche anderen offentlich-\nrechtlich geschutzten Rechtsguter Dritter hintan stehen mussten und\nBestimmungen des Bauordnungs- und Bauplanungsrechts nicht außer Kraft gesetzt\nwerden konnten, mussen auch Maßnahmen ohne unmittelbaren Bezug zum\nVersammlungsrecht - soweit sie im Ergebnis zu Beschrankungen der Ausubung der\nVersammlungsfreiheit fuhren - inhaltlich auch mit Rucksicht auf das Grundrecht\nder Versammlungsfreiheit legitimiert werden konnen. Soweit Ermachtigungsnormen\nprimar Ordnungscharakter haben, im konkreten Fall aber nicht zur Abwehr von\nGefahren fur Leib und Leben oder andere wichtige Rechtsguter dienen, reichen\nsie regelmaßig nicht als Rechtsgrundlage, um die Ausubung der\nVersammlungsfreiheit beschranken zu konnen. Ist es aber moglich, die\nModalitaten der Durchfuhrung der Versammlung ohne Gefahrdung des\nVersammlungszwecks zu andern und den Normen dadurch Rechnung zu tragen, so\ntreten sie nicht in ihrer Anwendung zuruck (vgl. Hoffmann-Riem in Alternativ -\nKommentar zum Grundgesetz fur die BRD - AK -, Art. 8 Rn. 30 und 55).\n\n10\n\n \n\nOb bei Anwendung dieser Grundsatze die streitgegenstandliche Verfugung dem\nSchutzbereich des Art. 8 GG hinreichend Rechnung tragt, kann offen bleiben.\nDenn zum einen dient sie erkennbar nicht der Abwehr von Gefahren fur Leib und\nLeben oder anderer vergleichbarer Rechtsguter, wirkt sich zum anderen aber als\nfaktisches Versammlungsverbot aus, so dass die Rechtmaßigkeit der Verfugung\ndamit nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prufung der Sach- und\nRechtslage im Ergebnis wenigstens als offen zu bezeichnen ist. Die in diesem\nFall vom Gericht zu treffende Abwagung hat nach o.g. Grundsatzen zugunsten der\nDurchfuhrung der Veranstaltung als Versammlung durch den Antragsteller\nauszugehen.\n\n11\n\n \n\nAllerdings sind nach o.g. Grundsatzen auch die Modalitaten der Durchfuhrung\nder Versammlung zu berucksichtigen, um dem Ordnungsrecht Rechnung zu tragen.\nDie in diesem Zusammenhang zu prufenden Auflagen fur die Durchfuhrung der\nVersammlung liegen dabei im Gestaltungsermessen des Gerichts. Zu\nberucksichtigen sind dabei Aspekte des vom Verwaltungsgericht angefuhrten\nbaurechtlichen Rucksichtsnahmegebots und hier insbesondere die Vermeidung\nunzumutbarer Larmbeeintrachtigungen fur die Anwohner. Denn insoweit hat das\nBaurecht hinter dem Versammlungsrecht jedenfalls dann nicht zuruckzutreten,\nwenn letzteres durch die einschrankenden Auflagen nur am Rande beruhrt wird.\nZum Schutz der Anwohner vor unzumutbaren Larmbeeintrachtigungen durch die\nVeranstaltung im und am Gebaude selbst sind die sich aus der TA - Larm\nergebenden Grenzwerte gemaß Ziffer 1. der Auflagen im Beschlusstenor\neinzuhalten. Die unter Ziffern 2. bis 4. erteilten Auflagen sind zum\nFernhalten der Larmbeeintrachtigungen durch Park- und Parksuchverkehr in der\nR.-Straße zur Nachtzeit erforderlich. Diese Auflagen erscheinen fur die\nBeteiligten auch zumutbar; sie entsprechen im Wesentlichen der Vereinbarung\nvom 27.12.2005. Durch die vorgesehene verkehrsrechtliche Anordnung sind sie\nnotfalls auch hoheitlich durchsetzbar.\n\n12\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 162 Abs.3 i.V.m. 154 Abs. 3\nVwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.\n\n13\n\n \n\nDer Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).\n\n |
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128,198 | olgsl-2004-06-30-5-u-65603 | 939 | Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken | olgsl | Saarland | Oberlandesgericht | 5 U 656/03 | 2004-06-30 | 2019-01-07 09:29:46 | 2019-02-12 14:05:07 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Die Berufung des Klagers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrucken vom\n9.10.2003 - 12 O 11/03 - wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Dem Klager wird nachgelassen, die\nZwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe von 115 % des\nvollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der\nZwangsvollstreckung in gleicher Hohe Sicherheit leistet.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n5\\. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 34.907,08 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\nI. Der Klager, ein Brunnenbaupolier, nimmt die Beklagte aus einer\nBerufsunfahigkeitszusatzversicherung in Anspruch.\n\nDer Klager beantragte unter dem 15.7.2000 bei der Beklagten den Abschluss\neiner Risiko-Lebensversicherung sowie einer\nBerufsunfahigkeitszusatzversicherung. Fur den Fall der Berufsunfahigkeit wurde\neine monatliche Rentenzahlung von 1.000 DM vereinbart (Versicherungsschein vom\n27.9.2000, Bl. 68 f. d.A.). Das Antragsformular (Bl. 91 d.A.) enthielt Fragen\nzur Gesundheit des Klagers. Die Frage Nr. 1 -"Litten Sie in den letzten zehn\nJahren, oder leiden Sie zur Zeit an Krankheiten, Storungen oder Beschwerden\n(z.B. Herz oder Kreislauf, Atmungs-, Verdauungs-, Harn- oder\nGeschlechtsorgane, Wirbelsaule, Nerven, Psyche, Blut, Zucker,\nFettstoffwechsel, Geschwulste oder sonstige Erkrankungen)? Wann, woran, wie\nlange, Folgen?" - beantwortete der Klager mit "Schleimbeutelentzundung/Knie".\nAuf die Frage Nr. 2 - "Sind Sie in den letzten zehn Jahren untersucht,\nberaten, behandelt oder operiert worden? Wann und weshalb, beanspruchte\nÄrzte?" - gab der Klager eine Knieoperation an. Als den uber seine\nGesundheitsverhaltnisse am besten unterrichteten Arzt nannte der Klager Herrn\nDr. T., B.. Die ubrigen Fragen verneinte er.\n\nTatsachlich war der Klager zwischen dem 8.5.1995 und dem 12.4.1999 wegen\nSchulterschmerzen links, Ischialgie, Periarthritis humeroscapularis,\nHexenschuss, Lumboischialgie, Schultersteife links, Lumbago und akutem\nMuskelhartspann - wie das angefochtene Urteil festgestellt hat und in dem\nBerufungsverfahren unstreitig geworden ist (Bl. 140 d.A.) - arbeitsunfahig\nerkrankt.\n\nDie Beklagte ubersandte dem Klager zunachst eine Antragskopie zur Klarung der\nFrage, wann die Schleimbeutelentzundung aufgetreten ist und ob ihre Folgen\nausgeheilt seien. Der Klager erwiderte darauf "1999 Monat 8v". Daraufhin bat\ndie Beklagte Herrn Dr. T. um einen arztlichen Bericht, den sie unter dem\n24.7.2000 erhielt. Auf die Frage, wegen welcher Gesundheitsstorungen oder\nKrankheiten Herr Dr. T. den Klager bisher untersucht oder behandelt habe,\nantwortete Herr Dr. T. mit "Knieproblemen auf der rechten Seite". Auf die\nFrage nach Arbeitsunfahigkeitszeiten in den letzten drei Jahren gab er an:\n"Problematik mit der Bursitis am rechten Knie und Infekte". Daraufhin\npolicierte die Beklagte unter dem 27.9. 2000 den Vertrag.\n\nIm Fruhjahr 2002 begab sich der Klager in arztliche Behandlung wegen eines\nLendenwirbelsaulensyndroms, degenerativer Wirbelsaulenveranderungen und einer\nHuftgelenksarthrose rechts. Danach erhob er am 12.4.2002 bei der Beklagten\nAnspruche aus der Berufsunfahigkeitsversicherung. Dabei gab er an, dass er\nseit drei Jahren in Zusammenhang mit der Erkrankung der Wirbelsaule und der\nHufte arbeitsunfahig sei. Die Auskunfte der zustandigen Krankenkasse, die die\nAuflistung der Arbeitsunfahigkeitszeiten der letzten Jahre enthielten, gingen\nbei der Beklagten am 26.6.2002 ein; Angaben der LVA, die die\nkorrespondierenden Krankheitsbilder und deren Verlauf beschrieben, erhielt die\nBeklagte am 25.6.2002.\n\nMit Schreiben vom 9.7.2002, dem Klager am 13.7.2002 zugegangen, erklarte die\nBeklagte gegenuber dem Klager, dass sie von dem Versicherungsvertrag\nzurucktrete, seinen Abschluss gleichzeitig wegen arglistiger Tauschung\nanfechte.\n\nDer Klager hat behauptet, seit April 2002 konne er in seinem Beruf als\nBrunnenbaupolier uberhaupt nicht mehr tatig werden; die weitere Berufsausubung\nberge die Gefahr einer Querschnittslahmung.\n\nDas Landgericht hat die Klage mit der angefochtenen Entscheidung abgewiesen.\nDagegen wendet sich der Klager mit seiner Berufung.\n\nDer Klager meint, die angefochtene Entscheidung habe ihm zu Unrecht\narglistiges Verhalten unterstellt; andere Grunde als Arglist konnten das\nVerschweigen der Vorerkrankung tragen, weil er der Auffassung gewesen sei nur\nangeben zu mussen, worunter er zum Zeitpunkt der Antragstellung noch gelitten\nhabe. Gegen ein arglistiges Verhalten spreche auch der Umstand, dass er die\nAnschrift seines Hausarztes im Antragsformular angegeben habe. Im ubrigen\ndurfe sich die Beklagte auf Arglist auch nicht berufen, weil sie es in der\nHand gehabt habe, durch deutlich lesbare, drucktechnisch hervorgehobene\nHinweise einen Versicherungsnehmer auf nachteilige Rechtsfolgen einer\nsorglosen Beantwortung von Gesundheitsfragen hinzuweisen. Eine Praxis, eine\narztliche Untersuchung eines Versicherungsnehmers erst dann zu fordern, wenn\nder Versicherungsnehmer Rechte aus dem Versicherungsvertrag herleite, verstoße\ngegen Treu und Glauben. Ein Versicherer musse eine solche arztliche\nUntersuchung vor Abschluss des Vertrages veranlassen. Gegen Treu und Glauben\nverstoße es auch, wenn sich die Beklagte nicht vor Abschluss des\nVersicherungsvertrages durch den von dem Klager angegebenen Arzt umfassend\nuber Vorerkrankungen unterrichtet.\n\nDer Klager beantragt,\n\n"unter Abanderung des Urteils des Landgerichts Saarbrucken vom 9.10.2003 - 12\nO 11/03 - nach Maßgabe der erstinstanzlichen Antrage zu entscheiden".\n\nDie Beklagte beantragt,\n\ndie Berufung des Klagers zuruckzuweisen.\n\nSie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.\n\nII. Die Berufung des Klagers hat keinen Erfolg. Das Urteil des Landgerichts\nberuht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen es nach § 529 ZPO\nzugrunde zu legende Tatsachen anders zu entscheiden (§§ 513, 529 ZPO). Der von\nden Parteien geschlossene Versicherungsvertrag ist auf Grund der von der\nBeklagten ausgesprochenen Anfechtung wegen arglistiger Tauschung nach § 142\nAbs. 1 BGB, § 22 VVG, § 123 Abs. 1 BGB nichtig.\n\n1\\. Die Beklagte hat den Vertrag mit ihrem Schreiben vom 9.7.2002, dem Klager\nam 13.7.2002 zugestellt, rechtzeitig (§ 124 Abs. 1, 2 BGB) angefochten (§ 143\nAbs. 1 BGB).\n\n2\\. Der Klager hat die Beklagte bei Antragstellung getauscht, indem er auf die\nvon der Beklagten gestellten Frage nach Krankheiten, Storungen oder\nBeschwerden, an denen er in den letzten zehn Jahren gelitten habe, lediglich\neine Schleimbeutelentzundung im Knie angegeben, tatsachlich vorhandene\nzahlreiche Beschwerden des Skeletts, vor allem im Schulter- und Lumbalbereich,\nverschwiegen hat.\n\n3\\. Das ist arglistig geschehen.\n\nVon einem arglistigen Verhalten ist auszugehen, wenn der Tauschende weiß oder\ndamit rechnet, dass er Unzutreffendes behauptet, dass dadurch bei dem\nEmpfanger seiner Erklarung eine falsche Vorstellung entsteht und dass der\nGetauschte auf Grund dieses Umstandes eine Erklarung abgibt, die er bei\nrichtiger Kenntnis der Dinge nicht oder nicht so abgegeben haben wurde (vgl.\nHk-BGB/Dorner, 3. Aufl., § 123 Rdn. 5 m.w.N.). Auf Arglist als innere Tatsache\nkann regelmaßig nur auf der Grundlage von Indizien geschlossen werden. Fur ein\narglistiges Verhalten eines Versicherungsnehmers gegenuber seinem Versicherer\nbei Antragstellung kann sprechen, wenn er schwere, chronische, schadengeneigte\nErkrankungen oder immer wieder auftretende zahlreiche Erkrankungen oder\ndauerhafte Erkrankungen oder gesundheitliche Beeintrachtigungen, die zu\nerheblichen Einschrankungen des Alltags fuhren oder solche verschwiegen hat,\ndie offenkundig fur das versicherte Risiko erheblich sind. Auch die Angabe\neiner belanglosen Erkrankung bei Verschweigen einer belangvollen kann ein\nIndiz fur Arglist sein (vgl. u.a. BGH NJW-RR 1991, 412; Senat, VersR 1996,\n488). Ist objektiv von einer Tauschung auszugehen, so ist es allerdings Sache\ndes Versicherungsnehmers, plausibel darzulegen, warum und wie es zu den\nobjektiv falschen Angaben gekommen ist (Romer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 22\nRdn. 6 m.w.N.).\n\nDiese rechtlichen Grundsatze hat die angefochtene Entscheidung\nrechtsfehlerfrei (§ 513 Abs. 1, § 546 ZPO) angewendet. In dem Zeitraum, auf\nden sich die Frage nach gesundheitlichen Beeintrachtigungen des Klagers in dem\nAntragsformular der Beklagten bezog, litt der Klager wiederholt an Beschwerden\nim Bereich des Schultergelenks und der Lendenwirbelsaule. Diese Erkrankungen\nwaren so erheblich, dass er in den letzten funf Jahren vor der Antragstellung\n499 Tage arbeitsunfahig war. Die Arbeitsunfahigkeitszeiten erstreckten sich\nuberwiegend nicht uber einzelne Tage sondern, vor allem 1995/1996, aber auch\n1998/1999 uber mehrere Monate. Dem Klager war also vor Antragstellung bewusst,\ndass er ganz erhebliche Teile eines uberschaubaren Zeitraums vor der\nAntragstellung an Leiden erkrankt war, die ihm ein weiteres berufliches\nTatigwerden versagten. Diese Gebrechen lagen bei Antragstellung keineswegs so\nlange zuruck - soweit ersichtlich war der Klager noch eineinhalb Jahre vor\nAntragstellung viele Monate arbeitsunfahig geschrieben -, dass er diese Leiden\nvergessen haben konnte. Auch zeigt die Angabe einer in den gleichen Zeitraum\nfallenden und eher weniger belangvollen Schleimbeutelentzundung im Knie, dass\ndem Klager bewusst war, vergangene gesundheitliche Beschwerden angeben zu\nmussen. Daher leuchtet nicht ein, wenn er vortragt, er sei davon ausgegangen,\nnur solche Krankheiten, Storungen oder Beschwerden angeben zu mussen, die noch\nnicht ausgeheilt seien oder die er als Beeintrachtigung seiner\nArbeitsfahigkeit habe verstehen mussen. Davon abgesehen schließt die\nunmittelbare Auswirkung seiner gesundheitlichen Beeintrachtigungen auf seine\nberufliche Tatigkeit unmittelbar vor Beantragung einer\nBerufsunfahigkeitszusatzversicherung es aus, andere Grunde fur das\nVerschweigen von Vorerkrankungen anzunehmen als Arglist.\n\nEine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass der Klager in dem\nAntragsformular als den am besten uber seine gesundheitlichen Verhaltnisse\nunterrichteten Arzt Herrn. Dr. T., B., angegeben hat. Die trotz einer\nVerneinung der Frage nach Krankheiten, Beschwerden oder Storungen erfolgende\nAngabe eines Hausarztes schließt die Annahme von Arglist nicht aus (BGH, Urt.\nv. 7.3.2001 - IV ZR 254/00 -, VersR 2001, 620; Senat, zfs 2003, 186, 187). Sie\nkann vielmehr die Irrefuhrung eines Versicherers geradezu verstarken. Ein\nHausarzt wird auch wegen gesundheitlicher Beeintrachtigungen in Anspruch\ngenommen, die belanglos oder schnell verganglich und daher fur die\nRisikoprufung des Versicherers nicht von Interesse sind. Werden\nGesundheitsfragen verneint und wird gleichwohl ein Hausarzt genannt, so kann\ndadurch der Schein erzeugt und verstarkt werden, der Versicherer konne sich\nauf die Richtigkeit der Angaben des Versicherungsnehmers verlassen, weil der\nVersicherungsnehmer ihm sogar eine neutrale Informationsquelle benennt. Das\ngilt gerade fur den Klager. Aus der von dem Versicherer eingeholten Auskunft\ndes Hausarztes ergeben sich namlich die Vorerkrankungen gerade nicht. Der\nKlager muss also, folgt man den Angaben von Herrn Dr. T., vorvertraglich noch\nbei anderen Ärzten in - langer dauernden - Behandlungen gewesen sein. Die\nBenennung des Arztes Dr. T., B., im Versicherungsantrag hat also die Beklagte\nzusatzlich in die Irre gefuhrt.\n\n4\\. Die Beklagte ist auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert,\nsich auf ihr Anfechtungsrecht zu berufen. Insoweit kann dahinstehen, ob sich\nein Versicherungsnehmer, der seinen Versicherer arglistig getauscht hat, dem\nVersicherer gegenuber uberhaupt darauf berufen darf, er handele treuwidrig,\nwenn er den Versicherungsvertrag anficht (zum Streitstand vgl. Berliner\nKommentar-Voit, § 22 Rdn. 18; zu Recht zweifelnd Romer, r+s 1998, 45, 48;\noffen gelassen vom Senat, Urt. v. 20.12.2000 - 5 U 627/00 -; Zfs 2003, 186).\nEin treuwidriges Verhalten kann namlich der Beklagten nicht vorgeworfen\nwerden.\n\na. Ein treuwidriges Verhalten folgt schon von vornherein nicht daraus, dass\ndie Beklagte einer sie treffenden Nachfrageobliegenheit - ob sie bei Arglist\nbesteht, kann offen bleiben - vor Vertragsschluss nicht nachgekommen ware. Die\nBeklagte hat den Hinweis auf eine Schleimbeutelentzundung im Knie namlich zum\nAnlass genommen, den Klager um nahere Angaben zu bitten und den Arzt Dr. T.,\nden der Klager angegeben hat, mit der Abgabe eines arztlichen Berichts zu\nbeauftragen. Aus den Auskunften des Herrn Dr. T. ergaben sich keinerlei\nUmstande, die die Beklagte zu einer Intensivierung der Risikoprufung\nveranlasst hatten. Sein arztlicher Bericht bestatigte die Knieprobleme als\neinzige ins Gewicht fallende Behandlungsanlasse und teilte mit, dass ihm keine\nweiteren Gebrechen oder Krankheiten des Klagers bekannt seien.\n\nb. Dem Klager kann auch nicht gefolgt werden, wenn er meint, die Beklagte sei\nin jedem Fall gehalten gewesen, ihn vor Vertragsschluss arztlich untersuchen\nzu lassen und durfe sich, weil sie dies unterlassen habe, nicht auf das\nVerschweigen der bei einer solchen arztlichen Untersuchung feststellbaren\nVorerkrankungen berufen. Das Gesetz - § 16 Abs. 1 VVG - geht grundsatzlich\ndavon aus, dass der Versicherungsnehmer dem Versicherer von sich aus\ngefahrerhebliche Umstande zu offenbaren hat. Es geht weder davon aus, dass es\nin den alleinigen Verantwortungsbereich des Versicherers fallt, sich solche\nInformationen zu beschaffen, noch verlangt es von ihm, die Redlichkeit seines\nkunftigen Vertragspartners vorab zu prufen.\n\nc. Die Beklagte handelt auch nicht deshalb treuwidrig, weil sie den Klager -\nsoweit ersichtlich - nicht uber die Rechtsfolgen falscher Antworten auf die\nFragen nach seinen gesundheitlichen Verhaltnissen hingewiesen hat. Zwar wird\nim Rahmen der Diskussion um eine Reform des VVG vorgeschlagen, Rechtsfolgen\naus einer Verletzung der Anzeigeobliegenheit davon abhangig zu machen, dass\nauf sie bei Antragstellung in Textform hingewiesen worden ist ( § 21 Abs. 6\nVVG-E in der Fassung des Abschlussberichts der Kommission zur Reform des\nVersicherungsvertragsrechts vom 19.4.2004). Zum einen ist dies noch nicht\nGesetz; zum anderen wird davon ausdrucklich eine Ausnahme fur die Falle\narglistigen Verhaltens des Versicherungsnehmers gemacht. Davon abgesehen muss\nes jedermann klar sein, dass eine arglistige Tauschung seines Vertragspartners\ndiesem das Recht verschafft, sich vom Vertrag wieder zu losen.\n\nd. Die arglistige Tauschung des Klagers ist fur die Annahmeentscheidung der\nBeklagten kausal geworden. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Beklagte\nden Antrag des Klagers bei wahrheitsgemaßer Information entweder uberhaupt\nnicht oder nur unter den Voraussetzungen eines Risikoausschlusses oder eines\nBeitragszuschlags angenommen hatte. Das hat der Klager im Berufungsverfahren\nnicht in einer den Anforderungen des § 529 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO\nentsprechenden Weise angegriffen; davon ist folglich nach § 529 Abs. 1 Nr. 1\nZPO auszugehen.\n\nIII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die\nRevision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsatzliche\nBedeutung besitzt und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer\neinheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht\nerfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).\n\n |
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128,347 | lsgsl-2005-04-22-l-7-rj-22903 | 936 | Landessozialgericht für das Saarland | lsgsl | Saarland | Sozialgerichtsbarkeit | L 7 RJ 229/03 | 2005-04-22 | 2019-01-07 09:31:18 | 2019-02-12 12:10:41 | Urteil | ## Tenor\n\nDie Berufung der Klagerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts fur\ndas Saarland vom 10.06.2003 wird zuruckgewiesen.\n\nDie Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\nDie Beteiligten streiten uber die Rechtmaßigkeit der Nachforderung von\nSozialversicherungsbeitragen.\n\nDie Klagerin beschaftigte in der Zeit vom 08.02.1999 bis zum 26.07.1999 den\nBeigeladenen zu 1) als Arbeitnehmer im Baugewerbe aufgrund einer Vereinbarung\nmit dem Landkreis Sa. sowie mit dem Ministerium fur Frauen, Arbeit, Gesundheit\nund Soziales im Rahmen des Jugend-Arbeit-Zukunft-Landesprogrammes. Dem\nBeigeladenen zu 1) wurde in diesem Zeitraum ein Stundenlohn von 13,50 DM\ngezahlt, bei 39,5 Stunden pro Woche wurde je Monat insgesamt ein\nArbeitsentgelt von 2.300,- DM gezahlt. Der mit Wirkung vom 01.07.1997 fur\nallgemeinverbindlich erklarte Tarifvertrag zur Regelung eines\nMindestarbeitsentgeltes im Baugewerbe in dem Gebiet der Bundesrepublik\nDeutschland sieht fur die unter ihn fallenden Beschaftigten demgegenuber als\nMindestentgelt einen Stundenlohn von 16,- DM an Arbeitsorten in den alten\nBundeslandern vor.\n\nMit Bescheid vom 21.08.2000 machte die Beklagte gegenuber der Klagerin\naufgrund einer Betriebsprufung nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch\n(SGB IV) einen Nachforderungsanspruch fur Sozialversicherungsbeitrage in Hohe\nvon 1.061,88 DM fur die Beschaftigung des _Beigeladenen zu 1)_ in dem Zeitraum\nvom 08.02.1999 bis zum 26.07.1999 geltend. Die Hohe der Nachforderung ergab\nsich aus dem Umstand, dass der Differenzbetrag zwischen dem tariflichen\nMindestlohn und dem tatsachlich gezahlten Lohn nachtraglich der\nBeitragspflicht zur Sozialversicherung unterworfen wurde.\n\nMit Schreiben vom 04.09.2000 legte die Klagerin hiergegen Widerspruch ein. Zur\nBegrundung fuhrte sie aus, dass der Beigeladene zu 1) im Rahmen des oben\nbereits benannten Programms eingestellt worden sei; dabei sei seitens der\nstaatlichen Trager ausdrucklich festgehalten worden, dass bei 39,5 Stunden pro\nWoche 2.300,- DM im Monat an Lohn zu zahlen sei. Auf dieser Basis habe der\nLandkreis Sa. der Klagerin auch einen Lohnkostenzuschuss von 1.400,- DM pro\nMonat gewahrt. Von den diversen beteiligten staatlichen Stellen sei auf die\nNotwendigkeit der Einhaltung von Mindestlohnbedingungen nicht hingewiesen\nworden. Erstmals durch Maßnahmen des Hauptzollamtes sei die Klagerin von\ndieser Verpflichtung unterrichtet worden. Ein von dieser Seite angestrengtes\nBußgeldverfahren habe man eingestellt.\n\nMit Bescheid vom 06.12.2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegrundet\nzuruck. Unter Bezugnahme auf den Ausgangsbescheid werde des Weiteren darauf\nverwiesen, dass die Einstellung des Bußgeldverfahrens fur die\nsozialversicherungsrechtliche Beurteilung des Sachverhaltes unerheblich sei.\nGrundlage fur die Bemessung der Sozialversicherungsbeitrage sei unabhangig von\nden tatsachlich gezahlten Arbeitsentgelten der tarifliche Mindestlohn im\nBaugewerbe. Der von der Klagerin geltend gemachte Verbotsirrtum stehe dem\nnicht entgegen.\n\nHiergegen hat die Klagerin am 15.01.2001 Klage beim Sozialgericht fur das\nSaarland (SG) erhoben. In einem zugleich betriebenen Verfahren des vorlaufigen\nRechtsschutzes beantragte sie, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.\nZur Begrundung hat sie zunachst auf die Ausfuhrungen im Widerspruchsverfahren\nverwiesen. Zur Erganzung hat sie ausgefuhrt, dass sich die Klagerin im\nGrundsatz vertragstreu verhalten habe, indem sie das vertraglich geschuldete\nund vom Beschaftigten auch nur in diesem Umfang geltend gemachte\nArbeitsentgelt gezahlt habe. Auf den Sachverhalt sei unter Verweis auf die\nEntscheidung des Bundessozialgerichtes (BSG) zur untertariflichen Bezahlung\nvom 25.11.1964 (3 RK 32/60, BSGE 22, 106) das auch im Steuerrecht geltende\nZuflussprinzip anzuwenden. Die Beschaftigten hatten ihre tariflichen Anspruche\nnicht geltend gemacht, die Klagerin habe daher nicht versucht, sich ihrer\nLohn- und damit Beitragszahlungspflicht zu entziehen, so dass auch aus Grunden\ndes Schutzzweckes der Sozialversicherung sowie der Erhaltung ihrer\nLeistungsfahigkeit ein Absehen von diesem Prinzip nicht in Betracht kame. Dies\nkorrespondiere auch mit der Vorschrift des § 134 Abs. 1 SGB III, der auf der\nLeistungsseite das Zuflussprinzip beinhalte. Die zitierte Entscheidung des BSG\nsei ein klares Bekenntnis zum Zuflussprinzip; Folgeentscheidungen dieses\nGerichts waren nur in Einzelfallen von diesem Grundsatz abgewichen, wobei die\ndortigen Sachverhalte mit dem vorliegenden nicht ubereinstimmten und insofern\nauf den vorliegenden Rechtsstreit nicht bezogen werden konnten. Jedoch selbst\nwenn man nunmehr in Abkehr vom Zufluss- auf das Anspruchsprinzip abstelle,\nwurde der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) einer ruckwirkenden\nInanspruchnahme der Klagerin entgegenstehen, da sie nicht mit einer\nBeitragsforderung fur zuruckliegende Zeiten uberrascht werden durfe, die im\nWiderspruch zur bisherigen Prufpraxis der Beklagten stehe, auf die sie\nvertraut habe. Die Klagerin habe erstmals durch die Ermittlungen des\nHauptzollamtes Anfang 2000 von der Problematik der Beitragserhebung aus\ngeschuldetem Arbeitsentgelt erfahren; bis dahin habe sie auf die bereits\nbenannte Entscheidung des BSG zur untertariflichen Bezahlung und die\nGeringfugigkeitsrichtlinien des Verbandes deutscher Rentenversicherungstrager\n(VDR) vertraut.\n\nLetztlich sei noch der Umstand zu berucksichtigen, dass sich die angegriffenen\nBescheide auf versicherungsfreie geringfugige Beschaftigungsverhaltnisse\nbezogen, die nunmehr bei Berucksichtigung des geschuldeten Entgeltes diesen\nStatus verloren, so dass nicht nur die Lohndifferenz zwischen gezahltem und\ngeschuldetem Entgelt sondern der gesamte Lohn beitragspflichtig werde.\n\nMit Gerichtsbescheid vom 10.06.2003 hat das SG die Klage abgewiesen und\nausgefuhrt, dass nach der Rechtsprechung des BSG Pflichtbeitrage zur\ngesetzlichen Sozialversicherung auch fur geschuldetes und bei Falligkeit noch\nnicht gezahltes Arbeitsentgelt zu entrichten seien. Ein Entgeltanspruch\nmindestens in der festgelegten Hohe des fur allgemein verbindlich erklarten\nTarifvertrages konne von den Parteien, die dessen Geltungsbereich unterfielen,\nnicht rechtwirksam unterschritten werden. Die unterstutzende\nRegelungszustandigkeit des Staates, die nach den Ausfuhrungen des\nBundesverfassungsgerichtes in Fallen der Allgemeinverbindlichkeitserklarung\nzum Tragen komme, erfordere, den jeweils im gultigen Tarifvertrag\nfestgesetzten Mindestlohn bei der Berechnung der Beitrage zur\nSozialversicherung durch die Rentenversicherungstrager im Rahmen von Prufungen\nnach § 28p SGB IV zu berucksichtigen.\n\nHiergegen hat die Klagerin am 17.07.2003 Berufung eingelegt. Sie verweist zur\nBegrundung auf ihr gesamtes erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere sei der\nUmstand zu berucksichtigen, dass der Klagerin der zu zahlende Lohn von\noffentlicher Seite ausdrucklich vorgegeben worden sei, ohne dass die\nbeteiligten staatlichen Stellen auf etwaige Mindestlohnbedingungen hingewiesen\nhatten.\n\nDie Klagerin beantragt,\n\n> das Urteil des Sozialgerichts fur das Saarland vom 10.06.2003 und den\n> Bescheid der Beklagten vom 21.08.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides\n> vom 06.12.2000 aufzuheben.\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n> die Berufung zuruckzuweisen.\n\nZur Begrundung verweist sie auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides, das\nerstinstanzliche Vorbringen sowie die Entscheidungsgrunde des\nGerichtsbescheides.\n\nDer Senat hat am 11.03.2005 einen Erorterungstermin durch den Berichterstatter\ndurchgefuhrt, in dem auf die aktuelle Rechtsprechung des BSG hingewiesen\nwurde.\n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der\nGerichtsakte, der beigezogenen Gerichtsakte aus dem Verfahren zum vorlaufigen\nRechtsschutz (S 17 ER 3/01 RJ **/** L 7 RJ 230/03) sowie der beigezogenen\nRentenakte Bezug genommen; der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der\nEntscheidungsfindung.\n\n## Entscheidungsgründe\n\nNachdem die Beteiligten im Rahmen des Erorterungstermins vom 11.03.2005 auf\nmundliche Verhandlung verzichtet haben, konnte der Senat ohne eine solche\nentscheiden.\n\nDie von der Klagerin eingelegte Berufung ist statthaft und auch im Übrigen\nzulassig. Sie ist jedoch unbegrundet.\n\nZwar ist festzustellen, dass der angefochtene Gerichtsbescheid an einem\nwesentlichen Verfahrensmangel leidet, da entgegen § 105 Abs. 1 Satz 2\nSozialgerichtsgesetz (SGG) eine Anhorung der Beteiligten unterblieben ist\n(eine entsprechende Anhorungsmitteilung erging lediglich im parallel\nbetriebenen Eilrechtsverfahren). Von einer Aufhebung des Gerichtsbescheides\nund Zuruckverweisung der Sache an das Sozialgericht gemaß § 159 Abs. 1 Nr. 2\nSGG sieht der Senat jedoch ab, da die Sache zur Entscheidung reif ist und dem\nGebot des rechtlichen Gehors im Rahmen des Verfahrens vor dem\nLandessozialgericht Genuge getan worden ist.\n\nIn der Sache ist die Entscheidung des Sozialgerichtes zu Recht ergangen.\n\nDie angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmaßig; die Nachforderung\nder Sozialversicherungsbeitrage in Hohe von 1.061,88 DM (= 542,93 EUR) ist\nrechtlich nicht zu beanstanden.\n\nEntgegen der Auffassung der Klagerin richtet sich nach den in ihrem\nGesamtkontext zu berucksichtigenden gesetzlichen Bestimmungen der §§ 14 Abs.\n1, 23 Abs. 1 SGB IV die Beitragserhebung in der gesetzlichen\nSozialversicherung nach dem geschuldeten (ggfls. bei Falligkeit noch nicht\ngezahlten) Arbeitsentgelt, nicht lediglich nach dem Arbeitsentgelt, welches\ndem Beschaftigten tatsachlich zugeflossen ist. Geschuldet ist das\nArbeitsentgelt in der Hohe, die sich aus dem Arbeitsvertrag sowie aus dem fur\ndas Arbeitsverhaltnis geltenden Tarifvertrag ergibt.\n\nDanach besteht im vorliegenden Rechtsstreit ein Entgeltanspruch mindestens in\nder festgelegten Hohe des Tarifvertrages zur Regelung eines\nMindestarbeitsentgeltes in dem Baugewerbe in dem Gebiet der Bundesrepublik\nDeutschland, der mit Wirkung vom 01.07.1997 fur allgemeinverbindlich erklart\nworden ist. Der hiernach maßgebliche Stundenlohn fur den Beigeladenen zu 1)\nbetragt 16,00 DM (= 8,18 EUR) statt der gezahlten 13,50 DM (= 6,90 EUR).\nDieses tarifvertraglich festgelegte Arbeitsentgelt kann von den Parteien des\ndem Tarifvertrag unterfallenden Arbeitsvertrages nicht rechtswirksam\nunterschritten oder sonst irgendwie abbedungen werden (§§ 4 Abs. 1, 5 TVG).\n\nFur die sich damit ergebende Differenz zwischen gezahltem und geschuldetem\nLohn hat die Beklagte zu Recht die Beitragsnachforderung erhoben.\n\nDie Klagerin vermag auch nicht mit ihrer Auffassung durchzudringen, es habe\nvorliegend das Zuflussprinzip und nicht das Anspruchsprinzip zu gelten. Wie\nder Senat bereits im Erorterungstermin hingewiesen hat, ist nach der\ngefestigten Rechtsprechung des BSG (vgl. zuletzt Urteil vom 14.07.2004 - B 12\nKR 1/04 R -, zuvor bereits Urteil vom 30.08.1994 - 12 RK 59/92 -) bei\nuntertariflicher Bezahlung das tariflich zustehende und nicht lediglich das\nzugeflossene Arbeitsentgelt fur die Beitragshohe zur Sozialversicherung\nmaßgebend. Auf den Zufluss kommt es danach nur an, soweit dem Arbeitnehmer\nmehr geleistet worden ist.\n\nAuch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) steht der Inanspruchnahme\nder Klagerin durch die Beklagte nicht entgegen. Der Verweis der Klagerin auf\ndie Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 18.11.1980 (12 RK 59/79, BSGE\n51, 31) sowie vom 27.09.1983 (12 RK 10/82) kann zu keinem anderen Ergebnis\nfuhren.\n\nNach den genannten Entscheidungen erfordern im Beitragsrecht der\nSozialversicherung Treu und Glauben, dass die Beitragspflichtigen - in der\nRegel die fur die Beitragsberechnung und -abfuhrung „in Dienst genommenen\nArbeitgeber" - nicht fur eine zuruckliegende Zeit mit einer\nBeitragsnachforderung uberrascht werden, die in Widerspruch steht zu dem\nvorangegangenen Verhalten der Verwaltung, auf deren Rechtmaßigkeit sie\nvertraut hatten und vertrauen durften. Das soll gleichermaßen gelten bei\nÄnderungen einer hochstrichterlichen Rechtsprechung, von deren Maßgeblichkeit\nbisher nicht nur die Einzugsstellen, sondern auch die Beitragspflichtigen,\ninsbesondere die abrechnenden Arbeitgeber, ausgegangen waren und die sie\ndeshalb ihrer Beitragsentrichtung zugrunde gelegt hatten.\n\nDiese dargestellten Voraussetzungen fur einen Vertrauensschutz vor\nruckwirkender Inanspruchnahme liegen im vorliegenden Sachverhalt ersichtlich\nnicht vor. Entscheidend ist, dass die Klagerin schon nach ihrem eigenen\nVortrag fur den hier konkret zu beurteilenden Sachverhalt nicht die\nVoraussetzungen fur einen Vertrauensschutz nach Treu und Glauben erfullt. Sie\ntragt unter Bezugnahme auf ihren Widerspruch im Vorverfahren vor, dass sie\nerstmals im Jahre 2000 durch die Ermittlungen des Hauptzollamtes auf die\nVerpflichtung hingewiesen worden sei, Mindestlohnbedingungen zu beachten.\nErstmals zu diesem Zeitpunkt konnte sich also fur sie die Frage stellen, ob\naus dem gezahlten oder ggfls. aus dem tariflich geschuldeten Arbeitsentgelt\ndie Beitrage abzufuhren seien; die Problematik der Beitragserhebung aus\ngeschuldetem Entgelt stellte sich damit, so tragt es die Klagerin auch vor,\nerst im Jahre 2000.\n\nWenn die Klagerin aber erst im Jahre 2000 auf die Einhaltung von\nMindestlohnbedingungen hingewiesen worden ist, dann kann sie denknotwendig\nnicht bereits im Jahre 1999, der Zeit des beitragspflichtigen\nBeschaftigungsverhaltnisses, ein Vertrauen dahin entwickelt haben, dass sie\nnicht noch zusatzlich zu dem gezahlten Entgelt die Lohndifferenz zum\ntariflichen Mindestlohn mit Beitragen abzurechnen hatte. Wenn von der Klagerin\nalso nunmehr mit Bescheid vom 21.08.2000 die Sozialversicherungsbeitrage nach\nMaßgabe der Lohndifferenz nachgefordert werden und dabei erstmals die Frage\nder Geltung des Zufluss- oder Anspruchsprinzip auftaucht, muss die Klagerin\ndie hierzu maßgebliche Rechtslage und die dazu ergangene Rechtsprechung des\nBundessozialgerichtes, die fur die Geltung des Anspruchsprinzips sprechen,\nhinnehmen. Erstmals mit diesem Bescheid hat die Klagerin namlich von einer\nbestimmten Verwaltungspraxis erfahren.\n\nIm Übrigen sei zum Vertrauensschutz noch auf folgendes hingewiesen: Wenn die\nBeklagte, wie die Klagerin vortragt, sich tatsachlich erst in den Jahren\n1999/2000 mit der Thematik der Beitragserhebung aus geschuldetem\nArbeitsentgelt befasst hatte, kann eine vorherige anderweitige\nVerwaltungspraxis, auf die die Klagerin hatte vertrauen konnen, nicht\nbestanden haben. Selbst wenn es jedoch eine derartige Verwaltungspraxis\ngegeben haben sollte, hatte sie nicht der geltenden Rechtslage entsprochen und\nware somit rechtswidrig gewesen. Spatestens mit seiner Entscheidung vom\n30.08.1994 (12 RK 59/92, BSGE 75, 61) hatte das Bundessozialgericht die\nRechtslage zur Geltung des Anspruchsprinzips klargestellt. Einen\nVertrauensschutz in eine rechtswidrige, der hochstrichterlichen Rechtsprechung\nwidersprechende Verwaltungspraxis vermag der Senat nicht anzuerkennen.\n\nDie Klagerin ist zudem noch dahingehend zu berichtigen, dass sie entgegen\nihrem Vortrag lediglich im Rahmen der aufgezeigten Lohndifferenz\nSozialversicherungsbeitrage nach zu entrichten hat, nicht fur den gesamten\nLohn. Hierzu wird auf den Ausgangsbescheid der Beklagten verwiesen sowie auf\ndie Lohnabrechnung der Klagerin, aus der sich ergibt, dass auf den gezahlten\nLohn bereits Sozialversicherungsbeitrage erbracht worden sind.\n\nZuletzt ist klarzustellen, dass es der Beklagten nicht angelastet werden kann,\ndass die im Rahmen der Beschaftigung des Beigeladenen zu 1) beteiligten\nstaatlichen Stellen, zu denen die Beklagte nicht gehorte, es unterlassen\nhaben, auf tarifliche Mindestlohnbedingungen hinzuweisen.\n\nDie Berufung war daher zuruckzuweisen.\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.\n\nGrunde fur die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) lagen nicht vor.\n\n## Gründe\n\nNachdem die Beteiligten im Rahmen des Erorterungstermins vom 11.03.2005 auf\nmundliche Verhandlung verzichtet haben, konnte der Senat ohne eine solche\nentscheiden.\n\nDie von der Klagerin eingelegte Berufung ist statthaft und auch im Übrigen\nzulassig. Sie ist jedoch unbegrundet.\n\nZwar ist festzustellen, dass der angefochtene Gerichtsbescheid an einem\nwesentlichen Verfahrensmangel leidet, da entgegen § 105 Abs. 1 Satz 2\nSozialgerichtsgesetz (SGG) eine Anhorung der Beteiligten unterblieben ist\n(eine entsprechende Anhorungsmitteilung erging lediglich im parallel\nbetriebenen Eilrechtsverfahren). Von einer Aufhebung des Gerichtsbescheides\nund Zuruckverweisung der Sache an das Sozialgericht gemaß § 159 Abs. 1 Nr. 2\nSGG sieht der Senat jedoch ab, da die Sache zur Entscheidung reif ist und dem\nGebot des rechtlichen Gehors im Rahmen des Verfahrens vor dem\nLandessozialgericht Genuge getan worden ist.\n\nIn der Sache ist die Entscheidung des Sozialgerichtes zu Recht ergangen.\n\nDie angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmaßig; die Nachforderung\nder Sozialversicherungsbeitrage in Hohe von 1.061,88 DM (= 542,93 EUR) ist\nrechtlich nicht zu beanstanden.\n\nEntgegen der Auffassung der Klagerin richtet sich nach den in ihrem\nGesamtkontext zu berucksichtigenden gesetzlichen Bestimmungen der §§ 14 Abs.\n1, 23 Abs. 1 SGB IV die Beitragserhebung in der gesetzlichen\nSozialversicherung nach dem geschuldeten (ggfls. bei Falligkeit noch nicht\ngezahlten) Arbeitsentgelt, nicht lediglich nach dem Arbeitsentgelt, welches\ndem Beschaftigten tatsachlich zugeflossen ist. Geschuldet ist das\nArbeitsentgelt in der Hohe, die sich aus dem Arbeitsvertrag sowie aus dem fur\ndas Arbeitsverhaltnis geltenden Tarifvertrag ergibt.\n\nDanach besteht im vorliegenden Rechtsstreit ein Entgeltanspruch mindestens in\nder festgelegten Hohe des Tarifvertrages zur Regelung eines\nMindestarbeitsentgeltes in dem Baugewerbe in dem Gebiet der Bundesrepublik\nDeutschland, der mit Wirkung vom 01.07.1997 fur allgemeinverbindlich erklart\nworden ist. Der hiernach maßgebliche Stundenlohn fur den Beigeladenen zu 1)\nbetragt 16,00 DM (= 8,18 EUR) statt der gezahlten 13,50 DM (= 6,90 EUR).\nDieses tarifvertraglich festgelegte Arbeitsentgelt kann von den Parteien des\ndem Tarifvertrag unterfallenden Arbeitsvertrages nicht rechtswirksam\nunterschritten oder sonst irgendwie abbedungen werden (§§ 4 Abs. 1, 5 TVG).\n\nFur die sich damit ergebende Differenz zwischen gezahltem und geschuldetem\nLohn hat die Beklagte zu Recht die Beitragsnachforderung erhoben.\n\nDie Klagerin vermag auch nicht mit ihrer Auffassung durchzudringen, es habe\nvorliegend das Zuflussprinzip und nicht das Anspruchsprinzip zu gelten. Wie\nder Senat bereits im Erorterungstermin hingewiesen hat, ist nach der\ngefestigten Rechtsprechung des BSG (vgl. zuletzt Urteil vom 14.07.2004 - B 12\nKR 1/04 R -, zuvor bereits Urteil vom 30.08.1994 - 12 RK 59/92 -) bei\nuntertariflicher Bezahlung das tariflich zustehende und nicht lediglich das\nzugeflossene Arbeitsentgelt fur die Beitragshohe zur Sozialversicherung\nmaßgebend. Auf den Zufluss kommt es danach nur an, soweit dem Arbeitnehmer\nmehr geleistet worden ist.\n\nAuch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) steht der Inanspruchnahme\nder Klagerin durch die Beklagte nicht entgegen. Der Verweis der Klagerin auf\ndie Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 18.11.1980 (12 RK 59/79, BSGE\n51, 31) sowie vom 27.09.1983 (12 RK 10/82) kann zu keinem anderen Ergebnis\nfuhren.\n\nNach den genannten Entscheidungen erfordern im Beitragsrecht der\nSozialversicherung Treu und Glauben, dass die Beitragspflichtigen - in der\nRegel die fur die Beitragsberechnung und -abfuhrung „in Dienst genommenen\nArbeitgeber" - nicht fur eine zuruckliegende Zeit mit einer\nBeitragsnachforderung uberrascht werden, die in Widerspruch steht zu dem\nvorangegangenen Verhalten der Verwaltung, auf deren Rechtmaßigkeit sie\nvertraut hatten und vertrauen durften. Das soll gleichermaßen gelten bei\nÄnderungen einer hochstrichterlichen Rechtsprechung, von deren Maßgeblichkeit\nbisher nicht nur die Einzugsstellen, sondern auch die Beitragspflichtigen,\ninsbesondere die abrechnenden Arbeitgeber, ausgegangen waren und die sie\ndeshalb ihrer Beitragsentrichtung zugrunde gelegt hatten.\n\nDiese dargestellten Voraussetzungen fur einen Vertrauensschutz vor\nruckwirkender Inanspruchnahme liegen im vorliegenden Sachverhalt ersichtlich\nnicht vor. Entscheidend ist, dass die Klagerin schon nach ihrem eigenen\nVortrag fur den hier konkret zu beurteilenden Sachverhalt nicht die\nVoraussetzungen fur einen Vertrauensschutz nach Treu und Glauben erfullt. Sie\ntragt unter Bezugnahme auf ihren Widerspruch im Vorverfahren vor, dass sie\nerstmals im Jahre 2000 durch die Ermittlungen des Hauptzollamtes auf die\nVerpflichtung hingewiesen worden sei, Mindestlohnbedingungen zu beachten.\nErstmals zu diesem Zeitpunkt konnte sich also fur sie die Frage stellen, ob\naus dem gezahlten oder ggfls. aus dem tariflich geschuldeten Arbeitsentgelt\ndie Beitrage abzufuhren seien; die Problematik der Beitragserhebung aus\ngeschuldetem Entgelt stellte sich damit, so tragt es die Klagerin auch vor,\nerst im Jahre 2000.\n\nWenn die Klagerin aber erst im Jahre 2000 auf die Einhaltung von\nMindestlohnbedingungen hingewiesen worden ist, dann kann sie denknotwendig\nnicht bereits im Jahre 1999, der Zeit des beitragspflichtigen\nBeschaftigungsverhaltnisses, ein Vertrauen dahin entwickelt haben, dass sie\nnicht noch zusatzlich zu dem gezahlten Entgelt die Lohndifferenz zum\ntariflichen Mindestlohn mit Beitragen abzurechnen hatte. Wenn von der Klagerin\nalso nunmehr mit Bescheid vom 21.08.2000 die Sozialversicherungsbeitrage nach\nMaßgabe der Lohndifferenz nachgefordert werden und dabei erstmals die Frage\nder Geltung des Zufluss- oder Anspruchsprinzip auftaucht, muss die Klagerin\ndie hierzu maßgebliche Rechtslage und die dazu ergangene Rechtsprechung des\nBundessozialgerichtes, die fur die Geltung des Anspruchsprinzips sprechen,\nhinnehmen. Erstmals mit diesem Bescheid hat die Klagerin namlich von einer\nbestimmten Verwaltungspraxis erfahren.\n\nIm Übrigen sei zum Vertrauensschutz noch auf folgendes hingewiesen: Wenn die\nBeklagte, wie die Klagerin vortragt, sich tatsachlich erst in den Jahren\n1999/2000 mit der Thematik der Beitragserhebung aus geschuldetem\nArbeitsentgelt befasst hatte, kann eine vorherige anderweitige\nVerwaltungspraxis, auf die die Klagerin hatte vertrauen konnen, nicht\nbestanden haben. Selbst wenn es jedoch eine derartige Verwaltungspraxis\ngegeben haben sollte, hatte sie nicht der geltenden Rechtslage entsprochen und\nware somit rechtswidrig gewesen. Spatestens mit seiner Entscheidung vom\n30.08.1994 (12 RK 59/92, BSGE 75, 61) hatte das Bundessozialgericht die\nRechtslage zur Geltung des Anspruchsprinzips klargestellt. Einen\nVertrauensschutz in eine rechtswidrige, der hochstrichterlichen Rechtsprechung\nwidersprechende Verwaltungspraxis vermag der Senat nicht anzuerkennen.\n\nDie Klagerin ist zudem noch dahingehend zu berichtigen, dass sie entgegen\nihrem Vortrag lediglich im Rahmen der aufgezeigten Lohndifferenz\nSozialversicherungsbeitrage nach zu entrichten hat, nicht fur den gesamten\nLohn. Hierzu wird auf den Ausgangsbescheid der Beklagten verwiesen sowie auf\ndie Lohnabrechnung der Klagerin, aus der sich ergibt, dass auf den gezahlten\nLohn bereits Sozialversicherungsbeitrage erbracht worden sind.\n\nZuletzt ist klarzustellen, dass es der Beklagten nicht angelastet werden kann,\ndass die im Rahmen der Beschaftigung des Beigeladenen zu 1) beteiligten\nstaatlichen Stellen, zu denen die Beklagte nicht gehorte, es unterlassen\nhaben, auf tarifliche Mindestlohnbedingungen hinzuweisen.\n\nDie Berufung war daher zuruckzuweisen.\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.\n\nGrunde fur die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) lagen nicht vor.\n\n |
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128,517 | olgsl-2005-11-17-8-u-39204-116 | 939 | Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken | olgsl | Saarland | Oberlandesgericht | 8 U 392/04-116 | 2005-11-17 | 2019-01-07 09:33:06 | 2019-02-12 12:11:09 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Die Berufung der Beklagten - und der Streithelferin - gegen das am 13.\nJuli 2004 verkundete Urteil des Landgerichts Saarbrucken - 15 O 208/03- wird\nzuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragt die Beklagte mit Ausnahme der\nKosten der Streithilfe, welche die Streithelferin selbst tragt.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDer Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung des Klagers (hinsichtlich\nder Kosten) durch Sicherheitsleistung in Hohe von 115 % des beizutreibenden\nBetrages abzuwenden, es sei denn, der Klager leistet zuvor Sicherheit in\ngleicher Hohe.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n5\\. Der Wert der Beschwer der Beklagten sowie der Streithelferin ubersteigt\njeweils 20.000,- EUR.\n\n## Gründe\n\nA.\n\nDie Parteien streiten nach durch Einschreiben vom 13.12.2001 (Blatt 12) zum\n31.12.2002 erfolgter Kundigung - und Beendigung - des gewerblichen\nMietverhaltnisses uber Geschaftsraume im klagerischen Anwesen in, (vgl.\nMietvertrag vom 26.5/30.6.1981; Blatt 6 ff.) uber Ruckbauverpflichtungen der\nBeklagten, wozu in § 4 Abs. 3 des Vertrages geregelt ist, dass der Mieter zwar\nbauliche Veranderungen am Mietobjekt vornehmen darf, ohne bei Beendigung des\nMietverhaltnisses zur Wiederherstellung des alten Zustandes verpflichtet zu\nsein, allerdings statische bauliche Veranderungen der Zustimmung des\nVermieters bedurfen.\n\nDer Klager hatte die Mietraumlichkeiten ursprunglich an die P. Whg mbH & Co.\nOHG vermietet und ihr in einem „zum Betrieb eines Lebensmittelgeschaftes\ngeeigneten und gebrauchsfahigen Zustand" uberlassen (§ 1 Abs. 5 des\nVertrages), zu welchem Zweck das Mietobjekt bis 1985 auch genutzt wurde. Seit\n1986 waren die Mietraumlichkeiten an Spielhallenbetreiber untervermietet, seit\n1989 an die Streithelferin, die ihrerseits an die R. S. GmbH\nunteruntervermietet hatte; Untermietvertrag und Unteruntermietvertrag endeten\nnach ordentlicher Kundigung jeweils zum 30.11.2002.\n\nIm Zusammenhang mit der Untervermietung als Spielhalle fuhrte die P. Whg mbH &\nCo. OHG im Jahre 1986 - auch statische bauliche Veranderungen beinhaltende -\nUmbaumaßnahmen an dem Mietobjekt durch, denen der Klager mit der Maßgabe\nzustimmte, dass eine vertragliche Ruckbauverpflichtung ubernommen werde. Mit\nSchreiben vom 28.10.1986 (Blatt 13) bestatigte die P. Whg mbH & Co. OHG dem\nKlager, verpflichtet zu sein, auf seinen Wunsch bei Auszug den Zustand wieder\nherzustellen, „in dem sich das Objekt vor Übernahme durch unseren Untermieter\nbefand". Diese Ruckbauverpflichtung hat sie auch vertraglich an die\nStreithelferin weitergegeben.\n\nOb die Beteiligten anlasslich eines weiteren Umbaus des Mietobjektes im Jahre\n1989 - in dessen Vorfeld die Streithelferin den Klager mit Schreiben vom\n11.9.1989 (Blatt 85) um entsprechende Zustimmung bat, die P. Whg mbH & Co. OHG\nmit Schreiben vom 26.9.1989 (Blatt 51) Überlassung der Zustimmungserklarung\nbegehrte, da sie „erst nach Einverstandniserklarung entsprechend reagieren\nkonne", und der Klager mit Schreiben vom 2.10.1989 (Blatt 49) auf gleicher\nHandhabung wie beim ersten Umbau 1986 bestand - eine gleichlautende\nVereinbarung - mundlich oder konkludent - getroffen haben, ist streitig.\n\nMit Wirkung zum 2.7.1999 ist die Mieterin in der P. Handels- und Beteiligungs-\nGmbH aufgegangen, die als P. Whg mbH umfirmiert hat (vgl. Aktenvermerk vom\n22.7.1999, Blatt 78).\n\nMit Schreiben vom 23.3.2001 (Blatt 34) wurde dem Klager mitgeteilt, dass die\nP. Whg mbH einen Teil ihres Vermogens nach § 123 Umwandlungsgesetz auf die S.\nI. mbH abgespalten habe und die S. kunftig sein Vertrags- und Ansprechpartner\nsei.\n\nNach Kundigung des Mietverhaltnisses kam es im Jahre 2002 zwischen dem Klager\nund der Firma S. wegen des Ruckbaus des Mietobjektes zu einem Schriftwechsel,\nin dessen Rahmen die Firma S. mit Schreiben vom 30.7.2002 (Blatt 16 f.) ihre\nRuckbauverpflichtung bezuglich der im Jahre 1986 erfolgten Umbaumaßnahmen\nbestatigte, wahrend sie einen Ruckbau hinsichtlich der 1989 durchgefuhrten\nUmbauten verweigerte. Nachdem der Klager mit Schreiben vom 01.08.2002 (Blatt\n18 f.) auf einem Komplettruckbau bestand und um Vorlage entsprechender Plane\nbat, wies die Firma S. darauf hin, dass sie den Ruckbau bis 02.01.2003\nvornehmen werde, allerdings nur in Bezug auf den Umbau 1986, und nicht\nbeabsichtige, dem Klager hierzu Detail- und Zeitplane vorzulegen (vgl.\nSchreiben vom 07.08.2002, Blatt 20 f.).\n\nAuch in der Folge fanden wegen der Frage des Ruckbaus oder einer etwaigen\nAbfindung noch Verhandlungen zwischen dem Klager, der Firma S. und der\nStreithelferin statt; so kam es am 22.10.2002 zu einer Besprechung der\nBeteiligten, deren Verlauf streitig ist, sowie zu weiterem Schriftverkehr bis\nEnde November 2002 (vgl. Schreiben der Streithelferin an den Klager vom\n27.11.2002, Blatt 119 und 120 f.), was aber letztlich zu keiner Einigung\nfuhrte.\n\nBereits am 18.09.2002 hatte der Klager einen eigenen Mietvertrag mit der\nUnteruntermieterin, der Firma R. S. GmbH, ab 01.01.2003 fur eine\nMindestlaufzeit von 5 Jahren abgeschlossen (vgl. Blatt 99 f.), die das\nMietobjekt auch seit Beendigung des Unteruntermietverhaltnisses am 30.11.2002\nnahtlos - bis heute - als Spielhalle nutzt, nachdem ihr die Mietsache seitens\nder Beklagten im November 2002 auch fur den Zwischenmonat Dezember 2002 zur\nNutzung als Spielhalle vermietet worden ist.\n\nIm vorliegenden Rechtsstreit hat der Klager zunachst die P. Whg mbH & Co. OHG\n- unter falscher Adresse - in Anspruch genommen und Feststellung einer\numfassenden Ruckbauverpflichtung der Mieterin begehrt, auf Einwand des\nBeklagtenvertreters die Klage in der mundlichen Verhandlung vom 16.12.2003\n(vgl. Seite 2 des Sitzungsprotokolls, Blatt 88) dann allerdings gegen die P.\nWhg mbH umgestellt und zuletzt Ruckbau der Änderungsmaßnahmen 1986 und 1989\nverlangt.\n\nDer Klager hat behauptet, man habe ihm wahrend der Verhandlungen nach der\nKundigung und bei der Besprechung vom 22.10.2002 nur den Teilruckbau der 1986\nerfolgten Umbaumaßnahmen angeboten, obwohl ihm auch hinsichtlich der\nUmbaumaßnahmen von 1989 damals seitens der Beklagten und der Streithelferin\nmundlich der Ruckbau zugesagt worden sei. Er habe deshalb die ab 01.01.2003\nbeabsichtigte Vermietung als Lebensmittelgeschaft an die Firma N. Markt nicht\nvornehmen konnen. Aus „Schadensminderungsgrunden" habe er dann den Mietvertrag\nmit der R. S. GmbH geschlossen, der unter dem Vorbehalt des Scheiterns der\nRuckbauverhandlungen gestanden habe und letztlich nur durch die\n„Zwischenvermietung" seitens der Beklagten fur den Monat Dezember 2002\nermoglicht worden sei. Ein Leerstand der Mietsache sowie ein Mietausfall seien\nnur so zu verhindern gewesen.\n\nDie Beklagte hat vorgetragen, dem Klager sei es gar nicht um Ruckbau, sondern\nvielmehr um die Erzielung einer moglichst hohen Entschadigungssumme gegangen,\nwas seine fruhzeitige Festlegung auf den Mieter R. S. GmbH und das\nVerschweigen dieses Umstands bis zuletzt zeigten. Einen Ruckbau hinsichtlich\nder 1989 durchgefuhrten Maßnahmen habe sie dem Klager ohnehin nicht\nversprochen. Gleichwohl sei ihm anlasslich der Besprechung vom 22.10.2002\nletztendlich doch der vollstandige Ruckbau angeboten worden. Durch seine\nAblehnung habe der Klager einen Ruckbauanspruch verwirkt. Außerdem halt die\nBeklagte den Anspruch fur verjahrt, da nicht von einer „demnachstigen"\nZustellung der Klage ausgegangen werden konne.\n\nDie Streithelferin der Beklagten hat sich diesem Vorbringen angeschlossen und\nerganzend darauf hingewiesen, dass ein vollstandiger Ruckbau auch im Dezember\n2002 noch moglich gewesen sei, eine Verpflichtung zur Durchfuhrung unnutzer\nRuckbaumaßnahmen allerdings nicht bestanden habe.\n\nDurch das angefochtene Urteil (Blatt 295 ff.), auf dessen tatsachliche und\nrechtliche Feststellungen vollumfanglich gemaß § 540 Abs. 1, Satz 1 Nr. 1 ZPO\nBezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte zum vollstandigen\nRuckbau der Änderungsmaßnahmen von 1986 und 1989 verurteilt. Zur Begrundung\nhat es im wesentlichen ausgefuhrt, sowohl die Umstellung der ursprunglich\ngegen die OHG gerichteten Klage auf eine Klage gegen die P. Whg mbH, die\nkeinen Parteiwechsel darstelle, als auch der Übergang von der Feststellungs-\nzur Leistungsklage seien ohne weiteres zulassig. Hinsichtlich der\nhinreichenden Bestimmtheit des Klageantrages bestunden letztlich keine\nBedenken, da der gewunschte Erfolg hinreichend deutlich und der Beklagten\nangesichts ihrer fruheren Umbaumaßnahmen auch bekannt sei, die Art und Weise\ndes Ruckbaus ihr hingegen uberlassen bleibe. Vollstreckungsrechtliche\nSchwierigkeiten seien ebenfalls nicht zu befurchten; gegebenenfalls musse die\nBeklagte Vollstreckungsgegenklage erheben bzw. sei eine Konkretisierung der\ngeschuldeten Leistung im Verfahren nach § 887 ZPO herbeizufuhren.\n\nIn der Sache sei ein vertraglicher Ruckbauanspruch des Klagers gegeben, der\nsich fur die Umbaumaßnahmen von 1986 ohne weiteres aus der Bestatigung vom\n28.10.1986 und fur die Umbaumaßnahmen von 1989 aus einer vergleichbaren\nkonkludenten Ruckbauvereinbarung ergebe. Nachdem der Klager in seinem\nSchreiben vom 02.10.1989 sowie bei Unterzeichnung des Umbauplanes keine\nZweifel daran gelassen habe, dass er seine Zustimmung nur gegen Übernahme\neiner Ruckbauverpflichtung durch die Mieterin erteile, sei deren weiteres\nVerhalten - Freigabe und Veranlassung der Umbaumaßnahmen der Untermieterin -\nim Sinne eines Einverstandnisses mit dieser „Ruckbaubedingung" zu verstehen\ngewesen. Da damit nachtraglich eigenstandige Vereinbarungen zustande gekommen\nseien, komme es auf die Frage, ob die Umbaumaßnahmen mit statischen\nVeranderungen einhergegangen seien, letztlich nicht an.\n\nEntgegen der Ansicht der Beklagten sei der Ruckbauanspruch des Klagers nicht\nverwirkt. Eine Teilerfullung, wie sie in dem Schreiben vom 30.07.2002 und\n07.08.2002 angeboten worden sei, habe dieser berechtigterweise ablehnen\ndurfen, einen spater - insbesondere bei einer Besprechung am 22.10.2002 -\nangebotenen vollstandigen Ruckbau, welches Angebot allerdings streitig sei,\nebenso. Denn dieses - streitige - umfassende Ruckbauangebot sei jedenfalls nur\nseitens der Streithelferin, ohne Zurverfugungstellung von Bau- und Zeitplanen\nsowie zu einem Zeitpunkt erfolgt, als sich der Klager bereits zu einer\nWeitervermietung an die R. S. GmbH ab 01.01.2003 verpflichtet gehabt habe.\nLetzteres konne dem Klager aber nicht zum Vorwurf gemacht werden, da es nach\nendgultiger und ernsthafter Ablehnung eines vollstandigen Ruckbaus gemaß den\nSchreiben vom 30.07.2002 und 07.08.2002 und damit aus Grunden der\nSchadensminderung zur Vermeidung eines Leerstandes der Mietsache erfolgt sei.\nDer Klager sei mithin nicht gehindert, weiterhin Ruckbau der Mietsache zu\nverlangen. Gegebenenfalls schiebe sich dieser bis zum - vorzeitigen -\nFreiwerden der Mietsache hinaus. Die Entscheidung des BGH in NJW 1986, 309 f.\nsei insoweit nicht einschlagig, da der Ruckbau nach den ursprunglichen und\nauch den langfristigen Absichten des Klagers durchaus Sinn habe. Ein etwaiges\nVerschweigen der Weitervermietung an die R. S. GmbH gegenuber der Beklagten\nsei nicht geeignet, diese Absichten in Frage zu stellen.\n\nDie Klageforderung sei schließlich nicht verjahrt, da die Angabe einer\nfalschen Adresse der Beklagten in der Klageschrift zu keiner nennenswerten\nVerzogerung der Zustellung gefuhrt habe und Verzogerungen im Gerichtsbetrieb\nder Partei nicht anzulasten seien, so dass die Klage als "demnachst" erhoben\nzu behandeln sei. Auch die im Laufe des Verfahrens erfolgten Umstellungen der\nKlage von der OHG auf die GmbH sowie von der Feststellung auf Leistung hatten\n- da keine Klageanderung bzw. kein Parteiwechsel - nicht zur Verjahrung\ngefuhrt. Zudem musse sich die Beklagte an der Erklarung ihres\nProzessbevollmachtigten in der mundlichen Verhandlung vom 16.12.2003\nfesthalten lassen, die GmbH akzeptiere fur die Entscheidung der\nVerjahrungsfrage die gleiche Rechtsstellung wie die OHG (vgl. Seite 2 des\nSitzungsprotokolls; Blatt 88).\n\nHiergegen wenden sich „die Berufungen" der Beklagten und der Streithelferin,\ndie weiterhin Klageabweisung begehren.\n\nDie Beklagte halt nach wie vor schon die Verjahrungseinrede fur durchgreifend,\nweil die Verklagung einer nicht mehr existenten OHG unter einer falschen\nAdresse nicht verjahrungshemmend wirke. Die Zustellung der Klage am 05.09.2003\nan die OHG sei weder demnachst noch uberhaupt wirksam erfolgt, so dass die\nErklarung des Beklagtenvertreters vom 16.12.2003 auch nicht weiterhelfe, zumal\nsie ersichtlich eine zumindest wirksame Klagezustellung fur diesen Zeitpunkt\nvorausgesetzt habe.\n\nZu Unrecht sei das Landgericht ferner von einer konkludenten\nRuckbauvereinbarung der Mietvertragsparteien in Bezug auf die Umbaumaßnahmen\nvon 1989 ausgegangen. Die vom Klager insoweit gewunschte Bestatigung einer\nRuckbauverpflichtung habe die OHG namlich gerade nicht abgegeben, nachdem\nseinerzeit eine Überprufung der von der Streithelferin vorgelegten Plane\nergeben habe, dass die Zustimmung des Klagers mangels statischer Veranderungen\nnach dem Mietvertrag uberhaupt nicht erforderlich gewesen sei.\n\nEine Inanspruchnahme der Beklagten wegen des Ruckbaus der Mietsache scheitere\njedenfalls auch daran, dass dem Klager anlasslich der Besprechung vom\n22.10.2002 der komplette Ruckbau aller Umbaumaßnahmen angeboten worden sei,\nwas dieser indessen mit Nachdruck und definitiv abgelehnt habe, was das\nKlagebegehren zumindest als rechtsmissbrauchlich erscheinen lasse. Soweit\ndiese Ablehnung offenkundig vor dem Hintergrund des bereits abgeschlossenen\nAnschlussmietvertrages mit der R. S. GmbH erfolgt sei, sei dieser\nVertragsschluss verfruht und ohne Not erfolgt, da die Angelegenheit auch nach\nden Schreiben vom 20.07.2002 und 07.08.2002 keineswegs abgeschlossen gewesen\nsei und eine endgultige Verweigerung des Komplettruckbaus nicht vorgelegen\nhabe. Zudem habe dieser Anschlussmietvertrag nach der eigenen Darstellung des\nKlagers unter dem Vorbehalt der Nichterfullung der Ruckbauverpflichtung\ngestanden, so dass er danach einem Ruckbau entgegen der Ansicht des\nErstrichters gar nicht entgegen gestanden habe. Vielmehr erlaube dieses\nVerhalten des Klagers im Rahmen der Ruckbauverhandlungen, das sich als\narglistig darstelle, den Schluss, dass dieser von vorneherein nur eine großere\nAbstandszahlung habe erreichen wollen und eine Nutzung des Mietobjekts als\nLebensmittelmarkt nie ernsthaft in Erwagung gezogen habe und dies bis heute\nbzw. auch fur die Zukunft nicht tue, was einen Ruckbau jedenfalls auch sinnlos\nmache.\n\nAuch die Streithelferin halt den geltend gemachten Anspruch fur verjahrt - die\nErklarung des Beklagtenvertreters vom 16.12.2003 binde sie ohnehin nicht - und\nweist darauf hin, dass das Interesse des Klagers durchgangig auf den Erhalt\neiner moglichst hohen Entschadigungssumme beschrankt gewesen sei.\n\nDie Beklagte beantragt (Blatt 372, 408, 452),\n\n> > unter Abanderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.\n\nDie Streithelferin hat sich dem angeschlossen.\n\nDer Klager beantragt (Blatt 334, 341, 409, 452),\n\n> > die Berufung zuruckzuweisen.\n\nEr verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines\nfruheren Vorbringens. Zur Frage der Verjahrung weist er darauf hin, dass fur\ndie Verfahrensbeteiligten kein Zweifel daruber bestanden habe, wer\nletztendlich habe verklagt sein sollen, was sich nicht nur aus der Erklarung\nvom 16.12.2003 ergebe, sondern auch aus dem Umstand, dass er seine vormalige\nMieterin durchgangig - und in allen anderen Verfahren beanstandungslos - unter\nder „OHG-Bezeichnung" verklagt habe.\n\nWegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die in der\nBerufungsinstanz gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen sowie auf die\nSitzungsniederschriften vom 9. Juni 2005 (Blatt 408 f.) und vom 20. Oktober\n2005 (Blatt 443 ff.) Bezug genommen.\n\nDer Senat hat gemaß dem Beweisbeschluss vom 30. Juni 2005 (Blatt 424/425) eine\nBeweisaufnahme durchgefuhrt, wegen deren Ergebnisses auf die\nSitzungsniederschrift vom 20. Oktober 2005 (Blatt 444-451) verwiesen wird.\n\nB.\n\nDie Berufung der Beklagten und der Streithelferin, bei der es sich um ein\neinheitliches Rechtsmittel handelt, uber das einheitlich zu entscheiden ist\n(vgl. BGH NJW 1993, 2944; NJW 1982, 2069), ist nach den §§ 511, 513, 517, 519\nund 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begrundet\nworden, mithin zulassig.\n\nIn der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg, denn die angefochtene Entscheidung\nberuht weder auf einer kausalen Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO noch\nrechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere\nEntscheidung (§ 513 ZPO).\n\nIm Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die - zuletzt - auf Ruckbau des\nstreitgegenstandlichen Mietobjekts hinsichtlich der in den Jahren 1986 und\n1989 erfolgten Änderungsmaßnahmen gerichtete Klage fur zulassig und begrundet\nerachtet.\n\n1.\n\nZutreffend hat das Landgericht die Zulassigkeit der Klage bejaht. Soweit sich\ndie Einwande der Beklagten hinsichtlich der Zulassigkeit in der\nBerufungsinstanz auf eine unzureichende Bestimmtheit des Klageantrages\nbeschranken, teilt der Senat diese Bedenken nicht. Davon ausgehend, dass es in\ndiesem Zusammenhang in erster Linie um die Abgrenzung des Streitgegenstandes\nund um die Schaffung einer Grundlage fur eine etwa erforderlich werdende\nZwangsvollstreckung geht, genugt es fur die hinreichende Bestimmtheit des\nKlageantrages grundsatzlich, dass dieser den erhobenen Anspruch konkret\nbezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308\nZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten\nEntscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lasst, das Risiko eines Unterliegens des\nKlagers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwalzt und\nschließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des\nStreits im Vollstreckungsverfahren erwarten lasst (vgl. BGH NJW 1999, 954 f.,\nm.w.N.). Unter all diesen Gesichtspunkten ist gegen das Begehren einer\nWiederherstellung des ursprunglichen Lebensmittelmarktes, wie er der Beklagten\nzu Beginn des Vertragsverhaltnisses uberlassen wurde, aber im Grundsatz nichts\neinzuwenden. Davon ist der Erstrichter zu Recht und mit zutreffender, hiermit\nin Bezug genommener Begrundung ausgegangen, ohne dass die Beklagte dem noch\nsubstantiiert entgegengetreten ware. Soweit sie ihre Bedenken hinsichtlich des\nKlageantrages in der Berufungsinstanz nur mehr daraus herleitet, dass das\nVollstreckungsverfahren mit materiell-rechtlichen Fragen uberfrachtet werde,\nerscheint auch dieser Einwand nicht gerechtfertigt. Denn die Frage, welchen\nbestimmten Erfolg die Beklagte mit den ihrer Auswahl uberlassenen Maßnahmen\nherbeifuhren muss, ist im Erkenntnisverfahren hinreichend geklart worden.\nDieser konkret geschuldete Erfolg ergibt sich auch mit hinreichender\nDeutlichkeit aus dem Antrag und der ihm folgenden Urteilsformel; mag dies bei\nZugrundelegung des bloßen Wortlauts auch zweifelhaft sein, so ist dies\njedenfalls in Verbindung mit dem Sachvortrag des Klagers und den Grunden der\nangefochtenen Entscheidung der Fall, die nach standiger Rechtsprechung des BGH\nzur streitgegenstandsbestimmenden Auslegung des Antrages bzw. des\nTenorwortlauts heranzuziehen sind (vgl. BGH NJW 1987, 3003/3004; NWJ 2001,\n445/447 m.w.N.). Denn der Klager hat - worauf schon der Erstrichter mit Recht\nhingewiesen hat - nicht nur die fraglichen Umbauplane zu den Akten gereicht\n(Blatt 95-97), sondern zu den einzelnen vorzunehmenden Maßnahmen auch\nschriftsatzlich vorgetragen (vgl. Seite 4 des Schriftsatzes vom 4.11.2003,\nBlatt 45).\n\nDamit ist auch fur das Vollstreckungsverfahren klar, worauf der Urteilstenor\ngerichtet ist. Unter diesen Umstanden steht es der Annahme einer hinreichenden\nBestimmtheit auch nicht entgegen, dass das Erfordernis einer\nVollstreckungsgegenklage gleichwohl nicht auszuschließen ist (vgl. BGH NJW\n1999, 954).\n\n2.\n\nIn der Sache hat das Landgericht ohne Rechtsfehler eine umfassende\nvertragliche Ruckbauverpflichtung der Beklagten hinsichtlich des\nstreitgegenstandlichen Mietobjekts des Inhalts, dass der ursprungliche Zustand\neines Lebensmittelmarktes durch Beseitigung der Umbaumaßnahmen von 1986 und\n1989 wiederherzustellen ist, bejaht. In diesem Zusammenhang ist es zunachst\nohne Bedeutung, ob die Beklagte - wie sie in der Berufungsinstanz unter\nVerweis auf das Schreiben der Firma S. vom 23. Marz 2001 (Blatt 34) behauptet\n- zuletzt nicht mehr Vertragspartnerin des Klagers war, da die Firma S.\nwirksam als Rechtsnachfolgerin in den Mietvertrag eingetreten ist. Denn die\nBeklagte hat nicht in Abrede gestellt, dass sie in diesem Fall jedenfalls\ngemaß § 133 UmwandlungsG weiter fur die Erfullung der Verbindlichkeiten aus\ndem Mietvertrag und nachtraglichen Zusatzvereinbarungen haftet und damit auch\npassiv legitimiert ist (vgl. Seite 2 Mitte der Berufungsbegrundung; Blatt\n361).\n\nSoweit die grundsatzliche Ruckbauverpflichtung ansonsten nur dem Umfang nach\nstreitig ist, ist der Senat mit dem Erstrichter der Ansicht, dass sich die\nRechtsvorgangerin der Beklagten -ebenso wie unstreitig hinsichtlich der\nUmbaumaßnahmen von 1986 - auch hinsichtlich der im Jahre 1989 erfolgten\nUmbauten zu einer Wiederherstellung des ursprunglichen Zustandes der Mietsache\nverbindlich verpflichtet hat. Wenn hierzu auch keine schriftliche Bestatigung\nder Mieterin vorliegt, so kann unter den gegebenen Umstanden doch vom\nZustandekommen einer entsprechenden konkludenten Vereinbarung auf der\nGrundlage des klagerischen Schreibens vom 2.10.1989 (Blatt 49/50) ausgegangen\nwerden. Denn der Klager hat in diesem Schreiben sein Einverstandnis zu dem\ngeplanten Umbau, um das ihn nicht nur die Streithelferin mit Schreiben vom\n11.9.1989 (Blatt 85), sondern auch die Rechtsvorgangerin der Beklagten -\nersichtlich im eigenen Interesse und als Grundlage eigener Entscheidungen -\nmit Schreiben vom 26.9.1989 (Blatt 51) ersucht hatten, ausdrucklich von einer\nVereinbarung mit dieser („... steht es mir nicht zu, ... mit einem Untermieter\nVereinbarungen in irgendeiner Form zu treffen."), bei gleicher Handhabung wie\nim Jahre 1986 („Wir wollen es doch so halten wie bei dem ersten Umbau."),\nabhangig gemacht. Damit hat er ihr - als Voraussetzung seiner Zustimmung -\nersichtlich den Abschluss einer inhaltsgleichen Ruckbauvereinbarung wie 1986\nangetragen. Dieses Angebot hat die Rechtsvorgangerin der Beklagten entgegen\nderen Ansicht auch angenommen. Unabhangig davon, ob - wie der Klager behauptet\n- eine mundliche Annahmeerklarung tatsachlich erfolgt ist, liegt jedenfalls\nauch eine konkludente Annahmeerklarung vor, wenn nicht schon im Schweigen der\nMieterin, so doch im „Gebrauchmachen" von der klagerischen Zustimmung, wie der\nErstrichter zu Recht angenommen hat. Insoweit ist anerkannt, dass Schweigen im\nHandelsverkehr wie unter Privaten dann als Annahme gedeutet werden kann, wenn\nnach den Umstanden des Einzelfalls unter Berucksichtigung von Treu und Glauben\nmit Rucksicht auf die Verkehrssitte eine Ablehnungserklarung erwartet werden\ndurfte (vgl. Soergel-Wolf, 13. Aufl., Rn. 16 zu § 147 BGB m.w.N.), was hier\ndurchaus der Fall war, zumal der Vorbehalt des Klagers eindeutig und die\nBedeutung, die er einer solchen Abrede beigemessen hat, klar erkennbar war und\ninsbesondere beim vorausgegangenen Umbau keine Einwande gegen eine solche\nHandhabung seitens der Mieterin bestanden haben. Wird ferner berucksichtigt,\ndass in der Folge von der Zustimmung des Klagers - als Grundlage der eigenen\nZustimmung der Mieterin und der Durchfuhrung des Umbaus - erkennbar Gebrauch\ngemacht worden ist, kann im Ergebnis das Vorliegen einer konkludenten\nAnnahmeerklarung nicht zweifelhaft sein. Diesem Verhalten kam schon deshalb\nder objektive Erklarungswert eines Einverstandnisses mit der klagerischen\nRuckbaubedingung zu, weil dieser den Umbau nur fur den Fall der Zusage eines\nRuckbaus gestattet hatte. Die Inanspruchnahme der klagerischen Zustimmung ohne\neinen Vorbehalt konnte und durfte dieser danach als Annahme seines Angebotes\nverstehen. Ob eine interne Überprufung seinerzeit - wie die Beklagte nunmehr\nbehauptet - die Zustimmungsfreiheit der Umbaumaßnahme ergeben hat, ist\nunbeachtlich, da dem Klager hiervon jedenfalls unstreitig keine Mitteilung\ngemacht worden ist. Die Rechtsvorgangerin der Beklagten hatte demgemaß\nzumindest erkennen konnen, dass der Klager ihr Verhalten als „Ruckbauzusage"\naufgefasst hat; hieran ist sie festzuhalten (vgl. BGHZ 91, 324; 109, 171/177,\nNJW 1995, 953; WM 2000, 1640).\n\nZutreffend ist das Landgericht schließlich davon ausgegangen, dass die\nsolchermaßen zustande gekommene Ruckbauvereinbarung - ausgehend von der klaren\nund eindeutigen Vorgabe des Klagers, bei Auszug den ursprunglichen Zustand\nwiederherzustellen - nicht auf statisch relevante Umbaumaßnahmen beschrankt\nwar, mithin den ursprunglichen Mietvertrag insoweit abgeandert hat.\n\n3.\n\nNicht zu beanstanden ist ferner die Auffassung des Erstrichters, der mit der\nKlage geltend gemachte Ruckbau des Mietobjekts stelle keine - vertraglich\nnicht geschuldete (vgl. BGHZ 96, 141 ff.) - sinnlose, weil alsbald wieder zu\nbeseitigende Maßnahme dar. Anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall, in\ndem feststand, dass der Vermieter nach Freiwerden der Mietsache damit begonnen\nhatte, die Raumlichkeiten fur einen anderen Verwendungszweck umzubauen,\nbestehen vorliegend keine hinreichenden Anhaltspunkte dafur, dass der Klager\ndas Mietobjekt, wenn es denn in einen Lebensmittelmarkt zuruckgebaut werden\nwurde, nicht dauerhaft als solchen nutzen bzw. vermieten wurde. Denn die\nDurchfuhrung der Ruckbauarbeiten wurde in jedem Fall eine Beendigung des\nlaufenden Mietverhaltnisses und des Spielhallenbetriebes voraussetzen. Es\nwidersprache aber jeder Lebenserfahrung anzunehmen, der Klager kundige zur\nErmoglichung eines Ruckbaus laufende Vertrage und vermiete dann - nach\nerneuten Umbau - zu anderen Zwecken, insbesondere erneut zum\nSpielhallenbetrieb.\n\nSoweit es hiernach vorliegend nicht um die Sinnlosigkeit eines Ruckbaus geht,\nvielmehr um die Frage, ob ein solcher Ruckbau uberhaupt durchgefuhrt werden\nkann und soll, kann allenfalls das Vorliegen einer auf eine unmogliche\nLeistung gerichteten Klage in Erwagung gezogen werden. Im Ergebnis ware\nallerdings von bloßer vorubergehender Unmoglichkeit auszugehen, da das\nlaufende Mietverhaltnis befristet ist, nicht einmal die Ausubung der\nVerlangerungsoption durch den Mieter feststeht und auch eine vorzeitige\neinvernehmliche Aufhebung dieses Mietverhaltnisses - gegen Abfindung - nicht\nausgeschlossen erscheint. Eine vorubergehende Unmoglichkeit ware indessen\neiner dauerhaften nur dann gleichzustellen, wenn dem Schuldner unter Abwagung\nder beiderseitigen Interessen ein Festhalten an der Verpflichtung nicht\nzuzumuten ware (vgl. BGHZ 47, 50; 83, 200). Eine solche Unzumutbarkeit ist\nhier beklagtenseits nicht dargetan, zumal eine Verlangerung des laufenden\nMietverhaltnisses uber 2007 hinaus nicht feststeht und eine vorzeitige\nBeendigung, wie ausgefuhrt, denkbar ist.\n\nEbensowenig kann angenommen werden, dass der Klager den Ruckbau der Mietsache\nnicht ernsthaft will. Schon die vorliegende Klage auf Ruckbau ist\nhinreichendes Indiz dafur, dass dies nicht der Fall ist, zumal eine\n„Kapitalisierung" der Klageforderung - etwa durch Inverzugsetzung der\nBeklagten - unter den gegebenen Umstanden nicht ohne weiteres moglich sein\ndurfte.\n\n4.\n\nEntgegen der Ansicht der Beklagten ist es dem Klager ferner nicht nach Treu\nund Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, Anspruche aus den Ruckbauvereinbarungen von\n1986 und 1989 noch - klageweise - geltend zu machen. Ein widerspruchliches,\ntreuwidriges oder rechtsmissbrauchliches Verhalten des Klagers ist auch unter\nBerucksichtigung von dessen vorgerichtlichem Verhalten bei den\nRuckbauverhandlungen nicht zur Überzeugung des Senats erwiesen, was zulasten\nder beweispflichtigen Beklagten geht. Soweit diese eine Treuwidrigkeit in\nerster Linie daraus herleiten will, dass der Klager bei einer Besprechung am\n22.10.2002 den ihm fur November/Dezember 2002 angebotenen kompletten Ruckbau\ndes Mietobjekts definitiv abgelehnt habe, weil er vor dem Hintergrund der\nbereits erfolgten Anschlussvermietung ab 1.1.2003 nur mehr den Erhalt einer\nEntschadigungssumme angestrebt habe - was sich mit der vorliegenden Klage auf\nRuckbau nicht vertrage -, hat die vor dem Senat durchgefuhrte Beweisaufnahme\ndie Richtigkeit dieser Darstellung nicht ergeben. Der Senat hat schon Zweifel,\nob dem Klager bei dieser Gelegenheit ein Ruckbau aller Umbaumaßnahmen\nhinreichend deutlich und zweifelsfrei angeboten worden ist. Zwar hat der Zeuge\nN. bekundet, es sei bei dieser Besprechung um den kompletten Ruckbau gegangen,\nwas auch dem Eindruck des Zeugen F. entsprach. Indessen hat der Zeuge N. dies\ndamit begrundet, dass der Umfang des Ruckbaus zwischen den Beteiligten zu\nkeinem Zeitpunkt streitig gewesen sei, was weder mit den Schreiben der Firma\nS. vom 30.7.2002 und vom 7.8.2002 noch mit dem eigenen Schreiben des Zeugen\nvom 22.5.2002 (Blatt 167) in Einklang zu bringen ist. Die sich aus diesen\nSchreiben ergebende klare Ablehnungshaltung hinsichtlich eines\nKomplettruckbaus spricht daruber hinaus - ebenso wie das nachfolgende\nVerhalten der Beklagten und der Streithelferin, insbesondere im vorliegenden\nRechtsstreit, in dem die Verpflichtung zum Komplettruckbau von Anfang an und\ndurchgangig bestritten wurde - eindeutig dagegen, dass bei der Besprechung vom\n22.10.2002 abweichend ein Komplettruckbau angeboten worden ware. Zwar hat der\nZeuge F. hierzu erklart, die ursprunglichen Differenzen wegen des Umfangs der\nRuckbauverpflichtung hatten sich nachtraglich „in Luft aufgelost", nachdem\nsich herausgestellt habe, dass die beiden Umbauten ineinander gegriffen\nhatten. Nach den Bekundungen aller Zeugen war dies jedoch jedenfalls nicht\nGegenstand der Besprechung vom 22.10.2002. Da der Zeuge F. den diesbezuglichen\nSinneswandel der Mieterseite nach eigener Bekundung dem Klager auch nicht im\nVorfeld der Besprechung mitgeteilt hat - zwischen dem Ablehnungsschreiben vom\n7.8.2002 und der Besprechung bestanden keine Kontakte der Beteiligten mehr -,\nerscheint damit im Ergebnis zumindest zweifelhaft, ob eine etwa vorhandene\nBereitschaft der Beklagten bzw. der Streithelferin zum Komplettruckbau\nanlasslich der Besprechung vom 22.10.2002 mit der gebotenen Deutlichkeit zum\nAusdruck gekommen ist.\n\nUnabhangig davon ist keinesfalls erwiesen, dass der Klager bei diesem Anlass -\nzugunsten einer Entschadigungslosung - einen Ruckbau der Mietsache endgultig\nund definitiv abgelehnt hatte. Wenn anlasslich dieser Besprechung nach den\nZeugenaussagen auch keine abschließende Vereinbarung getroffen worden ist,\nzumal der Klager Bedenken hatte, ob der Ruckbau in der verbleibenden Zeit\nbewerkstelligt werden konne, sind die Beteiligten nach diesem Gesprach\nersichtlich davon ausgegangen, dass die Option „Ruckbau" weiterhin bestehe.\nWahrend der Zeuge W. das Gesprach damals als beendet angesehen hat, als der\nZeuge N. einen Ruckbau durch den hauseigenen Bautrupp vorgeschlagen hat, und\ndeshalb nach dem Gesprach nach eigener Bekundung angenommen hat, dass\nzuruckgebaut werde, ist der Zeuge N., wie er bekundet hat, nach der\nBesprechung zumindest „zweigleisig gefahren" (Ruckbau- oder\nEntschadigungslosung) und hat zur vorsorglichen Sicherstellung eines\nfruhzeitigen Ruckbaus mit Schreiben vom 23.10.2002 (Blatt 117) die Moglichkeit\neines vorzeitigen Auszuges der Unteruntermieterin abgeklart. Dies alles zeigt,\ndass von einer Erledigung der Ruckbaulosung wegen endgultiger Ablehnung\nseitens des Klagers in der Besprechung vom 22.10.2002 nicht die Rede sein\nkann.\n\nDer Senat halt es daruber hinaus auch nicht fur den nachfolgenden Zeitraum bis\nzur Beendigung des streitgegenstandlichen Mietverhaltnisses am 31.12.2002 -\ndanach hatten sich Beklagte und Streithelferin definitiv auf den Standpunkt\ngestellt, durch die Weiternutzung des Mietobjekts als Spielhalle sei die\nvertragliche Wiederherstellungspflicht entfallen (vgl. Schreiben vom\n29.1.2003, Blatt 122/123) - fur erwiesen, dass der Ruckbau der Mietsache aus\nvom Klager zu vertretenden Grunden, die das jetzige Klagebegehren als gegen\nTreu und Glauben verstoßend erscheinen ließen, gescheitert ist. Die Weigerung\nder Unteruntermieterin, die Mietsache vorzeitig bis spatestens 15.11.2002 zu\nraumen (vgl. Schreiben vom 28.10.2002, Blatt 118), ist dem Klager nicht\nanzulasten, da es dieser unbenommen war, auf der Einhaltung des\nabgeschlossenen Untermietvertrages zu bestehen. Im Übrigen ist nicht dargetan,\ndass der Klager insoweit Einfluss genommen hatte.\n\nNach Ansicht des Senats hat der Klager schließlich auch das Scheitern eines\nRuckbaus im Dezember 2002 nicht nachweislich zu verantworten. Der Zeuge N. hat\nzwar bekundet, der Klager habe ihm erklart, ein Ruckbau im Dezember komme\nnicht in Frage, weil die Arbeiten nicht mehr fertig wurden. Andererseits steht\nallerdings fest, dass die Beklagte bzw. die Firma S. - als Nutzungsberechtigte\nbis 31.12.2002 - zu dieser Zeit mit der Unteruntermieterin deren Weiternutzung\nder Mietsache fur Dezember 2002 vereinbart hat, was einen Ruckbau im Dezember\nletztlich verhindert und der Unteruntermieterin zugleich einen „nahtlosen\nÜbergang" zum Anschlussmietvertrag ab 1.1.2003 ermoglicht hat, ohne den - was\nder Klager vorgetragen hat und was auch plausibel erscheint - die Durchfuhrung\ndes Anschlussmietvertrages wegen der Kosten und des Aufwandes einer\nvorubergehenden Raumung und Wiederherstellung der Mietsache fraglich gewesen\nware.\n\nGrund fur die untermietweise Überlassung des Mietobjektes an die vormalige\nUnteruntermieterin im Dezember 2002 durch die Beklagte selbst - bzw. die Firma\nS. - mag deren Erwartung, die Angelegenheit durch Zahlung einer Abfindung\nregeln zu konnen, gewesen sein, unter Umstanden aber auch deren rechtsirrige\nAnsicht, wegen des Anschlussmietvertrages sei ein Ruckbauanspruch (nach BGHZ\n96, 141 ff.) entfallen. Jedenfalls ist nicht uberzeugend dargetan, dass dies\nKonsequenz eines abschließenden Gespraches der Firma S. mit dem - ablehnenden\n- Klager gewesen ware, von welchem der Zeuge N. in seinem Schreiben vom\n27.11.2002 (Blatt 119) selbst noch ausgegangen ist, soweit er dem Klager dort\nabschließend anheimgestellt hat, sich nunmehr mit dem Hauptmieter uber den\nRuckbau ins Benehmen zu setzen und eine Einigung mit diesem herbeizufuhren.\nZum Zustandekommen sowie zum Ergebnis eines solchen Gespraches vermochte der\nZeuge N. namlich nichts zu bekunden, sondern nur dazu, dass ihm in der Folge\nbekannt geworden sei, dass an die Unteruntermieterin - im Dezember 2002 und\ndaruber hinaus - weitervermietet worden sei.\n\nSteht danach aber nicht fest, ob es uberhaupt eine abschließende Weigerung des\nKlagers auf ein konkretes Ruckbauangebot der Beklagten bzw. der Firma S. in\ndiesem Zeitraum noch gegeben hat, und ist letztlich offen geblieben, wie und\nwarum es zu einer Weitervermietung an die Unteruntermieterin durch die\nBeklagte fur Dezember 2002 - statt eines Ruckbaus - gekommen ist, kann im\nErgebnis nicht angenommen werden, dass der Klager seinen Ruckbauanspruch\nvorgerichtlich verwirkt hatte.\n\n5.\n\nOhne Rechtsfehler hat der Erstrichter schließlich eine Verjahrung der\nKlageforderung verneint. Auch der Senat ist der Auffassung, dass die\nVerjahrung hier durch die Zustellung der Klage am 5.9.2003 gehemmt wurde (vgl.\n§ 204 I Nr. 1 BGB), da diese Zustellung „demnachst" im Sinne von § 167 ZPO (=\n§ 270 Abs. 3 ZPO a.F.) erfolgt ist, auch wenn seit - innerhalb der Sechs-\nMonats-Frist des - einschlagigen - § 548 BGB n.F. erfolgter - Klageeinreichung\nbereits 2 ½ Monate verstrichen waren. Die diesbezuglichen Ausfuhrungen des\nLandgerichts sind nicht zu beanstanden. Ob eine Zustellung noch „demnachst"\nerfolgt ist, darf nicht allein mittels rein zeitlicher Betrachtung beurteilt\nwerden. Die Vorschrift des § 167 ZPO bzw. § 270 Abs. 3 ZPO a.F. will die\nParteien namlich vor Nachteilen durch Verzogerungen der von Amts wegen zu\nbewirkenden Zustellung schutzen, die innerhalb des gerichtlichen\nGeschaftsbetriebs liegen und von den Parteien nicht beeinflusst werden konnen.\nDaher gibt es keine absolute zeitliche Grenze, nach deren Überschreitung eine\nZustellung nicht mehr als „demnachst" anzusehen ware; dies gilt auch im\nHinblick auf mehrmonatige Verzogerungen (vgl. BGH MDR 2003, 568/569; MDR 2001,\n164; NJW 1993, 2811/2812). Ist eine mehrmonatige Verzogerung der Zustellung\nuberwiegend auf vermeidbare Verzogerungen im Geschaftsablauf des Gerichts\nzuruckzufuhren und uberschreitet die durch den Klager zu vertretende\nVerzogerung den Zeitraum von 14 Tagen nicht - wie dies nach den Ausfuhrungen\ndes Landgerichts hier der Fall ist -, bestehen deshalb keine Bedenken,\nzugunsten des Klagers eine Ruckwirkung auf den - weiter zuruckliegenden -\nZeitpunkt der Anhangigmachung anzunehmen (vgl. BGH NJW 2000, 2282; NJW 1993,\n2811/2812).\n\nDaruber hinaus ist dem Landgericht auch darin zu folgen, dass die\nKlageforderung nicht etwa deshalb verjahrt ist, weil der Klager ursprunglich\ndie falsche Beklagte verklagt hatte. Insoweit halt der Senat an seiner in der\nmundlichen Verhandlung vom 9. Juni 2005 (vgl. Blatt 408/409) geaußerten\nRechtsauffassung im Hinblick auf das weitere Vorbringen gemaß dem Schriftsatz\ndes Klagervertreters vom 13.6.2005 (Blatt 410 ff.) nicht mehr fest, worauf\nbereits in dem Senatsbeschluss vom 30.6.2005 (Blatt 424/425) hingewiesen\nwurde.\n\nNach Wurdigung des Akteninhalts, des Parteiverhaltens und der bekannt\ngewordenen Handhabung in Parallelprozessen geht der Senat schon von einer\nbloßen unrichtigen Parteibezeichnung aus, die ohne weiteres berichtigt werden\nkonnte und ohne verjahrungsrechtliche Relevanz ist. Insoweit entspricht es\nstandiger Rechtsprechung des BGH, dass die Bezeichnung einer Partei allein fur\ndie Parteistellung nicht ausschlaggebend ist, es vielmehr darauf ankommt,\nwelcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewahlten\nParteibezeichnung bei objektiver Wurdigung des Erklarungsinhalts beizulegen\nist und dass demgemaß bei unrichtiger außerer Bezeichnung grundsatzlich die\nPerson als Partei anzusprechen ist, die erkennbar durch die Parteibezeichnung\nbetroffen werden soll (vgl. zuletzt BGH NJW-RR 2004, 501); dies gilt\ngrundsatzlich auch bei Rechtsnachfolge (vgl. BGH WM 2002, 1842/1843). Dabei\nsind in die Beurteilung spatere Prozessvorgange (BGH NJW-RR 2004, 501) ebenso\nwie der im weiteren Verfahren erfolgte Tatsachenvortrag (BGH NJW 1981, 1453;\nBFH BB 1987, 398) mit einzubeziehen.\n\nEine Auslegung der in der Klageschrift zum Ausdruck gekommenen prozessualen\nWillenserklarung unter Berucksichtigung dieser Grundsatze fuhrt hier zu dem\nErgebnis, dass von Anfang an der vormalige Vertragspartner des\nstreitgegenstandlichen Mietvertrages, der zuletzt in der Rechtsform einer GmbH\nbestand, - als Schuldner des geltend gemachten Ruckbauanspruches - verklagt\nsein sollte. Es kann grundsatzlich nicht angenommen werden, dass eine Klage\ngegen eine nicht mehr existierende Gesellschaft gerichtet sein soll (vgl. OLG\nJena MDR 1997, 1030). Zudem liegt es erkennbar in der Absicht des Klagers, den\nwahren Schuldner in Anspruch zu nehmen. Nur in diesem Sinne konnte die Klage\nfolglich verstanden werden und wurde so offenkundig vom Empfanger auch\nverstanden, was schon der Umstand zeigt, dass die Klage im Geschaftslokal der\nGmbH zugestellt werden konnte und in der Folge ein Anwalt beauftragt wurde,\nder sich fur die „P. Whg" \\- ohne Beanstandung der Passivlegitimation -\nbestellt und in der Klageerwiderung ausgefuhrt hat, dass „die Beklagte" einen\nRuckbau aus materiellrechtlichen Grunden nicht schulde. Der spatere Hinweis\nauf das Aufgehen der OHG in der GmbH (vgl. Seite 2 des Schriftsatzes vom\n4.12.2003; Blatt 74) erscheint danach nachgeschoben. Dass die Verantwortlichen\nauf Beklagtenseite unter der „OHG-Bezeichnung" durchaus die P.- Whg in ihrer\naktuellen Rechtsform verstanden haben, wird im Übrigen auch daraus\nersichtlich, dass in vorliegender Mietangelegenheit mieterseits noch im August\n2005 Klage unter dieser Bezeichnung erhoben wurde (vgl. Klageschrift vom\n22.8.2005, Blatt 455). Es kann namlich nicht angenommen werden, dass in jenem\nRechtsstreit Klagerin eine nicht existente Gesellschaft sein soll, die Gefahr\nlauft, mit einer unzulassigen Klage zu scheitern. Ohnehin ist - wie die\nweiteren Rechtsstreite zwischen den Mietvertragsparteien zeigen (vgl. die\nAngaben im Senatsbeschluss vom 30. Juni 2005, Blatt 424/425) - eine\nnachlassige Handhabung bei der Bezeichnung der Mieterin festzustellen, was\nzusatzlich nahe legt, dem Wortlaut der Parteibezeichnung keine entscheidende\nBedeutung beizumessen.\n\nGegen die Annahme einer unrichtigen Parteibezeichnung bestehen nach allem\nkeine Bedenken, zumal dies auch dem Gericht - als weiterem Empfanger der\nKlageschrift - durchaus erkennbar war, soweit die Anlage zur Klageschrift\n(vgl. Schreiben der Firma S. vom 30.7.2002; Blatt 16/17) Hinweise auf die\nVeranderungen bei der P.- Whg enthalt.\n\nZutreffend hat der Erstrichter ferner angenommen, dass einem Erfolg der\nVerjahrungseinrede außerdem die Erklarung des Beklagtenvertreters in der\nmundlichen Verhandlung vom 16.12.2003, die Beklagte akzeptiere fur die\nEntscheidung der Verjahrungsfrage die gleiche Rechtsstellung wie die zunachst\nverklagte OHG, entgegensteht, an die gemaß § 67 Satz 1, 1. Halbsatz ZPO auch\ndie erst spater beigetretene Streithelferin gebunden ist. Wie der Senat\nbereits im Beschluss vom 30. Juni 2005 ausgefuhrt hat, ist diese Erklarung\njedenfalls unter Berucksichtigung des Prozessverhaltens der Beklagten in den\nanderen die vorliegende Mietangelegenheit betreffenden Rechtsstreitigkeiten,\nwo die Verklagung unter der „OHG-Bezeichnung" unbeanstandet blieb bzw. unter\ndieser Bezeichnung geklagt wurde, dahin zu verstehen, dass die Beklagte aus\ndem Umstand, dass die ursprungliche Klagezustellung vom 5. September 2003 - im\nGeschaftslokal - unter der „OHG-Bezeichnung" erfolgt ist, fur die\nVerjahrungsfrage nichts herleiten will. Mit dieser Erklarung hat der\nBeklagtenvertreter namlich erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass er der\nFalschbezeichnung - wie in den Parallelverfahren - keine prozessentscheidende\nBedeutung beimisst.\n\nDie Berufung hat hiernach keinen Erfolg.\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO, diejenige\nuber die vorlaufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 i.V.m. 709\nSatz 2 ZPO.\n\nDie Revision war nicht zuzulassen, da es an den erforderlichen Voraussetzungen\nfehlt (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1 Ziffer 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 ZPO).\n\nDer Wert der Beschwer war gemaß § 26 Ziffer 8 EinfG ZPO festzusetzen.\n\n |
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128,841 | lsgsl-2006-09-20-l-2-u-13004 | 936 | Landessozialgericht für das Saarland | lsgsl | Saarland | Sozialgerichtsbarkeit | L 2 U 130/04 | 2006-09-20 | 2019-01-07 09:36:01 | 2019-02-12 12:12:00 | Urteil | ## Tenor\n\nDie Berufung des Klagers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts fur das\nSaarland vom 08.09.2004 wird zuruckgewiesen.\n\nDie Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\nDer Klager begehrt die Anerkennung seines Autounfalls vom 28.03.2002 als\nArbeitsunfall.\n\nAm 28.03.2002 (Grundonnerstag) verungluckte der Klager kurz vor P., als er\nsich als Beifahrer mit seiner damaligen Lebensgefahrtin und jetzigen Ehefrau,\nder Zeugin U.B., auf dem Nachhauseweg von der Arbeit bei der Firma H. V. GmbH,\nE., zum Tanken nach Sch./Luxemburg befand. Nach dem Tanken sollte die\nWeiterfahrt nach Hause nach M. erfolgen. Der Klager zog sich schwere\nVerletzungen zu und bezieht mittlerweile Erwerbsunfahigkeitsrente.\n\nMit Bescheid vom 15.10.2003 teilte der Beklagte mit, dass Anspruche auf\nEntschadigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht\nbestanden. Ein Arbeitsunfall liege nicht vor, da das beabsichtigte Auftanken\ndes Fahrzeuges in Luxemburg dem unversicherten privaten Bereich zuzuordnen\nsei. Da er den Unfall nicht auf dem direkten Weg zwischen Arbeitsstatte und\nZielort (Wohnung in M.) erlitten habe, sondern zum Unfallzeitpunkt als\nprivater Kunde (Tanken in Luxemburg) bereits uber den Zielort M.\nhinausgefahren gewesen sei, habe er sich zum Unfallzeitpunkt auf einem\nunversicherten Abweg befunden.\n\nDagegen erhob der Klager Widerspruch mit der Begrundung, durch das Tanken in\nLuxemburg kame man auf Einsparungen bis zu 850,- bis 900,- EUR jahrlich.\nSeiner Ehefrau sei eine Bitte um Lohnerhohung mit der Begrundung abgelehnt\nworden, dass sie ja in Luxemburg tanken konne. Dies zeige ebenfalls, dass hier\nein Zusammenhang mit betrieblichen Interessen bestehe. Des Weiteren liege\nVersicherungsschutz vor, wenn die betreffende Verrichtung sich auf die -\nkorperliche und/oder geistige - Leistungsfahigkeit, die fur die versicherte\nTatigkeit benotigt werde, in positiver Weise auswirke. Da er und seine Ehefrau\nausschließlich in der Kunden-Neuwerbung tatig seien (Provisionsbasis), sei\nsouveranes Auftreten frei von finanziellen Ängsten unverzichtbar. Schließlich\nsei anzufuhren, dass die Grundsatze der Fahrgemeinschaft hier nicht angewandt\nwerden konnten. Er besitze keinen Fuhrerschein und habe sich also in einem\nAbhangigkeitsverhaltnis zu seiner damaligen Freundin befunden. Es sei ihm also\nnicht moglich gewesen, auf die Einhaltung des direkten Weges zu bestehen. Am\nUnfalltag habe seine jetzige Ehefrau ihm erst wahrend der Ruckfahrt\nmitgeteilt, dass sie zum Tanken durchfahren wurde, da sie erst abends\ninformiert worden sei, dass sie samstags arbeiten solle.\n\nAuf Nachfrage der Beklagten teilte der Arbeitgeber mit, dass der Klager und\nseine jetzige Frau ausschließlich im Innendienst tatig seien (Call-Center,\nTelefondienst). Im Außendienst seien beide zum Unfallzeitpunkt nicht tatig\ngewesen.\n\nBei einer Besprechung mit einem Außendienstmitarbeiter der Beklagten\nbestatigte der Klager, dass die Call-Agenten im Außendienst nur dann tatig\ngeworden seien, wenn ein Kunde aus der Umgebung einmal unbedingt von dem\nzustandigen Call-Agenten im Außendienst habe betreut werden wollen. Seine Frau\nhabe vor dem Unfall ca. alle sieben Tage in Luxemburg getankt; so lange habe\nin etwa eine Tankfullung ausgereicht. Das Tanken sei meistens mit der\nHeimfahrt von der Arbeit verbunden gewesen, in der Regel freitags oder, falls\nsie samstags hatten arbeiten mussen, samstags. Dies hatten sie in der Regel\nmorgens oder am Tag vor dem Tanken ausgemacht. Entweder seien sie zusammen\ngefahren oder seine jetzige Ehefrau habe ihn abgesetzt, wenn er etwas zu\nerledigen gehabt habe. In ca. 60 % der Falle sei er zum Tanken mitgefahren. Er\nhabe sich an den Kosten fur die Fahrten zur Arbeit beteiligt und 50,- EUR pro\nMonat dazugegeben. Als der Vorgesetzte seiner Ehefrau gesagt habe, dass sie\nOstersamstags arbeiten musse, habe er dies nicht mitbekommen und seine Frau\nhabe dies auch zunachst nicht erzahlt. Vor der Heimfahrt habe er sich bei\nseiner Frau nicht erkundigt, ob diese direkt nach Hause fahren wolle. Auf der\nHeimfahrt sei seine Frau dann an der Ausfahrt M. vorbeigefahren. Auf seine\nNachfrage hin habe sie erklart, sie sei nicht herausgefahren, weil sie\nsamstags arbeiten musse. Erst zu diesem Zeitpunkt habe er erfahren, dass seine\nFrau samstags arbeiten solle und sie nun zum Tanken nach Luxemburg fahren\nwolle. Es habe sich ein „kurzer, heftiger und schmerzloser" Streit\nangeschlossen. Er habe seine Frau nicht gebeten, an der nachsten - ca. 5 km\nentfernten - Ausfahrt umzukehren. Er denke, sie ware auch dann nicht an der\nnachsten Ausfahrt herausgefahren, wenn er sie darum gebeten hatte. Eine\nAbfahrt an der nachsten Ausfahrt sei auch deshalb nicht moglich gewesen, da\nsie in der Hitze des Streites gar nicht bemerkt hatten, wie sie daran\nvorbeigefahren seien. Am Unfalltag habe er noch etwas zu erledigen gehabt; er\nhabe seine Steuererklarung machen wollen.\n\nMit Widerspruchsbescheid vom 26.05.2004 wies die Beklagte den Widerspruch\nzuruck. Zur Begrundung wurde im Wesentlichen ausgefuhrt, ein uberzeugender\nGrund dafur, dass die jetzige Ehefrau die beabsichtigte Fahrt zum Tanken in\nLuxemburg ausgerechnet am Unfalltag nicht mit dem Klager abgesprochen haben\nsolle, sei nicht vorgebracht worden. Es sei auch kaum nachvollziehbar, dass er\nvon der unter Umstanden erforderlichen Samstagsarbeit der Lebensgefahrtin vor\nder Heimfahrt keine Kenntnis gehabt haben solle, obwohl er mit ihr in einem\nBuro gesessen habe. Da diese zudem regelmaßig am letzten Tag der Arbeitswoche\nauf dem Heimweg in Luxemburg getankt habe, hatte er zudem damit rechnen\nkonnen, dass sie am Grundonnerstag nach der Arbeit zum Tanken nach Luxemburg\nfahren wurde. Weil der Klager zum Unfallzeitpunkt nichts dringliches habe\nerledigen wollen, und er seine Lebensgefahrtin zum wochentlichen Tanken in\nLuxemburg uberwiegend begleitet habe, sei im Übrigen auch der geschilderte\nStreit nicht recht nachvollziehbar. Nicht schlussig erklart worden sei zudem,\nweshalb der Klager seine Lebensgefahrtin nicht gebeten habe, an der nachsten -\nca. 2 km entfernten - Ausfahrt umzukehren. Letztlich konnte der Unfall vom\n28.03.2002 aber auch dann nicht als Versicherungsfall anerkannt werden, wenn\ndie Schilderung des Klagers zutreffend sei. Das Tanken in Luxemburg sei dem\nunversicherten privaten Bereich sowohl des Klagers als auch seiner\nLebensgefahrtin zuzuordnen, das Tanken in Luxemburg sei unzweifelhaft aus\neigenwirtschaftlichen Grunden (Geld sparen) erfolgt und nicht dazu bestimmt\ngewesen, dem Arbeitgeber zu dienen. Sein monatlicher Kostenbeitrag ware\nsicherlich deutlich hoher ausgefallen, wenn seine Lebensgefahrtin jeweils in\nDeutschland getankt hatte. Außerdem habe der Klager seine Lebensgefahrtin\nnicht gebeten umzukehren. Die weitere Mitfahrt zum Tanken habe er somit nicht\nausdrucklich abgelehnt.\n\nDie am 03.06.2004 erhobene Klage hat das Sozialgericht fur das Saarland (SG)\nmit Gerichtsbescheid vom 08.09.2004 abgewiesen. Zur Begrundung hat es im\nWesentlichen ausgefuhrt, das Auftanken eines Kraftfahrzeuges, mit dem der Weg\nnach oder von dem Ort der Tatigkeit zuruckgelegt werde, stelle nach der\nRechtsprechung des BSG in der Regel eine Tatigkeit dar, die dem privaten\nBereich und nicht der unter Unfallversicherungsschutz stehenden betrieblichen\nSphare zuzurechnen sei. Dies gelte im Regelfall schon dann, wenn die\nnachstgelegene Tankstelle aufgesucht werde und erst recht, wenn eine weit\nentfernte Tankstelle aufgesucht werde, weil der Treibstoff dort billiger sei.\nIm Übrigen hat das SG gemaß § 136 Abs. 3 SGG auf die Ausfuhrungen im\nWiderspruchsbescheid verwiesen.\n\nGegen den ihm am 17.09.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Klager am\n12.10.2004 Berufung eingelegt.\n\nEr tragt vor, es sei nicht immer am letzten Tag der Woche, sondern gegen Ende\nder Woche getankt worden, das heiße auch ein oder zwei Tage fruher. Weiterhin\nsei immer vorher abgesprochen worden, ob er seine Lebensgefahrtin auf der\nFahrt begleiten oder abgesetzt werden wolle. Manchmal habe er auch offentliche\nVerkehrsmittel genutzt, wenn seine Interessen und die seiner Lebensgefahrtin\nnicht miteinander vereinbar gewesen seien. Er habe somit am Unfalltag nicht\ndamit rechnen konnen, dass ein Tankstopp in Luxemburg eingelegt werde. Hatte\nseine Lebensgefahrtin ihn vorher gefragt, hatte er sie wahrscheinlich gebeten,\nihn zuhause abzusetzen, da er sich fur diesen Tag Arbeiten vorgenommen gehabt\nhabe. Zum Unfallzeitpunkt sei die 2 km entfernte Abfahrt noch gar nicht\nvorhanden gewesen, so dass ein Umkehren nicht moglich gewesen sei\nbeziehungsweise mit einem erheblichen Umweg verbunden gewesen ware.\n\nDer Klager beantragt,\n\n> unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts fur das Saarland\n> vom 08.09.2004 sowie des Bescheides vom 15.10.2003 in der Gestalt des\n> Widerspruchsbescheides vom 26.05.2004 festzustellen, dass es sich bei dem\n> Autounfall vom 28.03.2002 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.\n\nDie Beklagte beantragt,\n\n> die Berufung zuruckzuweisen.\n\nSie verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid.\n\nDer Berichterstatter des Senats hat die Ehefrau des Klagers, Frau U.B., als\nZeugin vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die\nSitzungsniederschrift vom 28.09.2005 verwiesen.\n\nWegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den\nInhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten;\nder Inhalt der Beiakte war Gegenstand der mundlichen Verhandlung.\n\n## Entscheidungsgründe\n\nDie zulassige Berufung ist unbegrundet.\n\nNach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfalle Unfalle von Versicherten\ninfolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII\nbegrundenden Tatigkeit (versicherte Tatigkeit). Versicherte Tatigkeiten sind\nauch das Zurucklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der\nTatigkeit abweichenden Weges, um mit anderen Berufstatigen oder Versicherten\ngemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2b SGB VII).\n\nDurch das Bestehen einer Fahrgemeinschaft wird kein neuartiger\nVersicherungsschutz - ausgenommen der erweiterte Schutz fur die erforderlichen\nUmwege - begrundet. Vielmehr mussen auch bei den Mitgliedern einer\nFahrgemeinschaft die Voraussetzungen erfullt sein, die nach den allgemeinen\nGrundsatzen fur Wege nach und von dem Tatigkeitsort verlangt werden (vgl. BSG,\nUrteil vom 26.01.1988 - 2 RU 12/87; Keller in Hauck, SGB VII, K § 8 Rdnr.\n252). Wird von der Fahrgemeinschaft der gemeinsame Weg zu den Orten der\nTatigkeiten - entsprechendes gilt fur den Ruckweg - unterbrochen und ein\nanderer Weg eingeschoben, sind alle Teilnehmer der Fahrgemeinschaft\nversichert, wenn die Unterbrechung bei einem von ihnen wesentlich mit seinem\nversicherten Tatigkeitsbereich zusammenhangt (vgl. BSG a.a.O.).\n\n1.) Vorliegend stand der Umweg nach Luxemburg in keinem Zusammenhang mit der\nversicherten Tatigkeit des Klagers oder seiner damaligen Lebensgefahrtin und\njetzigen Ehefrau. Bereits in seinem Urteil vom 11.12.1980 hat das BSG (2 RU\n71/78) entschieden, dass dann, wenn sich wie hier nicht wahrend der Fahrt die\nNotwendigkeit zum Tanken ergibt, sondern der erhebliche Umweg deshalb gewahlt\nwird, um billiger zu Tanken, ein ursachlicher Zusammenhang zwischen der\nZurucklegung des Umweges und der Beschaftigung im Unternehmen nicht besteht.\nBeruht ein Umweg auf privaten Grunden, ist entscheidend, ob die dadurch\nbedingte Verlangerung des Weges unter Berucksichtigung alle Umstande des\nEinzelfalles als erheblich anzusehen ist. Dies ist dann der Fall, wenn die\nprivate Verrichtung nicht nur „so im Vorbeigehen" erledigt werde. In seinem\nUrteil vom 24.06.2003 (B 2 U 40/02 R) hat das BSG diese Rechtsprechung\naufrechterhalten und entschieden, selbst eine Wegeverlangerung von nur 100\nMetern (von 1.600 auf 1.700 m) stelle keine unbedeutende Verlangerung des\nWeges dar. Davon ausgehend ist der viele Kilometer betragende Umweg nach\nLuxemburg nicht unerheblich.\n\n2.) Macht der Fahrer einer Fahrgemeinschaft aus privaten Grunden einen Umweg,\nist umstritten, unter welchen Voraussetzungen die Mitfahrer\nVersicherungsschutz genießen.\n\nKrasney (in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, gesetzliche\nUnfallversicherung, § 8 Rdnr. 266) vertritt die Auffassung, dass fur sie auch\nwahrend des Umweges oder der Unterbrechung Versicherungsschutz besteht, da die\nMitfahrer einer Fahrgemeinschaft auf die Fahrroute des PKW angewiesen seien.\nNach Ricke (in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII Rdnr. 229) besteht\nausnahmsweise Versicherungsschutz fur die anderen, soweit sie auf die\nFahrgemeinschaft angewiesen sind und ihnen eine Einflussnahme auf die\nAbweichung nicht moglich oder nicht zumutbar ist, zum Beispiel bei\nunvorhergesehenen Wegeanderungen (ahnlich Schwerdtfeger in Lauterbach,\nUnfallversicherung, 4. Auflage, § 8 Rdnr. 532 mit Verweis auf LSG Baden-\nWurttemberg, Urteil vom 30.06.1969 - L 10 Ua 1239/67; Keller, a.a.O.; K § 8\nRdnr. 254).\n\nDas LSG Baden-Wurttemberg (a.a.O.) hat entschieden, dass der ursachliche\nZusammenhang zwischen der Zurucklegung des Weges von der Arbeitsstatte mit der\nTatigkeit im Unternehmen jedenfalls dann nicht unterbrochen werde, wenn ein\nUmweg nicht in der Person des Versicherten begrundet und nicht wesentlich von\nseinem Willen bestimmt werde und sich zur Begrundung auf ein Urteil des BSG\nvom 26.07.1963 (2 RU 178/61) berufe. Nach Auffassung des LSG Nordrhein-\nWestfalen (Urteil vom 08.08.1989 - L 5 U 145/88) kann der Versicherungsschutz\nbestehen, wenn dem Mitfahrer das Benutzen anderer Beforderungsmittel\nunzumutbar gewesen ware oder wenn er erst wahrend der Fahrt von dem\nbeabsichtigten Abweg erfahren habe und er trotzdem auf die Mitfahrt angewiesen\nsei.\n\nDas BSG hat es in seinem Urteil vom 11.12.1980 (a.a.O.) offen gelassen, ob bei\neiner Fahrgemeinschaft nach § 550 Abs. 2 Nr. 2 RVO i. d. F. des 17. RAG im\nEinzelfall fur den Mitfahrer Versicherungsschutz auf einem privaten Zwecken\ndes Fahrzeugfuhrers dienenden Umweg, auf dem dieser nicht versichert sei,\nangenommen werden konne, wenn der Mitfahrer erst wahrend der Fahrt von dem\nUmweg erfahren habe und auf die Mitfahrt angewiesen sei, da eine solche mit\nder Erweiterung des Versicherungsschutzes auf Fahrgemeinschaften durch das 17.\nRAG zu begrundende Auffassung sich nicht ohne weiteres auf den vorliegenden,\nnoch nach altem Recht zu beurteilenden Fall ubertragen lasse. Weiter hat das\nBSG ausgefuhrt, dass selbst wenn der Ehemann der Klagerin den Plan, zur\nTankstelle zu fahren, vorher nicht mit der Klagerin abgesprochen hatte, der\nKlagerin jedenfalls unmittelbar bei der Abfahrt von der Arbeitsstatte dies\nbewusst geworden sei, da der Weg in die entgegengesetzte Richtung gefuhrt\nhabe. Die Klagerin habe hiergegen ihrem Ehemann gegenuber keine Einwendungen\nerhoben. Nach der Lage des Falles sei es nicht gerechtfertigt, hinsichtlich\nder Klagerin das Einschlagen des erheblichen Umweges als rechtlich\nunbeachtlich zu werten und fur sie - anders als fur ihren Ehemann - einen\nVersicherungsschutz nach § 550 Abs. 1 RVO zu bejahen. Es sei zu\nberucksichtigen, dass sich die wirtschaftlichen Interessen der Eheleute\ndeckten und deshalb auch der Klagerin bei objektiver Betrachtung daran gelegen\ngewesen sei, zum Beispiel durch Einkauf billigeren Treibstoffs den gemeinsamen\nHaushalt zu entlasten.\n\nIn seiner Entscheidung vom 26.01.1988 (a.a.O.) hat das BSG diese Frage\nebenfalls offen gelassen. In seinem Beschluss vom 04.12.1989 (2 BU 15/89) hat\ndas BSG Versicherungsschutz verneint, wenn Grund fur den erheblichen Umweg ein\ngemeinsam eigenwirtschaftliches Vorhaben war, der Umweg somit auch aus\npersonlichen eigenwirtschaftlichen Grunden des Mitfahrers zuruckgelegt worden\nist.\n\nDer bisherigen Rechtsprechung des BSG kann nicht entnommen werden, dass\nVersicherungsschutz besteht, wenn zwischen der Fahrt und der betrieblichen\nTatigkeit kein Zusammenhang besteht. Dies gilt entgegen der Auffassung des LSG\nBaden-Wurttemberg (a.a.O.) auch fur das Urteil des BSG vom 26.07.1963\n(a.a.O.). Dort befand sich der Versicherte im Zeitpunkt des Unfalls auf der\nFahrt von der Arbeitsstatte zu seiner Wohnung, allerdings nicht auf dem\nkurzesten Weg dorthin, sondern auf einem Umweg, der sich durch die Gelegenheit\nergab, gemeinsam mit anderen Betriebsangehorigen im PKW des\nBetriebsratsvorsitzenden des Unternehmens mitgenommen zu werden. Das BSG sah\nden Umweg wesentlich durch betriebliche Umstande bedingt und hat darauf\nabgestellt, dass der Versicherte den Umweg nur in Kauf genommen hatte, weil\ndie Fahrtroute durch die Zahl und Zusammensetzung der Fahrtteilnehmer\nvorgezeichnet gewesen sei und er nicht aus einem privaten Grunde an dem Umweg\ninteressiert gewesen sei. Die den Umweg fur den Ehemann rechtfertigenden\nUmstande seien in einem so erheblichen Maße betriebsbezogen gewesen, dass der\nursachliche Zusammenhang im Sinne des § 543 Abs. 1 S. 1 RVO a.F. als gegeben\nanzusehen gewesen sei. In einem weiteren Urteil vom 10.12.1975 (8 RU 202/74)\nhat das BSG fur die Begrundung des Versicherungsschutzes es als entscheidend\nangesehen, dass dem Beschaftigten nicht zuzumuten gewesen sei, die Mitfahrt im\nPKW seines Arbeitgebers abzulehnen. Den inneren Zusammenhang der Heimfahrt mit\nder betrieblichen Tatigkeit hat das BSG nur deshalb als gegeben erachtet, weil\nvon dem Beschaftigten eine Ablehnung der Mitfahrt wegen der fur sein\nBeschaftigungsverhaltnis moglicherweise nachtraglichen Folgen nicht habe\nverlangt werden konnen.\n\nGeht man davon aus, dass der Versicherungsschutz bei Fahrgemeinschaften keinen\neigenstandigen Versicherungsschutz begrunden soll, kann Versicherungsschutz in\nFallen, in denen der Umweg weder fur den Fahrer noch fur den Mitfahrer\nbetrieblich veranlasst ist, allenfalls nur unter engen Voraussetzungen in\nAusnahmefallen gewahrt werden. Die Umstande des vorliegenden Falles\nrechtfertigen es jedoch nicht, beim Klager - im Gegensatz zu seiner Ehefrau -\nVersicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung anzunehmen. Dies gilt\nauch dann, wenn man zu seinen Gunsten unterstellt, dass er erst von der\nAbsicht seiner Ehefrau, in Luxemburg zu tanken, erfahren hat, als diese an der\nAutobahnabfahrt M. vorbeigefahren war. Dem Klager ware es ohne weiteres\nzuzumuten gewesen, seine damalige Lebensgefahrtin zu bitten, die nachste\nAusfahrt (M.- Schw.) abzufahren und ihn zuhause abzusetzen. Dies hatte auch\nkeinen unzumutbaren Umweg dargestellt, da diese Ausfahrt nur ca. 2 km weiter\nwar, wie sich aus der in der Verwaltungsakte befindlichen Routen- und\nEntfernungsberechnung ergibt. Soweit im Erorterungstermin vorgetragen worden\nist, dass diese Abfahrt im Jahr 2002 noch nicht existiert habe, kann dem nicht\ngefolgt werden. Nach telefonischer Rucksprache der Beklagten mit der\nAutobahnmeisterei D. soll die Ausfahrt bereits seit Mitte der 80er Jahre\nexistiert haben. Es ist auch gerichtsbekannt, dass diese Abfahrt jedenfalls im\nJahr 2002 schon langst vorhanden war. Zudem ist die Autobahnausfahrt M.- Schw.\nin den dem Senat vorliegenden Straßenkarten der Jahre 1999/2000 und 2001/2002\nbereits eingezeichnet.\n\nSoweit der Klager vortragt, dass ein Verlassen der Autobahn nicht moglich\ngewesen sei, weil sie wegen des Streits die Autobahnabfahrt verpasst hatten,\nkann dies keine andere Entscheidung rechtfertigen. Insoweit ist zu\nberucksichtigen, dass das Verpassen der Abfahrt auch auf das Verhalten des\nKlagers zuruckzufuhren ist, so dass sich dieser die Weiterfahrt seiner\ndamaligen Lebensgefahrtin zurechnen lassen muss (vgl. BSG, Urteil 24.03.1998 -\nB 2 U 4/97 R: Der Fahrer versaumte wegen einer regen Unterhaltung mit dem\nVersicherten an insgesamt funf Autobahnabfahrten, die Autobahn zu verlassen.\nDas BSG hat entschieden, dass sich der Beifahrer in einem solchen Fall die\nHandlungsweise des Fahrers zurechnen lassen muss, wenn das Verirren wesentlich\nauf sein eigenes Verhalten zuruckzufuhren ist).\n\nHinzu kommt, dass der Umweg zum Tanken in Luxemburg auch im\neigenwirtschaftlichen Interesse des Klagers und nicht nur seiner damaligen\nLebensgefahrtin lag. Der Klager musste sich an den Benzinkosten beteiligen;\nzudem hat er in seiner Klagebegrundung darauf hingewiesen, dass ihm durch\ndiese Einsparungen ein souveranes Auftreten frei von finanziellen Ängsten\nmoglich sei. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt von dem von dem LSG\nBaden-Wurttemberg zu entscheidenden Fall (dort lag der Umweg ausschließlich im\neigenwirtschaftlichen Interesse des Fahrers). Die vorliegende\nFallkonstellation ahnelt vielmehr den vom BSG entschiedenen Fallen (Urteil vom\n11.12.1980 und Beschluss vom 04.12.1989 jeweils a.a.O.), bei denen das BSG\ndarauf abgestellt hat, dass der Umweg auch im eigenwirtschaftlichen Interesse\ndes Mitfahrers lag.\n\nDie Berufung war daher zuruckzuweisen.\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.\n\nGrunde fur die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.\n\n## Gründe\n\nDie zulassige Berufung ist unbegrundet.\n\nNach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfalle Unfalle von Versicherten\ninfolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII\nbegrundenden Tatigkeit (versicherte Tatigkeit). Versicherte Tatigkeiten sind\nauch das Zurucklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der\nTatigkeit abweichenden Weges, um mit anderen Berufstatigen oder Versicherten\ngemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2b SGB VII).\n\nDurch das Bestehen einer Fahrgemeinschaft wird kein neuartiger\nVersicherungsschutz - ausgenommen der erweiterte Schutz fur die erforderlichen\nUmwege - begrundet. Vielmehr mussen auch bei den Mitgliedern einer\nFahrgemeinschaft die Voraussetzungen erfullt sein, die nach den allgemeinen\nGrundsatzen fur Wege nach und von dem Tatigkeitsort verlangt werden (vgl. BSG,\nUrteil vom 26.01.1988 - 2 RU 12/87; Keller in Hauck, SGB VII, K § 8 Rdnr.\n252). Wird von der Fahrgemeinschaft der gemeinsame Weg zu den Orten der\nTatigkeiten - entsprechendes gilt fur den Ruckweg - unterbrochen und ein\nanderer Weg eingeschoben, sind alle Teilnehmer der Fahrgemeinschaft\nversichert, wenn die Unterbrechung bei einem von ihnen wesentlich mit seinem\nversicherten Tatigkeitsbereich zusammenhangt (vgl. BSG a.a.O.).\n\n1.) Vorliegend stand der Umweg nach Luxemburg in keinem Zusammenhang mit der\nversicherten Tatigkeit des Klagers oder seiner damaligen Lebensgefahrtin und\njetzigen Ehefrau. Bereits in seinem Urteil vom 11.12.1980 hat das BSG (2 RU\n71/78) entschieden, dass dann, wenn sich wie hier nicht wahrend der Fahrt die\nNotwendigkeit zum Tanken ergibt, sondern der erhebliche Umweg deshalb gewahlt\nwird, um billiger zu Tanken, ein ursachlicher Zusammenhang zwischen der\nZurucklegung des Umweges und der Beschaftigung im Unternehmen nicht besteht.\nBeruht ein Umweg auf privaten Grunden, ist entscheidend, ob die dadurch\nbedingte Verlangerung des Weges unter Berucksichtigung alle Umstande des\nEinzelfalles als erheblich anzusehen ist. Dies ist dann der Fall, wenn die\nprivate Verrichtung nicht nur „so im Vorbeigehen" erledigt werde. In seinem\nUrteil vom 24.06.2003 (B 2 U 40/02 R) hat das BSG diese Rechtsprechung\naufrechterhalten und entschieden, selbst eine Wegeverlangerung von nur 100\nMetern (von 1.600 auf 1.700 m) stelle keine unbedeutende Verlangerung des\nWeges dar. Davon ausgehend ist der viele Kilometer betragende Umweg nach\nLuxemburg nicht unerheblich.\n\n2.) Macht der Fahrer einer Fahrgemeinschaft aus privaten Grunden einen Umweg,\nist umstritten, unter welchen Voraussetzungen die Mitfahrer\nVersicherungsschutz genießen.\n\nKrasney (in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, gesetzliche\nUnfallversicherung, § 8 Rdnr. 266) vertritt die Auffassung, dass fur sie auch\nwahrend des Umweges oder der Unterbrechung Versicherungsschutz besteht, da die\nMitfahrer einer Fahrgemeinschaft auf die Fahrroute des PKW angewiesen seien.\nNach Ricke (in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII Rdnr. 229) besteht\nausnahmsweise Versicherungsschutz fur die anderen, soweit sie auf die\nFahrgemeinschaft angewiesen sind und ihnen eine Einflussnahme auf die\nAbweichung nicht moglich oder nicht zumutbar ist, zum Beispiel bei\nunvorhergesehenen Wegeanderungen (ahnlich Schwerdtfeger in Lauterbach,\nUnfallversicherung, 4. Auflage, § 8 Rdnr. 532 mit Verweis auf LSG Baden-\nWurttemberg, Urteil vom 30.06.1969 - L 10 Ua 1239/67; Keller, a.a.O.; K § 8\nRdnr. 254).\n\nDas LSG Baden-Wurttemberg (a.a.O.) hat entschieden, dass der ursachliche\nZusammenhang zwischen der Zurucklegung des Weges von der Arbeitsstatte mit der\nTatigkeit im Unternehmen jedenfalls dann nicht unterbrochen werde, wenn ein\nUmweg nicht in der Person des Versicherten begrundet und nicht wesentlich von\nseinem Willen bestimmt werde und sich zur Begrundung auf ein Urteil des BSG\nvom 26.07.1963 (2 RU 178/61) berufe. Nach Auffassung des LSG Nordrhein-\nWestfalen (Urteil vom 08.08.1989 - L 5 U 145/88) kann der Versicherungsschutz\nbestehen, wenn dem Mitfahrer das Benutzen anderer Beforderungsmittel\nunzumutbar gewesen ware oder wenn er erst wahrend der Fahrt von dem\nbeabsichtigten Abweg erfahren habe und er trotzdem auf die Mitfahrt angewiesen\nsei.\n\nDas BSG hat es in seinem Urteil vom 11.12.1980 (a.a.O.) offen gelassen, ob bei\neiner Fahrgemeinschaft nach § 550 Abs. 2 Nr. 2 RVO i. d. F. des 17. RAG im\nEinzelfall fur den Mitfahrer Versicherungsschutz auf einem privaten Zwecken\ndes Fahrzeugfuhrers dienenden Umweg, auf dem dieser nicht versichert sei,\nangenommen werden konne, wenn der Mitfahrer erst wahrend der Fahrt von dem\nUmweg erfahren habe und auf die Mitfahrt angewiesen sei, da eine solche mit\nder Erweiterung des Versicherungsschutzes auf Fahrgemeinschaften durch das 17.\nRAG zu begrundende Auffassung sich nicht ohne weiteres auf den vorliegenden,\nnoch nach altem Recht zu beurteilenden Fall ubertragen lasse. Weiter hat das\nBSG ausgefuhrt, dass selbst wenn der Ehemann der Klagerin den Plan, zur\nTankstelle zu fahren, vorher nicht mit der Klagerin abgesprochen hatte, der\nKlagerin jedenfalls unmittelbar bei der Abfahrt von der Arbeitsstatte dies\nbewusst geworden sei, da der Weg in die entgegengesetzte Richtung gefuhrt\nhabe. Die Klagerin habe hiergegen ihrem Ehemann gegenuber keine Einwendungen\nerhoben. Nach der Lage des Falles sei es nicht gerechtfertigt, hinsichtlich\nder Klagerin das Einschlagen des erheblichen Umweges als rechtlich\nunbeachtlich zu werten und fur sie - anders als fur ihren Ehemann - einen\nVersicherungsschutz nach § 550 Abs. 1 RVO zu bejahen. Es sei zu\nberucksichtigen, dass sich die wirtschaftlichen Interessen der Eheleute\ndeckten und deshalb auch der Klagerin bei objektiver Betrachtung daran gelegen\ngewesen sei, zum Beispiel durch Einkauf billigeren Treibstoffs den gemeinsamen\nHaushalt zu entlasten.\n\nIn seiner Entscheidung vom 26.01.1988 (a.a.O.) hat das BSG diese Frage\nebenfalls offen gelassen. In seinem Beschluss vom 04.12.1989 (2 BU 15/89) hat\ndas BSG Versicherungsschutz verneint, wenn Grund fur den erheblichen Umweg ein\ngemeinsam eigenwirtschaftliches Vorhaben war, der Umweg somit auch aus\npersonlichen eigenwirtschaftlichen Grunden des Mitfahrers zuruckgelegt worden\nist.\n\nDer bisherigen Rechtsprechung des BSG kann nicht entnommen werden, dass\nVersicherungsschutz besteht, wenn zwischen der Fahrt und der betrieblichen\nTatigkeit kein Zusammenhang besteht. Dies gilt entgegen der Auffassung des LSG\nBaden-Wurttemberg (a.a.O.) auch fur das Urteil des BSG vom 26.07.1963\n(a.a.O.). Dort befand sich der Versicherte im Zeitpunkt des Unfalls auf der\nFahrt von der Arbeitsstatte zu seiner Wohnung, allerdings nicht auf dem\nkurzesten Weg dorthin, sondern auf einem Umweg, der sich durch die Gelegenheit\nergab, gemeinsam mit anderen Betriebsangehorigen im PKW des\nBetriebsratsvorsitzenden des Unternehmens mitgenommen zu werden. Das BSG sah\nden Umweg wesentlich durch betriebliche Umstande bedingt und hat darauf\nabgestellt, dass der Versicherte den Umweg nur in Kauf genommen hatte, weil\ndie Fahrtroute durch die Zahl und Zusammensetzung der Fahrtteilnehmer\nvorgezeichnet gewesen sei und er nicht aus einem privaten Grunde an dem Umweg\ninteressiert gewesen sei. Die den Umweg fur den Ehemann rechtfertigenden\nUmstande seien in einem so erheblichen Maße betriebsbezogen gewesen, dass der\nursachliche Zusammenhang im Sinne des § 543 Abs. 1 S. 1 RVO a.F. als gegeben\nanzusehen gewesen sei. In einem weiteren Urteil vom 10.12.1975 (8 RU 202/74)\nhat das BSG fur die Begrundung des Versicherungsschutzes es als entscheidend\nangesehen, dass dem Beschaftigten nicht zuzumuten gewesen sei, die Mitfahrt im\nPKW seines Arbeitgebers abzulehnen. Den inneren Zusammenhang der Heimfahrt mit\nder betrieblichen Tatigkeit hat das BSG nur deshalb als gegeben erachtet, weil\nvon dem Beschaftigten eine Ablehnung der Mitfahrt wegen der fur sein\nBeschaftigungsverhaltnis moglicherweise nachtraglichen Folgen nicht habe\nverlangt werden konnen.\n\nGeht man davon aus, dass der Versicherungsschutz bei Fahrgemeinschaften keinen\neigenstandigen Versicherungsschutz begrunden soll, kann Versicherungsschutz in\nFallen, in denen der Umweg weder fur den Fahrer noch fur den Mitfahrer\nbetrieblich veranlasst ist, allenfalls nur unter engen Voraussetzungen in\nAusnahmefallen gewahrt werden. Die Umstande des vorliegenden Falles\nrechtfertigen es jedoch nicht, beim Klager - im Gegensatz zu seiner Ehefrau -\nVersicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung anzunehmen. Dies gilt\nauch dann, wenn man zu seinen Gunsten unterstellt, dass er erst von der\nAbsicht seiner Ehefrau, in Luxemburg zu tanken, erfahren hat, als diese an der\nAutobahnabfahrt M. vorbeigefahren war. Dem Klager ware es ohne weiteres\nzuzumuten gewesen, seine damalige Lebensgefahrtin zu bitten, die nachste\nAusfahrt (M.- Schw.) abzufahren und ihn zuhause abzusetzen. Dies hatte auch\nkeinen unzumutbaren Umweg dargestellt, da diese Ausfahrt nur ca. 2 km weiter\nwar, wie sich aus der in der Verwaltungsakte befindlichen Routen- und\nEntfernungsberechnung ergibt. Soweit im Erorterungstermin vorgetragen worden\nist, dass diese Abfahrt im Jahr 2002 noch nicht existiert habe, kann dem nicht\ngefolgt werden. Nach telefonischer Rucksprache der Beklagten mit der\nAutobahnmeisterei D. soll die Ausfahrt bereits seit Mitte der 80er Jahre\nexistiert haben. Es ist auch gerichtsbekannt, dass diese Abfahrt jedenfalls im\nJahr 2002 schon langst vorhanden war. Zudem ist die Autobahnausfahrt M.- Schw.\nin den dem Senat vorliegenden Straßenkarten der Jahre 1999/2000 und 2001/2002\nbereits eingezeichnet.\n\nSoweit der Klager vortragt, dass ein Verlassen der Autobahn nicht moglich\ngewesen sei, weil sie wegen des Streits die Autobahnabfahrt verpasst hatten,\nkann dies keine andere Entscheidung rechtfertigen. Insoweit ist zu\nberucksichtigen, dass das Verpassen der Abfahrt auch auf das Verhalten des\nKlagers zuruckzufuhren ist, so dass sich dieser die Weiterfahrt seiner\ndamaligen Lebensgefahrtin zurechnen lassen muss (vgl. BSG, Urteil 24.03.1998 -\nB 2 U 4/97 R: Der Fahrer versaumte wegen einer regen Unterhaltung mit dem\nVersicherten an insgesamt funf Autobahnabfahrten, die Autobahn zu verlassen.\nDas BSG hat entschieden, dass sich der Beifahrer in einem solchen Fall die\nHandlungsweise des Fahrers zurechnen lassen muss, wenn das Verirren wesentlich\nauf sein eigenes Verhalten zuruckzufuhren ist).\n\nHinzu kommt, dass der Umweg zum Tanken in Luxemburg auch im\neigenwirtschaftlichen Interesse des Klagers und nicht nur seiner damaligen\nLebensgefahrtin lag. Der Klager musste sich an den Benzinkosten beteiligen;\nzudem hat er in seiner Klagebegrundung darauf hingewiesen, dass ihm durch\ndiese Einsparungen ein souveranes Auftreten frei von finanziellen Ängsten\nmoglich sei. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt von dem von dem LSG\nBaden-Wurttemberg zu entscheidenden Fall (dort lag der Umweg ausschließlich im\neigenwirtschaftlichen Interesse des Fahrers). Die vorliegende\nFallkonstellation ahnelt vielmehr den vom BSG entschiedenen Fallen (Urteil vom\n11.12.1980 und Beschluss vom 04.12.1989 jeweils a.a.O.), bei denen das BSG\ndarauf abgestellt hat, dass der Umweg auch im eigenwirtschaftlichen Interesse\ndes Mitfahrers lag.\n\nDie Berufung war daher zuruckzuweisen.\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.\n\nGrunde fur die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.\n\n |
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131,470 | olgsl-2008-12-02-4-u-6408-22 | 939 | Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken | olgsl | Saarland | Oberlandesgericht | 4 U 64/08 - 22 | 2008-12-02 | 2019-01-07 10:03:39 | 2019-02-12 12:50:27 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Unter Zuruckweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird auf die Berufung\nder Klagerin das Urteil des Landgerichts Saarbrucken vom 10. Januar 2008 - 11\nO 62/06 - mit der Maßgabe abgeandert, dass der Beklagte wird verurteilt, an\ndie Klagerin 5.726,47 EUR zuzuglich Zinsen in Hohe von acht Prozentpunkten\nuber dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2005 zu zahlen. Die weitergehende Klage\nwird abgewiesen.\n\n2\\. Der Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n5\\. Der Streitwert fur das Berufungsverfahren wird auf 5.726,47 EUR\nfestgesetzt.\n\n## Gründe\n\n**I.**\n\nIm vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klagerin den Beklagten auf Ruckzahlung\neines in Rechnung gestellten und von der Klagerin gezahlten\nUmsatzsteuerbetrages in Anspruch, den der Beklagte mangels bestehender\nSteuerpflicht nicht an das Finanzamt weiterleitete.\n\nDie Klagerin beauftragte unter ihrer vormaligen Firmierung C. S.\nMaschinentechnik GmbH mit Sitz in <Ort> in Österreich am 6.12.2000 den\nBeklagten mit Arbeiten an einer sog. Power and Free Anlage. Die Arbeiten\numfassten die Demontage, den Umbau und den Einbau von 13 Laufwagen sowie die\nVerstarkung der Anlage mit insgesamt 84 Flanschblechen, die vom Beklagten zu\nliefern und einzuschweißen waren. Der Inhalt der Absprache wird auf dem als\nAnlage K 2 (Bl. 21 d. A.) vorgelegten Bestellformular zusammengefasst. Die\nLeistungen des Beklagten sollten mit einer Summe von „140.000 DM exklusive\nMehrwertsteuer" vergutet werden. Die Zahlungsbedingungen sahen vor, dass 50%\ndieser Summe zuzuglich 16% Mehrwertsteuer bei Auftragserteilung zu zahlen\nseien. Weitere 40% waren bei Lieferung und Montagebeginn sowie die letzten 10%\nbei Fertigstellung und Abnahme der Leistungen zur Zahlung fallig. Sodann\nbeauftragte der Beklagte die Firma I. S.A.R.L. mit Sitz in <Ort>, Frankreich\n(im Folgenden: I.), damit, die erforderlichen Maschinenteile herzustellen und\nan die Klagerin auszuliefern. Diese Lieferung wurde der Klagerin am 29.12.2000\ninklusive eines Mehrwertsteueranteils von 16 % (11.200 DM) mit 81.200 DM in\nRechnung gestellt. Der Rechnungstext nahm auf die Falligkeitsregelung der\nBestellung vom 6.12.2000 (Bl. 23 d. A.) Bezug. Die Klagerin leistete uber die\nRechnungssumme unter Einschluss des Mehrwertsteueranteils an den Beklagten\nZahlung. Am 28.1.2001 rechnete I. gegenuber dem Beklagten die Leistung zum\nidentischen Preis von 81.200 DM inklusive 16% Mehrwertsteuer ab. Die Rechnung\n(Bl. 43 d. A.) enthalt den handschriftlichen Quittungsvermerk, wonach I. den\nBetrag am 1.2.2001 erhalten habe.\n\nZwischen den Parteien steht außer Streit, dass der Beklagte den in der\nRechnung vom 29.12.2000 ausgewiesenen Mehrwertsteueranteil nicht an das\nFinanzamt abfuhrte.\n\nIm Rahmen einer am 11.10.2002 durchgefuhrten Umsatzsteuer-Sonderprufung hat\ndas Finanzamt M. II am 4.12.2002 einen Bericht erstellt und hierin ausgefuhrt,\ndass die vom Beklagten unter dem 29.12.2000 erstellte Rechnung Werklieferungen\nbzw. Werkleistungen zum Gegenstand habe, die in Österreich erbracht worden\nseien. Diese Lieferungen bzw. Leistungen seien in Deutschland nicht steuerbar,\nweshalb ein Vorsteuerabzug nicht gewahrt werden konne.\n\nDie Klagerin begehrt die Ruckerstattung des gezahlten Mehrwertsteuerbetrages\n(5.726,47 EUR) und behauptet, die Parteien seien anlasslich des\nVertragsschlusses davon ausgegangen, dass hinsichtlich 50% des\nLeistungsumfangs eine Umsatzsteuerpflicht bestanden habe. Diese Einschatzung\nsei fehlerhaft gewesen. Da es der Klagerin nicht gelungen sei, die von ihr\nverauslagte Steuer im Wege des Vorsteuerabzugs zuruckzuerhalten, sei der\nBeklagte nach den Rechtsgrundsatzen der ungerechtfertigten Bereicherung zur\nRuckerstattung verpflichtet.\n\nDem ist der Beklagte entgegengetreten. Der Beklagte hat vorgetragen, es sei\nvereinbart worden, dass die Klagerin fur den ersten Leistungsteil, die\nLieferung der Maschinenteile, insgesamt 81.200 DM zahlen solle. Dieser Betrag\nsollte in jedem Falle an den Beklagten fließen, wobei nicht „unbedingt ein\nBetrag von 70.000 DM zuzuglich 16 % Mehrwertsteuer gewollt gewesen sei" (Bl.\n39 d. A.). Der Beklagte habe seinerseits 81.200 DM direkt an I. bezahlt.\n\nDer Beklagte hat die Einrede der Verjahrung erhoben.\n\nDas Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf den Inhalt der angefochtenen\nEntscheidung wird auch hinsichtlich der darin getroffenen Feststellungen gemaß\n§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.\n\nMit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klagerin ihr\nerstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter.\n\nMit Blick auf die geanderte Abrechnung, die den Umsatzsteuerbetrag nicht mehr\nausweise (Anlage BK 2; Bl. 211 d. A.), „geht die Klagerin davon aus", dass der\nBeklagte die Steuer vom Finanzamt erstattet bekommen habe. Die Klagerin\nbestreitet mit Nichtwissen, dass die von dem Beklagten behaupteten Kosten fur\ndie Fertigstellung der Maschinenteile entstanden seien und im sachlichen\nZusammenhang mit den streitgegenstandlichen Vertragen stunden.\n\nNach Auffassung der Klagerin beruht die angefochtene Entscheidung auf einem\nRechtsfehler. Hatten die Parteien irrtumlich angenommen, dass das zwischen\nihnen vereinbarte Geschaft generell nicht der Umsatzsteuer unterliege, so\nergebe die erganzende Vertragsauslegung, dass die Umsatzsteuer nicht zu zahlen\nsei. Dasselbe musse gelten, wenn die Parteien irrtumlich von einer\nSteuerbarkeit in Deutschland ausgegangen seien. Die Zusammenschau der Anlagen\nK 1 und K 2 zeige, dass beide Parteien, nicht nur die Klagerin allein,\nexplizit von einer Steuerbarkeit eines Teils des Umsatzes in Deutschland\nausgegangen seien. Die vertragliche Vereinbarung enthalte keine Regelung fur\nden Fall, dass die Umsatzsteuerpflicht aufgrund § 4 Nr. 1 lit. b, § 8a UmStG\nentfalle. Diese Regelungslucke sei unter Berucksichtigung der Interessen\nbeider Parteien dahingehend zu schließen, dass bei fehlender Steuerbarkeit in\nDeutschland vom Beklagten nur der Nettobetrag hatte abgerechnet werden durfen.\nDer Beklagte hatte bei bestehender Steuerbarkeit keinen Nutzen von der Steuer\ngehabt, die er an das Finanzamt hatte abfuhren mussen. Auch fur die Klagerin\nware die Steuerzahlung im Wege des Vorsteuerabzugs ein durchlaufender Posten\ngewesen. Demgegenuber fuhre die Auslegung des Landgerichts dazu, dass die\nKlagerin statt mit 70.000 DM nunmehr mit 81.200 DM belastet bliebe.\n\nWenn der Beklagte aus dem Geschaft in jedem Falle hatte einen Betrag von\n81.200 DM erhalten wollen, um Kosten aus anderen Geschaften zu decken, so\nhatte er mit der Klagerin die Zahlung eines Nettobetrages von 81.200 DM\nvereinbaren mussen. Die Klagerin zweifelt an, dass die I. die Umsatzsteuer zu\nRecht ausgewiesen habe.\n\nDas Landgericht habe sein Urteil zu Unrecht auf die Aussage des Zeugen C.\ngestutzt. Es sei nicht glaubwurdig, dass sich der Zeuge nach uber sieben\nJahren noch an ein Telefongesprach erinnert habe, welches er nicht einmal\nselbst gefuhrt, sondern nur mitgehort haben wolle. Auch besitze der Zeuge ein\neigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits. Es erschließe sich aus der\nAussage des Zeugen nicht, wie der Zeuge einerseits von einer Besteuerung in\nDeutschland ausgegangen sei, andererseits dennoch gemeint habe, der Beklagte\nwurde in jedem Falle die 81.200 DM erhalten. Auch entbehre es jeder\nLebenserfahrung, dass es dem Zeugen M. egal gewesen sei, ob die Mehrwertsteuer\nausgewiesen worden sei oder nicht.\n\nDie Klagerin beantragt,\n\n> > unter Abanderung des am 10.1.2008 verkundeten Urteils des Landgerichts\n> Saarbrucken - 11 O 62/06 - den Beklagten zu verurteilen, an die Klagerin\n> 5.726,47 EUR zuzuglich Zinsen in Hohe von 8 Prozentpunkten uber dem\n> Basiszinssatz seit dem 1.2.2003 zu zahlen.\n\nDer Beklagte beantragt,\n\n> > die Berufung zuruckzuweisen.\n\nDer Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Ausweislich des\nNachtragsangebots vom 19.11.2000 sei zwischen den Parteien vereinbart worden,\ndass die Maschinenteile in Deutschland von der Firma I. erstellt werden.\nHierfur sollten 81.200 DM anfallen. Genau diesen Betrag habe die Klagerin\nzahlen sollen.\n\nDa I. nicht nur einen Firmensitz in Frankreich, sondern auch einen Firmensitz\nin Deutschland besitze, sei von einer deutschen Firma an die deutsche Firma\ndes Beklagten geleistet worden. Im Übrigen sei der Beklagte ab dem Jahr 2000\nvon der Umsatzsteuerpflicht befreit gewesen und habe weder Umsatzsteuer\nabgefuhrt, noch sei er zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen. Dies sei der\neigentliche Grund dafur gewesen, dass zwischen den Parteien vereinbart worden\nsei, in jedem Fall einen Betrag von 81.200 DM zu zahlen. Fur den Beklagten sei\nauch klar gewesen, dass er keinen Verdienst bei der Herstellung der\nMaschinenteile hatte erzielen konnen, da fur ihn die 81.200 DM eine reine\nDurchgangsposition gewesen seien.\n\n**II.**\n\n**A.**\n\nDie zulassige Berufung hat bis auf eine Korrektur hinsichtlich des geltend\ngemachten Zinszeitraums Erfolg, da die angefochtene Entscheidung auf einem\nRechtsfehler beruht (§ 513 Abs. 1 ZPO). Der Klagerin steht unter dem\nrechtlichen Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1\nSatz 1 Alt. 1 BGB) ein Anspruch auf Ruckzahlung des Umsatzsteueranteils zu, da\ndie Klagerin nach richtigem Verstandnis der zwischen den Parteien getroffenen\nAbsprache nur beim Bestehen einer Steuerschuld zur Zahlung des\nUmsatzsteueranteils verpflichtet war.\n\n1\\. Der Rechtsstreit ist nach deutschem Recht zu entscheiden: Das deutsche\nKollisionsrecht ist zu beachten, da die Klagerin ihren Sitz in einem anderen\nStaat der Europaischen Gemeinschaft hat. Hiermit liegt der fur die Anwendung\ndes deutschen Kollisionsrechts erforderliche Auslandsbezug vor (Art. 3 Abs. 1\nEGBGB). Fur grenzuberschreitende Vertragsverhaltnisse bestimmen die Art. 27\nff. EGBGB das auf den Vertrag anwendbare Recht. Im vorliegenden Fall fuhrt\nbereits Art. 28 Abs. 1 EGBGB zur Anwendbarkeit des deutschen Vertragsrechts,\nda sich die Parteien konkludent auf die Anwendbarkeit des deutschen Rechts\nverstandigt haben: Zum einen haben die Parteien die steuerliche Behandlung der\ndeutschen Rechtsordnung unterstellt. Mit der Festlegung auf die Zahlung des\nzum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gultigen deutschen Steuersatzes haben die\nParteien die Vorstellung verbunden, dass die steuerliche Abwicklung des\nVertrages dem deutschen Steuerrecht unterliegt. Zum andern sind die Parteien\nwahrend des gesamten Rechtsstreits ubereinstimmend von der Anwendbarkeit\ndeutschen Rechts ausgegangen und haben mit Nachdruck unter Bezugnahme auf das\ndeutsche materielle Zivilrecht zur Rechtslage argumentiert. Dieses\nProzessverhalten ist zumindest ein deutliches, aussagekraftiges Indiz fur eine\nauf das deutsche Vertragsrecht bezogene Rechtswahl (vgl. BGH, Urt. vom\n16.12.2003 - X ZR 6/02, BGHR 2004, 679; Urt. v. 24.11.1999 - V ZR 240/88, NJW-\nRR 1990, 248; Prutting/Wegen/Weinreich, BGB, 3. Aufl., Art. 27 Rdnr. 14).\nLetztlich fuhrte selbst bei fehlender Rechtswahl Art. 28 Abs. 1 EGBGB zur\nAnwendung deutschen Rechts, da bei Werkvertragen regelmaßig der\nWerkunternehmer die charakteristische Leistung im Sinne des Art. 28 Abs. 2 S.\n1 EGBGB erbringt. Dies gilt auch dann, wenn die Werkleistung - wie im Fall des\nBauvertrags - nicht am Ort der Niederlassung des Werkunternehmers ausgefuhrt\nwird (BGH, Urt. v. 25.2.1999 - VII ZR 408/97, NJW 1999, 2443; Erman/Hohloch,\nBGB, 12. Auflage, Art. 28 EGBGB Rdnr. 39). Schließlich haben beide\nProzessparteien - vom Senat uber die Problematik der Rechtswahl befragt -\nubereinstimmend die Sichtweise des Senats bestatigt, wonach von einer Wahl des\ndeutschen Rechts auszugehen sei.\n\nDem Vertragsstatut folgt auch die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts nach\nden Grundsatzen der ungerechtfertigten Bereicherung: Gemaß Art. 38 Abs. 1\nEGBGB unterliegen Bereicherungsanspruche wegen erbrachter Leistungen dem\nRecht, das auf das Rechtverhaltnis anzuwenden ist, auf das die Leistung\nbezogen ist.\n\n2\\. Die Klagerin hat den Mehrwertsteueranteil i.S. des § 812 Abs. 1 S. 1 1.\nAlt. BGB ohne Rechtsgrund geleistet. Denn nach dem richtig verstandenen Inhalt\nder vertraglichen Absprache sollte die Klagerin nur dann zur Zahlung der\nUmsatzsteuer verpflichtet sein, wenn das Umsatzgeschaft auch tatsachlich der\ndeutschen Steuer unterliegt. Nur unter dieser Pramisse bildete die\nvertragliche Absprache einen wirksamen Rechtsgrund fur die Leistung der\nMehrwertsteuer. Erst recht stellt die vertragliche Absprache keinen\nRechtsgrund dafur dar, dass der Beklagte den Steueranteil endgultig behalten\ndarf: Bei bestimmungsgemaßer Verwendung war der Steueranteil mit der\nMoglichkeit des Vorsteuerabzugs an die Finanzverwaltung weiterzureichen.\nSoweit das Landgericht die Auffassung vertreten hat, die Klagerin sei nach dem\nInhalt der vertraglichen Absprache unabhangig davon zur Zahlung von\nUmsatzsteuer verpflichtet, ob die Steuerschuld in Deutschland bestehe, ist dem\nnicht zu folgen. Die Auslegung halt einer Rechtskontrolle am Maßstab der §§\n133, 157 BGB nicht stand.\n\na) Vertrage sind gemaß § 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben mit\nRucksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Es ist nicht am buchstablichen\nSinne des Ausdrucks zu haften. Nach anerkannten Rechtsgrundsatzen muss die\nAuslegung fur beide Seiten zu interessengerechten Ergebnissen fuhren, die den\njeweiligen Zwecken der Vertragsparteien entsprechen (BGHZ 152, 153, 156; 149,\n337, 353; 137, 69, 72; Urt. v. 13.3.2003 - IX ZR 199/00, NJW 2003, 2235; Urt.\nv. 9.7.2001 - II ZR 228/99, NJW 2002, 747; Prutting/Wegen/Weinreich, aaO., §\n133 Rdnr. 38). Diesem Maßstab wird das erstinstanzliche Auslegungsergebnis\nnicht gerecht:\n\nb) Nach dem Wortlaut der Bestellung schuldete die Klagerin 50% der\nAuftragssumme zuzuglich eines 16-prozentigen „Mehrwertsteuer"-anteils. Diese\nAbsprache ist vernunftigerweise nur so zu verstehen, dass die Steueranteile\nnur dann geschuldet sind, wenn sie tatsachlich anfallen. Jedes andere Ergebnis\nliefe den Interessen der Parteien zuwider: Da der Steueranteil an das\nFinanzamt abzufuhren gewesen ware, mithin unter keinen Umstanden endgultig im\nVermogen des Beklagten verblieben ware, konnte der Beklagte allenfalls damit\nrechnen, aus dem Geschaft steuerbereinigt 70.000 DM zu erzielen. Das\nInteresse, den nicht abzufuhrenden Steueranteil endgultig zu behalten und auf\ndiese Weise die Rentabilitat des Geschafts zu erhohen, ist nicht schutzwurdig.\nUmgekehrt durfte die Klagerin damit rechnen, die Umsatzsteuer im Wege des\nVorsteuerabzugs wieder auszugleichen. Um diese Moglichkeit, die nach dem\nWortlaut der Bestellung auf der Hand lag, war die Klagerin im Fall der\nfehlenden Steuerbarkeit des Umsatzes beraubt. Es liefe dem berechtigten\nInteresse der Klagerin zuwider, sie auch bei fehlender Steuerbarkeit des\nUmsatzes an der Zahlung der Steuerbetrage festzuhalten, um sie auf diese Weise\nletztendlich steuerbereinigt zur Zahlung eines um 16% hoheren Gegenwertes\nverpflichtet zu sehen.\n\nc) Auch die Erwagung des Landgerichts, es konne moglich sein, dass die Umsatze\nin Österreich zu versteuern seien, fuhrt zu keinem anderen Ergebnis: Im\nBerufungsrechtszug tragt der Beklagte vor, dass er im fraglichen Zeitraum\nuberhaupt nicht zur Umsatzsteuerzahlung verpflichtet gewesen sei. Der Beklagte\nhat den Steueranteil weder an den deutschen Fiskus, noch an die\nosterreichischen Finanzbehorden abgefuhrt, sondern ihn nach eigener\nDarstellung inklusive des Steueranteils komplett an I. weitergeleitet. Mehr\nals 8 Jahre nach dem Leistungsaustausch liegt eine Heranziehung des Beklagten\nzur Erfullung einer in Österreich zu zahlenden Steuerschuld mehr als fern.\nDessen ungeachtet wurde eine in Österreich zu erfullende Steuerpflicht an der\nAuslegung des Vertrages nichts andern: Durch die Wahl des im fraglichen\nZeitraum in Deutschland zu zahlenden Steuersatzes gingen die Vertragsparteien\nersichtlich davon aus, dass der Steueranteil die in Deutschland zu zahlende\nUmsatzsteuer betreffen sollte. Nur zur Zahlung dieser Steuerschuld hat sich\ndie Klagerin verpflichtet. Die Frage, ob die Klagerin im Wege der erganzenden\nVertragsauslegung verpflichtet ware, auch einen osterreichischen Steuersatz zu\nzahlen, stellt sich nicht, da der Beklagte nicht geltend macht, der\nosterreichischen Steuer zu unterliegen, erst recht nicht eine solche Steuer\nbereits gezahlt zu haben.\n\nd) Umgekehrt rechtfertigt es der Irrtum uber die Steuerbarkeit des\nUmsatzgeschaftes nicht, die Klagerin im Wege der Vertragsanpassung unabhangig\nvom Bestehen einer Steuerschuld zur Zahlung des Steueranteils zu verpflichten.\nEine Vertragsanpassung kommt weder unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des\nWegfalls der Geschaftsgrundlage noch nach den Grundsatzen der erganzenden\nVertragsauslegung wegen luckenhafter Regelung in Betracht: Aus den oben\ngenannten Grunden ist der vom Beklagten erstrebte Regelungsinhalt nicht\ninteressengerecht.\n\ne) Schließlich hat der Beklagte unter Berucksichtigung der Rechtsgrundsatze\ndes § 286 ZPO den ihm obliegenden Beweis dafur nicht erbracht, dass sich die\nKlagerin außerhalb der schriftlichen Vertragserklarungen in einer\nIndividualvereinbarung mit dem Beklagten darauf einließ, den Steueranteil\nunabhangig vom Bestehen einer Steuerpflicht zahlen. Der Zeuge C. hat\nausgesagt, er selbst und auch der Zeuge M. seien davon ausgegangen, dass\nzumindest fur den ersten, den streitgegenstandlichen Teil, Mehrwertsteuer\nanfalle. Unter diesem Vorverstandnis kann der Aussage des Zeugen, Herr M. habe\ngesagt, es sei ihm egal, ob die Rechnung mit oder ohne Mehrwertsteuer\nausgewiesen werde, nicht der Sinn unterlegt werden, dass Herr M. im\nBewusstsein der bestehenden Steuerpflicht und der hieraus resultierenden\nMoglichkeit zum Vorsteuerabzug bereit gewesen ware, statt 70.000 EUR letztlich\nauch 81.200 EUR zu zahlen.\n\n3\\. Dem der Hohe nach unstreitigen Bereicherungsanspruchs kann der Beklagte\nnicht die Einrede der Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) entgegenhalten: Nach\nder Rechtsauffassung des Beklagten diente die Weiterleitung des Geldes an I.\nder Befreiung einer Verbindlichkeit. Dies fuhrte nicht zum\nBereicherungswegfall, weil die Befreiung von einer Verbindlichkeit eine\nfortbestehende Bereicherung darstellt (vgl. BGH, Urt. v. 18.4.1985 - VII ZR\n309/84, NJW 1985, 2700; Palandt/Sprau, BGB, 67. Aufl., § 818 Rdnr. 38).\n\n4\\. Die im Termin vom 3.12.2007 erklarte Hilfsaufrechnung wird auf Hinweis des\nSenats nicht aufrechterhalten; sie ist mithin nicht in die Erkenntnis des\nSenats gestellt.\n\n5\\. Die Verjahrungseinrede fuhrt nicht zum Erfolg:\n\nDer Bereicherungsanspruch entsteht mit der Zahlung, die jedenfalls noch vor\ndem 1.1.2002 erfolgte. Damit unterlag der Bereicherungsanspruch zunachst gemaß\nArt. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB dem vor Inkrafttreten des\nSchuldrechtsmodernisierungsgesetzes geltenden Recht. Die dreißigjahrige\nVerjahrung des § 195 BGB a.F. war am 1.1.2002 noch nicht abgelaufen. Ab dem\n1.1.2002 unterlag der Anspruch der kurzen Verjahrung des § 195 BGB. Jedoch\nbegann die Verjahrung erst unter den subjektiven Voraussetzungen des § 199\nAbs. 1 Nr. 2 BGB. Es bestehen keine Bedenken, die Kenntnis der Klagerin von\nden den Anspruch begrundenden Umstanden und der Person des Schuldners mit\nZugang der Umsatzsteuerprufung entstehen zu lassen, die der Klagerin nicht vor\ndem 13.12.2002 zugegangen sein konnte. Damit war die dreijahrige\nVerjahrungsfrist beim Erlass des Mahnbescheids (am 9.12.2005) noch nicht\nabgelaufen. Die Hemmung wirkt bis heute fort, da die Streitsache innerhalb von\n6 Monaten ab Einlegung des Widerspruchs am 3.4.2006 an das zustandige Gericht\nabgegeben wurde (zum Ende der Hemmung nach Zustellung eines Mahnbescheids:\nPalandt/Heinrichs, aaO., § 204 Rdnr. 36).\n\n6\\. Die Zinsforderung ist im erkannten Umfang begrundet. Da die Klagerin zu\nden Verzugsvoraussetzungen nicht vorgetragen hat, war die Hauptforderung erst\nab Zustellung des Mahnbescheids (am 9.12.2005) zu verzinsen (§ 288 Abs. 2, §\n291 BGB, § 696 Abs. 3 ZPO).\n\n**B.**\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO; die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision\nwar nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsatzliche Bedeutung\nbesitzt und weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die\nFortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§\n543 Abs. 2 ZPO).\n\n |
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132,544 | vg-stuttgart-2006-01-13-5-k-49606 | 160 | Verwaltungsgericht Stuttgart | vg-stuttgart | Stuttgart | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 5 K 496/06 | 2006-01-13 | 2019-01-07 10:16:28 | 2019-01-17 11:52:26 | Beschluss | ## Tenor\n\n1\\. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom\n12.01.2006 gegen die ihr im Bescheid der Stadt Stuttgart vom 12.01.2006\nerteilten Auflagen, bei der Demonstration am 16.01.2006 keine Lautsprechanlage\nund keinen Handlautsprecher einzusetzen, sofern die Teilnehmerzahl der\nKundgebung bzw. des Aufzuges nicht mindestens 50 Personen betragt, wird wieder\nhergestellt.\n\n2\\. Die Kosten des Verfahrens tragt die Antragsgegnerin.\n\n3\\. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden\nWirkung ihres Widerspruchs gegen einen fur sofort vollziehbar erklarten\nBescheid der Antragsgegnerin vom 12.01.2006, soweit ihr darin untersagt wurde,\nbei der „Montagsdemonstration gegen Harz IV" am 16.01.2006 eine\nLautsprecheranlage und ein Handmikrofon einzusetzen, sofern die Teilnehmerzahl\nbei Kundgebung bzw. Aufzug nicht mindestens 50 Personen betragt. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Antragstellerin ist jeweils Versammlungsleiterin der seit dem\nSpatsommer 2004 wochentlich regelmaßig jeden Montag stattfindenden Stuttgarter\n„Montagsdemonstration gegen Harz IV". Dementsprechend hat sie mit Schreiben\nvom 09. Januar 2006 jeweils eine Versammlung mit Aufzug fur den 16. und 23.\nJanuar angemeldet, die in der Stuttgarter Innenstadt auf dem Platz\nKronprinzstraße/Ecke Buchsenstraße stattfinden sollen. Als voraussichtliche\nAnzahl der Teilnehmer wurden 60 bis 70 Personen angegeben. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Bescheid vom 12.01.2006 hat die Antragsgegnerin die\nVersammlungsanmeldung fur den 16. Januar 2006 zur Kenntnis genommen und\nzugleich die streitgegenstandlichen Auflagen erlassen, namlich die Untersagung\nder Verwendung von Lautsprecheranlagen und Handmikrofon, sofern die Zahl der\nVersammlungsteilnehmer weniger als 50 Personen betragt. \n--- \n| 4 \n--- \n| Hiergegen richtet sich der Widerspruch vom 12.01.2006. Noch am gleichen\nTage hat die Antragstellerin vor dem Verwaltungsgericht in Stuttgart um\neinstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. \n--- \nII. \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Antrag ist statthaft, da der Widerspruch der Antragstellerin aufgrund\nder Anordnung der sofortigen Vollziehung im angegriffenen Bescheid keine\naufschiebende Wirkung entfaltet (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO). Auch im\nÜbrigen bestehen gegen die Zulassigkeit des Antrags keine Bedenken. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist wohl schon formell nicht\nordnungsgemaß begrundet, sie enthalt eine bloße Leerformel (§ 80 Abs. 3 VwGO). \n--- \n| 7 \n--- \n| Abgesehen davon ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden\nWirkung des Widerspruchs gegen die fur sofort vollziehbar erklarten Auflagen\nsachlich auch begrundet. Denn nach der vom Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5\nVwGO vorzunehmenden Interessenabwagung ergibt sich, dass die aufschiebende\nWirkung des Widerspruchs anzuordnen ist, weil der Widerspruch nach der im\nVerfahren des vorlaufigen Rechtsschutzes gebotenen und allein moglichen\nsummarischen Prufung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich Erfolg haben\ndurfte. Daher uberwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das\noffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der angefochtenen\nAuflagen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Aufgrund summarischer Prufung ist das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass\ndie von der Antragstellerin angefochtenen Auflagen nach dem gegenwartigen -\nallerdings infolge der Eilbedurftigkeit der Entscheidung begrenzten - Stand\nder Erkenntnis einer rechtlichen Überprufung mit hoher Wahrscheinlichkeit\nnicht standhalten werden. \n--- \n| 9 \n--- \n| Nach § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz kann die zustandige Behorde (nach § 1\nAbs. 1 Nr. 1 der Verordnung des Innenministeriums Baden-Wurttemberg uber die\nZustandigkeit nach dem Versammlungsgesetz - VersGZuVO - vom 25.05.1977, GBl.\nS. 196 i. d. F. vom 14.08.1986, GBl. S. 308, die Kreispolizeibehorde, vgl. §\n62 Abs. 3 PolG, § 13 Abs. 1 Nr. 2 LVG) eine Versammlung oder einen Aufzug\nverbieten oder von bestimmten Auflagen abhangig machen, wenn nach den zur Zeit\ndes Erlasses der Verfugung erkennbaren Umstanden die offentliche Sicherheit\noder Ordnung bei der Durchfuhrung der Versammlung oder des Aufzuges\nunmittelbar gefahrdet ist. Die im pflichtgemaßen Ermessen stehende\nBeschrankung der in Art. 8 Abs. 1 GG gewahrten Versammlungsfreiheit durch die\nErteilung von Auflagen setzt eine unmittelbare Gefahrdung der offentlichen\nSicherheit oder Ordnung voraus. Sie verlangt eine Gefahrenprognose durch die\nBehorde, die nach dem Wortlaut auf „erkennbaren Umstande", also auf Tatsachen,\nSachverhalten oder sonstigen Erkenntnissen beruhen muss. \n--- \n| 10 \n--- \n| Es spricht viel dafur, dass bei der hier angemeldeten Versammlung der\nEinsatz von Schallverstarkern aufgrund deren Art und Große notwendig ist. Eine\nschematische Begrenzung auf eine Teilnehmerzahl von 50 Personen erscheint\nnicht angezeigt und ist in vielerlei Hinsicht problematisch. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Antragstellerin hat - unwidersprochen - vorgetragen, dass elementarer\nBestandteil der Montagsdemonstrationen, insbesondere der Auftakt und\nSchlusskundgebung, das sogenannte „offene Mikrofon" sei. An diesem offenen\nMikrofon finde wochentlich eine freie Aussprache statt, die sich auf das Thema\nder Kundgebung beziehe. An diesem offenen Mikrofon habe jedermann die\nMoglichkeit, seine Meinung zum Thema „Harz IV" und die damit zusammenhangenden\nsozial- und gesellschaftspolitischen Fragen zu außern, wobei uberwiegend\nselbst betroffene Personen zu Wort kamen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Zur Wahrung der von der Antragsgegnerin genannten Belange reicht die in der\nVerfugung genannte Auflage, dass die Beschallung auf den unmittelbaren\nVersammlungsbereich einzustellen ist, aus. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beschrankung des Einsatzes von technischen Hilfsmitteln wurde im\nangefochtenen Bescheid lediglich damit begrundet, dass bei einer\nTeilnehmerzahl von weniger als 50 Personen der Einsatz einer Lautsprechanlage\nnicht erforderlich sei, da die Versammlungsteilnehmer auch durch die normale\nStimme erreicht werden konnen. Dies reicht allein fur die Legitimation der\nvorgenommenen Beschrankungen durch Auflagen nicht aus. Es handelt sich\nlediglich um die Formulierung eines - unsubstantiierten - Erfahrungssatzes,\nder auch auf die konkreten Rahmenbedingungen der durchzufuhrenden Versammlung\nbzw. Aufzugs keinen Bezug nimmt. Ebenso wenig kann aus dieser Begrundung\nabgeleitet werden, dass eine konkrete Gefahrdung der offentlichen Sicherheit\noder Ordnung abgewendet werden soll, was aber rechtlich erforderlich ware. \n--- \n| 14 \n--- \n| Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Antragserwiderung. Richtig\nist, dass der Betrieb lautverstarkender Mittel im offentlichen Verkehrsraum\ngrundsatzlich nach § 33 Abs. 1 StVO verboten ist, wenn dadurch andere\nVerkehrsteilnehmer in einer den Verkehr gefahrdenden oder erschwerenden Weise\nabgelenkt oder belastigt werden konnen, wobei aber auch Ausnahmen nach § 46\nAbs. 1 Nr. 9 StVO moglich bleiben. Allerdings findet die offentliche\nVersammlung auf dem Platz Kronprinz-/Ecke Buchsenstraße statt, einer\nFußgangerzone, so dass nicht ohne weiteres erkennbar wird, wie hier\nVerkehrsteilnehmer abgelenkt oder belastigt werden konnen. Soweit mit dieser\nBegrundung auch die Benutzung eines Handmikrofons in Frage gestellt werden\nsolle, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn regelmaßig schließt der\nSchutz des Grundrechts des Art. 8 GG die Nutzung technischer\nKommunikationsmittel ein, die erst eine Meinungskundgabe ermoglichen (vgl.\nBVerwGE 7, 125, 133). Dies gilt gerade konkret fur die vorliegende Strecke des\ngeplanten Aufzuges, wo die Teilnehmer mit zum Teil nicht unerheblichem\nVerkehrslarm konfrontiert werden. Im Übrigen ist auch nicht dargelegt worden,\nwarum die regelmaßige - nicht allzu kleinraumige - Abschirmung von Aufzugen\nvom allgemeinen Straßenverkehr durch die Polizei nicht geeignet sein soll,\neine Ablenkung oder Gefahrdung von Verkehrsteilnehmern - durch den zeitweisen\nEinsatz eines Handlautsprechers - zu verhindern oder jedenfalls zu minimieren.\nWahrend der Fortbewegung des Demonstrationszuges geht mit dem Einsatz von\nLautsprechern ohnehin keine eigenstandige Beeintrachtigung\nverkehrssicherheitsrechtlich relevanter Belange einher, die uber die bereits\ndurch den Demonstrationszug selbst verursachte Beeintrachtigung des Verkehrs\nhinausgeht. \n--- \n| 15 \n--- \n| Sofern vorgetragen wird, dass die Technikbeschrankungen Anlieger vor allzu\ngroßen Larmbelastigungen schutzen sollen, ist dies ebenfalls nicht geeignet,\ndie verfugten Auflagen zu legitimieren. Sofern auf die regelmaßigen\nBeschwerden von Anliegern des Konigsbaus und die Vielzahl von Veranstaltungen\nauf dem Schlossplatz hingewiesen wurde, ist anzumerken, dass Veranstaltungsort\nder Platz Kronprinzstraße/Ecke Buchsenstraße ist. Da die unmittelbare Umgebung\ndes Veranstaltungsortes vorwiegend durch Buronutzung gepragt ist, ist auch\nnicht erkennbar geworden, worin angesichts eines Veranstaltungszeitraumes von\n18.00 Uhr bis 19.20 Uhr eine unzumutbare Larmbelastigung fur Anwohner zu sehen\nware. \n--- \n| 16 \n--- \n| Eine von der Antragsgegnerin vorgetragene regelmaßige Verwaltungspraxis\ndahingehend, den Technikeinsatz ohne Rucksicht auf die konkreten Umstande des\nEinzelfalles (wie etwa der Veranstaltungsort oder der Veranstaltungszeitraum)\nden Technikeinsatz bei einem Teilnehmerkreis von weniger als 50 Personen zu\nuntersagen, begegnet deshalb rechtlichen Bedenken. Schließlich trifft es nicht\nzu, dass die angesprochene Verwaltungspraxis so von der 5. Kammer des\nVerwaltungsgerichts Stuttgart (vgl. Az.: 5 K 4970/02) gebilligt worden ware.\nRichtig ist, dass das Verbot des Technikeinsatzes in diesem konkreten Fall fur\nrechtmaßig angesehen wurde. Zum einen wurden fur die streitgegenstandliche\nKundgebung lediglich 10 bis 20 Versammlungsteilnehmer erwartet und zum anderen\nbietet das Versammlungsgrundrecht als Kommunikationsgrundrecht keine\nRechtfertigung dafur, durch Technikeinsatz Aufmerksamkeit von Unbeteiligten zu\nerzwingen. So wurde im konkreten Verfahren darauf hingewiesen, dass das Ziel\ndes damaligen Veranstalters durch die Verwendung von Lautverstarkungsgeraten\nnicht die Versammlungsteilnehmer sondern die Besucher eines Gottesdienstes zu\nerreichen, von der Versammlungsfreiheit nicht gedeckt sei. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus den §§ 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3\nNr. 2, 63 Abs. 2 S. 1 GKG. \n---\n\n |
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132,644 | vghbw-2007-01-11-12-s-247206 | 161 | Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg | vghbw | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 12 S 2472/06 | 2007-01-11 | 2019-01-07 10:17:18 | 2019-01-17 11:52:32 | Urteil | ## Tenor\n\nSoweit der Klager die Berufung zuruckgenommen hat, wird das Berufungsverfahren\neingestellt.\n\nDie Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg\nvom 23. Mai 2001 - 5 K 1896/98 - wird zuruckgewiesen.\n\nDie Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens werden gegeneinander\naufgehoben.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager ist ein eingetragener Verein zur Forderung der Waldorfpadagogik,\nder einen Waldorfkindergarten in S. betreibt. Der Klager begehrt vom Beklagten\ndie Bewilligung eines Betriebskostenzuschusses fur diesen Kindergarten fur das\nKalenderjahr 1998. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager ist aus einer Elterninitiative entstanden, die sich im Oktober\n1990 zusammenfand. Unter dem 18.12.1990 erfolgte die Anzeige der\nBetriebsaufnahme an den damaligen Landeswohlfahrtsverband Baden. Dieser\nerteilte unter dem 30.04.1991 die Betriebserlaubnis, die unter dem 31.07.1991\nauf eine zweite Gruppe (insgesamt 56 Kinder) erweitert wurde. Der Klager ist\nMitglied des Deutschen Paritatischen Wohlfahrtsverbandes und der\nInternationalen Vereinigung der Waldorfkindergarten; er ist nach § 75 SGB VIII\nanerkannt. \n--- \n| 3 \n--- \n| Unter dem 12.05.1998 beantragte der Klager beim Beklagten die Bewilligung\neines Betriebskostenzuschusses fur das Jahr 1998 als Abmangelfinanzierung. Aus\nder dem Antrag als Anlage 1 beigefugten Aufstellung ergibt sich ein Fehlbetrag\nvon 152.276 DM bzw. 282 DM/Kind und Monat. Zur Begrundung gab der Klager an:\nDie Stadt S. zahle nur fur die Kinder aus ihrem Bereich einen kleinen\nZuschuss. Er verlange Gleichbehandlung mit den kirchlichen und gemeindlichen\nKindergarten im Kreisgebiet. Durch die fehlende Forderung sei die\nElternbelastung viel zu hoch. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Schreiben vom 04.06.1998 lehnte der Beklagte diesen Antrag ab. Dem\nSchreiben war keine Rechtsmittelbelehrung beigefugt. Der Beklagte war der\nAuffassung, dass eine Rechtspflicht zur Forderung des Klagers nicht bestehe.\nEiner Ermessensleistung stunden die nicht vorhandenen Haushaltsmittel\nentgegen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Schriftsatz seines Bevollmachtigten vom 07.07.1998 legte der Klager\ngegen den Bescheid vom 04.06.1998 Widerspruch ein. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.1998 hat der Beklagte den Widerspruch\ndes Klagers zuruckgewiesen. Der Bedarf an Kindergartenplatzen sei bereits\ngedeckt; in S. bestehe sogar ein Überhang an Kindergartenplatzen. Die\nkommunalen und kirchlichen Kindergarten stunden fur alle Kinder zur Verfugung.\nIm Übrigen stehe die Entscheidung uber eine Forderung im Ermessen. Da keine\nMittel fur eine solche Forderung im Haushalt eingestellt seien, komme eine\nZahlung nicht in Betracht. \n--- \n| 7 \n--- \n| Am 10.09.1998 hat der Klager Klage zum Verwaltungsgericht Freiburg erhoben,\nmit der er die Aufhebung der ablehnenden Bescheide sowie eine Neubescheidung\nseines Forderungsantrages fur das Jahr 1998 begehrte. \n--- \n| 8 \n--- \n| Zur Begrundung machte er geltend: Er sei anerkannter Trager der Jugendhilfe\ngemaß § 75 Abs. 1 SGB VIII. Der Waldorfkindergarten werde seit Jahren mit\ngroßem Erfolg betrieben. Die Voraussetzungen des § 74 SGB VIII seien\nunzweifelhaft erfullt. \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 18.07.2000 hat der Klager die Klage sodann erweitert.\nNeben der Verpflichtung zur Neubescheidung wurde die Verurteilung des\nBeklagten zur Zahlung eines Betrages von 75.198 DM begehrt. Insoweit machte\nder Klager geltend, dass dieser Betrag die Mindestforderung darstelle, auf die\ner Anspruch habe. Das Ermessen des Beklagten sei insoweit auf Null reduziert.\nDie hieruber hinausgehende Forderung stehe hingegen im Ermessen des Beklagten. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Klager hat erstinstanzlich beantragt, \n--- \n| 11 \n--- \n| den Bescheid des Beklagten vom 04.06.1998 und dessen Widerspruchsbescheid\nvom 05.08.1998 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Klager fur\nden von ihm betriebenen Waldorfkindergarten fur das Kalenderjahr 1998 einen\nBetrag von 75.155,00 DM als Zuschuss zu gewahren und den Klager im Übrigen\nunter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Beklagte ist der Klage und der Klageerweiterung entgegengetreten. Er\nhat beantragt, \n--- \n| 13 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Beklagten wird auf den\nSchriftsatz vom 13.10.1998 Bezug genommen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Mit Urteil vom 23.05.2001 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid vom\n04.06.1998 und den Widerspruchsbescheid vom 05.08.1998 aufgehoben und den\nBeklagten verpflichtet, uber den Antrag des Klagers neu zu entscheiden.\nHinsichtlich des geltend gemachten Zahlungsanspruchs hat das\nVerwaltungsgericht die Klage abgewiesen. \n--- \n| 16 \n--- \n| In den Entscheidungsgrunden heißt es u.a.: Der Anspruch des Klagers auf\nForderung ergebe sich aus § 74 SGB VIII. Da der Klager nach § 75 SGB VIII\nanerkannter freier Trager sei, komme auch eine Forderung auf Dauer in\nBetracht. Die Delegation der Aufgabenerfullung auf die Gemeinden lasse die\nGesamtverantwortung des Beklagten unberuhrt. Dieser musse nach § 79 SGB VIII\ndie Tragervielfalt gewahrleisten, wenn die gemeindliche Forderung nicht\nausreiche. Auf fehlenden Bedarf konne sich der Beklagte nicht berufen, weil\nder Klager eine besondere padagogische Ausrichtung aufweise. Insoweit sei der\nBedarf nicht gedeckt. Bei der gebotenen uberortlichen Betrachtung ubersteige\nder Bedarf auch zahlenmaßig das Angebot. Die Haushaltslage konne dem\nForderungsanspruch dem Grunde nach nicht entgegen stehen, sondern allein bei\nder Rechtsfolgenseite Beachtung finden. Wie der Beklagte die Finanzierung\nsicherstelle, sei zudem nicht Sache des Klagers. Art und Hohe der Forderung\nstunden im Ermessen des Beklagten. Dieses sei nicht auf Null reduziert,\nweshalb der Zahlungsanspruch erfolglos bleibe. Allerdings musse der Beklagte\nfur Gleichbehandlung sorgen und sich insoweit die Forderungspraxis der\nkreisangehorigen Gemeinden zurechnen lassen. Abzustellen sei insoweit aber auf\ndie durchschnittliche Forderung samtlicher Kindergarten im Kreisgebiet. Wegen\nweiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgrunde Bezug genommen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Das Urteil vom 23.05.2001 wurde dem Klager und dem Beklagten jeweils am\n07.06.2001 zugestellt. \n--- \n| 18 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 04.07.2001 bzw. mit Schriftsatz vom 05.07.2001 haben\nder Klager und der Beklagte die Zulassung der Berufung beantragt. Mit\nBeschluss vom 24.05.2002 hat der Verwaltungsgerichtshof den Zulassungsantragen\nbeider Beteiligter gemaß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO entsprochen. Dieser Beschluss\nwurde den Beteiligten jeweils am 12.06.2002 zugestellt. \n--- \n| 19 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 03.07.2002 hat der Beklagte seine Berufung begrundet.\nEin Anspruch des Klagers ergebe sich nicht aus § 74 SGB VIII oder § 79 SGB\nVIII. Die Bereitstellung von Kindergartenplatzen gehore traditionell zum\nAufgabenbereich der Gemeinden. Der Beklagte habe mit den kreisangehorigen\nGemeinden offentlich-rechtliche Vertrage geschlossen, um auch den Anspruch auf\neinen Kindergartenplatz durch die Gemeinden zu garantieren. Von daher gebe es\nauch keine Kindergartenplanung des Kreises. Mit der Aufgabenubertragung auf\ndie Gemeinden werde einer lebensumfeldorientierten Bedarfsdeckung genugt. § 74\nAbs. 1 SGB VIII setze zudem eine „geplante Maßnahme" voraus. Von daher komme\neine Forderung nur dann in Betracht, wenn ein Kindergarten tatsachlich in die\nBedarfsplanung aufgenommen worden sei, zumindest aber musse die Maßnahme vom\nBetreiber mit dem Jugendhilfetrager abgestimmt worden sein. Eine Finanzierung\neigenmachtig vorgenommener Grundungen durch den Jugendhilfetrager scheide aus.\nDer Kindergarten des Klagers sei mit kirchlichen Kindergarten auch nicht\nvergleichbar. Aufgrund der mit letzteren geschlossenen vertraglichen\nRegelungen wurden diese Kindergarten alle Kinder ohne Ansehen der\nNationalitat, der Konfession oder der politischen Anschauung aufnehmen. Beim\nKindergarten des Klagers musse hingegen mindestens ein Elternteil Mitglied des\nFordervereins sein. Der geltend gemachte Anspruch auf Gleichbehandlung gehe\nins Leere. Eine Gleichbehandlung mit der Forderungspraxis der Gemeinden konne\nnicht verlangt werden; eigene Forderungsleistungen an andere Kindergarten\nerbringe der Beklagte nicht. Eine Verpflichtung zur Finanzierung in bestimmter\nHohe folge auch nicht aus § 8 Abs. 3 KGaG. Eine andere Auslegung von § 74 SGB\nVIII wurde gegen Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verstoßen. Hierbei sei auch an die\nFinanzlasten fur die Folgejahre zu denken, hinsichtlich derer ebenfalls\nForderung beantragt worden sei. Aus der Berucksichtigung der Finanzkraft des\nfreien Tragers folge kein Anspruch auf Defizitausgleich oder auf hohere\nForderung. Ungeklart sei auch, ob alle Kinder, fur die Forderung begehrt\nwerde, aus dem Zustandigkeitsbereich des Beklagten kamen. Zu berucksichtigen\nsei auch, dass die Stadte K. und S. eigenstandige ortliche Trager der\noffentlichen Jugendhilfe seien. Diese durften nicht durch die Erhohung der\nKreisumlage doppelt in Anspruch genommen werden. Hierdurch und durch die mit\nden Gemeinden geschlossenen offentlich-rechtlichen Vertrage entstehe eine\nAtypik, die die Situation des Beklagten von anderen Kreisen unterscheide.\nWegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsatze vom 03.07.2002,\n28.08.2002, 01.08.2005 und 09.10.2006 Bezug genommen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 21 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 23.05.2001 - 5 K 1896/98 -\nzu andern und die Klage insgesamt abzuweisen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 23 \n--- \n| die Berufung des Beklagten zuruckzuweisen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Mit Schriftsatzen vom 05.08.2002, 12.05.2005, 28.10.2005 und 08.11.2006\nmacht der Klager im wesentlichen geltend: Fur die Forderung von Kindergarten\nbestehe keine primare Zustandigkeit der Gemeinden. Die insoweit relevanten\nAufgaben seien durch die geschlossenen offentlich-rechtlichen Vertrage auch\nnicht in einer § 69 SGB VIII genugenden Weise auf die Gemeinden ubertragen\nworden. Insoweit fehlten Regelungen uber die Finanzierung und die\nSicherstellung. Der Beklagte verkenne den Bedarfs-Begriff des SGB VIII; dieser\nkonne nicht nur quantitativ bestimmt werden. Die freien Trager seien nicht\nLuckenfuller hinsichtlich des bestehenden Angebots der Gemeinden, sondern\ndurch § 4 SGB VIII bevorzugt zur Bedarfsdeckung aufgerufen. Der Klager habe\nauch nicht eigenmachtig gehandelt. Er habe den Betrieb des Kindergartens in\nAbstimmung mit dem Landeswohlfahrtsverband Baden, der Stadt S. und dem\nBeklagten aufgenommen. Von daher hatte er bei der Jugendhilfeplanung\nberucksichtigt werden mussen. Zudem habe der Beklagte uberhaupt keine\nKindergartenplanung. Auch sei nach der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts eine Aufnahme in die Jugendhilfeplanung keine\nAnspruchsvoraussetzung. Samtliche Kinder, die den Waldorfkindergarten\nbesuchten, seien im maßgeblichen Zeitraum aus dem Kreisgebiet gekommen. Die\nfur die Forderung erforderlichen Haushaltsmittel habe der Beklagte\nbereitzustellen. Wie ein etwa erforderlicher Ausgleich mit den Stadten K. und\nS. vorzunehmen sei, falle allein in den Bereich des Beklagten und lasse den\nAnspruch des Klagers unberuhrt. Der Kindergarten des Klagers stehe allen\nKindern offen; eine Pflicht zum Beitritt der Eltern in den Forderverein\nbestehe nicht. Die Gemeinden seien Erfullungsgehilfen des Beklagten, weshalb\nsich dieser deren Handeln zurechnen lassen musse. Wenn ein besonderer Bedarf\nbestehe, sei es Sache des Tragers der offentlichen Jugendhilfe, diesen Bedarf\nzu decken; finanzschwache freie Trager mussten ggf. besonders unterstutzt\nwerden. Im fraglichen Zeitraum hatten nur Kinder aus dem Kreisgebiet den\nKindergarten des Klagers besucht; hierbei sei kein Kind aus den Stadten K.\noder S. gekommen. \n--- \n| 25 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 05.07.2002 hatte der Klager zunachst seine Berufung\nbegrundet, mit Schriftsatz vom 28.10.2005 aber erklart, dass er den\nZahlungsanspruch im Berufungsverfahren nicht weiter verfolgen wolle. \n--- \n| 26 \n--- \n| Mit Beschluss vom 26.05.2003 war das Ruhen des Verfahrens angeordnet\nworden. Mit Schriftsatz vom 12.05.2005 hat der Klager das Verfahren wieder\nangerufen. Aus dem zwischenzeitlich ergangenen Urteil des\nBundesverwaltungsgerichts vom 25.11.2004 ergebe sich, dass der klagerische\nAnspruch begrundet sei. \n--- \n| 27 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die in der Sache angefallenen\nGerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgange Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 28 \n--- \n| Soweit der Klager seine Berufung zuruckgenommen hat, ist das\nBerufungsverfahren einzustellen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die verbliebene Berufung des Beklagten ist statthaft und auch ansonsten\nzulassig, insbesondere fristgerecht begrundet worden. Die Berufung ist aber\nunbegrundet. \n--- \n| 30 \n--- \n| Denn das Verwaltungsgericht hat der Klage hinsichtlich des\nBescheidungsantrags zu Recht entsprochen. Die angefochtenen Bescheide des\nBeklagten sind rechtswidrig und verletzen den Klager in seinen Rechten (§§ 113\nAbs. 1 Satz 1, 114 Satz 1 VwGO). Dem Klager steht ein Anspruch auf Forderung\nnach § 74 SGB VIII dem Grunde nach zu, der der Hohe nach noch nicht spruchreif\nist; er hat deshalb einen Anspruch auf Neubescheidung seines Forderungsantrags\nhinsichtlich des Kalenderjahres 1998. \n--- \nI. \n--- \n| 31 \n--- \n| Entgegen der Ansicht des Beklagten hat der Klager dem Grunde nach einen\nAnspruch auf Gewahrung eines Betriebskostenzuschusses fur den von ihm\nbetriebenen Kindergarten fur das Kalenderjahr 1998. \n--- \n| 32 \n--- \n| Dieser Anspruch ergibt sich aus der fur diesen Zeitraum maßgeblichen Fassung\ndes § 74 SGB VIII (Fassung der Bekanntmachung vom 15.03.1996 <BGBl. I, S.\n477>, geandert durch Art. 3 des Gesetzes vom 23.07.1996 <BGBl I, S. 1088>).\nDieser Anspruch auf Forderung richtet sich gegen den ortlichen Trager der\noffentlichen Jugendhilfe, also den Beklagten. Die Forderungsverpflichtung des\nBeklagten entfallt auch nicht wegen einer Zustandigkeitsubertragung bzw.\nvorrangiger Einstandspflichten der kreisangehorigen Gemeinden. Wegen der\nBegrundung im einzelnen verweist der Senat zunachst auf sein Urteil vom\n18.12.2006 - 12 S 2474/06 - , das den Beteiligten bekannt ist. Die\nmaßgeblichen anspruchsbegrundenden Normen des SGB VIII sind hinsichtlich des\nbereits entschiedenen Bewilligungszeitraums 2004 gegenuber dem hier\nmaßgeblichen Zeitraum 1998 unverandert geblieben, weshalb der Anspruch des\nKlagers im vorliegenden Fall den gleichen rechtlichen Erwagungen unterliegt\nund in gleicher Weise begrundet ist. \n--- \n| 33 \n--- \n| 1\\. Der Klager erfullt die Voraussetzungen von § 74 Abs. 1 SGB VIII, weshalb\nder Beklagte als zustandiger Trager der offentlichen Jugendhilfe die\nfreiwillige Tatigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe fordern soll. Wie der\nSenat bereits entschieden hat (Urteil vom 18.12.2006 - 12 S 2474/06 -),\nbegrundet § 74 Abs. 1 SGB VIII auch nicht nur eine objektivrechtliche\nVerpflichtung des Tragers der offentlichen Jugendhilfe zur Forderung der\nfreien Jugendhilfe, sondern regelt klagbare subjektive Leistungsanspruche der\nTrager der freien Jugendhilfe gegen die Trager der offentlichen Jugendhilfe. \n--- \n| 34 \n--- \n| a) Der Klager erfullt auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 74\nAbs. 1 Satz 1 SGB VIII. Er besitzt die fachlichen Voraussetzungen fur die\ngeplante Maßnahme (§ 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII), bietet die Gewahr fur\ndie zweckentsprechende und wirtschaftliche Mittelverwendung (Nr. 2), verfolgt\ngemeinnutzige Zwecke (Nr. 3) und bietet auch die Gewahr fur eine den Zielen\ndes Grundgesetzes forderliche Arbeit (Nr. 5). Der Klager erbringt auch eine\nangemessene Eigenleistung (§ 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VIII). Die vom\nBeklagten geltend gemachte Haushaltslage kann den Anspruch auf Forderung nie\ndem Grunde nach in Frage stellen, sondern erlangt allenfalls Bedeutung bei der\nBemessung der Hohe der Forderung. \n--- \n| 35 \n--- \n| b) Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich bei der vom Klager\nbegehrten Forderung auch um die Forderung einer „geplanten Maßnahme" im Sinne\nvon § 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII. Der Gesetzeswortlaut geht zwar davon\naus, dass die Forderungsentscheidung vor Verwirklichung der Maßnahme getroffen\nwerden soll. Dies soll den freien Trager aber begunstigen und bedeutet nicht\nzwingend, dass der freie Trager die Forderungsentscheidung des Tragers der\noffentlichen Jugendhilfe durchweg abwarten muss. Dies ergibt sich aus\nfolgenden Erwagungen: \n--- \n| 36 \n--- \n| aa) Zunachst hat das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 25.11.2004 - 5 C\n66.03 - DVBl 2005, 772) ausdrucklich entschieden, dass der Antrag auf\nForderung nach § 74 SGB VIII nicht innerhalb einer bestimmten Frist oder vor\nAufstellung des Haushaltsplans des Tragers der offentlichen Jugendhilfe\ngestellt werden muss. Hieraus ist ohne weiteres zu folgern, dass bezuglich des\nForderungsantrags keine strengen Anforderungen zu stellen sind. \n--- \n| 37 \n--- \n| bb) Der Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht erfolgreich auf\ndie Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Leistungsrecht berufen.\nDort gilt der Grundsatz, dass der Jugendhilfetrager fur die Kosten der von\nDritten durchgefuhrten Maßnahme nur aufkommen muss, wenn der Hilfebedarf\nrechtzeitig an ihn herangetragen worden ist (BVerwG, Urteil vom 11.08.2005 - 5\nC 18.04 - NVwZ 2006, 697 m.w.N.). Durch die rechtzeitige Antragstellung soll\nder Jugendhilfetrager zur pflichtgemaßen Prufung sowohl der\nAnspruchsvoraussetzungen als auch moglicher Hilfemaßnahmen in die Lage\nversetzt werden. Bei der Forderungsentscheidung nach § 74 SGB VIII liegen die\nDinge aber vollig anders als bei Entscheidungen des Jugendhilfetragers uber\ndie erforderliche Hilfe im Einzelfall. Denn bei der Forderung von freien\nTragern gilt durchweg der Vorrang der freien Trager bei der Bereitstellung von\nEinrichtungen, Diensten und Veranstaltungen (§ 4 SGB VIII). Deren Maßnahmen\nsowie die Selbststandigkeit der freien Trager sind vom Trager der offentlichen\nJugendhilfe grundsatzlich zu respektieren (§ 4 Abs. 1 SGB VIII). Der Trager\nder offentlichen Jugendhilfe soll sogar von eigenen Maßnahmen absehen, wenn\nvon anerkannten Tragern der freien Jugendhilfe geeignete Einrichtungen,\nDienste und Veranstaltungen schon betrieben werden _oder rechtzeitig\ngeschaffen werden k onnen_ (§ 4 Abs. 2 SGB VIII). Die Selbststandigkeit der\nfreien Trager hat auch Bedeutung fur die Jugendhilfeplanung und die\nForderungspraxis des Tragers der offentlichen Jugendhilfe (§ 74 Abs. 2 Satz 2\nSGB VIII). Von daher stellt sich bei der Entscheidung nach § 74 SGB VIII -\nanders als im Leistungsrecht - nicht die Frage, ob der Trager der offentlichen\nJugendhilfe die erforderliche Leistung ggf. selbst erbringen will oder ob er\nalternative Leistungstrager aus Grunden einer sachgerechteren\nAufgabenerfullung oder aus Kostengrunden bevorzugt heranziehen will. \n--- \n| 38 \n--- \n| cc) Die hier vertretene Gesetzesauslegung entspricht auch Sinn und Zweck von\n§ 74 SGB VIII. Das SGB VIII verlangt, dass der Trager der offentlichen\nJugendhilfe sich rechtzeitig und zielgenau im Rahmen seiner Gesamt- und\nPlanungsverantwortung (§§ 79, 80 SGB VIII) uber den Bestand und den echten\nBedarf an Leistungen schlussig wird, Initiativen freier Trager nicht\nbehindert, sondern ermutigt und unterstutzt und moglichst von sich aus, ein\nwirksames, vielfaltiges und aufeinander abgestimmtes Angebot von\nJugendhilfeleistungen (§ 80 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII) vorhalt und fur die\ngehorige bedurfnisgerechte Abstimmung der Planungen (§ 80 Abs. 4 SGB VIII)\nsorgt. Hierbei soll sogar soweit Vorsorge getroffen werden, dass selbst ein\nunvorhersehbarer Bedarf befriedigt werden kann (§ 80 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII).\nInsoweit haben die Trager der offentlichen Jugendhilfe die freien Trager auch\nmoglichst fruhzeitig zu beteiligen (§ 80 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII). Nach dieser\nratio hatte der Beklagte seit langem auf den Klager zugehen mussen, dessen\nAngebot bei seinen Planungen berucksichtigen und dieses notwendige\nbedarfsdeckende Angebot fordern mussen. \n--- \n| 39 \n--- \n| dd) Schließlich war dem Beklagten der Betrieb des Kindergartens des Klagers\nauch jahrelang bekannt. Von daher kann im vorliegenden Fall dahinstehen, wie\nsich der Trager der offentlichen Jugendhilfe bei der erstmaligen\nInbetriebnahme eines Kindergartens bzw. bei einem erstmaligen Forderungsantrag\nverhalten muss. Denn im streitgegenstandlichen Kalenderjahr 1998 war der im\nJahre 1990 gegrundete Kindergarten schon acht Jahre erfolgreich in Betrieb.\nBei zeitabschnittsbezogenen Angeboten des freien Tragers ist der beabsichtigte\nWeiterbetrieb der Einrichtung aber immer eine „kunftige", also „geplante\nMaßnahme". Da sich der Klager von Anfang an jahrelang ohne Erfolg bemuht\nhatte, eine positive Forderungsentscheidung des Beklagten zu erlangen, war der\nWeiterbetrieb des Waldorfkindergartens im Jahr 1998 eine dem Beklagten bereits\nbekannte „geplante Maßnahme", die durch den ausdrucklichen Antrag vom\n12.05.1998 nur einer rechtsbehelfsfahigen Entscheidung zugefuhrt werden\nsollte. Mehr konnte vom Klager in dieser Verfahrenssituation zulassigerweise\nauch nicht verlangt werden. Denn dem Beklagten ging es erklartermaßen nicht\ndarum, dass er die Forderungsvoraussetzungen prufen wollte, sondern er war\nunter keinen Umstanden bereit, die Forderungsleistungen zu erbringen. Dann\naber kann der Trager der offentlichen Jugendhilfe nicht erfolgreich geltend\nmachen, ihm sei keine Gelegenheit zur rechtzeitigen Prufung der\nAnspruchsvoraussetzungen gegeben gewesen. \n--- \n| 40 \n--- \n| 2\\. Der Klager erfullt auch die in § 74 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 SGB VIII\ngenannten besonderen Voraussetzungen; insbesondere besteht fur den vom Klager\nbetriebenen Kindergarten auch ein Bedarf. \n--- \n| 41 \n--- \n| a) Da der Klager nach § 75 SGB VIII anerkannt ist, erfullt er auch die\nVoraussetzungen des § 74 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII. Liegen die Voraussetzungen\ndes § 74 Abs. 1 SGB VIII somit insgesamt vor, _soll_ die Maßnahme des freien\nTragers gefordert werden. \n--- \n| 42 \n--- \n| Soll-Vorschriften bedeuten in der Regel eine strikte Bindung der Behorde und\nerlauben Abweichungen nur in atypischen Fallen, in denen besondere, von der\nBehorde nicht zu vertretende uberwiegende Grunde fur ein Abweichen von der\nNorm sprechen. Eine solche atypische Konstellation, die den Trager der\noffentlichen Jugendhilfe ausnahmsweise zur Ablehnung der Forderung berechtigen\nkann, besteht entgegen der Auffassung des Beklagte nicht. Der Beklagte hat\nzwar eine Atypik geltend gemacht und insoweit ausgefuhrt, der Beklagte sei der\neinzige Landkreis mit drei ortlichen Tragern der offentlichen Jugendhilfe;\nauch seien die Aufgaben zur Bereitstellung von Kindergartenplatzen durch\noffentlich-rechtliche Vertrage durchweg auf die kreisangehorigen Gemeinden\ndelegiert worden (vgl. z.B. die Schriftsatze vom 28.08.2002 und vom\n09.10.2006). Diesen geltend gemachten Zustand hat der Beklagte aber selbst aus\nfreien Stucken herbeigefuhrt, weshalb er schon deshalb keine atypische\nAbweichung geltend machen kann. Die Einwendungen des Beklagten betreffen auch\nnur die Frage der Zustandigkeit des Beklagten. Eine berucksichtigungsfahige\nAtypik musste sich demgegenuber auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des §\n74 Abs. 1 SGB VIII beziehen; insoweit tragt der Beklagte nichts vor. \n--- \n| 43 \n--- \n| b) Der Klager erfullt auch die Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 SGB VIII,\nweil er bereit ist, seine Einrichtung nach Maßgabe der Jugendhilfeplanung und\nunter Beachtung der in § 9 SGB VIII genannten Grundsatze anzubieten.\nAusweislich der Behordenakten hat der Klager von Anfang an den Kontakt zum\nBeklagten und zur Stadt S. gesucht und um Berucksichtigung bei der\nJugendhilfeplanung gebeten. Dies blieb ergebnislos; hinsichtlich des Beklagten\nauch deshalb, weil dieser keine eigene Kindergartenplanung betreibt. Von einer\ntatsachlich erfolgten Aufnahme in die Jugendhilfeplanung darf die Forderung\nnicht abhangig gemacht werden; die „Bereitschaft" genugt. Insoweit verweist\nder Senat vollinhaltlich auf die Erwagungen im Senatsurteil vom 18.12.2006 -12\nS 2474/06 -. \n--- \n| 44 \n--- \n| c) Entgegen der Ansicht des Beklagten scheitert der Anspruch des Klagers auf\nForderung dem Grunde nach auch nicht deshalb, weil es fur die vom Klager\nbetriebene Einrichtung keinen Bedarf gibt. Insoweit verweist der Senat\nvollinhaltlich auf die Erwagungen im Senatsurteil vom 18.12.2006 -12 S 2474/06\n-. Nach den dort entwickelten Maßstaben besteht fur das Angebot des Klagers\nunzweifelhaft ein Bedarf. Von daher bedarf auch keiner Vertiefung, ob der\nKlager Recht hat, wenn er vortragt, in S. habe im maßgeblichen Zeitraum ein\nUnterangebot an Kindergartenplatzen vorgelegen oder ob der Bedarf - so der\nBeklagte - in S. und den Nachbargemeinden im streitgegenstandlichen Zeitraum\nquantitativ gedeckt war. Maßgeblich ist nur die Bedarfsdeckung in\nquantitativer _und_ qualitativer Hinsicht; eine solche anderweitige\nBedarfsdeckung lag unstreitig nicht vor. \n--- \n| 45 \n--- \n| d) Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Beklagten, dass die hier\nvertretene Auslegung des § 74 SGB VIII gegen Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG\nverstoßen wurde. Im Hinblick auf die wenigen Forderungsfalle, die in den\nletzten Jahren und auch aktuell auf die ortlichen Trager der offentlichen\nJugendhilfe zugekommen sind und zukommen, erscheint eine solche Argumentation\nschon von den finanziellen Auswirkungen her als nicht uberzeugend. \n--- \n| 46 \n--- \n| 3\\. Der Anspruch des Klagers auf Forderung nach § 74 SGB VIII richtet sich\ngegen den Beklagten. Gemaß § 3 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII richten sich\nLeistungsverpflichtungen, die durch das SGB VIII begrundet werden, gegen die\nTrager der offentlichen Jugendhilfe. Soweit § 74 SGB VIII mithin\nLeistungsanspruche von freien Tragern der Jugendhilfe begrundet, konnen sich\ndiese nur gegen einen Trager der offentlichen Jugendhilfe richten (BVerwG,\nUrteil vom 25.04.2002 - 5 C 18.01 - BVerwGE 116, 227 <228>; Hessischer VGH,\nUrteil vom 06.09.2005 - 10 UE 3025/04 - NVwZ-RR 2006, 475; OVG Luneburg,\nBeschluss vom 16.06.1997 - 4 M 1219/97 - FEVS 48, 213). \n--- \n| 47 \n--- \n| a) Trager der offentlichen Jugendhilfe sind gemaß § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB\nVIII die ortlichen und die uberortlichen Trager, wobei das Landesrecht gemaß §\n69 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII bestimmt, wer uberortlicher Trager der Jugendhilfe\nist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII sind die Kreise und kreisfreien Stadte\nortliche Trager der offentlichen Jugendhilfe. Hierbei kann nach der\nRechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 25.11.2004 - 5 C 66.03 - DVBl 2005, 772)\ndahinstehen, ob diese Zustandigkeitsbestimmung durch Bundesrecht (im Hinblick\nauf das Urteil des BVerfG vom 18.07.1967 - BVerfGE 22, 180)\nverfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, weil auch § 1 Abs. 1 des Kinder- und\nJugendhilfegesetzes fur Baden-Wurttemberg (LKJHG) in der fur den umstrittenen\nBewilligungszeitraum maßgeblichen Fassung vom 19.04.1996 (GBl. S. 457),\ngeandert durch Art. 6 des Haushaltsstrukturgesetzes 1997 vom 16.12.1996 (GBl.\nS. 776) und Art. 6 der 5. AnpassungsVO vom 17.06.1997 (GBl. S. 278) die Land-\nund Stadtkreise - vorbehaltlich einer Aufgabenubertragung nach § 5 LKJHG - als\nortliche Trager der offentlichen Jugendhilfe bestimmt. \n--- \n| 48 \n--- \n| b) In sachlicher Hinsicht ist fur die vom Klager verlangte\nstreitgegenstandliche Forderung nach § 74 SGB VIII der ortliche Trager der\noffentlichen Jugendhilfe zustandig. Dies ergibt sich zunachst aus § 85 Abs. 1\nSatz 1 SGB VIII, der fur die Gewahrung von Leistungen und die Erfullung\nanderer Aufgaben grundsatzlich die sachliche Zustandigkeit des ortlichen\nTragers festlegt, soweit nicht ausdrucklich die Zustandigkeit des\nuberortlichen Tragers geregelt ist. Eine solche ausdruckliche Zustandigkeit\ndes uberortlichen Tragers folgt vorliegend nicht aus § 85 Abs. 2 Nr. 3 SGB\nVIII, weil nicht die Forderung einer Einrichtung begehrt wird, die den\nortlichen Bedarf - bezogen auf das Kreisgebiet - ubersteigt. Der Beklagte ist\nfur den streitgegenstandlichen Forderungsanspruch auch ortlich zustandig. Denn\nder Klager betreibt seinen Kindergarten in S., also im ortlichen\nZustandigkeitsbereich des Beklagten. \n--- \n| 49 \n--- \n| Soweit die im Kreis liegenden Stadte S. und K. zu ortlichen Tragern der\noffentlichen Jugendhilfe bestimmt worden sind (§ 5 LKJHG), ist dies vorliegend\nbelanglos, weil der Klager ausdrucklich nur Forderung fur Kinder aus dem\nsonstigen Kreisgebiet geltend macht. Es steht dem Beklagten frei, sich im\nweiteren Verwaltungsverfahren entsprechende Unterlagen vom Klager vorlegen zu\nlassen. \n--- \n| 50 \n--- \n| c) Die Zustandigkeit des Beklagten zur Forderung freier Trager nach § 74 SGB\nVIII ist nicht auf kreisangehorige Gemeinden ubergegangen; ebenso wenig wird\ndiese Zustandigkeit durch landesrechtliche Regelungen verdrangt. Der Beklagte\nkann sich auch nicht erfolgreich auf die vorrangige Einstandspflicht der\nkreisangehorigen Gemeinden berufen. Insoweit verweist der Senat zunachst auf\nsein Urteil vom 18.12.2006 - 12 S 2474/06 -. Dort hat der Senat auch\nausdrucklich entschieden, dass § 8 des Kindergartengesetzes in der fur den\ndortigen Fall maßgeblichen Fassung vom 09.04.2003 (GBl. S.164) die\nLeistungspflicht des dortigen Beklagten nicht beseitigt hat. Der\nbundesrechtliche Forderungsanspruch nach § 74 SGB VIII kann selbst fur den\nFall einer ausdrucklichen dahin gehenden gesetzlichen Regelung (Neufassung von\n§ 8 KGaG ab 01.01.2004) durch das Landesrecht nicht in Frage gestellt werden.\nDies gilt erst recht fur den vor dem 01.01.2004 bestehenden Zustand einer nur\nfaktischen Aufgabenerfullung durch die Kreisgemeinden aufgrund traditioneller\nAufgabenverteilung. Eine ausschließliche - die Zustandigkeit des Beklagten\nverdrangende - Forderungszustandigkeit der Gemeinden scheidet von daher\nzwingend aus. Aus der fur den maßgeblichen Zeitraum geltenden Fassung des KGaG\n(Bekanntmachung der Neufassung des Kindergartengesetzes fur Baden-Wurttemberg\nvom 15.02.1996 <GBl. S. 237>) folgt nichts anderes. Auch nach § 3 KGaG (1996)\nbestand die Verpflichtung der Gemeinden zur Bereitstellung einer ausreichenden\nAnzahl von Kindergartenplatzen „unbeschadet der Verpflichtung des ortlichen\nTragers der offentlichen Jugendhilfe". \n--- \n| 51 \n--- \n| aa) Zudem waren auch im hier maßgeblichen Zeitraum nicht die Gemeinden,\nsondern ausschließlich der Trager der offentlichen Jugendhilfe letzt- und\ngesamtverantwortlich fur die Erbringung der Leistungen nach dem SGB VIII, wie\nsich aus den Regelungen des § 79 SGB VIII, bei der Heranziehung von Gemeinden\nim Einzelfall zudem aus § 69 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII ergibt. Nach § 79 Abs. 1\nSGB VIII haben die Trager der offentlichen Jugendhilfe die Gesamtverantwortung\neinschließlich der Planungsverantwortung hinsichtlich samtlicher nach dem SGB\nVIII zu erfullenden Aufgaben. Diese Gesamtverantwortung umfasst auch die\nAufgaben der Forderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege\n(§§ 22 - 25 SGB VIII) sowie die finanzielle Forderung der insoweit tatigen\nfreien Trager. § 79 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestimmt, dass die Trager der\noffentlichen Jugendhilfe gewahrleisten sollen, dass die zur Erfullung der\nAufgaben nach dem SGB VIII erforderlichen und geeigneten Einrichtungen,\nDienste und Veranstaltungen den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung\nentsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfugung stehen. Diese\nGesamtverantwortung umfasst auch die Finanzverantwortung, weshalb hierfur\nfinanzielle Mittel in dem Umfang bereitgestellt sein mussen, dass die Aufgaben\nnach dem SGB VIII erfullt werden konnen (vgl. hierzu: Kunkel, § 79 SGB VIII -\nLeitnorm oder Norm light ?, NDV 2001, 412 <413>, m.w.N.). Die\nGesamtverantwortung des Tragers der offentlichen Jugendhilfe gilt sowohl\nhinsichtlich einer Aufgabenubertragung auf Gemeinden als auch bei einer\nAufgabenwahrnehmung durch freie Trager der Jugendhilfe und tragt dem Grundsatz\nRechnung, dass zwar Aufgaben delegiert werden konnen, nie aber gesetzlich\nzugewiesene Verantwortung. \n--- \n| 52 \n--- \n| bb) Es kann dahinstehen, ob die vom Beklagten mit den kreisangehorigen\nGemeinden geschlossenen offentlich-rechtlichen Vertrage uberhaupt den\nAnforderungen des § 6 LKJHG genugen, was der Klager mit beachtlichen Grunden\nbestreitet. Denn selbst wenn dies so ware und wenn die kreisangehorigen\nGemeinden auch zur Forderung der freien Trager im Bereich des\nKindergartenwesens (§ 74 SGB VIII) wirksam herangezogen worden waren, bliebe\nes bei der Letzt- und Gesamtverantwortung des Beklagten (§ 69 Abs. 5 Satz 2\nSGB VIII). Da der Klager unstreitig von der Stadt S. keine auskommliche\nForderung erhalt, konnte er den Beklagten hinsichtlich des verbleibenden\nFehlbetrags in Anspruch nehmen. Im Übrigen spricht nichts dafur, dass die\nzwischen dem Beklagten und den kreisangehorigen Gemeinden geschlossenen\nVertrage auch die Forderung der freien Trager und hier insbesondere auch die\nForderung der freien Trager von Kindergarten mit gemeindeubergreifendem\nAngebot erfassen sollten. \n--- \nII. \n--- \n| 53 \n--- \n| Steht dem Klager somit ein Anspruch auf Forderung seines Kindergartens dem\nGrunde nach zu, hat das Verwaltungsgericht den Beklagten zu Recht zur\nNeubescheidung des klagerischen Antrags hinsichtlich der Forderung fur das\nKalenderjahr 1998 verpflichtet. \n--- \n| 54 \n--- \n| 1\\. Über Art und Hohe der Forderung ist im Rahmen der verfugbaren\nHaushaltsmittel nach pflichtgemaßem Ermessen zu entscheiden (§ 74 Abs. 3 Satz\n1 SGB VIII). Das Gericht kann das der Behorde eingeraumte Ermessen nicht\nselbst ausuben. Die Sache ist hinsichtlich der Art und der Hohe der Forderung\ndeshalb nicht spruchreif. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist\nder Beklagte bei dieser Neubescheidung nicht durch die Forderungspraxis der\nGemeinden im Kreisgebiet gebunden. Auch besteht keine Ermessensbindung des\nBeklagten im Sinne einer Verpflichtung zur Gleichbehandlung, weil der Beklagte\nkeine Kindergarten im Kreisgebiet fordert, weshalb der Klager nicht auf eine\nentsprechende Verwaltungspraxis des Beklagten oder einschlagige\nVerwaltungsvorschriften rekurrieren und eine Gleichbehandlung verlangen kann\n(Senatsurteil vom 18.12.2006 - 12 S 2474/06 -). \n--- \n| 55 \n--- \n| 2\\. Der Beklagte muss eigene Erwagungen anstellen, um im Rahmen des § 74 SGB\nVIII zu einer tragfahigen ermessensfehlerfreien Entscheidung zu gelangen. Auch\ninsoweit verweist der Senat auf die Erwagungen, die im Senatsurteil vom\n18.12.2006 - 12 S 2474/06 - angestellt worden sind. Diese Erwagungen hat der\nBeklagte auch im vorliegenden Fall zu beachten. \n--- \n| 56 \n--- \n| 3\\. Der Argumentation des Beklagten, eine Gleichbehandlung des Klagers mit\nkirchlichen Kindergarten scheide aus, weil letztere alle Kinder ohne Ansehen\nder Konfession, Nationalitat oder der politischen Anschauung aufnehmen wurden,\nwahrend der Klager die Mitgliedschaft in seinem Forderverein verlange, kommt\nhierbei keine entscheidende Bedeutung zu. Zum einen hat der Klager uberzeugend\ngeltend gemacht, dass er ebenfalls alle Kinder ohne Ansehen der Konfession,\nNationalitat oder der politischen Anschauung aufnehme und dass es auch keine\nVoraussetzung fur eine Aufnahme in seinen Kindergarten sei, dass zumindest ein\nElternteil Mitglied des Fordervereins werde. Zum anderen ware eine solche\nBedingung der Mitgliedschaft im Forderverein wohl auch unschadlich, weil der\nKlager - insbesondere im Hinblick auf die fehlende Forderung durch den\nBeklagten - um die Existenz erhaltende Finanzierung seines Kindergartens\nbesorgt sein darf. \n--- \n| 57 \n--- \n| 4\\. Die Erwagungen, die der Beklagte hinsichtlich der Refinanzierung seiner\nAufwendungen durch Erhohung der Kreisumlage bzw. der Hohe der Kreisumlage und\nder Hohe der Jugendhilfekosten im Kreis vorgetragen hat, konnen den Anspruch\ndes Klagers weder dem Grunde nach noch der Hohe nach in Zweifel ziehen. Auch\nwenn sich der finanzielle Ausgleich unter den Stadten und Gemeinden im\nKreisgebiet schwierig gestalten sollte, kann dies den Beklagten nicht von der\ngesetzlich vorgesehenen Leistungsverpflichtung entbinden. \n--- \n| 58 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, 188 S. 2\nVwGO. \n--- \n| 59 \n--- \n| Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2\nVwGO nicht gegeben sind. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 28 \n--- \n| Soweit der Klager seine Berufung zuruckgenommen hat, ist das\nBerufungsverfahren einzustellen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die verbliebene Berufung des Beklagten ist statthaft und auch ansonsten\nzulassig, insbesondere fristgerecht begrundet worden. Die Berufung ist aber\nunbegrundet. \n--- \n| 30 \n--- \n| Denn das Verwaltungsgericht hat der Klage hinsichtlich des\nBescheidungsantrags zu Recht entsprochen. Die angefochtenen Bescheide des\nBeklagten sind rechtswidrig und verletzen den Klager in seinen Rechten (§§ 113\nAbs. 1 Satz 1, 114 Satz 1 VwGO). Dem Klager steht ein Anspruch auf Forderung\nnach § 74 SGB VIII dem Grunde nach zu, der der Hohe nach noch nicht spruchreif\nist; er hat deshalb einen Anspruch auf Neubescheidung seines Forderungsantrags\nhinsichtlich des Kalenderjahres 1998. \n--- \nI. \n--- \n| 31 \n--- \n| Entgegen der Ansicht des Beklagten hat der Klager dem Grunde nach einen\nAnspruch auf Gewahrung eines Betriebskostenzuschusses fur den von ihm\nbetriebenen Kindergarten fur das Kalenderjahr 1998. \n--- \n| 32 \n--- \n| Dieser Anspruch ergibt sich aus der fur diesen Zeitraum maßgeblichen Fassung\ndes § 74 SGB VIII (Fassung der Bekanntmachung vom 15.03.1996 <BGBl. I, S.\n477>, geandert durch Art. 3 des Gesetzes vom 23.07.1996 <BGBl I, S. 1088>).\nDieser Anspruch auf Forderung richtet sich gegen den ortlichen Trager der\noffentlichen Jugendhilfe, also den Beklagten. Die Forderungsverpflichtung des\nBeklagten entfallt auch nicht wegen einer Zustandigkeitsubertragung bzw.\nvorrangiger Einstandspflichten der kreisangehorigen Gemeinden. Wegen der\nBegrundung im einzelnen verweist der Senat zunachst auf sein Urteil vom\n18.12.2006 - 12 S 2474/06 - , das den Beteiligten bekannt ist. Die\nmaßgeblichen anspruchsbegrundenden Normen des SGB VIII sind hinsichtlich des\nbereits entschiedenen Bewilligungszeitraums 2004 gegenuber dem hier\nmaßgeblichen Zeitraum 1998 unverandert geblieben, weshalb der Anspruch des\nKlagers im vorliegenden Fall den gleichen rechtlichen Erwagungen unterliegt\nund in gleicher Weise begrundet ist. \n--- \n| 33 \n--- \n| 1\\. Der Klager erfullt die Voraussetzungen von § 74 Abs. 1 SGB VIII, weshalb\nder Beklagte als zustandiger Trager der offentlichen Jugendhilfe die\nfreiwillige Tatigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe fordern soll. Wie der\nSenat bereits entschieden hat (Urteil vom 18.12.2006 - 12 S 2474/06 -),\nbegrundet § 74 Abs. 1 SGB VIII auch nicht nur eine objektivrechtliche\nVerpflichtung des Tragers der offentlichen Jugendhilfe zur Forderung der\nfreien Jugendhilfe, sondern regelt klagbare subjektive Leistungsanspruche der\nTrager der freien Jugendhilfe gegen die Trager der offentlichen Jugendhilfe. \n--- \n| 34 \n--- \n| a) Der Klager erfullt auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 74\nAbs. 1 Satz 1 SGB VIII. Er besitzt die fachlichen Voraussetzungen fur die\ngeplante Maßnahme (§ 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII), bietet die Gewahr fur\ndie zweckentsprechende und wirtschaftliche Mittelverwendung (Nr. 2), verfolgt\ngemeinnutzige Zwecke (Nr. 3) und bietet auch die Gewahr fur eine den Zielen\ndes Grundgesetzes forderliche Arbeit (Nr. 5). Der Klager erbringt auch eine\nangemessene Eigenleistung (§ 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VIII). Die vom\nBeklagten geltend gemachte Haushaltslage kann den Anspruch auf Forderung nie\ndem Grunde nach in Frage stellen, sondern erlangt allenfalls Bedeutung bei der\nBemessung der Hohe der Forderung. \n--- \n| 35 \n--- \n| b) Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich bei der vom Klager\nbegehrten Forderung auch um die Forderung einer „geplanten Maßnahme" im Sinne\nvon § 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII. Der Gesetzeswortlaut geht zwar davon\naus, dass die Forderungsentscheidung vor Verwirklichung der Maßnahme getroffen\nwerden soll. Dies soll den freien Trager aber begunstigen und bedeutet nicht\nzwingend, dass der freie Trager die Forderungsentscheidung des Tragers der\noffentlichen Jugendhilfe durchweg abwarten muss. Dies ergibt sich aus\nfolgenden Erwagungen: \n--- \n| 36 \n--- \n| aa) Zunachst hat das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 25.11.2004 - 5 C\n66.03 - DVBl 2005, 772) ausdrucklich entschieden, dass der Antrag auf\nForderung nach § 74 SGB VIII nicht innerhalb einer bestimmten Frist oder vor\nAufstellung des Haushaltsplans des Tragers der offentlichen Jugendhilfe\ngestellt werden muss. Hieraus ist ohne weiteres zu folgern, dass bezuglich des\nForderungsantrags keine strengen Anforderungen zu stellen sind. \n--- \n| 37 \n--- \n| bb) Der Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht erfolgreich auf\ndie Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Leistungsrecht berufen.\nDort gilt der Grundsatz, dass der Jugendhilfetrager fur die Kosten der von\nDritten durchgefuhrten Maßnahme nur aufkommen muss, wenn der Hilfebedarf\nrechtzeitig an ihn herangetragen worden ist (BVerwG, Urteil vom 11.08.2005 - 5\nC 18.04 - NVwZ 2006, 697 m.w.N.). Durch die rechtzeitige Antragstellung soll\nder Jugendhilfetrager zur pflichtgemaßen Prufung sowohl der\nAnspruchsvoraussetzungen als auch moglicher Hilfemaßnahmen in die Lage\nversetzt werden. Bei der Forderungsentscheidung nach § 74 SGB VIII liegen die\nDinge aber vollig anders als bei Entscheidungen des Jugendhilfetragers uber\ndie erforderliche Hilfe im Einzelfall. Denn bei der Forderung von freien\nTragern gilt durchweg der Vorrang der freien Trager bei der Bereitstellung von\nEinrichtungen, Diensten und Veranstaltungen (§ 4 SGB VIII). Deren Maßnahmen\nsowie die Selbststandigkeit der freien Trager sind vom Trager der offentlichen\nJugendhilfe grundsatzlich zu respektieren (§ 4 Abs. 1 SGB VIII). Der Trager\nder offentlichen Jugendhilfe soll sogar von eigenen Maßnahmen absehen, wenn\nvon anerkannten Tragern der freien Jugendhilfe geeignete Einrichtungen,\nDienste und Veranstaltungen schon betrieben werden _oder rechtzeitig\ngeschaffen werden k onnen_ (§ 4 Abs. 2 SGB VIII). Die Selbststandigkeit der\nfreien Trager hat auch Bedeutung fur die Jugendhilfeplanung und die\nForderungspraxis des Tragers der offentlichen Jugendhilfe (§ 74 Abs. 2 Satz 2\nSGB VIII). Von daher stellt sich bei der Entscheidung nach § 74 SGB VIII -\nanders als im Leistungsrecht - nicht die Frage, ob der Trager der offentlichen\nJugendhilfe die erforderliche Leistung ggf. selbst erbringen will oder ob er\nalternative Leistungstrager aus Grunden einer sachgerechteren\nAufgabenerfullung oder aus Kostengrunden bevorzugt heranziehen will. \n--- \n| 38 \n--- \n| cc) Die hier vertretene Gesetzesauslegung entspricht auch Sinn und Zweck von\n§ 74 SGB VIII. Das SGB VIII verlangt, dass der Trager der offentlichen\nJugendhilfe sich rechtzeitig und zielgenau im Rahmen seiner Gesamt- und\nPlanungsverantwortung (§§ 79, 80 SGB VIII) uber den Bestand und den echten\nBedarf an Leistungen schlussig wird, Initiativen freier Trager nicht\nbehindert, sondern ermutigt und unterstutzt und moglichst von sich aus, ein\nwirksames, vielfaltiges und aufeinander abgestimmtes Angebot von\nJugendhilfeleistungen (§ 80 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII) vorhalt und fur die\ngehorige bedurfnisgerechte Abstimmung der Planungen (§ 80 Abs. 4 SGB VIII)\nsorgt. Hierbei soll sogar soweit Vorsorge getroffen werden, dass selbst ein\nunvorhersehbarer Bedarf befriedigt werden kann (§ 80 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII).\nInsoweit haben die Trager der offentlichen Jugendhilfe die freien Trager auch\nmoglichst fruhzeitig zu beteiligen (§ 80 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII). Nach dieser\nratio hatte der Beklagte seit langem auf den Klager zugehen mussen, dessen\nAngebot bei seinen Planungen berucksichtigen und dieses notwendige\nbedarfsdeckende Angebot fordern mussen. \n--- \n| 39 \n--- \n| dd) Schließlich war dem Beklagten der Betrieb des Kindergartens des Klagers\nauch jahrelang bekannt. Von daher kann im vorliegenden Fall dahinstehen, wie\nsich der Trager der offentlichen Jugendhilfe bei der erstmaligen\nInbetriebnahme eines Kindergartens bzw. bei einem erstmaligen Forderungsantrag\nverhalten muss. Denn im streitgegenstandlichen Kalenderjahr 1998 war der im\nJahre 1990 gegrundete Kindergarten schon acht Jahre erfolgreich in Betrieb.\nBei zeitabschnittsbezogenen Angeboten des freien Tragers ist der beabsichtigte\nWeiterbetrieb der Einrichtung aber immer eine „kunftige", also „geplante\nMaßnahme". Da sich der Klager von Anfang an jahrelang ohne Erfolg bemuht\nhatte, eine positive Forderungsentscheidung des Beklagten zu erlangen, war der\nWeiterbetrieb des Waldorfkindergartens im Jahr 1998 eine dem Beklagten bereits\nbekannte „geplante Maßnahme", die durch den ausdrucklichen Antrag vom\n12.05.1998 nur einer rechtsbehelfsfahigen Entscheidung zugefuhrt werden\nsollte. Mehr konnte vom Klager in dieser Verfahrenssituation zulassigerweise\nauch nicht verlangt werden. Denn dem Beklagten ging es erklartermaßen nicht\ndarum, dass er die Forderungsvoraussetzungen prufen wollte, sondern er war\nunter keinen Umstanden bereit, die Forderungsleistungen zu erbringen. Dann\naber kann der Trager der offentlichen Jugendhilfe nicht erfolgreich geltend\nmachen, ihm sei keine Gelegenheit zur rechtzeitigen Prufung der\nAnspruchsvoraussetzungen gegeben gewesen. \n--- \n| 40 \n--- \n| 2\\. Der Klager erfullt auch die in § 74 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 SGB VIII\ngenannten besonderen Voraussetzungen; insbesondere besteht fur den vom Klager\nbetriebenen Kindergarten auch ein Bedarf. \n--- \n| 41 \n--- \n| a) Da der Klager nach § 75 SGB VIII anerkannt ist, erfullt er auch die\nVoraussetzungen des § 74 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII. Liegen die Voraussetzungen\ndes § 74 Abs. 1 SGB VIII somit insgesamt vor, _soll_ die Maßnahme des freien\nTragers gefordert werden. \n--- \n| 42 \n--- \n| Soll-Vorschriften bedeuten in der Regel eine strikte Bindung der Behorde und\nerlauben Abweichungen nur in atypischen Fallen, in denen besondere, von der\nBehorde nicht zu vertretende uberwiegende Grunde fur ein Abweichen von der\nNorm sprechen. Eine solche atypische Konstellation, die den Trager der\noffentlichen Jugendhilfe ausnahmsweise zur Ablehnung der Forderung berechtigen\nkann, besteht entgegen der Auffassung des Beklagte nicht. Der Beklagte hat\nzwar eine Atypik geltend gemacht und insoweit ausgefuhrt, der Beklagte sei der\neinzige Landkreis mit drei ortlichen Tragern der offentlichen Jugendhilfe;\nauch seien die Aufgaben zur Bereitstellung von Kindergartenplatzen durch\noffentlich-rechtliche Vertrage durchweg auf die kreisangehorigen Gemeinden\ndelegiert worden (vgl. z.B. die Schriftsatze vom 28.08.2002 und vom\n09.10.2006). Diesen geltend gemachten Zustand hat der Beklagte aber selbst aus\nfreien Stucken herbeigefuhrt, weshalb er schon deshalb keine atypische\nAbweichung geltend machen kann. Die Einwendungen des Beklagten betreffen auch\nnur die Frage der Zustandigkeit des Beklagten. Eine berucksichtigungsfahige\nAtypik musste sich demgegenuber auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des §\n74 Abs. 1 SGB VIII beziehen; insoweit tragt der Beklagte nichts vor. \n--- \n| 43 \n--- \n| b) Der Klager erfullt auch die Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 SGB VIII,\nweil er bereit ist, seine Einrichtung nach Maßgabe der Jugendhilfeplanung und\nunter Beachtung der in § 9 SGB VIII genannten Grundsatze anzubieten.\nAusweislich der Behordenakten hat der Klager von Anfang an den Kontakt zum\nBeklagten und zur Stadt S. gesucht und um Berucksichtigung bei der\nJugendhilfeplanung gebeten. Dies blieb ergebnislos; hinsichtlich des Beklagten\nauch deshalb, weil dieser keine eigene Kindergartenplanung betreibt. Von einer\ntatsachlich erfolgten Aufnahme in die Jugendhilfeplanung darf die Forderung\nnicht abhangig gemacht werden; die „Bereitschaft" genugt. Insoweit verweist\nder Senat vollinhaltlich auf die Erwagungen im Senatsurteil vom 18.12.2006 -12\nS 2474/06 -. \n--- \n| 44 \n--- \n| c) Entgegen der Ansicht des Beklagten scheitert der Anspruch des Klagers auf\nForderung dem Grunde nach auch nicht deshalb, weil es fur die vom Klager\nbetriebene Einrichtung keinen Bedarf gibt. Insoweit verweist der Senat\nvollinhaltlich auf die Erwagungen im Senatsurteil vom 18.12.2006 -12 S 2474/06\n-. Nach den dort entwickelten Maßstaben besteht fur das Angebot des Klagers\nunzweifelhaft ein Bedarf. Von daher bedarf auch keiner Vertiefung, ob der\nKlager Recht hat, wenn er vortragt, in S. habe im maßgeblichen Zeitraum ein\nUnterangebot an Kindergartenplatzen vorgelegen oder ob der Bedarf - so der\nBeklagte - in S. und den Nachbargemeinden im streitgegenstandlichen Zeitraum\nquantitativ gedeckt war. Maßgeblich ist nur die Bedarfsdeckung in\nquantitativer _und_ qualitativer Hinsicht; eine solche anderweitige\nBedarfsdeckung lag unstreitig nicht vor. \n--- \n| 45 \n--- \n| d) Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Beklagten, dass die hier\nvertretene Auslegung des § 74 SGB VIII gegen Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG\nverstoßen wurde. Im Hinblick auf die wenigen Forderungsfalle, die in den\nletzten Jahren und auch aktuell auf die ortlichen Trager der offentlichen\nJugendhilfe zugekommen sind und zukommen, erscheint eine solche Argumentation\nschon von den finanziellen Auswirkungen her als nicht uberzeugend. \n--- \n| 46 \n--- \n| 3\\. Der Anspruch des Klagers auf Forderung nach § 74 SGB VIII richtet sich\ngegen den Beklagten. Gemaß § 3 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII richten sich\nLeistungsverpflichtungen, die durch das SGB VIII begrundet werden, gegen die\nTrager der offentlichen Jugendhilfe. Soweit § 74 SGB VIII mithin\nLeistungsanspruche von freien Tragern der Jugendhilfe begrundet, konnen sich\ndiese nur gegen einen Trager der offentlichen Jugendhilfe richten (BVerwG,\nUrteil vom 25.04.2002 - 5 C 18.01 - BVerwGE 116, 227 <228>; Hessischer VGH,\nUrteil vom 06.09.2005 - 10 UE 3025/04 - NVwZ-RR 2006, 475; OVG Luneburg,\nBeschluss vom 16.06.1997 - 4 M 1219/97 - FEVS 48, 213). \n--- \n| 47 \n--- \n| a) Trager der offentlichen Jugendhilfe sind gemaß § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB\nVIII die ortlichen und die uberortlichen Trager, wobei das Landesrecht gemaß §\n69 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII bestimmt, wer uberortlicher Trager der Jugendhilfe\nist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII sind die Kreise und kreisfreien Stadte\nortliche Trager der offentlichen Jugendhilfe. Hierbei kann nach der\nRechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 25.11.2004 - 5 C 66.03 - DVBl 2005, 772)\ndahinstehen, ob diese Zustandigkeitsbestimmung durch Bundesrecht (im Hinblick\nauf das Urteil des BVerfG vom 18.07.1967 - BVerfGE 22, 180)\nverfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, weil auch § 1 Abs. 1 des Kinder- und\nJugendhilfegesetzes fur Baden-Wurttemberg (LKJHG) in der fur den umstrittenen\nBewilligungszeitraum maßgeblichen Fassung vom 19.04.1996 (GBl. S. 457),\ngeandert durch Art. 6 des Haushaltsstrukturgesetzes 1997 vom 16.12.1996 (GBl.\nS. 776) und Art. 6 der 5. AnpassungsVO vom 17.06.1997 (GBl. S. 278) die Land-\nund Stadtkreise - vorbehaltlich einer Aufgabenubertragung nach § 5 LKJHG - als\nortliche Trager der offentlichen Jugendhilfe bestimmt. \n--- \n| 48 \n--- \n| b) In sachlicher Hinsicht ist fur die vom Klager verlangte\nstreitgegenstandliche Forderung nach § 74 SGB VIII der ortliche Trager der\noffentlichen Jugendhilfe zustandig. Dies ergibt sich zunachst aus § 85 Abs. 1\nSatz 1 SGB VIII, der fur die Gewahrung von Leistungen und die Erfullung\nanderer Aufgaben grundsatzlich die sachliche Zustandigkeit des ortlichen\nTragers festlegt, soweit nicht ausdrucklich die Zustandigkeit des\nuberortlichen Tragers geregelt ist. Eine solche ausdruckliche Zustandigkeit\ndes uberortlichen Tragers folgt vorliegend nicht aus § 85 Abs. 2 Nr. 3 SGB\nVIII, weil nicht die Forderung einer Einrichtung begehrt wird, die den\nortlichen Bedarf - bezogen auf das Kreisgebiet - ubersteigt. Der Beklagte ist\nfur den streitgegenstandlichen Forderungsanspruch auch ortlich zustandig. Denn\nder Klager betreibt seinen Kindergarten in S., also im ortlichen\nZustandigkeitsbereich des Beklagten. \n--- \n| 49 \n--- \n| Soweit die im Kreis liegenden Stadte S. und K. zu ortlichen Tragern der\noffentlichen Jugendhilfe bestimmt worden sind (§ 5 LKJHG), ist dies vorliegend\nbelanglos, weil der Klager ausdrucklich nur Forderung fur Kinder aus dem\nsonstigen Kreisgebiet geltend macht. Es steht dem Beklagten frei, sich im\nweiteren Verwaltungsverfahren entsprechende Unterlagen vom Klager vorlegen zu\nlassen. \n--- \n| 50 \n--- \n| c) Die Zustandigkeit des Beklagten zur Forderung freier Trager nach § 74 SGB\nVIII ist nicht auf kreisangehorige Gemeinden ubergegangen; ebenso wenig wird\ndiese Zustandigkeit durch landesrechtliche Regelungen verdrangt. Der Beklagte\nkann sich auch nicht erfolgreich auf die vorrangige Einstandspflicht der\nkreisangehorigen Gemeinden berufen. Insoweit verweist der Senat zunachst auf\nsein Urteil vom 18.12.2006 - 12 S 2474/06 -. Dort hat der Senat auch\nausdrucklich entschieden, dass § 8 des Kindergartengesetzes in der fur den\ndortigen Fall maßgeblichen Fassung vom 09.04.2003 (GBl. S.164) die\nLeistungspflicht des dortigen Beklagten nicht beseitigt hat. Der\nbundesrechtliche Forderungsanspruch nach § 74 SGB VIII kann selbst fur den\nFall einer ausdrucklichen dahin gehenden gesetzlichen Regelung (Neufassung von\n§ 8 KGaG ab 01.01.2004) durch das Landesrecht nicht in Frage gestellt werden.\nDies gilt erst recht fur den vor dem 01.01.2004 bestehenden Zustand einer nur\nfaktischen Aufgabenerfullung durch die Kreisgemeinden aufgrund traditioneller\nAufgabenverteilung. Eine ausschließliche - die Zustandigkeit des Beklagten\nverdrangende - Forderungszustandigkeit der Gemeinden scheidet von daher\nzwingend aus. Aus der fur den maßgeblichen Zeitraum geltenden Fassung des KGaG\n(Bekanntmachung der Neufassung des Kindergartengesetzes fur Baden-Wurttemberg\nvom 15.02.1996 <GBl. S. 237>) folgt nichts anderes. Auch nach § 3 KGaG (1996)\nbestand die Verpflichtung der Gemeinden zur Bereitstellung einer ausreichenden\nAnzahl von Kindergartenplatzen „unbeschadet der Verpflichtung des ortlichen\nTragers der offentlichen Jugendhilfe". \n--- \n| 51 \n--- \n| aa) Zudem waren auch im hier maßgeblichen Zeitraum nicht die Gemeinden,\nsondern ausschließlich der Trager der offentlichen Jugendhilfe letzt- und\ngesamtverantwortlich fur die Erbringung der Leistungen nach dem SGB VIII, wie\nsich aus den Regelungen des § 79 SGB VIII, bei der Heranziehung von Gemeinden\nim Einzelfall zudem aus § 69 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII ergibt. Nach § 79 Abs. 1\nSGB VIII haben die Trager der offentlichen Jugendhilfe die Gesamtverantwortung\neinschließlich der Planungsverantwortung hinsichtlich samtlicher nach dem SGB\nVIII zu erfullenden Aufgaben. Diese Gesamtverantwortung umfasst auch die\nAufgaben der Forderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege\n(§§ 22 - 25 SGB VIII) sowie die finanzielle Forderung der insoweit tatigen\nfreien Trager. § 79 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII bestimmt, dass die Trager der\noffentlichen Jugendhilfe gewahrleisten sollen, dass die zur Erfullung der\nAufgaben nach dem SGB VIII erforderlichen und geeigneten Einrichtungen,\nDienste und Veranstaltungen den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung\nentsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfugung stehen. Diese\nGesamtverantwortung umfasst auch die Finanzverantwortung, weshalb hierfur\nfinanzielle Mittel in dem Umfang bereitgestellt sein mussen, dass die Aufgaben\nnach dem SGB VIII erfullt werden konnen (vgl. hierzu: Kunkel, § 79 SGB VIII -\nLeitnorm oder Norm light ?, NDV 2001, 412 <413>, m.w.N.). Die\nGesamtverantwortung des Tragers der offentlichen Jugendhilfe gilt sowohl\nhinsichtlich einer Aufgabenubertragung auf Gemeinden als auch bei einer\nAufgabenwahrnehmung durch freie Trager der Jugendhilfe und tragt dem Grundsatz\nRechnung, dass zwar Aufgaben delegiert werden konnen, nie aber gesetzlich\nzugewiesene Verantwortung. \n--- \n| 52 \n--- \n| bb) Es kann dahinstehen, ob die vom Beklagten mit den kreisangehorigen\nGemeinden geschlossenen offentlich-rechtlichen Vertrage uberhaupt den\nAnforderungen des § 6 LKJHG genugen, was der Klager mit beachtlichen Grunden\nbestreitet. Denn selbst wenn dies so ware und wenn die kreisangehorigen\nGemeinden auch zur Forderung der freien Trager im Bereich des\nKindergartenwesens (§ 74 SGB VIII) wirksam herangezogen worden waren, bliebe\nes bei der Letzt- und Gesamtverantwortung des Beklagten (§ 69 Abs. 5 Satz 2\nSGB VIII). Da der Klager unstreitig von der Stadt S. keine auskommliche\nForderung erhalt, konnte er den Beklagten hinsichtlich des verbleibenden\nFehlbetrags in Anspruch nehmen. Im Übrigen spricht nichts dafur, dass die\nzwischen dem Beklagten und den kreisangehorigen Gemeinden geschlossenen\nVertrage auch die Forderung der freien Trager und hier insbesondere auch die\nForderung der freien Trager von Kindergarten mit gemeindeubergreifendem\nAngebot erfassen sollten. \n--- \nII. \n--- \n| 53 \n--- \n| Steht dem Klager somit ein Anspruch auf Forderung seines Kindergartens dem\nGrunde nach zu, hat das Verwaltungsgericht den Beklagten zu Recht zur\nNeubescheidung des klagerischen Antrags hinsichtlich der Forderung fur das\nKalenderjahr 1998 verpflichtet. \n--- \n| 54 \n--- \n| 1\\. Über Art und Hohe der Forderung ist im Rahmen der verfugbaren\nHaushaltsmittel nach pflichtgemaßem Ermessen zu entscheiden (§ 74 Abs. 3 Satz\n1 SGB VIII). Das Gericht kann das der Behorde eingeraumte Ermessen nicht\nselbst ausuben. Die Sache ist hinsichtlich der Art und der Hohe der Forderung\ndeshalb nicht spruchreif. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist\nder Beklagte bei dieser Neubescheidung nicht durch die Forderungspraxis der\nGemeinden im Kreisgebiet gebunden. Auch besteht keine Ermessensbindung des\nBeklagten im Sinne einer Verpflichtung zur Gleichbehandlung, weil der Beklagte\nkeine Kindergarten im Kreisgebiet fordert, weshalb der Klager nicht auf eine\nentsprechende Verwaltungspraxis des Beklagten oder einschlagige\nVerwaltungsvorschriften rekurrieren und eine Gleichbehandlung verlangen kann\n(Senatsurteil vom 18.12.2006 - 12 S 2474/06 -). \n--- \n| 55 \n--- \n| 2\\. Der Beklagte muss eigene Erwagungen anstellen, um im Rahmen des § 74 SGB\nVIII zu einer tragfahigen ermessensfehlerfreien Entscheidung zu gelangen. Auch\ninsoweit verweist der Senat auf die Erwagungen, die im Senatsurteil vom\n18.12.2006 - 12 S 2474/06 - angestellt worden sind. Diese Erwagungen hat der\nBeklagte auch im vorliegenden Fall zu beachten. \n--- \n| 56 \n--- \n| 3\\. Der Argumentation des Beklagten, eine Gleichbehandlung des Klagers mit\nkirchlichen Kindergarten scheide aus, weil letztere alle Kinder ohne Ansehen\nder Konfession, Nationalitat oder der politischen Anschauung aufnehmen wurden,\nwahrend der Klager die Mitgliedschaft in seinem Forderverein verlange, kommt\nhierbei keine entscheidende Bedeutung zu. Zum einen hat der Klager uberzeugend\ngeltend gemacht, dass er ebenfalls alle Kinder ohne Ansehen der Konfession,\nNationalitat oder der politischen Anschauung aufnehme und dass es auch keine\nVoraussetzung fur eine Aufnahme in seinen Kindergarten sei, dass zumindest ein\nElternteil Mitglied des Fordervereins werde. Zum anderen ware eine solche\nBedingung der Mitgliedschaft im Forderverein wohl auch unschadlich, weil der\nKlager - insbesondere im Hinblick auf die fehlende Forderung durch den\nBeklagten - um die Existenz erhaltende Finanzierung seines Kindergartens\nbesorgt sein darf. \n--- \n| 57 \n--- \n| 4\\. Die Erwagungen, die der Beklagte hinsichtlich der Refinanzierung seiner\nAufwendungen durch Erhohung der Kreisumlage bzw. der Hohe der Kreisumlage und\nder Hohe der Jugendhilfekosten im Kreis vorgetragen hat, konnen den Anspruch\ndes Klagers weder dem Grunde nach noch der Hohe nach in Zweifel ziehen. Auch\nwenn sich der finanzielle Ausgleich unter den Stadten und Gemeinden im\nKreisgebiet schwierig gestalten sollte, kann dies den Beklagten nicht von der\ngesetzlich vorgesehenen Leistungsverpflichtung entbinden. \n--- \n| 58 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, 188 S. 2\nVwGO. \n--- \n| 59 \n--- \n| Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2\nVwGO nicht gegeben sind. \n---\n\n |
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132,651 | olgstut-2007-01-15-4-ss-62906 | 147 | Oberlandesgericht Stuttgart | olgstut | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 4 Ss 629/06 | 2007-01-15 | 2019-01-07 10:17:22 | 2019-02-12 12:15:56 | Beschluss | ## Tenor\n\n1\\. Der Betroffene wird von Amts wegen auf seine Kosten in den Stand vor\nVersaumung der Frist zur Einlegung des Antrags auf Entscheidung des\nRechtsbeschwerdegerichts (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 346 Abs. 2 StPO)\n\n**wiedereingesetzt.**\n\n_2._ Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird als\nunbegrundet\n\n**verworfen.**\n\n3\\. Der Beschwerdefuhrer tragt die Kosten seines Rechtsmittels.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| 1\\. Durch Beschluss vom 11. Oktober 2006 hat das Amtsgericht Tubingen den\nAntrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des\nAmtsgerichts Tubingen vom 08. August 2006 als unzulassig verworfen, weil er\nverspatet eingelegt worden ist. Dieser Beschluss ist dem Betroffenen am 24.\nOktober 2006 zugestellt worden. Mit Schreiben vom selben Tag hat er Antrag auf\nEntscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gestellt. Den Antrag hat er an das\nOberlandesgericht Stuttgart gerichtet. Dort ist sein Schreiben am 27. Oktober\n2006 eingegangen. Am 31. Oktober 2006 ist es vom Oberlandesgericht an das\nzustandige Amtsgericht Tubingen weitergeleitet worden, wo es am 03. November\n2006, mithin verspatet, eingegangen ist. Die Generalstaatsanwaltschaft\nbeantragt nunmehr, den Antrag wegen Verfristung als unzulassig zu verwerfen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Senat raumt dem Betroffenen von Amts wegen Wiedereinsetzung in den\nStand vor Versaumung der Frist zur Einlegung des Antrags ein, da die ihm\nerteilte Rechtsmittelbelehrung zumindest missverstandlich ist. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Belehrung lautet: „Der Beschwerdefuhrer kann binnen einer Woche nach\nZustellung dieses Beschlusses auf die Entscheidung des\nRechtsbeschwerdegerichts (OLG Stuttgart) antragen." \n--- \n| 4 \n--- \n| Aus Sicht des Senats ist diese Belehrung nur schwer zu verstehen. Eine\nPerson ohne Rechtskenntnisse kann aus dem antiquierten und (im vom Gericht\ngemeinten Sinn) in der Umgangssprache ungebrauchlichen Wort „antragen" zwar\nnoch schließen, dass die die Moglichkeit besteht, einen Antrag zu stellen. In\nwelcher Form dies zu geschehen hat und vor allem an wen er zu richten ist,\ngeht aus der Belehrung jedoch nicht hervor. Vielmehr drangt sich fur eine/n\nRechtsunkundige/n der Eindruck auf, zustandig sei dafur das Oberlandesgericht,\nda in der Belehrung ( **nur** ) dieses Gericht (und zwar gerade) unmittelbar\nvor dem Wort „antragen" genannt ist. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die vom Amtsgericht verwendete Formulierung der Belehrung ist aus dem\nGesetzestext ubernommen (§ 346 Abs. 2 StPO). Sie bedarf einer fur die\nBetroffenen verstandlichen Umformung. Dies folgt unmittelbar aus § 35 a Abs. 1\nStPO. Durch diese Vorschrift soll den Betroffenen ein moglichst effektiver\nRechtsschutz gewahrt werden; sie sollen namentlich vor nachteiligen Folgen\nihrer Rechtsunkenntnis geschutzt werden (Lowe-Rosenberg StPO, 25. Aufl., § 35\na Rn. 1). Die Belehrung muss deshalb klar, unmissverstandlich und vollstandig\nsein (BverfG StV 1994, 113; BGH 24, 15, 25). Erforderlich ist die Angabe des\nGerichts oder der Gerichte, bei denen das Rechtsmittel einzulegen ist (Meyer-\nGoßner StPO, 49. Aufl., § 35 a Rn. 10; Lowe-Rosenberg aaO, § 35 a Rn. 14 mit\nweiteren Nachweisen). \n--- \n| 6 \n--- \n| Diesen Anforderungen genugt die vorliegende Rechtsmittelbelehrung auf den\nersten Blick erkennbar nicht. Dass der Betroffene seinen Antrag an das\nOberlandesgericht geschickt hat, wo er auch innerhalb der Frist eingegangen\nist, kann ihm nicht vorgeworfen werden. \n--- \n| 7 \n--- \n| Aus gegebenem Anlass zitiert der Senat fur das Amtsgericht beispielhaft\nFormulierungen, die bei den beiden unmittelbar benachbarten Amtsgerichten\ngebrauchlich sind: \n--- \n| 8 \n--- \n| 1\\. „Gegen den Verwerfungsbeschluss kann das Rechtsmittel **des Antrages\nauf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts** gestellt werden. Der Antrag\nmuss binnen **1 Woche nach Zustellung** des Beschlusses beim Amtsgericht\neingegangen sein. Der Antrag muss **schriftlich** gestellt werden. Der Antrag\nbedarf keiner besonderen Form. Der Antrag ist beim Amtsgericht ** S... ** zum\nAktenzeichen/Geschaftsnummer einzureichen." \n--- \n| 9 \n--- \n| 2\\. „Der Betroffene kann die Entscheidung des Beschwerdegerichts daruber\nbeantragen, ob das Gericht das Rechtsmittel mit diesem Beschluss zu Recht\nverworfen hat. Der Antrag ist binnen 1 Woche nach Zustellung dieses\nBeschlusses beim Amtsgericht R... zur Niederschrift der Geschaftsstelle oder\nschriftlich zu stellen. Bei schriftlichen Erklarungen genugt es zur\nFristwahrung nicht, dass die Erklarung innerhalb der Frist zur Post gegeben\nwird. Die Frist ist vielmehr nur dann gewahrt, wenn die Erklarung vor dem\nAblauf der Frist bei dem Gericht eingeht." \n--- \n| 10 \n--- \n| 2\\. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des\nAmtsgerichts Tubingen vom 08. August 2006 wird als unbegrundet verworfen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Das gegen den Beschwerdefuhrer in seiner Abwesenheit ergangene Urteil des\nAmtsgerichts Tubingen ist ihm am 16. August 2006 zugestellt worden. Dagegen\nhat er mit einem auf 16.08.06 datierten Schreiben „Einspruch" eingelegt.\nDieses Schreiben ist erst am 24. August 2006 bei Gericht eingegangen. Da die\nFrist zur Einlegung seines Rechtsmittels am 23. August 2006 abgelaufen war,\nhat das Amtsgericht den als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde\nauszulegenden „Einspruch" zu Recht als unzulassig verworfen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Soweit der Beschwerdefuhrer in seinem Antrag auf Zulassung der\nRechtsbeschwerde vom 24. Oktober 2006 vorbringt, (bereits) „am 21.08.06 habe\nich laut Postbeleg Einspruch eingelegt", fehlt der entsprechende Nachweis. \n---\n\n |
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132,761 | vg-stuttgart-2008-01-21-a-11-k-55207 | 160 | Verwaltungsgericht Stuttgart | vg-stuttgart | Stuttgart | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | A 11 K 552/07 | 2008-01-21 | 2019-01-07 10:18:40 | 2019-01-17 11:52:40 | Urteil | ## Tenor\n\nDer Bescheid des Bundesamtes fur Migration und Fluchtlinge vom 07.05.2007 wird\naufgehoben.\n\nDie Beklagte wird verpflichtet, dem Klager die Fluchtlingseigenschaft\nzuzuerkennen.\n\nDie Beklagte tragt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager ist iranischer Staatsangehoriger. Er reiste am 25.04.2001 in das\nBundesgebiet ein. Am 03.05.2001 beantragte er die Gewahrung von Asyl. \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Bescheid des Bundesamts fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge\nvom 10.04.2003 wurde der Asylantrag abgelehnt und festgestellt, dass weder die\nVoraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch ein Abschiebungshindernis nach § 53\nAuslG vorliegen, sowie mit einer Ausreisefrist von einem Monat die Abschiebung\nangedroht. Die hierauf eingelegten Rechtsmittel blieben ohne Erfolg (vgl. VG\nStuttgart, Urt. v. 29.03.2004 - A 11 K 11168/03 - und VGH Bad.-Wurtt., Beschl.\nv. 09.02.2005 - A 3 S 653/04). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 27.06.2005 stellte der Klager einen Asylfolgeantrag.\nMit Bescheid vom 18.08.2005 lehnte das Bundesamt fur Migration und Fluchtlinge\nden Antrag auf Durchfuhrung eines weiteren Asylverfahrens und auf Abanderung\ndes Bescheids vom 10.04.2003 bezuglich der Feststellung zu § 53 AuslG ab. Auf\ndie daraufhin erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht Stuttgart\nmit Urteil vom 10.04.2006 - A 11 K 12785/05 - die Beklagte festzustellen, dass\nbeim Klager ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegt.\nEntsprechend dieser gerichtlichen Verpflichtung stellte das Bundesamt fur\nMigration und Fluchtlinge mit Bescheid vom 03.07.2006 fest, dass ein\nAbschiebungsverbot nach § 60 Abs.7 AufenthG hinsichtlich des Iran vorliegt. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 29.12.2006 stellte der Klager einen weiteren\nAsylfolgeantrag und brachte zur Begrundung vor, er sei bereits wahrend seines\nAufenthaltes im Iran zum Christentum ubergetreten. Eine Asylanerkennung im\nErstasylverfahren sei daran gescheitert, dass nach damaliger Rechtsprechung\nnur das religiose Existenzminimum geschutzt gewesen sei. Seit dem 10.10.2006\ngelte die Qualifikationsrichtlinie. Auf diese grundlegende Rechtsanderung\nstutze er seinen Asylfolgeantrag. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Bei der daraufhin durchgefuhrten Anhorung in Karlsruhe am 06.02.2007 trug\nder Klager vor, er gehore zur Immanuel-Gemeinde e.V. in L. Diese Gemeinde\ngehore der Pfingstbewegung an. Auch in anderen evangelischen Kirchen habe er\nsich engagiert. Im Jahr 1991/92 habe er sich einer aktiven christlichen\nGemeinde im Iran angeschlossen. Hierbei habe es sich ebenfalls um eine\nPfingstgemeinde gehandelt. Er stamme aus einer sehr fanatischen islamischen\nFamilie und sei gezwungen worden, jeden Tag in die Moschee zu gehen. Fruher\nsei er uberzeugter Moslem gewesen und habe unter Druck durch seine moslemische\nFamilie gestanden. Am 19.11.1999 sei er in der Kirche der Jamaat Rabani-\nGemeinde in Teheran getauft worden. Zu seiner Familie im Iran habe er keine\nKontakte mehr. Über seine in Kanada lebende Schwester habe er jedoch erfahren,\ndass sein Onkel alles unternehmen wurde, um die Ehre der Familie wieder\nherzustellen. Im Iran seien durch seine Missionierung 30 Personen zum\nChristentum ubergetreten. Bei einer Abschiebung in den Iran wurde er seine\nmissionarischen Aktivitaten genau so fortfuhren. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Bescheid vom 07.05.2007 lehnte das Bundesamt fur Migration und\nFluchtlinge den Antrag auf Durchfuhrung eines weiteren Asylverfahrens und auf\nAbanderung des Bescheids vom 10.04.2003 bezuglich der Feststellung zu § 53\nAbs. 1 bis 6 AuslG ab. Zur Begrundung wurde ausgefuhrt, die Voraussetzungen\ndes § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG seien nicht erfullt. Die in diesem Verfahren\neingeholte Auskunft des Auswartigen Amtes vom 12.04.2007 habe ergeben, dass\nder Klager in der Pfingstgemeinde Jamaat Rabani nicht im Taufregister gefuhrt\nwerde. Es sei deshalb davon auszugehen, dass der Klager formal kein Christ\nsei. Die in Deutschland ausgeubten Aktivitaten dienten somit lediglich dazu,\nVorteile im Asylverfahren zu erhalten. Ein uberzeugender Glaubenswechsel sei\nmangels Taufe nicht festzustellen. Auf die Qualifikationsrichtlinie zur\nreligiosen Betatigung konne sich der Klager deshalb nicht berufen. Im Übrigen\nsei aufgrund der Qualifikationsrichtlinie keine Änderung der Rechtslage\neingetreten. Zwar sei nunmehr die Religionsausubung nicht nur im privaten\nBereich geschutzt. Die offentliche Religionsausubung konne jedoch nur dann zu\nden unabdingbaren Elementen einer Religion gerechnet werden, wenn sie zu den\nfur die Menschenwurde unverzichtbaren Teilen des religiosen\nSelbstverstandnisses zu zahlen sei. Die Missionstatigkeit durch christliche\nGemeinden im Iran werde jedoch nicht in der Öffentlichkeit betrieben. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Am 21.05.2007 hat der Klager Klage erhoben. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| den Bescheid des Bundesamtes fur Migration und Fluchtlinge vom 07.05.2007\naufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Klager die\nFluchtlingseigenschaft zuzuerkennen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Sie verweist auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache\ngehorenden Behordenakten verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Klage ist zulassig. Dem Klager fehlt fur die vorliegende\nVerpflichtungsklage auf Zuerkennung der Fluchtlingseigenschaft nicht das\nRechtsschutzbedurfnis. Zwar hat das Bundesamt fur Migration und Fluchtlinge\nmit Bescheid vom 03.07.2006 festgestellt, dass beim Klager ein\nAbschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich des Iran vorliegt.\nNach der seit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes zum 01.01.2005 bestehenden\nGleichbehandlung der Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in §\n25 Abs. 3 und § 59 Abs. 3 AufenthG besteht kein Rangverhaltnis mehr zwischen\nden Abschiebungsverboten, so dass bei Vorliegen eines Abschiebungsverbots\n(hier nach § 60 Abs. 7 AufenthG) die Prufung eines weiteren\nAbschiebungsverbots nicht mehr erforderlich ist (vgl. VGH Kassel, Beschl. v.\n26.06.2007 - 8 ZU 1463/06.A -). Im vorliegenden Fall begehrt der Klager jedoch\nnicht die Feststellung eines weiteren Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3\noder 5 AufenthG. Die von ihm begehrte Zuerkennung der Fluchtlingseigenschaft\nnach § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG fuhrt auch zu einem\nAufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 2 AufenthG; der hierauf gerichteten Klage\nfehlt somit nicht das Rechtsschutzbedurfnis. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist auch begrundet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und\nverletzt den Klager in seinen Rechten. Er hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der\ngerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) Anspruch auf\nVerpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Fluchtlingseigenschaft. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Gemaß § 71 Abs. 1 AsylVfG ist nach Rucknahme oder unanfechtbarer Ablehnung\neines fruheren Asylantrags ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzufuhren,\nwenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Soweit sich\nder Asylbewerber auf eine nachtragliche Änderung der Sach- oder Rechtslage\ngemaß § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVG beruft, muss er substantiiert eine solche\nÄnderung im Verhaltnis zu der der fruheren Asylentscheidung zugrunde gelegten\nLage vortragen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.05.1993, InfAuslR 1993, 304).\nWeiterhin muss sich hieraus ein schlussiger Ansatz fur eine mogliche\npolitische Verfolgung ergeben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2000, DVBl 2000,\n1048). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Hiervon ausgehend durften die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG\ni.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG fur die Durchfuhrung eines weiteren\nAsylverfahrens nicht vorgelegen haben. Zwar hat der Klager innerhalb der Frist\ndes § 51 Abs. 3 VwVfG auf die Änderung der Rechtslage nach Ablauf der\nUmsetzungsfrist der Qualifikationsrichtlinie zum 10.10.2006 hingewiesen. Dem\nAsylfolgeantrag vom 29.12.2006 fehlt jedoch jegliche substantiierte Darlegung,\ndass die neue Rechtslage zu einer gunstigeren Entscheidung geeignet ist. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Gleichwohl hat das Bundesamt ausweislich des Inhalts des angefochtenen\nBescheids die Zuerkennung der Fluchtlingseigenschaft anhand der neuen\nRechtslage sachlich gepruft und nach dem Inhalt des Bescheids eine negative\nEntscheidung in der Sache selbst getroffen. Damit hat es trotz\nUnbeachtlichkeit des Asylfolgeantrags den Weg zu einer Sachprufung des\nKlagebegehrens auch im gerichtlichen Verfahren erneut frei gemacht (vgl.\nBVerwG, Urt. v. 15.12.1987, BVerwGE 78, 332 = NVwZ 1988, 737 = DVBl. 1988,\n637). Es liegen keine Anhaltspunkte dafur vor, dass sich das Bundesamt in der\nirrigen Annahme, die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG lagen vor, zu\neiner Sachentscheidung fur verpflichtet gehalten haben konnte, was eine\ngerichtliche Überprufung des Folgeantrags in der Sache hindern wurde (vgl.\nBVerwG, Urt. v. 13.12.1962, BVerwGE 15, 196 und Urt. v. 15.12.1987 a.a.O.).\nVielmehr ist davon auszugehen, dass das Bundesamt in Kenntnis der\nUnbeachtlichkeit des Folgeantrags eine erneute Anhorung des Klagers\ndurchgefuhrt und das Schutzbegehren des Klagers von Amts wegen sachlich neu\ngepruft hat. Hierzu war das Bundesamt befugt. Zwar hat der Asylbewerber\naufgrund der fehlenden Verweisung des § 71 Abs. 1 AsylVfG auf § 51 Abs. 5\nVwVfG keinen Anspruch darauf, dass in ermessensfehlerfreier Weise uber ein\nWiederaufgreifen des Verfahrens entschieden wird. Dies beruhrt jedoch nicht\ndie Befugnis des Bundesamtes, von Amts wegen einen unanfechtbar abgelehnten\nAsylantrag sachlich neu zu prufen (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.12.1987 a.a.O.;\na.A. BVerfG, Beschl. v. 23.06.1988, InfAuslR 1989, 65). Dies schließt die\nMoglichkeit ein, wiederum einen ablehnenden Bescheid in der Sache zu erlassen\nund damit zu Gunsten des Betroffenen erneut den Weg zu einer gerichtlichen\nSachprufung zu eroffnen. Liegt aber ein im Erstasylverfahren den Anspruch\nverneinendes rechtskraftiges verwaltungsgerichtliches Urteil vor, darf das\nBundesamt den Verwaltungsrechtsweg durch eine neue Sachentscheidung nur\ninsoweit neu eroffnen, soweit sich inzwischen die Sach- oder Rechtslage\nentscheidungserheblich geandert hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.06.1970, BVerwGE\n35, 234 m.w.N.). Auch die Gerichte sind durch die Rechtskraft der\nErstentscheidung an einer erneuten Überprufung des Asylanspruchs in dem Umfang\ngehindert, wie er bereits Gegenstand des Erstverfahrens war (vgl. BVerwG, Urt.\nv. 30.08.1988, NVwZ 1989, 161). Dementsprechend hat das Bundesamt auch zu\nRecht nur gepruft, ob dem Klager aufgrund der geltend gemachten neuen\nRechtslage die Fluchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Vor dem Hintergrund der geltend gemachten geanderten Rechtslage hat der\nKlager Anspruch auf Zuerkennung der Fluchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1\nAsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes\nzur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europaischen\nUnion vom 19.08.2007 geltenden Fassung darf in Anwendung des Abkommens vom 28.\nJuli 1951 uber die Rechtsstellung der Fluchtlinge ( Genfer\nFluchtlingskonvention) ein Auslander nicht in einen Staat abgeschoben werden,\nin dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion,\nStaatsangehorigkeit, seiner Zugehorigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe\noder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. § 60 Abs. 1 Satz 5\nAufenthG legt nunmehr fest, dass fur die Feststellung, ob eine Verfolgung nach\nSatz 1 vorliegt, die Artikel 4 Abs. 4 sowie die Artikel 7 bis 10 der\nRichtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 (RL) erganzend anzuwenden sind. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Das Vorliegen/Nichtvorliegen einer Verfolgungshandlung ist somit anhand der\nKriterien des Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 RL zu prufen. Ob ein Verfolgungsgrund\nzu bejahen ist, ist in einem eigenen Prufungsschritt zu ermitteln und\nbeurteilt sich nach den Vorgaben des Art. 10 RL. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Nach Art. 9 Abs. 1 RL gelten als Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 1 A\nder Genfer Fluchtlingskonvention solche Handlungen, die aufgrund ihrer Art\noder Wiederholung eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden\nMenschenrechte darstellen. Eine einmalige Verfolgungshandlung kann demnach\nausreichend sein, aber auch eine Wiederholung schwerwiegender Handlungen. Eine\nHaufung unterschiedlicher Maßnahmen, die jede fur sich genommen nicht den\nTatbestand der Verfolgung erfullt, kann dazu fuhren, dass ein Anspruch auf\nZuerkennung der Fluchtlingseigenschaft wegen kumulativer Grunde besteht (vgl.\nArt 9 Abs. 1 b RL). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Art. 10 RL definiert in Anknupfung an Art. 2 c RL die\nfluchtlingsschutzrelevanten Verfolgungsgrunde. Im vorliegenden Zusammenhang\nist Art. 10 Abs. 1 b RL maßgebend. Hiernach umfasst der Begriff der Religion\ninsbesondere theistische, nichttheistische und atheistische\nGlaubensuberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiosen Riten\nim privaten oder offentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit\nanderen, sonstige religiose Betatigungen oder Meinungsaußerungen und\nVerhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiose\nÜberzeugung stutzen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Dabei sind unter\nreligiosen Riten die in einer Religionsgemeinschaft ublichen oder geregelten\nPraktiken oder Rituale zu verstehen, die der religiosen Lebensfuhrung dienen,\ninsbesondere Gottesdienste, kulturelle Handlungen und religiose Feste (vgl.\nVGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 20.11.2007 - A 10 S 70/06 - Juris -; OVG Saarland,\nUrt. v. 26.06.2007 - 1 A 222/07 - juris - = Asylmagazin 9/2007, 21). Artikel\n10 Abs. 1 b RL umfasst somit nicht nur das offene, nicht nur an die Mitglieder\nder eigenen Religionsgemeinschaft gewandte Bekenntnis der personlichen\nreligiosen Überzeugung, sondern auch die Darstellung ihrer Verheißungen und\ndamit auch missionarische Betatigung (vgl. VGH Munchen, Urt. v. 23.10.2007 -\n14 B 06.30315 - juris -). Der Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 b RL richtet\nsich gegen staatliche Einschrankungen der Religionsfreiheit, so dass er nicht\ndanach bestimmt werden darf, was einzelne Staaten nach ihrer bisherigen Praxis\nan religiosen Freiheiten und damit an religiosem Selbstverstandnis religioser\nMinderheiten zugelassen haben (vgl. OVG Saarland, Urt. v. 26.06.2007 a.a.O.).\nDie religiose Betatigung Einzelner oder der Gemeinschaft darf allerdings\nverboten oder reglementiert werden, wenn diese in einer erheblich den\noffentlichen Frieden storenden Weise in die Lebenssphare anderer Burger\neingreift oder mit dem Grundbestand des ordre public nicht vereinbar ist (vgl.\nVGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 20.11.2007 a.a.O.; VGH Munchen, Urt. v. 23.10.2007\na.a.O.). Die Garantien des Art. 10 Abs. 1 b RL gelten fur Konvertiten, die\nihren Glauben aus religioser Überzeugung gewechselt haben, in gleichem Umfang\nwie fur Glaubige, die ihre durch Geburt erworbene Religion beibehalten.\nAufgrund des weitgehenden Schutzbereichs des Art. 10 Abs. 1 b RL kann den\nMitgliedern der jeweiligen Religionsgemeinschaft auch nicht angesonnen werden,\noffentliche Glaubensbetatigungen bzw. Praktiken, die nach dem Verstandnis der\njeweiligen Religion bzw. Weltanschauung, aber auch nach dem des einzelnen\nFluchtlings von grundlegender Bedeutung sind, zu unterlassen, um keine\nentsprechend vorgesehenen Sanktionen herauszufordern (vgl. VGH Bad.-Wurtt.,\nUrt. v. 20.11.2007 - A 10 S 70/06 - juris -). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Aus der Notwendigkeit der gerichtlichen Überzeugungsbildung uber eine\ngeltend gemachte religiose Verfolgungsgefahrdung ist jedenfalls im Falle einer\nKonversion eine Prufung der inneren, religios-personlichkeitspragenden\nBeweggrunde fur einen vorgenommenen Glaubenswechsel erforderlich. Nur wenn\nverlasslich festgestellt werden kann, dass die Konversion auf einer\nglaubhaften Zuwendung zum christlichen Glauben im Sinne einer ernsthaften\nGewissensentscheidung, auf einem ernst gemeinten religiosen Einstellungswandel\nmit einer identitatspragenden festen Überzeugung und nicht lediglich auf\nbloßen Opportunitatsgrunden beruht, kann davon ausgegangen werden, dass ein\nVerschweigen, Verleugnen oder die Aufgabe der neuen Glaubenszugehorigkeit zur\nVermeidung staatlicher oder nichtstaatlicher Repressionen im Heimatland den\nBetroffenen grundsatzlich und in aller Regel unter Verletzung seiner\nMenschenwurde existentiell und in seiner sittlichen Person treffen wurde und\nihm deshalb nicht zugemutet werden kann (vgl. VGH Kassel, Urt. v. 26.07.2007 -\n8 UE 3140/05.A - juris - m.w.N.; OVG Saarland, Urt. v . 26.06.2007 a.a.O.).\nNur bei einem in diesem Sinne ernsthaften Glaubenswechsel kann das Gericht zu\nder Überzeugung gelangen, dass der schutzsuchende Auslander bei einer Ruckkehr\nin sein islamisches Heimatland von seiner neuen Glaubensuberzeugung nicht\nablassen konnte (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 26.06.2007 - 8 UZ 1463/06.A).\nEine solche Prufung der Beweggrunde ist nur dann entbehrlich, wenn der in\nDeutschland formal vollzogene Übertritt vom islamischen zum christlichen\nGlauben allein fur sich im islamischen Heimatland des schutzsuchenden\nAuslanders mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit selbst dann zu erheblichen\nVerfolgungsmaßnahmen fuhren wurde, wenn er dort seine christliche\nGlaubenszugehorigkeit verheimlichen, verleugnen oder aufgeben wurde; dies\nwurde wiederum voraussetzen, dass die allein in Deutschland stattgefundenen\nGeschehnisse den staatlichen Stellen oder maßgeblichen Gruppen im Heimatland\ndes Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bekannt werden (vgl. VGH\nKassel, Urt. v. 26.07.2007 a.a.O.). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Nach diesen Grundsatzen fuhrt der bloß formal vollzogene Übertritt vom\nislamischen zum christlichen Glauben nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit\nzu erheblichen Verfolgungsmaßnahmen im Falle einer Ruckkehr in den Iran. Dies\nfolgt schon daraus, dass ein Übertritt eines Iraners zum christlichen Glauben\nvon iranischen Stellen als undenkbar angesehen und als im Zusammenhang mit der\nAufenthaltsproblematik stehend beurteilt wird. Die Konversion eines Moslems\nzum Christentum stellt nach den Maßstaben der islamischen Religion einen\nabsoluten Tabubruch dar, der jenseits des Vorstellbaren liegt. Es wird daher\ndavon ausgegangen, dass der Konvertierte es mit dem Übertritt nicht ernst\ngemeint habe und dieser allein der Forderung des Asylverfahrens dienen sollte\n(vgl. Deutsches Orient-Institut, Gutachten vom 22.11.2004 an VGH Munchen, vom\n06.12.2004 an OVG Bautzen und vom 09.05.2001 an VG Regensburg; Auswartiges\nAmt, Auskunft vom 12.04.2007 an BAMF)). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Es bedarf deshalb vorliegend einer Überprufung, ob die Konversion des\nKlagers aufgrund einer glaubhaften Zuwendung zum christlichen Glauben im Sinne\neines ernst gemeinten religiosen Einstellungswandels mit einer\nidentitatspragenden festen Überzeugung und nicht lediglich auf bloßen\nOpportunitatsgrunden beruht. Insoweit tragt der Klager die Darlegungs- und\nBeweislast fur diese in seinem personlichen Bereich abspielenden Vorgange; die\nPrufung dieser inneren Tatsachen kann nur aufgrund einer wertenden Betrachtung\nnach außen erkennbarer Umstande und der Überzeugungskraft dazu abgegebener\nErklarungen erfolgen, wie etwa zur Entwicklung des Kontaktes zu dem neuen\nGlauben, zur Glaubensbetatigung und zu Kenntnissen uber die neuen\nGlaubensinhalte (vgl. VGH Kassel, Urt. v. 26.07.2007 a.a.O.). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Hiernach bestehen an der Ernsthaftigkeit der Konversion des Klagers zum\nChristentum keine Zweifel. Der Klager hat bereits im Erstasylverfahren und in\nder mundlichen Verhandlung vom 29.03.2004 uberzeugend dargelegt, dass er im\nIran getauft wurde und Mitglied der Kirche Jamaat Rabani in Teheran geworden\nist. Die im Erstasylverfahren erhobene Klage hatte nur deshalb keinen Erfolg,\nda das Gericht dem vom Klager geschilderten Ausreiseanlass keinen Glauben\ngeschenkt und dem Klager zum damaligen Zeitpunkt wegen seines Übertritts zum\nchristlichen Glauben bei einer Ruckkehr in den Iran nicht mit beachtlicher\nWahrscheinlichkeit die Gefahr politischer Verfolgung gedroht hat. Das\nBundesamt halt dem Klager im angefochtenen Bescheid zu Unrecht entgegen, er\nsei formal kein Christ und er habe dem Bundesamt und dem Verwaltungsgericht\nhinsichtlich seiner Taufe die Unwahrheit gesagt. Die vom Bundesamt im\nvorliegenden Verfahren eingeholte Auskunft des Auswartigen Amtes vom\n12.04.2007 besagt lediglich, dass eine Nachfrage bei der Verwaltungszentrale\nder Jamaat Rabani Pfingstgemeinde in Teheran ergeben habe, dass eine Person\nmit dem Namen des Klagers dort nicht im Taufregister gefuhrt werde. Dies ist\naber auch nicht verwunderlich, da fur Konvertiten in der Regel weder\nTaufurkunden ausgestellt noch Eintrage im Taufregister verzeichnet werden (so\nAuswartiges Amt, Auskunft vom 04.06.2002 an BAFl). Es ist deshalb nicht\nnachvollziehbar und mehr als befremdlich, dass das Bundesamt allein aus dem\nUmstand, dass der Klager bei der Pfingstgemeinde in Teheran nicht im\nTaufregister gefuhrt wird, das gesamte Vorbringen des Klagers hinsichtlich\nseiner im Iran vollzogenen Konversion mit erfolgter Taufe als unglaubhaft\nbewertet. Der Klager hat in der mundlichen Verhandlung vom 21.01.2008 weiter\nnachvollziehbar geschildert, wie er den Weg zum christlichen Glauben gefunden\nhat. In der mundlichen Verhandlung ist auch deutlich geworden, dass der Klager\nein beachtliches Wissen uber die Inhalte der Bibel hat. Er hat schließlich\neindrucksvoll darlegen konnen, was aus seiner Sicht den Unterschied zwischen\ndem Islam und dem Christentum ausmacht. Auch der personliche Eindruck, den das\nGericht in der mundlichen Verhandlung vom Klager gewonnen hat, bestatigt das\nGericht in der Überzeugung, dass es dem Klager mit dem christlichen Glauben\nernst ist und er aus innerer Überzeugung sich vom islamischen Glauben gelost\nhat. Der Klager hat weiter nachdrucklich und eindrucksvoll geschildert, dass\nder biblische Missionsbefehl untrennbar mit seinem Glauben verbunden ist, er\ndie christliche Lehre deshalb weitergeben will und dies auch schon getan hat\nund hierauf in Zukunft nicht verzichten kann. Den verschiedensten in der Akte\nsich befindenden Stellungnahmen ist klar und eindeutig zu entnehmen, dass der\nKlager am Gemeindeleben seiner Kirchengemeinde in Leonberg aktiv teilnimmt.\nAufgrund der Angaben des Klagers bei seiner personlichen Anhorung in der\nmundlichen Verhandlung am 21.01.2008 ist das Gericht nach allem davon\nuberzeugt, dass dem bereits im Iran durchgefuhrten Glaubensubertritt eine\nernsthafte Gewissensentscheidung zugrunde liegt. Es ist deshalb davon\nauszugehen, dass der Klager durch eine Verheimlichung, Verleugnung oder\nAufgabe seiner christlichen Glaubenszugehorigkeit als religios gepragte\nPersonlichkeit in seiner Menschenwurde verletzt wurde. Dem Klager kommt\ndeshalb in vollem Umfang der Schutz des Art. 10 Abs. 1 b RL zugute. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Dem Klager drohen im Iran auch Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 9\nAbs. 1 und 2 RL, wenn er dort die durch Art. 10 Abs. 1 b RL geschutzten\nVerhaltensweisen praktiziert, also seinen christlichen Glauben nach außen\nerkennbar, insbesondere durch eine regelmaßige Teilnahme an offentlichen\nGottesdiensten, lebt. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln ergibt sich, dass\nkonvertierte Muslime keine offentlichen christlichen Gottesdienste besuchen\nkonnen, ohne sich der Gefahr auszusetzen, festgenommen und moglicherweise\nunter konstruierten Vorwurfen zu Haftstrafen verurteilt zu werden. Es kann\ndeshalb offen bleiben, ob durch die in jungster Zeit erfolgte Verscharfung der\nSituation im Iran nunmehr auch das religiose Existenzminimum nicht mehr\ngewahrt ist (vgl. VG Dusseldorf, Urt. v. 20.02.2007 - 22 K 3453/05.A - juris\n-). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| In religioser Hinsicht wird den anerkannten religiosen Minderheiten im Iran\ninnerhalb des gesetzlichen Rahmens das Recht zugestanden, ihre jeweiligen\nreligiosen Gebrauche zu pflegen und sich in personlichen und\nglaubensspezifischen Belangen gemaß ihrer religiosen Vorschriften zu\nverhalten. Die alteingesessenen christlichen Nationalkirchen Irans,\ninsbesondere die armenisch-orthodoxe Kirche, die assyrische Kirche und die\nchaldaischen Katholiken sind staatlicherseits anerkannte\nReligionsgemeinschaften; sie halten sich strikt an das im Iran bestehende\nabsolute Missionierungsverbot fur Christen. Diese Kirchen halten sich auch an\ndas Gebot, Muslimen den Zutritt zu ihren Gottesdiensten zu verwehren; sie\nkonnen im Iran deshalb weitestgehend unbehelligt ihren Glauben praktizieren\n(vgl. Auswartiges Amt, Lagebericht vom 06.07.2007; Deutsches Orient-Institut,\nGutachten vom 06.12.2004 an OVG Bautzen und vom 22.11.2004 an VGH Munchen).\nAnders stellt sich die Situation der freikirchlichen Gemeinden im Iran, zu\ndenen der Klager als Apostat allein Zugang haben wurde, dar. Nach der\nErmordung von funf Priestern in der Zeit zwischen 1990 und 1996 hatte sich die\nSituation dieser christlichen Gemeinden im Iran unter der Prasidentschaft\nKhatamis zunachst deutlich entspannt. Dies zeigt sich auch daran, dass bis zum\nJahr 2004 uber die Zeit von vier Jahren Apostaten am Betreten der Kirchen der\nfreikirchlichen Gemeinden anlasslich von Gottesdiensten nicht gehindert wurden\n(vgl. Auswartiges Amt, Auskunft vom 15.06.2005 an VG Koblenz; Deutsches\nOrient-Institut, Gutachten vom 06.12.2004 an OVG Bautzen). Aus den letzten\nJahren gibt es aber wieder vermehrt Berichte uber Verfolgung von Christen im\nIran. Im Mai 2004 wurde die Familie des Pastors Yusefi anlasslich eines\nprivaten Treffens mit 12 Glaubigen in seinem Haus festgenommen. Die\nInhaftierten wurden nach zehn Tagen mit anderen, bereits im April 2004\nfestgenommenen Angehorigen der Glaubensgemeinschaft „Assembly of God" wieder\nentlassen. Der christliche Hauskreis wurde aufgelost und Herr Yusefi musste\nseine Tatigkeit als Priester einstellen. Im Sommer 2004 wurde bei einem\nTreffen von Referenten und Priestern der „Assembly of God" in Karadj 86\nPersonen festgenommen und inhaftiert. 76 Personen wurden nach kurzer Befragung\nam gleichen Tag, neun weitere wurden am dritten Tag der Inhaftierung\nentlassen; der Priester Hamid Pourmand blieb inhaftiert. Seit diesem Ereignis\nwerden keine Taufen von Muslimen vorgenommen und ehemalige Muslime besuchen\nkeine Gottesdienste mehr (vgl. Auswartiges Amt, Auskunft vom 15.12.2004 an OVG\nBautzen und Lageberichte vom 20.08.2005, 24.03.2006, 21.09.2006 und\n04.07.2007; Sonderbericht des Bundesamtes fur Migration und Fluchtlinge uber\ndie Situation christlicher Religionsgemeinschaften im Iran vom Januar 2005). \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Nach Einschatzung der Schweizerischen Fluchtlingshilfe (vgl. Christen und\nChristinnen im Iran vom 18.10.2005) werden die Mitglieder evangelikaler\nGemeinden gezwungen, Mitgliedsausweise bei sich zu tragen. Zusammenkunfte\nseien nur sonntags erlaubt und teilweise wurden die Anwesenden von\nSicherheitskraften uberpruft. Die Kirchenfuhrer seien aufgefordert, vor jeder\nAufnahme von Glaubigen das Informationsministerium und die islamische Fuhrung\nzu benachrichtigen. Kirchenoffizielle mussten ferner Erklarungen\nunterschreiben, dass ihre Kirchen weder Muslime bekehrten noch diesen Zugang\nin die Gottesdienste gewahrten. Konvertiten wurden, sobald der Übertritt\nBehorden bekannt werde, zum Informationsministerium zitiert, wo sie scharf\nverwarnt wurden. Durch diese Maßnahmen solle muslimischen Iranern der Zugang\nzu den evangelikalen Gruppierungen versperrt werden. Sollten Konvertiten\nweiter in der Öffentlichkeit auffallen, beispielsweise durch Besuche von\nGottesdiensten, Missionsaktivitaten oder ahnlichem, konnten sie mit Hilfe\nkonstruierter Vorwurfe wie Spionage, Aktivitaten illegaler Gruppen oder\nanderen Grunden vor Gericht gestellt werden. Als Beispiel solcher staatlicher\nWillkur wird von der Schweizerischen Fluchtlingshilfe (a.a.O.) der Fall des\nbereits 1980 konvertierten Moslems Pourmand angefuhrt. Er wurde - wie bereits\ndargelegt - anlasslich der Zusammenkunft in Karadj im Sommer 2004 verhaftet\nund spater wegen Handlungen gegen die nationale Sicherheit und wegen\nVerschleierung der Religionszugehorigkeit angeklagt. Trotz entlastender\nBeweise wurde er zu drei Jahren Haft verurteilt. Gerichtsangestellte außerten\nim Februar 2005, dass Pourmand Angehoriger einer Untergrundkirche sei, durch\nwelche viele Muslime zum Christentum konvertiert seien. Der Sprecher der\niranischen Justiz gab demgegenuber im Mai 2005 an, Pourmand sei wegen\nMitgliedschaft in einer politischen Gruppierung wahrend seiner Armeezeit\nbestraft worden. Nach Angaben der Schweizerischen Fluchtlingshilfe (a.a.O.)\nwerden daruber hinaus in neuerer Zeit mehrfach protestantisch-freikirchliche\nTreffen aufgelost mit der Begrundung, es handele sich um politische illegale\nGruppierungen. Konvertiten seien wegen der Vermutung einer regimekritischen\nHaltung in erhohtem Maße gefahrdet. Schließlich seien fanatische muslimische\nFamilienangehorige ein Risikofaktor, da sie den Übertritt als Hochverrat,\nStaatsverrat bzw. Abfall von der eigenen Sippe und vom eigenen Stamm sahen und\nes daher haufig zu Anzeigen an die iranischen Sicherheitsbehorden komme, die\nschwere korperliche Misshandlungen und unter Umstanden langere Verhaftungen\nzur Folge haben konnten. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Seit der Wahl Ahmadinejads im Juni 2005 hat sich die Situation fur Christen\nweiter verschlechtert. Weitere Verfolgungen von Konvertiten sind bekannt\ngeworden: Am 22.11.2005 wurde Ghorban Tori, der vor uber zehn Jahren vom Islam\nzum Christentum ubergetreten war, von unbekannten Personen aus seinem Haus\nentfuhrt und getotet. Nach seinem Tod durchsuchten Sicherheitsbehorden sein\nHaus nach Bibeln und verbotener persischsprachiger christlicher Literatur. Am\n02.05.2006 wurde der Konvertit und Pastor einer Hauskirche, Ali Kaboli,\nfestgenommen; ihm wurde Strafverfolgung angedroht, wenn er das Land nicht\nverlassen sollte. Am 13.06.2006 wurde er gegen Kaution freigelassen. Im August\n2006 wurde der Konvertit Issa Motamadi festgenommen, nachdem er versucht hat,\nseinem Kind einen christlichen Namen zu geben. Offiziell wurde er wegen\nDrogenhandels angeklagt; am 24.08.2006 wurde er gegen Kaution freigelassen. Im\nSeptember 2006 wurde die Konvertitin Fereshteh Dibaj und ihr Ehemann, die\ngemeinsam eine unabhangige Hauskirche leiteten, in ihrer Wohnung festgenommen;\nam 05.10.2006 wurden sie gegen Kaution aus der Haft entlassen. Die Behorden\nhaben angedeutet, dass ihre Inhaftierung in Zusammenhang mit ihrem Glauben und\nchristlichen Aktivitaten stehe. Am 10.12.2006 wurden 10 Mitglieder der\nevangelikalen Hausgemeindebewegung „Jesus Only" festgenommen und ihre Hauser\ndurchsucht; ihnen wurden Missionierungsaktivitaten und Handlungen gegen die\nnationale Sicherheit des Iran vorgeworfen (vgl. zum Ganzen Svec, Eine\nAuswertung internationaler Quellen, Asylmagazin 4/2007, 10 ff.). Diese fur\nApostaten und Christen im Iran verscharfte Situation kommt auch darin zum\nAusdruck, dass der Iran in den Jahren 2006 und 2007 an dritter Stelle auf dem\nWeltverfolgungsindex des christlichen Hilfswerks „Open Doors" stand (vgl.\nAuswartiges Amt, Lagebericht vom 24.03.2006). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Nach dieser Auskunftslage steht fest, dass konvertierte Muslime bei einer\nRuckkehr in den Iran nicht an religiosen Riten teilnehmen, insbesondere\nchristliche Gottesdienste nicht besuchen konnen, ohne sich der Gefahr\nauszusetzen, festgenommen und moglicherweise unter konstruierten Vorwurfen zu\nHaftstrafen verurteilt zu werden (ebenso die Einschatzung fast samtlicher\nGerichte aus neuerer Zeit, vgl. VGH Munchen, Urt. v. 23.10.2007 - 14 B\n06.30315 - juris -; VG Dusseldorf, Urt. v. 15.08.2006, Asylmagazin 11/2006,\n26; Urt. v. 29.08.2006 - 2 K 3001/06.A - juris - und Urt. v. 24.04.2007 - 2 K\n4/07.A -; VG Meiningen, Urt. v. 10.01.2007 - 5 K 20256/03.Me - juris -; VG\nBayreuth, Urt. v. 27.04.2006 - B 3 K 06.30073 - juris -; VG Karlsruhe, Urt. v.\n19.10.2006, ZAR 2007, 201 und Urt. v. 04.10.2007 - A 6 K 1306/06; VG Neustadt,\nUrt. vom 14.05.2007, Asylmagazin 7-8/2007, 35; VG Hamburg, Urt. v. 31.05.2007,\nAsylmagazin 10/2007, 22 und Urt. v. 17.07.2007 - 10 A 918/05 - juris -). Durch\ndie drohenden staatlichen Maßnahmen, die sich gegen die nach Art. 10 Abs. 1 b\nRL geschutzte Glaubensbetatigung des Klagers richten wurden, wurde der Klager\nlandesweit jedenfalls in seiner Freiheit beeintrachtigt. Dem kann auch nicht\nentgegengehalten werden, dass es sich bei den angefuhrten Referenzfallen\nlediglich um Einzelfalle handelt. Zum einen spricht viel dafur, dass die\nvorliegenden Auskunfte und Berichte die Verfolgungssituation der\nprotestantischen Gemeinden im Iran nur unvollstandig wiedergeben, da die\nApostaten ihre Konversion geheim halten, nicht daruber sprechen und versuchen,\ndie Dinge nach außen nicht sichtbar werden zu lassen (vgl. Deutsches Orient-\nInstitut, Gutachten vom 06.12.2004 an OVG Bautzen; ai, Auskunft vom 21.07.2004\nan OVG Bautzen). \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Zudem ist zu berucksichtigen, dass eine Verfolgung bereits dann mit\nbeachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, wenn in Anbetracht aller Umstande bei\neinem vernunftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Asylsuchenden\nFurcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v.\n15.03.1988, BVerwGE 79, 143). Eine in diesem Sinne wohlbegrundete Furcht vor\neinem Ereignis kann auch dann vorliegen, wenn bei einer qualifizierenden\nBetrachtungsweise die fur eine Verfolgung sprechenden Umstande ein großeres\nGewicht besitzen und deshalb gegenuber den dagegen sprechenden Tatsachen\nuberwiegen; dies kann auch der Fall sein, wenn weniger als 50 %\nWahrscheinlichkeit fur die Verfolgung besteht (vgl. BVerwG, Urt. v.\n05.11.1991, BVerwGE 89, 162). Bei der Entscheidung, ob aus der Sicht eines\nbesonnenen und vernunftig denkenden Menschen in der Lage des Schutzsuchenden\nnach Abwagung aller bekannten Umstande eine Ruckkehr in den Heimatstaat als\nunzumutbar erscheint, sind nicht nur die Zahl der Referenzfalle\nstattgefundener Verfolgung, sondern auch das Vorhandensein eines feindseligen\nKlimas und die besondere Schwere des befurchteten Eingriffs in die Betrachtung\neinzubeziehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.11.1991 a.a.O.). \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Die vom Klager zu befurchtenden angesprochenen Verfolgungsmaßnahmen sind\ndanach als beachtlich wahrscheinlich anzusehen. Aufgrund der Willkur des\niranischen Regimes ist bei einer offenen Darstellung des Glaubensubertritts\nsowie im Falle einer nicht verheimlichten Religionsausubung jedenfalls in\neiner betrachtlichen Anzahl der Falle mit der Einleitung von\nVerfolgungsmaßnahmen zu rechnen. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass im\nIran Folter bei Verhoren, in der Untersuchungshaft und in regularer Haft\nvorkommt. Es gibt im Iran weiterhin willkurliche Festnahmen sowie lang\nandauernde Haft ohne Anklage oder Urteil (vgl. Auswartiges Amt, Lagebericht\nvom 21.09.2006 und vom 04.07.2007). Unter diesen Umstanden kann bei einem\nvernunftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Klagers trotz der\nmoglicherweise unter 50 % liegenden Wahrscheinlichkeit die Furcht vor\nVerfolgung hervorgerufen werden. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Der Zuerkennung der Fluchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. §\n60 Abs. 1 AufenthG steht auch nicht die Bestimmung des § 28 Abs. 2 AsylVfG\nentgegen. Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um die Geltendmachung\nsubjektiver Nachfluchttatbestande, da der Klager sich bereits im Iran vom\nIslam abgewandt hat. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Dem Klager steht nach allem ein Anspruch auf Zuerkennung der\nFluchtlingseigenschaft gemaß § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG im\nHinblick auf den Iran in Anknupfung an seine Religionszugehorigkeit zu. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Klage ist zulassig. Dem Klager fehlt fur die vorliegende\nVerpflichtungsklage auf Zuerkennung der Fluchtlingseigenschaft nicht das\nRechtsschutzbedurfnis. Zwar hat das Bundesamt fur Migration und Fluchtlinge\nmit Bescheid vom 03.07.2006 festgestellt, dass beim Klager ein\nAbschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich des Iran vorliegt.\nNach der seit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes zum 01.01.2005 bestehenden\nGleichbehandlung der Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in §\n25 Abs. 3 und § 59 Abs. 3 AufenthG besteht kein Rangverhaltnis mehr zwischen\nden Abschiebungsverboten, so dass bei Vorliegen eines Abschiebungsverbots\n(hier nach § 60 Abs. 7 AufenthG) die Prufung eines weiteren\nAbschiebungsverbots nicht mehr erforderlich ist (vgl. VGH Kassel, Beschl. v.\n26.06.2007 - 8 ZU 1463/06.A -). Im vorliegenden Fall begehrt der Klager jedoch\nnicht die Feststellung eines weiteren Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3\noder 5 AufenthG. Die von ihm begehrte Zuerkennung der Fluchtlingseigenschaft\nnach § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG fuhrt auch zu einem\nAufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 2 AufenthG; der hierauf gerichteten Klage\nfehlt somit nicht das Rechtsschutzbedurfnis. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist auch begrundet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und\nverletzt den Klager in seinen Rechten. Er hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der\ngerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) Anspruch auf\nVerpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Fluchtlingseigenschaft. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Gemaß § 71 Abs. 1 AsylVfG ist nach Rucknahme oder unanfechtbarer Ablehnung\neines fruheren Asylantrags ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzufuhren,\nwenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Soweit sich\nder Asylbewerber auf eine nachtragliche Änderung der Sach- oder Rechtslage\ngemaß § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVG beruft, muss er substantiiert eine solche\nÄnderung im Verhaltnis zu der der fruheren Asylentscheidung zugrunde gelegten\nLage vortragen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.05.1993, InfAuslR 1993, 304).\nWeiterhin muss sich hieraus ein schlussiger Ansatz fur eine mogliche\npolitische Verfolgung ergeben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2000, DVBl 2000,\n1048). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Hiervon ausgehend durften die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG\ni.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG fur die Durchfuhrung eines weiteren\nAsylverfahrens nicht vorgelegen haben. Zwar hat der Klager innerhalb der Frist\ndes § 51 Abs. 3 VwVfG auf die Änderung der Rechtslage nach Ablauf der\nUmsetzungsfrist der Qualifikationsrichtlinie zum 10.10.2006 hingewiesen. Dem\nAsylfolgeantrag vom 29.12.2006 fehlt jedoch jegliche substantiierte Darlegung,\ndass die neue Rechtslage zu einer gunstigeren Entscheidung geeignet ist. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Gleichwohl hat das Bundesamt ausweislich des Inhalts des angefochtenen\nBescheids die Zuerkennung der Fluchtlingseigenschaft anhand der neuen\nRechtslage sachlich gepruft und nach dem Inhalt des Bescheids eine negative\nEntscheidung in der Sache selbst getroffen. Damit hat es trotz\nUnbeachtlichkeit des Asylfolgeantrags den Weg zu einer Sachprufung des\nKlagebegehrens auch im gerichtlichen Verfahren erneut frei gemacht (vgl.\nBVerwG, Urt. v. 15.12.1987, BVerwGE 78, 332 = NVwZ 1988, 737 = DVBl. 1988,\n637). Es liegen keine Anhaltspunkte dafur vor, dass sich das Bundesamt in der\nirrigen Annahme, die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG lagen vor, zu\neiner Sachentscheidung fur verpflichtet gehalten haben konnte, was eine\ngerichtliche Überprufung des Folgeantrags in der Sache hindern wurde (vgl.\nBVerwG, Urt. v. 13.12.1962, BVerwGE 15, 196 und Urt. v. 15.12.1987 a.a.O.).\nVielmehr ist davon auszugehen, dass das Bundesamt in Kenntnis der\nUnbeachtlichkeit des Folgeantrags eine erneute Anhorung des Klagers\ndurchgefuhrt und das Schutzbegehren des Klagers von Amts wegen sachlich neu\ngepruft hat. Hierzu war das Bundesamt befugt. Zwar hat der Asylbewerber\naufgrund der fehlenden Verweisung des § 71 Abs. 1 AsylVfG auf § 51 Abs. 5\nVwVfG keinen Anspruch darauf, dass in ermessensfehlerfreier Weise uber ein\nWiederaufgreifen des Verfahrens entschieden wird. Dies beruhrt jedoch nicht\ndie Befugnis des Bundesamtes, von Amts wegen einen unanfechtbar abgelehnten\nAsylantrag sachlich neu zu prufen (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.12.1987 a.a.O.;\na.A. BVerfG, Beschl. v. 23.06.1988, InfAuslR 1989, 65). Dies schließt die\nMoglichkeit ein, wiederum einen ablehnenden Bescheid in der Sache zu erlassen\nund damit zu Gunsten des Betroffenen erneut den Weg zu einer gerichtlichen\nSachprufung zu eroffnen. Liegt aber ein im Erstasylverfahren den Anspruch\nverneinendes rechtskraftiges verwaltungsgerichtliches Urteil vor, darf das\nBundesamt den Verwaltungsrechtsweg durch eine neue Sachentscheidung nur\ninsoweit neu eroffnen, soweit sich inzwischen die Sach- oder Rechtslage\nentscheidungserheblich geandert hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.06.1970, BVerwGE\n35, 234 m.w.N.). Auch die Gerichte sind durch die Rechtskraft der\nErstentscheidung an einer erneuten Überprufung des Asylanspruchs in dem Umfang\ngehindert, wie er bereits Gegenstand des Erstverfahrens war (vgl. BVerwG, Urt.\nv. 30.08.1988, NVwZ 1989, 161). Dementsprechend hat das Bundesamt auch zu\nRecht nur gepruft, ob dem Klager aufgrund der geltend gemachten neuen\nRechtslage die Fluchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Vor dem Hintergrund der geltend gemachten geanderten Rechtslage hat der\nKlager Anspruch auf Zuerkennung der Fluchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1\nAsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes\nzur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europaischen\nUnion vom 19.08.2007 geltenden Fassung darf in Anwendung des Abkommens vom 28.\nJuli 1951 uber die Rechtsstellung der Fluchtlinge ( Genfer\nFluchtlingskonvention) ein Auslander nicht in einen Staat abgeschoben werden,\nin dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion,\nStaatsangehorigkeit, seiner Zugehorigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe\noder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. § 60 Abs. 1 Satz 5\nAufenthG legt nunmehr fest, dass fur die Feststellung, ob eine Verfolgung nach\nSatz 1 vorliegt, die Artikel 4 Abs. 4 sowie die Artikel 7 bis 10 der\nRichtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 (RL) erganzend anzuwenden sind. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Das Vorliegen/Nichtvorliegen einer Verfolgungshandlung ist somit anhand der\nKriterien des Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 RL zu prufen. Ob ein Verfolgungsgrund\nzu bejahen ist, ist in einem eigenen Prufungsschritt zu ermitteln und\nbeurteilt sich nach den Vorgaben des Art. 10 RL. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Nach Art. 9 Abs. 1 RL gelten als Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 1 A\nder Genfer Fluchtlingskonvention solche Handlungen, die aufgrund ihrer Art\noder Wiederholung eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden\nMenschenrechte darstellen. Eine einmalige Verfolgungshandlung kann demnach\nausreichend sein, aber auch eine Wiederholung schwerwiegender Handlungen. Eine\nHaufung unterschiedlicher Maßnahmen, die jede fur sich genommen nicht den\nTatbestand der Verfolgung erfullt, kann dazu fuhren, dass ein Anspruch auf\nZuerkennung der Fluchtlingseigenschaft wegen kumulativer Grunde besteht (vgl.\nArt 9 Abs. 1 b RL). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Art. 10 RL definiert in Anknupfung an Art. 2 c RL die\nfluchtlingsschutzrelevanten Verfolgungsgrunde. Im vorliegenden Zusammenhang\nist Art. 10 Abs. 1 b RL maßgebend. Hiernach umfasst der Begriff der Religion\ninsbesondere theistische, nichttheistische und atheistische\nGlaubensuberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiosen Riten\nim privaten oder offentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit\nanderen, sonstige religiose Betatigungen oder Meinungsaußerungen und\nVerhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiose\nÜberzeugung stutzen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Dabei sind unter\nreligiosen Riten die in einer Religionsgemeinschaft ublichen oder geregelten\nPraktiken oder Rituale zu verstehen, die der religiosen Lebensfuhrung dienen,\ninsbesondere Gottesdienste, kulturelle Handlungen und religiose Feste (vgl.\nVGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 20.11.2007 - A 10 S 70/06 - Juris -; OVG Saarland,\nUrt. v. 26.06.2007 - 1 A 222/07 - juris - = Asylmagazin 9/2007, 21). Artikel\n10 Abs. 1 b RL umfasst somit nicht nur das offene, nicht nur an die Mitglieder\nder eigenen Religionsgemeinschaft gewandte Bekenntnis der personlichen\nreligiosen Überzeugung, sondern auch die Darstellung ihrer Verheißungen und\ndamit auch missionarische Betatigung (vgl. VGH Munchen, Urt. v. 23.10.2007 -\n14 B 06.30315 - juris -). Der Schutzbereich des Art. 10 Abs. 1 b RL richtet\nsich gegen staatliche Einschrankungen der Religionsfreiheit, so dass er nicht\ndanach bestimmt werden darf, was einzelne Staaten nach ihrer bisherigen Praxis\nan religiosen Freiheiten und damit an religiosem Selbstverstandnis religioser\nMinderheiten zugelassen haben (vgl. OVG Saarland, Urt. v. 26.06.2007 a.a.O.).\nDie religiose Betatigung Einzelner oder der Gemeinschaft darf allerdings\nverboten oder reglementiert werden, wenn diese in einer erheblich den\noffentlichen Frieden storenden Weise in die Lebenssphare anderer Burger\neingreift oder mit dem Grundbestand des ordre public nicht vereinbar ist (vgl.\nVGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 20.11.2007 a.a.O.; VGH Munchen, Urt. v. 23.10.2007\na.a.O.). Die Garantien des Art. 10 Abs. 1 b RL gelten fur Konvertiten, die\nihren Glauben aus religioser Überzeugung gewechselt haben, in gleichem Umfang\nwie fur Glaubige, die ihre durch Geburt erworbene Religion beibehalten.\nAufgrund des weitgehenden Schutzbereichs des Art. 10 Abs. 1 b RL kann den\nMitgliedern der jeweiligen Religionsgemeinschaft auch nicht angesonnen werden,\noffentliche Glaubensbetatigungen bzw. Praktiken, die nach dem Verstandnis der\njeweiligen Religion bzw. Weltanschauung, aber auch nach dem des einzelnen\nFluchtlings von grundlegender Bedeutung sind, zu unterlassen, um keine\nentsprechend vorgesehenen Sanktionen herauszufordern (vgl. VGH Bad.-Wurtt.,\nUrt. v. 20.11.2007 - A 10 S 70/06 - juris -). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Aus der Notwendigkeit der gerichtlichen Überzeugungsbildung uber eine\ngeltend gemachte religiose Verfolgungsgefahrdung ist jedenfalls im Falle einer\nKonversion eine Prufung der inneren, religios-personlichkeitspragenden\nBeweggrunde fur einen vorgenommenen Glaubenswechsel erforderlich. Nur wenn\nverlasslich festgestellt werden kann, dass die Konversion auf einer\nglaubhaften Zuwendung zum christlichen Glauben im Sinne einer ernsthaften\nGewissensentscheidung, auf einem ernst gemeinten religiosen Einstellungswandel\nmit einer identitatspragenden festen Überzeugung und nicht lediglich auf\nbloßen Opportunitatsgrunden beruht, kann davon ausgegangen werden, dass ein\nVerschweigen, Verleugnen oder die Aufgabe der neuen Glaubenszugehorigkeit zur\nVermeidung staatlicher oder nichtstaatlicher Repressionen im Heimatland den\nBetroffenen grundsatzlich und in aller Regel unter Verletzung seiner\nMenschenwurde existentiell und in seiner sittlichen Person treffen wurde und\nihm deshalb nicht zugemutet werden kann (vgl. VGH Kassel, Urt. v. 26.07.2007 -\n8 UE 3140/05.A - juris - m.w.N.; OVG Saarland, Urt. v . 26.06.2007 a.a.O.).\nNur bei einem in diesem Sinne ernsthaften Glaubenswechsel kann das Gericht zu\nder Überzeugung gelangen, dass der schutzsuchende Auslander bei einer Ruckkehr\nin sein islamisches Heimatland von seiner neuen Glaubensuberzeugung nicht\nablassen konnte (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 26.06.2007 - 8 UZ 1463/06.A).\nEine solche Prufung der Beweggrunde ist nur dann entbehrlich, wenn der in\nDeutschland formal vollzogene Übertritt vom islamischen zum christlichen\nGlauben allein fur sich im islamischen Heimatland des schutzsuchenden\nAuslanders mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit selbst dann zu erheblichen\nVerfolgungsmaßnahmen fuhren wurde, wenn er dort seine christliche\nGlaubenszugehorigkeit verheimlichen, verleugnen oder aufgeben wurde; dies\nwurde wiederum voraussetzen, dass die allein in Deutschland stattgefundenen\nGeschehnisse den staatlichen Stellen oder maßgeblichen Gruppen im Heimatland\ndes Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bekannt werden (vgl. VGH\nKassel, Urt. v. 26.07.2007 a.a.O.). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Nach diesen Grundsatzen fuhrt der bloß formal vollzogene Übertritt vom\nislamischen zum christlichen Glauben nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit\nzu erheblichen Verfolgungsmaßnahmen im Falle einer Ruckkehr in den Iran. Dies\nfolgt schon daraus, dass ein Übertritt eines Iraners zum christlichen Glauben\nvon iranischen Stellen als undenkbar angesehen und als im Zusammenhang mit der\nAufenthaltsproblematik stehend beurteilt wird. Die Konversion eines Moslems\nzum Christentum stellt nach den Maßstaben der islamischen Religion einen\nabsoluten Tabubruch dar, der jenseits des Vorstellbaren liegt. Es wird daher\ndavon ausgegangen, dass der Konvertierte es mit dem Übertritt nicht ernst\ngemeint habe und dieser allein der Forderung des Asylverfahrens dienen sollte\n(vgl. Deutsches Orient-Institut, Gutachten vom 22.11.2004 an VGH Munchen, vom\n06.12.2004 an OVG Bautzen und vom 09.05.2001 an VG Regensburg; Auswartiges\nAmt, Auskunft vom 12.04.2007 an BAMF)). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Es bedarf deshalb vorliegend einer Überprufung, ob die Konversion des\nKlagers aufgrund einer glaubhaften Zuwendung zum christlichen Glauben im Sinne\neines ernst gemeinten religiosen Einstellungswandels mit einer\nidentitatspragenden festen Überzeugung und nicht lediglich auf bloßen\nOpportunitatsgrunden beruht. Insoweit tragt der Klager die Darlegungs- und\nBeweislast fur diese in seinem personlichen Bereich abspielenden Vorgange; die\nPrufung dieser inneren Tatsachen kann nur aufgrund einer wertenden Betrachtung\nnach außen erkennbarer Umstande und der Überzeugungskraft dazu abgegebener\nErklarungen erfolgen, wie etwa zur Entwicklung des Kontaktes zu dem neuen\nGlauben, zur Glaubensbetatigung und zu Kenntnissen uber die neuen\nGlaubensinhalte (vgl. VGH Kassel, Urt. v. 26.07.2007 a.a.O.). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Hiernach bestehen an der Ernsthaftigkeit der Konversion des Klagers zum\nChristentum keine Zweifel. Der Klager hat bereits im Erstasylverfahren und in\nder mundlichen Verhandlung vom 29.03.2004 uberzeugend dargelegt, dass er im\nIran getauft wurde und Mitglied der Kirche Jamaat Rabani in Teheran geworden\nist. Die im Erstasylverfahren erhobene Klage hatte nur deshalb keinen Erfolg,\nda das Gericht dem vom Klager geschilderten Ausreiseanlass keinen Glauben\ngeschenkt und dem Klager zum damaligen Zeitpunkt wegen seines Übertritts zum\nchristlichen Glauben bei einer Ruckkehr in den Iran nicht mit beachtlicher\nWahrscheinlichkeit die Gefahr politischer Verfolgung gedroht hat. Das\nBundesamt halt dem Klager im angefochtenen Bescheid zu Unrecht entgegen, er\nsei formal kein Christ und er habe dem Bundesamt und dem Verwaltungsgericht\nhinsichtlich seiner Taufe die Unwahrheit gesagt. Die vom Bundesamt im\nvorliegenden Verfahren eingeholte Auskunft des Auswartigen Amtes vom\n12.04.2007 besagt lediglich, dass eine Nachfrage bei der Verwaltungszentrale\nder Jamaat Rabani Pfingstgemeinde in Teheran ergeben habe, dass eine Person\nmit dem Namen des Klagers dort nicht im Taufregister gefuhrt werde. Dies ist\naber auch nicht verwunderlich, da fur Konvertiten in der Regel weder\nTaufurkunden ausgestellt noch Eintrage im Taufregister verzeichnet werden (so\nAuswartiges Amt, Auskunft vom 04.06.2002 an BAFl). Es ist deshalb nicht\nnachvollziehbar und mehr als befremdlich, dass das Bundesamt allein aus dem\nUmstand, dass der Klager bei der Pfingstgemeinde in Teheran nicht im\nTaufregister gefuhrt wird, das gesamte Vorbringen des Klagers hinsichtlich\nseiner im Iran vollzogenen Konversion mit erfolgter Taufe als unglaubhaft\nbewertet. Der Klager hat in der mundlichen Verhandlung vom 21.01.2008 weiter\nnachvollziehbar geschildert, wie er den Weg zum christlichen Glauben gefunden\nhat. In der mundlichen Verhandlung ist auch deutlich geworden, dass der Klager\nein beachtliches Wissen uber die Inhalte der Bibel hat. Er hat schließlich\neindrucksvoll darlegen konnen, was aus seiner Sicht den Unterschied zwischen\ndem Islam und dem Christentum ausmacht. Auch der personliche Eindruck, den das\nGericht in der mundlichen Verhandlung vom Klager gewonnen hat, bestatigt das\nGericht in der Überzeugung, dass es dem Klager mit dem christlichen Glauben\nernst ist und er aus innerer Überzeugung sich vom islamischen Glauben gelost\nhat. Der Klager hat weiter nachdrucklich und eindrucksvoll geschildert, dass\nder biblische Missionsbefehl untrennbar mit seinem Glauben verbunden ist, er\ndie christliche Lehre deshalb weitergeben will und dies auch schon getan hat\nund hierauf in Zukunft nicht verzichten kann. Den verschiedensten in der Akte\nsich befindenden Stellungnahmen ist klar und eindeutig zu entnehmen, dass der\nKlager am Gemeindeleben seiner Kirchengemeinde in Leonberg aktiv teilnimmt.\nAufgrund der Angaben des Klagers bei seiner personlichen Anhorung in der\nmundlichen Verhandlung am 21.01.2008 ist das Gericht nach allem davon\nuberzeugt, dass dem bereits im Iran durchgefuhrten Glaubensubertritt eine\nernsthafte Gewissensentscheidung zugrunde liegt. Es ist deshalb davon\nauszugehen, dass der Klager durch eine Verheimlichung, Verleugnung oder\nAufgabe seiner christlichen Glaubenszugehorigkeit als religios gepragte\nPersonlichkeit in seiner Menschenwurde verletzt wurde. Dem Klager kommt\ndeshalb in vollem Umfang der Schutz des Art. 10 Abs. 1 b RL zugute. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Dem Klager drohen im Iran auch Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 9\nAbs. 1 und 2 RL, wenn er dort die durch Art. 10 Abs. 1 b RL geschutzten\nVerhaltensweisen praktiziert, also seinen christlichen Glauben nach außen\nerkennbar, insbesondere durch eine regelmaßige Teilnahme an offentlichen\nGottesdiensten, lebt. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln ergibt sich, dass\nkonvertierte Muslime keine offentlichen christlichen Gottesdienste besuchen\nkonnen, ohne sich der Gefahr auszusetzen, festgenommen und moglicherweise\nunter konstruierten Vorwurfen zu Haftstrafen verurteilt zu werden. Es kann\ndeshalb offen bleiben, ob durch die in jungster Zeit erfolgte Verscharfung der\nSituation im Iran nunmehr auch das religiose Existenzminimum nicht mehr\ngewahrt ist (vgl. VG Dusseldorf, Urt. v. 20.02.2007 - 22 K 3453/05.A - juris\n-). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| In religioser Hinsicht wird den anerkannten religiosen Minderheiten im Iran\ninnerhalb des gesetzlichen Rahmens das Recht zugestanden, ihre jeweiligen\nreligiosen Gebrauche zu pflegen und sich in personlichen und\nglaubensspezifischen Belangen gemaß ihrer religiosen Vorschriften zu\nverhalten. Die alteingesessenen christlichen Nationalkirchen Irans,\ninsbesondere die armenisch-orthodoxe Kirche, die assyrische Kirche und die\nchaldaischen Katholiken sind staatlicherseits anerkannte\nReligionsgemeinschaften; sie halten sich strikt an das im Iran bestehende\nabsolute Missionierungsverbot fur Christen. Diese Kirchen halten sich auch an\ndas Gebot, Muslimen den Zutritt zu ihren Gottesdiensten zu verwehren; sie\nkonnen im Iran deshalb weitestgehend unbehelligt ihren Glauben praktizieren\n(vgl. Auswartiges Amt, Lagebericht vom 06.07.2007; Deutsches Orient-Institut,\nGutachten vom 06.12.2004 an OVG Bautzen und vom 22.11.2004 an VGH Munchen).\nAnders stellt sich die Situation der freikirchlichen Gemeinden im Iran, zu\ndenen der Klager als Apostat allein Zugang haben wurde, dar. Nach der\nErmordung von funf Priestern in der Zeit zwischen 1990 und 1996 hatte sich die\nSituation dieser christlichen Gemeinden im Iran unter der Prasidentschaft\nKhatamis zunachst deutlich entspannt. Dies zeigt sich auch daran, dass bis zum\nJahr 2004 uber die Zeit von vier Jahren Apostaten am Betreten der Kirchen der\nfreikirchlichen Gemeinden anlasslich von Gottesdiensten nicht gehindert wurden\n(vgl. Auswartiges Amt, Auskunft vom 15.06.2005 an VG Koblenz; Deutsches\nOrient-Institut, Gutachten vom 06.12.2004 an OVG Bautzen). Aus den letzten\nJahren gibt es aber wieder vermehrt Berichte uber Verfolgung von Christen im\nIran. Im Mai 2004 wurde die Familie des Pastors Yusefi anlasslich eines\nprivaten Treffens mit 12 Glaubigen in seinem Haus festgenommen. Die\nInhaftierten wurden nach zehn Tagen mit anderen, bereits im April 2004\nfestgenommenen Angehorigen der Glaubensgemeinschaft „Assembly of God" wieder\nentlassen. Der christliche Hauskreis wurde aufgelost und Herr Yusefi musste\nseine Tatigkeit als Priester einstellen. Im Sommer 2004 wurde bei einem\nTreffen von Referenten und Priestern der „Assembly of God" in Karadj 86\nPersonen festgenommen und inhaftiert. 76 Personen wurden nach kurzer Befragung\nam gleichen Tag, neun weitere wurden am dritten Tag der Inhaftierung\nentlassen; der Priester Hamid Pourmand blieb inhaftiert. Seit diesem Ereignis\nwerden keine Taufen von Muslimen vorgenommen und ehemalige Muslime besuchen\nkeine Gottesdienste mehr (vgl. Auswartiges Amt, Auskunft vom 15.12.2004 an OVG\nBautzen und Lageberichte vom 20.08.2005, 24.03.2006, 21.09.2006 und\n04.07.2007; Sonderbericht des Bundesamtes fur Migration und Fluchtlinge uber\ndie Situation christlicher Religionsgemeinschaften im Iran vom Januar 2005). \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Nach Einschatzung der Schweizerischen Fluchtlingshilfe (vgl. Christen und\nChristinnen im Iran vom 18.10.2005) werden die Mitglieder evangelikaler\nGemeinden gezwungen, Mitgliedsausweise bei sich zu tragen. Zusammenkunfte\nseien nur sonntags erlaubt und teilweise wurden die Anwesenden von\nSicherheitskraften uberpruft. Die Kirchenfuhrer seien aufgefordert, vor jeder\nAufnahme von Glaubigen das Informationsministerium und die islamische Fuhrung\nzu benachrichtigen. Kirchenoffizielle mussten ferner Erklarungen\nunterschreiben, dass ihre Kirchen weder Muslime bekehrten noch diesen Zugang\nin die Gottesdienste gewahrten. Konvertiten wurden, sobald der Übertritt\nBehorden bekannt werde, zum Informationsministerium zitiert, wo sie scharf\nverwarnt wurden. Durch diese Maßnahmen solle muslimischen Iranern der Zugang\nzu den evangelikalen Gruppierungen versperrt werden. Sollten Konvertiten\nweiter in der Öffentlichkeit auffallen, beispielsweise durch Besuche von\nGottesdiensten, Missionsaktivitaten oder ahnlichem, konnten sie mit Hilfe\nkonstruierter Vorwurfe wie Spionage, Aktivitaten illegaler Gruppen oder\nanderen Grunden vor Gericht gestellt werden. Als Beispiel solcher staatlicher\nWillkur wird von der Schweizerischen Fluchtlingshilfe (a.a.O.) der Fall des\nbereits 1980 konvertierten Moslems Pourmand angefuhrt. Er wurde - wie bereits\ndargelegt - anlasslich der Zusammenkunft in Karadj im Sommer 2004 verhaftet\nund spater wegen Handlungen gegen die nationale Sicherheit und wegen\nVerschleierung der Religionszugehorigkeit angeklagt. Trotz entlastender\nBeweise wurde er zu drei Jahren Haft verurteilt. Gerichtsangestellte außerten\nim Februar 2005, dass Pourmand Angehoriger einer Untergrundkirche sei, durch\nwelche viele Muslime zum Christentum konvertiert seien. Der Sprecher der\niranischen Justiz gab demgegenuber im Mai 2005 an, Pourmand sei wegen\nMitgliedschaft in einer politischen Gruppierung wahrend seiner Armeezeit\nbestraft worden. Nach Angaben der Schweizerischen Fluchtlingshilfe (a.a.O.)\nwerden daruber hinaus in neuerer Zeit mehrfach protestantisch-freikirchliche\nTreffen aufgelost mit der Begrundung, es handele sich um politische illegale\nGruppierungen. Konvertiten seien wegen der Vermutung einer regimekritischen\nHaltung in erhohtem Maße gefahrdet. Schließlich seien fanatische muslimische\nFamilienangehorige ein Risikofaktor, da sie den Übertritt als Hochverrat,\nStaatsverrat bzw. Abfall von der eigenen Sippe und vom eigenen Stamm sahen und\nes daher haufig zu Anzeigen an die iranischen Sicherheitsbehorden komme, die\nschwere korperliche Misshandlungen und unter Umstanden langere Verhaftungen\nzur Folge haben konnten. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Seit der Wahl Ahmadinejads im Juni 2005 hat sich die Situation fur Christen\nweiter verschlechtert. Weitere Verfolgungen von Konvertiten sind bekannt\ngeworden: Am 22.11.2005 wurde Ghorban Tori, der vor uber zehn Jahren vom Islam\nzum Christentum ubergetreten war, von unbekannten Personen aus seinem Haus\nentfuhrt und getotet. Nach seinem Tod durchsuchten Sicherheitsbehorden sein\nHaus nach Bibeln und verbotener persischsprachiger christlicher Literatur. Am\n02.05.2006 wurde der Konvertit und Pastor einer Hauskirche, Ali Kaboli,\nfestgenommen; ihm wurde Strafverfolgung angedroht, wenn er das Land nicht\nverlassen sollte. Am 13.06.2006 wurde er gegen Kaution freigelassen. Im August\n2006 wurde der Konvertit Issa Motamadi festgenommen, nachdem er versucht hat,\nseinem Kind einen christlichen Namen zu geben. Offiziell wurde er wegen\nDrogenhandels angeklagt; am 24.08.2006 wurde er gegen Kaution freigelassen. Im\nSeptember 2006 wurde die Konvertitin Fereshteh Dibaj und ihr Ehemann, die\ngemeinsam eine unabhangige Hauskirche leiteten, in ihrer Wohnung festgenommen;\nam 05.10.2006 wurden sie gegen Kaution aus der Haft entlassen. Die Behorden\nhaben angedeutet, dass ihre Inhaftierung in Zusammenhang mit ihrem Glauben und\nchristlichen Aktivitaten stehe. Am 10.12.2006 wurden 10 Mitglieder der\nevangelikalen Hausgemeindebewegung „Jesus Only" festgenommen und ihre Hauser\ndurchsucht; ihnen wurden Missionierungsaktivitaten und Handlungen gegen die\nnationale Sicherheit des Iran vorgeworfen (vgl. zum Ganzen Svec, Eine\nAuswertung internationaler Quellen, Asylmagazin 4/2007, 10 ff.). Diese fur\nApostaten und Christen im Iran verscharfte Situation kommt auch darin zum\nAusdruck, dass der Iran in den Jahren 2006 und 2007 an dritter Stelle auf dem\nWeltverfolgungsindex des christlichen Hilfswerks „Open Doors" stand (vgl.\nAuswartiges Amt, Lagebericht vom 24.03.2006). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Nach dieser Auskunftslage steht fest, dass konvertierte Muslime bei einer\nRuckkehr in den Iran nicht an religiosen Riten teilnehmen, insbesondere\nchristliche Gottesdienste nicht besuchen konnen, ohne sich der Gefahr\nauszusetzen, festgenommen und moglicherweise unter konstruierten Vorwurfen zu\nHaftstrafen verurteilt zu werden (ebenso die Einschatzung fast samtlicher\nGerichte aus neuerer Zeit, vgl. VGH Munchen, Urt. v. 23.10.2007 - 14 B\n06.30315 - juris -; VG Dusseldorf, Urt. v. 15.08.2006, Asylmagazin 11/2006,\n26; Urt. v. 29.08.2006 - 2 K 3001/06.A - juris - und Urt. v. 24.04.2007 - 2 K\n4/07.A -; VG Meiningen, Urt. v. 10.01.2007 - 5 K 20256/03.Me - juris -; VG\nBayreuth, Urt. v. 27.04.2006 - B 3 K 06.30073 - juris -; VG Karlsruhe, Urt. v.\n19.10.2006, ZAR 2007, 201 und Urt. v. 04.10.2007 - A 6 K 1306/06; VG Neustadt,\nUrt. vom 14.05.2007, Asylmagazin 7-8/2007, 35; VG Hamburg, Urt. v. 31.05.2007,\nAsylmagazin 10/2007, 22 und Urt. v. 17.07.2007 - 10 A 918/05 - juris -). Durch\ndie drohenden staatlichen Maßnahmen, die sich gegen die nach Art. 10 Abs. 1 b\nRL geschutzte Glaubensbetatigung des Klagers richten wurden, wurde der Klager\nlandesweit jedenfalls in seiner Freiheit beeintrachtigt. Dem kann auch nicht\nentgegengehalten werden, dass es sich bei den angefuhrten Referenzfallen\nlediglich um Einzelfalle handelt. Zum einen spricht viel dafur, dass die\nvorliegenden Auskunfte und Berichte die Verfolgungssituation der\nprotestantischen Gemeinden im Iran nur unvollstandig wiedergeben, da die\nApostaten ihre Konversion geheim halten, nicht daruber sprechen und versuchen,\ndie Dinge nach außen nicht sichtbar werden zu lassen (vgl. Deutsches Orient-\nInstitut, Gutachten vom 06.12.2004 an OVG Bautzen; ai, Auskunft vom 21.07.2004\nan OVG Bautzen). \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Zudem ist zu berucksichtigen, dass eine Verfolgung bereits dann mit\nbeachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, wenn in Anbetracht aller Umstande bei\neinem vernunftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Asylsuchenden\nFurcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v.\n15.03.1988, BVerwGE 79, 143). Eine in diesem Sinne wohlbegrundete Furcht vor\neinem Ereignis kann auch dann vorliegen, wenn bei einer qualifizierenden\nBetrachtungsweise die fur eine Verfolgung sprechenden Umstande ein großeres\nGewicht besitzen und deshalb gegenuber den dagegen sprechenden Tatsachen\nuberwiegen; dies kann auch der Fall sein, wenn weniger als 50 %\nWahrscheinlichkeit fur die Verfolgung besteht (vgl. BVerwG, Urt. v.\n05.11.1991, BVerwGE 89, 162). Bei der Entscheidung, ob aus der Sicht eines\nbesonnenen und vernunftig denkenden Menschen in der Lage des Schutzsuchenden\nnach Abwagung aller bekannten Umstande eine Ruckkehr in den Heimatstaat als\nunzumutbar erscheint, sind nicht nur die Zahl der Referenzfalle\nstattgefundener Verfolgung, sondern auch das Vorhandensein eines feindseligen\nKlimas und die besondere Schwere des befurchteten Eingriffs in die Betrachtung\neinzubeziehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.11.1991 a.a.O.). \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Die vom Klager zu befurchtenden angesprochenen Verfolgungsmaßnahmen sind\ndanach als beachtlich wahrscheinlich anzusehen. Aufgrund der Willkur des\niranischen Regimes ist bei einer offenen Darstellung des Glaubensubertritts\nsowie im Falle einer nicht verheimlichten Religionsausubung jedenfalls in\neiner betrachtlichen Anzahl der Falle mit der Einleitung von\nVerfolgungsmaßnahmen zu rechnen. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass im\nIran Folter bei Verhoren, in der Untersuchungshaft und in regularer Haft\nvorkommt. Es gibt im Iran weiterhin willkurliche Festnahmen sowie lang\nandauernde Haft ohne Anklage oder Urteil (vgl. Auswartiges Amt, Lagebericht\nvom 21.09.2006 und vom 04.07.2007). Unter diesen Umstanden kann bei einem\nvernunftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Klagers trotz der\nmoglicherweise unter 50 % liegenden Wahrscheinlichkeit die Furcht vor\nVerfolgung hervorgerufen werden. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Der Zuerkennung der Fluchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. §\n60 Abs. 1 AufenthG steht auch nicht die Bestimmung des § 28 Abs. 2 AsylVfG\nentgegen. Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um die Geltendmachung\nsubjektiver Nachfluchttatbestande, da der Klager sich bereits im Iran vom\nIslam abgewandt hat. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Dem Klager steht nach allem ein Anspruch auf Zuerkennung der\nFluchtlingseigenschaft gemaß § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG im\nHinblick auf den Iran in Anknupfung an seine Religionszugehorigkeit zu. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG. \n---\n\n |
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134,183 | olgkarl-2007-02-22-9-u-12206 | 146 | Oberlandesgericht Karlsruhe | olgkarl | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 9 U 122/06 | 2007-02-22 | 2019-01-07 10:38:32 | 2019-02-12 12:17:14 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung der Klagerin wird das Urteil des Landgerichts Konstanz\nvom 19.05.2006 abgeandert\n\nDer Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin EUR1.883,93 nebst Zinsen in Hohe\nvon 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz aus EUR 3.562,10 fur die Zeit vom\n01.07.2005 bis 30.11.2006 und aus EUR 1.883,93 seit dem 01.12.2006 zu zahlen.\nIm ubrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n2\\. Von den Kosten erster Instanz tragen die Klagerin 45 %, der Beklagte 55 %.\nVon den Kosten der Berufungsinstanz tragen der Beklagte 60 %, die Klagerin 40\n%.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Gegenstand des Rechtsstreits sind restliche Darlehensruckzahlungsanspruche\nder Klagerin aus abgetretenem Recht. Auf die tatsachlichen Feststellungen in\nder angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Forderung verjahrt sei.\nZwar habe der Beklagte auf die Einrede der Verjahrung bis zum 30.06.2005\nverzichtet. Die Klagerin habe den Mahnbescheid jedoch erst nach Fristablauf\nbeantragt. Zwar sei die Diskette mit dem Mahnantrag noch am 30.06.2005 spat\nabends beim Pfortner des Gebaudes, in dem sich die Mahnabteilung des\nAmtsgerichts Hunfeld befinde, abgegeben worden. Dies sei aber kein „Eingang"\nim Sinne von § 167 ZPO. Der Pfortner sei nicht zur Entgegennahme von\nGerichtspost befugt. Er ube vielmehr lediglich eine Hausmeister- und\nObjektschutztatigkeit fur das gesamte Gebaude aus, in dem sich neben der\nMahnabteilung des Amtsgerichts Hunfeld weitere Behorden des Landes Hessen\nbefanden; deshalb konne offen bleiben, ob es fur den fristgerechten Eingang\neines maschinell lesbaren Mahnantrages gemaß § 130 a Abs. 3 ZPO nicht ohnehin\nauf den (spateren) Zeitpunkt des Einlesens der Daten der Diskette ankomme. \n--- \n| 3 \n--- \n| Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte Berufung der Klagerin. Zur\nBegrundung tragt sie vor, dass der Pfortner zwar kein Bediensteter des\nAmtsgerichts Hunfeld sei. Dies schließe jedoch die Entgegennahme der Sendung\nim Namen der Justizbehorden nicht aus. Dem Schreiben des Amtsgerichts Hunfeld\nvom 13.03.2006 sei die Ermachtigung der Mitarbeiter der Pforte zur\nEntgegennahme gerichtlicher Post zu entnehmen. Mangels vorhandenen\nBriefkastens sei eine Postanlieferung unter Umgehung des Pfortners nicht\nmoglich. Wurde die Entgegennahme durch den Pfortner nicht als Eingang im Sinne\nvon § 167 ZPO gewertet, ware die Klagerin in ihrem in der Verfassung\nverburgten Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt. Die Klagerin konne auch\nnicht auf den Nachtbriefkasten des Amtsgerichts Hunfeld verwiesen werden. Denn\ndas Amtsgericht habe als zwingende Lieferanschrift fur die Einreichung eines\nMahnantrages in maschinell lesbaren Form die Außenstelle des Amtsgerichts\nangegeben. Hierauf habe sich die Klagerin verlassen konnen. Auf Hinweis hat\ndie Klagerin erganzend zur Hohe der geltend gemachten Forderung vorgetragen.\nDurch Zwangsversteigerung sei ein Erlos in Hohe von EUR 514.776,39 erzielt\nworden. Unter Berucksichtigung der Quote des Beklagte ergebe sich ein\nzugunsten des Beklagten zu berucksichtigender Betrag in Hohe von EUR 1.678,17.\nInsoweit haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache fur erledigt\nerklart. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Klagerin stellt nunmehr folgenden Antrag: \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin EUR 4.217,24 nebst Zinsen von\n5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz aus EUR5.457,31 vom 01.07.2005 bis\n30.11.2006 und aus EUR 4.217,24 seit dem 01.12.2006 zu zahlen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 7 \n--- \n| die Berufung der Klagerin zuruckzuweisen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die Klagerin habe\nweitere Erlose aus der Zwangsverwaltung bei der Klagforderung nicht\nberucksichtigt. Ausweislich des Teilungsplanes seien an die Klagerin mit Stand\n27.10.2006 EUR 357.129,67 sowie weitere EUR 22.250,- ausgekehrt worden. Diese\nZahlungen seien nicht berucksichtigt. Außerdem musse sich die Klagerin in\nentsprechender Anwendung von § 114 a ZVG entgegenhalten lassen, dass die\nGrundstucke von einer Gesellschaft erworben worden seien, die der Klagerin\nnahe stehe (Tochtergesellschaft). Beide Gesellschaften seien im zeitlichen\nZusammenhang gegrundet, hatten dieselbe Firmenadresse und denselben\nGeschaftsfuhrer. Die Ersteherin habe im Einverstandnis mit der Klagerin\ngehandelt und sei ihr Strohmann. Hierfur spreche auch der Umstand, dass die\nKlagerin darauf verzichtet habe, dass die Ersteigerin den auf die Klagerin\nentfallenen Anteil des bar zu entrichtenden Versteigerungserloses in Hohe von\nEUR 514.776,39 bezahle. Die Klagerin habe insoweit auf die Forderung aus dem\nZuschlagsbeschluss durch Befriedigungserklarung verzichtet. \n--- \n| 9 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die\nSchriftsatze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. \n--- \nII. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Berufung der Klagerin hat teilweise Erfolg, weil ihre Forderung nicht\nverjahrt ist. Allerdings muss sich die Klagerin weitere Teilzahlungen auf die\nDarlehensschuld anrechnen lassen. \n--- \n| 11 \n--- \n| 1\\. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die klagerische Forderung\nverjahrt sei. Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Ein Schriftstuck ist\nbereits dann wirksam eingegangen, wenn es in die Verfugungsgewalt des Gerichts\ngelangt ist. Eines bestimmten Rechtsaktes seitens des Gerichts, etwa der\nexpliziten Erklarung, das Schriftstuck entgegennehmen zu wollen, bedarf es\nnicht (vgl. BVerfG NJW 1981, 1951). Der Zugang zu den Gerichten und den in den\nVerfahrensordnungen eingeraumten Instanzen darf aus Grunden rechtsstaatlicher\nVerfahrensgestaltung nicht in unzumutbarer Weise erschwert werden. Der Burger\nist berechtigt, die ihm vom Gesetz eingeraumten prozessualen Fristen bis zu\nihrer Grenze auszunutzen (BVerfG NJW 2005, 3346). \n--- \n| 12 \n--- \n| Vorliegend ergibt sich aus der Auskunft des Direktors des Amtsgerichts\nHunfeld vom 13.03.2006 (Anlage TW 25), dass die Lieferanschrift fur alle\nDatentrager und Begleitprotokolle im automatisierten Mahnverfahren lautet:\n„Amtsgericht Hunfeld - Außenstelle - Mackenzellerstr. 3, 36088 Hunfeld". An\ndiese Adresse gerichtet musste und durfte die Klagerin Mahnbescheidsantrage im\nautomatisierten Mahnverfahren bis zum Ablauf der Frist am 30.06.2005\neinreichen. Durch die Auskunft des Direktors des Amtsgerichts Hunfeld vom\n02.06.2006 steht fest, dass das Amtsgericht nicht uber einen Briefkasten am\nGebaude der Außenstelle verfugt, erst recht nicht uber einen Nachtbriefkasten.\nVielmehr wird Post, die außerhalb der gewohnlichen Geschaftszeiten eingeht,\nvon den Mitarbeitern der rund um die Uhr besetzten Pforte, die nicht dem\nJustizdienst angehoren, entgegengenommen. Eine anderweitige Entgegennahme ist\ndurch die den Justizbehorden bekannte und von ihnen ersichtlich hingenommene\nDienstanweisung der Hessischen Zentrale fur Datenverarbeitung ausgeschlossen.\nUnter diesen Umstanden ist die Einreichung des Mahnantrags als rechtzeitig\neingegangen zu behandeln. Andernfalls wurden dem rechtsuchenden Verkehr die\nZugangsmoglichkeiten zum Gericht in verfassungswidriger Weise bereits vor\nFristablauf abgeschnitten. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Regelung des § 130 a Abs. 3 ZPO ist auf die von der Klagerin gewahlte\nArt der Einreichung des Antrags in nur maschinell lesbarer Form nach § 690\nAbs. 3 ZPO, welcher auf einer Diskette gespeichert wurde und in dieser Form\ndem Gericht zugegangen ist, weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. §\n130 a Abs. 3 ZPO dient der im Interesse der Rechtssicherheit genauen\nBestimmung des Zeitpunktes, wann ein elektronischer Schriftsatz bei\nelektronischer Übermittlung bei Gericht eingereicht ist. Maßgebend ist danach\nder Zeitpunkt, in dem die fur den Empfang bestimmte Einrichtung des Gerichts\nden Schriftsatz gespeichert hat (vgl. BT-Drucksache 14/4987 Seite 24), nicht\nder Zeitpunkt des Ausdrucks. Der Zugangszeitpunkt ist in § 130 a Abs. 3 ZPO im\nInteresse des Verkehrs der Parteien mit den Gerichten auf dem Wege\nelektronischer Dokumente auf einen sehr fruhen Zeitpunkt bestimmt. Die vom\nLandgericht ins Auge gefasste analoge Anwendung der Vorschrift wurde fur den\nvorliegenden Fall das Gegenteil bewirken, obwohl bereits nach den Erwagungen\ndes historischen Gesetzgebers auf elektronische Willenserklarungen, die auf\neinem Datentrager gespeichert und auf dem herkommlichen Wege versandt worden\nsind, nicht § 130 a Abs. 3 ZPO, sondern die allgemeinen Regelungen des Zugangs\nvon Willenserklarungen (hier § 130 BGB) anwendbar sein sollten (vgl. BT-\nDrucksache 14/4987 Seite 11). \n--- \n| 14 \n--- \n| 2\\. Die Hemmung der Verjahrung scheitert vorliegend nicht daran, dass\nausweislich des Aktenausdrucks der Mahnbescheidsantrag wegen Fehlens der\nAngaben zum gesetzlichen Vertreter der Antragstellerin beanstandet werden\nmusste. Der Mahnbescheid ist namlich den Beklagten zugestellt noch innerhalb\nder entsprechend anwendbaren (vgl. Zoller/Vollkommer ZPO 26.A. § 691 Rdnr. 4)\nMonatsfrist des § 691 Abs. 2 ZPO am 28.07.2005 worden. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Hemmung der Verjahrung nur gegenuber dem Gesellschafter reicht aus (vgl.\nBGHZ 104, 76). \n--- \n| 16 \n--- \n| 3\\. Der Beklagte ist durch den zwischen der Rechtsvorgangerin der Klagerin\nund dem M. Immobilienfonds GbR (im Folgenden MBT Immobilienfonds) am\n20./27.12.1991 abgeschlossenen Vertrag wirksam zur Ruckfuhrung der noch\noffenen quotalen Restdarlehensschuld verpflichtet worden. Auf Seiten der\nDarlehensnehmer haben fur den MBT Immobilienfonds die M.B. GmbH (im Folgenden\nMBT GmbH) und die F.G.mbH (im Folgenden FGB GmbH) gehandelt, jeweils vertreten\ndurch deren alleinvertretungsberechtigten Geschaftsfuhrer P.K. Der Firma der\nMBT GmbH ist folgender Zusatz beigefugt: "Geschaftsbesorger - aufgrund\nVollmacht fur die einzelnen Fondszeichner handelnd". Nach § 10 Nr. 1 des\nGesellschaftsvertrages des MBT Immobilienfonds wird die Gesellschaft von der\nFGB GmbH vertreten. Aufgaben aus dem Geschaftsbesorgungsvertrag gehoren nicht\nzu dem Tatigkeitsbereich des Geschaftsfuhrers. Damit war zwar der\nTatigkeitsbereich der FGB GmbH beschrankt, nicht aber deren Vertretungsmacht.\nDeshalb kann vorliegend offen bleiben, ob eine solche Beschrankung der\nVertretungsmacht des Geschaftsfuhrers uberhaupt wirksam vereinbart werden\nkonnte. Hiermit in Übereinstimmung richtet sich das Darlehensangebot der\nRechtsvorgangerin der Klagerin, welches der MBT Immobilienfonds am 27.12.1991\nangenommen hat, an den Fonds, vertreten durch die FGB GmbH. Dass die MBT GmbH\nzusatzlich aufgrund des "Geschaftsbesorgungsvertrages handelnd" unterzeichnet\nhat, andert nichts daran, dass die Gesellschaft und damit auch der Beklagte\nals Gesellschafter von der FGB GmbH wirksam kraft deren\ngesellschaftsrechtlicher Vertretungsbefugnis vertreten worden ist. Eine\nEinschrankung dahingehend, dass die FGB GmbH uberhaupt nicht fur die\nGesellschaft und die Gesellschafter handeln wollte, sondern nur fur sich\nselbst, lasst sich der Vertragsurkunde nicht entnehmen. Gegen eine derartig\neinschrankende Auslegung spricht insbesondere, dass die MBT GmbH als\nGeschaftsbesorger aufgrund Vollmacht fur die einzelnen Fondszeichner gehandelt\nhat und nicht etwa auch im eigenen Namen. Sie wurde vielmehr bei der\nDarlehensunterzeichnung durch die FGB GmbH als Geschaftsfuhrerin vertreten. \n--- \n| 17 \n--- \n| 4\\. Der Darlehensvertrag fallt entgegen der Auffassung des Beklagten nicht\nin den Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes. \n--- \n| 18 \n--- \n| Nach § 1 Abs. 1 VerbrKrG in der maßgeblichen Fassung vom 17.12.1990 gilt das\nGesetz fur Kreditvertrage zwischen einer Person, die in Ausubung ihrer\ngewerblichen oder beruflichen Tatigkeit einen Kredit gewahrt (Kreditgeber),\nund einer naturlichen Person, es sei denn, dass der Kredit nach dem Inhalt des\nVertrages fur ihre bereits ausgeubte gewerbliche oder selbststandige\nberufliche Tatigkeit bestimmt ist (Verbraucher). Anerkannt ist, dass unter\neiner naturlichen Person im Sinne der genannten Vorschrift auch eine\ngesellschaftsrechtlich verbundene Gruppe von naturlichen Personen zu verstehen\nist (BGHZ 149, 80). Dies muss auch fur den vorliegenden Fall gelten, dass der\nBGB-Gesellschaft neben einer Vielzahl naturlicher Personen auch zwei\njuristische Personen angehoren, deren Geschaftsanteil jedoch minimal ist. Der\nBundesgerichtshof wendet selbst im Falle des Schuldbeitritts eines\nVerbrauchers zu einem von einer juristischen Person aufgenommenen Kredit die\nRegelungen des Verbraucherkreditgesetzes an (vgl. zuletzt BGHZ 165, 43). Dies\nmuss erst recht fur den vorliegenden Zusammenhang gelten. \n--- \n| 19 \n--- \n| Allerdings findet das Gesetz nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerbrKrG keine Anwendung\nauf Kreditvertrage, wenn der Kredit fur die Aufnahme einer gewerblichen oder\nselbststandigen beruflichen Tatigkeit bestimmt ist und der Nettokreditbetrag\nDM 100.000,- ubersteigt. Ob der Kredit fur die Aufnahme einer gewerblichen\noder selbststandigen beruflichen Tatigkeit bestimmt ist, ergibt sich zunachst\naus den vertraglichen Vereinbarungen. Im Falle einer Gesellschaft burgerlichen\nRechts kann der Zweck der Kreditaufnahme auch aus den\ngesellschaftsvertraglichen Regelungen abgeleitet werden, da die Kreditaufnahme\nregelmaßig der Forderung des Gesellschaftszweckes dienen wird. Eine\ngewerbliche Tatigkeit ist eine planmaßige und auf Dauer angelegte\nwirtschaftlich selbststandige Tatigkeit unter Teilnahme am Wettbewerb. Zu den\ngewerblichen Betatigungen gehort daher nicht die Verwaltung eigenen Vermogens,\ndie auch dann grundsatzlich dem privaten Bereich zugerechnet wird, wenn es\nsich um die Anlage betrachtlichen Kapitals handelt. Die Aufnahme von\nFremdmitteln kann insbesondere beim Immobilienerwerb zur ordnungsgemaßen\nVerwaltung gehoren und lasst daher nicht zwangslaufig auf ein Gewerbe\nschließen. Ausschlaggebend fur die Abgrenzung der privaten von einer\nberufsmaßig betriebenen Vermogensverwaltung ist der Umfang der mit ihr\nverbundenen Geschafte. Erfordern diese einen planmaßigen Geschaftsbetrieb, wie\netwa die Unterhaltung eines Buros oder einer Organisation, so liegt eine\ngewerbliche Betatigung vor (BGHZ 149, 80). \n--- \n| 20 \n--- \n| Fur die Frage der Schutzbedurftigkeit des Kreditnehmers und damit die\nAnwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes ist es dagegen ohne Bedeutung, ob\nder Kreditnehmer gesellschaftsrechtlich wie hier bis auf den Geschaftsvorgang\nder Kreditaufnahme in einer Innengesellschaft oder aber in einer\nAußengesellschaft verbunden ist (vgl. BGH WM 2001, 2379; Bulow/Artz\nVerbraucherkreditgesetz 6. Aufl. § 491 Rdnr. 55 d) und ob die\nAußengesellschaft die Verwaltung des umfangreichen Grundbesitzes selbst\nerledigt. Ausreichend ist, dass der MBT Immobilienfonds die Verwaltung durch\ndie Mitgesellschafterin MBT GmbH treuhanderisch hat durchfuhren lassen. Die\nZurechnung des gewerblichen Handelns der Treuhanderin ist umso mehr\ngerechtfertigt, als die MBT GmbH auch das Grundeigentum in Treuhandschaft\ngehalten hat, mit dem der streitgegenstandliche Kredit besichert worden ist.\nDie Schutzwurdigkeit des Verbrauchers wird durch die konkrete Art und Weise,\nwie das Objekt kommerziell verwertet wird, nicht beruhrt. \n--- \n| 21 \n--- \n| Nach dem vom Beklagten vorgelegten Gutachten des Sachverstandigen Dr. S.\nhandelt es sich bei dem finanzierten Objekt um 64 Wohnungen, 22 Buroeinheiten\nund 13 Ladengeschafte. Die Vermietung einer derart großen Anzahl von Objekten\nmit einer nach Angaben des Beklagten Gesamtmietflache von 6720 qm kann nicht\nmehr als private Vermogensverwaltung gewertet werden. Vielmehr ist hierfur\neine Organisation in Art einer gewerblichen Tatigkeit notwendig. \n--- \n| 22 \n--- \n| 5\\. Der Beklagte meint, ihm stunden Schadensersatzanspruche zu wegen\nmangelnder Aufklarung durch die Rechtsvorgangerin der Klagerin, da sie einen\nWissensvorsprung uber den sittenwidrig uberhohten Kaufpreis gehabt und weil\nsie nicht uber die ihr bekannten Prospektfehler aufgeklart habe. Diese\nAuffassung teilt der Senat nicht. \n--- \n| 23 \n--- \n| Soweit der Beklagte eine der Rechtsvorgangerin der Klagerin bekannte\nFehlerhaftigkeit des Prospektes geltend macht, ist dieser Vortrag bestritten.\nNach dem vom Beklagten vorgelegten Privatgutachten handelt es sich um zum\nBewertungsstichtag, dem 31.12.1991, gerade fertiggestellte Neubauten, die in\nDDR-Standard konzipiert und nach der Wende in etwas hoherwertigerer\nAusstattung fertiggestellt worden sind. Die Grundsubstanz sei die der letzten\nPlattenbaureihe, die nach heutigen Erkenntnissen die großte Mangelhaftigkeit\ndieser Baureihe aufweise. Hieraus lassen sich aber keinerlei Anhaltspunkte\ndafur ableiten, dass der Rechtsvorgangerin der Klagerin die mangelhafte\nBausubstanz bekannt gewesen ware. Deshalb ist der insoweit angetretene\nSachverstandigenbeweis ungeeignet. Soweit der Beklagte behauptet und unter\nBeweis stellt, dass die Zedentin die ortlichen Verhaltnisse und die\nBauerrichtung der 9 Stadthauser nach DDR-Standard in Plattenbauweise gekannt\nhabe, ist dies nicht geeignet, die Fehlerhaftigkeit des Prospekts darzulegen\nund deren Kenntnis durch die Zedentin zu beweisen. Eine Plattenbauweise kann\nals solche nicht automatisch als fehlerhaft angesehen werden. Maßgeblich ist\ndie Art der Ausfuhrung. Plattenbauten gibt es auch heute noch, ohne dass ihnen\neine baulich minderwertige Qualitat nachgesagt werden konnte. Dass in dem\nProspekt den Anlegern vorgespiegelt worden ware, dass es sich um nach der\nWende errichtete Neubauten nach den in den neuen Bundeslandern allenfalls ab\nOktober 1990 gultigen Maßstaben der alten Bundeslander handele, wird nicht\nbehauptet, erst recht nicht nachgewiesen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Soweit der Beklagte einwendet, die Rechtsvorgangerin der Klagerin habe\nKenntnis uber den sittenwidrig um mehr als 100% uberhohten Kaufpreis gehabt,\nverkennt er, dass er nicht eine Immobilie erworben, sondern sich\ngesellschaftsrechtlich an einem Immobilienfonds beteiligt hat. Ein solcher\nFonds ist eine Bundelung vieler Anleger zwecks Anlage in Investitionsobjekten,\nhier verschiedenen Grundstucken. Der Wert eines eingebrachten Objektes ist\nhierfur nur eines der Bewertungskriterien. Regelmaßig fallen bei Auflage eines\nsolchen Fonds weitere Kosten an, woran der Anleger unter steuerlichen\nGesichtspunkten durchaus interessiert ist. Schon deshalb sind\nSchadensersatzanspruche, die der Beklagte der Klagforderung entgegenhalten\nkonnte, nicht begrundet. \n--- \n| 25 \n--- \n| Überdies hat der Fonds entgegen dem Vortrag des Beklagten auch nicht ein\noder mehrere mit einem bestimmten Preis zu bewertende bebaute Grundstucke\nubernommen, sondern von der Gemeinde F. Grundstucke fur DM 424 000 erworben\nsowie Verpflichtungen aus mit der Firma H. GmbH Frankfurt/O abgeschlossenen\nWerkvertragen mit einem Endbetrag von DM 15 981 538 ubernommen (Anlage TW 3).\nDass Grundstuckskaufvertrage oder Werkvertrage sittenwidrig uberteuert gewesen\nwaren, behauptet der Beklagte nicht. Anhaltspunkte hierfur sind auch nicht\nersichtlich. Der Wert der bebauten und in dem vorgelegten Privatgutachten nur\nnach dem Ertragswertverfahren bewerteten Immobilien ist hierfur ohne Belang.\nDer Privatgutachter hat die Wahl des Sachwertverfahrens, welches\nmoglicherweise mit der ublichen Vergutung beim Werkvertrag korrespondieren\nkonnte, ausdrucklich ausgeschlossen. \n--- \n| 26 \n--- \n| 6\\. Der Beklagte meint, ihm stunden Schadensersatzanspruche wegen positiver\nVertragsverletzung gegen die Klagerin zu, weil die Klagerin die Immobilie in\nder Zwangsversteigerung "verschleudert" habe. Dieser Auffassung stimmt der\nSenat schon deshalb nicht zu, weil die Klagerin rechtmaßig ein gesetzliches\nVerfahren der Verwertung der ihr gestellten Sicherheiten in Anspruch genommen\nhat. Die Verwertung widersprach auch nicht den vertraglichen Vereinbarungen,\nweil die Rechtsvorgangerin der Klagerin das Darlehen wegen Zahlungsverzugs\nwirksam gekundigt hatte. Bei Kundigung des Darlehens am 16.8.2001 betrug der,\nwie noch darzulegen sein wird, von der Zedentin zutreffend errechnete\nRuckstand rund DM 102 000 an Tilgungs- und rund DM 175 000 an Zinszahlungen\nbei einem noch offenen Schuldsaldo von rund DM 3 275 000. Hierbei handelt es\nsich um einen erheblichen Ruckstand, der die Zedentin zur Kundigung berechtigt\nhat. Die Zedentin hat, wie auch der Beklagte einraumt, wegen der Ruckstande\nmit der Geschaftsfuhrung des MBT Immobilienfonds langere Zeit verhandelt. Seit\n1999 lief die gerichtliche Zwangsverwaltung. Es ware Sache des MBT\nImmobilienfonds bzw. deren verantwortlicher Geschaftsfuhrer gewesen, die\naufgelaufenen Ruckstande zu beseitigen und damit der Kundigung des Kredits den\nBoden zu entziehen. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die nach Angaben des Beklagten in der Klagerwiderung seit 1999/2000\ngefuhrten Verhandlungen sind ergebnislos geblieben. Konkrete Anhaltspunkte\ndafur, dass die Zedentin rechtlich verpflichtet gewesen ware, die\nVerhandlungen zu einem guten Ende zu bringen, sind nicht ersichtlich. Vielmehr\nraumt auch der Beklagte ein, dass die Gesellschafter des MBT Immobilienfonds\nnicht bereit waren, sich bei einer Umschuldung erneut der Zwangsvollstreckung\nin das personliche Vermogen zu unterwerfen. Desgleichen ergibt sich aus den\nAnlagen TW 18 bis TW 20, dass die Zedentin zu einer vorzeitigen Ablosung und\nWeiterfinanzierung grundsatzlich bereit war. Dennoch ist dies gescheitert. Der\nBeklagte gesteht ein, dass die Zedentin sowie die anderen beteiligten Banken\ndarauf bestanden hatten, dass die mittlerweile zahlungsunfahige\nGrundbuchtreuhanderin, die MBT GmbH ausgetauscht werde. Sie seien nicht bereit\ngewesen, den ins Auge gefassten Treuhandern eine weitgehende\nHaftungsfreistellung zu gewahren. Der Beklagte bezeichnet dies als\nprogressives Einbringen unsinniger Forderungen. Diese Bewertung teilt der\nSenat nicht. Die Zedentin hat damit vielmehr legitime Eigeninteressen\nwahrgenommen. Ein Verhalten, welches Schadensersatzanspruche des Beklagten\nbegrunden konnte, ist nicht gegeben. \n--- \n| 28 \n--- \n| Der Beklagte hat auch im ubrigen kein Verhalten der Zedentin vorgetragen,\nwelches den Nichtabschluss eines neuen Kreditvertrages als rechtswidrig\nerscheinen ließe, ohne dass vorliegend im einzelnen geklart werden musste, ob\nund unter welchen Umstanden eine Bank zu einem solchen Verhalten uberhaupt\nrechtlich verpflichtet ist. \n--- \n| 29 \n--- \n| Infolge der Kreditkundigung war die Zedentin zu Verwertungsmaßnahmen befugt.\nWeitere Rucksicht auf die vertragsuntreuen Schuldner brauchte sie nicht zu\nnehmen. \n--- \n| 30 \n--- \n| Ebensowenig kann ihr vorgehalten werden, den Antrag auf Zwangsverwaltung -\nnach dem Vortrag des Beklagten - wegen eines Kapitaldienstruckstandes von\ndamals (nur) DM 35 622,13 gestellt zu haben. \n--- \n| 31 \n--- \n| Es kann offen bleiben, ob die Rechtsvorgangerin der Klagerin tatsachlich in\nrechtlich verbindlicher Weise zugesagt hat, den Antrag auf Zwangsverwaltung\nzuruckzunehmen. In der mundlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagte\neingeraumt, dass die Einstellung der Zwangsverwaltung an einer anderen Bank\ngescheitert sei. Hierfur hat die Zedentin nicht einzustehen. \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Rechtsvorgangerin der Klagerin ist nicht gehalten gewesen, die - vom\nBeklagten behaupteten und streitig gebliebenen - gunstigen Konditionen des\nWeiterverkaufs der streitgegenstandlichen Forderung an die Klagerin auch dem\nBeklagten und den anderen Gesellschaftern zu gewahren. Sonst wurde der\nvertragsungetreue Schuldner, dessen Verhalten, wie ersichtlich hier, die\nVeraußerung der Forderung veranlasst hat, fur sein rechtswidriges Tun belohnt.\nDafur dass, wie der Beklagte in der mundlichen Verhandlung vorgetragen hat,\ndie Zedentin die streitgegenstandliche Forderung uberhaupt nicht mehr\nernsthaft betreiben wollte, sondern mit der Abtretung nur bezweckt hat, die\nSchuldner zu schadigen, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Dass der Beklagte\nnicht leistungswillig ist, ergibt sich vielmehr eindrucklich aus der Fulle der\nim vorliegenden Verfahren vorgetragenen Einwande zu Grund und Hohe der\nForderung. Unter diesen Umstanden ist ein - unterstellt - gunstiger Verkauf\nder Forderung an eine Forderungsverwertungsgesellschaft eine haufig\nanzutreffende und rechtlich nicht zu beanstandende Reaktion des\nDarlehensgebers. \n--- \n| 33 \n--- \n| Der Beklagte meint, die Zedentin habe auf die Besonderheiten einer aus einer\nVielzahl von Anlegern bestehenden BGB-Gesellschaft Rucksicht nehmen und\ndeshalb von der Verwertung der ihr zustehenden Sicherheiten absehen mussen.\nDem Beklagten ist zuzustimmen, dass Parteien, die rechtlich durch ein\nSchuldverhaltnis verbunden sind, nicht rucksichtslos unter Schadigung des\nPartners eigene Interessen wahrnehmen durfen. Dies ergibt sich aus dem in §\n242 BGB niedergelegten Rechtsgedanken von Treu und Glauben, wonach der\nSchuldner verpflichtet ist, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben\nmit Rucksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Der Beklagte hat jedoch\nnicht konkret dargestellt, auf welche Weise die Zedentin hiergegen verstoßen\nhaben soll. Seine in der mundlichen Verhandlung vor dem Senat dargebotene\nhistorische Schilderung der Vorgange lasst konkrete Ansatzpunkte fur ein\nFehlverhalten seitens der Zedentin vermissen. Die Klagerin muss sich nicht\netwaiges Fehlverhalten samtlicher anderer an dem Investitionsvorhaben und\nseiner Abwicklung beteiligten Rechtssubjekte zurechnen lassen. Der Senat hat\nversucht, dies dem Beklagten in der mundlichen Verhandlung zu verdeutlichen.\nGesichtspunkte, die uber die bereits erorterten Einzelprobleme hinausfuhren\nkonnten, sind nicht ersichtlich. \n--- \n| 34 \n--- \n| 7\\. Die Klagerin hat nach gerichtlicher Aufforderung zur Hohe des\nSchuldsaldos zum Zeitpunkt der Kundigung durch ihre Rechtsvorgangerin\nschlussig vorgetragen. Der Beklagte erhebt hierzu keine Einwendungen. \n--- \n| 35 \n--- \n| Zu den zugunsten des Beklagten zu berucksichtigenden Eingangen aus\nZwangsversteigerungen bzw. Zwangsverwaltungen hat die Klagerin bereits\nerstinstanzlich vorgetragen, dass aus der Zwangsverwaltung am 04.12.2001 EUR\n13.132,49, am 01.02.2002 EUR22.500,-, am 15.12.2003 EUR 11.181,36 sowie am\n30.08.2004 EUR 15.000,- erlost worden seien [I 217]. Diese Zahlungen sind\nbereits in der Aufstellung zum 30.11.2004 (Anlage TW 13) berucksichtigt. Am\n02.12.2004 seien EUR 30.000,- aus Zwangsverwaltung eingegangen, EUR 7.800,-\naus Zahlungen der Schuldnerin sowie EUR 10.000,- aus einer Ausschuttung. Am\n16.03.2005 habe die Klagerin EUR 487.381,05 aus Zwangsversteigerung erlost.\nDie Klagerin hat deshalb - ohne nahere Abgrenzung der Positionen bereits\nerstinstanzlich die Klage teilweise zuruckgenommen, da die entsprechende\nanteilige Forderung vor Beantragung des Mahnbescheides durch die Klagerin\ndurch Erlos aus Zwangsvollstreckung gedeckt worden sei. Ausweislich des\nTeilungsplanes des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) (Anlage 6 = As. II, 261) sind\nan die Klagerin bzw. deren Rechtsvorgangerin EUR 357.129,67 sowie EUR 22.250\nin Zwangsverwaltungsverfahren zugeteilt worden. Hiervon sind die vorgenannten\nZahlungen, die die Klagerin einraumt, in Hohe von EUR 61.813,85 (Schriftsatz\nder Klagerin an das Landgericht Konstanz vom 09.01.2006 Seite 23 = As. I, 217\nvorletzter Absatz) sowie von EUR 47.800,- (ebenda letzter Absatz) in Abzug zu\nbringen. Die Klagerin meint, sie musse sich nur die von ihr eingeraumten\nZahlungen anrechnen lassen, die weiteren Zahlungen seien direkt an die\nZedentin gegangen und im Schuldsaldo bereits berucksichtigt. Dem folgt der\nSenat nicht. Die Klagerin ist durch den Berichterstatter mit Verfugung vom\n3.10.2006 aufgefordert worden, schriftsatzlich - ohne Bezugnahme auf weiterhin\nnicht lesbare Unterlagen - die Hohe der geltend gemachten Forderung\ndarzustellen. Der nachfolgend eingereichten Darstellung sind die aus dem\nTeilungsplan ersichtlichen Einnahmen aus Zwangsverwaltung nicht in voller,\nsondern nur in der bereits dargestellten Hohe zu entnehmen. Anhaltspunkte\ndafur, dass die weiteren Zahlungen bereits im Schuldsaldo berucksichtigt\nwaren, sind nicht gegeben. Unter diesen Umstanden ist die vom Beklagten in\nAnspruch genommene und bereits dargestellte Erfullung der klagerischen\nForderung nachgewiesen. \n--- \n| 36 \n--- \n| Zugunsten des Beklagten sind somit aus Zwangsverwaltungsverfahren\neingegangene Erlose in Hohe von noch EUR 269.765,82 zu berucksichtigen, das\nsind bei der Beteiligung des Beklagten in Hohe von 0,326 % **EUR 879,44** . \n--- \n| 37 \n--- \n| 8\\. Mit Erfolg macht der Beklagte geltend, dass die Klagerin sich weitere\nBetrage in entsprechender Anwendung von § 114 a ZVG entgegenhalten lassen\nmuss. § 114 a ZVG bestimmt, dass in dem Falle, dass der Zuschlag einem zur\nBefriedigung aus dem Grundstuck Berechtigten zu einem Gebot erteilt wird, das\neinschließlich des Kapitalwertes der nach den Versteigerungsbedingungen\nbestehen bleibenden Rechte hinter 7/10 Teilen des Grundstuckswertes\nzuruckbliebt, der Ersteher auch insoweit als aus dem Grundstuck befriedigt\ngilt, als sein Anspruch durch das abgegebene Meistgebot nicht gedeckt ist,\naber bei einem Gebot zum Betrage der 7/10 - Teile- Grenze gedeckt sein wurde.\n§ 114 a ZVG soll verhindern, dass ein mit seinem Gebot innerhalb der 7/10-\nGrenze liegender Berechtigter das Grundstuck in der Zwangsversteigerung\ngunstig erwirbt und gleichzeitig den ungedeckten Restbetrag seiner\npersonlichen Forderung gegen den Schuldner in voller Hohe geltend macht. Die\ngesetzliche Regelung stellt dabei nicht vorrangig auf den durch den Zuschlag\nvollzogenen Eigentumserwerb ab, sondern knupft an den wirtschaftlichen\nWertzuwachs in der Person des durch das Meistgebot begunstigten Glaubigers an\n(BGHZ 117, 8). Deshalb wird eine nur wortliche Auslegung der Vorschrift dem\nSchutzzweck der Norm nicht gerecht. Vielmehr ist anerkannt, dass die\nBefriedigungsfiktion des § 114 a ZVG auch dann zu Lasten des Berechtigten\ngreift, wenn er seine Rechte aus dem von ihm abgegebenen Meistgebot abgetreten\nhatte. Dasselbe gilt, wenn der Berechtigte einen uneigennutzigen Treuhander\noder Strohmann bieten lasst (BGH aaO.). Ein Glaubiger handelt deshalb auch\narglistig und im Hinblick auf § 114 a ZVG ohne Erfolg, wenn er einen Dritten\nan seiner Stelle bieten lasst (BGH NJW-RR 2005, 1359). \n--- \n| 38 \n--- \n| Vorliegend hat der Beklagte Tatsachen nachgewiesen, die die entsprechende\nAnwendung der Befriedigungsfiktion des § 114 a ZVG gebieten. Unstreitig ist\ndie Klagerin mit der Ersteherin, der fast namensgleichen Firma E. R.E.O. W.\nGmbH - durch eine im zeitlichen Zusammenhang erfolgte Grundung, dieselbe\nFirmenadresse und denselben Geschaftsfuhrer verbunden. Die Klagerin hat - ohne\ndass hierfur zureichende Grunde vorgetragen oder sonst ersichtlich waren - am\n29.09.2006 gegenuber dem Amtsgericht Frankfurt (Oder) eine\nBefriedigungserklarung abgegeben. Sie hat somit darauf verzichtet, dass der\nErsteher wie im Zwangsversteigerungsverfahren ublich und bei nicht\ngesellschaftsrechtlich verflochtenen Rechtssubjekten zu erwarten tatsachlich\nZahlungen erbringt. Dies rechtfertigt den Schluss, dass der Zuschlag an die E.\nR.E.O. W. GmbH der Klagerin oder aber einer den beiden Firmen gemeinsamen\nMuttergesellschaft wirtschaftlich zugute kommt. \n--- \n| 39 \n--- \n| Der sich aus § 114 a ZVG ergebende Betrag betragt unstreitig rechnerisch EUR\n960.750,-. Hiervon sind in Abzug zu bringen die Teilzahlung, die die Klagerin\nsich hat anrechnen lassen in Hohe von EUR 514.776,39 (vgl. deren Schriftsatz\nvom 27.11.2006 As. II, 293). Die Klagerin hat sich also eine weitere Zahlung\nanrechnen zu lassen in Hohe von EUR 445.973,61. Der Anteil des Beklagten\nhieran betragt **EUR 1.453,87** . \n--- \n| 40 \n--- \n| 9\\. Die genannten beiden Positionen sind von der noch geltend gemachten\nKlagforderung, die die weitere Zahlung an die Klagerin in Hohe von EUR 514\n776,39 bereits berucksichtigt, abzuziehen. Es ergibt sich ein noch\ngeschuldeter Betrag in Hohe von EUR 1.883,93 nebst Zinsen. Die Zinsforderung\nist fur die Zeit vom 1.7.2005 bis zum 30.11.2006, dem Eingangszeitpunkt des\nVersteigerungserloses in Hohe von insgesamt EUR 514 776,39, an dem der\nBeklagte mit EUR 1 678,17 beteiligt ist, aus dem entsprechend erhohten Betrag\nzu errechnen. \n--- \n| 41 \n--- \n| 10\\. Die Entscheidung beruht im ubrigen auf den §§ 91a, 92,708 Nr.10,\n711,713 ZPO. Grunde fur die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. \n---\n\n |
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134,202 | vghbw-2008-02-12-9-s-234307 | 161 | Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg | vghbw | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 9 S 2343/07 | 2008-02-12 | 2019-01-07 10:38:44 | 2019-01-17 11:54:08 | Beschluss | ## Tenor\n\nAuf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des\nVerwaltungsgerichts Sigmaringen vom 17. September 2007 - 6 K 1147/07 - mit\nAusnahme der Streitwertfestsetzung geandert. Der Antrag wird abgelehnt.\n\nDer Antragsteller tragt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszugen.\n\nDer Streitwert fur das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die zulassige, insbesondere innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO\nentsprechend den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO begrundete\nBeschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die\nAntragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu Unrecht verpflichtet,\nden Antragsteller vorlaufig zum Studium im deutsch-englischen Studiengang des\nEuropaischen Studienprogramms fur Betriebswirtschaft im ersten Fachsemester\nnach den Rechtsverhaltnissen des Wintersemesters 2007/2008 - beschrankt auf\nden Studienabschnitt am Studienort Reutlingen - zuzulassen. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Nach seinem Zulassungsantrag vom 29.06.2007 und seinem ausdrucklichen\nVortrag im Beschwerdeverfahren durch Schriftsatz vom 04.01.2008 ist das\nBegehren des Antragstellers darauf beschrankt, innerhalb der festgesetzten\nZulassungszahl vorlaufig zum Studium bei der Antragsgegnerin in diesem\nStudiengang zugelassen zu werden. Eine vorlaufige Zulassung außerhalb der\nfestgesetzten Zulassungszahl steht nicht in Streit, sodass auf sich beruhen\nkann, ob eine solche im Hinblick auf die Besonderheiten dieses binationalen\nStudiengangs uberhaupt in Betracht kame oder ob nicht die vertragliche\nFestlegung der Zulassungszahl mit der auslandischen Partnerhochschule es\nausschließt, die Kapazitat der inlandischen Hochschule anhand der Maßstabe des\ninlandischen Kapazitatsermittlungsrechts zu uberprufen (vgl. Beschluss des\nSenats vom 12.04.1991 - 9 S 2515/90 -, VGHBW-Ls 1991, Beilage 7, B4). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist aber nach vorlaufiger\nPrufung davon auszugehen, dass samtliche Studienplatze innerhalb der durch § 2\nAbs. 1 in Verb. mit Anl. 1 der Verordnung des Wissenschaftsministeriums uber\ndie Festsetzung von Zulassungszahlen an den Fachhochschulen im Wintersemester\n2007/2008 und im Sommersemester 2008 vom 23.06.2007 (GBl. S. 280) - ZZVO-FH\n2007/2008 - fur diesen Studiengang im Wintersemester 2007/2008 fur das erste\nFachsemester festgesetzten Zulassungszahl von 20 wirksam vergeben und\ntatsachlich besetzt sind und insoweit Zulassungen von weiteren Bewerbern wie\ndem Antragsteller nicht in Betracht kommen. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Nach § 5 Abs. 1 des Gesetzes uber die Zulassung zum Hochschulstudium in\nBaden-Wurttemberg in der hier nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes zur\nUmsetzung der Foderalismusreform im Hochschulbereich vom 20.11.2007 (GBl. S.\n505) noch anzuwendenden Fassung der Bekanntmachung vom 15.09.2005 (GBl. S.\n629; geandert durch Art. 3 des Gesetzes vom 20.11.2007) - HZG - sollen in\neinem nicht in das Verfahren der Zentralstelle einbezogenen Studiengang\nZulassungszahlen festgesetzt werden, wenn zu erwarten ist, dass die Zahl der\nEinschreibungen die Zahl der Studienplatze an den einzelnen Hochschulen in dem\nStudiengang erheblich ubersteigen wird. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 in Verb. mit §\n3 HZG werden die Zulassungszahlen vom Wissenschaftsministerium nach Anhorung\nder Hochschulen durch Rechtsverordnung - hier der ZZVO-FH 2007/2008 -\nfestgesetzt. Entsprechend zu beachten bei einer kapazitatsrechtlichen\nErmittlung der Zulassungszahl sind dabei nach § 1 Abs. 1 HZG in Verb. mit Art.\n7 Abs. 6 des derzeit noch geltenden Staatsvertrages uber die Vergabe von\nStudienplatzen vom 24.06.1999 - StV - die Regelungen in Art. 7 Abs. 1 bis 5\nStV (kunftig geregelt in § 5 Abs. 2 bis 8 HZG und einer Verordnung nach § 11\nAbs. 4 HZG). In Einklang mit diesen Bestimmungen werden nach § 1 ZZVO-FH\n2007/2008 fur die in Anlage 1 bezeichneten Studiengange an den dort genannten\nHochschulen fur das Wintersemester 2007/2008 und das Sommersemester 2008\nZahlen der hochstens aufzunehmenden Bewerber (Zulassungszahlen) festgesetzt.\nFestgesetzt werden danach nicht die Zahl der Studienplatze an einer Hochschule\nfur einen Studiengang, sondern die - in der Regel zuvor kapazitatsrechtlich\nermittelte oder wie hier durch binationale vertragliche Vereinbarungen\nfestgelegte - Zahl der hochstens aufzunehmenden Bewerber fur einen\nStudiengang, denen ein Studienplatz fur diesen Studiengang an einer Hochschule\nzuzuweisen ist. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Ausgehend hiervon ist die Zahl der hochstens im Wintersemesters 2007/2008\naufzunehmenden Bewerber im deutsch-englischen Studiengang des Europaischen\nStudienprogramms fur Betriebswirtschaft mit der unstreitigen Zulassung von\ninsgesamt 20 von der Antragsgegnerin und ihrer englischen Partneruniversitat,\nder Lancaster University, ausgewahlten Bewerbern ausgeschopft, auch wenn\nentsprechend der zwischen ihnen geschlossenen Vereinbarung (Agreement) vom\n13.10.1997 von diesen ausgewahlten Bewerbern nur 10 auf einem Studienplatz bei\nder Antragsgegnerin studieren, wahrend die anderen 10 ausgewahlten Bewerber an\nder Partnerhochschule studieren. Es handelt sich hierbei um einen\nvollintegrierten binationalen Studiengang, der auf einer\nKooperationsvereinbarung mit einer auslandischen Hochschule beruht, also um\nein binationales Studienangebot, das eine Auslandsphase als obligatorischen\nBestandteil des Studiums vorsieht. Jeder Student in diesem Studienprogramm\nabsolviert im Wechsel die Halfte seines Studiums an der einen Hochschule und\ndie andere Halfte an der Partnerhochschule und wird an beiden Hochschulen in\ndiesem Studiengang zugelassen. Jede Partnerhochschule wahlt dafur jeweils 10\nBewerber fur das 1. Fachsemester aus, wovon jeweils funf Bewerber in\nReutlingen und funf Bewerber in Lancaster beginnen und alle Studierenden nach\nzwei Jahren den Studienort wechseln. Die Lehrplane und Prufungen der\nPartnerhochschulen sind aufeinander abgestimmt. Es ist im Rahmen dieses\nStudiengangs nicht moglich, ausschließlich an einer der beiden Hochschulen zu\nstudieren. Das Studium fuhrt nach der Vereinbarung vom 13.10.1997 zu zwei\nHochschulabschlussen: dem „Diplom-Betriebswirt (FH)" bei der Antragsgegnerin\nund dem „BBA (Hons) European Management" bei der Partnerhochschule. Diese\nAufteilung des Studienangebots auf die 20 zugelassenen Bewerber entsprechend\nder Vereinbarung vom 13.10.1997 auf verschiedene Studienorte fuhrt nach\nVorstehendem aber nicht dazu, dass fur diesen Studiengang bei der\nAntragsgegnerin im Wintersemester 2007/2008 noch weitere 10 Bewerber\nzugelassen werden mussten, da hierdurch die binational vertraglich festgelegte\nZulassungszahl fur den Studiengang insgesamt, die durch die Zulassungen beider\nHochschulen ausgeschopft wird, uberschritten werden wurde. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Offen kann bleiben, ob die Zulassung der von der Antragsgegnerin\nauszuwahlenden Bewerber fur das Wintersemester 2007/2008 auf die allein auf\nder Grundlage des § 53 Abs. 9 in Verb. mit § 61 Abs. 3 FHG beschlossene\nSatzung der Antragsgegnerin uber die Eignungsprufung und das\nZulassungsverfahren zum Studium in den Studiengangen des Europaischen\nStudienprogramms fur Betriebswirtschaft (ESB) vom 26.06.1998 gestutzt werden\nkonnte. Nach Art. 27 § 21 Abs. 1 Satz 3 2.HRÄG finden zwar Satzungen, die auf\nder Grundlage der § 53 Abs. 9 FHG in der am Tag vor dem Inkrafttreten dieses\nGesetzes geltenden Fassung, d.h. in der ab dem 01.01.2003 geltenden Fassung\nvon Art. 3 Nr. 3 b) des Gesetzes zur Änderung auswahlrechtlicher Vorschriften\nim Hochschulbereich vom 11.12.2002 (GBl. S. 471), beschlossen worden sind,\nletztmalig fur das Sommersemester 2006 Anwendung bzw. gelten Satzungen auf der\nGrundlage des § 61 Abs. 3 nach Art. 27 § 21 Abs. 2 Satz 2 langstens bis zum\n30.09.2006 fort. Bei Anwendung dieser Vorschriften hatte fur das\nWintersemester 2007/2008 dann weder eine gultige Satzung nach § 58 Abs. 5 LHG\nnoch eine gultige Auswahlsatzung nach dem erst durch Art. 7 des Gesetzes zur\nÄnderung hochschulrechtlicher Vorschriften vom 06.12.1999 in das\nHochschulzulassungsgesetz eingefugten § 6a Satz 1 HZG fur diesen Studiengang,\nder aufgrund der Ermachtigung nach §§ 6a Satz 2, 11 Abs. 1 Nr. 7 HZG in § 1\nAbs. 3 Satz 1 der Hochschulvergabeordnung vom 13.01.2003 (GBl. S. 63; zuletzt\ngeandert durch Art. 9 des Gesetzes vom 20.11.2007, hier nach Art. 20 Abs. 2\nSatz 2 des Gesetzes vom 20.11.2007 noch anwendbar in Fassung der Änderung vom\n12.05.2005 <GBl. S. 404>) - HVVO - in Verb. mit Anlage 1 zu § 1 Abs. 3 als\nbesonderer Studiengang benannt ist und dessen Anteil der Studienplatze fur\nauslandische und staatenlose Bewerber auf 50% festgelegt ist, zur Verfugung\ngestanden. Auch waren dann durch § 1 Abs. 3 Satz 2 HVVO erlaubte abweichende\nBestimmungen von den Vorschriften der §§ 6 bis 20 HVVO nicht mehr getroffen.\nDie Satzung der Antragsgegnerin vom 26.06.1998 wurde aber nicht auf der\nGrundlage von § 53 Abs. 9 des Fachhochschulgesetzes in der Fassung des\nGesetzes vom 11.12.2002, sondern auf der Grundlage der bis zum 31.12.2002\nunverandert geltenden Fassung vom 10.01.1995 (GBl. S. 73, ber. S. 311)\nbeschlossen, die in § 53 Abs. 9 ausdrucklich fur die Europaischen Studiengange\nder Betriebswirtschaft die satzungsrechtliche Einfuhrung einer besonderen\nEignungsprufung vorsah. Satzungen, die auf der Grundlage von § 53 Abs. 9 des\nFachhochschulgesetzes in dieser Fassung beschlossen worden sind, gelten nach\nArt. 5 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes zur Änderung auswahlrechtlicher Vorschriften\nim Hochschulbereich vom 11.12.2002 (a.a.O.), das nicht nach Art. 24 2.HRÄG mit\ndessen Inkrafttreten außer Kraft getreten ist, fort. Welche Folgerungen daraus\nzu ziehen sind, bedarf hier aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn auch\ndas Fehlen einer gultigen satzungsrechtlichen Regelung anderte nichts daran,\ndass die Studienplatze der zugelassenen Bewerber nach auf alle Bewerber\ngleichmaßig angewandten Auswahlkriterien vergeben und besetzt sind und nicht\nfur weitere Zulassungen innerhalb der festgesetzten Zulassungszahl zur\nVerfugung stehen. Es geht im vorliegenden Verfahren auch nicht darum, dem\nAntragsteller uberhaupt den Nachweis einer zusatzlich erforderlichen\nQualifikation fur eine Zulassung in einem Eignungsfeststellungsverfahren zu\nermoglichen (vgl. dazu den vom Antragsteller angefuhrten Beschluss des BayVGH\nvom 09.05.2007 - 7 CE 07.551, juris) - diesen Nachweis hatte er im Übrigen\nunstreitig erbracht -, sondern darum, welche der nach den gleichmaßig\nangewandten Kriterien qualifizierten Bewerber nach ihrer Rangfolge hochstens\nzugelassen werden konnen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war danach abzulehnen.\nDer Senat geht allerdings davon aus, dass dem Antragsteller nicht zuletzt im\nHinblick auf §§ 19 HVVO, 3 ZVO-FH 2007/2008 ermoglicht wird, die\nLehrveranstaltungen des schon sehr weit fortgeschrittenen Wintersemesters\n2007/ 2008 bis zum Semesterende zu besuchen und etwaige abschließende\nPrufungen abzulegen (vgl. Beschlusse des Senats vom 29.01.2002 - NC 9 S 24/02\n-, WissR 2002, 184 und vom 24.08.2005 - NC 9 S 75/05 -, kmk-\nhochschulrecht.de). \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des\nStreitwerts fur das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr.\n1, 52 Abs. 1 und 2 GKG. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). \n---\n\n |
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135,180 | olgstut-2003-04-11-18-wf-5903 | 147 | Oberlandesgericht Stuttgart | olgstut | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 18 WF 59/03 | 2003-04-11 | 2019-01-07 11:08:20 | 2019-02-12 12:17:54 | Beschluss | ## Tenor\n\n1\\. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des\nAmtsgerichts - Familiengericht - Sigmaringen, 3 FH 9/02, vom 19.07.2002\n\n_ aufgehoben. _\n\n2\\. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.\n\n3\\. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.\n\nBeschwerdewert: 3.753,-- EUR.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners nach § 652 Abs. 1 ZPO ist\nzulassig. Sie ist nicht nur form- und fristgerecht eingelegt, sondern sie\nstutzt sich (neben anderen unzulassigen Einwendungen) auch auf eine nach § 652\nAbs. 2 Satz 1 ZPO zulassige Einwendung, namlich die Zulassigkeit des\nvereinfachten Verfahrens nach § 648 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Es genugt, dass der\nAntragsgegner diese Einwendung erst in der Beschwerdeinstanz vorgebracht hat.\nLediglich die Einwendung fehlender oder beschrankter Leistungsfahigkeit und\nder Erfullungseinwand sind unzulassig, wenn sie nicht bereits vor Erlass des\nFeststellungsbeschlusses erhoben wurden (§ 652 Abs. 2 Satz 2 ZPO). \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Festsetzung von Kindesunterhalt im vereinfachten Verfahren war\nunzulassig, weil der Antragsgegner nach seinem insoweit schlussigen\nBeschwerdevortrag sowohl bei Antragstellung als auch mit Unterbrechungen in\nder Folgezeit mit der Antragstellerin und deren Mutter zusammen gelebt hat.\nNach dem Vorbringen des Antragsgegners fehlt es damit an einer\nZulassigkeitsvoraussetzung des vereinfachten Verfahrens nach § 645 Abs. 1 ZPO,\nwonach das Unterhalt begehrende Kind nicht mit dem in Anspruch genommenen\nElternteil in einem Haushalt leben darf. Weder der Rechtspfleger noch das\nBeschwerdegericht haben zu prufen, ob der Vortrag des Antragsgegners\nzugestanden, bestritten oder bewiesen ist (Zoller-Philippi, 23. Aufl., § 648\nRn. 4, § 652 Rn. 3), er braucht lediglich schlussig zu sein. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Da das vereinfachte Verfahren unzulassig war, ist der Festsetzungsbeschluss\nersatzlos aufzuheben. Der Rechtspfleger hat der Antragstellerin gem. § 650 ZPO\nmitzuteilen, dass der Antragsgegner Einwendungen gegen das vereinfachte\nVerfahren vorgebracht hat, die nicht zuruckzuweisen waren. Gleichzeitig weist\ner die Antragstellerin auf die Moglichkeit hin, die Durchfuhrung des\nstreitigen Verfahrens zu beantragen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Nach § 97 Abs. 2 ZPO hat der Antragsgegner die Kosten des\nBeschwerdeverfahrens zu tragen, da er die im Beschwerdeverfahren vorgebrachten\nEinwande bereits in 2. Instanz hatte vorbringen konnen. Zur Zulassung der\nRechtsbeschwerde besteht nach § 574 ZPO kein Anlass. \n---\n\n |
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135,355 | ag-pforzheim-2005-02-14-6-c-34204 | 76 | Amtsgericht Pforzheim | ag-pforzheim | Pforzheim | Baden-Württemberg | Ordentliche Gerichtsbarkeit | Amtsgericht | 6 C 342/04 | 2005-02-14 | 2019-01-07 11:10:05 | 2019-01-17 11:55:22 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Die Beklagte wird verurteilt, an den Klager EUR 7,50 nebst Zinsen hieraus\nin Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit 13.11.04 zu bezahlen.\n\n2\\. Im ubrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n3\\. Der Klager tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n4\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n5\\. Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 84,22.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Urteil ohne Tatbestand gemaß § 313 a Abs. 1 ZPO \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 2 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nicht begrundet. Wegen des Verkehrsunfalls vom\n28.08.04 hat der Klager gegen die Beklagte keinen weiteren Anspruch auf\nLeistung von Schadensersatz nach §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 3 Ziffer 1\nPflVG. Unstreitig haftet die Beklagte dem Klager dem Grunde nach auf\nvollstandigen Schadensersatz, jedoch hat die Beklagte vorprozessual die\nAnspruche des Klagers erfullt. Der Klager hat gegen die Beklagte entgegen\nseiner Ansicht hinsichtlich der außergerichtlichen Geschaftsgebuhr gemaß Nr.\n2400 des Vergutungsverzeichnisses (VV) lediglich in Hohe von 0,9 einen\nErstattungsanspruch. Nach § 118 BRAGO erhielten Rechtsanwalte fur eine\nSchadensregulierung, wenn keine besonderen Umstande hinzugetreten waren, eine\n7,5/10 Gebuhr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO zuzuglich Auslagenersatz und\nMehrwertsteuer. Bei der Bemessung des angemessenen Geschaftsgebuhr des nun\ngeltenden Gebuhrenrechts kommt es nach § 14 RVG nunmehr ebenso darauf an, ob\nim Einzelfall unter Berucksichtigung aller Umstande, vor allem des Umfangs und\nder Schwierigkeit der anwaltlichen Tatigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit\nsowie der Einkommens- und Vermogensverhaltnisse des Auftragsgebers, nach\nbilligem Ermessen diese oder jene Bemessung richtig und angemessen ist. Im\nvorliegenden Fall waren der Umfang als auch die Schwierigkeit der Sache jedoch\ngering. Zwischen den Parteien bestand kein Streit uber die Einstandspflicht\nder Beklagten. Diese regulierte sogar innerhalb kurzer Zeit die allein\nstreitige Nutzungsausfallpauschale. Wenn jedoch die Haftung dem Grunde nach\nunstreitig und bei der Schadenshohe lediglich die Hohe der\nNutzungsausfallentschadigung streitig sind und eine rasche Regulierung\nerfolgt, wie dies im vorliegenden Fall geschehen ist, ist eine 0,9\nGeschaftsgebuhr richtig und angemessen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Klage ist lediglich hinsichtlich der Fotokopierkosten gemaß Ziffer 7000\nVV begrundet. Im ubrigen war die Klage abzuweisen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 284, 288 BGB, 92, 713 ZPO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 2 \n--- \n| Die zulassige Klage ist nicht begrundet. Wegen des Verkehrsunfalls vom\n28.08.04 hat der Klager gegen die Beklagte keinen weiteren Anspruch auf\nLeistung von Schadensersatz nach §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 3 Ziffer 1\nPflVG. Unstreitig haftet die Beklagte dem Klager dem Grunde nach auf\nvollstandigen Schadensersatz, jedoch hat die Beklagte vorprozessual die\nAnspruche des Klagers erfullt. Der Klager hat gegen die Beklagte entgegen\nseiner Ansicht hinsichtlich der außergerichtlichen Geschaftsgebuhr gemaß Nr.\n2400 des Vergutungsverzeichnisses (VV) lediglich in Hohe von 0,9 einen\nErstattungsanspruch. Nach § 118 BRAGO erhielten Rechtsanwalte fur eine\nSchadensregulierung, wenn keine besonderen Umstande hinzugetreten waren, eine\n7,5/10 Gebuhr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO zuzuglich Auslagenersatz und\nMehrwertsteuer. Bei der Bemessung des angemessenen Geschaftsgebuhr des nun\ngeltenden Gebuhrenrechts kommt es nach § 14 RVG nunmehr ebenso darauf an, ob\nim Einzelfall unter Berucksichtigung aller Umstande, vor allem des Umfangs und\nder Schwierigkeit der anwaltlichen Tatigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit\nsowie der Einkommens- und Vermogensverhaltnisse des Auftragsgebers, nach\nbilligem Ermessen diese oder jene Bemessung richtig und angemessen ist. Im\nvorliegenden Fall waren der Umfang als auch die Schwierigkeit der Sache jedoch\ngering. Zwischen den Parteien bestand kein Streit uber die Einstandspflicht\nder Beklagten. Diese regulierte sogar innerhalb kurzer Zeit die allein\nstreitige Nutzungsausfallpauschale. Wenn jedoch die Haftung dem Grunde nach\nunstreitig und bei der Schadenshohe lediglich die Hohe der\nNutzungsausfallentschadigung streitig sind und eine rasche Regulierung\nerfolgt, wie dies im vorliegenden Fall geschehen ist, ist eine 0,9\nGeschaftsgebuhr richtig und angemessen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Klage ist lediglich hinsichtlich der Fotokopierkosten gemaß Ziffer 7000\nVV begrundet. Im ubrigen war die Klage abzuweisen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 284, 288 BGB, 92, 713 ZPO. \n---\n\n |
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135,653 | lg-stuttgart-2008-03-06-31-o-3207-kfh-aktg | 142 | Landgericht Stuttgart | lg-stuttgart | Stuttgart | Baden-Württemberg | Ordentliche Gerichtsbarkeit | Landgericht | 31 O 32/07 KfH AktG | 2008-03-06 | 2019-01-07 11:13:23 | 2019-01-17 11:55:44 | Beschluss | ## Tenor\n\n1\\. Die Antrage der Antragssteller Ziffer 5, Ziffer 6, Ziffer 12, Ziffer 13,\nZiffer 17 bis 21, Ziffer 31, Ziffer 39, Ziffer 55, Ziffer 56, Ziffer 63,\nZiffer 64, Ziffer 70 werden zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Antrage, soweit sie das Delisting betreffen, der Antragsteller Ziffer\n3, Ziffer 4, Ziffer 38, Ziffer 44 werden zuruckgewiesen.\n\n3\\. Der Antrag der Antragstellerin Ziffer 71 wird zuruckgewiesen, soweit er\nden BGAV betrifft.\n\n4\\. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerinnen Ziffer 22 und 23 ihren\nAntrag zuruckgenommen haben.\n\n5\\. Die von der Antragsgegnerin auf Grund des Beherrschungs- und\nGewinnabfuhrungsvertrags zu leistenden Barabfindung wird auf 31,25 Euro je\nStuckaktie festgesetzt.\n\n6\\. Der von der Antragsgegnerin zu leistende feste Ausgleich gemaß dem\nBeherrschungs- und Gewinnabfuhrungsvertrags wird auf 2,36 Euro je Stuckaktie\nabzuglich Korperschaftssteuerbelastung einschließlich Solidaritatszuschlag in\nHohe des jeweils geltenden gesetzlichen Tarifs festgesetzt.\n\n7\\. Der Erwerbspreis, der den Aktionaren der K-AG von der Antragsgegnerin aus\nAnlass der Ermachtigung des Vorstandes der K-AG, einen Antrag auf Beendigung\nder Borsenzulassung der Aktien der K-AG zum amtlichen Markt der Frankfurter\nWertpapierborse zu stellen, anzubieten ist, wird durch das Gericht auf einen\nBetrag von 31,25 Euro je Aktie festgesetzt.\n\n8\\. Die Antragsgegnerin tragt die Gerichtskosten und die außergerichtlichen\nKosten 1. Instanz mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der oben unter\nZiffer 1 und 4 genannten Antragsteller, bezuglich der in den Ziffern 2 und 3\ngenannten Antragstellern tragt die Antragsgegnerin nur die Halfte der\naußergerichtlichen Kosten dieser Antragsteller.\n\n9\\. Der Geschaftswert fur BGAV und Delisting wird je auf Euro 1.904.183,00\nfestgesetzt.\n\nGesamtgeschaftswert: EURO 3.808.366,--\n\n## Gründe\n\n| | 1. \n--- \n| 1 \n--- \n| Die K-AG hat Anfang 2007 als beherrschtes Unternehmen mit der M GmbH, die am\n24.07.2007 auf die L GmbH verschmolzen wurde (vgl. hierzu Anlage AG 1), einen\nBeherrschungs- und Gewinnabfuhrungsvertrag (im Folgenden nur: BGAV)\nabgeschlossen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Hauptversammlung der K-AG hat dem Abschluss dieses Vertrags in ihrer\nHauptversammlung vom 16.02.2007 unter TOP 10 mit der erforderlichen Mehrheit\nzugestimmt. Weiterhin wurde in dieser Hauptversammlung unter TOP 11 der\nDurchfuhrung des Widerrufs der Zulassung der Aktien der K-AG zum amtlichen\nMarkt der Frankfurter Wertpapierborse zugestimmt. Die Wertpapierborse hat auf\nden entsprechenden Antrag des Vorstands der K-AG dem Widerruf ihrerseits\nzugestimmt und diesen Widerruf in der Borsenzeitung am 05.04.2007\nveroffentlicht (vgl. Anlage AG 6). Der Widerruf wurde mit Ablauf des\n05.07.2007 wirksam. In dem gemeinsamen Registerportal der Lander wurde am\n13.03.2007 die Zustimmung der Hauptversammlung zum streitigen BGAV bekannt\ngemacht (vgl. Anlage AG 4). \n--- \n| 3 \n--- \n| Die damalige M GmbH, die zum Zeitpunkt der Hauptversammlung in Besitz von\n89,1 % (4.472.341 Stucke) der Aktien der K-AG war, hatte den mit 10,9 %\n(547.179 Stucke) an der K-AG beteiligten außenstehenden Aktionaren im Hinblick\nauf den zu beschließenden BGAV und das Delisting ein Abfindungsangebot jeweils\nin Hohe von 27,77 Euro und weiterhin im Hinblick auf den BGAV einen Ausgleich\ngemaß § 304 AktG in Hohe von brutto 2,23 Euro angeboten. \n--- \n| 4 \n--- \n| Durch Beschlusse vom 24.11.2006 und 03.01.2007 hatte das Landgericht\nStuttgart die E GmbH, Wirtschaftsprufungsgesellschaft,\nSteuerberatungsgesellschaft zum sachverstandigen Vertragsprufer, insbesondere\nder Angemessenheit der anzubietenden Abfindung und des Ausgleichs und zur\nPrufung der Angemessenheit des anlasslich des Delisting abzugebenden\nErwerbsangebots bestellt (vgl. hierzu den Vertragspruferbericht vom\n05.01.2007, nach dem die Hohe des Erwerbsangebots und Abfindung und Ausgleich\nals angemessen angesehen wird). \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Antragsteller tragen dagegen vor (vgl. hierzu insbesondere die\nAusfuhrungen des Antragstellers Ziffer 43), der Bericht des Vertragsprufers\nsei nicht ausreichend, da er sich in einem Ergebnisbericht erschopfe. So habe\nsich der Vertragsprufer nicht dazu geaußert, ob der Unternehmenswert der K-AG,\nder fur diese und fur die Antragsgegnerin durch die I\nWirtschaftsprufungsgesellschaft ermittelt worden sei (vgl. hierzu den\ngemeinsamen Bericht, Seite 38 ff), als Ertragswert nur annaherungsweise\nzutreffend ermittelt worden sei. So habe sich der Vertragsprufer weder mit dem\ngeplanten Material- und Personalaufwand noch mit den geplanten Abschreibungen\nauseinandergesetzt. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Planung sei im Übrigen auch bereits deshalb nicht plausibel, weil\ngegenuber dem Geschaftsjahr 2005/2006 fur die geplanten Geschaftsjahre\n2006/2007, 2007/2008 und 2008/2009 ein Ruckgang der Umsatzerlose der K-AG\ngeplant gewesen sei, obwohl in den letzten 10 Jahren die Umsatzerlose der K-AG\nvon ca. 77 Millionen Euro auf 190,7 Millionen Euro gestiegen seien (vgl.\nhierzu den gemeinsamen Bericht, Anlage 1). Dieser geplante Umsatzruckgang und\ndie fur das Geschaftsjahr 2009/2010 und ab 2010/2011 nur geringfugig geplanten\nhoheren Umsatze ließen sich nicht mit der gegenwartigen Klimadiskussion\nbegrunden, da eine mogliche Umsatzstagnation in Europa und in Nordamerika um\nein Vielfaches ausgeglichen wurde durch zukunftige in China, Indien und\nOsteuropa zu erwartenden Umsatze. Die in der jungsten Vergangenheit in dem\nsogenannten Rest der Welt erzielten Umsatze wurden zeigen, dass auf den\ndortigen Markten ein außergewohnliches Umsatzwachstum zu erzielen sei. Die\nPlanung der K-AG sei auch insoweit nicht plausibel, als gegenuber dem letzten\nGeschaftsjahr 2005/2006 das bereinigte Betriebsergebnis in den Planjahren im\nHinblick auf die geplanten hoheren Material- und Personalaufwendungen und\nAbschreibungen deutlich absinke (vgl. hierzu den gemeinsamen Bericht, Seite\n66). Die K-AG sei namlich Weltmarktfuhrer mit einem Anteil von 60 % der\nverkauften Pistenfahrzeuge. Diese Position musse ihr zumindest ermoglichen,\nihre Marge auch in Zukunft zu halten. Auch mussten die hohen Abschreibungen\naus Forschungs- und Entwicklungsleistungen zu einem hoheren Umsatz fuhren. \n--- \n| 7 \n--- \n| die geplante Thesaurierung der Gewinne und die Verwendung dieser Betrage zur\nTilgung von Fremdkapital und zu dem spater geplanten Erwerb der von der KGF\ngenutzten Leasingimmobilie stelle nicht die bestmogliche Verwendung des\nGesellschaftsvermogens dar. \n--- \n| 8 \n--- \n| Bezuglich des von dem Unternehmensbewerter der K-AG herangezogenen\nKapitalisierungszinssatzes wendet ein Teil der Antragsteller ein, dass der\nzugrunde gelegte Basiszinssatz von 4 % zu hoch sei. \n--- \n| 9 \n--- \n| Daruberhinaus tragen die Antragssteller vor, als Risikozuschlag konne\nhochstens der von dem OLG Munchen angesetzten Zuschlag von 2 % herangezogen\nwerden. Der Empfehlung des IDW, der auch der Unternehmensprufer gefolgt sei,\nwonach unter Zugrundelegung des sogenannten Tax- CAPM einer Marktrisikopramie\nnach personlicher Ertragssteuer in Hohe von 5 % bis 6 % auszugehen sei, konne\nnicht gefolgt wer-den, da vergleichbare Untersuchungen, wie etwa die des\nDeutschen Aktieninstituts belegen wurden, dass deutlich geringere\nRisikopramien auf dem Markt zu beobachten seien. Dass von dem\nUnternehmensbewerter mit Hilfe einer Peergroup gebildet und von dem\nVertragsprufer gebilligte Beta von 1,1 sei zu verwerfen, da das individuelle\nBeta der K-AG nach Bloomberg bei 0,59 liege. Fur den Fall, dass dieser Wert\nnicht als signifikant bezeichnet wurde, liege das Beta der K-AG bei Null. Im\nHinblick auf die gunstige Marktchance der K-AG sei auch der von dem\nUnternehmensbewerter angesetzte Risikoabschlag von 1 % zu gering bemessen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Bei der Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermogens hatten die im\nBesitz der R GmbH gewesenen V- und A-Aktien gesondert erfasst werden mussen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Daruber hinaus hatte unter Berucksichtigung der Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichtes und des BGH der Borsenkurs, der grundsatzlich die\nUntergrenze fur die Hohe der Abfindung darstellt, aus dem Durchschnittswert\nuber einen Zeitraum von drei Monate endend mit der beschlussfassenden\nHauptversammlung abgeleitet werden mussen. Fur diesen 3-Monats-Zeitraum sei\nein durchschnittlicher umsatzgewichteter Borsenkurs in Hohe von Euro 32,61\nfestzustellen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Antragsgegnerin ist der Ansicht (vgl. hierzu ihre Schriftsatze vom\n25.10.2007 und 01.02.2008), dass die Unternehmensbewerter die angebotene\nAbfindung und den angebotenen Ausgleich zutreffend ermittelt hatten. \n--- \n| 13 \n--- \n| Das Landgericht hat in der mundlichen Verhandlung am 12.02.2008 den\nBeteiligten Gelegenheit zu erganzenden mundlichen Vortrag gegeben und den\nVertragsprufer und die Vorstande der K-AG zu den Einwendungen der\nAntragsteller angehort (vgl. insoweit das Sitzungsprotokoll). \n--- \nII. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Antrage der Antragsteller sind bis auf die im Folgenden gesondert\nerwahnten Antragsteller zulassig. \n--- \n| 15 \n--- \n| 1\\. Verspatete Antragstellung: \n--- \n| 16 \n--- \n| Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SpruchG beginnt, soweit die Überprufung der im BGAV\nfestgelegte Kompensation begehrt wird, die dreimonatige Antragsfrist mit dem\nTag, an dem gemaß § 10 HGB der BGAV bekannt gemacht worden ist. Nach § 10 HGB\nmacht das Registergericht die Eintragung im Handelsregister in dem von den\nLandesjustizverwaltungen bestimmten elektronischen Informations- und\nKommunikationssystem bekannt. Entsprechend der Anlage AG 4 erfolgte somit die\nBekanntmachung am 13.03.2007, weshalb folglich die Antragsfrist mit dem\n13.06.2007 geendet hat. Der mittels Fax am 14.06.2007 eingegangene Antrag des\nAntragstellers Ziffer 70 und der am 25.06.2007 mittels Fax eingegangene Antrag\nder Antragstellerin Ziff. 71 betreffend den BGAV sind somit verspatet.\nEntgegen der Ansicht dieser Antragsteller folgt aus der Bestimmung des § 61\nAbs. 4 EGHGB nicht, dass die dort geregelte zusatzliche Bekanntmachung in\neiner Tageszeitung die Antragsfrist verlangern kann, da die Bestimmung des § 4\nAbs. 1 Satz 1 Nr. 1 SpruchG nur an die Bestimmung des § 10 HGB anknupft und\ndiese allein auf das elektronische Register verweist (vgl. hierzu auch\nBaumbach/Hopt, 33. Auflage 2008, HGB, § 10 Rn. 1 u. EGHGB § 61 Rd. 4). \n--- \n| 17 \n--- \n| 2\\. Fehlende Darlegung der Antragsberechtigung: \n--- \n| 18 \n--- \n| Gemaß § 4 Abs. 2 Nr. 2 SpruchG ist Voraussetzung fur die Zulassigkeit eines\nAntrags, dass innerhalb der dreimonatigen Antragsfrist der Antragsteller seine\nAntragsberechtigung nach § 3 SpruchG darlegt. \n--- \n| 19 \n--- \n| Dies bedeutet, dass sich aus dem wahrend der 3-Monats-Frist gehaltenen\nVortrag ergeben muss, dass der Antragsteller behaupten will, dass er zum\nZeitpunkt der Antrag-stellung Aktionar der Zielgesellschaft war (vgl. den\nWortlaut von § 3 Abs. 2 SpruchG). Nach allgemeiner Ansicht gilt fur das im\nSpruchG nicht geregelte Delisting der gleiche Grundsatz. \n--- \n| 20 \n--- \n| Aus dem zuletzt Ausgefuhrten ergibt sich zunachst, dass die Antrage der\nAntragsteller Ziffer 17 bis 21 unzulassig sind, da diese bis zu der am\n13.06.2007 endenden Antragsfrist lediglich vorgetragen hatten, dass sie mit\nmindestens einer Aktie an der K-AG beteiligt waren. Der am 15.11.2007 erfolgte\nNachweis des Aktienbesitzes zu dem Zeitpunkt der Antragstellung ist vorliegend\nunbehelflich, da, wie oben ausgefuhrt, innerhalb der 3-Monats-Frist die\nAntragsberechtigung zum Zeitpunkt der Antragstellung dargelegt werden muss. \n--- \n| 21 \n--- \n| Bezuglich der Antragsstellerinnen Ziffer 22 und Ziffer 23 folgt aus dem\nSchreiben von Dr. S vom 03.11.2007, dass diese Antrage als zuruckgenommen\ngelten konnen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Auch die Antrage der Antragsteller Ziffer 38 und Ziffer 39 jeweils vom\n02.07.2007 sind bezuglich des Delistings unzulassig, da dort lediglich\ndargelegt wurde, dass zum Zeitpunkt der Veroffentlichung des\nZulassungswiderrufs die Antragsteller Aktionare der K-AG waren. Wie oben\nbereits ausgefuhrt, hatte jedoch innerhalb der Antragsfrist dargelegt werden\nmussen, dass diese zum Zeitpunkt der Antragstellung Aktionare der K-AG waren.\nLetzteres folgt auch nicht aus den den Antragen beigefugten\nBankbescheinigungen, da sie vom 31.05. bzw. 17.05.2007 datieren. Die mit\nSchreiben vom 06.11. bzw. 21.11.2007 nachgereichten weiteren\nBankbescheinigungen sind unbehelflich, da bezuglich des Delistings die\nAntragsfrist bereits mit dem 05.07.2007 abgelaufen ist, da nach herrschender\nMeinung, der sich die Kammer anschließt, fur das Delisting entsprechend § 4\nAbs. 1 Nr. 1 SpruchG die 3-Monats-Frist mit der am 05.04.2007 erfolgten\nVeroffentlichung des Widerrufs der Borsenzulassung im Borsenblatt begonnen\nhat. \n--- \n| 23 \n--- \n| Aus einem vergleichbaren Grund ist auch der Antrag des Antragstellers Ziffer\n39 den BGAV betreffend unzulassig, da sich auch dort weder aus dem Wortlaut\ndes Antrags vom 06.06.2007 noch aus einer wahrend des Laufs der Antragsfrist\nvorgelegten Bankbescheinigung ergibt, dass dargelegt ist, dass der\nAntragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung Aktionar der K-AG war. \n--- \n| 24 \n--- \n| Dagegen ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin der Antrag des\nAntragstellers Ziffer 1 zulassig, da fur das Verstandnis seines Antrags vom\n29.03.2007 auch auf sein vorangegangenes Schreiben vom 05.03.2007 abzustellen\nist, in dem er auf seinen Aktienbesitz abstellt. \n--- \n| 25 \n--- \n| 3\\. Unzureichende Antragsbegrundung: \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Antragsgegnerin geht dagegen zutreffend davon aus, dass der Antrag der\nAntragstellerin Ziffer 31 unzulassig ist, da deren Antragsbegrundung keine\nkonkreten Einwendungen i.S.v. § 4 Abs. 2 Ziffer 4 SpruchG enthalt. Von dem\nanwaltschaftlichen Vertreter dieser Antragstellerin hatte zumindest erwartet\nwerden konnen, dass er anhand der im gemeinsamen Bericht enthaltenen\nInformationen seiner Bewertungsrugen substantiiert hatte. Die dort gegebenen\nInformationen hatten ausgereicht, um aus Sicht der Antragstellerin sich\nstreitig mit den dort mitgeteilten Wertansatzen auseinander zu setzen. Die\nvorgebrachten pauschalen Behauptungen und formelhaften Wendungen konnen\ndeshalb nicht ausreichen. \n--- \n| 27 \n--- \n| 4\\. Nachweis der Aktionarsstellung zum Zeitpunkt der Antragstellung durch\nUrkunden (§ 3 Abs. 2 SpruchG): \n--- \n| 28 \n--- \n| Wie die Antragsgegnerin in ihren Schriftsatzen vom 25.10.2007 und 01.02.2008\nzutreffend unter Benennung der einzelnen hiervon betroffenen Antragsteller\nausgefuhrt hat, muss die Aktionarsstellung durch die Antragssteller bezogen\nauf den Zeitpunkt des Eingangs ihres Antrags bei Gericht durch Urkunden\nnachgewiesen werden (so etwa auch Spindler/Stilz/Drescher, AktG zu § 3\nSpruchG, Rn. 11; Burgers/Korber, AktG Anhang § 306 zu § 3 SpruchG Rn. 16).\nAuch im Hinblick auf die abweichende Ansicht des LG Frankfurt (AG 2005, 544)\nhat die Kammer die Antragsteller in der mundlichen Verhandlung vom 12.02.2008\nauf die obigen Voraussetzungen fur einen zulassigen Antrag hingewiesen und den\nhiervon betroffenen Antragstellern Gelegenheit gegeben binnen 10 Tagen\ngeeignete Urkunden nach-zureichen. Nachdem es sich bei den Antragstellern\ndurchweg um Borsen und Spruch-verfahren erfahrene handelt, kann von ihnen ein\nStichtag genauer Nachweis ihrer Aktionarsstellung verlangt werden, da auch\nsonst Aktionare gewohnt sind, stichtagsgenau ihren Aktienbesitz nachzuweisen\n(vgl. § 123 Abs. 3 AktG, Record date). \n--- \n| 29 \n--- \n| Bezuglich der Urkundenqualitat wird auf die Ausfuhrungen von\nHeidel/Weingartner (Aktienrecht, 2. Auflage 2007, SpruchG § 3 RN. 10)\nhingewiesen, denen sich die Kammer anschließt, wonach grundsatzlich auch\nBankbescheinigungen, Bankauszuge, Bankbestatigungen, auch wenn diese als\nunbeglaubigte Kopie vorgelegt werden oder gefaxt werden, ausreichen.\nSchwarzungen auf den Bankbescheinigungen sind nur dann schadlich, wenn sie die\nausstellende Bank oder den Stichtag, zu dem der Aktienbesitz nachzuweisen ist,\nnicht kenntlich machen. \n--- \n| 30 \n--- \n| Hiervon ausgehend erfullen folgende Antrage nach dem Akteninhalt die\nVoraussetzungen des § 3 Abs. 2 SpruchG nicht und sind daher als unzulassig\nabzuweisen: (…) \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Antrage der Antragsteller, soweit diese zulassig sind, sind auch\nbegrundet. \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Beteiligten gehen zunachst zutreffend davon aus, dass entsprechend den\nAusfuhrungen des BGH in seiner Macrotron-Entscheidung (vgl. AG 2003, 273) ein\nDelisting-Beschluss wie hier erfolgt grundsatzlich ein Kaufangebot des\nHauptaktionars also der Antragsgegnerin verlangt und dass dieses Angebot im\nRahmen eines Spruchverfahrens in entsprechender Anwendung des Spruchgesetzes\nauf seine Angemessenheit zu prufen ist. \n--- \n| 33 \n--- \n| Mit der Antragsgegnerin ist weiterhin davon auszugehen, dass\nBewertungsstichtag fur das abzugebende Kaufangebot der Tag der beschließenden\nHauptversammlung also der 16.02.2007 ist. Dieser Stichtag ist bereits deshalb\nnaheliegend, da nach der Macrotron-Entscheidung das „Pflichtangebot" zur\nHauptversammlung vorliegen muss. Wurde an den Tag der Entscheidung der Borse\nuber den Widerrufantrag oder an das Wirksamwerden des Delisting angeknupft, so\nware aus Sicht des Unternehmens und ihrer Hauptaktionarin nicht erkennbar, an\nwelchen zukunftigen Bewertungsstichtag sie anzuknupfen hat und wie sie dies zu\nbewerkstelligen hat. Nachdem vorliegend der Vorstand der K-AG den\nWiderrufsantrag zeitnah bei der Borse gestellt hat, kann dahingestellt\nbleiben, ob fur den Fall des Missbrauchs an einen anderen Bewertungsstichtag\nals den der beschließenden Hauptversammlung angeknupft werden kann. \n--- \n| 34 \n--- \n| Da der gleiche Bewertungsstichtag zugrunde zu legen ist, war es sachgerecht,\ndie Antrage der Antragsteller nach § 1 Ziffer 1 SpruchG mit den Antragen der\nAntragsteller, die im Rahmen des Spruchgesetzes eine Prufung der\nAngemessenheit des Kaufangebots wegen des beschlossenen Delistings begehren,\nzu verbinden. \n--- \nIV. \n--- \n| 35 \n--- \n| Der von den Antragstellern begehrte Abfindungsbetrag ist ebenso wie die\nangemessene Hohe des Erwerbsangebots aufgrund des Ertragswertverfahrens zu\nermitteln (vgl. hierzu etwa OLG Stuttgart NZG 2007, 112, 114 ff). \n--- \n| 36 \n--- \n| 1\\. Ausgangspunkt fur die Ermittlung des Ertragswerts der K-AG im Rahmen der\nvon dem Gericht vorzunehmenden Tatsachenfeststellung muss grundsatzlich die\nvon dem Unternehmen erarbeitete Planung und die darauf aufbauende Prognose\nihrer Zukunftsertrage sein, die ohnehin nur eingeschrankt uberprufbar ist. Die\nin die Zukunft gerichtete Planung ist in erster Linie ein Ergebnis der\njeweiligen unternehmerischen Entscheidung der fur die Geschaftsfuhrung\nverantwortlichen Personen. Diese Entscheidungen haben auf zutreffenden\nInformationen und daran orientierten, realistischen Annahmen aufzubauen. Sie\ndurfen zudem nicht ins ich widerspruchlich sein. Kann die Geschaftsfuhrung auf\ndieser Grundlage vernunftigerweise annehmen, ihre Planung sei realistisch,\ndarf diese Planung nicht durch andere, letztlich ebenfalls nur vertretbare\nAnnahmen des Gerichtes ersetzt werden (vgl. OLG Stuttgart in dem zuletzt\nzitierten Beschluss). \n--- \n| 37 \n--- \n| Aus dem hier Ausgefuhrten folgt zugleich, dass der sachverstandige\nVertragsprufer bei seiner Prufung vergleichbar vorzugehen hat. Hiernach hat er\nkeine neue selbst-standige Bewertung des Unternehmens vorzunehmen. Er kann\nsich vielmehr darauf beschranken, die von dem Unternehmensbewerter auf der\nGrundlage der Unternehmensplanung vorgenommene Ertragswertermittlung auf ihre\nPlausibilitat und Vertretbarkeit zu uberprufen, wobei es vor allem um die\nrichtige Anwendung der gewahlten Bewertungsmethode und die Einhaltung der\nErmessensgrenzen bei den einzelnen Wertansatzen geht (vgl. hierzu\nEmmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 3. Auflage, AktG, § 293 c\nRn. 18). \n--- \n| 38 \n--- \n| Aufgrund der erganzenden Ausfuhrungen des Vertragsprufers anlasslich seiner\nAnhorung im Termin zur mundlichen Verhandlung ist die Kammer zu dem Ergebnis\ngekommen, dass der Vertragsprufer die von der K-AG fur ihre Planung\nherangezogenen Wertansatze hinreichend auf ihre Plausibilitat uberpruft hat. \n--- \n| 39 \n--- \n| 2\\. Die Kammer, der als Handelsrichter ein Geschaftsfuhrer eines\nTochterunternehmens eines großen deutschen Industriekonzerns und ein\npersonlich haftender Gesellschafter eines namhaften Stuttgarter Bankhauses\nangehort, ist weiterhin aufgrund der Sachkunde ihrer Handelsrichter, die sich\nvon ihrer Ausbildung her und ihrer gegenwartigen beruflichen Tatigkeit mit\nFragen der Unternehmensbewertung beschaftigt haben und beschaftigen, zur\nAuffassung gelangt, dass die in dem gemeinsamen Bericht niedergelegte Planung\nder K-AG plausibel und in sich widerspruchsfrei ist. Einer besonderen\nerganzenden Begutachtung durch einen Sachverstandigen bedarf es daher nicht. \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Einwendungen der Antragsteller gegen die von der K-AG vorgelegte Planung\nbetreffen im Wesentlichen zwei Komplexe. Zum einen wird beanstandet, dass\nunter Berucksichtigung der Vergangenheitsumsatze, vor allem der Geschaftsjahre\n2004/2005 und 2005/2006, die fur die naheren Folgejahre geplanten geringeren\nUmsatze nicht plausibel seien. Zum anderen sehen die Antragsteller einen\nWiderspruch darin, dass fur die Zukunft mit einer geringeren Marge geplant\nworden ist, obwohl zugleich davon ausgegangen wird, dass die K-AG weltweit\nihre Marktfuhrerstellung behaupten kann. \n--- \n| 41 \n--- \n| Nach Auffassung der Kammer hangen beide Problemkreise primar mit der Frage\nzusammen, ob und in welchem Umfang mit einer Klimaerwarmung zu rechnen ist und\nwie sich dies auf die Absatzchancen der K-AG auswirkt. \n--- \n| 42 \n--- \n| a) Im Hinblick auf die gerichtsbekannte gegenwartige politische und\nwissenschaftliche Diskussion zu der befurchteten Klimaerwarmung ist es fur die\nKammer plausibel, dass die K-AG fur ihre eingefuhrten Markte in\nMittel-/Nordeuropa, Nordamerika und Japan von einer gegenwartigen\nMarktsattigung mit spurbarer Abschwachung des Nachfrageverhaltens fur die\nmittelfristige Zukunft ausgeht; dies vor allem deshalb, weil damit zu rechnen\nist, dass traditionelle Skigebiete in niedrigeren Lagen unter wirtschaftlich\nvertretbaren Bedingungen eine einigermaßen schneesichere Wintersaison nicht\nmehr gewahrleisten konnen. Soweit okologisch und wirtschaftlich vertretbar\nKunstschnee eingesetzt werden kann, werden hierdurch keine zusatzlichen\nSkigebiete erschlossen. Durch solche Maßnahmen konne vielmehr nur die Folgen\nder Klimaerwarmung fur bestimmte Regionen vermindert werden. Ein zusatzlicher\nBedarf von Pistenraupes wird hierdurch nicht geschaffen. \n--- \n| 43 \n--- \n| b) Nach Auffassung der Kammer ist es auch plausibel, dass die K-AG erst fur\ndie fernere Zukunft in ihrer Planung davon ausgeht, dass im Hinblick auf neue\nAb-satzmarkte in Osteuropa (hier vor allem Russland) und Asien (China, Korea,\nIn-dien) es nur zu leichten Umsatzsteigerungen kommen wird. Ob diese neuen Ab-\nsatzmarkte die in Nord- und Westeuropa, Nordamerika und Japan zu erwarten-de\nUmsatzstagnierung und Umsatzverluste kompensieren konnen, hangt im erheblichen\nMaße von der zukunftigen wirtschaftlichen Entwicklung dieser neuen\nAbsatzmarkte ab. Es kann auch nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass\netwa in Asien der Skisport den gleichen gesellschaftlichen Stellenwert\nerreichen wird wie in Westeuropa nach dem 2. Weltkrieg. \n--- \n| 44 \n--- \n| Die Kammer ist deshalb der Ansicht, dass die Umsatzplanung der K-AG auch\nunter Berucksichtigung der Vergangenheitsergebnisse plausibel und\nwiderspruchsfrei ist. Dem widersprechen auch nicht die hohen Umsatze des\nletzten Geschaftsjahres 2005/2006, die ihre Ursache in einem\nuberdurchschnittlich guten Skiwinter und damals gewahrten Subventionen haben. \n--- \n| 45 \n--- \n| Im Hinblick auf die deutlich hinter den Umsatzen der Pistenraupes in der\nVergangenheit zuruckgebliebenen Umsatze mit Strandreinigungsgeraten kann auch\nfur die Zukunft nicht damit gerechnet werden, dass dieses Umsatzsegment\nAusfalle bei den Umsatzen mit den Pistenraupes entscheidend ausgleichen kann.\nGleiches gilt auch fur die Pistenraupes S, die ebenfalls nur in geringer\nStuckzahl in den USA hergestellt werden. \n--- \n| 46 \n--- \n| Aus dem Umstand, dass die K-AG Weltmarktfuhrerin in ihrem Produktsegment\nist, folgt auch nicht, dass es zu signifikant steigenden Umsatzzahlen kommen\nmuss. Insoweit ist zu berucksichtigen, dass, wie oben ausgefuhrt, die K-AG in\neinem gesattigten Markt zu agieren hat, weshalb der von der K-AG unterstellte\nsich verscharfende preisliche Wettbewerb mit Konkurrenzunternehmen plausibel\nist, wobei der Hauptwettbewerber noch den Vorteil hat, dass er in den USA uber\neinen Produktionsstandort verfugt, wo er den Pistenraupes vergleichbare Fahr-\nzeuge herstellt. Die Kammer sieht deshalb keinen Widerspruch darin, dass die\nK-AG trotz niedriger geplanter Gesamtleistung in Zukunft prozentual von einem\nhoheren Forschungs- und Entwicklungsaufwand, von hoheren Investitionen,\nPersonalkosten und Abschreibungen ausgeht. \n--- \n| 47 \n--- \n| d) Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der nach der vorgelegten\nPlanung fur das Geschaftsjahr 2011/2012 geplante Erwerb des geleasten\nBetriebsgrundstucks in L unplausibel ist. Insoweit ist dem Vorstand der K-AG\nzunachst ein kfm. Ermessen zuzugestehen. Nach den Ausfuhrungen der\nAntragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 25.10.2007 (vgl. Seite 20), der nach\nden Bekundungen des Vorstandes der K-AG von ihm mitverantwortet worden ist,\nfolgt aus den dort im Einzelnen dargestellten Grunden, dass der geplante\nErwerb des Betriebsgrundstucks im Rahmen des dem Vorstandes zustehenden\nunternehmerischen Ermessens geplant worden ist. Nach den erganzenden\nAusfuhrungen des Vertragsprufers hat weiterhin der Unternehmensbewerter die\nAuswirkungen des erst fur das Geschaftsjahr 2011/2012 geplanten Erwerbs des\nvormaligen Leasinggrundstucks fur die ewige Rente zutreffend ermittelt. \n--- \n| 48 \n--- \n| e) Soweit der Vorstand der K-AG die im Besitz der R GmbH, ein\nTochterunternehmen der K-AG, gewesenen V- und A-Aktien noch vor dem Stichtag\nveraußert hat, unterfallt auch diese Entscheidung in das kfm. Ermessen des\nVorstands. Die Grunde hierfur hat er in dem zuletzt erwahnten Schriftsatz\n(vgl. dort Seite 32 ff) deutlich gemacht. \n--- \n| 49 \n--- \n| Substantiierte Anhaltspunkte, dass die hier streitigen Aktien unter dem\nBorsenkurs veraußert worden sind, wie der Antragsteller Sb in seinem\nSchriftsatz vom 22.02.2008 vermutet, sind nicht ersichtlich gemacht. Dass die\nverkauften Wertpapiere vor dem Stichtag veraußert werden konnten, folgt\nbereits aus ihrer entsprechenden Bilanzierung (vgl. hierzu den\nGeschaftsbericht 2005/2006, Seiten 25 und 43). \n--- \n| 50 \n--- \n| f) Den Antragstellern kann auch nicht insoweit gefolgt werden, als sie\nbeanstanden, dass die Unternehmensbewerter unter Abkehr von der\nVollausschuttungsannahme die geplanten Ertrage zum Teil thesauriert haben\n(vgl. den gemeinsamen Bericht, Seite 57 und 78 f). Letzteres folgt daraus,\ndass die Unternehmensbewertung zutreffend, wie noch auszufuhren sein wird,\nunter Berucksichtigung des Standard IDW S 1 n.F. erfolgt ist, der entsprechend\nRN 45 ff eine Teilthesaurierung vorsieht, die im Ergebnis die Antragsteller im\nHinblick auf die sich hieraus ergebenden steuerlichen Effekte begunstigt. Die\nvon dem Unternehmensbewerter fur den Zeitraum der ewigen Rente zugrunde\ngelegte Ausschuttungsquote ist im Hinblick auf das bisherige\nAusschuttungsverhalten der K-AG als angemessen zu bezeichnen. \n--- \n| 51 \n--- \n| g) Auch die weitere Entscheidung des Vorstands, die thesaurierten Betrage\nzur Tilgung von Fremdkapital und zum Aufbau von Liquiditat fur den Erwerb des\noben erwahnten Leasingsgrundstucks zu nutzen, stellt eine zulassige\nunternehmerische Ermessensenscheidung dar, zumal hierdurch ein hoher\nVerschuldungsgrad der K-AG vermieden werden kann, was sich fur die\nAntragsteller als werterhohend auswirkt. \n--- \n| 52 \n--- \n| h) Die Kammer legt daher ihrer Entscheidung die von dem Unternehmensbewerter\nim gemeinsamen Bericht (vgl. dort Seite 79) ermittelten Nettoeinnahmen\nzugrunde, wobei sie im Ergebnis auch der Antragsgegnerin folgt, dass zum\nZeitpunkt des Stichtags die Auswirkungen der damals zu erwartenden\nUnternehmenssteuerreform auf die Einnahmen der K-AG sich rechnerisch noch\nnicht hin-reichend prognostizieren ließen, da die Tragweite der beabsichtigten\nGegenfinanzierung noch nicht abschatzbar war. \n--- \n| 53 \n--- \n| 3\\. a) Soweit die Beteiligten uber die Hohe des Kapitalisierungszinssatzes\nstreiten, schließt sich die Kammer den uberzeugenden Ausfuhrungen des OLG\nStuttgart (vgl. zuletzt den Beschluss vom 14.02.2008 20 W 11/06) an, wonach\nder Basiszinssatz sich aus der Zinsstrukturkurve nach der sogenannten\nSvennson-Methode zum Stichtag ergibt. Substantiierte Einwendungen, dass der\nnach dieser Methode ermittelte Basiszinssatz nicht bei 4 % liegt, sind nicht\nersichtlich. \n--- \n| 54 \n--- \n| b) Bezuglich der Marktrisikopramie schließt sich die Kammer ebenfalls der\nRechtsprechung des OLG Stuttgart (vgl. hierzu ausfuhrlich NZG 2007, 112, 116\nf.) an, wonach die Risikopramie unter Beachtung des Standard IDW S 1 zu\nermitteln ist, was zugleich auch grundsatzlich bedeutet, dass vorliegend das\nKapitalmarktpreisbildungsmodell Tax-CAPM zur Anwendung zu kommen hat. Der IDW\nempfiehlt insoweit fur die Marktrisikopramie nach Steuern eine Bandbreite von\n5 % bis 6 %. \n--- \n| 55 \n--- \n| Die Kammer halt es fur angemessen vorliegend an den unteren Wert von 5 %\nanzuknupfen, da nach Ansicht der Kammer die zweite Halfte der 50er Jahre\nzumindest fur die Ermittlung des Tax-CAPM nicht mit einbezogen werden sollte.\nAuch erscheint es der Kammer fraglich, ob bei der Ermittlung des Mittelwerts\nvon 5,5 % die Problematik, ob das arithmetische Mittel oder das geometrische\nMittel herangezogen werden soll, hinreichend bewertet ist (vgl. hierzu\nBallwieser, Unternehmensbewertung, 2. Auflage 2007, Seite 104 ff). \n--- \n| 56 \n--- \n| Soweit die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 22.02.2008 aus dem\nBeschluss des OLG Stuttgart (NZG 2007, 112, 117) folgert, dass dort unter\nBerucksichtigung des Tax-CAPM eine hohere Marktrisikopramie zugrunde gelegt\nwird, ist dies grundsatzlich zutreffend. In dem genannten Beschluss lasst das\nOLG jedoch zugleich offen, inwieweit es den IDW S 1 n.F. anwenden wird \n--- \n| 57 \n--- \n| Bezuglich der Hohe des heranzuziehenden Betafaktors ist die Kammer unter\nBerucksichtigung der rechnerischen und grafischen Ausfuhrungen in dem\nSchriftsatz der Antragsgegnerin vom 01.02.2008 (Seite 25 ff) zu dem Ergebnis\ngekommen, dass sich kein aussagekraftiger eigener Betafaktor der K-AG\nermitteln lasst. \n--- \n| 58 \n--- \n| Soweit die Antragsteller K u.a. in ihrem Schriftsatz vom 25.02.2008 einen\nBetafaktor von ca. 0,5 ermittelt haben, kann sich die Kammer diesen\nÜberlegungen nicht anschließen, da in dortigen Berechnungen der Zeitraum vom\n17.02.2006 bis 16.02.2007 zugrunde gelegt worden ist. Dieser kurze Zeitraum\nvon einem Jahr ist vorliegend jedoch nicht geeignet, da bereits am 10.08.2006\ndas Pflichtangebot der Antragsgegnerin wegen des Erwerbs ihrer\nKontrollmehrheit an der K-AG veroffentlicht worden war, zumindest ab diesem\nZeitpunkt schlug sich auch in dem Aktienkurs der K-AG zu erwartende\nStrukturmaßnahmen nieder. \n--- \n| 59 \n--- \n| Nach Auffassung der Kammer ist es auch nicht moglich, mit Hilfe einer\nPeergroup einen Betafaktor fur die K-AG zu ermitteln, wie es der\nUnternehmensbewerter und wohl auch der Vertragsprufer versucht hat. Die K-AG\nzeichnet sich namlich, wie oben im Einzelnen bereits ausgefuhrt, als\nWeltmarktfuhrerin in einem kleinen Marktsegment aus, wobei die Nachfrage nach\nihrem Hauptprodukt wiederum in einer unmittelbaren Beziehung zu den sich\nveranderten Schneeverhaltnissen steht. Borsennotierte Unternehmen, deren\nGeschaftsgegenstand nur annahernd mit dem Geschaftsgegenstand der K-AG\nvergleichbar sind, sind nicht ersichtlich, wie die von den\nUnternehmensbewerter zusammengestellte Peergroup oder die von den\nAntragstellern herangezogenen Unternehmen deutlich belegen. \n--- \n| 60 \n--- \n| Die Kammer ist deshalb der Ansicht, dass mangels gesicherter Erkenntnisse\nvon dem Durchschnittsbetafaktor 1 auszugehen ist. Die hiergegen von der\nAntragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 22.02.2008 erhobenen Einwendungen\nkonnen nicht uberzeugen, da definitionsgemaß das Beta angibt, wie sich\nÄnderungen der Rendite eines Marktportofolios auf die betreffende Aktie\nubertragen (vgl. Ballwieser, a.a.O., Seite 93 ff). Durch das Beta wird daher\nlediglich das so-genannte systematische Risiko des Unternehmens ausgedruckt.\nNach Auffas-sung der Kammer ware es in sich widerspruchlich, das Tax-CAPM-\nModell anzuwenden, das vorliegend die Festlegung eines Betafaktors\nvoraussetzt, und zugleich den Betafaktor durch individuelle\nRisikouberlegungen, wie sie etwa das OLG Munchen, das die Anwendung des CAPM-\nModells verwirft, anstellt (vgl. AG 2007, 287, 290) zu ersetzen. Nach\nAuffassung der Kammer hat es deshalb bei einem unverschuldeten Beta von 1 zu\nverbleiben, weshalb vorliegend fur die Ermittlung des\nKapitalisierungszinssatzes von einer Marktrisikopramie von 5 % auszugehen ist. \n--- \n| 61 \n--- \n| c) Bezuglich des so genannten Wachstumsabschlags hat es bei dem auch von dem\nVertragsprufer als angemessen angesehenen Prozentsatz von 1 % zu verbleiben.\nIm Hinblick auf des auch nach Auffassung der Kammer nur verhaltene\nWachstumspotential der K-AG und der sich hieraus ergebenden\nWettbewerbssituation geht die Kammer davon aus, dass es der K-AG nur zu einem\nTeil gelingen wird, ihre Unternehmensgewinne der Geldentwertungsrate, die zum\nStichtag bei 2 % lag, anzupassen. \n--- \n| 62 \n--- \n| d) Unter Berucksichtigung der obigen Vorgaben zu dem\nKapitalisierungszinssatzes und der von dem Unternehmensbewerter zurecht\nherangezogenen Nachsteuerbetrachtung (vgl. hierzu den oben zitierten Beschluss\nOLG Stuttgart vom 14.02.2008) errechnet sich daher der Ertragswert der K-AG\nwie folgt: \n--- \n| 63 \n--- \n| \n--- \n| **K - AG** \n--- \n| | Detailplanungsphase \n--- \n| | Nachhaltigkeit \n--- \n| **Ertragswert** \n--- \n| | | | | ab \n--- \n| **** \n--- \n| 2006/2007 \n--- \n| 2007/2008 \n--- \n| 2008/2009 \n--- \n| 2009/2010 \n--- \n| 2011/2012 \n--- \n| | Plan \n--- \n| Plan \n--- \n| Plan \n--- \n| Plan \n--- \n| | TEUR \n--- \n| TEUR \n--- \n| TEUR \n--- \n| TEUR \n--- \n| TEUR \n--- \n| | | | | \n| **Betriebsergebnis (EBIT)** \n--- \n| **23.045** \n--- \n| **17.720** \n--- \n| **16.128** \n--- \n| **19.029** \n--- \n| **20.626** \n--- \n| +/- Zinsergebnis \n--- \n| -382 \n--- \n| 255 \n--- \n| 561 \n--- \n| 687 \n--- \n| 20 \n--- \n| **Ergebnis nach Zinsen vor Steuern** \n--- \n| **22.663** \n--- \n| **17.975** \n--- \n| **16.689** \n--- \n| **19.716** \n--- \n| **20.646** \n--- \n| \\- Unternehmenssteuern \n--- \n| -7.683 \n--- \n| -6.244 \n--- \n| -5.824 \n--- \n| -6.912 \n--- \n| -7.238 \n--- \n| __ \n--- \n| __ \n--- \n| __ \n--- \n| __ \n--- \n| __ \n--- \n| __ \n--- \n| _Effektiver Steuersatz_ \n--- \n| _33,9%_ \n--- \n| _34,7%_ \n--- \n| _34,9%_ \n--- \n| _35,1%_ \n--- \n| _35,1%_ \n--- \n| **Ergebnis nach Zinsen und Steuern** \n--- \n| **114.980** \n--- \n| **11.731** \n--- \n| **10.865** \n--- \n| **12.804** \n--- \n| **13.408** \n--- \n| -Thesaurierung \n--- \n| -12.972 \n--- \n| -9.723 \n--- \n| -8.857 \n--- \n| 0 \n--- \n| -563 \n--- \n| Wertbeitrag aus Thesaurierung \n--- \n| 0 \n--- \n| 0 \n--- \n| 0 \n--- \n| 10.796 \n--- \n| 8.084 \n--- \n| Wertbeitrag aus Ausschuttung \n--- \n| 2.008 \n--- \n| 2.008 \n--- \n| 2.008 \n--- \n| 2.008 \n--- \n| 4.761 \n--- \n| -typisierte Ertragsteuer auf Ausschuttungen i.H.v. 17,5 % \n--- \n| -351 \n--- \n| -351 \n--- \n| -351 \n--- \n| -351 \n--- \n| -833 \n--- \n| **** \n--- \n| **** \n--- \n| **** \n--- \n| **** \n--- \n| **** \n--- \n| **** \n--- \n| **Nettoeinnahmen** \n--- \n| **1.657** \n--- \n| **1.657** \n--- \n| **1.657** \n--- \n| **12.453** \n--- \n| **12.012** \n--- \n| | | | | \n| Eigenkapitalkosten \n(2010/2011 nach Wachstumsrate) \n--- \n| 8,51 % \n--- \n| 7,67% \n--- \n| 7,44% \n--- \n| 7,23% \n--- \n| 6,73% \n--- \n| Barwertfaktoren \n--- \n| 0,9216 \n--- \n| 0,8559 \n--- \n| 0,7967 \n--- \n| 0,7429 \n--- \n| 11,0334 \n--- \n| Barwerte der Nettoeinnahmen zum 30.09.2006 \n--- \n| 1.527 \n--- \n| 1.418 \n--- \n| 1.320 \n--- \n| 9.251 \n--- \n| 132.531 \n--- \n| | | | | \n| Ertragswert zum 30.09.2006 \n(technischer Bewertungsstichtag) \n--- \n| 146.046 \n--- \n| | | \n| Aufzinsungsfaktor \n--- \n| 1,03 \n--- \n| | | \n| Ertragswert zum 16.02.2007 \n--- \n| 150.659 \n--- \n| | | \n| 64 \n--- \n| e) Als nichtbetriebsnotwendiges Vermogen ist der Wert der zum Stichtag noch\nim Besitz der R GmbH befindlichen Aktien der H AG in Hohe von 6.211.000,00\nhinzurechnen. \n--- \n| 65 \n--- \n| Stichtagsbezogen errechnet sich somit der Wert je einer Aktie der K-AG auf\nEuro 31,25 (vgl. die folgende Tabelle). \n--- \n| 66 \n--- \n| \n--- \n| **K AG** \n--- \n| **Unternehmenswert** \n--- \n| TEUR \n--- \n| Ertragswert \n--- \n| 150.659 \n--- \n| Wert des nichtbetriebsnotwendigen Vermogens \n--- \n| 6.211 \n--- \n| Unternehmenswert zum 16. Februar 2007 \n--- \n| 156.869 \n--- \n| **** \n--- \n| **** \n--- \n| **K- AG** \n--- \n| **Ableitung Wert je Aktie** \n--- \n| Unternehmenswert zum 16. Februar 2007 \n--- \n| 156.869 \n--- \n| Anzahl Aktien \n--- \n| 5.019.520 \n--- \n| Wert je Aktie in EUR \n--- \n| 31,25 \n--- \n| 67 \n--- \n| Dieser Abfindungsbetrag von Euro 31,25 pro Aktie liegt unter dem\nDurchschnittswert von Euro 32,61, der sich ermitteln lasst, wenn entsprechend\nder Ansicht des BGH (vgl. zuletzt NJW 2003, 3272) als Referenzzeitraum fur\neinen Durchschnittswert die letzten drei Monate vor dem\nHauptversammlungsbeschluss herangezogen werden, und uber dem Durchschnittswert\nvon Euro 27,77, wenn fur diesen Wert als Referenzzeitraum die letzten drei\nMonate vor der am 15.12.2006 erfolgten Adhoc-Mitteilung herangezogen werden,\nmit der die streitgegenstandliche Strukturmaßnahmen angekundigt worden sind.\nDie Kammer folgt insoweit den uberzeugenden Ausfuhrungen des OLG Stuttgart in\nseinem Vorlagebeschluss vom 16.02.2007, wonach der Referenzzeitraum mit der\nAdhoc-Mitteilung zu enden hat. \n--- \n| 68 \n--- \n| Nachdem das Bundesverfassungsgericht aus verfassungsrechtlicher Sicht keinen\nbestimmten Referenzzeitraum vorgegeben hat, ist auch unter dem Gesichtspunkt\ndes Artikel 14 GG eine Erhohung der Abfindung uber einen Betrag von Euro 31,25\nnicht geboten. \n--- \n| 69 \n--- \n| 4\\. Da die Antragsteller weder behaupten konnen, dass die Ertragsaussichten\nder K-AG auf Dauer negativ sein werden, noch dass eine Liquidation der K-AG\nbeabsichtigt ist, reicht die von dem Vertragsprufer zu dem Liquidationswert\nder K-AG vorgenommene uberschlagige Betrachtung aus, wonach deren\nLiquidationswert deutlich unter dem Gesamtwert der K-AG liegt. \n--- \nIV. \n--- \n| 70 \n--- \n| Bezuglich des im Hinblick auf den abgeschlossenen BGAV anzubietenden\nAusgleich gemaß § 304 AktG geht die Kammer von folgender rechnerischer\nAbleitung aus: \n--- \n| 71 \n--- \n| \n--- \n| **K- AG** \n--- \n| **Anteil an Ausgleichszahlung** \n--- \n| **** \n--- \n| **** \n--- \n| **** \n--- \n| **** \n--- \n| **Ableitung der Ausgleichszahlung** \n--- \n| **mit KSt \nbelastet** \n--- \n| **nicht mit KSt belastet** \n--- \n| **Gesatm** \n--- \n| Unternehmenswert (TEUR) \n--- \n| 91.613 \n--- \n| 65.256 \n--- \n| 156.869 \n--- \n| Multipliziert mit Verrentungszinssatz von 5,15 % (TEUR) \n--- \n| 4.719 \n--- \n| 3.361 \n--- \n| 8.080 \n--- \n| Anzahl Aktien (Tausend Stuck) \n--- \n| 5.020 \n--- \n| 5.020 \n--- \n| 5.020 \n--- \n| Jahrliche Ausgleichszahlung je Aktie nach personlicher ESt und nach KSt/Solz\n(in EUR) \n--- \n| 0,94 \n--- \n| 0,67 \n--- \n| 1,61 \n--- \n| Zuzuglich personliche ESt (17,5%) \n--- \n| 0,20 \n--- \n| 0,14 \n--- \n| 0,34 \n--- \n| **J ahrliche Nettoausgleichszahlung je Aktie (in EUR) \n(vor personlicher ESt und nach KSt)** \n--- \n| **1,14** \n--- \n| **0,81** \n--- \n| **1,95** \n--- \n| zuzuglich KSt/Solz (26,375 %) \n--- \n| 0,41 \n--- \n| | 0,41 \n--- \n| **J ahrliche Bruttoausgleichszahlung je Aktie (in EUR)** \n--- \n| **1,55** \n--- \n| **0,81** \n--- \n| **2,36** \n--- \n| 72 \n--- \n| Soweit Antragsteller diese rechnerische Ableitung des Ausgleichs aus dem\nUnternehmenswert beanstanden, da dieser unter Berucksichtigung einer\nThesaurierung erfolgt sei, kann auf die Ausfuhrungen von Jonas (WPg 2007, 835,\nff) verwiesen werden, wonach der Ausgleich zutreffend aus dem Ertragswert des\nUnternehmens abzuleiten ist. \n--- \n| 73 \n--- \n| Nach Auffassung der Kammer ist es vorliegend auch angezeigt, den\nAktienbesitz der R GmbH zum Bewertungsstichtag bei dem Ausgleich mit\neinzubeziehen, obwohl er oben als nichtbetriebsnotwendig bezeichnet worden\nist. Auch insoweit kann auf die Ausfuhrungen von Jonas (a.a.O., Seite 837)\nverwiesen werden, nach denen auch nicht- betriebsnotwendiges Vermogen einen\nBeitrag zu den kunftigen Gewinnanteilen leistet. Dies muss zumindest dann\ngelten, wenn wie hier die Aktien der R als Finanzierungsinstrumente, die\njederzeit zur Veraußerung verfugbar sind, gehalten werden. \n--- \n| 74 \n--- \n| Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist der Ausgleich jedoch nicht mit\ndem vollen Kapitalisierungszinssatz zu verrenten, sondern mit einem\nrisikoadjustierten Kapitalisierungszinssatz von 5,151 %, da worauf die\nAntragsgegnerin zurecht hinweist, die Ausgleichszahlungen wahrend der Laufzeit\ndes Unternehmungsvertrages der Hohe nach sicher sind. Im Gegensatz hierzu\nwurde die Hohe der Dividendenzahlungen in den jeweiligen Geschaftsjahren\nerheblichen Schwankungen unterliegen, da, wie gezeigt, die Betriebsergebnisse\nder K-AG wesentlich von dem Verlauf der jeweiligen Wintersaison bestimmt\nwerden. \n--- \n| 75 \n--- \n| Im Ergebnis ist somit die gemaß § 305 AktG von der Antragsgegnerin zu\ngewahrende Barabfindung je Aktie auf Euro 31,25 und der von ihr nach § 304\nAktG zu leistende feste Ausgleich auf Euro 2,36 je Stuckaktie abzuglich\nKorperschaftssteuerbelastung ein-schließlich Solidaritatszuschlag in Hohe des\njeweils geltenden gesetzlichen Tarif festzusetzen. \n--- \n| 76 \n--- \n| Im Hinblick auf den erfolgten Delisting-Beschluss wird der von der\nAntragsgegnerin anzubietende Erwerbspreis auf Euro 31,25 festgesetzt. \n--- \n| 77 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 15 Abs. 2 und 4, 6 Abs. 2 Satz 1\nSpruchG. Hierbei entspricht es auch der Billigkeit, dass die Antragsgegnerin\ndie außergerichtlichen Kosten der Antragsteller, soweit ihr Antrag zulassig\nist, zu tragen hat. \n--- \n| 78 \n--- \n| Die Festsetzung des Geschaftswerts folgt aus § 15 Abs. 1 Satz 1 SpruchG. \n--- \n| 79 \n--- \n| Weiterhin ist dem Berichtigungsantrag der Antragsgegnerin vom 19.02.2007\nstattzugeben, als auf Seite 14 Abs. 3 des Sitzungsprotokolls der\nsinnentstellende Übertragungsfehler dahingehend zu berichtigen ist, als vor\ndem Wort „dazu" das fehlende Wort „nicht" einzufugen ist (§ 319 ZPO). \n---\n\n |
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135,687 | vg-karlsruhe-2008-03-13-9-k-269606 | 158 | Verwaltungsgericht Karlsruhe | vg-karlsruhe | Karlsruhe | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 9 K 2696/06 | 2008-03-13 | 2019-01-07 11:13:42 | 2019-01-17 11:55:46 | Urteil | ## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der klagende Kleintierzuchtverein wendet sich gegen eine Abbruchsanordnung. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Bescheid vom 26.11.1998 genehmigte das Landratsamt Enzkreis dem Klager\ndie Errichtung eines Vereinsheims sowie von sechs Zuchterhausern auf dem\nGrundstuck Flst.-Nr. ... auf Gemarkung der Gemeinde Friolzheim. Das Grundstuck\nliegt im Geltungsbereich des seit 1999 rechtsverbindlichen Bebauungsplans\n„Sondergebiet Kleintierzuchtanlage" der Gemeinde. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Im Dezember 2005 stellte das Landratsamt fest, dass der Klager an der\nWestseite des Vereinsheims sowie eines nordlich angrenzenden Zwischenbaus auf\neiner Lange von 11,17 m einen Anbau aus Werzalit-Paneelen errichtet hatte,\ndessen Tiefe zwischen 1,31 und 1,32 m betragt und der eine Hohe zwischen 2,30\nund 2,60 m aufweist. Der Anbau wird vom Klager als Abstellraum fur\nGeratschaften, Leergut und Abfall genutzt. Er liegt vollstandig außerhalb der\nnach dem Bebauungsplan uberbaubaren Flache und teilweise innerhalb eines durch\nden Bebauungsplan festgesetzten Pflanzgebotsstreifens. Der Abstand des Anbaus\nzur westlichen Grundstucksgrenze betragt ca. 1,70 m. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Nachdem der Gemeinderat am 06.02.2006 sein Einvernehmen zu der Erteilung\neiner Befreiung von der Einhaltung der Baugrenze sowie des\nPflanzgebotsstreifens versagt hatte, verfugte das Landratsamt Enzkreis nach\nvorheriger Anhorung des Klagers mit Bescheid vom 02.05.2006 den Abbruch des\nAnbaus und setzte hierfur eine Frist von einem Monat nach Bestandskraft des\nBescheids. Zur Begrundung der auf § 65 LBO gestutzten Verfugung verwies das\nLandratsamt darauf, dass der Anbau den Festsetzungen des Bebauungsplans\nhinsichtlich der uberbaubaren Grundstucksflache und des Pflanzgebotsstreifens\nwiderspreche und eine Befreiung nicht erteilt werden konne, da die Grundzuge\nder Planung beruhrt wurden. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit seinem hiergegen fristgerecht erhobenen Widerspruch machte der Klager\ngeltend, der Anbau greife nur geringfugig, namlich in einem Umfang von nicht\neinmal 10 m², in die Pflanzgebotsflache ein. Er grenze zudem an ein von der\nGemeinde Froitzheim schon lange geplantes Gewerbegebiet\n„Steinacker/Kolbenacker" an, sodass auch von dieser Seite aus kein\nwesentlicher Eingriff in das Baurecht festzustellen sei. Überdies habe die\nGemeinde im unmittelbaren westlichen Anschluss an das Gebaude im vertraglichen\nEinvernehmen mit der EnBW die Einrichtung einer Station zur Druckminderung fur\nankommendes Erdgas vorgesehen, um von dort aus die Gemeinde mit Erdgas\nversorgen zu konnen. Der angefochtene Bescheid sei daher nicht\nverhaltnismaßig. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 04.10.2006 wies das Regierungsprasidium\nKarlsruhe den Widerspruch als unbegrundet zuruck. Zur Begrundung fuhrte die\nWiderspruchsbehorde aus, der Anbau sei zwar verfahrensfrei, widerspreche\njedoch offentlich-rechtlichen Vorschriften. Er verstoße in zweierlei Hinsicht\ngegen die Festsetzungen des Bebauungsplans. Zum einen liege er vollstandig\naußerhalb des durch die Baugrenzen gebildeten Baufensters. Zum anderen sehe\nder Bebauungsplan 50 cm von der Baugrenze entfernt einen 2,5 m breiten\nPflanzgebotsstreifen bis zur Nachbargrenze vor. Der 1,30 m breite Anbau rage\ndamit etwa 0,80 m in den Pflanzgebotsstreifen hinein. Die Erteilung einer\nBefreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB komme rechtlich nicht in Betracht. Außerdem\nstunden dem Anbau auch bauordnungsrechtliche Vorschriften entgegen. Die Tiefe\nder Abstandsflache durfe 2,50 m nicht unterschreiten. Die Privilegierung des §\n6 Abs. 1 LBO fur Gebaude, die nur Nebenraume enthielten, greife nicht ein, da\ndie Bebauung entlang der Grundstucksgrenze mit 11 m die in dieser Vorschrift\ngeforderten 9 m uberschreite. Der Erlass einer Abbruchsanordnung entspreche\nbei dieser Sachlage dem Sinn und Zweck der Ermachtigung des § 65 LBO und damit\neiner pflichtgemaßen Ermessensausubung. Das offentliche Interesse habe hoheres\nGewicht als das Interesse des Klagers an der Erhaltung seines rechtswidrig\nerrichteten Anbaus. Bereits in den vergangenen Jahren habe der Klager mehrfach\nohne vorherige Genehmigung Gebaude errichtet, die dem Bebauungsplan nicht\nentsprochen hatten und von den Behorden erst nachtraglich genehmigt worden\nseien. Die Abbruchsverfugung sei notwendig gewesen, um dieser Praxis des\nBauens ohne Baugenehmigung oder notwendige Befreiung einen Riegel\nvorzuschieben. Mit dem Abbruch werde kein Nachteil herbeigefuhrt, der\nerkennbar außer Verhaltnis zu der damit bezweckten Wiederherstellung der\nbaurechtlichen Ordnung stunde. Der Hinweis des Klagers auf Vorhaben der\nGemeinde Friolzheim konne zu keiner anderen Entscheidung fuhren. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Am 03.11.2006 hat der Klager Klage erhoben, mit der er beantragt, \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| den Bescheid des Landratsamts Enzkreis vom 02.05.2006 in Gestalt des\nWiderspruchsbescheids des Regierungsprasidiums Karlsruhe vom 04.10.2006\naufzuheben. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Zur Begrundung tragt er vor, er verwahre sich gegen die Unterstellung, in\neiner Art von Salamitaktik die Anlage fortlaufend zu erweitern, ohne Rucksicht\nauf das Baurecht zu nehmen. Wegen gestiegener hygienischer Anforderungen an\nden Gaststattenbetrieb sei es nicht mehr moglich gewesen, den ursprunglich als\nAbstellraum vorgesehenen Zwischenbau auch fur das Abstellen der Mulltonnen zu\nnutzen. Er habe daher die Mulltonnen an der Westseite des Gebaudes abgestellt,\nebenso das Leergut aus dem Gaststattenbetrieb. Beides habe sich wegen\nDiebstahlen, Sachbeschadigung und des Auftretens von Fuchsen und Mardern als\nnicht zweckmaßig erwiesen. Mittlerweile habe die EnBW unmittelbar an der\nwestlichen Grenze des Baugrundstucks im Zusammenhang mit der Verlegung von\nGasleitungen eine Druckmindererstation errichtet. Er habe der EnBW deswegen\neine Grunddienstbarkeit (Leitungsrecht) eingeraumt. Die Gemeinde Friolzheim\nhabe sich auf seine Frage nicht dazu geaußert, ob das Pflanzgebot durch das\nLeitungsrecht mindestens teilweise beeintrachtigt wurde. Der Anbau greife nur\nin einem sehr geringen Maß in das Pflanzgebot ein. Der Pflanzgebotsstreifen\nliege teilweise außerhalb seines Grundstucks, sei also von der Gemeinde\nanzulegen. Der durch die Gemeinde zumindest mit veranlasste Eingriff in das\nPflanzgebot, insbesondere durch die Verlegung der Gasleitung, sei von der\nbeanspruchten Flache her schwerwiegender. Die Versagung einer Befreiung\nerscheine rechtsmissbrauchlich. Mit Blick auf die Errichtung von Werbeanlagen\nin der naheren Umgebung sei die Abbruchsanordnung unverhaltnismaßig. Im\nZusammenhang mit dem vorgesehenen Ausbau der BAB 8 beanspruche die\nStraßenbauverwaltung einen Teil der Flache des Baugrundstucks. Dadurch werde\nin erheblich starkerem Maß in das Pflanzgebot eingegriffen als durch den\nerrichteten Anbau. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Er tragt vor, dass die Voraussetzungen fur die Erteilung einer Befreiung\nnicht vorlagen. Bereits die Überschreitung des Baufensters beruhre die\nGrundzuge der Planung. Schon fur den Zwischenbau zwischen den beiden\nBaufenstern sei eine Befreiung erteilt worden. Bei einer weiteren Abweichung\nin so betrachtlichem Ausmaß bliebe von der ursprunglichen Konzeption des\nBebauungsplans im Bereich des Vereinsheims nicht mehr viel ubrig. Abgesehen\ndavon verstoße der Anbau gegen Abstandsflachenvorschriften. Der Klager\nverfolge eine „Salamitaktik", durch welche die Festsetzungen des\nBebauungsplans immer weiter ausgehohlt wurden. Er verfuge durch den\ngenehmigten Zwischenbau bereits uber eine funktionsgerechte Lagermoglichkeit.\nWare dieser Zwischenbau nicht rechtswidrig zu gastronomischen Zwecken\numgenutzt worden, ware der zusatzliche Anbau nicht notwendig. Die Gasleitung\nhabe mit dem Anbau nichts zu tun. Es treffe auch nicht zu, dass die\nDruckminderungsanlage auf dem Nachbargrundstuck bereits errichtet worden sei.\nDeren Standort stehe noch nicht genau fest. Es bestehe auch kein baurechtlich\nrelevanter Zusammenhang zwischen dem Ausbau der A 8 und dem\nstreitgegenstandlichen Anbau. Im Übrigen sei ein bebauungsplanwidriger Anbau\neines Lagerraums, der im Zusammenhang mit einer bebauungsplanwidrigen\nErweiterung einer Vereinsgaststatte erfolgt sei und den privaten Interessen\neines Vereins diene, nicht vergleichbar mit dem offentlichen Interesse an\neinem dringend notwendigen Autobahnausbau. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung hat die Kammer den zum Abbruch verfugten\nAnbau in Augenschein genommen. Auf die Niederschrift vom 13.03.2008 wird\ninsoweit verwiesen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die einschlagigen Akten des Landratsamts Enzkreis - auch zu den\nvorangegangenen baurechtlichen Verfahren - sowie die Widerspruchsakten des\nRegierungsprasidiums Karlsruhe liegen der Kammer vor. Wegen der weiteren\nEinzelheiten wird hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsatze Bezug\ngenommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 15 \n--- \n| Die unbedenklich zulassige Anfechtungsklage ist nicht begrundet. Die\nAbbruchsanordnung des Landratsamts Enzkreis vom 02.05.2006 in Gestalt des\nWiderspruchsbescheids des Regierungsprasidiums Karlsruhe vom 04.10.2006 ist\nrechts- und ermessensfehlerfrei ergangen und verletzt den Klager daher nicht\nin seinen Rechten (§§ 113 Abs. 1 S. 1, 114 VwGO). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Nach § 65 S. 1 LBO kann der teilweise oder vollstandige Abbruch einer\nAnlage, die im Widerspruch zu offentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet\nwurde, angeordnet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmaßige Zustande\nhergestellt werden konnen. Eine Abbruchsanordnung setzt mit Rucksicht auf den\ndurch Artikel 14 GG gewahrleisteten Bestandsschutz voraus, dass eine bauliche\nAnlage nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und seit ihrer Errichtung\nfortlaufend gegen materielle offentlich-rechtliche Vorschriften verstoßt\n(standige Rechtsprechung; vgl. VGH Baden-Wurttemberg, Urt. v. 16.06.2003 - 3 S\n2436/02 - VBlBW 2004, 263 m. w. N.). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Ob der umstrittene Anbau im Sinne von § 50 Abs. 1 LBO verfahrensfrei ist,\nwofur im Hinblick auf Nr. 10 des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO einiges spricht,\nbedarf keiner Entscheidung; denn er ist jedenfalls nicht durch eine\nBaugenehmigung gedeckt und seit seiner Errichtung auch fortdauernd materiell\nbaurechtswidrig. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Letzteres gilt zunachst in bauplanungsrechtlicher Hinsicht. Der Klager\nraumt ein, dass der Anbau den Festsetzungen des Bebauungsplans „Sondergebiet\nKleintierzuchtanlage" hinsichtlich der uberbaubaren Grundstucksflache und des\nPflanzgebotsstreifens widerspricht. Naherer Darlegung bedarf dies deshalb\nnicht. Soweit die Überschreitung der Baugrenze in Rede steht, konnen\nrechtmaßige Zustande zum einen nicht durch eine Zulassungsentscheidung nach §\n23 Abs. 5 S. 2 BauNVO hergestellt werden; denn der Anbau ist mit Rucksicht auf\nseine Ausmaße nicht nach § 6 Abs. 1 und 2 LBO privilegiert (siehe dazu unten).\nRechtmaßige Zustande lassen sich zum andern - auch was den Eingriff in den\nPflanzgebotsstreifen betrifft - nicht durch Erteilung einer Befreiung\nschaffen. Die Voraussetzungen des hierfur einschlagigen § 31 Abs. 2 BauGB\nliegen namlich jedenfalls deshalb nicht vor, weil die in Rede stehende\nAbweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans die Grundzuge der Planung\nberuhren wurde. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Durch das Erfordernis der Wahrung der Grundzuge der Planung stellt der\nGesetzgeber sicher, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans, einer\nRechtsnorm, nicht beliebig durch Verwaltungsakt außer Kraft gesetzt werden.\nDie Änderung eines Bebauungsplans obliegt nach §§ 1 Abs. 8, 2 Abs. 1 S. 1\nBauGB der Gemeinde und nicht der Bauaufsichtsbehorde. Diese Kompetenzzuweisung\ndarf nicht durch eine großzugige Befreiungspraxis aus den Angeln gehoben\nwerden. Ob die Grundzuge einer Planung beruhrt werden, hangt von der\njeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem\nplanerischen Grundkonzept zuwider lauft. Je tiefer die Befreiung in das\nInteressengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf\neiner Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung\nmoglich ist. Eine Befreiung kann nicht als Vehikel dafur herhalten, die von\nder Gemeinde getroffene planerische Regelung beiseite zu schieben. Sie darf -\njedenfalls von Festsetzungen, die fur die Planung tragend sind - nicht aus\nGrunden erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleich gelagerter Falle\nanfuhren ließen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.03.1999 - 4 B 5.99 - NVwZ 1999,\n1110). \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Festsetzungen des Bebauungsplans „Sondergebiet Kleintierzuchtanlage"\nuber die uberbaubaren Grundstucksflachen und uber das Pflanzgebot sind fur die\nPlanung tragend. Dies entnimmt die Kammer der Begrundung zum Bebauungsplan,\naus der sich ergibt, dass die Verwirklichung der Planung einen erheblichen\nEingriff in Natur und Landschaft zur Folge hat. Mit der Festsetzung von\nObergrenzen der uberbaubaren Flachen und mit den grunordnerischen\nFestsetzungen soll dieser Eingriff in Natur und Landschaft auf das\nunumganglich notwendige Maß beschrankt und gemindert werden. Die Legalisierung\ndes bereits verwirklichten Anbaus im Wege der Befreiung ware beliebig;\nweiteren Wunschen des Klagers nach Ausdehnung der baulichen Nutzung unter\nVerstoß gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans ware Vorschub geleistet.\nDas fur derartige Wunsche vorgesehene Verfahren einer Änderung des\nBebauungsplans durch die Gemeinde wurde unterlaufen. Dementsprechend hat der\nGemeinderat sein Einvernehmen zu der Erteilung einer Befreiung zu Recht\nversagt. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Materiell baurechtswidrig ist der errichtete Anbau auch in\nbauordnungsrechtlicher Hinsicht. Insoweit nimmt die Kammer Bezug (§ 117 Abs. 5\nVwGO) auf die zutreffende Begrundung des Widerspruchsbescheids (S. 4, 5), der\nder Klager nicht entgegengetreten ist. Erganzend ist auszufuhren, dass eine\nZulassung geringerer Tiefen der Abstandsflachen nach § 6 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 LBO\nmangels tatsachlicher oder rechtlicher Besonderheiten auf dem\nNachbargrundstuck rechtlich nicht in Betracht kommt (vgl. hierzu VGH\nBad.-Wurtt., Beschl. v. 18.12.2007 - 3 S 2107/07 - juris). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Liegen nach alledem die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 65 S. 1 LBO\nvor, hatte die Baurechtsbehorde uber das Ergehen einer Abbruchsanordnung nach\npflichtgemaßem Ermessen zu entscheiden. Ermessensfehler (zu deren\ngerichtlicher Nachprufung vgl. § 114 S. 1 VwGO) sind vorliegend nicht\nersichtlich. Grundsatzlich handelt die Baurechtsbehorde in Übereinstimmung mit\ndem Zweck der gesetzlichen Ermachtigung und damit rechtmaßig, wenn sie die\nBeseitigung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage\nanordnet (Sauter, LBO, 3. Auflage, § 65 Rdnr. 44 m. w. N.). Es entspricht\nregelmaßig ordnungsgemaßer Ermessensbetatigung, unter dem Gesichtspunkt der\nGleichbehandlung und zur Vermeidung von Prazedenzfallen die Beseitigung einer\nmateriell illegalen baulichen Anlage anzuordnen. Die Duldung eines\nrechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn ganz konkrete\nAnhaltspunkte dafur sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (BVerwG,\nUrt. v. 11.04.2002 - 4 C 4.01 - NVwZ 2002, 1250). Derartige besondere Umstande\nsind hier nicht gegeben. Insbesondere sind berechtigte oder gar unabweisbare\nNutzungsinteressen des Klagers nicht anzuerkennen. Dem Klager wurde durch\nBescheid des Landratsamts Enzkreis vom 05.05.2003 baurechtlich genehmigt, das\nehemalige (erweiterte) Zuchterhaus Nr. 5 in einen Lagerraum umzunutzen.\nAnstatt dieses Gebaude sowie den mit Bescheid vom 13.07.2004 ebenfalls als\nLagerraum genehmigten Zwischenbau zum Vereinsheim der genehmigten Nutzung\nzuzufuhren, hat der Klager diese Raumlichkeiten jedenfalls zeitweise einer\ngastronomischen Nutzung zugefuhrt, ohne im Besitz einer entsprechenden\nbaurechtlichen Nutzungsanderungsgenehmigung zu sein. Auf einen weiteren\nFlachenbedarf fur Lagerzwecke kann er sich daher nicht berufen. Mulltonnen\nlassen sich gegen Vandalismus und ungebetenen Besuch von Fuchsen und Mardern\nmit zumutbarem Aufwand sichern und mussen deshalb nicht im Inneren des\nGebaudes untergebracht werden. Sieht der Klager dies anders, ist er auf die\nvorhandenen Gebaude und deren genehmigte Nutzung zu verweisen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Dass die Baurechtsbehorde bei der Ausubung ihres Ermessens zu Lasten des\nKlagers mit Blick auf Baumaßnahmen anderer Rechtstrager mit zweierlei Maß\ngemessen habe, lasst sich nicht feststellen. Von einer Beeintrachtigung des\nPflanzgebots im Bebauungsplan durch die Verlegung einer Gasleitung kann nach\nden mit Schriftsatz des Landratsamts Enzkreis vom 04.04.2007 ubersandten\nUnterlagen (Projektplan Erdgasversorgung und Stellungnahme der Gemeinde\nFriolzheim) keine Rede sein. Die vom Klager angesprochene\nGasdruckminderungsanlage ist noch nicht errichtet; fur einen kunftigen Verstoß\ngegen die Festsetzungen des Bebauungsplans durch diese Anlage ist nichts\nersichtlich. Werbeanlagen in der naheren Umgebung, die in einem baurechtlich\nrelevanten Zusammenhang zu dem abzubrechenden Anbau stehen, sind nicht\nvorhanden. Auf eine gleichheitswidrige Behandlung kann sich der Klager auch\nnicht mit Blick auf eine Beeintrachtigung des Pflanzgebotsstreifens durch\nStraßenbaumaßnahmen (Ausbau der A 8) berufen. Fur diese Maßnahmen streitet ein\nunabweisbares offentliches Interesse, wahrend der vom Klager errichtete Anbau\nwenig schutzwurdigen privaten Interessen dient. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Schließlich ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich die\nBaurechtsbehorde bei der Ausubung ihres Ermessens erganzend von der Erwagung\nhat leiten lassen, einer vom Klager in der Vergangenheit an den Tag gelegten\nPraxis des eigenmachtigen Hinwegsetzens uber die Festsetzungen des\nBebauungsplans fur die Zukunft einen Riegel vorzuschieben. Diese Praxis ist in\nden von der Kammer beigezogenen Akten fruherer baurechtlicher Verfahren\neindrucksvoll belegt. Beispielhaft sei auf die Baueinstellungsverfugung des\nLandratsamts Enzkreis vom 06.02.2003 im Zusammenhang mit der Erweiterung des\nZuchterhauses Nr. 5 und die dort dokumentierten Vorgange sowie auf den\njedenfalls zeitweiligen Betrieb einer Gaststatte in dem erweiterten\nZuchterhaus Nr. 5 und in dem Zwischenbau zum Vereinsheim ohne die\nerforderliche baurechtliche und gaststattenrechtliche Genehmigung verwiesen.\nAuf die Fortfuhrung einer in der Vergangenheit außerst großzugigen\nbehordlichen Praxis der nachtraglichen Erteilung von Genehmigungen durfte sich\nder Klager nicht verlassen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Grunde des § 124 a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO\nfur eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 15 \n--- \n| Die unbedenklich zulassige Anfechtungsklage ist nicht begrundet. Die\nAbbruchsanordnung des Landratsamts Enzkreis vom 02.05.2006 in Gestalt des\nWiderspruchsbescheids des Regierungsprasidiums Karlsruhe vom 04.10.2006 ist\nrechts- und ermessensfehlerfrei ergangen und verletzt den Klager daher nicht\nin seinen Rechten (§§ 113 Abs. 1 S. 1, 114 VwGO). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Nach § 65 S. 1 LBO kann der teilweise oder vollstandige Abbruch einer\nAnlage, die im Widerspruch zu offentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet\nwurde, angeordnet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmaßige Zustande\nhergestellt werden konnen. Eine Abbruchsanordnung setzt mit Rucksicht auf den\ndurch Artikel 14 GG gewahrleisteten Bestandsschutz voraus, dass eine bauliche\nAnlage nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist und seit ihrer Errichtung\nfortlaufend gegen materielle offentlich-rechtliche Vorschriften verstoßt\n(standige Rechtsprechung; vgl. VGH Baden-Wurttemberg, Urt. v. 16.06.2003 - 3 S\n2436/02 - VBlBW 2004, 263 m. w. N.). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Ob der umstrittene Anbau im Sinne von § 50 Abs. 1 LBO verfahrensfrei ist,\nwofur im Hinblick auf Nr. 10 des Anhangs zu § 50 Abs. 1 LBO einiges spricht,\nbedarf keiner Entscheidung; denn er ist jedenfalls nicht durch eine\nBaugenehmigung gedeckt und seit seiner Errichtung auch fortdauernd materiell\nbaurechtswidrig. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Letzteres gilt zunachst in bauplanungsrechtlicher Hinsicht. Der Klager\nraumt ein, dass der Anbau den Festsetzungen des Bebauungsplans „Sondergebiet\nKleintierzuchtanlage" hinsichtlich der uberbaubaren Grundstucksflache und des\nPflanzgebotsstreifens widerspricht. Naherer Darlegung bedarf dies deshalb\nnicht. Soweit die Überschreitung der Baugrenze in Rede steht, konnen\nrechtmaßige Zustande zum einen nicht durch eine Zulassungsentscheidung nach §\n23 Abs. 5 S. 2 BauNVO hergestellt werden; denn der Anbau ist mit Rucksicht auf\nseine Ausmaße nicht nach § 6 Abs. 1 und 2 LBO privilegiert (siehe dazu unten).\nRechtmaßige Zustande lassen sich zum andern - auch was den Eingriff in den\nPflanzgebotsstreifen betrifft - nicht durch Erteilung einer Befreiung\nschaffen. Die Voraussetzungen des hierfur einschlagigen § 31 Abs. 2 BauGB\nliegen namlich jedenfalls deshalb nicht vor, weil die in Rede stehende\nAbweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans die Grundzuge der Planung\nberuhren wurde. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Durch das Erfordernis der Wahrung der Grundzuge der Planung stellt der\nGesetzgeber sicher, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans, einer\nRechtsnorm, nicht beliebig durch Verwaltungsakt außer Kraft gesetzt werden.\nDie Änderung eines Bebauungsplans obliegt nach §§ 1 Abs. 8, 2 Abs. 1 S. 1\nBauGB der Gemeinde und nicht der Bauaufsichtsbehorde. Diese Kompetenzzuweisung\ndarf nicht durch eine großzugige Befreiungspraxis aus den Angeln gehoben\nwerden. Ob die Grundzuge einer Planung beruhrt werden, hangt von der\njeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem\nplanerischen Grundkonzept zuwider lauft. Je tiefer die Befreiung in das\nInteressengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf\neiner Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung\nmoglich ist. Eine Befreiung kann nicht als Vehikel dafur herhalten, die von\nder Gemeinde getroffene planerische Regelung beiseite zu schieben. Sie darf -\njedenfalls von Festsetzungen, die fur die Planung tragend sind - nicht aus\nGrunden erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleich gelagerter Falle\nanfuhren ließen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.03.1999 - 4 B 5.99 - NVwZ 1999,\n1110). \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Festsetzungen des Bebauungsplans „Sondergebiet Kleintierzuchtanlage"\nuber die uberbaubaren Grundstucksflachen und uber das Pflanzgebot sind fur die\nPlanung tragend. Dies entnimmt die Kammer der Begrundung zum Bebauungsplan,\naus der sich ergibt, dass die Verwirklichung der Planung einen erheblichen\nEingriff in Natur und Landschaft zur Folge hat. Mit der Festsetzung von\nObergrenzen der uberbaubaren Flachen und mit den grunordnerischen\nFestsetzungen soll dieser Eingriff in Natur und Landschaft auf das\nunumganglich notwendige Maß beschrankt und gemindert werden. Die Legalisierung\ndes bereits verwirklichten Anbaus im Wege der Befreiung ware beliebig;\nweiteren Wunschen des Klagers nach Ausdehnung der baulichen Nutzung unter\nVerstoß gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans ware Vorschub geleistet.\nDas fur derartige Wunsche vorgesehene Verfahren einer Änderung des\nBebauungsplans durch die Gemeinde wurde unterlaufen. Dementsprechend hat der\nGemeinderat sein Einvernehmen zu der Erteilung einer Befreiung zu Recht\nversagt. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Materiell baurechtswidrig ist der errichtete Anbau auch in\nbauordnungsrechtlicher Hinsicht. Insoweit nimmt die Kammer Bezug (§ 117 Abs. 5\nVwGO) auf die zutreffende Begrundung des Widerspruchsbescheids (S. 4, 5), der\nder Klager nicht entgegengetreten ist. Erganzend ist auszufuhren, dass eine\nZulassung geringerer Tiefen der Abstandsflachen nach § 6 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 LBO\nmangels tatsachlicher oder rechtlicher Besonderheiten auf dem\nNachbargrundstuck rechtlich nicht in Betracht kommt (vgl. hierzu VGH\nBad.-Wurtt., Beschl. v. 18.12.2007 - 3 S 2107/07 - juris). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Liegen nach alledem die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 65 S. 1 LBO\nvor, hatte die Baurechtsbehorde uber das Ergehen einer Abbruchsanordnung nach\npflichtgemaßem Ermessen zu entscheiden. Ermessensfehler (zu deren\ngerichtlicher Nachprufung vgl. § 114 S. 1 VwGO) sind vorliegend nicht\nersichtlich. Grundsatzlich handelt die Baurechtsbehorde in Übereinstimmung mit\ndem Zweck der gesetzlichen Ermachtigung und damit rechtmaßig, wenn sie die\nBeseitigung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage\nanordnet (Sauter, LBO, 3. Auflage, § 65 Rdnr. 44 m. w. N.). Es entspricht\nregelmaßig ordnungsgemaßer Ermessensbetatigung, unter dem Gesichtspunkt der\nGleichbehandlung und zur Vermeidung von Prazedenzfallen die Beseitigung einer\nmateriell illegalen baulichen Anlage anzuordnen. Die Duldung eines\nrechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn ganz konkrete\nAnhaltspunkte dafur sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (BVerwG,\nUrt. v. 11.04.2002 - 4 C 4.01 - NVwZ 2002, 1250). Derartige besondere Umstande\nsind hier nicht gegeben. Insbesondere sind berechtigte oder gar unabweisbare\nNutzungsinteressen des Klagers nicht anzuerkennen. Dem Klager wurde durch\nBescheid des Landratsamts Enzkreis vom 05.05.2003 baurechtlich genehmigt, das\nehemalige (erweiterte) Zuchterhaus Nr. 5 in einen Lagerraum umzunutzen.\nAnstatt dieses Gebaude sowie den mit Bescheid vom 13.07.2004 ebenfalls als\nLagerraum genehmigten Zwischenbau zum Vereinsheim der genehmigten Nutzung\nzuzufuhren, hat der Klager diese Raumlichkeiten jedenfalls zeitweise einer\ngastronomischen Nutzung zugefuhrt, ohne im Besitz einer entsprechenden\nbaurechtlichen Nutzungsanderungsgenehmigung zu sein. Auf einen weiteren\nFlachenbedarf fur Lagerzwecke kann er sich daher nicht berufen. Mulltonnen\nlassen sich gegen Vandalismus und ungebetenen Besuch von Fuchsen und Mardern\nmit zumutbarem Aufwand sichern und mussen deshalb nicht im Inneren des\nGebaudes untergebracht werden. Sieht der Klager dies anders, ist er auf die\nvorhandenen Gebaude und deren genehmigte Nutzung zu verweisen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Dass die Baurechtsbehorde bei der Ausubung ihres Ermessens zu Lasten des\nKlagers mit Blick auf Baumaßnahmen anderer Rechtstrager mit zweierlei Maß\ngemessen habe, lasst sich nicht feststellen. Von einer Beeintrachtigung des\nPflanzgebots im Bebauungsplan durch die Verlegung einer Gasleitung kann nach\nden mit Schriftsatz des Landratsamts Enzkreis vom 04.04.2007 ubersandten\nUnterlagen (Projektplan Erdgasversorgung und Stellungnahme der Gemeinde\nFriolzheim) keine Rede sein. Die vom Klager angesprochene\nGasdruckminderungsanlage ist noch nicht errichtet; fur einen kunftigen Verstoß\ngegen die Festsetzungen des Bebauungsplans durch diese Anlage ist nichts\nersichtlich. Werbeanlagen in der naheren Umgebung, die in einem baurechtlich\nrelevanten Zusammenhang zu dem abzubrechenden Anbau stehen, sind nicht\nvorhanden. Auf eine gleichheitswidrige Behandlung kann sich der Klager auch\nnicht mit Blick auf eine Beeintrachtigung des Pflanzgebotsstreifens durch\nStraßenbaumaßnahmen (Ausbau der A 8) berufen. Fur diese Maßnahmen streitet ein\nunabweisbares offentliches Interesse, wahrend der vom Klager errichtete Anbau\nwenig schutzwurdigen privaten Interessen dient. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Schließlich ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich die\nBaurechtsbehorde bei der Ausubung ihres Ermessens erganzend von der Erwagung\nhat leiten lassen, einer vom Klager in der Vergangenheit an den Tag gelegten\nPraxis des eigenmachtigen Hinwegsetzens uber die Festsetzungen des\nBebauungsplans fur die Zukunft einen Riegel vorzuschieben. Diese Praxis ist in\nden von der Kammer beigezogenen Akten fruherer baurechtlicher Verfahren\neindrucksvoll belegt. Beispielhaft sei auf die Baueinstellungsverfugung des\nLandratsamts Enzkreis vom 06.02.2003 im Zusammenhang mit der Erweiterung des\nZuchterhauses Nr. 5 und die dort dokumentierten Vorgange sowie auf den\njedenfalls zeitweiligen Betrieb einer Gaststatte in dem erweiterten\nZuchterhaus Nr. 5 und in dem Zwischenbau zum Vereinsheim ohne die\nerforderliche baurechtliche und gaststattenrechtliche Genehmigung verwiesen.\nAuf die Fortfuhrung einer in der Vergangenheit außerst großzugigen\nbehordlichen Praxis der nachtraglichen Erteilung von Genehmigungen durfte sich\nder Klager nicht verlassen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Grunde des § 124 a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO\nfur eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor. \n---\n\n |
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136,719 | lsgbw-2004-03-24-l-5-al-335503 | 128 | Landessozialgericht Baden-Württemberg | lsgbw | Baden-Württemberg | Sozialgerichtsbarkeit | L 5 AL 3355/03 | 2004-03-24 | 2019-01-07 12:01:59 | 2019-01-17 11:56:52 | Urteil | ## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin begehrt einen Zuschuss nach dem "Mainzer Modell". \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin absolvierte bis 16. Januar 2002 eine Umschulung zur\nRechtsanwaltsfachangestellten. Vom 18. Januar 2002 bis 28. Februar 2002 bezog\nsie Arbeitslosengeld. Nachdem sie sich am 18. Januar 2002 personlich bei dem\nArbeitsamt, jetzt Agentur fur Arbeit F (AA) arbeitslos gemeldet hatte,\nerfolgte am 29. Januar 2002 ein erstes Gesprach mit der Erarbeitung einer\n"Vermittlungsstrategie". Ab 1. Marz 2002 nahm sie eine Tatigkeit als\nRechtsanwaltsfachangestellte auf. Dies teilte die Klagerin mit einer\nVeranderungsmitteilung mit, die am 8. Februar 2002 beim AA einging. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit dem Runderlass vom 6. Marz 2002 teilte die Hauptstelle der Beklagten\nunter Bezugnahme auf den Runderlass vom 11. Februar 2002 den\nLandesarbeitsamter und Arbeitsamtern mit, dass nunmehr das Sonderprogramm\nMainzer Modell bundesweit zur Verfugung stehe und fugte die zwischen der\nBundesregierung und ihr (der Beklagten) geschlossene Vereinbarung zu diesem\nSonderprogramm bei. Die Richtlinien zur Durchfuhrung des Sonderprogramms\n"Mainzer Modell" - mitfinanziert aus Mitteln des Europaischen Sozialfonds\n(ESF) - wurden im Bundesanzeiger vom 28. Februar 2002 bekannt gemacht. Mit den\nnach diesen Richtlinien vorgesehenen Zuschussen zum Arbeitnehmeranteil an den\nSozialversicherungsbeitragen und Zuschlagen zum Kindergeld sollte ein Anreiz\nzur Aufnahme sozialversicherungspflichtiger Beschaftigungsverhaltnisse fur\ngering verdienende Arbeitnehmer, allein Erziehende und Kleinverdienerfamilien\nmit Kindern gesetzt werden. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Klagerin beantragte mit Schreiben vom 13. September 2002 bei dem AA den\nZuschuss nach dem sogenannten Mainzer Modell. Das AA lehnte den Antrag wegen\nverspateter Antragstellung ab (Bescheid vom 11. Oktober 2002). Leistungen nach\ndem Mainzer Modell durften nur erbracht werden, wenn sie innerhalb von sechs\nWochen nach Aufnahme des Beschaftigungsverhaltnisses beantragt worden seien.\nDa die Klagerin bereits seit 1. Marz 2002 beschaftigt sei, sei die Forderung\nausgeschlossen. Den Widerspruch der Klagerin wies die Widerspruchsstelle des\nAA zuruck (Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 2002). Das AA treffe kein\n(Mit-)Verschulden an der verspateten Antragstellung, etwa wegen unzureichender\noder unterlassener Beratung. Das Beratungsgesprach habe am 29. Januar 2002\nstattgefunden. Das Sonderprogramm sei jedoch erst am 6. Februar 2002 durch die\nBundesregierung beschlossen und mit dem Runderlass vom 11. Februar 2002\nbekannt gegeben worden. Der Arbeitsvermittler habe also zu jener Zeit mangels\nKenntnis nicht auf die kunftigen Forderungsmoglichkeiten hinweisen konnen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Klagerin hat am 29. November 2002 Klage beim Sozialgericht Freiburg\n(SG) erhoben. Die Beklagte habe die erforderliche Aufklarung und Beratung\nunterlassen. Die Beklagte, die in besonderem Maße zur Aufklarung der\nBevolkerung verpflichtet gewesen sei, habe keinerlei Aufklarungsmittel\neingesetzt, um die Allgemeinheit daruber zu informieren, dass Anspruche nach\ndem Mainzer Modell bestehen konnten. Sie verweigere deshalb\nrechtsmissbrauchlich die beantragte Leistung. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Beklagte hat geltend gemacht, Informationen uber die bundesweite\nEinfuhrung des Mainzer Modells seien ab Februar 2002 in den Nachrichten- und\nMagazinsendungen nahezu aller Fernsehprogramme sowie in der uberortlichen\nPresse verbreitet worden. Ein (von ihr vorgelegtes) Informationsblatt habe an\nder Info-Pinwand in der Eingangshalle des AA ausgehangen. Anlass fur eine\nnachgehende Initiativberatung der Klagerin habe nicht bestanden. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klagerin hat erwidert, es konne keine Rede davon sein, dass ab Mitte\nFebruar 2002 Informationen in den Nachrichten- und Magazinsendungen nahezu\naller Fernsehprogramme sowie in der uberortlichen Presse verbreitet worden\nseien und das Informationsblatt im relevanten Zeitraum ausgehangen sei. Die\nBeklagte hatte gerade bei einer Alleinerziehenden mit Kind erkennen mussen,\ndass dieser bei dem in ihrer Berufsgruppe zu erzielenden Entgelt Anspruche\nnach dem Mainzer Modell hatten zustehen konnen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Auf Anforderung des SG hat die Badische Zeitung Artikel aus ihren Ausgaben\nvom 3. Juli 2002, 13. August 2002 und 25. Marz 2003, in welchen uber das\nMainzer Modell berichtet worden ist, ubersandt. Auf Anfrage des SG hat das\nBundesministerium fur Wirtschaft und Arbeit mitgeteilt, das Bundeskabinett\nhabe am 6. Februar 2002 die Richtlinien zur Durchfuhrung des Sonderprogramms\n"Mainzer Modell" beschlossen. Anschließend habe eine Pressekonferenz\nstattgefunden und es sei eine (beigefugte) Pressemitteilung, die uber Internet\nabrufbar gewesen sei, veroffentlicht worden. Am 28. Februar 2002 seien die\nRichtlinien zur Durchfuhrung des Sonderprogramms im Bundesanzeiger\nveroffentlicht worden und am nachsten Tag in Kraft getreten. Die Beklagte habe\nihrerseits auch eine Mitteilung in Form einer (beigefugten) "Presse-\nInformationen" am 22. Marz 2002 erlassen. Sie hat ein Informationsblatt zum\nMainzer Modell sowie eine Broschure zum Mainzer Modell vom Mai 2002 ubersandt. \n--- \n| 9 \n--- \n| Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25. Juli 2003 unter\nBezugnahme auf die Begrundung des Widerspruchsbescheides abgewiesen und weiter\nausgefuhrt, auch unter Berucksichtigung des sozialrechtlichen\nHerstellungsanspruchs konne das Begehren der Klagerin keinen Erfolg haben. Die\nKlagerin habe sich am 8. Februar 2002 aus dem Leistungsbezug mit dem Bemerken\nabgemeldet, sie sei ab 1. Marz 2002 in Beschaftigung. Nahere Angaben zum\nUmfang der Beschaftigung bzw. zum Entgelt habe sie nicht gemacht. Auch habe\ndie Beklagte aus anderen Umstanden insofern keine konkreten Erkenntnisse\ngewinnen konnen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Gegen den ihrem Prozessbevollmachtigten am 30. Juli 2003 zugestellten\nGerichtsbescheid hat die Klagerin am 25. August 2003 Berufung eingelegt. Sie\nist weiter der Auffassung, die Beklagte habe ihre individuellen Beratungs- und\nHinweispflichten und auch ihre allgemeinen Aufklarungspflichten, weil die\nAllgemeinheit nicht in der gebotenen Weise uber das Sonderprogramm "Mainzer\nModell" informiert worden sei, verletzt. Die Aufklarungspflicht habe sich\ndurch die Verordnung (EG) Nr. 1159/2000 der Kommission vom 30. Mai 2000 uber\ndie von den Mitgliedstaaten zu treffenden Informations- und\nPublizitatsmaßnahmen fur die Interventionen der Strukturfonds konkretisiert. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 12 \n--- \n| den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Juli 2003 und den\nBescheid des Arbeitsamts F vom 11. Oktober 2002 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 31. Oktober 2002 aufzuheben und die Beklagte zu\nverpflichten, ihr dem Grunde nach Leistungen nach dem Sonderprogramm "Mainzer\nModell" ab 1. Marz 2002 zu bewilligen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 14 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Sie halt den Gerichtsbescheid fur zutreffend und hat Auszuge aus der BewA\nvorgelegt. \n--- \n| 16 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der\nBeklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | I. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Berufung der Klagerin ist zulassig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein\nBerufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist\nnicht gegeben. Da nach Art. 1 § 7 Abs. 1 der Richtlinien die Forderung der\neinzelnen Leistungen des Mainzer Modells bis zu 36 Monate betragt und die\nKlagerin die Dauer der begehrten Leistungen nicht eingeschrankt hat, macht sie\nLeistungen fur einen Zeitraum von mehr als einem Jahr geltend. \n--- \nII. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Klagerin ist nicht begrundet. Des SG hat die\nKlage zu Recht abgewiesen. Die Klagerin hat keinen Anspruch auf Leistungen\nnach dem Mainzer Modell. \n--- \n1. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Gewahrung von Leistungen nach dem Mainzer\nModell sind nicht gegeben, weil die Klagerin die Antragsfrist versaumte. \n--- \n| 20 \n--- \n| Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinien werden Leistungen (des Mainzer Modells)\nnur erbracht, wenn sie innerhalb von sechs Wochen nach Aufnahme des\nBeschaftigungsverhaltnisses beantragt worden sind. Diese Antragsfrist\nversaumte die Klagerin. Die Klagerin nahm ihre Beschaftigung am 1. Marz 2002 -\nan diesem Tag traten auch die Richtlinien in Kraft - auf. Der Antrag auf\nLeistungen hatte damit bis spatestens 11. April 2002 gestellt werden mussen.\nDies ist nicht erfolgt. Die Klagerin beantragte die Leistungen erst am 18.\nSeptember 2002. \n--- \n2. \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Klagerin ist nicht wegen Versaumens der Antragsfrist Wiedereinsetzung\nin den vorigen Stand zu gewahren. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches\nSozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X)\nist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewahren, wenn jemand\nohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Fristen einzuhalten. Dabei\nkommt es auf die Frage an, ob die Unkenntnis von der Frist ihre Versaumung als\nschuldlos erscheinen lasst. Letzteres ist zu verneinen und folgt aus dem\nGrundsatz der formellen Publizitat bei der Verkundung von Gesetzen. Mit der\nVerkundung gelten die Gesetze grundsatzlich allen Normadressaten als bekannt,\nohne Rucksicht darauf, ob und wann sie von ihnen tatsachlich Kenntnis erlangt\nhaben (BSG SozR 3-1200 § 13 Nr. 1, mwN; SozR 3-1300 § 27 Nr. 3). Dasselbe gilt\nfur Forderprogramme, die allgemein bekannt gegeben werden. \n--- \n3. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs liegen\nnicht vor. \n--- \n| 23 \n--- \n| Voraussetzung fur das Entstehen einer Beratungspflicht nach § 14 des Ersten\nBuches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil -(SGB I) ist ein Beratungsbegehren.\nDaran fehlt es hier. Die Klagerin suchte nicht um Beratung nach. Auch bestand\nkein konkreter Anlass - etwa wegen eines Leistungsantrages oder wegen einer\nsonstigen akuten Bearbeitung ihres Falles -, die Klagerin von sich aus zu\nberaten. Am 29. Januar 2002, dem einzigen Beratungsgesprach der Klagerin beim\nAA, waren die Richtlinien noch nicht beschlossen. Aber auch nach der Abmeldung\naus dem Leistungsbezug am 8. Februar 2002 zum 1. Marz 2002 musste das AA die\nKlagerin nicht wegen des Sonderprogramms (spontan) beraten. \n--- \n| 24 \n--- \n| Eine Pflicht zur spontanen Beratung setzt auch eine fur die Verwaltung\nerkennbare, klar zu Tage getretene Gestaltungsmoglichkeit voraus, deren\nWahrnehmung offensichtlich so zweckmaßig war, dass sie ein verstandiger\nAntragsteller mutmaßlich genutzt hatte (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2000 - B\n14 EG 10/99 R -). Zu § 115 Abs. 6 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch -\nGesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI), der als eine gesonderte Auspragung\nder in den §§ 14, 15 SGB I genannten allgemeinen Hinweis- und\nAuskunftspflichten der Sozialleistungstrager zu verstehen ist, hat die\nbisherige Rechtsprechung des BSG, mit der eine Verletzung von Hinweispflichten\nbejaht worden ist, immer zur Voraussetzung gemacht, dass die maßgeblichen\nDaten der Versicherten beim Rentenversicherungstrager gespeichert und aufgrund\nallgemeiner Kriterien abrufbar waren (SozR 3-2600 § 115 Nr. 9). \n--- \n| 25 \n--- \n| Eine Beratung der Klagerin zu der Forderung nach dem Sonderprogramm musste\nsich dem AA nicht aufdrangen, auch wenn man eine Beratungspflicht des AA\nannahme, obwohl die Klagerin sich bereits vor In-Kraft-Treten des\nSonderprogramms am 1. Marz 2002 aus dem Leistungsbezug abgemeldet hatte. Denn\ndem AA war nicht bekannt und auch nicht ersichtlich, dass die Klagerin zu dem\nforderungsfahigen Personenkreis nach Art. 2 § 1 der Richtlinien gehorte. Die\nKlagerin teilte lediglich die Beschaftigungsaufnahme mit. Sie gab aber - was\nauch nicht erforderlich war - nicht an, wie hoch ihr monatliches Einkommen\nwar. Das AA wusste somit nicht die Hohe des Einkommens der Klagerin. \n--- \n| 26 \n--- \n| Auch eine Nichterfullung der nach § 13 SGB I bestehenden Verpflichtung zur\nAufklarung kann als solche keinen Herstellungsanspruch begrunden. Zwar sind\ndie Leistungstrager, ihre Verbande und die sonstigen in diesem Gesetzbuch\ngenannten offentlich-rechtlichen Vereinigungen außerdem verpflichtet worden,\nim Rahmen ihrer Zustandigkeit die Bevolkerung uber die Rechte und Pflichten\nnach diesem Gesetzbuch aufzuklaren (§ 13 SGB I). Dennoch erwachst dem\nEinzelnen aus der allgemeinen Aufklarungspflicht der Verwaltung nach § 13 SGB\nI grundsatzlich, d.h. von Ausnahmen abgesehen, kein im Klagewege verfolgbarer\nAnspruch auf Erfullung der Aufklarungspflicht und deshalb - im Falle einer\nunterbliebenen oder ungenugenden Aufklarung - auch kein Anspruch auf\nHerstellung des Zustandes, der bei gehoriger Aufklarung bestanden hatte (BSG\nSozR 3-1200 § 13 Nr. 1, mwN; SozR 3-1300 § 27 Nr. 3). \n--- \n| 27 \n--- \n| Unabhangig davon vermag der Senat ein Informationsdefizit nicht\nfestzustellen. Das Bundesministerium fur Wirtschaft und Arbeit gab nach\nBeschlussfassung der Richtlinien entsprechende Informationen heraus, auch an\ndie Medien. Dies ergibt sich aus der vom SG eingeholten Auskunft vom 14. Juli\n2003 (Blatt 39/40 der SG-Akte). Auch erfolgten Veroffentlichungen in der\nBadischen Zeitung (Blatt 33/36 der SG-Akte). Auch die Klagerin erfuhr von den\nForderungsmoglichkeiten auf Grund eines Artikels in der Badischen Zeitung\n(Widerspruch der Klagerin vom 25. Oktober 2002). Deshalb vermag der Senat auch\nden von der Klagerin gerugten Verstoß gegen eine Aufklarungspflicht nach der\nVerordnung (EG) Nr. 1159/2000 vom 30. Mai 2000 nicht festzustellen. \n--- \n| 28 \n--- \n| Dafur, dass das AA andere potenzielle Leistungsberechtigte, die aus dem\nLeistungsbezug ausgeschieden waren, gleichwohl von sich aus wegen der\nInanspruchnahme von Leistungen nach den Richtlinien beriet und damit aufgrund\ndes allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 Abs. 1 GG), der die Verwaltung bei\nihrem Handeln unmittelbar bindet, verpflichtet war, auch die Klagerin\nentsprechend zu beraten (vgl. dazu BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 31), ist nichts\nersichtlich. \n--- \nIII. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. \n--- \n| 30 \n--- \n| Grunde, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Berufung der Klagerin ist zulassig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein\nBerufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist\nnicht gegeben. Da nach Art. 1 § 7 Abs. 1 der Richtlinien die Forderung der\neinzelnen Leistungen des Mainzer Modells bis zu 36 Monate betragt und die\nKlagerin die Dauer der begehrten Leistungen nicht eingeschrankt hat, macht sie\nLeistungen fur einen Zeitraum von mehr als einem Jahr geltend. \n--- \nII. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Klagerin ist nicht begrundet. Des SG hat die\nKlage zu Recht abgewiesen. Die Klagerin hat keinen Anspruch auf Leistungen\nnach dem Mainzer Modell. \n--- \n1. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Gewahrung von Leistungen nach dem Mainzer\nModell sind nicht gegeben, weil die Klagerin die Antragsfrist versaumte. \n--- \n| 20 \n--- \n| Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinien werden Leistungen (des Mainzer Modells)\nnur erbracht, wenn sie innerhalb von sechs Wochen nach Aufnahme des\nBeschaftigungsverhaltnisses beantragt worden sind. Diese Antragsfrist\nversaumte die Klagerin. Die Klagerin nahm ihre Beschaftigung am 1. Marz 2002 -\nan diesem Tag traten auch die Richtlinien in Kraft - auf. Der Antrag auf\nLeistungen hatte damit bis spatestens 11. April 2002 gestellt werden mussen.\nDies ist nicht erfolgt. Die Klagerin beantragte die Leistungen erst am 18.\nSeptember 2002. \n--- \n2. \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Klagerin ist nicht wegen Versaumens der Antragsfrist Wiedereinsetzung\nin den vorigen Stand zu gewahren. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches\nSozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X)\nist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewahren, wenn jemand\nohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Fristen einzuhalten. Dabei\nkommt es auf die Frage an, ob die Unkenntnis von der Frist ihre Versaumung als\nschuldlos erscheinen lasst. Letzteres ist zu verneinen und folgt aus dem\nGrundsatz der formellen Publizitat bei der Verkundung von Gesetzen. Mit der\nVerkundung gelten die Gesetze grundsatzlich allen Normadressaten als bekannt,\nohne Rucksicht darauf, ob und wann sie von ihnen tatsachlich Kenntnis erlangt\nhaben (BSG SozR 3-1200 § 13 Nr. 1, mwN; SozR 3-1300 § 27 Nr. 3). Dasselbe gilt\nfur Forderprogramme, die allgemein bekannt gegeben werden. \n--- \n3. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs liegen\nnicht vor. \n--- \n| 23 \n--- \n| Voraussetzung fur das Entstehen einer Beratungspflicht nach § 14 des Ersten\nBuches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil -(SGB I) ist ein Beratungsbegehren.\nDaran fehlt es hier. Die Klagerin suchte nicht um Beratung nach. Auch bestand\nkein konkreter Anlass - etwa wegen eines Leistungsantrages oder wegen einer\nsonstigen akuten Bearbeitung ihres Falles -, die Klagerin von sich aus zu\nberaten. Am 29. Januar 2002, dem einzigen Beratungsgesprach der Klagerin beim\nAA, waren die Richtlinien noch nicht beschlossen. Aber auch nach der Abmeldung\naus dem Leistungsbezug am 8. Februar 2002 zum 1. Marz 2002 musste das AA die\nKlagerin nicht wegen des Sonderprogramms (spontan) beraten. \n--- \n| 24 \n--- \n| Eine Pflicht zur spontanen Beratung setzt auch eine fur die Verwaltung\nerkennbare, klar zu Tage getretene Gestaltungsmoglichkeit voraus, deren\nWahrnehmung offensichtlich so zweckmaßig war, dass sie ein verstandiger\nAntragsteller mutmaßlich genutzt hatte (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2000 - B\n14 EG 10/99 R -). Zu § 115 Abs. 6 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch -\nGesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI), der als eine gesonderte Auspragung\nder in den §§ 14, 15 SGB I genannten allgemeinen Hinweis- und\nAuskunftspflichten der Sozialleistungstrager zu verstehen ist, hat die\nbisherige Rechtsprechung des BSG, mit der eine Verletzung von Hinweispflichten\nbejaht worden ist, immer zur Voraussetzung gemacht, dass die maßgeblichen\nDaten der Versicherten beim Rentenversicherungstrager gespeichert und aufgrund\nallgemeiner Kriterien abrufbar waren (SozR 3-2600 § 115 Nr. 9). \n--- \n| 25 \n--- \n| Eine Beratung der Klagerin zu der Forderung nach dem Sonderprogramm musste\nsich dem AA nicht aufdrangen, auch wenn man eine Beratungspflicht des AA\nannahme, obwohl die Klagerin sich bereits vor In-Kraft-Treten des\nSonderprogramms am 1. Marz 2002 aus dem Leistungsbezug abgemeldet hatte. Denn\ndem AA war nicht bekannt und auch nicht ersichtlich, dass die Klagerin zu dem\nforderungsfahigen Personenkreis nach Art. 2 § 1 der Richtlinien gehorte. Die\nKlagerin teilte lediglich die Beschaftigungsaufnahme mit. Sie gab aber - was\nauch nicht erforderlich war - nicht an, wie hoch ihr monatliches Einkommen\nwar. Das AA wusste somit nicht die Hohe des Einkommens der Klagerin. \n--- \n| 26 \n--- \n| Auch eine Nichterfullung der nach § 13 SGB I bestehenden Verpflichtung zur\nAufklarung kann als solche keinen Herstellungsanspruch begrunden. Zwar sind\ndie Leistungstrager, ihre Verbande und die sonstigen in diesem Gesetzbuch\ngenannten offentlich-rechtlichen Vereinigungen außerdem verpflichtet worden,\nim Rahmen ihrer Zustandigkeit die Bevolkerung uber die Rechte und Pflichten\nnach diesem Gesetzbuch aufzuklaren (§ 13 SGB I). Dennoch erwachst dem\nEinzelnen aus der allgemeinen Aufklarungspflicht der Verwaltung nach § 13 SGB\nI grundsatzlich, d.h. von Ausnahmen abgesehen, kein im Klagewege verfolgbarer\nAnspruch auf Erfullung der Aufklarungspflicht und deshalb - im Falle einer\nunterbliebenen oder ungenugenden Aufklarung - auch kein Anspruch auf\nHerstellung des Zustandes, der bei gehoriger Aufklarung bestanden hatte (BSG\nSozR 3-1200 § 13 Nr. 1, mwN; SozR 3-1300 § 27 Nr. 3). \n--- \n| 27 \n--- \n| Unabhangig davon vermag der Senat ein Informationsdefizit nicht\nfestzustellen. Das Bundesministerium fur Wirtschaft und Arbeit gab nach\nBeschlussfassung der Richtlinien entsprechende Informationen heraus, auch an\ndie Medien. Dies ergibt sich aus der vom SG eingeholten Auskunft vom 14. Juli\n2003 (Blatt 39/40 der SG-Akte). Auch erfolgten Veroffentlichungen in der\nBadischen Zeitung (Blatt 33/36 der SG-Akte). Auch die Klagerin erfuhr von den\nForderungsmoglichkeiten auf Grund eines Artikels in der Badischen Zeitung\n(Widerspruch der Klagerin vom 25. Oktober 2002). Deshalb vermag der Senat auch\nden von der Klagerin gerugten Verstoß gegen eine Aufklarungspflicht nach der\nVerordnung (EG) Nr. 1159/2000 vom 30. Mai 2000 nicht festzustellen. \n--- \n| 28 \n--- \n| Dafur, dass das AA andere potenzielle Leistungsberechtigte, die aus dem\nLeistungsbezug ausgeschieden waren, gleichwohl von sich aus wegen der\nInanspruchnahme von Leistungen nach den Richtlinien beriet und damit aufgrund\ndes allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 Abs. 1 GG), der die Verwaltung bei\nihrem Handeln unmittelbar bindet, verpflichtet war, auch die Klagerin\nentsprechend zu beraten (vgl. dazu BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 31), ist nichts\nersichtlich. \n--- \nIII. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. \n--- \n| 30 \n--- \n| Grunde, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. \n---\n\n |
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136,873 | lg-freiburg-2005-03-16-7-ns-300-js-13004-a | 131 | Landgericht Freiburg | lg-freiburg | Freiburg | Baden-Württemberg | Ordentliche Gerichtsbarkeit | Landgericht | 7 Ns 300 Js 130/04 AK 71/04 | 2005-03-16 | 2019-01-07 12:03:31 | 2019-01-17 11:57:00 | Urteil | ## Tenor\n\nAuf die Berufung der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Schoffengerichts\nEmmendingen vom 18.05.2004 mit den zu Grunde liegenden Feststellungen\naufgehoben, soweit es das Tatgeschehen vom 02.01.2004 betrifft.\n\nInsoweit wird die Sache an das Landgericht Freiburg- Schwurgerichtskammer -\nverwiesen, das auch uber die diesen Teil betreffenden Kosten des\nBerufungsverfahrens zu entscheiden hat.\n\nDie diesbezugliche Berufung des Angeklagten ist damit gegenstandslos.\n\nIm Übrigen wird auf die Berufung der Staatsanwaltschaft das angefochtene\nUrteil im Rechtsfolgenausspruch abgeandert und insoweit wie folgt neu gefasst:\n\nDer Angeklagte R. wird wegen Korperverletzung in 3 Fallen unter Einbeziehung\nder Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Lahr vom 29.10.2003 - 3 Ds 9 Js\n8327/03 - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt, deren\nVollstreckung durch die erlittene Untersuchungshaft erledigt ist.\n\nDie Berufung des Angeklagten wird verworfen.\n\nDer Angeklagte tragt die ubrigen Kosten des Berufungsverfahrens und die\ndadurch entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklage.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Durch Urteil des Amtsgerichts - Schoffengerichts - Emmendingen vom\n18.05.2004 wurde der Angeklagte wegen Korperverletzung in 3 Fallen unter\nEinbeziehung des Urteils (gemeint ist: unter Einbeziehung der Strafe aus dem\nUrteil) des Amtsgerichts Lahr vom 29.10.2003 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe\nvon 9 Monaten verurteilt. Des weiteren wurde er wegen gefahrlichen Eingriffs\nin den Straßenverkehr, tateinheitlich begangen mit versuchter gefahrlicher\nKorperverletzung und Sachbeschadigung, zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren 6\nMonaten verurteilt. Die Fahrerlaubnis wurde ihm entzogen, sein Fuhrerschein\neingezogen und eine Sperrfrist von 2 Jahren festgesetzt. Gegen dieses Urteil\nlegten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft jeweils form- und\nfristgerecht Berufung ein, wobei die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel auf\nden Rechtsfolgenausspruch beschrankte. In der Berufungshauptverhandlung\nbeschrankte der Angeklagte seine Berufung hinsichtlich der Tatvorwurfe vom\n09.03.2003 und 22.03.2003 ebenfalls wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch. Das\nRechtsmittel des Angeklagten, der den Wegfall des Schuldspruchs wegen\ngefahrlichen Eingriffs in den Straßenverkehr sowie eine mildere Bestrafung\nerstrebte, blieb ohne Erfolg. Die Berufung der Staatsanwaltschaft fuhrte zu\neiner hoheren Gesamtfreiheitsstrafe hinsichtlich der Taten vom 09.03.2003 und\n22.03.2003. Bezuglich des angeklagten Tatgeschehens vom 02.01.2004 hielt die\nStrafkammer gemaß § 74 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 - 5 GVG die Zustandigkeit der\nSchwurgerichtskammer fur gegeben, so dass gemaß § 328 Abs. 2 StPO zu verfahren\nwar. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Kammer ist davon ausgegangen, dass die zwischenzeitlich durch den\nAngeklagten erklarte Rucknahme des Rechtsmittels gegen das Urteil des\nSchoffengerichts Emmendingen unwirksam ist, so dass in der\nBerufungshauptverhandlung uber seine weiterhin zulassige Berufung entschieden\nwerden musste. Zwar hatte der Angeklagte durch Anwaltsschreiben vom\n22.06.2004, per Telefax eingegangen am selben Tag, sein mit Schriftsatz vom\n25.05.2004 eingelegtes Rechtsmittel zuruckgenommen, doch ist diese\nRechtsmittelrucknahme unwirksam (vgl. dazu den ahnlich gelagerten Fall in BGH\nNJW 2004, 1885). Vorangegangen war namlich folgendes: Nachdem die\nStaatsanwaltschaft am 18.05.2004 Berufung und der Verteidiger am 25.05.2004\nRechtsmittel eingelegt hatten, teilte der Verteidiger mit am 07.06.2004\neingegangenem Schriftsatz dem Schoffengericht folgendes mit: \n--- \n| 3 \n--- \n| „In dem Strafverfahren gegen R. konnte ich mit Herrn Oberstaatsanwalt Dr.\nG. eine Verstandigung dahingehend erzielen, dass sobald die Urteilsgrunde\nschriftlich abgefasst wurden, der Haftbefehl gegen den Angeklagten außer\nVollzug gesetzt werden kann, dass ich nach Freilassung des Angeklagten das von\nmir eingelegte Rechtsmittel zurucknehme und dass nach Eingang meiner\nRechtsmittelrucknahme auch die Staatsanwaltschaft die von dort eingelegte\nBerufung zurucknimmt. Anschließend sollten die Akten direkt zur\nStaatsanwaltschaft zur Einleitung der Vollstreckung gegeben werden. Dies hatte\nfur den Angeklagten den erheblichen Vorteil, dass er dann, da er sich zum\nZeitpunkt der Vollstreckung auf freiem Fuß befindet, direkt zum Strafantritt\nin die offene Abteilung der JVA Kislau geladen wurde. Er konnte dann als\nSelbststeller sehr schnell Vollzugslockerungen erhalten. Als Auflage im Rahmen\nder Außervollzugsetzung kann eine Sicherheitsleistung in Hohe von 5.000 Euro,\neine tagliche Meldeauflage beim Polizeirevier Achern und die Pflicht zur\nWohnsitznahme beim Bruder des Angeklagten sowie ggf. andere, in das Ermessen\ndes Gerichts gestellte Auflagen verhangt werden. Die Außervollzugsetzung gegen\nAuflagen ist moglich, da der Haftbefehl nicht nur der Sicherung des\nVerfahrens, sondern auch der Sicherung der Vollstreckung dient.\nOrganisatorisch wichtig ist die Freilassung des Angeklagten vor\nBerufungsrucknahme, da ansonsten die Untersuchungshaft direkt in Strafhaft\nubergehen wurde." \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Staatsanwaltschaft erklarte dazu mit Schreiben vom 15.06.2004: \n--- \n| 5 \n--- \n| „Im Anschluss an das gefuhrte Telefonat beantrage ich, den Haftbefehl des\nAmtsgerichts Emmendingen gegen Auflagen außer Vollzug zu setzen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Auflagen: \n--- \n| 7 \n--- \n| 1\\. absolutes Kontaktverbot bezuglich der Geschadigten R. \n--- \n| 8 \n--- \n| 2\\. wochentliche Meldung beim zustandigen Polizeiposten, \n--- \n| 9 \n--- \n| 3\\. Mitteilung des Wechsels der Arbeitsstelle bzw. des Wechsels des\nWohnsitzes." \n--- \n| 10 \n--- \n| Im Anhorungsprotokoll des Amtsgerichts vom 22.06.2004 ist folgendes\nfestgehalten: \n--- \n| 11 \n--- \n| „Vorgefuhrt aus der Untersuchungshaft wird Herr R.. Des weiteren anwesend\nHerr Rechtsanwalt K. \n--- \n| 12 \n--- \n| Herr R. wird von der geplanten Außervollzugsetzung des Haftbefehls in\nKenntnis gesetzt. Es wird ihm mitgeteilt, dass er jeglichen Kontakt zu seiner\ngetrennt lebenden Ehefrau zu unterlassen hat. Ein mogliches Treffen mit dem\nKind muss von den Anwalten abgesprochen werden und hat allenfalls beim\nKinderschutzbund in Emmendingen stattzufinden. \n--- \n| 13 \n--- \n| Es ergeht sodann der aus der Anlage ersichtliche Beschluss. \n--- \n| 14 \n--- \n| Herrn R. werden die Auflagen nochmals erklart. Er erklart, dass er alles\nverstanden hat. Rechtsanwalt K. ermahnt gleichermaßen seinen Mandanten. Er\nerklart erganzend, dass er dafur Sorge tragen wird, dass die Kaution beim\nAmtsgericht in Achern einbezahlt wird. Er bittet um Übersendung per Fax eines\nBeschlusses." \n--- \n| 15 \n--- \n| Der als Anlage erwahnte Beschluss beinhaltet die Außervollzugsetzung des\nHaftbefehls unter verschiedenen Bedingungen (Kontaktverbot zu R., Meldepflicht\n3 Mal wochentlich, Hinterlegung einer Kaution und Wohnsitznahme beim Bruder).\nNoch am gleichen Tag, dem 22.06.2004, ging die Rechtsmittelrucknahme des\nVerteidigers per Telefax beim Amtsgericht ein. \n--- \n| 16 \n--- \n| Am 23.06.2004 legte die Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss vom\n22.06.2004 uber die Außervollzugsetzung des Haftbefehls Beschwerde ein, worauf\ndas Amtsgericht noch am 23.06.2004 - ersichtlich ohne Anhorung des Angeklagten\n- folgenden Beschluss erließ: \n--- \n| 17 \n--- \n| „Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des\nAmtsgerichts Emmendingen vom 22.06.2004, mit dem wahrend des Protokolldiktats\nder Haftbefehl des Amtsgerichts Emmendingen vom 03.01.2004, gemeint war der\nHaftbefehl des Amtsgerichts Emmendingen vom 04.03.2004, außer Vollzug gesetzt\nwurde, aufgehoben. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Haftbefehl des Amtsgerichts Emmendingen vom 04.03.2004 bleibt somit\naufrechterhalten. Die Haftfortdauer wird angeordnet. \n--- \n| 19 \n--- \n| Grunde: \n--- \n| 20 \n--- \n| Nach dem Diktat des Beschlusses bezuglich der Außervollzugsetzung des\nHaftbefehls und vor Unterzeichnung kamen dem Gericht aufgrund der vom\nVerurteilten gezeigten Verhaltensweisen im Zusammenhang mit den Erlauterungen\nder Auflagen, die weiterhin keine ersichtliche Einsicht erkennen ließen,\ngroßte Bedenken, dass er sich an das Kontaktverbot halten wird. Mit stoischem\nGesichtsausdruck, der keinerlei Regungen erkennen ließ, nahm er die Belehrung\nzur Kenntnis. Auch eine weitere Belehrung seines Verteidigers, zum Beispiel\ndahingehend, dass eine Ohrfeige zum Nachteil der R. 6 Monate mindestens\nbedeuten wurden, nahm er regungslos zur Kenntnis. Diese Feststellungen wurden\nHerrn Oberstaatsanwalt Dr. G. ubermittelt. Daraufhin legte er gegen den\nAußervollzugsetzungsbeschluss Beschwerde ein mit folgender Begrundung:\n‚Aufgrund der Angaben von Herrn Richter am Amtsgericht S. sind die\nErwartungen, die an das Verhalten des Verurteilten mit der geplanten\nAußervollzugsetzung des Haftbefehls verbunden waren, in Frage gestellt. Nur\ndie geringste Gefahr einer Nichterfullung der Weisungen und Auflagen kann\nnicht hingenommen werden, da in diesem Zusammenhang auch ein schwerwiegenderes\nVorgehen des Verurteilten gegenuber seiner Frau bis hin zu weiteren -\nmoglicherweise nicht unerheblichen - Straftaten nicht ausgeschlossen werden\nkann.\' \n--- \n| 21 \n--- \n| Dieser Einschatzung schließt sich das Gericht an. Aufgrund der gezeigten\nVerhaltensweisen drangten sich großte Bedenken auf, dass er sich nicht an das\nKontaktverbot halten wird; aus diesem Grunde geht das Gericht nunmehr\nweiterhin vom Haftgrund der Wiederholungsgefahr aus, so dass der\nAußervollzugsetzungsbeschluss aufzuheben war." \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Zur Berufungsrucknahme des Verteidigers fertigte der Vorsitzende des\nSchoffengerichts am 23.06.2004 einen Aktenvermerk mit folgendem Inhalt: \n--- \n| 23 \n--- \n| „Alle Verfahrensbeteiligten, auch der Unterzeichner, gingen und gehen davon\naus, dass die Berufungsrucknahme nur vor dem Hintergrund der Freilassung des\nVerurteilten vor Rechtskraft des Urteils abgegeben wurde. Dies sollte zur\nFolge haben, dass sich der Verurteilte aus Freiheit dem Strafantritt selbst\nhatte stellen konnen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Da aufgrund der gegen Ende des Anhorungstermins vom 22.06.2004 gemachten\nFeststellungen der Beschwerde der Staatsanwaltschaft abgeholfen wurde, ist\ndies nicht mehr gegeben." \n--- \n| 25 \n--- \n| Infolge der Art und Weise dieses gesamten Vorgehens ist die\nRechtsmittelrucknahme des erkennbar auf dem Gedanken sofortiger Haftentlassung\nfixierten Angeklagten wegen hierdurch hervorgerufener schwerwiegender\nWillensmangel als unwirksam zu werten (so auch BGH a.a.O.). \n--- \n| 26 \n--- \n| II. Zu den personlichen Verhaltnissen des Angeklagten hat die Strafkammer\nfolgende Feststellungen getroffen: \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Angeklagte R. wurde am … in K./Kasachstan als zweites Kind seiner\nEltern geboren. Er hat noch einen 4 Jahre alteren Bruder und zwei\nHalbschwestern aus der ersten Ehe seines Vaters. Sein Vater arbeitete als\nSchweißer, seine Mutter halbtags als Putzfrau, beide im gleichen großen\nBetrieb. Die Eltern seiner Mutter sind deutschstammig. Nach dem Besuch des\nKindergartens wurde der Angeklagte mit 8 Jahren eingeschult und besuchte 8\nJahre lang die Schule. Im Anschluss daran ging er 3 Jahre lang zur\nBerufsschule und erlernte den Beruf des Elektrikers. Es folgte eine\nWehrdienstzeit von 2 Jahren, die er im Kaukasus ableistete, ca. zwei\nFlugstunden von seiner Heimat entfernt. Im Fruhjahr 1989 fand der Angeklagte\neine Anstellung als Elektriker im gleichen Betrieb, in dem auch seine Eltern\nbeschaftigt gewesen waren. Als gegen Ende des Jahres 1989 seine Eltern Rentner\nwurden, ubersiedelte der Angeklagte mit ihnen nach Deutschland, um hier\ngemeinsam als Spataussiedler eine neue Zukunft zu suchen. Sein mittlerweile\nverheirateter Bruder folgte ihnen etwa ein Jahr spater. \n--- \n| 28 \n--- \n| Nachdem die Familie ungefahr ein Jahr lang im Übergangsheim in Achern, dem\nfruheren Seehotel, gelebt hatte, konnte Anfang 1991 eine eigene Wohnung in\nAchern bezogen werden. Der Angeklagte absolvierte einen 6-monatigen Sprachkurs\nund fand danach eine Arbeitsstelle in einer Mobelfabrik. Nach 6 Monaten wurde\ner jedoch arbeitslos und besuchte einen 8-monatigen Intensivsprachkurs. Im\nAnschluss daran fand er eine Stelle als Elektriker bei der Fa. E. in L.. Wegen\nder schlechten Auftragslage wurde ihm nach zwei Jahren gekundigt, worauf er\nein halbes Jahr lang arbeitslos war. Fur ein weiteres halbes Jahr nahm der\nAngeklagte an einer Fortbildungsmaßnahme in seinem Beruf teil, die vom\nArbeitsamt finanziert wurde. Nach einem 2-monatigen Praktikum bei der Fa. S.\nin F. wurde er dort ubernommen und blieb fur rund 2 Jahre bis 1996. Am\n01.11.1996 wechselte er zur Fa. B., wo er bis zum Oktober 2003 als\nElektroinstallateur tatig war. Wegen der schlechten Auftragslage wurde ihm\ngekundigt; seitdem ist er arbeitslos. \n--- \n| 29 \n--- \n| Im Jahre 1995 lernte der Angeklagte seine erste Freundin kennen, die\nalsbald von ihm schwanger wurde. Noch vor der Geburt des gemeinsamen Sohnes am\n… ging die Beziehung wieder auseinander. Zu beiden hat der Angeklagte keinen\nKontakt mehr. Im Fruhjahr 1996 lernte der Angeklagte die aus Tadschikistan\nstammende Russlanddeutsche R. kennen, die er am 1996 heiratete. Am … wurde die\ngemeinsame Tochter geboren. Als der Angeklagte im Februar 2002 begann, seinem\nBruder bei dem Bau seines Wohnhauses zu helfen, und bis zum Dezember 2002\nnahezu taglich bis 22.00 Uhr abwesend war, kam es zu einer Ehekrise, die sich\nso weit zuspitzte, dass seine Ehefrau Ende Januar 2003 die eheliche Wohnung\nverließ und zur Familie ihres Bruders nach E. zog. Wenige Wochen spater\nreichte sie die Scheidung ein. Seit dem Sommer 2004 ist die Scheidung\nrechtskraftig. Seine Ehefrau nahm zwischenzeitlich wieder ihren Madchennamen\nan. \n--- \n| 30 \n--- \n| Der Angeklagte ist wie folgt vorbestraft: \n--- \n| 31 \n--- \n| Am 29.10.2003 verurteilte ihn das Amtsgericht Lahr - 3 Ds 9 Js 8327/03 -\nwegen gefahrlicher Korperverletzung in Tateinheit mit Korperverletzung zu 7\nMonaten Freiheitsstrafe mit Bewahrung. \n--- \n| 32 \n--- \n| Nach den Feststellungen des Urteils befand sich die Ehefrau des Angeklagten\nam 21.05.2003 in der fruheren gemeinsamen Wohnung in K., nachdem sie dem\nAngeklagten zuvor telefonisch angekundigt hatte, dass sie ihre Sachen abholen\nwolle. Obwohl dem Angeklagten bekannt war, dass er sich auf Grund eines\nBeschlusses des Amtsgerichts E. vom 17.04.2003 von seiner Ehefrau 100 m\nentfernt zu halten hatte, begab er sich im Treppenhaus seines Anwesens zu ihr,\nnachdem er den seine Ehefrau begleitenden Arbeitskollegen G. durch Schließen\nder Hauseingangstur ausgesperrt hatte. Sodann schlug der Angeklagte auf seine\nEhefrau ein. Als G sich an der Tur bemerkbar machte, offnete er diesem kurz\ndie Tur, begab sich aber sofort wieder zu seiner zwischenzeitlich in den\nKeller gefluchteten Ehefrau, woraufhin er sie wieder am Kopf packte und\nzuschlug. Zwischenzeitlich fiel sie auf den Boden, woraufhin er ihr mit dem\nbeschuhten Fuß in den Bauch trat. Der Zeuge G., der daraufhin zwischen den\nAngeklagten und seine Ehefrau trat, wurde von dem weiter um sich schlagenden\nAngeklagten ebenfalls im Bereich der Schulter und des Beines getroffen. Seine\nEhefrau erlitt durch diese Schlage blaue Flecken am ganzen Korper und\nerhebliche Hamatome im Bereich des Gesichts. Sie war eine Woche lang krank\ngeschrieben. G. erlitt durch die Schlage Schmerzen am linken Rippenbogen, im\nBereich der linken Schulter und am linken Bein. \n--- \n| 33 \n--- \n| Im vorliegenden Verfahren wurde der Angeklagte am 02.01.2004 vorlaufig\nfestgenommen; seit dem 03.01.2004 befindet er sich ununterbrochen in\nUntersuchungshaft. \n--- \n| 34 \n--- \n| III. Infolge der wirksamen Beschrankungen der Berufungen hinsichtlich der\nTatvorwurfe vom 09.03.2003 und 22.03.2003 sind der diesbezugliche Schuldspruch\nund die ihn tragenden tatsachlichen Feststellungen des Schoffengerichts in\nRechtskraft erwachsen, so dass folgender Sachverhalt zu Grunde zu legen ist: \n--- \n| 35 \n--- \n| Die 1. Tat: \n--- \n| 36 \n--- \n| Der Angeklagte war am 09.03.2003 gegen 19.00 Uhr in der Wohnung seines\nSchwagers und seiner Schwagerin in E., um mit seiner von ihm getrennt lebenden\nEhefrau zu reden und die gemeinsame Tochter zu besuchen. Hierbei kam es zum\nStreit. In dessen Verlauf schlug der Angeklagte ohne Grund seiner Schwagerin,\nder Geschadigten B., einmal mit der Faust in das Gesicht sowie einmal mit der\nFaust gegen den Kopf, wobei er das Ohr traf. Hierdurch riss ein Ohrring der\nGeschadigten aus seinem Loch heraus, und die Geschadigte erlitt eine blutende\nWunde. \n--- \n| 37 \n--- \n| Die 2. Tat: \n--- \n| 38 \n--- \n| Als wahrend dieses Geschehens seine Ehefrau dazwischen ging, schlug der\nAngeklagte ihr zweimal mit der Faust gegen den Kopf. Einmal traf er sie an der\nSchlafe, ein zweites Mal im Nasen-Augen-Bereich. Die Geschadigte erlitt\nSchmerzen sowie Hamatome im Bereich des Auges. \n--- \n| 39 \n--- \n| Die 3. Tat: \n--- \n| 40 \n--- \n| Am 22.03.2003 zwischen 10.30 Uhr und 11.00 Uhr griff der Angeklagte in\nseiner Wohnung in L. ohne Grund seine getrennt lebende Ehefrau an, als diese\npersonliche Gegenstande aus der ehemals gemeinsamen Wohnung holen wollte. Er\npackte sie kraftig an den Oberarmen, wodurch sie Schmerzen und Hamatome an den\nArmen erlitt. Anschließend trat er sie mit den Fußen in den Bauch und schlug\nsie gegen das Kinn, wodurch sie weitere starke Schmerzen erlitt. Weiterhin\nerlitt sie am Kinn Hamatome. \n--- \n| 41 \n--- \n| Durch diese 3 Taten hat sich der Angeklagte der vorsatzlichen\nKorperverletzung in 3 Fallen gemaß §§ 223, 53 StGB strafbar gemacht. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| IV. Bei der Strafzumessung hat die Kammer zugunsten des Angeklagten\nberucksichtigt, dass er zum damaligen Zeitpunkt nicht vorbestraft war und die\nTaten in vollem Umfang eingeraumt hat. Auch fiel ins Gewicht, dass es sich um\nfamiliare Auseinandersetzungen im Rahmen einer Ehescheidung handelte. \n--- \n| 43 \n--- \n| Auf der anderen Seite durfte jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass\nder Angeklagte jeweils aus geringfugigem Anlass mehrfach zugeschlagen bzw.\nsogar getreten hat, wodurch die Geschadigten nicht unerheblich verletzt\nwurden, wie sich aus den Lichtbildern in Band II AS 413 und AS 537-543 ergab.\nWegen der Einzelheiten der Verletzungen wird gemaß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO\nausdrucklich auf diese Lichtbilder verwiesen. \n--- \n| 44 \n--- \n| Die Kammer hat alle wesentlichen fur und gegen den Angeklagten sprechenden\nGesichtspunkte gegeneinander abgewogen und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass\nauf Grund des Umstands, dass der Angeklagte im Fruhjahr 2003 binnen kurzer\nZeit mehrfach Korperverletzungen begangen hat, zur nachhaltigen Einwirkung auf\nihn kurzfristige Freiheitsstrafen verhangt werden mussten (§ 47 Abs. 1 StGB).\nIm Einzelnen hielt die Kammer folgende Freiheitsstrafen fur angemessen: \n--- \n| 45 \n--- \n| fur die 1. Tat vom 09.03.2003: 3 Monate Freiheitsstrafe. \n--- \n| 46 \n--- \n| fur die 2. Tat vom 09.03.2003: 3 Monate Freiheitsstrafe. \n--- \n| 47 \n--- \n| fur die 3. Tat vom 22.03.2003: 4 Monate Freiheitsstrafe. \n--- \n| 48 \n--- \n| Da samtliche Taten vor dem Urteil des Amtsgerichts Lahr vom 29.10.2003\nbegangen wurden, musste gemaß § 55 StGB mit der dort verhangten\nFreiheitsstrafe von 7 Monaten eine nachtragliche Gesamtstrafe gebildet werden.\nDie Kammer hat dabei noch einmal die Gleichartigkeit der Vorgehensweise, den\nengen zeitlichen und situativen Zusammenhang sowie insbesondere die Situation\nder Ehescheidung berucksichtigt und aus diesen insgesamt 4\nEinzelfreiheitsstrafen unter Erhohung der Einsatzstrafe von 7 Monaten eine\nGesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr gebildet. Diese Strafe entspricht dem\nUnrechtsgehalt der Taten im Rahmen der personlichen Schuld des Angeklagten. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Eine Strafaussetzung zur Bewahrung gemaß § 56 Abs. 1 StGB kam nicht in\nBetracht, da sich der Angeklagte schon langer als 1 Jahr in Untersuchungshaft\nbefindet und die verhangte Strafe durch die Untersuchungshaft verbußt ist\n(vgl. Trondle/Fischer StGB 52. Auflage, § 51 Rn 4-8; § 56 Rn 2 mwN). \n--- \n| 50 \n--- \n| V. In der Berufungshauptverhandlung wurde daruber hinaus folgender\nSachverhalt festgestellt: \n--- \n| 51 \n--- \n| In der Nacht zum 02.01.2004 wurde der Pkw des Angeklagten von Unbekannten\nbeschadigt. Die Heckscheibe war eingeschlagen, und 3 Reifen waren\ndurchstochen; der Sachschaden lag bei rund 1.400 Euro. Im Hinblick auf die\nfortdauernden Streitigkeiten mit seiner Ehefrau wegen der\nScheidungsverhandlungen vermutete der Angeklagte, seine Ehefrau konnte die\nBeschadigungen an seinem Pkw verursacht oder durch andere in Auftrag gegeben\nhaben. Schon bei der Anzeigenaufnahme durch die Polizei geriet er in Zorn und\naußerte gegenuber dem Zeugen PK R., dass es wegen dieser Sache heute noch\nrichtig krachen wurde. Im Anschluss an die Anzeigenaufnahme wechselte er die\nReifen und fuhr gegen 11.30 Uhr zur Arbeitsstelle seiner Ehefrau, der Backerei\nF. in M., um sie wegen der Beschadigung seines Pkw zur Rede zu stellen. Trotz\neines bestehenden Hausverbots versuchte er durch den Seiteneingang in die\nBackerei einzudringen. Seine Ehefrau hatte ihn jedoch kommen gesehen und lief\nvon der Backstube in den Verkaufsraum, wo sie die Zeugin F. bat, die Polizei\nzu rufen, da der Angeklagte hinter ihr her sei. Zufallig kam der Vater der\nZeugin hinzu, erfasste sofort die Situation und verwies den Angeklagten aus\nden Raumlichkeiten. Der Angeklagte ging daraufhin zu seinem Pkw zuruck,\nverfolgt von der Zeugin F., die ihm an seinem Fahrzeug noch einmal\neindrucklich klar machte, dass er sich zu entfernen habe und nicht mehr\nwiederkommen durfe. \n--- \n| 52 \n--- \n| Über diese Abfuhr verargert und bestarkt in seiner Vermutung, seine Ehefrau\nmusse etwas mit den Beschadigungen an seinem Pkw zu tun haben, beschloss der\nAngeklagte, es seiner Ehefrau heimzuzahlen und ihr einen großen Schaden\nzuzufugen. Er fuhr zuruck zu seiner Wohnung, holte aus dem Terrassenbereich\neinen ca. 10 cm im Durchmesser starken Wackerstein und fuhr zu dem zwischen\nMahlberg und Orschweier gelegenen Friedhof. Dort parkte er seinen Pkw auf dem\nParkplatz, der durch Baume und Busche verdeckt von der vorbeifuhrenden\nKreisstraße nicht einsehbar war, nahm den Wackerstein in die Hand und wartete\nhinter einem Gebusch an der Friedhofseinfahrt. Er wusste namlich, dass seine\nEhefrau nach Arbeitsende gegen 12.30 Uhr ublicherweise auf dieser Strecke nach\nHause fuhr und war davon uberzeugt, dass es auch an diesem Tag so sein wurde.\nIn seiner Verargerung und Wut nahm er sich vor, seiner Ehefrau aufzulauern und\nihr - wenn sie nichts ahnend vorbei fuhr - mit großer Kraft den schweren\nWackerstein gegen das herannahende bzw. vorbeifahrende Auto zu schleudern.\nDabei rechnete er damit, dass der Stein durchaus auch die Windschutzscheibe\noder ein Seitenfenster durchschlagen konnte, wodurch seine Ehefrau todlich\ngetroffen oder zumindest schwer verletzt werden konnte. Diese nicht\nbeabsichtigte Folge nahm er gleichwohl billigend in Kauf. Er zog auch in\nErwagung, dass durch einen kraftigen Aufprall des Wackersteins auf das\nFahrzeug - ohne Durchschlagung einer Scheibe - seine Ehefrau so sehr\nerschreckt werden konnte, dass sie eine reflexartige Lenkbewegung machen und\nbei hoher Geschwindigkeit von der Fahrbahn abkommen konnte, wodurch sie\nebenfalls schwer verletzt oder getotet werden konnte. Auch diese nicht\nbeabsichtigte Folge nahm er gleichwohl billigend in Kauf. Auf jeden Fall war\nihm klar, dass er bei dem geplanten Steinwurf auf das herannahende oder\nvorbeifahrende Auto seiner Ehefrau es nicht in der Hand hatte, wo genau der\nkraftig geschleuderte Stein aufprallen wurde. \n--- \n| 53 \n--- \n| Als er kurz nach 12.30 Uhr den ihm gut bekannten Pkw seiner Ehefrau, die\nsich mit einer Geschwindigkeit von 70 - 80 km/h naherte, bemerkte, hielt er\nsich wurfbereit und wartete ab, bis der Pkw nahe genug herangekommen war. Dann\nlief er aus der Friedhofseinfahrt heraus die wenigen Meter bis zum Straßenrand\nund schleuderte von dort aus kraftvoll den Stein auf den Pkw seiner Ehefrau,\nder etwa 5 m entfernt war. Seine Ehefrau sah wenige Meter vor der\nFriedhofseinfahrt plotzlich den Angeklagten, den sie sofort erkannte, aus dem\nSchutz des Gebuschs laufen und den Stein gegen ihr Fahrzeug schleudern. Da die\nZeit fur eine Reaktion wie Ausweichen oder Bremsen zu kurz war, zumal sich auf\nder Gegenfahrbahn in ca. 70 m Entfernung ein Lkw naherte, hielt sie das\nLenkrad fest und bemuhte sich, auf ihrer Fahrspur zu bleiben, wobei sie nach\nwenigen Sekunden die Geschwindigkeit deutlich verringerte. Der Stein traf den\nrechten Holm zwischen Windschutzscheibe und Seitenfenster, rutschte etwas\nentgegen der Fahrtrichtung, durchschlug das Seitenfenster der Beifahrertur und\nkam im Fußraum der Fahrerseite zu liegen. Auch die Windschutzscheibe wurde\nbeschadigt und splitterte teilweise. Voller Glassplitter und sehr geschockt\nuberlegte seine Ehefrau sich zuerst, zu ihrer Arbeitsstelle zuruckzufahren, um\ndort Hilfe zu bekommen. Wahrend sie relativ langsam in Richtung Ettenheim\nfuhr, bemerkte sie nach kurzer Zeit durch einen Blick in den Ruckspiegel, dass\nder Angeklagte ihr mit seinem Pkw folgte. In großer Angst vor weiteren\nAngriffen beschleunigte sie ihre Fahrt und bemuhte sich, den Angeklagten\nabzuschutteln, was ihr schließlich bei Mahlberg gelang. Über ihr Handy rief\nsie die Polizei an, wobei man ihr riet, sofort zum Polizeirevier nach\nEttenheim zu kommen. Da sie nicht wusste, wo das Revier in Ettenheim liegt,\nfuhr sie stattdessen zu dem ihr bekannten Polizeiposten in Kippenheim, wo sie\nden Vorfall meldete und um Schutz bat. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| VI. Der Angeklagte hat den außeren Tathergang im Wesentlichen eingeraumt\nund dazu angegeben, er habe lediglich die Absicht gehabt, den Pkw seiner\nEhefrau zu beschadigen. Beim Wurf des Steins sei dieser ihm wohl aus der Hand\ngerutscht und habe den Pkw im Bereich der Scheiben getroffen, was er aber\nnicht beabsichtigt gehabt habe. Auf keinen Fall habe er eine Verletzung oder\ngar den Tod seiner Frau beabsichtigt bzw. damit gerechnet. \n--- \n| 55 \n--- \n| Die Kammer ist dieser Einlassung des Angeklagten nicht gefolgt, sondern\ndavon uberzeugt, dass er sich der Gefahrlichkeit seines Tuns durchaus bewusst\nwar und die nahe liegenden Folgen einer schweren Verletzung bis hin zum Tod\nder Fahrzeuglenkerin billigend in Kauf genommen hat. Ware es dem Angeklagten\nnamlich nur darum gegangen, den Pkw seiner Ehefrau zu beschadigen, um damit\nRache zu uben fur die Beschadigung seines eigenen Pkw, hatte es naher gelegen,\nsich zu dem an ihrer Arbeitsstelle geparkten Fahrzeug zu begeben und\nbeispielsweise durch einige feste Tritte mit dem beschuhten Fuß einen nicht\nunbedeutenden Schaden herbeizufuhren. Stattdessen besorgte sich der Angeklagte\nzuhause einen schweren Stein, lauerte an verborgener Stelle im Hinterhalt auf\nseine Ehefrau und startete heimtuckisch einen so massiven Angriff, dass dessen\ntodlicher Ausgang nur durch einen glucklichen Umstand verhindert wurde. Ware\nnamlich der mit Wucht geschleuderte Stein nur etwa 10 cm weiter rechts auf das\nFahrzeug aufgetroffen, hatte er die Windschutzscheibe durchschlagen und die\nFahrerin des Fahrzeugs getotet oder zumindest lebensgefahrlich verletzt, zumal\nsie sich mit hoher Geschwindigkeit naherte. \n--- \n| 56 \n--- \n| Nach diesem festgestellten Sachverhalt hat sich der Angeklagte neben einem\ngefahrlichen Eingriff in den Straßenverkehr und Sachbeschadigung zur\nÜberzeugung der Kammer auch eines versuchten Totungsdelikts nach §§ 211, 212,\n22 StGB strafbar gemacht. Zustandig fur eine Entscheidung daruber ist gemaß §\n74 Abs. 2 Nr. 4-5 GVG die Schwurgerichtskammer des Landgerichts, so dass nach\n§ 328 Abs. 2 StPO eine entsprechende Verweisung zu erfolgen hatte. \n--- \n| 57 \n--- \n| VII. Soweit die Kammer bezuglich der ubrigen Taten als Berufungsgericht\nentschieden hat, ergibt sich die Kostenentscheidung aus §§ 465, 473 Abs. 1\nStPO. Im Übrigen wird das Schwurgericht uber die Kosten des Verfahrens und die\nnotwendigen Auslagen der Beteiligten zu entscheiden haben (vgl. Meyer-Goßner\nStPO 47. Auflage, § 464 Rn 3). \n---\n\n |
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136,900 | olgstut-2006-03-10-8-wf-3006-8-wf-31 | 147 | Oberlandesgericht Stuttgart | olgstut | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 8 WF 30/06; 8 WF 31/06; 8 WF 35/06 | 2006-03-10 | 2019-01-07 12:03:54 | 2019-02-12 12:39:07 | Beschluss | ## Tenor\n\n1\\. Auf die sofortigen Beschwerden der Klagerin werden die in den drei oben\ngenannten Verfahren jeweils am 8.2.2006 ergangenen\nRatenzahlungsanordnungsbeschlusse\n\n**a u f g e h o b e n .**\n\nEs verbleibt bis auf weiteres in allen drei Verfahren bei der der Klagerin\nratenfrei bewilligten Prozesskostenhilfe.\n\n2\\. Die Entscheidung ergeht in allen Verfahren gerichtsgebuhrenfrei.\nAußergerichtliche Kosten sind in allen Verfahren nicht zu erstatten.\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin wendet sich mit ihren Beschwerden in allen drei Verfahren\ndagegen, dass die Rechtspflegerin mit den o. g. Beschlussen die einmalige\nZahlung der auf die Klagerin entfallenden Prozesskosten - im Verfahren lit. A)\n4.264,16 EUR, im Verfahren lit. B) 2.597,37 EUR und im Verfahren lit. C\n2.234,88 EUR - angeordnet hat, weil die Klagerin aufgrund des im Verfahren\nlit. A) am 14.6.2005 zur Regelung beider Unterhaltsverfahren geschlossenen\nUnterhalts-Abfindungsvergleichs inzwischen bereits eine Unterhaltsabfindung in\nHohe von insgesamt 20.000,-- EUR an Teilzahlungen erhalten hat. \n--- \n| 2 \n--- \n| 1.) In den fruher anhangig gewordenen Verfahren lit. C und B) hat die\nAntragstellerin bzw. Klagerin (im folgenden nur „Klagerin") die Scheidung\nihrer zweiten Ehe und die Zahlung von Getrenntlebensunterhalt verlangt, im\nVerfahren lit. A) nach zwischenzeitlich erfolgter Ehescheidung die Zahlung von\nnachehelichem Unterhalt. In allen Verfahren wurde der Klagerin ratenfrei\nProzesskostenhilfe bewilligt: Im Verfahren lit. C. mit Beschluss 5.6.2003, im\nVerfahren lit. B) mit Beschlussen vom 23.6.2003 und 27.7.2005 (betreffend\nÄnderung der Beiordnung) und im Verfahren lit. A) mit Beschluss vom 14.6.2005.\nAusweislich der Bewilligungen vom 5.6.2003 und 23.6.2003 ( jeweils PKH-Heft)\nwurde damals von monatlichen Einkunften der Klagerin von 1.947,00 EUR\nausgegangen, sowie von Belastungen von 1.939,-- EUR, so dass sich keine\nRatenzahlungsverpflichtung ergab. Die Belastungen ergaben sich als Summe aus\ndem allgemeinen Freibetrag von 360,-- EUR, einem Erwerbstatigenfreibetrag von\n141,-- EUR, einem Unterhaltsfreibetrag (Tochter) von 143,-- EUR,\nUnterkunftskosten von (einschließlich Nebenkosten) 685,-- EUR und besonderen\nBelastungen (u.a. Immobilienkredit) von 610,-- EUR. Bei dem berucksichtigten\nEinkommen war eine vorhandene, nicht eigen genutzte Eigentumswohnung\nberucksichtigt sowie im Gegenzug die fur diese Wohnung zu bedienenden Kredite. \n--- \n| 3 \n--- \n| Aufgrund der Unterhaltsabfindungsregelung im geschlossenen gerichtlichen\nVergleich, in dem sich der Beklagte zur Zahlung von 3 x 10.000,-- EUR\nAbfindung verpflichtet hat, hat die Rechtspflegerin die Klagerin darauf\nhingewiesen, dass - spatestens nach Zahlung der zweiten Rate - die Anordnung\neiner einmaligen Zahlung der auf die Klagerin entfallenden Prozesskosten gemaß\n§ 120 Abs. 4 ZPO in Betracht komme. \n--- \n| 4 \n--- \n| Nach Bestatigung des Erhalts der zweiten Teilzahlung - erhaltene Zahlungen\ninsgesamt 20.000,-- EUR - hat die Rechtspflegerin in den drei o. a. Verfahren\nmit Beschluss vom 8.2.2006 deshalb jeweils angeordnet, dass die Klagerin die\nauf sie entfallenden Gerichtskosten jeweils in einem einmaligen Betrag zu\nzahlen hat. Sie ist hierbei ohne nahere Aufschlusselung davon ausgegangen,\ndass der gemaß § 115 ZPO vorrangige Bedarf der Klagerin weiterhin durch ihr\nlaufendes Einkommen gedeckt ist, so dass sie die erlangte Unterhaltsabfindung\nabzuglich Schonvermogen voll zur Begleichung der Prozesskosten verwenden kann\nund muss (§ 120 Abs. 4 ZPO). \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Klagerin hat gegen diese, ihr jeweils am 15.2.2006 zugestellten\nBeschlusse durch Schriftsatze ihrer Bevollmachtigten vom 22. / 23.6.2006\nsofortige Beschwerde eingelegt. \n--- \n| 6 \n--- \n| Sie macht unter Vorlage einer neuen Erklarung uber ihre personlichen und\nwirtschaftlichen Verhaltnisse geltend, sie sei auch unter Berucksichtigung der\nerhaltenen Unterhaltsabfindungszahlungen nicht in der Lage und nicht\nverpflichtet, Raten auf die Prozesskosten zu zahlen. Ihre monatlichen\nBelastungen wurden ihr Einkommen ubersteigen. Sie habe mit den erhaltenen\nVergleichszahlungen deshalb teilweise schon entstandene Ruckstande (u.a.\nBankschulden) zuruckfuhren mussen und benotige die noch verfugbare\nAbfindungszahlung in gleicher Weise, um auch ihren kunftigen Lebensbedarf\nbestreiten zu konnen. Die Unterhaltsabfindung musse insoweit anteilig auf etwa\n10 Jahre umgelegt werden, da sie dazu bestimmt sei, ihren (zusatzlichen)\nLebensbedarf fur die Zeit bis zum Eintritt in das Rentenalter auszugleichen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Rechtspflegerin hat den Rechtsmitteln der Klagerin nicht abgeholfen und\nhat sie zur Entscheidung dem Oberlandesgericht vorgelegt. \n--- \n**II.** \n--- \n| 8 \n--- \n| Die gemaß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 127 Abs. 2 ZPO jeweils als sofortige\nBeschwerde statthaften Rechtsmittel der Klagerin sind auch sonst zulassig;\ninsbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Die Rechtsmittel haben auch in\nder Sache Erfolg. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Klagerin hat jedenfalls durch ihre Angaben im Beschwerdeverfahren\nhinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie auch die erhaltenen\nUnterhaltsabfindungszahlungen zur Deckung ihres gegenuber der Verpflichtung\nzur Zahlung von Raten auf die Prozesskosten vorrangigen Lebensbedarfs benotigt\nhat und noch benotigt. Eine wesentliche Verbesserung ihrer personlichen und\nwirtschaftlichen Verhaltnisse i.S.v. § 120 Abs. 4 ZPO kann deshalb nicht\nfestgestellt werden. \n--- \n| 10 \n--- \n| 1.) Im Ausgangspunkt ist auch die Rechtspflegerin zutreffend davon\nausgegangen, dass Unterhaltsabfindungszahlungen insoweit nicht zur ratenweisen\nRuckfuhrung von Prozesskosten einzusetzen sind, als eine Partei die Abfindung\nbenotigt, um ihren vorrangigen Lebensbedarf bestreiten zu konnen. Eine\nerhaltene Einmal-Abfindungszahlung ist insoweit auf einen angemessenen\nZeitraum umzulegen (vgl. OLG Nurnberg, FamRZ 1995, 311; Zoller / Philippi, 25.\nAufl., § 115 ZPO, RN 5 m.w.N.). Die zeitliche Erstreckung der Umlegung einer\nAbfindungszahlung richtet sich nach den Umstanden des Einzelfalls, wobei es\nnicht zweckmaßig ist, durch zu kurzfristige Umlegung und daraus folgende\nRatenzahlungsanordnungen die Partei fur einen anschließenden Zeitraum absehbar\nauf die (erganzende) Beantragung von offentlichen Leistungen beim allgemeinen\nSozialhilfetrager zu verweisen. Eine Abfindungszahlung ist im Prinzip auf den\nZeitraum umzulegen fur den sie erfolgt, soweit keine Anhaltspunkte dafur\nvorhanden sind, dass sich die personlichen und wirtschaftlichen Verhaltnisse\nnicht kurzfristig wieder andern werden (Kalthoener/Buttner Prozesskostenhilfe\nund Beratungshilfe, 4 Aufl. RN 217). \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| 2.) Entgegen der Annahme der Rechtspflegerin gelangt das erkennende Gericht\nbei naherer Prufung der personlichen und wirtschaftlichen Verhaltnisse der\nKlagerin vorliegend zu dem Ergebnis, dass die derzeitigen Einkunfte der\nKlagerin nicht ausreichen, um ihren gegenwartigen und absehbaren kunftigen\nvorrangigen Lebensbedarf zu bestreiten. \n--- \n| 12 \n--- \n| a) Als Einkommen hat die Klagerin in ihrer neuen Erklarung vom 30.1.2006\nweiterhin die schon bei Bewilligung der Prozesskostenhilfe bezogenen Renten\nund Mieteinnahmen aus einer fremd vermieteten Eigentumswohnung angegeben, die\nsich inzwischen auf 972,33 EUR (EU-Rente LVA), 518,-- EUR (private EU-Rente)\nund 389,74 EUR (Nettomiete) belaufen. Dies ergibt ein Einkommen insgesamt\n**1.880,07 EUR** . Weitere Einkunfte aus einer geringfugigen Beschaftigung\nerzielt die Klagerin nach ihrer neuen Erklarung nicht mehr. Ebenso ist das\nKindergeld fur eines ihrer Tochter aus erster Ehe weggefallen. \n--- \n| 13 \n--- \n| b) Der vorrangige Lebensbedarf der Klagerin ergibt sich inzwischen wie\nfolgt: \n--- \n| 14 \n--- \n| \n--- \n| Grundfreibetrag \n--- \n| 380,00 EUR \n--- \n| Freibetrag fur die wegen Arbeitslosigkeit \n--- \n| \n--- \n| unterhaltsberechtigte Tochter (geb. 1983) \n--- \n| 307,00 EUR \n--- \n| Miete (einschl. Nebenkosten) \n--- \n| 746,00 EUR \n--- \n| Versicherungen der Klagerin (Summe) \n--- \n| 44,00 EUR \n--- \n| Krankenversicherung fur die Tochter \n--- \n| 127,00 EUR \n--- \n| Kreditkosten (einschl. Umschuldung) \n--- \n| 615,00 EUR \n--- \n| Versicherungen fur die Tochter (Summe) \n--- \n| 57,00 EUR \n--- \n| Bedarf insgesamt \n--- \n| 2.276,00 EUR \n--- \n| 15 \n--- \n| Als vorrangiger Bedarf nicht zu berucksichtigen waren die von der Klagerin\nangegebenen Betrage fur Lebensversicherungen fur sich selbst und ihre Tochter.\nDerartige Aufwendungen zur Kapitalbildung sind nach dem Recht der\nProzesskostenhilfe als Sonderform der Gewahrung von Sozialhilfe nicht\nvorrangig. \n--- \n| 16 \n--- \n| c) Aus den vorstehenden Übersichten ergibt sich danach, dass der\nLebensbedarf der Klagerin Hohe eines monatlichen Betrages von ca. 396,-- EUR\ndurch ihr Einkommen ohne Unterhaltsabfindung nicht gedeckt war und ist. \n--- \n| 17 \n--- \n| Hiervon ist auch fur Zeitraume schon vor Abschluss des Unterhaltsvergleichs\nauszugehen, auch wenn im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung in den\nVerfahren lit. C. und B zunachst von einer Deckung des vorrangigen Bedarfs\ndurch das damalige laufende Einkommen ausgegangen wurde. Insoweit hat sich der\nvorrangige Lebensbedarf der Klagerin durch den Wegfall des Kindergelds fur\neine Tochter sowie den Wegfall der Unterhaltszahlung des Vaters der\narbeitslosen Tochter sowie u. a. den Anstieg ihrer Mietkosten erhoht. Auch\nentfalteten die Bewilligungsentscheidungen bezuglich der dort berucksichtigen\nBetrage keine materielle Rechtskraft im Sinne einer Bindung fur spatere\nAbanderungsentscheidungen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Es war danach aufgrund der Angaben der Klagerin davon auszugehen, dass sie\ndie unmittelbar nach Vergleichsschluss am 14.6.2005 erhaltene\nAbfindungszahlung in Hohe von insgesamt 5.400,-- EUR zur Ruckfuhrung von\nTilgungsruckstanden bei ihren Bankschulden sowie in Hohe von 500,-- EUR zur\nRuckfuhrung eines privaten Kredits benotigt hat. Von den beiden ersten\nVergleichs-Raten von zusammen 20.000,-- EUR abzuglich Schonvermogen von 2.567,\n--EUR, o.g. Schuldentilgung und eines laufenden zusatzlichen Bedarfs fur Juli\n2005 bis Januar 2006 von ca. 2.300,-- EUR verblieben somit knapp 9.200,--EUR.\nBei einem Jahresfehlbedarf von ca. 4.750,-- EUR wurde das Restguthaben danach\ninnerhalb von knapp. 2 weiteren Jahren ab Vergleichsschluss aufgezehrt. Auch\ndie weitere Teilzahlung von 10.000,--EUR im Januar 2007 genugt zur Deckung des\nabsehbaren weiteren Lebensbedarfs der Klagerin danach nur fur einen Zeitraum\nvon insgesamt weniger als 5 Jahren. \n--- \n| 19 \n--- \n| Ein Unterhaltsabfindungsbetrag ist zwar nur auf einen angemessenen Zeitraum\numzulegen. So kann bei einer Abfindungszahlung fur Arbeitseinkommen im\nNormalfall eine Umlegung auf 12 bis 18 Monate in Betracht kommen (vgl.\nNachweise bei Zoller, a.a.O.). \n--- \n| 20 \n--- \n| Im vorliegenden Fall erscheint es angemessen, die erhaltene\nUnterhaltsabfindungszahlung jedenfalls auf die o. a. Zeitraume umzulegen, so\ndass zur Bestreitung von Raten auf die Prozesskosten bei im ubrigen\nunveranderten Lebensverhaltnissen nicht zur Verfugung steht. Von einer\nlangeren Dauer der derzeit maßgeblichen Lebensumstande ist bei der Klagerin\nauszugehen. Diese ist berufs- und erwerbsunfahig krank und lebt im\nwesentlichen bereits aus Renteneinnahmen. Die unterhaltsberechtigte Tochter\nder Klagerin aus ihrer ersten Ehe ist nach ihren Angaben lernbehindert und\narbeitslos und erhalt auch keine Arbeitslosenhilfe. Ebenso besteht kein\nKindergeldanspruch mehr. \n--- \n| 21 \n--- \n| Eine andere Beurteilung der Leistungsfahigkeit der Klagerin ergibt sich auch\nnicht daraus, dass die Klagerin uber eine nicht eigen genutzte\nEigentumswohnung verfugt. Deren Verwertung wurde ihr schon anlasslich der\nBewilligung von Prozesskostenhilfe nicht aufgegeben. Bei einem geschatzten\nVerkehrswert von 100.000,-- EUR und bestehenden Bankverbindlichkeiten von ca.\n79.000,-- EUR ware die Erzielung eines Übererloses auch nicht ohne weiteres zu\nerwarten. \n--- \n| 22 \n--- \n| Ebenso ergibt sich eine abweichende Wurdigung jedenfalls derzeit auch nicht\ndaraus, dass die Klagerin eine verhaltnismaßig teure 5-Zimmerwohnung bewohnt,\ndie sie fur sich und ihre Tochter nicht zwingend benotigt. Die mogliche\nErsparnis im Fall des Umzugs in eine gunstigere, gegebenenfalls kleinere\nWohnung abzuglich Umzugskosten - zu entsprechenden Bemuhungen ware die\nKlagerin nicht vor einer entsprechenden gerichtlichen Aufforderung\nverpflichtet - kann jedenfalls nicht von vorneherein so hoch angesetzt werden,\ndass sich die vorstehende Bilanz fur die Klagerin so stark verbessern wurde,\ndass sie wesentliche Teile der erhaltenen Abfindungszahlung schon jetzt\nabsehbar zur Bestreitung von Prozesskosten einsetzen musste. \n--- \n| 23 \n--- \n| 4.) Auf die sofortige Beschwerde der Klagerin waren danach die\nRatenzahlungs-Anordnungsbeschlusse vom 8.2.2005 in allen Verfahren wieder\naufzuheben, so dass es bis auf weiteres bei der der Klagerin ratenfrei\nbewilligten Prozesskostenhilfe in allen Verfahren verbleibt. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die vorliegende Entscheidung ergeht gerichtsgebuhrenfrei (Nr. 1811 KV /\nGKG). Außergerichtliche Kosten in den Beschwerdeverfahren sind gemaß § 127\nAbs. 4 ZPO unabhangig vom Ausgang der Rechtsmittel nicht zu erstatten. \n---\n\n |
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136,997 | lg-karlsruhe-2007-03-23-6-o-21906 | 135 | Landgericht Karlsruhe | lg-karlsruhe | Karlsruhe | Baden-Württemberg | Ordentliche Gerichtsbarkeit | Landgericht | 6 O 219/06 | 2007-03-23 | 2019-01-07 12:04:51 | 2019-01-17 11:57:08 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n2\\. Die Klagerin tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Die Klagerin darf die\nVollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 110 % des aufgrund des\nUrteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der\nVollstreckung Sicherheit in Hohe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden\nBetrages leistet.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin wendet sich gegen eine Mitteilung der Beklagten uber das Ruhen\nihrer Betriebsrente und eine damit verbundene Ruckforderung wegen Überzahlung. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin erhalt seit 01.01.1986 von der Beklagten eine Versorgungsrente\nfur Witwen (sogenannte große Witwenrente). Da das Gesamtversorgungssystem bei\nder Beklagten zum 31.12.2001 geschlossen wurde, wurde die Rente nach § 75 Abs.\n1 und 2 VBLS n.F. zum 31.12.2001 festgestellt und ab 01.01.2002 als\nBesitzstandsrente weitergezahlt bzw. entsprechend § 39 VBLS n.F. dynamisiert. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Klagerin ist seit 01.11.1979 als Angestellte bei einem Arbeitgeber\naußerhalb des offentlichen Dienstes beschaftigt. Mit Schreiben vom 16.12.2005\nteilte die Beklagte der Klagerin mit, dass ab 01.01.2006 eine Anrechnung des\nArbeitsentgelts aus einem Beschaftigungsverhaltnis außerhalb des offentlichen\nDienstes auf die Betriebsrente stattfindet. \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 01.03.2006 legte die Klagerin der Beklagten eine Verdienstbescheinigung\nfur 2006 vor. Daraufhin fuhrte die Beklagte durch Mitteilung vom 09.03.2006\neine Ruhensberechnung der Zusatzrente gem. § 75 Abs. 3 lit. a) VBLS n.F. i. V.\nm. § 65 Abs. 4 VBLS a.F. durch. Aus dieser Berechnung ergab sich, dass die\nZusatzrente der Klagerin von EUR 459,46 ab 01.01.2006 wegen der Bezuge aus dem\nArbeitsverhaltnis ruht und nur der Mindestbetrag nach § 65 Abs. 8 Satz 3 VBLS\na.F. von EUR 91,89 gezahlt wird. Die fur die Zeit vom 01.01.2006 bis\n30.04.2006 errechnete Überzahlung in Hohe von EUR 1.470,28 forderte die\nBeklagte von der Klagerin zuruck. \n--- \n| 5 \n--- \n| Gegen diese Ruckforderung und gegen die zugrundeliegende Ruhensberechnung\nwendet sich die Klagerin mit ihrer Klage. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Klagerin ist der Auffassung, \n--- \n| 7 \n--- \n| auf die von der Beklagten zu zahlende Betriebsrente finde § 314 SGB VI\nAnwendung. Dies ergebe sich aus § 41 Abs. 5 VBLS n.F. Zumindest sei die\ngesetzgeberische Wertung des § 314 SGB VI bei der Beurteilung der\nBetriebsrente der Klagerin zu berucksichtigen. Die Anrechnung von eigenem\nEinkommen auf eine vom verstorbenen Ehegatten abgeleitete Hinterbliebenenrente\nverstoße gegen Art. 3 GG. Schließlich habe die Klagerin auf den Fortbestand\nder Nichtanrechnung vertrauen durfen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 9 \n--- \n| 1\\. die Beklagte zu verurteilen, der Klagerin einen Betrag von EUR 1.856,20\nnebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem jeweiligen Basiszinssatz ab\nRechtshangigkeit zu zahlen. \n--- \n| 10 \n--- \n| 2\\. die Beklagte zu verurteilen, der Klagerin beginnend ab Oktober 2006\nmonatlich jeweils zum Monatsersten einen Betrag von EUR 464,05 zu zahlen. \n--- \n| 11 \n--- \n| 3\\. hilfsweise: festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der\nKlagerin eine monatliche Betriebsrente fur Hinterbliebene in Hohe von EUR\n464,05 zu zahlen. \n--- \n| 12 \n--- \n| 4\\. festzustellen, dass die Klagerin nicht verpflichtet ist, der Beklagten\neinen Betrag von EUR 1.470,28 zuruckzuzahlen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 14 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Das Gericht hat durch Beschluss vom 06.02.2007 mit Zustimmung der Parteien\ndas schriftliche Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet. \n--- \n| 16 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die\ngewechselten Schriftsatze nebst Anlagen Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 17 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. \n--- \nI. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Ruhensberechnung der Beklagten in der Mitteilung vom 09.03.2006 ist\nkorrekt, weshalb die Beklagte nach § 70 VBLS a.F. / § 53 VBLS n.F berechtigt\nist, von der Klagerin den hieraus sich ergebenden Überzahlungsbetrag in Hohe\nvon EUR 1.470,28 zuruckzufordern. \n--- \n| 19 \n--- \n| 1\\. Mit der Neuregelung des § 65 Abs. 4 VBLS a.F. zum 01.07.2000 durch die\n37. Satzungsanderung wurde die Ruhensvorschrift der bei der Beamtenversorgung\nbereits vom 01.01.1999 an geanderten Einkommensanrechnung (vgl. § 53 BeamtVG)\nangepasst. Von diesem Zeitpunkt an wurden bis zum vollendeten 65. Lebensjahr\nnicht nur Arbeitsentgelte aus einer Beschaftigung im offentlichen Dienst,\nsondern samtliche Arbeitsentgelte, Arbeitseinkommen, Erwerbsersatzeinkommen\noder laufende Dienstbezuge angerechnet. Zugleich wurde in § 101 Abs. 1 VBLS\na.F. eine Übergangsregelung eingefugt, die sich an der damaligen\nbeamtenrechtlichen Übergangsregelung des § 69c Abs. 4 BeamtVG orientierte.\nDanach fand § 65 Abs. 4 VBLS a.F. in der bis zum 30.06.2000 geltenden Fassung,\nwenn dies fur den Rentenberechtigten gunstiger war, langstens bis zum\n31.12.2005 Anwendung, solange eine am 29.02.2000 uber diesen Zeitpunkt hinaus\nausgeubte Beschaftigung des Rentenberechtigten andauerte. Nach diesen\nSatzungsbestimmungen, die fur die Klagerin als Bestandsrentnerin uber § 75\nAbs. 3 lit. a) VBLS n.F. auch nach dem 31.12.2001 fortgelten, hat ab\n01.01.2006 eine Anrechung der Arbeitseinkunfte auf die Betriebsrente der\nKlagerin stattzufinden. Dies fuhrt dazu, dass ihr nur noch der Mindestbetrag\nnach § 65 Abs. 8 Satz 3 VBLS a.F. verbleibt. Auf Vertrauensschutz kann sich\ndie Klagerin gegenuber der Anpassung der Ruhensbestimmungen durch die 37.\nSatzungsanderung nicht berufen. Dem Vertrauensschutz wurde bereits durch die\nÜbergangsregelung des § 101 Abs. 1 VBLS a.F., die eine Übergangszeit von mehr\nals funf Jahren vorsah, hinreichend Rechnung getragen. \n--- \n| 20 \n--- \n| 2\\. Entgegen der Auffassung der Klagerin findet die Vorschrift des § 314 SGB\nVI auf ihre Betriebsrente keine Anwendung. \n--- \n| 21 \n--- \n| a) Eine direkte oder analoge Anwendung des § 314 SGB VI auf Betriebsrenten\nbei der Beklagten kommt nicht in Betracht. Die Beklagte ist kein Trager der\ngesetzlichen Rentenversicherung. Zwar ist sie nach § 1 Satz 1 VBLS eine\nAnstalt des offentlichen Rechts. Gleichwohl ist das Rechtsverhaltnis der\nBeklagten zu den Versicherungsnehmern, den Arbeitgebern, wie auch zu den\nVersicherten, den Arbeitnehmern, privatrechtlich organisiert (st. Rspr., vgl.\nBGHZ 48, 35, 39; 142, 103, 106). Dies ergibt sich auch aus § 2 Abs. 1 VBLS,\nwonach es Zweck der Beklagten ist, den Beschaftigten der Beteiligten im Wege\nprivatrechtlicher Versicherung eine zusatzliche Alters-, Erwerbsminderungs-\nund Hinterbliebenenversorgung zu gewahren. Wegen der privatrechtlichen\nAusgestaltung der Versicherungsverhaltnisse mit der Beklagten kommen dieser\nauch keinerlei hoheitliche Befugnisse gegenuber den Versicherungsnehmern oder\nden Versicherten zu. Es fehlt somit an der fur eine entsprechende Anwendung\nvon Vorschriften des SGB VI erforderlichen Vergleichbarkeit zwischen der\nBeklagten und einem Trager der gesetzlichen Rentenversicherung. \n--- \n| 22 \n--- \n| b) Auch uber § 41 Abs. 5 VBLS n.F. kommt die Vorschrift des § 314 SBG VI im\nVerhaltnis zur Klagerin nicht zur Anwendung. Dies ergibt sich zum einen\ndaraus, dass gemaß § 75 Abs. 3 lit. a) VBLS n.F. auf die am 31.12.2001\nVersorgungsberechtigten, zu denen auch die Klagerin gehort, weiterhin die\nRuhensbestimmungen der alten Satzung Anwendung finden. Eine dem § 41 Abs. 5\nVBLS n.F. entsprechende allgemeine Verweisung auf die Vorschriften der\ngesetzlichen Rentenversicherung uber das Zusammentreffen von Rente und\nEinkommen enthielt die alte Satzung der Beklagten fur Hinterbliebenenrenten\nnicht. Zum anderen weist die Klagerin selbst darauf hin, dass die\nRuhensbestimmung des § 41 Abs. 5 VBLS n.F. vom Bundesgerichtshof wegen\nVerstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG fur unwirksam erklart wurde (vgl. BGHZ 169,\n122). Schon aus diesem Grund kann die Vorschrift auf die Betriebsrente der\nKlagerin keine Anwendung finden. \n--- \n| 23 \n--- \n| 3\\. Entgegen der Auffassung der Klagerin verstoßt die Ruhensbestimmung des §\n65 Abs. 4 VBLS a.F. nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die entsprechende\nEntscheidung des Bundesgerichtshofes zu § 41 Abs. 5 VBLS n.F. (BGHZ 169, 122)\nkann hierfur nicht herangezogen werden. Der Bundesgerichtshof hat in dieser\nEntscheidung ausgefuhrt, dass vom verstorbenen Ehegatten abgeleitete\nZusatzversorgungsbezuge des uberlebenden Ehegatten nicht durch Anrechnung\neigenen Arbeitseinkommens vollstandig aufgezehrt werden durfen.Sofern die\nBezuge von beiden Ehegatten erdient seien, gebiete der allgemeine\nGleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), dem uberlebenden Ehegatten wenigstens\neinen Rest des vom verstorbenen Ehegatten erdienten Versorgungsanspruchs zu\nbelassen. Genau so stellt sich aber die Situation nach den Ruhensbestimmungen\nder alten Satzung dar: Gemaß § 65 Abs. 8 Satz 3 VBLS a.F. verbleiben dem\nHinterbliebenen trotz der Anrechnung eigener Arbeitseinkunfte mindestens 20\nv.H. der vom Verstorbenen erdienten Versorgungsrente. Eine vollstandige\nAufzehrung kann somit im Gegensatz zu § 41 Abs. 5 VBLS n.F. gerade nicht\nstattfinden. Fur die Annahme einer Verfassungswidrigkeit des § 65 Abs. 4 VBLS\na.F. in der Fassung der 37. Satzungsanderung bestehen daher auch unter\nBerucksichtigung der genannten BGH-Rechtsprechung keine Anhaltspunkte. \n--- \nII. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§\n708 Nr. 11, 711 ZPO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 17 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. \n--- \nI. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Ruhensberechnung der Beklagten in der Mitteilung vom 09.03.2006 ist\nkorrekt, weshalb die Beklagte nach § 70 VBLS a.F. / § 53 VBLS n.F berechtigt\nist, von der Klagerin den hieraus sich ergebenden Überzahlungsbetrag in Hohe\nvon EUR 1.470,28 zuruckzufordern. \n--- \n| 19 \n--- \n| 1\\. Mit der Neuregelung des § 65 Abs. 4 VBLS a.F. zum 01.07.2000 durch die\n37. Satzungsanderung wurde die Ruhensvorschrift der bei der Beamtenversorgung\nbereits vom 01.01.1999 an geanderten Einkommensanrechnung (vgl. § 53 BeamtVG)\nangepasst. Von diesem Zeitpunkt an wurden bis zum vollendeten 65. Lebensjahr\nnicht nur Arbeitsentgelte aus einer Beschaftigung im offentlichen Dienst,\nsondern samtliche Arbeitsentgelte, Arbeitseinkommen, Erwerbsersatzeinkommen\noder laufende Dienstbezuge angerechnet. Zugleich wurde in § 101 Abs. 1 VBLS\na.F. eine Übergangsregelung eingefugt, die sich an der damaligen\nbeamtenrechtlichen Übergangsregelung des § 69c Abs. 4 BeamtVG orientierte.\nDanach fand § 65 Abs. 4 VBLS a.F. in der bis zum 30.06.2000 geltenden Fassung,\nwenn dies fur den Rentenberechtigten gunstiger war, langstens bis zum\n31.12.2005 Anwendung, solange eine am 29.02.2000 uber diesen Zeitpunkt hinaus\nausgeubte Beschaftigung des Rentenberechtigten andauerte. Nach diesen\nSatzungsbestimmungen, die fur die Klagerin als Bestandsrentnerin uber § 75\nAbs. 3 lit. a) VBLS n.F. auch nach dem 31.12.2001 fortgelten, hat ab\n01.01.2006 eine Anrechung der Arbeitseinkunfte auf die Betriebsrente der\nKlagerin stattzufinden. Dies fuhrt dazu, dass ihr nur noch der Mindestbetrag\nnach § 65 Abs. 8 Satz 3 VBLS a.F. verbleibt. Auf Vertrauensschutz kann sich\ndie Klagerin gegenuber der Anpassung der Ruhensbestimmungen durch die 37.\nSatzungsanderung nicht berufen. Dem Vertrauensschutz wurde bereits durch die\nÜbergangsregelung des § 101 Abs. 1 VBLS a.F., die eine Übergangszeit von mehr\nals funf Jahren vorsah, hinreichend Rechnung getragen. \n--- \n| 20 \n--- \n| 2\\. Entgegen der Auffassung der Klagerin findet die Vorschrift des § 314 SGB\nVI auf ihre Betriebsrente keine Anwendung. \n--- \n| 21 \n--- \n| a) Eine direkte oder analoge Anwendung des § 314 SGB VI auf Betriebsrenten\nbei der Beklagten kommt nicht in Betracht. Die Beklagte ist kein Trager der\ngesetzlichen Rentenversicherung. Zwar ist sie nach § 1 Satz 1 VBLS eine\nAnstalt des offentlichen Rechts. Gleichwohl ist das Rechtsverhaltnis der\nBeklagten zu den Versicherungsnehmern, den Arbeitgebern, wie auch zu den\nVersicherten, den Arbeitnehmern, privatrechtlich organisiert (st. Rspr., vgl.\nBGHZ 48, 35, 39; 142, 103, 106). Dies ergibt sich auch aus § 2 Abs. 1 VBLS,\nwonach es Zweck der Beklagten ist, den Beschaftigten der Beteiligten im Wege\nprivatrechtlicher Versicherung eine zusatzliche Alters-, Erwerbsminderungs-\nund Hinterbliebenenversorgung zu gewahren. Wegen der privatrechtlichen\nAusgestaltung der Versicherungsverhaltnisse mit der Beklagten kommen dieser\nauch keinerlei hoheitliche Befugnisse gegenuber den Versicherungsnehmern oder\nden Versicherten zu. Es fehlt somit an der fur eine entsprechende Anwendung\nvon Vorschriften des SGB VI erforderlichen Vergleichbarkeit zwischen der\nBeklagten und einem Trager der gesetzlichen Rentenversicherung. \n--- \n| 22 \n--- \n| b) Auch uber § 41 Abs. 5 VBLS n.F. kommt die Vorschrift des § 314 SBG VI im\nVerhaltnis zur Klagerin nicht zur Anwendung. Dies ergibt sich zum einen\ndaraus, dass gemaß § 75 Abs. 3 lit. a) VBLS n.F. auf die am 31.12.2001\nVersorgungsberechtigten, zu denen auch die Klagerin gehort, weiterhin die\nRuhensbestimmungen der alten Satzung Anwendung finden. Eine dem § 41 Abs. 5\nVBLS n.F. entsprechende allgemeine Verweisung auf die Vorschriften der\ngesetzlichen Rentenversicherung uber das Zusammentreffen von Rente und\nEinkommen enthielt die alte Satzung der Beklagten fur Hinterbliebenenrenten\nnicht. Zum anderen weist die Klagerin selbst darauf hin, dass die\nRuhensbestimmung des § 41 Abs. 5 VBLS n.F. vom Bundesgerichtshof wegen\nVerstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG fur unwirksam erklart wurde (vgl. BGHZ 169,\n122). Schon aus diesem Grund kann die Vorschrift auf die Betriebsrente der\nKlagerin keine Anwendung finden. \n--- \n| 23 \n--- \n| 3\\. Entgegen der Auffassung der Klagerin verstoßt die Ruhensbestimmung des §\n65 Abs. 4 VBLS a.F. nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die entsprechende\nEntscheidung des Bundesgerichtshofes zu § 41 Abs. 5 VBLS n.F. (BGHZ 169, 122)\nkann hierfur nicht herangezogen werden. Der Bundesgerichtshof hat in dieser\nEntscheidung ausgefuhrt, dass vom verstorbenen Ehegatten abgeleitete\nZusatzversorgungsbezuge des uberlebenden Ehegatten nicht durch Anrechnung\neigenen Arbeitseinkommens vollstandig aufgezehrt werden durfen.Sofern die\nBezuge von beiden Ehegatten erdient seien, gebiete der allgemeine\nGleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), dem uberlebenden Ehegatten wenigstens\neinen Rest des vom verstorbenen Ehegatten erdienten Versorgungsanspruchs zu\nbelassen. Genau so stellt sich aber die Situation nach den Ruhensbestimmungen\nder alten Satzung dar: Gemaß § 65 Abs. 8 Satz 3 VBLS a.F. verbleiben dem\nHinterbliebenen trotz der Anrechnung eigener Arbeitseinkunfte mindestens 20\nv.H. der vom Verstorbenen erdienten Versorgungsrente. Eine vollstandige\nAufzehrung kann somit im Gegensatz zu § 41 Abs. 5 VBLS n.F. gerade nicht\nstattfinden. Fur die Annahme einer Verfassungswidrigkeit des § 65 Abs. 4 VBLS\na.F. in der Fassung der 37. Satzungsanderung bestehen daher auch unter\nBerucksichtigung der genannten BGH-Rechtsprechung keine Anhaltspunkte. \n--- \nII. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§\n708 Nr. 11, 711 ZPO. \n---\n\n |
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139,549 | olgkarl-2003-10-21-16-wf-17503 | 146 | Oberlandesgericht Karlsruhe | olgkarl | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 16 WF 175/03 | 2003-10-21 | 2019-01-07 14:39:56 | 2019-02-12 12:19:03 | Beschluss | ## Tenor\n\nAuf die sofortige Beschwerde des Herrn T. K. wird der Beschluss des\nAmtsgerichts - Familiengericht - Heidelberg vom 21. Juli 2003 aufgehoben.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Herrn T. K. wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 20. Marz\n2000 Prozesskostenhilfe bewilligt. Es wurde bestimmt, dass Raten auf die\nProzesskosten nicht zu zahlen seien. Unter dem 21. Marz 2003 wurde Herr K.\nfolgendermaßen angeschrieben: \n--- \n| 2 \n--- \n| „Zur Prufung, ob Sie nunmehr zur Zahlung der Verfahrenskosten in der Lage\nsind (§ 120 Abs. 4 ZPO), werden Sie gebeten, anliegenden Vordruck ausgefullt\nund unterschrieben unter Beifugung der entsprechenden Belege uber Einnahmen\nund Ausgaben binnen 2 Wochen hier einzureichen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Sie werden darauf hingewiesen, dass Sie zu diesen Angaben verpflichtet sind\nund die Prozesskostenhilfe aufgehoben werden kann, falls Sie dieser\nAufforderung nicht nachkommen." \n--- \n| 4 \n--- \n| Hierauf hat Herr K. nicht reagiert. Mit dem angefochtenen Beschluss hat die\nRechtspflegerin die Herrn K. bewilligte Prozesskostenhilfe gem. § 124 Ziffer 2\nZPO aufgehoben. \n--- \n| 5 \n--- \n| Das hiergegen eingelegte Rechtsmittel hat Erfolg, da die Voraussetzungen\ndes § 124 Nr. 2 i.V.m. § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO nicht vorliegen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Gem. § 124 Nr. 2 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der\nProzesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei eine Erklarung nach § 120 Abs. 4\nS. 2 ZPO nicht abgegeben hat. § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO verpflichtet die Partei,\nauf Verlangen des Gerichts sich daruber zu erklaren, ob eine Änderung der\nVerhaltnisse eingetreten ist, welche der Bewilligung der Prozesskostenhilfe\nzugrunde lagen. Das erneute Ausfullen des PKH-Vordrucks kann nicht verlangt\nwerden (Zoller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 120 Rn. 28; Zimmermann, PKH in\nFamiliensachen, 2. Aufl. 2000, Rn. 419; jeweils mit Hinweisen auf OLG Dresden,\nFamRZ 1998, 250; OLG Koblenz, FamRZ 1999, 1144; OLG Koblenz, FamRZ 2000, 104;\nOLG Celle, FamRZ 1991, 1459; OLG Brandenburg, FamRZ 1996, 806; OLG Naumburg,\nFamRZ 2000, 761 und weitern Nachweisen). Die Aufforderung vom 21. Marz 2003\nbeschrankt sich jedoch darauf, von Herrn K. zu verlangen, das Formular\nausgefullt vorzulegen, enthalt damit nicht die Aufforderung, zu erklaren, ob\neine Änderung der Verhaltnisse eingetreten ist. Unbedenklich ware es, wenn die\nPartei dazu aufgefordert werden wurde, eine solche Erklarung abzugeben und ihr\ndie Moglichkeit eingeraumt wird, dann das Formular zu verwenden. Aber auch so\nist das Amtsgericht nicht verfahren. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mangels wirksamer Aufforderung nach § 120 Abs. 4 S. 2 ZPO liegen deshalb\ndie Voraussetzungen fur die Aufhebung der Prozesskostenhilfe nach § 124 Nr. 2\nZPO nicht vor. \n---\n\n |
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139,582 | olgstut-2003-11-06-1-ss-23002 | 147 | Oberlandesgericht Stuttgart | olgstut | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 1 Ss 230/02 | 2003-11-06 | 2019-01-07 14:41:19 | 2019-02-12 12:19:08 | Beschluss | ## Tenor\n\nAuf die - zugelassene - Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das\nUrteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2002 mit den Feststellungen\naufgehoben.\n\nDie Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch uber die Kosten des\nRechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Stuttgart\nzuruckverwiesen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Im - rechtzeitig angefochtenen - Bußgeldbescheid des Ordnungsamts der\nLandeshauptstadt Stuttgart vom 27. September 2001 wird dem Betroffenen\nvorgeworfen, er habe als Lenker eines Pkw, der auf eine in Stuttgart ansassige\nGmbH & Co. zugelassen gewesen sei, am 15. Juni 2001 um 16.19 Uhr in S. an der\nKreuzung C. Straße/S.straße das Rotlicht der dort angebrachten\nLichtzeichenanlage nicht befolgt (§§ 37 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG). Hierwegen\nwurde gegen ihn eine Geldbuße von DM 100,00 festgesetzt. Als Beweismittel\nwurden u.a. ein „Foto" und ein „Mess-/Frontfoto" einer Überwachungsanlage\naufgefuhrt. Dem war folgendes Ermittlungsverfahren vorausgegangen: \n--- \n| 2 \n--- \n| Über eine Halteranfrage hatte das Ordnungsamt die Personaldaten des\nBetroffenen als derjenigen Person, der zur Tatzeit das Fahrzeug uberlassen\nworden war, in Erfahrung gebracht; der Betroffene wurde als solcher mit\nformularmaßigem Anschreiben vom 02. August 2001 angehort. Nachdem er die\nFrage, ob der Verstoß zugegeben werde, mit „Nein" beantwortet hatte, vermerkte\ndie Sachbearbeiterin 27 der Bußgeldbehorde am 24. August 2001 mit einem\nStempel „Eschl 222/0, Dialog erfasst" in der Akte. Eine spatere Nachfrage des\nAmtsgerichts ergab, dass die Sachbearbeiterin zu diesem Zeitpunkt das\nLichtbild mit den Personaldaten des Betroffenen, das beim Passamt\n(Passregister) der Landeshauptstadt Stuttgart in digitalisierter Form\nhinterlegt war, dort uber ihren mit diesem Register vernetzten PC von ihrem\nArbeitsplatz aus abgerufen hatte, um dieses zu den Akten zu nehmen und mit dem\nMessfoto uber den Rotlichtverstoß zu vergleichen. Dieser Umstand wurde bis zur\nNachfrage des Amtsgerichts ebenso wenig in den Akten vermerkt wie die\nTatsache, dass die Sachbearbeiterin von ihrem Amtsleiter ermachtigt war,\nAuskunftsersuchen an Pass- bzw. Personalausweisbehorden zu richten und dass\nsie schriftlich bestatigt hatte, die fur eine Datenubermittlung gesetzlich\nvorgeschriebenen Voraussetzungen seien ihr bekannt. \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Amtsgericht hat den Betroffenen aus Rechtsgrunden freigesprochen. Es\nglaubte, den Nachweis dafur, dass der auf dem Messfoto abgebildete\nFahrzeuglenker mit dem - in der Hauptverhandlung nicht anwesenden -\nBetroffenen identisch sei, durch einen Vergleich mit dem bei den Akten\nbefindlichen Lichtbild aus rechtlichen Grunden nicht fuhren zu konnen; das\ndigitalisierte Lichtbild durfe zur Identifizierung des Betroffenen als\nFahrzeuglenker nicht verwertet werden, da es entgegen den zwingenden, dem\n„Schutz von Burgerdaten dienenden Rechtsvorschriften" erhoben worden sei. Auch\ndas Messfoto sei nicht verwertbar, da es aus einer polizeilichen Maßnahme\nstamme, fur die eine ausreichende Zustandigkeitsnorm nicht vorliege. Dieses\nMessfoto lasse im Übrigen keine ausreichenden Individualisierungsmerkmale\nerkennen, so dass der Betroffene - ware er in der Hauptverhandlung erschienen\n- mit großer Wahrscheinlichkeit aus tatsachlichen Grunden freigesprochen\nworden ware. \n--- \n| 4 \n--- \n| II. Der Einzelrichter des Senats hat gemaß § 80 Abs. 2 Nr. 2 OWiG die von\neinem Oberamtsanwalt eingelegte und auch gegenuber dem Amtsgericht begrundete\nRechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zur Fortbildung des Rechts zugelassen.\nDas auf die Sachruge gestutzte Rechtsmittel ist zulassig und begrundet. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| 1\\. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist formgerecht gestellt\nworden; zwar bestimmen §§ 142 Abs. 1 Nr. 3, 145 Abs. 2 GVG, dass Amtsanwalte\ndas Amt der Staatsanwaltschaft nur bei den Amtsgerichten versehen durfen. Der\nZulassungsantrag der Staatsanwaltschaft als Prozesserklarung ist indes beim\nAmtsgericht angebracht und begrundet worden; das war zulassig, da die Akten\nnoch nicht dem Oberlandesgericht als Rechtsbeschwerdegericht vorgelegt worden\nwaren (§§ 80 Abs. 3 Satz 1, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 321, 335 Abs. 1 StPO).\nGegenuber diesem besitzt ein Amtsanwalt keine Postulationsfahigkeit (vgl.\nBayObLG MDR 1974, 599). Eine Beschrankung der Zustandigkeit von Amtsanwalten\nauf Prozesserklarungen i n der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht kennt § 9\nbw AGGVG nicht; derart in ihren Befugnissen eingeschrankt sind in Baden-\nWurttemberg nur ortliche Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft (§ 10 Abs. 1\nbw AGGVG). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| 2\\. Die zulassige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat mit der\nSachruge Erfolg. Die Ausfuhrungen des Amtsgerichts zur Beweiswurdigung sind\nrechtlich fehlerhaft, weil ihnen Beweiserhebungsverbote und\nBeweisverwertungsverbote zugrunde gelegt werden, die nicht existieren. Der\nFreispruch des Betroffenen beruht daher auf der fehlerhaften Nichtausschopfung\nvorhandener und verwertbarer Beweismittel (vgl. Engelhardt in KK, StPO, 4.\nAufl., § 261 Rdnr. 49; Kuckein in KK, StPO, 4. Aufl., § 337 Rdnr. 30, jeweils\nm.w.N.) und kann auf die Sachruge hin keinen Bestand haben. \n--- \n| 7 \n--- \n| a) Das mit einer der - senatsbekannt in Stuttgart eingesetzten - Messanlage\nder Marke Traffipax aufgenommene Messfoto ist entgegen der Auffassung des\nAmtsgerichts durch das Ordnungsamt der Landeshauptstadt Stuttgart nicht ohne\nausreichende Zustandigkeitsnorm aufgenommen worden. Da die Anlage neben\npraventiven Zwecken der bloßen Verkehrsuberwachung auch der repressiven\nAufgabe der Verfolgung von gerade begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten\ndient, ist ihr Einsatz durch § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG gedeckt; danach liegt die\nVerfolgung von Ordnungswidrigkeiten im pflichtgemaßen Ermessen der\nVerfolgungsbehorden. Die Herstellung von Frontalfotografien zur Feststellung\nder Identitat der Tater von Verkehrsordnungswidrigkeiten ist eindeutig\nrechtmaßig, weil sich das Geschehen in der Öffentlichkeit vollzieht, eine\nSachverhaltsfeststellung im nachhinein kaum noch moglich ist und das Anhalten\nder Pkws im fließenden Verkehr mit schwerwiegenden Gefahren verbunden ware\n(vgl. Gohler, OWiG, 13. Aufl., Vor § 59 Rdnr. 145 a). \n--- \n| 8 \n--- \n| b) Die Erhebung des dem Betroffenen zugeordneten digitalisierten\nLichtbildes aus dem Passregister der Landeshauptstadt Stuttgart begegnet\nkeinen rechtlichen Bedenken. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Fur die Datenubermittlung aus dem Passregister der Passbehorde bestimmt §\n22 Abs. 1 PaßG, dass die Passbehorden personenbezogene Daten nur nach Maßgabe\ndieses Gesetzes oder anderer Gesetze oder Rechtsverordnungen erheben,\nubermitteln, sonst verarbeiten oder nutzen durfen. Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 u.\n2 Nrn. 1 bis 3 PaßG, der insoweit § 2 b Abs. 2 PersonalausweisG entspricht,\ndurfen die Passbehorden anderen Behorden auf deren Ersuchen Daten aus dem\nPassregister ubermitteln, wenn die ersuchende Behorde auf Grund von Gesetzen\noder Rechtsverordnungen berechtigt ist, solche Daten zu erhalten, die\nersuchende Behorde ohne Kenntnis der Daten nicht in der Lage ware, eine ihr\nobliegende Aufgabe zu erfullen, und wenn die Daten beim Betroffenen nicht oder\nnur mit unverhaltnismaßig hohem Aufwand erhoben werden konnen. Hatte sonach\ndie Bußgeldstelle der Landeshauptstadt Stuttgart das Passregister (oder\nPersonalausweisregister) um die Übermittlung eines Lichtbildes des einer\nVerkehrsordnungswidrigkeit verdachtigen Betroffenen ersucht, so hatte diese\nStelle dem Ersuchen stattgeben mussen. Dabei ist nicht von Bedeutung, dass\nbeide Stellen Teil der Verwaltung der Landeshauptstadt Stuttgart als unterer\nVerwaltungsbehorde sind; es kann aus Grunden der Gleichheit und der\nPraktikabilitat hier nichts anderes gelten als bei Behordenstellen, die\nverschiedenen ubergeordneten Verwaltungseinheiten zugehoren. Entscheidend ist,\ndass die Bußgeldbehorde nach §§ 46 OWiG, 161 StPO berechtigt ist, von allen\nBehorden zum Zweck der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten Auskunft zu\nverlangen. Dieses Auskunftsrecht, das auf „anderen Gesetzen" im Sinne von § 22\nAbs. 1 PaßG beruht, umfasst auch die Herausgabe eines beim Passregister\nhinterlegten Lichtbildes des Betroffenen, das Datencharakter (vgl. § 3 Abs. 3\nSatz 1 BDSG) hat. § 22 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 PaßG (und auch § 2 b Abs. 2 Nr. 1\nPersonalausweisG) beschrankt die Auskunftspflicht der Passbehorde (oder der\nPersonalausweisbehorde) gerade nicht. Fur die Verfolgung von\nOrdnungswidrigkeiten wird dem Datenschutz kein Vorrang vor dem staatlichen\nAufklarungsinteresse eingeraumt (so schon Senatsbeschluss vom 02. Januar 1998\n- 1 Ss 712/97; ebenso AG Schleiden DAR 2001, 232), weil die Verfolgung von\nOrdnungswidrigkeiten - ahnlich wie die Strafverfolgung - nach dem\nRechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) eine zentrale staatliche Aufgabe ist,\ndie zur Wahrung der offentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere der\nVerkehrsdisziplin, in effektiver Weise wahrgenommen werden muss. Hierfur sind\nauch Eingriffe in das Personlichkeitsrecht des Betroffenen zulassig, wenn der\nGrundsatz der Verhaltnismaßigkeit gewahrt wird. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Bußgeldbehorden sind zwar bei weitem nicht in allen Fallen der\nBeweissicherung durch Messfotos auf einen Abgleich mit Lichtbildern aus dem\nPass- oder Personalausweisregister angewiesen; in Fallen wie dem vorliegenden,\nin denen ein Firmenangehoriger verdachtig ist, eine Verkehrsordnungswidrigkeit\nbegangen zu haben, brauchen sie jedoch zur Erfullung ihrer gesetzlichen\nAufgabe der Verfolgung solcher Ordnungswidrigkeiten derartige Daten, weil\ndiese sonst mit unverhaltnismaßig hohem Aufwand durch einen\nBehordenbediensteten oder auf bußgeldbehordliches Ersuchen durch die Polizei\nerhoben werden mussten. Der Bußgeldbehorde oder der Polizei bliebe dann nur\ndie Moglichkeit, den Betroffenen in seiner Wohnung oder an seinem Arbeitsplatz\naufzusuchen und ihn zum Vergleich mit dem Messfoto in Augenschein zu nehmen;\naußerstenfalls kame auch eine Nachbarschaftsbefragung in Betracht (vgl.\nHassemer/Topp NZV 1995, 169, 172). Diese Ermittlungswege waren sowohl fur die\nBehorden als auch fur den Betroffenen nicht verhaltnismaßig. Angesichts der\nandauernden personellen Unterbesetzung der Bußgeldbehorden und der Polizei und\nihrer Aufgabenuberlastung ware ein derartig uberzogener, in der Sache\nunnotiger Ermittlungsaufwand nicht vertretbar. Wegen der dadurch verursachten\nVerzogerung der Ermittlungen trate uberdies wegen der in § 26 Abs. 3 StVG\nbestimmten Verjahrungsfrist von nur drei Monaten bis zum Erlass des\nBußgeldbescheids haufig Verfolgungsverjahrung ein, bevor der Tater einer\nVerkehrsordnungswidrigkeit ermittelt ware. \n--- \n| 11 \n--- \n| Aus der Sicht des Betroffenen wurden die hergebrachten Ermittlungswege\nwesentlich starker in seine Personlichkeitssphare eingreifen als die Erhebung\nseines Lichtbildes beim Pass- oder Personalausweisregister. Denn jede\nBefragung Dritter ware notwendigerweise mit Informationen uber die\nOrdnungswidrigkeit verbunden, die im privaten Umfeld des Betroffenen zu\nweiteren Spekulationen uber ein etwaiges Fehlverhalten Anlass gaben.\nDemgegenuber ist die Erhebung eines Lichtbildes beim Pass- oder\nPersonalausweisregister fur die Zwecke der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit\nder geringstmogliche Eingriff in das Personlichkeitsrecht des Tatverdachtigen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Senat sieht unter diesen Umstanden keinen Anlass, ein generelles Beweis\ne r h e b u n g sverbot anzunehmen. Er weicht damit von der in Beschlussen des\nOLG Frankfurt (NJW 1997, 2369) und des BayObLG (NJW 1998, 3656) vertretenen\nRechtsmeinung ab; die Vorlagepflicht nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 121 Abs. 2\nGVG wird dadurch jedoch nicht ausgelost, weil diese beiden Entscheidungen\nnicht auf der abweichenden Rechtsauffassung beruhen, sondern auf der\nVerneinung eines Beweis v e r w e r t u n g sverbotes . \n--- \n| 13 \n--- \n| Indes hat auch die Beweiserhebung in Bußgeldverfahren ihre rechtlichen\nGrenzen. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 02. Januar 1998 - 1 Ss\n712/97 - ausgefuhrt, dass die Auskunftspflicht der ersuchten Behorde dort ihre\nGrenze findet, wo die Erfullung der Auskunftspflicht den absolut geschutzten\nKernbereich der Personlichkeit des Betroffenen beruhren wurde (vgl. BVerfG\nNStZ 1996, 45; BVerfG NJW 1990, 563; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45.\nAufl., Einleitung Rdnrn. 56 a, 57). Ein solcher Fall lage beispielsweise vor,\nwenn bei Ermittlungen im Bereich des Rechts der Ordnungswidrigkeiten Daten\nuber den Gesundheitszustand des Betroffenen oder uber seine genetische\nStruktur beim Gesundheitsamt erhoben wurden. Auch die Auskunftserteilung durch\nHerausgabe eines Lichtbildes an einen privaten Glaubiger des Betroffenen ware\naus Grunden des Datenschutzes rechtswidrig. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| c) Da ein derartiges Beweiserhebungsverbot hier offensichtlich nicht\nvorlag, hatte die Bußgeldstelle durch ein schriftliches Auskunftsersuchen an\ndas Passregister, das gemaß § 22 Abs. 3 Satz 2 PaßG durch einen hierzu\nermachtigten Bediensteten zu stellen gewesen ware, das dort gespeicherte\nLichtbild des Betroffenen erheben und dieses als Beweismittel gegen ihn\nverwerten durfen. Stattdessen hat die Bußgeldstelle sich des Automatisierten\nAbrufverfahrens nach § 8 bw LDSG i.d.F. vom 18. September 2000 bedient und\nselbst ein beim Passregister gespeichertes digitalisiertes Lichtbild des\nBetroffenen erhoben, das das Amtsgericht nicht verwerten zu durfen glaubte.\nNach der genannten Vorschrift darf ein automatisiertes Verfahren, das die\nÜbermittlung personenbezogener Daten durch Abruf ermoglicht, nur eingerichtet\nwerden, soweit dieses Verfahren unter Berucksichtigung der schutzwurdigen\nInteressen der Betroffenen und der Aufgaben der beteiligten Stellen angemessen\nist. Dabei haben die beteiligten Stellen zu gewahrleisten, dass die\nZulassigkeit des Abrufverfahrens kontrolliert werden kann. Nach § 8 Abs. 3\nSatz 1 bw LDSG beurteilt sich die Zulassigkeit des einzelnen Abrufs nach den\nfur die Erhebung und Übermittlung von Daten geltenden Vorschriften. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Senat entnimmt dieser neuen landesrechtlichen Vorschrift, dass den\nBußgeldstellen zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten unter bestimmten\nVoraussetzungen, die der Dokumentation und Kontrolle der Verfolgungstatigkeit\ndienen, der Online-Zugriff auf die im Pass- oder Personalausweisregister\ngespeicherten Lichtbilder von Betroffenen grundsatzlich gestattet ist. In\neinem Fall wie dem vorliegenden, wo Ermittlungen beim Betroffenen oder in\ndessen sozialem Umfeld einen unverhaltnismaßigen Aufwand mit sich brachten und\ndie schutzwurdigen Belange des Betroffenen durch eine Online-Erhebung seines\nLichtbildes beim Passregister geringstmoglich beeintrachtigt werden, erscheint\nes grundsatzlich angemessen, diese Art der Beweiserhebung, die die Vorteile\nder modernen Kommunikationstechnik nutzt, zuzulassen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Allerdings sind der Bußgeldbehorde hier bei der durch §§ 22 Abs. 3 PaßG, 8\nAbs. 2 bw LDSG vorgeschriebenen Dokumentation des Online-Zugriffs so\nschwerwiegende Fehler unterlaufen, dass die Beweiserhebung als formell\nrechtswidrig angesehen werden muss. Nach § 22 Abs. 3 Satz 2 u. 3 PaßG durfte\nnur ein besonders ermachtigter Bediensteter tatig werden, der den Anlass des\nErsuchens und die Herkunft der ubermittelten Daten aktenkundig machte. Die\nbeteiligten Stellen mussten gemaß § 8 Abs. 2 bw LDSG durch schriftliche\nFestlegung gewahrleisten, dass die Zulassigkeit des Abrufverfahrens\nkontrolliert werden konnte; hierzu waren Anlass und Zweck des Abrufverfahrens,\nDritte, an die ubermittelt wurde, die Art der abzurufenden Daten und die nach\n§ 9 bw LDSG erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen\nfestzulegen. Da diese Dokumentationspflicht keine bloße Ordnungsvorschrift\ndarstellt, sondern der Sicherung des Datenschutzes sowie insbesondere der\nVerhinderung von Missbrauchen dient und damit fur die Rechtmaßigkeit des\nOnline-Zugriffs konstitutiven Charakter hat, hatte sie bei Erhebung des\nLichtbildes des Betroffenen befolgt werden mussen. Die wesentlich spater auf\nAnfrage des Amtsgerichts erfolgte Erklarung des unverstandlichen\nDialogschlussels vom 24. August 2001 reichte als Dokumentation nicht aus. Die\nBußgeldstelle wird, falls sie den Online-Zugriff kunftig wieder praktizieren\nsollte, auf eine vollstandige und allgemein verstandliche Dokumentation zu\nachten haben. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Rechtswidrigkeit der Beweis e r h e b u n g fuhrt hier indes nicht zu\neinem Beweis v e r w e r t u n g s verbot. Ebenso wie bei der Datenerhebung\ndurch schriftliches Ersuchen besteht ein Beweisverwertungsverbot nur dann,\nwenn der Kernbereich der Personlichkeitssphare des Betroffenen beruhrt wird\n(vgl. Senatsbeschluss vom 02. Januar 1998 - 1 Ss 712/97; BayObLG NJW 1998,\n3656; OLG Frankfurt NJW 1997, 2963; OLG Hamm, Beschluss vom 07. November 1989\n- 3 Ss OWi 695/89, zitiert nach juris; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45.\nAufl., Einleitung Rdnr. 56 m.w.N.). Das ist hier ersichtlich nicht der Fall.\nDas Lichtbild des Betroffenen ist lediglich der - nicht umfassend geschutzten\n- schlichten Privatsphare zuzurechnen. Dass es vom Betroffenen selbst bei\nBeantragung seines Reisepasses zu den Akten der Passstelle gegeben wurde,\nhindert seine Verwertung ebenfalls nicht; ein Verstoß gegen den Grundsatz,\ndass niemand aktiv zu seiner eigenen Überfuhrung beitragen muss, liegt nicht\nvor. Der Betroffene ist nicht gezwungen worden, sein Lichtbild im\nBußgeldverfahren als Beweismittel zur Verfugung zu stellen. Dass die\nBußgeldstelle wegen des nach der Hinterlegung des Lichtbildes entstandenen\nTatverdachts einer Verkehrsordnungswidrigkeit auf sein zum Passregister\ngegebenes Lichtbild im Automatisierten Abrufverfahren zugreifen konnte, ist\ndas unmittelbare Ergebnis staatlicher Ermittlungstatigkeit, nicht jedoch einer\nrechtswidrig erzwungenen Selbstbelastung des Betroffenen. \n--- \n| 18 \n--- \n| III. Das angefochtene Urteil kann auf der in mehrfacher Hinsicht\nunrichtigen Rechtsauffassung des Amtsgerichts beruhen. Der Senat musste den\nFreispruch daher aufheben; er hat die Sache an eine andere Abteilung des\nAmtsgerichts zuruckverwiesen (§ 79 Abs. 5 u. 6 OWiG). \n---\n\n |
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139,681 | vg-karlsruhe-2004-04-29-3-k-95304 | 158 | Verwaltungsgericht Karlsruhe | vg-karlsruhe | Karlsruhe | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 3 K 953/04 | 2004-04-29 | 2019-01-07 14:43:56 | 2019-01-17 11:59:51 | Beschluss | ## Tenor\n\nDer Antrag wird abgelehnt.\n\nDie Antragstellerin tragt die Kosten des Verfahrens einschließlich der\naußergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.\n\nDer Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der\nAntragstellerin gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom\n27.01.2004 ist statthaft (§§ 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2, 80 Abs. 5 S. 1 VwGO\ni.V.m. den § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO, 212 a Abs. 1 BauGB) und auch im\nÜbrigen zulassig. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Antrag ist jedoch nicht begrundet. Nach Auffassung der Kammer uberwiegt\nim Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Abwagung der Interessen der\nBeteiligten das Interesse der Beigeladenen, die ihr erteilte Baugenehmigung im\nRahmen des Sofortvollzuges sofort nutzen zu durfen, das Interesse der\nAntragstellerin, vor Eintritt der Unanfechtbarkeit keine vollendeten Tatsachen\nhinnehmen zu mussen. Nach derzeitigem Erkenntnisstand besteht eine\nuberwiegende Wahrscheinlichkeit dafur, dass die Antragstellerin durch die der\nBeigeladenen erteilte Baugenehmigung nicht in ihren Rechten verletzt wird und\ndass der Widerspruch und eine moglicherweise im Anschluss daran erhobene Klage\nsomit erfolglos bleiben werden. \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Widerspruch der Antragstellerin kann nur dann Erfolg haben, wenn sie\ndurch die erteilte Baugenehmigung in einem Nachbarrecht verletzt wurde.\nWiderspruch und Anfechtungsklage eines Nachbarn sind namlich nicht schon dann\nbegrundet, wenn die angefochtene Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. §\n113 Abs. 1 S. 1 VwGO verlangt daruber hinaus, dass der Nachbar durch die\nBaugenehmigung in seinen Rechten verletzt wird. Rechte des Nachbarn sind nur\nverletzt, wenn und soweit solche Bauvorschriften fehlerhaft auf das\nBauvorhaben angewandt worden sind, die ausschließlich oder wenigstens zum Teil\nauch dem Schutz der Interessen Dritter, namlich des Nachbarn, zu dienen\nbestimmt sind. Eine solche Rechtsverletzung liegt jedoch nach einer im\nvorliegenden Verfahren nur moglichen summarischen Prufung der Sach- und\nRechtslage aller Voraussicht nach nicht vor. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die bauplanungsrechtliche Zulassigkeit des Vorhabens der Beigeladenen\nbeurteilt sich nach der im vorliegenden summarischen Verfahren darstellenden\nSach- und Rechtslage nach dem Bebauungsplan „Nutzungsartfestsetzung" der\nAntragsgegnerin in der Fassung vom 09.10.1984, der fur das Baugrundstuck und\nfur das Grundstuck, auf dem die Antragstellerin eine Wohnung besitzt, ein\nGewerbegebiet festlegt. Ferner ist in diesem Bebauungsplan festgelegt, dass\nNutzungen gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO (Geschafts-, Buro- und\nVerwaltungsgebaude) nur ausnahmsweise zulassig sind. Die Antragsgegnerin hat\ndaher das beantragte Vorhaben „Umnutzung eines Betriebsgebaudes in ein\nturkisches Konsulat" als „Buro- und Verwaltungsgebaude" im Wege der Ausnahme\nzugelassen. Die hierbei getroffene Ermessensentscheidung ist aller Voraussicht\nnach nicht zu beanstanden (vgl. hierzu: Zuruckweisung der Nachbareinwendungen\nmit Bescheid vom 27.01.2004). Insbesondere ist im vorliegenden Eilverfahren\nbei nur summarischer Prufung nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin im\nRahmen ihres Ausnahmeermessens die nachbarlichen Interessen der\nAntragstellerin nicht bzw. nicht ausreichend berucksichtigt hatte (vgl. zu\nderen Berucksichtigung im Rahmen des Ermessens: Brugelmann, BauGB, Bd. 2, §\n31, RN 20; vgl. auch Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Bd. 2, § 31, RN 27). \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Antragstellerin beruft sich im vorliegenden Eilverfahren allein darauf,\ndass im Rahmen der nach § 31 Abs. 1 BauGB vorzunehmenden Ermessensentscheidung\ndie von ihr befurchteten Gefahren durch Terroranschlage bei Nutzung des\nGebaudes als turkisches Konsulat nicht ausreichend in die Abwagung eingestellt\nworden seien. Diese Gefahren mussen jedoch bei der Wurdigung nachbarlicher\nInteressen im Rahmen des § 31 Abs. 1 BauGB außer Betracht bleiben. Denn die\n„nachbarlichen Interessen" erfassen nach Auffassung der Kammer nur solche\nBelange, die nach planungsrechtlichen Grundsatzen abwagungserheblich sind\n(vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 31, RN 60). Bei der Bewertung von\nGefahren und Beeintrachtigungen nachbarlicher Interessen konnen daher auch nur\nsolche Storungen berucksichtigt werden, die typischerweise bei der\nbestimmungsgemaßen Nutzung des Vorhabens auftreten und von bodenrechtlicher\nRelevanz sind. Anderen Gefahren und Beeintrachtigungen, die unabhangig von\neinem konkreten Bauvorhaben und vor allem unabhangig von einem bestimmten\nBaugebiet jederzeit und uberall eintreten konnen, kann nicht mit Mitteln des\nBaurechts, sondern nur im jeweiligen Einzelfall mit denen des Polizei- und\nOrdnungsrechts begegnet werden (so auch: VG Berlin, Urt. v. 20.05.1999 - 13 A\n245/98 -, LKV 1999, 412). Die im Rahmen des § 31 BauGB zu berucksichtigenden\nnachbarlichen Interessen sind auf solche Nachteile und Belastigungen\nausgerichtet, aus denen Konflikte zu anderen Nutzungsarten, insbesondere zur\nWohnnutzung, entstehen konnen und die durch raumliche Trennung und Gliederung\nwiderstreitender Nutzungsarten, namlich durch Verweisung in eine andere\nGebietskategorie, gelost werden konnen. Dies ist aber bei den von der\nAntragstellerin befurchteten Gefahren nicht moglich. Diese von Personen\nverursachten Gefahren konnen ebenso in jedem anderen Baugebiet auftreten. Sie\nergeben sich gerade nicht unmittelbar aus der Nutzung des Gebaudes als\nturkisches Konsulat, sondern erst durch die Einwirkungen Dritter. Solche von\nDritten veranlassten Gefahren sind aber keine bodenrechtlich relevanten\nFolgewirkungen (so auch VG Berlin, Urt. v. 20.05.1999, aaO). \n--- \n| 6 \n--- \n| Aus denselben Grunden verstoßt die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung\nim Hinblick auf die allein geltend gemachten Gefahren durch Terroranschlage\nauch nicht gegen das durch § 15 BauNVO konkretisierte nachbarschutzende Gebot\nder Rucksichtnahme. Denn auch die im Rahmen des Rucksichtnahmegebots zu\nberucksichtigenden Belastigungen oder Storungen mussen von bodenrechtlicher\nRelevanz sein (vgl. Brugelmann, BauGB, Bd. 6, Stand: Sept. 2002, § 15 BauNVO,\nRN 119). \n--- \n| 7 \n--- \n| Die von der Antragstellerin befurchteten Gefahren durch Terroranschlage\nkonnen schließlich auch keinen Verstoß gegen § 3 Abs. 1 S. 1 LBO begrunden,\nwobei die Kammer offen lassen kann, ob § 3 Abs. 1 S. 1 LBO vorliegend\nuberhaupt nachbarschutzende Wirkung zukommt (vgl. Sauter, LBO, 3. Aufl., § 3,\nRN 51). § 3 Abs. 1 LBO stellt die allgemeinen und grundsatzlichen\nAnforderungen auf, die eine bauliche Anlage erfullen muss. Die Vorschrift\ndient dem Schutz vor von der baulichen Anlage selbst ausgehenden Gefahren fur\ndie offentliche Sicherheit und Ordnung, wobei sowohl auf den Baukorper als\nsolchen als auch auf die Bausubstanz in der ihr zugedachten Funktion\nabzustellen ist (vgl. Sauter, aaO, § 3, RN 6, 19). Von der bestimmungsgemaßen\nNutzung des ehemaligen Betriebsgebaudes als turkisches Konsulat gehen aber\nselbst keine unmittelbaren Gefahren fur die offentliche Sicherheit und\nOrdnung, insbesondere fur das Leben und die Gesundheit der Allgemeinheit oder\nder Nachbarschaft aus. Vielmehr ergeben sich solche Gefahren eben erst durch\nEinwirkungen Dritter. Solche von Dritten veranlassten Gefahren werden aber\nnicht vom Schutzbereich des § 3 Abs. 1 S. 1 LBO erfasst. \n--- \n| 8 \n--- \n| Nach alledem war der Antrag abzulehnen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es\nentspricht der Billigkeit, die der notwendig beigeladenen Bauherrin\nentstandenen außergerichtlichen Kosten dem unterlegenen Nachbarn aufzuerlegen\n(vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 18.07.1996 - 3 S 2895/95 -). \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG\n(vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 01.10.1999 - 5 S 2014/99 -;\nStreitwertkatalog fur die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom Januar 1996,\nZiff. 2 7.6.1). \n---\n\n |
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139,843 | lsgbw-2004-06-09-l-3-al-224203 | 128 | Landessozialgericht Baden-Württemberg | lsgbw | Baden-Württemberg | Sozialgerichtsbarkeit | L 3 AL 2242/03 | 2004-06-09 | 2019-01-07 14:45:13 | 2019-01-17 12:00:01 | Urteil | ## Tenor\n\nDie Berufung des Klagers wird als unzulassig verworfen.\n\nDie Beklagte hat dem Klager die Halfte der Kosten des ersten Rechtszugs zu\nerstatten; im ubrigen sind keine Kosten zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten uber den Eintritt einer Sperrzeit und die damit\nverbundene Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg). \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der 1963 geborene Klager meldete sich am 31.01.2002 bei der Beklagten\narbeitslos und beantragte die Gewahrung von Alg. Sein Arbeitsverhaltnis war\nmit Aufhebungsvertrag vom 06.06.2001 unter sofortiger Freistellung zum\n31.01.2002 (vgl. Bl. 7 der Leistungsakte) beendet worden. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Bescheid vom 05.03.2002 stellte die Beklagte den Eintritt einer\n12-wochigen Sperrzeit vom 01.02.2002 bis zum 25.04.2002 wegen Arbeitsaufgabe\nfest, weshalb der Anspruch auf Alg wahrend dieses Zeitraumes ruhe und sich um\n90 Tage (ein Viertel der Anspruchsdauer) mindere, und gewahrte dem Klager Alg\ndementsprechend mit Bescheid vom 08.03.2002 erst ab dem 26.04.2002 mit einem\nwochentlichen Leistungssatz von 250,04 EUR. Mit Änderungsbescheid vom\n01.01.2003 wurde der wochentliche Leistungssatz auf 248,22 EUR festgesetzt.\nDer Anspruch war am 20.01.2003 erschopft, nachdem der Klager fur 270 Tage Alg\nbezogen hatte. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit seinem Widerspruch gegen die Sperrzeitentscheidung (vgl. Bl. 20 der\nLeistungsakte) machte der Klager private, im einzelnen aufgefuhrte Grunde fur\nden Abschluss des Aufhebungsvertrags geltend. Die Beklagte wies den\nWiderspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2002 als unbegrundet zuruck. Es\nsei dem Klager zuzumuten gewesen, das Beschaftigungsverhaltnis so lange\nfortzusetzen, bis er nahtlos ein neues Beschaftigungsverhaltnis gefunden\nhatte. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) wurde am 12.07.2002 erhoben. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 03.12.2002 hat die Beklagte im Rahmen eines\nTeilanerkenntnisses den Eintritt der Sperrzeit auf die Zeit vom 07.06.2001 bis\nzum 29.08.2001 geandert und dem Klager Arbeitslosengeld auch fur die Zeit vom\n01.02.2002 bis zum 25.04.2002 und damit fur weitere 84 Tage gewahrt. Das\nAnerkenntnis ist vom Klager sinngemaß angenommen worden (vgl. Bl. 76 der SG-\nAkte). \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15.05.2003 abgewiesen. Es hat\nentschieden, der Klager habe keinen wichtigen Grund fur die Beendigung des\nBeschaftigungsverhaltnisses gehabt. Im ubrigen wird auf die\nEntscheidungsgrunde verwiesen. In der Rechtsmittelbelehrung hat das SG die\nAnfechtbarkeit des Gerichtsbescheids durch Berufung genannt. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Gegen die am 19.05.2003 zugestellte Entscheidung hat der Klager am\n30.05.2003 Berufung eingelegt. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Klager meint, ihm sei die Fortsetzung des Arbeitsverhaltnisses\nunzumutbar gewesen. Auf Hinweis des Senats wegen der Hohe der Berufungssumme\nhat der Klager vorgetragen, die Minderung des Alg betrage zwar keine 500,- EUR\nmehr. Die Zulassigkeit der Berufung ergebe sich aber aus der nach wie vor\nausgesprochenen Anspruchsminderung von 90 Tagen, der Moglichkeit weiterer\nnachteiliger Folgen der Sperrzeit und dem Meistbegunstigungsprinzip, wonach\neine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung nicht zum Nachteil des Beteiligten\nfuhren durfe. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Mai 2003 und den\nBescheid der Beklagten vom 05. Marz 2002 in der Fassung des\nWiderspruchsbescheids vom 24. Juni 2002 und in der Fassung des\nTeilanerkenntnisses der Beklagten vom 03. Dezember 2002 aufzuheben. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Sie halt die verhangte Sperrzeit fur rechtmaßig. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die von\nder Beklagen vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 16 \n--- \n| Die Berufung ist unzulassig. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGG bedarf die Berufung nur dann\nkeiner besonderen Zulassungsentscheidung, wenn der Wert des\nBeschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder\neinen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,- EUR ubersteigt oder\nwenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen fur mehr als ein\nJahr betrifft. Der Klager ist durch den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid\nnicht in dem von § 144 Abs. 1 SGG vorausgesetzten Maße beschwert, denn mit dem\nim Klageverfahren beanspruchten Betrag wird der erforderliche Beschwerdewert\nnicht erreicht. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Klager hatte nach § 127 Abs. 2 SGB III einen Anspruch auf Alg mit einer\nDauer von 360 Tagen. Die Beklagte hat dem Klager zunachst 270 Tage und dann -\nin Ausfuhrung des Teilanerkenntnisses vor dem SG - nochmals 84 Tage Alg\nbewilligt, so dass insgesamt Alg fur 354 Tage geleistet wurde. Die\nursprunglich durch die Beklagte ausgesprochene Minderung des Anspruchs um 90\nTage ist zwar nicht ausdrucklich zuruckgenommen worden, mit der Anerkennung\ndes weiteren Anspruchs des Klagers fur die Zeit vom 01.02.2002 bis zum\n25.04.2002 von 84 Tagen hat die Beklagte diese Kurzung jedoch tatsachlich auf\n6 Tage verringert. Der Klager ist mithin nur noch in Hohe eines Alg-Anspruchs\nvon 6 Tagen zu je 35,46 EUR als taglichem Leistungssatz, insgesamt also mit\nnur 212,76 EUR, beschwert. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Wiederkehrende oder laufende Leistungen im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 2\nSGG sind nicht im Streit. Entgegen der Rechtsauffassung des Klagers kann auch\ndie ursprunglich durch die Beklagte festgestellte Minderung des Alg-Anspruchs\num 90 Tage den Wert des Beschwerdegegenstandes nicht uber die Berufungssumme\nanheben, weil diese Kurzung - wie oben ausgefuhrt - nicht aufrechterhalten,\nsondern auf 6 Tage verringert wurde. Ob rechtliche oder wirtschaftliche\nmittelbare Kostenfolgen der Sperrzeitverhangung eintreten konnen, auf welche\nder Klager außerdem abstellt, ist unerheblich. Denn bei Zahlungsanspruchen ist\nzur Ermittlung der Berufungssumme allein auf den Geldbetrag abzustellen, um\nwelchen unmittelbar gestritten wird (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 144 Rdnr. 15). \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Zutreffend ist allerdings der Einwand des Klagers, das SG habe eine\nfehlerhafte Rechtsmittelbelehrung gegeben. Denn das SG hatte wegen der\nRestbeschwer von nur noch 212,76 EUR uber die Nichtzulassungsbeschwerde\nbelehren mussen oder hatte allenfalls die Moglichkeit gehabt, die Berufung\nausdrucklich zuzulassen. Hat ein SG aber irrtumlich angenommen, die Berufung\nsei ohne Zulassung statthaft und deswegen die falsche Belehrung erteilt, liegt\nhierin keine (konkludente) Zulassung der Berufung. Die Folgen einer\nunrichtigen Rechtsmittelbelehrung ergeben sich aus § 66 Abs. 2 SGG, so dass es\nmangels Regelungslucke fur das vom Klager geltend gemachte Prinzip der\nMeistbegunstigung als ungeschriebenem Grundsatz des Prozessrechts hier keinen\nRaum gibt. Nach dieser Vorschrift kann der Betroffene im Fall eines Irrtums\ndes erstinstanzlichen Gerichts bei Erteilung der Rechtsmittelbelehrung binnen\nJahresfrist Nichtzulassungsbeschwerde einlegen. Bei Ablauf der Frist - wie im\nvorliegenden Fall - wird bei unrichtiger Rechtsmittelbelehrung\nWiedereinsetzung aus Grunden hoherer Gewalt diskutiert. Diese Frage hat der\nSenat jedoch nicht zu beantworten, denn sie ist nur im Rahmen einer\nNichtzulassungsbeschwerde des Klagers zu prufen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berucksichtigt das von der\nBeklagten abgegebene Teilanerkenntnis. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 16 \n--- \n| Die Berufung ist unzulassig. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGG bedarf die Berufung nur dann\nkeiner besonderen Zulassungsentscheidung, wenn der Wert des\nBeschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder\neinen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,- EUR ubersteigt oder\nwenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen fur mehr als ein\nJahr betrifft. Der Klager ist durch den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid\nnicht in dem von § 144 Abs. 1 SGG vorausgesetzten Maße beschwert, denn mit dem\nim Klageverfahren beanspruchten Betrag wird der erforderliche Beschwerdewert\nnicht erreicht. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Klager hatte nach § 127 Abs. 2 SGB III einen Anspruch auf Alg mit einer\nDauer von 360 Tagen. Die Beklagte hat dem Klager zunachst 270 Tage und dann -\nin Ausfuhrung des Teilanerkenntnisses vor dem SG - nochmals 84 Tage Alg\nbewilligt, so dass insgesamt Alg fur 354 Tage geleistet wurde. Die\nursprunglich durch die Beklagte ausgesprochene Minderung des Anspruchs um 90\nTage ist zwar nicht ausdrucklich zuruckgenommen worden, mit der Anerkennung\ndes weiteren Anspruchs des Klagers fur die Zeit vom 01.02.2002 bis zum\n25.04.2002 von 84 Tagen hat die Beklagte diese Kurzung jedoch tatsachlich auf\n6 Tage verringert. Der Klager ist mithin nur noch in Hohe eines Alg-Anspruchs\nvon 6 Tagen zu je 35,46 EUR als taglichem Leistungssatz, insgesamt also mit\nnur 212,76 EUR, beschwert. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Wiederkehrende oder laufende Leistungen im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 2\nSGG sind nicht im Streit. Entgegen der Rechtsauffassung des Klagers kann auch\ndie ursprunglich durch die Beklagte festgestellte Minderung des Alg-Anspruchs\num 90 Tage den Wert des Beschwerdegegenstandes nicht uber die Berufungssumme\nanheben, weil diese Kurzung - wie oben ausgefuhrt - nicht aufrechterhalten,\nsondern auf 6 Tage verringert wurde. Ob rechtliche oder wirtschaftliche\nmittelbare Kostenfolgen der Sperrzeitverhangung eintreten konnen, auf welche\nder Klager außerdem abstellt, ist unerheblich. Denn bei Zahlungsanspruchen ist\nzur Ermittlung der Berufungssumme allein auf den Geldbetrag abzustellen, um\nwelchen unmittelbar gestritten wird (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 144 Rdnr. 15). \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Zutreffend ist allerdings der Einwand des Klagers, das SG habe eine\nfehlerhafte Rechtsmittelbelehrung gegeben. Denn das SG hatte wegen der\nRestbeschwer von nur noch 212,76 EUR uber die Nichtzulassungsbeschwerde\nbelehren mussen oder hatte allenfalls die Moglichkeit gehabt, die Berufung\nausdrucklich zuzulassen. Hat ein SG aber irrtumlich angenommen, die Berufung\nsei ohne Zulassung statthaft und deswegen die falsche Belehrung erteilt, liegt\nhierin keine (konkludente) Zulassung der Berufung. Die Folgen einer\nunrichtigen Rechtsmittelbelehrung ergeben sich aus § 66 Abs. 2 SGG, so dass es\nmangels Regelungslucke fur das vom Klager geltend gemachte Prinzip der\nMeistbegunstigung als ungeschriebenem Grundsatz des Prozessrechts hier keinen\nRaum gibt. Nach dieser Vorschrift kann der Betroffene im Fall eines Irrtums\ndes erstinstanzlichen Gerichts bei Erteilung der Rechtsmittelbelehrung binnen\nJahresfrist Nichtzulassungsbeschwerde einlegen. Bei Ablauf der Frist - wie im\nvorliegenden Fall - wird bei unrichtiger Rechtsmittelbelehrung\nWiedereinsetzung aus Grunden hoherer Gewalt diskutiert. Diese Frage hat der\nSenat jedoch nicht zu beantworten, denn sie ist nur im Rahmen einer\nNichtzulassungsbeschwerde des Klagers zu prufen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berucksichtigt das von der\nBeklagten abgegebene Teilanerkenntnis. \n---\n\n |
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139,863 | vghbw-2004-06-17-13-s-251602 | 161 | Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg | vghbw | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 13 S 2516/02 | 2004-06-17 | 2019-01-07 14:45:28 | 2019-01-17 12:00:02 | Urteil | ## Tenor\n\nAuf die Berufung der Klagerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts\nKarlsruhe vom 1.3.2002 - 1 K 1069/01 - geandert. Der Beklagte wird unter\nAufhebung der Bescheide des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 27.2.2001 und\ndes Widerspruchsbescheids des Regierungsprasidiums Karlsruhe vom 25.4.2001\nverpflichtet, die Klagerin einzuburgern.\n\nDer Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszuge.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\nDie Hinzuziehung eines Bevollmachtigten fur das Vorverfahren wird fur\nnotwendig erklart.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin begehrt die Einburgerung in den deutschen Staatsverband nach §\n40b StAG. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin ist am 03.11.1999 in Heidelberg geboren und besitzt die\npakistanische Staatsangehorigkeit. Ihr Vater, welcher 1986 in die\nBundesrepublik Deutschland eingereist und nach seiner Heirat mit einer\ndeutscher Staatsangehorigen 1987 eine befristete, 1990 eine unbefristete\nAufenthaltserlaubnis und am 20.11.1995 eine Aufenthaltsberechtigung erhielt,\nwar im Zeitpunkt der Geburt der Klagerin noch pakistanischer\nStaatsangehoriger. Bereits vor seiner Ehescheidung im Mai 1995, namlich am\n8.9.1989 hatte der Vater der Klagerin in Pakistan mit der Mutter der Klagerin,\nwelche pakistanische Staatsangehorige ist, die Ehe geschlossen. Aus dieser Ehe\ngingen zunachst die in Pakistan geborenen Geschwister der Klagerin hervor. Im\nFebruar 1999 reiste die Mutter der Klagerin mit ihren Kindern in die\nBundesrepublik Deutschland ein und stellte am 22.2.1999 fur sich und ihre\nKinder Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesamts fur die Anerkennung\nauslandischer Fluchtlinge vom 10.4.2000 abgelehnt wurde; die hiergegen\nerhobene Klage wies das VG Karlsruhe mit Urteil vom 21.3.2001 - A 10 K\n11081/00 - rechtskraftig ab. Bereits am 1.12.1999 stellten die Eltern der\nKlagerin fur diese den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis,\nwelcher mit Verfugung des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 4.8.2000\nabgelehnt wurde. Mit Beschluss vom 8.2.2001 - 1 K 2272/00 - ordnete das\nVerwaltungsgericht Karlsruhe die aufschiebende Wirkung des hiergegen erhobenen\nWiderspruchs an. Gegen die Verfugung vom 4.8.2000 und den den Widerspruch\nzuruckweisenden Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Karlsruhe hat\ndie Klagerin Klage erhoben. Nachdem die Stadt Leimen ihr am 29.7.2002 eine\nAufenthaltserlaubnis erteilt hatte, wurde das Verfahren nach ubereinstimmender\nErledigungserklarung der Beteiligten mit Beschluss des VG Karlsruhe vom\n11.11.2003 - 1 K 272/02 - eingestellt. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Bereits am 7.3.2000 hatten die Eltern der Klagerin deren Einburgerung\nbeantragt. Sie sind der Auffassung, dass die Klagerin jedenfalls am 1.1.2000\nihren rechtmaßigen gewohnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt habe. Das\nLandratsamt Rhein-Neckar-Kreis lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27.2.2001 ab\nund fuhrte zur Begrundung aus, die Klagerin habe in Deutschland nicht ihren\nrechtmaßigen gewohnlichen Aufenthalt gehabt, da die rechtlichen\nVoraussetzungen fur einen Daueraufenthalt nicht gegeben gewesen seien. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Den hiergegen fristgerecht erhobenen Widerspruch wies das\nRegierungsprasidium Karlsruhe mit Widerspruchsbescheid vom 25.4.2001 mit\nfolgender Begrundung zuruck: Zwar musse der Aufenthalt der Klagerin zum\n1.1.2000 als rechtmaßig eingestuft werden, denn zu diesem Zeitpunkt habe fur\nsie die Erlaubnisfiktion des § 69 Abs. 3 S. 2 AuslG gegolten. Sie habe\nindessen hier in Deutschland nicht ihren gewohnlichen Aufenthalt, denn es\nlasse sich nicht feststellen, dass sie auf unabsehbare Zeit hier lebe. Dafur\nkomme es nicht nur auf den Willen des Betroffenen an, dauerhaft in Deutschland\nzu bleiben, sondern auch auf die rechtlichen Moglichkeiten, hier bleiben zu\nkonnen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 4.5.2001 hat die Klagerin Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe mit\ndem Antrag erhoben, den Bescheid des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom\n27.2.2001 und den Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Karlsruhe vom\n25.4.2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, sie einzuburgern. Zur\nBegrundung hat sie ausgefuhrt: Ihr sei bereits von Amts wegen in\nentsprechender Anwendung von § 21 Abs. 1 AuslG eine Aufenthaltserlaubnis zu\nerteilen gewesen, da ihr Vater bei ihrer Geburt eine Aufenthaltsberechtigung\nbesessen habe. Die bisherige Fassung von § 21 AuslG, die allein auf die\nAufenthaltserlaubnis der Mutter abstelle, sei verfassungskonform auszulegen.\nAm 1.1.2000 habe sie aber auch aus anderen Grunden ihren "gewohnlichen\nAufenthalt" im Inland gehabt. Der Begriff des "gewohnlichen Aufenthalts" sei\nuberwiegend faktischer Natur und stelle in erster Linie auf die Herkunft und\ndie soziale Eingliederung ab. Sie habe zu keiner Zeit außerhalb Deutschlands\ngelebt. Keinesfalls konne aus § 40b StAG abgeleitet werden, dass eine\nEinburgerung ein sicheres Bleiberecht voraussetze. Mit Urteil vom 1.3.2002 hat\ndas Verwaltungsgericht Karlsruhe die Klage abgewiesen und zur Begrundung im\nwesentlichen folgendes ausgefuhrt: Mit dem Erfordernis des gewohnlichen\nAufenthalts solle gewahrleistet werden, dass nur solche Auslander eingeburgert\nwurden, von denen angenommen werden konne, dass sie nicht nur vorubergehend,\nsondern auf unabsehbare Zeit hier lebten. Daher genuge ein Aufenthalt im\nBundesgebiet nicht schon dann den Anforderungen des Einburgerungsrechts, wenn\nder weitere Aufenthalt im Bundesgebiet ungewiss sei. Der Begriff des\n"gewohnlichen Aufenthalts" sei schon nach der alten Rechtslage, die unter der\nFassung des § 86 Abs. 1 AuslG vom 9.7.1990 (BGBl. I S. 1354) gegolten habe, so\nverstanden worden. Es lagen keine Anhaltspunkte dafur vor, dass der\nGesetzgeber mit der Formulierung "gewohnlicher Aufenthalt" in § 40b StAG etwas\nanderes gemeint habe. Ungewissheit uber den weiteren Aufenthalt eines\nAuslanders bestehe, wenn offen sei, wo er sich in der nachsten Zeit aufhalten\nwerde. Dies sei auch dann der Fall, wenn die Auslanderbehorde uber den\nAufenthaltsstatus des Auslanders noch nicht entschieden habe und sich aus dem\nGesetz nicht ohne weiteres ein Bleiberecht ergebe. Umgekehrt sei der weitere\nAufenthalt eines Auslanders in Deutschland gewiss, wenn nach dem\nAuslanderrecht und der Handhabung der einschlagigen Ermessensvorschriften\ndurch die Behorden davon auszugehen sei, dass dieser nicht nur vorubergehend,\nsondern auf unabsehbare Zeit im Bundesgebiet bleiben konne und er dazu auch\nentschlossen sei. Hiernach konne von einem gewohnlichen Aufenthalt der\nKlagerin am 1.1.2000 im Bundesgebiet nicht die Rede sein. Ihr Aufenthalt habe\nzu diesem Zeitpunkt lediglich aufgrund der Fiktion des § 69 Abs. 3 S. 1 AuslG\nals erlaubt gegolten. Ungeachtet der Frage, wie im Rechtsstreit - 1 K 272/02 -\nuber den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu entscheiden sei, sei\njedenfalls am 1.1.2000 der Verbleib der Klagerin in Deutschland keineswegs auf\nunabsehbare Zeit angelegt gewesen. Allein aus dem Umstand, dass der Vater der\nKlagerin uber eine Aufenthaltsberechtigung verfuge, ergebe sich nichts\nanderes. Zwar werde dies bei Entscheidungen uber deren Aufenthalt in\nDeutschland gemaß Art. 6 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 8 Abs. 2 EMRK zu\nberucksichtigen sein. Zwingend folge daraus aber nicht, dass ihr weiterer\nAufenthalt in Deutschland gesichert sei. Ihre Mutter sei ausreisepflichtig. Ob\ndie Familie letztlich in Pakistan ihren weiteren Aufenthalt nehmen musse und\nwerde, sei am 1.1.2000 nicht absehbar, aber auch nicht unwahrscheinlich\ngewesen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts wurde den Prozessbevollmachtigten\nder Klagerin am 8.4.2002 zugestellt. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Auf den am 16.4.2002 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Antrag auf\nZulassung der Berufung hat der Senat durch Beschluss vom 05.11.2002 die\nBerufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen. Der Beschluss\nwurde am 25.11.2002 zugestellt. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit am 3.12.2002 eingegangenem Schriftsatz beantragt die Klagerin, \n--- \n| 8 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 1.3.2002 abzuandern, die\nVerfugung des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 27.2.2001 und den\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Karlsruhe vom 25.4.2001\naufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Klagerin einzuburgern, sowie\n"die Kosten des Vorverfahrens fur notwendig zu erklaren." \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Zur Begrundung fuhrt sie aus: Sie habe schon deshalb am 1.1.2000 ihren\n"gewohnlichen Aufenthalt" im Inland gehabt, weil ihr - selbst bei Fehlen der\nVoraussetzungen zur Einburgerung - bei verfassungskonformer Auslegung des § 21\nAbs. 1 AuslG von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen gewesen sei.\nDas Kriterium der "Gewohnlichkeit" solle den Aufenthalt lediglich gegenuber\nvorubergehenden außergewohnlichen Aufenthalten ohne Bleiberecht abgrenzen. Ein\nderartiger Aufenthalt sei dann nicht anzunehmen, wenn keine rechtliche\nMoglichkeit bestanden habe, in Deutschland zu bleiben. Nicht richtig sei es\njedoch, das Kriterium der "Gewohnlichkeit" in eine rechtliche Sicherheit im\nSinn eines kunftigen Bleiberechts umzudeuten. Das Gesetz hatte fur diesen Fall\nnicht von einem "gewohnlichen Aufenthalt" sprechen mussen, sondern von einem\n"rechtlich abgesicherten" Aufenthalt im Sinn eines sicheren Bleiberechts. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Nach dem Umzug der Klagerin nach Leimen und der am 16.05.2002 erfolgten\nEinburgerung ihres Vaters erteilte die Stadt Leimen der Klagerin am 29.7.2002\neine bis zum 2.11.2015 befristete Aufenthaltserlaubnis und ihrer Mutter am\n28.6.2002 eine bis zum 9.6.2003 befristete Aufenthaltserlaubnis, die\nverlangert wurde. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 12 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Zur Begrundung fuhrt er aus, dass er der Klage auch aufgrund der inzwischen\neingetretenen Sachverhaltsanderung nicht abhelfen konne. Die\nAufenthaltserlaubnis sei von der jetzt zustandigen Auslanderbehorde Leimen\nwegen eines in einem maßgeblichen Punkt geanderten Sachverhalts, namlich der\nEinburgerung des Vaters der Klagerin, erteilt worden und zwar auf einen bei\nder Stadt Leimen nach der Einburgerung neu gestellten Antrag. Es komme auch\nnicht darauf an, dass der noch im Jahr 1999 gestellte Antrag auf Erteilung\neiner Aufenthaltserlaubnis nach § 69 AuslG Erlaubnisfiktionswirkung gehabt\nhabe und nun in einen mit Aufenthaltserlaubnis abgesicherten Aufenthalt\ngemundet sei, da nicht die Rechtmaßigkeit des Aufenthalts der Klagerin zum\n1.1.2000 in Frage gestellt worden sei, sondern nur die dauerhafte Sicherung\ndes Aufenthalts und damit der gewohnliche Aufenthalt i.S.d. § 40b StAG. Gerade\ndiese dauerhafte Sicherung beruhe jedoch nur auf der nach dem 1.1.2000\neingetretenen Sachverhaltsanderung. Fur den Einburgerungsanspruch der Klagerin\nkomme es darauf an, ob ihr Aufenthalt am 1.1.2000 gewohnlich gewesen sei und\nbis zur Entscheidung uber ihren Einburgerungsantrag die Gewohnlichkeit des\nAufenthalts fortbestehe. Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach der\nEinburgerung ihres Vaters im Jahr 2002 andere an der Qualitat ihres\nAufenthalts am 1.1.2000 nichts. Zu diesem Zeitpunkt habe sie weder auf der\nGrundlage von § 21 AuslG noch § 20 AuslG einen Anspruch auf Erteilung der\nAufenthaltserlaubnis oder einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung\ni.S. einer Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gehabt. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Beide Beteiligte haben auf mundliche Verhandlung verzichtet. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die\ngewechselten Schriftsatze der Beteiligten verwiesen, außerdem auf die Akten\ndes Verwaltungsgerichts Karlsruhe im Klageverfahren - 1 K 1069/01 -, im\nKlageverfahren betreffend die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis (Az.: 1 K\n272/02) und im Verfahren auf Gewahrung einstweiligen Rechtsschutzes (Az.: 1 K\n2272/00), sowie auf die die Klagerin und ihre Eltern betreffenden\nAuslanderakten des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis und der Stadt Leimen und\ndie Widerspruchsakte des Regierungsprasidiums Karlsruhe, welche dem Senat\nvorlagen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 16 \n--- \n| Der Senat entscheidet mit Einverstandnis der Beteiligten ohne mundliche\nVerhandlung (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Berufung der Klagerin ist nach ihrer Zulassung durch den Senat\nstatthaft und auch im Übrigen zulassig. Die Klagerin hat die Berufung\ninsbesondere innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Beschlusses uber\nihre Zulassung ausreichend begrundet und einen bestimmten Antrag gestellt (§\n124a Abs. 6, Abs. 3 Satz 4 VwGO). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Berufung ist auch begrundet. Denn das Verwaltungsgericht hat die Klage\nzu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom\n27.2.2001 und der Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Karlsruhe vom\n25.4.2001 sind rechtswidrig und verletzen die Klagerin in ihren Rechten (§ 113\nAbs. 5 Satz 1 VwGO). Denn sie hat einen Anspruch auf Einburgerung in den\ndeutschen Staatsverband. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Rechtsgrundlage fur diesen Anspruch ist § 40b StAG in Verbindung mit § 4\nAbs. 3 Satz 1 StAG. Nach § 40b Satz 1 StAG ist ein Auslander, der am 1.1.2000\nrechtmaßig seinen gewohnlichen Aufenthalt im Inland und das zehnte Lebensjahr\nnoch nicht vollendet hat, auf seinen Antrag einzuburgern, wenn bei seiner\nGeburt die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG vorgelegen haben und\nweiter vorliegen. Der Antrag konnte gemaß § 40b Satz 2 StAG bis zum 31.12.2000\ngestellt werden. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG erwirbt ein Kind auslandischer\nEltern durch die Geburt im Inland die deutsche Staatsangehorigkeit, wenn ein\nElternteil seit acht Jahren rechtmaßig seinen gewohnlichen Aufenthalt im\nInland hat und eine Aufenthaltsberechtigung oder seit drei Jahren eine\nunbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Diese Voraussetzungen sind gegeben. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Vater der Klagerin hat am 7.3.2000 und damit innerhalb der Frist des §\n40b Satz 2 StAG wirksam deren Einburgerung beantragt. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die an die Person des Klagerin anknupfenden Voraussetzungen des § 40b StAG\nin Verbindung mit § 4 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz StAG sind ebenfalls gegeben.\nDie Klagerin ist am 3.11.1999 in Heidelberg geboren. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Sie hatte auch am 1.1.2000 rechtmaßig ihren gewohnlichen Aufenthalt im\nBundesgebiet. § 40b StAG setzt zweierlei voraus, namlich, dass das Kind am\nStichtag seinen rechtmaßigen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte und dass der\nrechtmaßige den gewohnlichen Aufenthalt abdeckt (GK zum\nStaatsangehorigkeitsrecht, IV-2 § 40b, RN 37). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Rechtmaßigkeit des Aufenthalts der Klagerin folgte allerdings nicht aus\n§ 21 Abs. 1 Satz 1 AuslG, wonach einem Kind, das im Bundesgebiet geboren wird,\nvon Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist, wenn die Mutter eine\nAufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung besitzt. Die Mutter der\nKlagerin besaß im maßgeblichen Zeitpunkt der Geburt jedoch nicht die\nerforderliche Aufenthaltsgenehmigung, sondern lediglich der Vater, dem eine\nAufenthaltsberechtigung erteilt worden war. Einer entsprechenden Anwendung\ndieser Vorschrift auf Kinder, deren Vater die erforderliche\nAufenthaltsgenehmigung besitzt, steht bereits der eindeutige Wortlaut dieser\nVorschrift entgegen (Urteil des Senats vom 12.5.2004 - 13 S 2833/02 -).\nAllerdings folgt die Rechtmaßigkeit des Aufenthalts der Klagerin daraus, dass\nfur diese innerhalb der Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 AuslG Antrag auf\nErteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt worden war und daher ihr\nAufenthalt gem. § 69 Abs. 3 Satz 2 AuslG bis zur Entscheidung der\nAuslanderbehorde (Ablehnungsbescheid vom 4.8.2000) - und damit auch am\nmaßgeblichen Stichtag des 1.1.2000 - als erlaubt galt. Denn auch ein nach § 69\nAbs. 3 AuslG als erlaubt geltender Aufenthalt ist rechtmaßig i.S.d. § 40b StAG\n(Urteil des Senats vom 5.11.2003 - 13 S 2709/02 - VBlBW 2004, 112 und\nBeschluss vom 30.7.2003 - 13 S 1664/02 -, Hailbronner/Renner,\nStaatsangehorigkeitsrecht, 3. Aufl., 2001, § 40b, RN 6). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Klagerin hatte am 1.1.2000 auch im Sinn von § 40b Abs. 1 StAG ihren\n"gewohnlichen Aufenthalt" im Bundesgebiet. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| § 40b StAG setzt, ebenso wie § 85 oder § 86 AuslG i.d.F. vom 9.7.1990\n(BGBl. I S. 1354), einen "gewohnlichen Aufenthalt" voraus. Fur die bei der\nEinburgerung nach dem Auslandergesetz geltende Definition des "gewohnlichen\nAufenthalts" knupft das Bundesverwaltungsgericht an den in § 30 Abs. 3 Satz 2\nSGB I naher umschriebenen Begriff "gewohnlicher Aufenthalt" an (BVerwG fur §\n85 AuslG: Urteile vom 29.9.1995, InfAuslR 1996,19 und vom 23.2.1993, InfAuslR\n1993, 782); gleiches gilt fur den bei der Einburgerung nach § 40b StAG\ngeforderten "gewohnlichen Aufenthalt" im Inland (Beschluss des Senats vom\n7.11.2003 - 13 S 122/03 -). Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand seinen\ngewohnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umstanden aufhalt, die erkennen\nlassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorubergehend\nverweilt. Zur Bestimmung des gewohnlichen Aufenthalts ist auch der Zweck des\nGesetzes heranzuziehen, das diesen Begriff als Voraussetzung verwendet (s.\nBSG, Urteil vom 1.9.1999, InfAuslR 1999, 510), hier also des § 40b StAG. Da es\nbei Staatsangehorigkeitsfragen um die statusrechtliche Regelung von\nDauerrechtsverhaltnissen mit entsprechend grundlegenden Konsequenzen geht,\nreicht eine nur punktuelle Betrachtungsweise, wie sie fur die Beurteilung des\nrechtmaßigen Aufenthalts am Stichtag anzuwenden ist, nicht aus; es ist\nvielmehr zu verlangen, dass die Absicht eines Daueraufenthalts nicht durch\nHindernisse tatsachlicher - oder rechtlicher - Art vereitelt wird (vgl. BSG,\nUrt. v. 23.2.1988 - 10 RKg 17/87 - EZAR 451 Nr. 4). Ein nicht nur\nvorubergehendes Verweilen nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I setzt damit mindestens\neine auslanderrechtliche Aufenthaltsposition voraus, die beim Auslander so\n"offen" ist, dass sie - wie beim Inlander - einen Aufenthalt auf unbestimmte\nZeit moglich macht. Ein Auslander wird sich deshalb regelmaßig nicht\ngewohnlich in Deutschland aufhalten, wenn sein Aufenthalt hier nur zur\nDurchfuhrung eines Asylverfahrens nach § 55 AsylVfG gestattet oder nach § 55\nAuslG geduldet ist. Indem die Aufenthaltsgestattung und die Duldung an einen\nvorubergehenden Zweck anknupfen bzw. in der Absicht erteilt werden, den\nAufenthalt mit Wegfall des zeitweise bestehenden Hindernisses zu beenden,\nsollen sie gerade keinen Aufenthalt auf Dauer moglich machen. Nach der\nRechtsprechung des Bundessozialgerichts hat ein Auslander allerdings dann\nseinen gewohnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn sonstige Umstande\nergeben, dass er sich gleichwohl auf unbestimmte Zeit in Deutschland aufhalten\nwird; dies ist der Fall, wenn nach dem Auslanderrecht und der Handhabung der\neinschlagigen Ermessensvorschriften durch die Behorden davon auszugehen ist,\ndass der Auslander nicht nur vorubergehend, sondern auf unabsehbare Zeit im\nBundesgebiet bleiben kann (Urteile vom 20.5.1987 - 10 RKg 18/85 - InfAuslR\n1988, 52, vom 23.2.1988 - 10 RKg 17/87 - EZAR 451 Nr. 4, vom 17.5.1989 - 10\nRKg 19/88 - EZAR 450 Nr. 6 S. 3 und vom 14.9.1989 - 4 REg 7/88 - InfAuslR\n1990, 13). Ein Beispiel hierfur ist es, wenn von vornherein feststeht, dass\ndie Abschiebung eines Asylbewerbers auch bei endgultiger Ablehnung seines\nAsylantrags nicht in Betracht kommt, weil von einem Abschiebungshindernis auf\nunabsehbare Zeit auszugehen ist (BSG, Urteile vom 1.9.1999, a.a.O. und vom\n4.11.1998 - B 13 RJ 9/98 - juris). Diese Grundsatze sind bei der\nInhaltsbestimmung des gewohnlichen Aufenthalts im Sinne des § 85 AuslG\n(BVerwG, Urteile vom 29.9.1995 und vom 23.2.1993 - a.a.O. -), und im Sinne des\n§ 40b StAG anzuwenden. Die Feststellung des gewohnlichen Aufenthalts setzt\ndamit eine in die Zukunft gerichtete Prognose unter Berucksichtigung aller\ntatsachlichen Verhaltnisse voraus, wobei sich fur Kinder und Jugendliche\nBesonderheiten ergeben, wenn diese mit ihren Eltern zusammenleben: Ihr\nAufenthalt ist in der Regel abhangig von dem Aufenthalt ihrer Eltern\n(Hailbronner, Auslanderrecht, A 1 § 85 Rn 12; BVerwG, Urteil vom 23.2.1993 -\na.a.O. -) \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Unter Zugrundelegung der vorstehenden Grundsatze ergibt sich, dass die\nKlagerin am 1.1.2000 ihren gewohnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte. Fur\ndie Klagerin wurde am 1.12.1999 ein Antrag auf Erteilung einer\nAufenthaltserlaubnis gestellt, aufgrund dessen ihr Aufenthalt gem. § 69 Abs. 3\nSatz 2 AuslG am Stichtag als erlaubt galt. Dieser Antrag vermittelte ihr mit\nder Erlaubnisfiktion des § 69 Abs. 3 AuslG allerdings nur eine\nverfahrensrechtliche vorlaufige Rechtsposition, die also solche einen\n"gewohnlichen Aufenthalt" nach den dargelegten Grundsatzen noch nicht\nbegrunden konnte. Entscheidend kam aber hinzu, dass uber die\nverfahrensrechtliche Position hinaus auch inhaltlich davon auszugehen war,\ndass der Klagerin der angestrebte Daueraufenthalt gelingen wurde, so wie es\ndie nachfolgende Entwicklung auch gezeigt hat. Die Chancen der Klagerin in dem\ndurch den Antrag eingeleiteten aufenthaltsrechtlichen Verfahren waren namlich\nso positiv zu beurteilen, dass sie fur die Annahme eines "gewohnlichen\nAufenthalts" auch unter Berucksichtigung des durch § 40b StAG als\nÜbergangsvorschrift ermoglichten Staatsangehorigkeitswechsels ausreichen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Entgegen der vom Beklagten in der die Erteilung einer\nAufenthaltsgenehmigung ablehnenden Verfugung vom 4.8.2000 vertretenen\nAuffassung waren im Fall der Klagerin die tatbestandlichen Voraussetzungen des\n§ 20 Abs. 4 Nr. 2 AuslG gegeben. Hiernach kann die Auslanderbehorde dem\nminderjahrigen ledigen Kind eines Auslanders nach Maßgabe des § 17 AuslG eine\nAufenthaltserlaubnis erteilen, wenn es auf Grund der Umstande des Einzelfalles\nzur Vermeidung einer besonderen Harte erforderlich ist. Diese Vorschrift ist\nauch auf Kinder anwendbar, die im Bundesgebiet geboren sind (Urteil des Senats\nvom 12.5.2004 - 13 S 2833/02 -). Eine besondere Harte i.S.d. § 20 Abs. 4 Nr. 2\nAuslG liegt vor, wenn die Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis den\nminderjahrigen Auslander in den Folgen deutlich ungleich schwerer trifft als\nandere Auslander in vergleichbarer Lage (vgl. zur Definition der besonderen\nHarte: GK-AuslR II - § 20 Anm. 102; Hailbronner, Auslanderrecht, A 1, § 20\nAnm. 23; Jakober/Lehle/Schwab, Aktuelles Auslanderrecht, § 20, Anm. 14). Bei\nder Beurteilung, ob eine besondere Harte vorliegt, ist zunachst von der\ngrundsatzlichen Regelung des § 20 Abs. 2 Nr. 2 AuslG auszugehen, der einen\ngebundenen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den dort\ngenannten Voraussetzungen nur fur Kinder vorsieht, die das 16. Lebensjahr noch\nnicht vollendet haben. Diese Altersgrenze hat der Gesetzgeber mit Rucksicht\nauf die Integrationsprobleme, die der Zuzug alterer Jugendlicher\nerfahrungsgemaß verursacht, festgelegt (Kloesel/Christ/Haußer, Deutsches\nAuslanderrecht, 110, § 20, Anm. 59). In der Gesetzesbegrundung ist hierzu\nausgefuhrt, dass bei alteren Kindern der Gesichtspunkt, die Familieneinheit\nund die personliche Betreuung der Kinder zu gewahrleisten, zunehmend an\nGewicht verliere; die in solchen Fallen starker in den Vordergrund tretende\nAbsicht, den Kindern die Aufnahme einer Erwerbstatigkeit im Bundesgebiet zu\nermoglichen, rechtfertige keinen zwingenden Nachzugsanspruch (BT-Drs. 11/6321,\nS. 62 f.). Demgemaß setzt die Annahme einer besonderen Harte bei alteren\nKindern nach der Rechtsprechung in der Regel voraus, dass sich die\nLebensverhaltnisse des Kindes in seiner Heimat in einer unvorhergesehenen und\nunvorhersehbaren Weise geandert haben und der insofern eingetretenen Notlage\nnur durch einen Nachzug ins Bundesgebiet begegnet werden kann (BVerwG,\nBeschlusse vom 24.1.1994, InfAuslR 1994, 183 und vom 24.6.1996 - 1 B 180/96 -\njuris). Erforderlich ist dabei eine Abwagung der gegen den Aufenthalt\nsprechenden offentlichen Interessen mit der bei einer Ablehnung des Nachzugs\nzu erwartenden Gefahr fur die Familienmitglieder. Bei der Abwagung ist zu\nberucksichtigen, dass die Bundesrepublik Deutschland \\- angesichts der\nsteigenden Arbeitslosigkeit und der Schwierigkeiten, die eine angemessene\nIntegration der Auslander bereitet - nicht alle Auslander aufnehmen kann, die\nan einem langeren oder dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet interessiert sind.\nAußerdem ist fur die Abwagung im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 GG die familiare\nSituation wesentlich, auf die das offentliche Interesse an einer Begrenzung\ndes auslandischen Bevolkerungsanteils trifft. Hierbei ist auch zu\nberucksichtigen, dass das Gewicht des Erziehungsrechts nach Art. 6 Abs. 2 GG\nnaturgemaß durch das Alter des den Nachzug begehrenden Jugendlichen bestimmt\nwird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.1.1994, InfAuslR 1994, 183 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Situation der Klagerin unterscheidet sich von den in erster Linie von §\n20 Abs. 4 Nr. 2 AuslG erfassten Fallen des vom Gesetzgeber grundsatzlich nur\neingeschrankt gewollten Nachzugs aus dem Ausland. Denn die Klagerin ist\nbereits im Bundesgebiet geboren worden und es bestand in Deutschland seit\nihrer Geburt bereits durchgehend eine familiare Lebensgemeinschaft mit beiden\nElternteilen. Der Gedanke, dass wegen des fortgeschrittenen Alters eines\nnachzugswilligen Jugendlichen dessen Integration in hiesige Lebensverhaltnisse\nschwierig ist und einem Zuzug aus einwanderungspolitischen Grunden nahe kommt,\nder gerade nicht uneingeschrankt ermoglicht werden soll, ist in einem Fall wie\ndem hier vorliegenden nicht einschlagig. Bereits das Verwaltungsgericht hat in\nseiner die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Klagerin anordnenden\nEilentscheidung ausgefuhrt, dass im Fall der Klagerin die Erteilung einer\nAufenthaltserlaubnis nach § 20 AuslG naheliegend ist; der Senat teilt diese\nAuffassung. Hinzu kommt, dass die Klagerin nur knapp den Erwerb der deutschen\nStaatsangehorigkeit nach § 4 Abs. 3 StAG durch Geburt im Inland zeitlich\n"verpasst" hat. Ware sie zwei Monate spater und damit nach Inkrafttreten\ndieser Vorschrift (1.1.2000) geboren worden, hatte sie die deutsche\nStaatsangehorigkeit erworben, da ihr Vater seit mindestens 8 Jahren seinen\nrechtmaßigen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte und eine Aufenthaltsberechtigung\nbesaß. Die Klagerin war als Kleinkind zudem in einem Alter, in dem ein Kind\nnicht nur auf die Bindung an seine Mutter, sondern auch auf die Betreuung und\nErziehung durch seinen Vater in hohem Maße angewiesen ist. Rechtsgrunde, die\nder Erteilung der Aufenthaltserlaubnis entgegengestanden hatten, sind nicht\nersichtlich, insbesondere was einen ausreichenden Wohnraum (§ 20 Abs. 4 i.V.m.\n§ 17 Abs. 2 Nr. 2 AuslG) und die Sicherung des Lebensunterhalts der Klagerin\nangeht (§ 17 Abs. 2 Nr. 3 AuslG). Unter diesen Umstanden kann - entgegen den\nvom Beklagten in der Ablehnungsverfugung hilfsweise getroffenen\nErmessenserwagungen - dem offentlichen Interesse an der Begrenzung der\nZuwanderung kein derartiges Gewicht zukommen, dass es gegenuber dem privaten\nInteresse an der Aufrechterhaltung der familiaren Lebensgemeinschaft vorrangig\nware. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Hinzu kommt, dass die Frage, ob § 21 Abs. 1 AuslG von Verfassungs wegen\nauch solche im Bundesgebiet geborene Kinder auslandischer Eltern erfassen\nmusste, bei denen der Vater die erforderliche Aufenthaltsgenehmigung besitzt,\nnach wie vor hochst streitig und verfassungsgerichtlich noch ungeklart ist.\nImmerhin liegt hier aufgrund der ausdrucklichen Anknupfung der gesetzlichen\nRegelung an das Geschlecht eine direkte Ungleichbehandlung zwischen Mann und\nFrau vor, da trotz durchaus vergleichbarer Ausgangssachverhalte die Beziehung\ndes Vaters zum Kind aufenthaltsrechtlich nicht in derselben Weise privilegiert\nwird wie diejenige zwischen Mutter und Kind (vgl. Urteil des Senats vom\n12.5.2004 - 13 S 2833/02 - und Beschluss vom 29.1.2001 - 13 S 864/00 -\nInfAuslR 2001, 330). Ein gerichtliches Verfahren der Klagerin im Streit um die\nAufenthaltsgenehmigung hatte - vorbehaltlich der Regelung des § 20 AuslG -\nunter Umstanden zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100\nAbs. 1 GG, § 80 BVerfGG fuhren mussen, die ihrerseits die weitere Anwesenheit\nder Klagerin (mindestens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts\nund im Fall eines Verfassungsverstoßes noch daruber hinaus) im Bundesgebiet\ngerechtfertigt hatte. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| In dieser Situation war der Aufenthalt der Klagerin im Bundesgebiet auf\nunabsehbare Zeit gerade nicht ausgeschlossen, wie auch die weitere Entwicklung\ngezeigt und bestatigt hat. Diese Entwicklung, die zur Aufenthaltsverfestigung\nder Familienmitglieder gefuhrt hat, war bereits in dem langjahrigen Aufenthalt\ndes Vaters der Klagerin im Bundesgebiet angelegt, der schließlich in dessen\nEinburgerung mundete. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Schließlich sind die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen des § 40b Satz\n1 StAG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz StAG bei dem Vater der\nKlagerin als maßgeblichem Elternteil erfullt. Ihr Vater, dem erstmals 1987\neine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden war, erfullte bei der Geburt der\nKlagerin am 3.11.1999 die Anforderungen an Aufenthaltsdauer und\nAufenthaltstitel nach § 4 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz StAG. Denn er hatte in\ndiesem Zeitpunkt seit mehr als acht Jahren rechtmaßig seinen gewohnlichen\nAufenthalt im Bundesgebiet und war im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung.\nDie Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG bezuglich seines rechtmaßigen\ngewohnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet und des Besitzes einer\nAufenthaltsberechtigung lagen auch nach der Geburt der Klagerin "weiter" im\nSinne des § 40b Satz 1 StAG vor. Denn zum Zeitpunkt des Antrags auf\nEinburgerung der Klagerin nach § 40b StAG war deren Vater weiterhin im Besitz\nder Aufenthaltsberechtigung und hatte sich bis dahin rechtmaßig im\nBundesgebiet aufgehalten. Dass er nach Stellung des Einburgerungsantrags und\nnach Erlass der angefochtenen Bescheide und nachdem das klagabweisende Urteil\ndes Verwaltungsgerichts ergangen war, eingeburgert worden ist, fuhrt nicht\ndazu, dass die Klagerin den Anspruch auf Einburgerung nach § 40b StAG verloren\nhat. Denn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG mussen nur bis zum\nZeitpunkt der Stellung des Antrags auf Einburgerung nach § 40b StAG vorgelegen\nhaben (Urteil des Senats vom 7.10.2003 - 13 S 887/03 - InfAuslR 2004,169). Von\nder Anwendbarkeit des § 40b StAG im Falle der nachtraglichen Einburgerung des\nmaßgeblichen Elternteils geht auch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum\nStaatsangehorigkeitsrecht zu § 40b StAG aus. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht ist nicht zuzulassen, weil\nkeine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Die Rechtssache hat\ninsbesondere hinsichtlich der Frage, welche Voraussetzungen gegeben sein\nmussen, damit ein gewohnlicher Aufenthalt i.S.d. § 40b StAG begrundet wird,\nkeine grundsatzliche Bedeutung mehr, da sie auslaufendes Rechts betrifft. Denn\ndie Antrage fur Einburgerungen nach § 40b StAG konnten nur bis zum 31.12.2000\ngestellt werden. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Auf den sinngemaß gestellten Antrag der Klagerin, war die Hinzuziehung\neines Bevollmachtigten fur das Vorverfahren fur notwendig zu erklaren (§ 162\nAbs. 2 Satz 2 VwGO). Der Klagerin war es aufgrund ihrer personlichen\nKenntnisse und Erfahrungen und im Hinblick auf die rechtlichen und\ntatsachlichen Probleme des Falls nicht zuzumuten, ihre Rechte gegenuber der\nVerwaltung ohne einen Bevollmachtigten wahrzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom\n26.1.1996, Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 36). \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Soweit die Entscheidung die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines\nProzessbevollmachtigten betrifft, ist sie unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 16 \n--- \n| Der Senat entscheidet mit Einverstandnis der Beteiligten ohne mundliche\nVerhandlung (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Berufung der Klagerin ist nach ihrer Zulassung durch den Senat\nstatthaft und auch im Übrigen zulassig. Die Klagerin hat die Berufung\ninsbesondere innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Beschlusses uber\nihre Zulassung ausreichend begrundet und einen bestimmten Antrag gestellt (§\n124a Abs. 6, Abs. 3 Satz 4 VwGO). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Berufung ist auch begrundet. Denn das Verwaltungsgericht hat die Klage\nzu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom\n27.2.2001 und der Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Karlsruhe vom\n25.4.2001 sind rechtswidrig und verletzen die Klagerin in ihren Rechten (§ 113\nAbs. 5 Satz 1 VwGO). Denn sie hat einen Anspruch auf Einburgerung in den\ndeutschen Staatsverband. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Rechtsgrundlage fur diesen Anspruch ist § 40b StAG in Verbindung mit § 4\nAbs. 3 Satz 1 StAG. Nach § 40b Satz 1 StAG ist ein Auslander, der am 1.1.2000\nrechtmaßig seinen gewohnlichen Aufenthalt im Inland und das zehnte Lebensjahr\nnoch nicht vollendet hat, auf seinen Antrag einzuburgern, wenn bei seiner\nGeburt die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG vorgelegen haben und\nweiter vorliegen. Der Antrag konnte gemaß § 40b Satz 2 StAG bis zum 31.12.2000\ngestellt werden. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG erwirbt ein Kind auslandischer\nEltern durch die Geburt im Inland die deutsche Staatsangehorigkeit, wenn ein\nElternteil seit acht Jahren rechtmaßig seinen gewohnlichen Aufenthalt im\nInland hat und eine Aufenthaltsberechtigung oder seit drei Jahren eine\nunbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Diese Voraussetzungen sind gegeben. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Vater der Klagerin hat am 7.3.2000 und damit innerhalb der Frist des §\n40b Satz 2 StAG wirksam deren Einburgerung beantragt. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die an die Person des Klagerin anknupfenden Voraussetzungen des § 40b StAG\nin Verbindung mit § 4 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz StAG sind ebenfalls gegeben.\nDie Klagerin ist am 3.11.1999 in Heidelberg geboren. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Sie hatte auch am 1.1.2000 rechtmaßig ihren gewohnlichen Aufenthalt im\nBundesgebiet. § 40b StAG setzt zweierlei voraus, namlich, dass das Kind am\nStichtag seinen rechtmaßigen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte und dass der\nrechtmaßige den gewohnlichen Aufenthalt abdeckt (GK zum\nStaatsangehorigkeitsrecht, IV-2 § 40b, RN 37). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Rechtmaßigkeit des Aufenthalts der Klagerin folgte allerdings nicht aus\n§ 21 Abs. 1 Satz 1 AuslG, wonach einem Kind, das im Bundesgebiet geboren wird,\nvon Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist, wenn die Mutter eine\nAufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung besitzt. Die Mutter der\nKlagerin besaß im maßgeblichen Zeitpunkt der Geburt jedoch nicht die\nerforderliche Aufenthaltsgenehmigung, sondern lediglich der Vater, dem eine\nAufenthaltsberechtigung erteilt worden war. Einer entsprechenden Anwendung\ndieser Vorschrift auf Kinder, deren Vater die erforderliche\nAufenthaltsgenehmigung besitzt, steht bereits der eindeutige Wortlaut dieser\nVorschrift entgegen (Urteil des Senats vom 12.5.2004 - 13 S 2833/02 -).\nAllerdings folgt die Rechtmaßigkeit des Aufenthalts der Klagerin daraus, dass\nfur diese innerhalb der Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 AuslG Antrag auf\nErteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt worden war und daher ihr\nAufenthalt gem. § 69 Abs. 3 Satz 2 AuslG bis zur Entscheidung der\nAuslanderbehorde (Ablehnungsbescheid vom 4.8.2000) - und damit auch am\nmaßgeblichen Stichtag des 1.1.2000 - als erlaubt galt. Denn auch ein nach § 69\nAbs. 3 AuslG als erlaubt geltender Aufenthalt ist rechtmaßig i.S.d. § 40b StAG\n(Urteil des Senats vom 5.11.2003 - 13 S 2709/02 - VBlBW 2004, 112 und\nBeschluss vom 30.7.2003 - 13 S 1664/02 -, Hailbronner/Renner,\nStaatsangehorigkeitsrecht, 3. Aufl., 2001, § 40b, RN 6). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Klagerin hatte am 1.1.2000 auch im Sinn von § 40b Abs. 1 StAG ihren\n"gewohnlichen Aufenthalt" im Bundesgebiet. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| § 40b StAG setzt, ebenso wie § 85 oder § 86 AuslG i.d.F. vom 9.7.1990\n(BGBl. I S. 1354), einen "gewohnlichen Aufenthalt" voraus. Fur die bei der\nEinburgerung nach dem Auslandergesetz geltende Definition des "gewohnlichen\nAufenthalts" knupft das Bundesverwaltungsgericht an den in § 30 Abs. 3 Satz 2\nSGB I naher umschriebenen Begriff "gewohnlicher Aufenthalt" an (BVerwG fur §\n85 AuslG: Urteile vom 29.9.1995, InfAuslR 1996,19 und vom 23.2.1993, InfAuslR\n1993, 782); gleiches gilt fur den bei der Einburgerung nach § 40b StAG\ngeforderten "gewohnlichen Aufenthalt" im Inland (Beschluss des Senats vom\n7.11.2003 - 13 S 122/03 -). Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand seinen\ngewohnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umstanden aufhalt, die erkennen\nlassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorubergehend\nverweilt. Zur Bestimmung des gewohnlichen Aufenthalts ist auch der Zweck des\nGesetzes heranzuziehen, das diesen Begriff als Voraussetzung verwendet (s.\nBSG, Urteil vom 1.9.1999, InfAuslR 1999, 510), hier also des § 40b StAG. Da es\nbei Staatsangehorigkeitsfragen um die statusrechtliche Regelung von\nDauerrechtsverhaltnissen mit entsprechend grundlegenden Konsequenzen geht,\nreicht eine nur punktuelle Betrachtungsweise, wie sie fur die Beurteilung des\nrechtmaßigen Aufenthalts am Stichtag anzuwenden ist, nicht aus; es ist\nvielmehr zu verlangen, dass die Absicht eines Daueraufenthalts nicht durch\nHindernisse tatsachlicher - oder rechtlicher - Art vereitelt wird (vgl. BSG,\nUrt. v. 23.2.1988 - 10 RKg 17/87 - EZAR 451 Nr. 4). Ein nicht nur\nvorubergehendes Verweilen nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I setzt damit mindestens\neine auslanderrechtliche Aufenthaltsposition voraus, die beim Auslander so\n"offen" ist, dass sie - wie beim Inlander - einen Aufenthalt auf unbestimmte\nZeit moglich macht. Ein Auslander wird sich deshalb regelmaßig nicht\ngewohnlich in Deutschland aufhalten, wenn sein Aufenthalt hier nur zur\nDurchfuhrung eines Asylverfahrens nach § 55 AsylVfG gestattet oder nach § 55\nAuslG geduldet ist. Indem die Aufenthaltsgestattung und die Duldung an einen\nvorubergehenden Zweck anknupfen bzw. in der Absicht erteilt werden, den\nAufenthalt mit Wegfall des zeitweise bestehenden Hindernisses zu beenden,\nsollen sie gerade keinen Aufenthalt auf Dauer moglich machen. Nach der\nRechtsprechung des Bundessozialgerichts hat ein Auslander allerdings dann\nseinen gewohnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn sonstige Umstande\nergeben, dass er sich gleichwohl auf unbestimmte Zeit in Deutschland aufhalten\nwird; dies ist der Fall, wenn nach dem Auslanderrecht und der Handhabung der\neinschlagigen Ermessensvorschriften durch die Behorden davon auszugehen ist,\ndass der Auslander nicht nur vorubergehend, sondern auf unabsehbare Zeit im\nBundesgebiet bleiben kann (Urteile vom 20.5.1987 - 10 RKg 18/85 - InfAuslR\n1988, 52, vom 23.2.1988 - 10 RKg 17/87 - EZAR 451 Nr. 4, vom 17.5.1989 - 10\nRKg 19/88 - EZAR 450 Nr. 6 S. 3 und vom 14.9.1989 - 4 REg 7/88 - InfAuslR\n1990, 13). Ein Beispiel hierfur ist es, wenn von vornherein feststeht, dass\ndie Abschiebung eines Asylbewerbers auch bei endgultiger Ablehnung seines\nAsylantrags nicht in Betracht kommt, weil von einem Abschiebungshindernis auf\nunabsehbare Zeit auszugehen ist (BSG, Urteile vom 1.9.1999, a.a.O. und vom\n4.11.1998 - B 13 RJ 9/98 - juris). Diese Grundsatze sind bei der\nInhaltsbestimmung des gewohnlichen Aufenthalts im Sinne des § 85 AuslG\n(BVerwG, Urteile vom 29.9.1995 und vom 23.2.1993 - a.a.O. -), und im Sinne des\n§ 40b StAG anzuwenden. Die Feststellung des gewohnlichen Aufenthalts setzt\ndamit eine in die Zukunft gerichtete Prognose unter Berucksichtigung aller\ntatsachlichen Verhaltnisse voraus, wobei sich fur Kinder und Jugendliche\nBesonderheiten ergeben, wenn diese mit ihren Eltern zusammenleben: Ihr\nAufenthalt ist in der Regel abhangig von dem Aufenthalt ihrer Eltern\n(Hailbronner, Auslanderrecht, A 1 § 85 Rn 12; BVerwG, Urteil vom 23.2.1993 -\na.a.O. -) \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Unter Zugrundelegung der vorstehenden Grundsatze ergibt sich, dass die\nKlagerin am 1.1.2000 ihren gewohnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte. Fur\ndie Klagerin wurde am 1.12.1999 ein Antrag auf Erteilung einer\nAufenthaltserlaubnis gestellt, aufgrund dessen ihr Aufenthalt gem. § 69 Abs. 3\nSatz 2 AuslG am Stichtag als erlaubt galt. Dieser Antrag vermittelte ihr mit\nder Erlaubnisfiktion des § 69 Abs. 3 AuslG allerdings nur eine\nverfahrensrechtliche vorlaufige Rechtsposition, die also solche einen\n"gewohnlichen Aufenthalt" nach den dargelegten Grundsatzen noch nicht\nbegrunden konnte. Entscheidend kam aber hinzu, dass uber die\nverfahrensrechtliche Position hinaus auch inhaltlich davon auszugehen war,\ndass der Klagerin der angestrebte Daueraufenthalt gelingen wurde, so wie es\ndie nachfolgende Entwicklung auch gezeigt hat. Die Chancen der Klagerin in dem\ndurch den Antrag eingeleiteten aufenthaltsrechtlichen Verfahren waren namlich\nso positiv zu beurteilen, dass sie fur die Annahme eines "gewohnlichen\nAufenthalts" auch unter Berucksichtigung des durch § 40b StAG als\nÜbergangsvorschrift ermoglichten Staatsangehorigkeitswechsels ausreichen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Entgegen der vom Beklagten in der die Erteilung einer\nAufenthaltsgenehmigung ablehnenden Verfugung vom 4.8.2000 vertretenen\nAuffassung waren im Fall der Klagerin die tatbestandlichen Voraussetzungen des\n§ 20 Abs. 4 Nr. 2 AuslG gegeben. Hiernach kann die Auslanderbehorde dem\nminderjahrigen ledigen Kind eines Auslanders nach Maßgabe des § 17 AuslG eine\nAufenthaltserlaubnis erteilen, wenn es auf Grund der Umstande des Einzelfalles\nzur Vermeidung einer besonderen Harte erforderlich ist. Diese Vorschrift ist\nauch auf Kinder anwendbar, die im Bundesgebiet geboren sind (Urteil des Senats\nvom 12.5.2004 - 13 S 2833/02 -). Eine besondere Harte i.S.d. § 20 Abs. 4 Nr. 2\nAuslG liegt vor, wenn die Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis den\nminderjahrigen Auslander in den Folgen deutlich ungleich schwerer trifft als\nandere Auslander in vergleichbarer Lage (vgl. zur Definition der besonderen\nHarte: GK-AuslR II - § 20 Anm. 102; Hailbronner, Auslanderrecht, A 1, § 20\nAnm. 23; Jakober/Lehle/Schwab, Aktuelles Auslanderrecht, § 20, Anm. 14). Bei\nder Beurteilung, ob eine besondere Harte vorliegt, ist zunachst von der\ngrundsatzlichen Regelung des § 20 Abs. 2 Nr. 2 AuslG auszugehen, der einen\ngebundenen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den dort\ngenannten Voraussetzungen nur fur Kinder vorsieht, die das 16. Lebensjahr noch\nnicht vollendet haben. Diese Altersgrenze hat der Gesetzgeber mit Rucksicht\nauf die Integrationsprobleme, die der Zuzug alterer Jugendlicher\nerfahrungsgemaß verursacht, festgelegt (Kloesel/Christ/Haußer, Deutsches\nAuslanderrecht, 110, § 20, Anm. 59). In der Gesetzesbegrundung ist hierzu\nausgefuhrt, dass bei alteren Kindern der Gesichtspunkt, die Familieneinheit\nund die personliche Betreuung der Kinder zu gewahrleisten, zunehmend an\nGewicht verliere; die in solchen Fallen starker in den Vordergrund tretende\nAbsicht, den Kindern die Aufnahme einer Erwerbstatigkeit im Bundesgebiet zu\nermoglichen, rechtfertige keinen zwingenden Nachzugsanspruch (BT-Drs. 11/6321,\nS. 62 f.). Demgemaß setzt die Annahme einer besonderen Harte bei alteren\nKindern nach der Rechtsprechung in der Regel voraus, dass sich die\nLebensverhaltnisse des Kindes in seiner Heimat in einer unvorhergesehenen und\nunvorhersehbaren Weise geandert haben und der insofern eingetretenen Notlage\nnur durch einen Nachzug ins Bundesgebiet begegnet werden kann (BVerwG,\nBeschlusse vom 24.1.1994, InfAuslR 1994, 183 und vom 24.6.1996 - 1 B 180/96 -\njuris). Erforderlich ist dabei eine Abwagung der gegen den Aufenthalt\nsprechenden offentlichen Interessen mit der bei einer Ablehnung des Nachzugs\nzu erwartenden Gefahr fur die Familienmitglieder. Bei der Abwagung ist zu\nberucksichtigen, dass die Bundesrepublik Deutschland \\- angesichts der\nsteigenden Arbeitslosigkeit und der Schwierigkeiten, die eine angemessene\nIntegration der Auslander bereitet - nicht alle Auslander aufnehmen kann, die\nan einem langeren oder dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet interessiert sind.\nAußerdem ist fur die Abwagung im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 GG die familiare\nSituation wesentlich, auf die das offentliche Interesse an einer Begrenzung\ndes auslandischen Bevolkerungsanteils trifft. Hierbei ist auch zu\nberucksichtigen, dass das Gewicht des Erziehungsrechts nach Art. 6 Abs. 2 GG\nnaturgemaß durch das Alter des den Nachzug begehrenden Jugendlichen bestimmt\nwird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.1.1994, InfAuslR 1994, 183 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Situation der Klagerin unterscheidet sich von den in erster Linie von §\n20 Abs. 4 Nr. 2 AuslG erfassten Fallen des vom Gesetzgeber grundsatzlich nur\neingeschrankt gewollten Nachzugs aus dem Ausland. Denn die Klagerin ist\nbereits im Bundesgebiet geboren worden und es bestand in Deutschland seit\nihrer Geburt bereits durchgehend eine familiare Lebensgemeinschaft mit beiden\nElternteilen. Der Gedanke, dass wegen des fortgeschrittenen Alters eines\nnachzugswilligen Jugendlichen dessen Integration in hiesige Lebensverhaltnisse\nschwierig ist und einem Zuzug aus einwanderungspolitischen Grunden nahe kommt,\nder gerade nicht uneingeschrankt ermoglicht werden soll, ist in einem Fall wie\ndem hier vorliegenden nicht einschlagig. Bereits das Verwaltungsgericht hat in\nseiner die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Klagerin anordnenden\nEilentscheidung ausgefuhrt, dass im Fall der Klagerin die Erteilung einer\nAufenthaltserlaubnis nach § 20 AuslG naheliegend ist; der Senat teilt diese\nAuffassung. Hinzu kommt, dass die Klagerin nur knapp den Erwerb der deutschen\nStaatsangehorigkeit nach § 4 Abs. 3 StAG durch Geburt im Inland zeitlich\n"verpasst" hat. Ware sie zwei Monate spater und damit nach Inkrafttreten\ndieser Vorschrift (1.1.2000) geboren worden, hatte sie die deutsche\nStaatsangehorigkeit erworben, da ihr Vater seit mindestens 8 Jahren seinen\nrechtmaßigen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte und eine Aufenthaltsberechtigung\nbesaß. Die Klagerin war als Kleinkind zudem in einem Alter, in dem ein Kind\nnicht nur auf die Bindung an seine Mutter, sondern auch auf die Betreuung und\nErziehung durch seinen Vater in hohem Maße angewiesen ist. Rechtsgrunde, die\nder Erteilung der Aufenthaltserlaubnis entgegengestanden hatten, sind nicht\nersichtlich, insbesondere was einen ausreichenden Wohnraum (§ 20 Abs. 4 i.V.m.\n§ 17 Abs. 2 Nr. 2 AuslG) und die Sicherung des Lebensunterhalts der Klagerin\nangeht (§ 17 Abs. 2 Nr. 3 AuslG). Unter diesen Umstanden kann - entgegen den\nvom Beklagten in der Ablehnungsverfugung hilfsweise getroffenen\nErmessenserwagungen - dem offentlichen Interesse an der Begrenzung der\nZuwanderung kein derartiges Gewicht zukommen, dass es gegenuber dem privaten\nInteresse an der Aufrechterhaltung der familiaren Lebensgemeinschaft vorrangig\nware. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Hinzu kommt, dass die Frage, ob § 21 Abs. 1 AuslG von Verfassungs wegen\nauch solche im Bundesgebiet geborene Kinder auslandischer Eltern erfassen\nmusste, bei denen der Vater die erforderliche Aufenthaltsgenehmigung besitzt,\nnach wie vor hochst streitig und verfassungsgerichtlich noch ungeklart ist.\nImmerhin liegt hier aufgrund der ausdrucklichen Anknupfung der gesetzlichen\nRegelung an das Geschlecht eine direkte Ungleichbehandlung zwischen Mann und\nFrau vor, da trotz durchaus vergleichbarer Ausgangssachverhalte die Beziehung\ndes Vaters zum Kind aufenthaltsrechtlich nicht in derselben Weise privilegiert\nwird wie diejenige zwischen Mutter und Kind (vgl. Urteil des Senats vom\n12.5.2004 - 13 S 2833/02 - und Beschluss vom 29.1.2001 - 13 S 864/00 -\nInfAuslR 2001, 330). Ein gerichtliches Verfahren der Klagerin im Streit um die\nAufenthaltsgenehmigung hatte - vorbehaltlich der Regelung des § 20 AuslG -\nunter Umstanden zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100\nAbs. 1 GG, § 80 BVerfGG fuhren mussen, die ihrerseits die weitere Anwesenheit\nder Klagerin (mindestens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts\nund im Fall eines Verfassungsverstoßes noch daruber hinaus) im Bundesgebiet\ngerechtfertigt hatte. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| In dieser Situation war der Aufenthalt der Klagerin im Bundesgebiet auf\nunabsehbare Zeit gerade nicht ausgeschlossen, wie auch die weitere Entwicklung\ngezeigt und bestatigt hat. Diese Entwicklung, die zur Aufenthaltsverfestigung\nder Familienmitglieder gefuhrt hat, war bereits in dem langjahrigen Aufenthalt\ndes Vaters der Klagerin im Bundesgebiet angelegt, der schließlich in dessen\nEinburgerung mundete. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Schließlich sind die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen des § 40b Satz\n1 StAG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz StAG bei dem Vater der\nKlagerin als maßgeblichem Elternteil erfullt. Ihr Vater, dem erstmals 1987\neine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden war, erfullte bei der Geburt der\nKlagerin am 3.11.1999 die Anforderungen an Aufenthaltsdauer und\nAufenthaltstitel nach § 4 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz StAG. Denn er hatte in\ndiesem Zeitpunkt seit mehr als acht Jahren rechtmaßig seinen gewohnlichen\nAufenthalt im Bundesgebiet und war im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung.\nDie Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG bezuglich seines rechtmaßigen\ngewohnlichen Aufenthalts im Bundesgebiet und des Besitzes einer\nAufenthaltsberechtigung lagen auch nach der Geburt der Klagerin "weiter" im\nSinne des § 40b Satz 1 StAG vor. Denn zum Zeitpunkt des Antrags auf\nEinburgerung der Klagerin nach § 40b StAG war deren Vater weiterhin im Besitz\nder Aufenthaltsberechtigung und hatte sich bis dahin rechtmaßig im\nBundesgebiet aufgehalten. Dass er nach Stellung des Einburgerungsantrags und\nnach Erlass der angefochtenen Bescheide und nachdem das klagabweisende Urteil\ndes Verwaltungsgerichts ergangen war, eingeburgert worden ist, fuhrt nicht\ndazu, dass die Klagerin den Anspruch auf Einburgerung nach § 40b StAG verloren\nhat. Denn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG mussen nur bis zum\nZeitpunkt der Stellung des Antrags auf Einburgerung nach § 40b StAG vorgelegen\nhaben (Urteil des Senats vom 7.10.2003 - 13 S 887/03 - InfAuslR 2004,169). Von\nder Anwendbarkeit des § 40b StAG im Falle der nachtraglichen Einburgerung des\nmaßgeblichen Elternteils geht auch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum\nStaatsangehorigkeitsrecht zu § 40b StAG aus. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht ist nicht zuzulassen, weil\nkeine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Die Rechtssache hat\ninsbesondere hinsichtlich der Frage, welche Voraussetzungen gegeben sein\nmussen, damit ein gewohnlicher Aufenthalt i.S.d. § 40b StAG begrundet wird,\nkeine grundsatzliche Bedeutung mehr, da sie auslaufendes Rechts betrifft. Denn\ndie Antrage fur Einburgerungen nach § 40b StAG konnten nur bis zum 31.12.2000\ngestellt werden. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Auf den sinngemaß gestellten Antrag der Klagerin, war die Hinzuziehung\neines Bevollmachtigten fur das Vorverfahren fur notwendig zu erklaren (§ 162\nAbs. 2 Satz 2 VwGO). Der Klagerin war es aufgrund ihrer personlichen\nKenntnisse und Erfahrungen und im Hinblick auf die rechtlichen und\ntatsachlichen Probleme des Falls nicht zuzumuten, ihre Rechte gegenuber der\nVerwaltung ohne einen Bevollmachtigten wahrzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom\n26.1.1996, Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 36). \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Soweit die Entscheidung die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines\nProzessbevollmachtigten betrifft, ist sie unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). \n--- \n---\n\n |
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139,943 | sg-freiburg-2004-07-02-s-3-al-38204 | 148 | Sozialgericht Freiburg | sg-freiburg | Freiburg | Baden-Württemberg | Sozialgerichtsbarkeit | S 3 AL 382/04 | 2004-07-02 | 2019-01-07 14:46:49 | 2019-01-17 12:00:07 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Der Bescheid des Arbeitsamts Freiburg vom 18. Dezember 2003 in der Gestalt\ndes Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2004 wird dahin abgeandert, dass\nkeine Anspruchsminderung eintritt.\n\n2\\. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klagerin zu erstatten.\n\n3\\. Die Berufung wird zugelassen\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klage richtet sich gegen eine Minderung des Anspruchs auf\nArbeitslosengeld (Alg), der mit zu spater Meldung als Arbeit suchend begrundet\nwird. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager hatte am 01.05.2003 eine Arbeit als Gerustbauhelfer aufgenommen.\nDer Arbeitgeber beendete das Arbeitsverhaltnis durch schriftliche, am\nAusstellungstag ausgehandigte Kundigung vom 15.10.2003 zum 30.11.2003. Die\nKundigung enthielt keine Belehrung uber die Obliegenheit zur unverzuglichen\nMeldung als Arbeit suchend. Am ersten Tag der Arbeitslosigkeit, dem\n01.12.2003, meldete der Klager sich arbeitslos und beantragte Alg. \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Arbeitsamt (jetzt "Agentur fur Arbeit") Freiburg (AA) schrieb dem\nKlager am 18.12.2003, er hatte sich spatestens am 25.10.2003 Arbeit suchend\nmelden mussen. Die Meldung sei daher um 37 Tage verspatet. Dadurch mindere\nsich der Anspruch fur 30 Tage um 7 EUR je Tag, insgesamt also um 210 EUR. Das\nAA bewilligte durch Bescheid vom 22.12.2003 ab 01.12.2003 Alg unter Abzug des\ngenannten Betrages. Gegen die Kurzung erhob der Klager Widerspruch mit der\nBegrundung, er habe von der Meldepflicht nichts gewusst und der Arbeitgeber\nhabe ihn daruber auch nicht informiert. Das AA hielt im Widerspruchsbescheid\nvom 16.01.2004 an seiner Entscheidung fest. Unverzuglichkeit der Meldung werde\nvom AA nur anerkannt, wenn die Meldung spatestens am siebten Kalendertag nach\nKenntnis vom Ende der Beschaftigung erfolge. Die schriftliche Kundigung gelte\nam dritten Tage nach der Absendung als zugegangen. Daraus ergebe sich die im\nBescheid genannte Verspatung der Arbeitslosmeldung. \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 05.02.2004 hat der Klager Klage erhoben und sie wie den Widerspruch\nbegrundet. \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager beantragt sinngemaß, \n--- \n| 6 \n--- \n| den Bescheid des Arbeitsamts Freiburg vom 22.12.2003 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 16.01.2004 dahin abzuandern, dass keine\nAnspruchsminderung eintritt. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 8 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Sie verweist auf die Begrundung des Widerspruchsbescheides. Sie beruft sich\nauf ein Urteil des Landessozialgerichts Baden-Wurttemberg (LSG) vom 25.03.2004\n(Aktenzeichen L 5 AL 3355/03) zu einem Verfahren des Sozialgerichts Freiburg.\nDanach hatten Gesetze als bekannt zu gelten, sodass man sich nicht auf ihre\nUnkenntnis berufen konne. \n--- \n| 10 \n--- \n| Auf den Inhalt der Schriftsatze der Beteiligten mit Anlagen und der\nVerwaltungsakte des AA wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Zu der Moglichkeit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid sind die\nBeteiligten schriftlich gehort worden. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| I. Das Gericht kann gemaß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch\nGerichtsbescheid und damit ohne mundliche Verhandlung entscheiden, weil die\nSache keine besonderen Schwierigkeiten tatsachlicher oder rechtlicher Art\naufweist und der Sachverhalt geklart ist (§ 105 Abs. 1 S. 1 SGG). \n--- \n| 13 \n--- \n| II. Die Klage ist begrundet. \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Bewilligungsbescheid ist insoweit rechtswidrig und aufzuheben, als er\nden Alg-Anspruch des Klagers mit der Begrundung einer Verspatung der\nArbeitslosmeldung gekurzt hat. \n--- \n| 15 \n--- \n| Nach § 140 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) mindert sich der\nAnspruch auf Alg, wenn sich der Arbeitslose entgegen § 37b SGB III nicht\nunverzuglich Arbeit suchend gemeldet hat. Nach § 37b sind Personen deren\n(Arbeitslosen-)Versicherungspflichtverhaltnis endet, verpflichtet, sich\nunverzuglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes personlich beim\nArbeitsamt Arbeit suchend zu melden. Nach § 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III sollen\nArbeitgeber Arbeitnehmer u. a. vor der Beendigung des Arbeitsverhaltnisses\nfruhzeitig uber die Verpflichtung unverzuglicher Meldung beim Arbeitsamt\ninformieren und sie hierzu freistellen. Diese Vorschriften sind am 01.07.2003\nin Kraft getreten. \n--- \n| 16 \n--- \n| Im vorliegenden Fall ist keine Kurzung des Alg-Anspruchs nach § 140 SGB III\neingetreten. Der Klager hat sich namlich unverzuglich arbeitslos gemeldet. \n--- \n| 17 \n--- \n| Zur Auslegung des Wortes "unverzuglich" ist mangels gegenteiliger\nAnhaltspunkte die gesetzliche Begriffsbestimmung in § 121 Abs. 1 Satz 1\nBurgerliches Gesetzbuch (BGB) heranzuziehen. Denn diese gesetzliche\nBegriffsbestimmung gilt fur alle Rechtsgebiete (Wendtland in Berger/Roth,\nKommentar zum BGB, § 121 Rdnr. 6, mit Rechtsprechungsnachweisen).\n"Unverzuglich" bedeutet demnach "ohne schuldhaftes Zogern". Daraus folgt, dass\nder Arbeitslose Vorsatz und Fahrlassigkeit zu vertreten hat (§ 276 Abs. 1 Satz\n1 BGB). Fahrlassig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer\nAcht lasst (§ 276 Abs. 2 BGB). \n--- \n| 18 \n--- \n| Da es sich bei § 140 SGB III um die Kurzung eines grundsatzlich bestehenden\nAnspruchs handelt, tragt die Beklagte die objektive Beweislast fur das\nVorliegen der Kurzungsvoraussetzungen einschließlich des Verschuldens des\nArbeitslosen. Denn nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast sind in\nAngelegenheiten der Sozialgerichtsbarkeit Folgen objektiver Beweislosigkeit\noder des Nichtfestgestelltseins einer Tatsache von dem Beteiligten zu tragen,\nder aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will (BSGE 6, 70; 48, 12). \n--- \n| 19 \n--- \n| Im vorliegenden Fall ist nicht nachweisbar, dass den Klager ein Verschulden\nan der Verspatung der Arbeitslosmeldung trifft. Insbesondere ist nicht\nnachweisbar, dass er vom Arbeitgeber entsprechend belehrt worden ist. Denn die\nschriftliche Kundigung enthalt keinerlei Hinweis. Daher ist die Angabe des\nKlagers glaubhaft, dass auch keine mundliche Belehrung entsprechend § 2 Abs. 2\nSatz 2 Nr. 3 SGB III erfolgt ist. Glaubhaft und nicht widerlegbar ist ferner,\ndass der Klager die Obliegenheit nicht gekannt hat. Es ist namlich kein\nanderer Grund fur die Verspatung der Meldung ersichtlich. \n--- \n| 20 \n--- \n| Eine weitergehende Pflicht zur Kenntnis des Rechts der Arbeitsforderung\nkann vom Arbeitslosen nicht erwartet werden (ebenso Winkler, info also 2003,\n3, 4). Denn die Vorschrift ist neu und die Belehrungspflicht des Arbeitgebers\nzeigt, dass auch der Gesetzgeber eine allgemeine Kenntnis der Obliegenheit zur\nalsbaldigen Meldung als Arbeit suchend nicht voraussetzt. Der Klager war nach\nInkrafttreten der Vorschrift auch noch nicht arbeitslos gewesen. Er war nicht\nverpflichtet, sich uber die Vorschrift zu informieren, bevor er beim\nArbeitsamt gewesen war. \n--- \n| 21 \n--- \n| Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Beklagten angefuhrten\nUrteil des LSG. Dieses, inzwischen gerichtsbekannte, Urteil betraf die Frage,\nob die Beklagte eine konkrete Beratungspflicht verletzt hatte, was verneint\nworden ist. Das LSG stutzte sich auf zwei Entscheidungen des\nBundessozialgerichts (BSGE 67, 90; 72, 80), die dieselbe Frage betrafen. Eine\nVerletzung der Beratungspflicht der Beklagten ist aber nicht Gegenstand des\nvorliegenden Verfahrens. \n--- \n| 22 \n--- \n| Nach alledem muss die Klage Erfolg haben. \n--- \n| 23 \n--- \n| III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG. Die\nRechtsmittelbelehrung beruht auf § 105 Abs. 2, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und\nAbs. 2 Nr. 1 SGG). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| I. Das Gericht kann gemaß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch\nGerichtsbescheid und damit ohne mundliche Verhandlung entscheiden, weil die\nSache keine besonderen Schwierigkeiten tatsachlicher oder rechtlicher Art\naufweist und der Sachverhalt geklart ist (§ 105 Abs. 1 S. 1 SGG). \n--- \n| 13 \n--- \n| II. Die Klage ist begrundet. \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Bewilligungsbescheid ist insoweit rechtswidrig und aufzuheben, als er\nden Alg-Anspruch des Klagers mit der Begrundung einer Verspatung der\nArbeitslosmeldung gekurzt hat. \n--- \n| 15 \n--- \n| Nach § 140 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) mindert sich der\nAnspruch auf Alg, wenn sich der Arbeitslose entgegen § 37b SGB III nicht\nunverzuglich Arbeit suchend gemeldet hat. Nach § 37b sind Personen deren\n(Arbeitslosen-)Versicherungspflichtverhaltnis endet, verpflichtet, sich\nunverzuglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes personlich beim\nArbeitsamt Arbeit suchend zu melden. Nach § 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III sollen\nArbeitgeber Arbeitnehmer u. a. vor der Beendigung des Arbeitsverhaltnisses\nfruhzeitig uber die Verpflichtung unverzuglicher Meldung beim Arbeitsamt\ninformieren und sie hierzu freistellen. Diese Vorschriften sind am 01.07.2003\nin Kraft getreten. \n--- \n| 16 \n--- \n| Im vorliegenden Fall ist keine Kurzung des Alg-Anspruchs nach § 140 SGB III\neingetreten. Der Klager hat sich namlich unverzuglich arbeitslos gemeldet. \n--- \n| 17 \n--- \n| Zur Auslegung des Wortes "unverzuglich" ist mangels gegenteiliger\nAnhaltspunkte die gesetzliche Begriffsbestimmung in § 121 Abs. 1 Satz 1\nBurgerliches Gesetzbuch (BGB) heranzuziehen. Denn diese gesetzliche\nBegriffsbestimmung gilt fur alle Rechtsgebiete (Wendtland in Berger/Roth,\nKommentar zum BGB, § 121 Rdnr. 6, mit Rechtsprechungsnachweisen).\n"Unverzuglich" bedeutet demnach "ohne schuldhaftes Zogern". Daraus folgt, dass\nder Arbeitslose Vorsatz und Fahrlassigkeit zu vertreten hat (§ 276 Abs. 1 Satz\n1 BGB). Fahrlassig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer\nAcht lasst (§ 276 Abs. 2 BGB). \n--- \n| 18 \n--- \n| Da es sich bei § 140 SGB III um die Kurzung eines grundsatzlich bestehenden\nAnspruchs handelt, tragt die Beklagte die objektive Beweislast fur das\nVorliegen der Kurzungsvoraussetzungen einschließlich des Verschuldens des\nArbeitslosen. Denn nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast sind in\nAngelegenheiten der Sozialgerichtsbarkeit Folgen objektiver Beweislosigkeit\noder des Nichtfestgestelltseins einer Tatsache von dem Beteiligten zu tragen,\nder aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will (BSGE 6, 70; 48, 12). \n--- \n| 19 \n--- \n| Im vorliegenden Fall ist nicht nachweisbar, dass den Klager ein Verschulden\nan der Verspatung der Arbeitslosmeldung trifft. Insbesondere ist nicht\nnachweisbar, dass er vom Arbeitgeber entsprechend belehrt worden ist. Denn die\nschriftliche Kundigung enthalt keinerlei Hinweis. Daher ist die Angabe des\nKlagers glaubhaft, dass auch keine mundliche Belehrung entsprechend § 2 Abs. 2\nSatz 2 Nr. 3 SGB III erfolgt ist. Glaubhaft und nicht widerlegbar ist ferner,\ndass der Klager die Obliegenheit nicht gekannt hat. Es ist namlich kein\nanderer Grund fur die Verspatung der Meldung ersichtlich. \n--- \n| 20 \n--- \n| Eine weitergehende Pflicht zur Kenntnis des Rechts der Arbeitsforderung\nkann vom Arbeitslosen nicht erwartet werden (ebenso Winkler, info also 2003,\n3, 4). Denn die Vorschrift ist neu und die Belehrungspflicht des Arbeitgebers\nzeigt, dass auch der Gesetzgeber eine allgemeine Kenntnis der Obliegenheit zur\nalsbaldigen Meldung als Arbeit suchend nicht voraussetzt. Der Klager war nach\nInkrafttreten der Vorschrift auch noch nicht arbeitslos gewesen. Er war nicht\nverpflichtet, sich uber die Vorschrift zu informieren, bevor er beim\nArbeitsamt gewesen war. \n--- \n| 21 \n--- \n| Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Beklagten angefuhrten\nUrteil des LSG. Dieses, inzwischen gerichtsbekannte, Urteil betraf die Frage,\nob die Beklagte eine konkrete Beratungspflicht verletzt hatte, was verneint\nworden ist. Das LSG stutzte sich auf zwei Entscheidungen des\nBundessozialgerichts (BSGE 67, 90; 72, 80), die dieselbe Frage betrafen. Eine\nVerletzung der Beratungspflicht der Beklagten ist aber nicht Gegenstand des\nvorliegenden Verfahrens. \n--- \n| 22 \n--- \n| Nach alledem muss die Klage Erfolg haben. \n--- \n| 23 \n--- \n| III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG. Die\nRechtsmittelbelehrung beruht auf § 105 Abs. 2, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und\nAbs. 2 Nr. 1 SGG). \n---\n\n |
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139,956 | olgkarl-2004-07-07-15-u-703 | 146 | Oberlandesgericht Karlsruhe | olgkarl | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 15 U 7/03 | 2004-07-07 | 2019-01-07 14:46:57 | 2019-02-12 12:19:35 | Beschluss | ## Tenor\n\nDer Senat erwagt eine Zuruckweisung der Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO. Vorher\nerhalten die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin war im Jahr 2001 vom Eigentumer des Hotel-Restaurants „K." in\nB. beauftragt worden, einen Verkauf des Objekts zu vermitteln. Der Beklagte\ninteressierte sich fur das Objekt. Auf welche Weise der Beklagte auf die\nImmobilie aufmerksam geworden war, ist zwischen den Parteien streitig.\nUnstreitig fanden mehrere Besichtigungstermine statt, bei denen unter anderem\njeweils der Beklagte und der Zeuge H. M. fur die Klagerin anwesend waren. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit notariellem Vertrag vom 20.08.2001 erwarb der Beklagte das Objekt. Im\nAnschluss an den Notartermin - an dem auch der Zeuge H. M. teilgenommen hatte\n- gingen der Beklagte, der Verkaufer und der Zeuge H. M. noch gemeinsam in ein\nCafe. Der Verkaufer und der Zeuge H. M. brachten den Beklagten im PKW des\nVerkaufers nach Hause nach R. Im Zusammenhang mit dem Aussteigen aus dem\nFahrzeug bei der Wohnung des Beklagten bat der Zeuge H. M. den Beklagten, ein\nSchriftstuck, welches der Zeuge dem Beklagten vorlegte, zu unterzeichnen.\nHierbei handelte es sich um ein Formular der Klagerin mit der Überschrift\n„Nachweis-Bestatigung", welches der Zeuge vorher ausgefullt hatte. Das\nFormular enthalt im vierten Absatz neben der Bezeichnung „Vergutung" folgende\nFormulierung: \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| „Kommt uber das nachgewiesene Objekt ein Vertrag zustande, wird die\nortsubliche Vergutung geschuldet. Die Vergutung betragt 3,48 % incl. MWSt.\nerrechnet aus dem tatsachlichen Kaufpreis. Ist ein Bauvorhaben projektiert,\nerrechnet sich die Vergutung zusatzlich aus den veranschlagten Kosten." \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Beklagte setzte, nachdem er aus dem Auto ausgestiegen war und\nunmittelbar bevor er sich in sein Haus begab, unter dieses Schriftstuck in der\nRubrik „Interessent" den Anfangsbuchstaben seines Namens. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Klagerin hat vor dem Landgericht Karlsruhe von dem Beklagten die\nZahlung einer Maklerprovision in Hohe von 13.166,79 EUR nebst Zinsen verlangt.\nDas Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begrundung, zwischen den\nParteien sei kein Maklervertrag zustande gekommen. Gegen dieses Urteil wendet\nsich die Klagerin mit ihrer Berufung. Sie ist der Auffassung, durch die von\ndem Beklagten unterzeichnete „Nachweis-Bestatigung" sei eine\nProvisionsverpflichtung des Beklagten entstanden. Nach dem Wortlaut des\nSchriftstucks handele es sich - wenn nicht um einen Maklervertrag - zumindest\num ein Schuldanerkenntnis. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Berufung durfte nach Auffassung des Senats keine Aussicht auf Erfolg\nbieten. Der Senat sieht keine Grundlage fur einen Zahlungsanspruch der\nKlagerin. Das Landgericht Karlsruhe durfte die Voraussetzungen einer\nvertraglichen Verpflichtung des Beklagten zu Recht verneint haben. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| 1\\. Ein Nachweismaklervertrag, auf welchen die Klagerin ihren Anspruch\nstutzen konnte, ist jedenfalls vor dem notariellen Vertrag vom 20.08.2001\nnicht zustande gekommen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| a) Unstreitig hat es vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages keine\nausdrucklichen (mundlichen oder schriftlichen) Willenserklarungen gegeben, mit\ndenen die Parteien sich uber einen Maklervertrag geeinigt hatten. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| b) Ein Maklervertrag ist vor dem notariellen Kaufvertrag auch nicht\nkonkludent zustande gekommen. Wenn der Makler - wie vorliegend - auch fur den\nVerkaufer tatig wird, ist ein klares und eindeutiges Provisionsverlangen\nVoraussetzung fur einen konkludenten Maklervertrag (vgl. beispielsweise BGH,\nNJW 1986, 177, 178; BGH NJW 2000, 282, 283). Ein Provisionsverlangen hat die\nKlagerin an den Beklagten jedoch vor dem notariellen Kaufvertrag nie\ngerichtet. Der Zeuge M. hat zwar bei seiner Vernehmung (I 83, 85) angegeben,\ner habe dem Beklagten vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages ein Expose\nmit Provisionsklausel zukommen lassen. Die Klagerin hat dies aber in ihren\nSachvortrag in zweiter Instanz nicht ubernommen. Außerdem fehlt es am Nachweis\ndes Zugangs des Exposes. Der Beklagte und der Zeuge haben unstreitig vor dem\nnotariellen Kaufvertrag auch nie uber die Zahlung einer Provision gesprochen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Diese rechtliche Bewertung des Landgerichts wird auch von der\nBerufungsbegrundung nicht angegriffen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| 2\\. Eine vertragliche Verpflichtung zur Zahlung einer Provision ist auch\nnicht nach dem notariellen Kaufvertrag zustandegekommen. In der Rechtsprechung\nist anerkannt, dass ein Maklervertrag auch noch nach Erbringung der\nNachweisleistung durch den Makler abgeschlossen werden kann (vgl.\nbeispielsweise BGH, NJW-RR 1991, 686, 687; BGH, NJW-RR 1991, 820, 821). Es\nkann dahinstehen, ob Entsprechendes auch dann gilt, wenn der Hauptvertrag\nbereits abgeschlossen ist. Eine vertragliche Verpflichtung des Beklagten\nscheitert in jedem Fall daran, dass es an einer Willenserklarung fehlt, mit\nder sich der Beklagte zur Zahlung einer Provision verpflichtet hatte. Die mit\neiner Paraphe abgezeichnete „Nachweis-Bestatigung" (Anlagen LG K 1) stellt\nnach Auffassung des Senats eine solche Willenserklarung jedenfalls nicht dar.\nDa sich aus der „Nachweis-Bestatigung" eine Willenserklarung des Beklagten\nnicht entnehmen lasst, kommen auch andere rechtliche Konstruktionen fur einen\nVergutungsanspruch der Klagerin - wie konstitutives Schuldanerkenntnis oder\ndeklaratorisches Schuldanerkenntnis - nicht in Betracht. Denn auch bei einem\nSchuldanerkenntnis musste sich der „Nachweis-Bestatigung" eine Willensaußerung\ndes Beklagten zur Provisionszahlung entnehmen lassen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| a) Das vom Beklagten mit einer Paraphe abgezeichnete Formular enthalt eine\nTatsachenbestatigung und keine Willenserklarung. Dies ergibt sich aus der\nÜberschrift „Nachweis-Bestatigung" und aus dem folgendem Text „Hiermit\nbestatigte der Interessent den Nachweis des nachstehenden Objektes". Dazu\npassen auch die folgenden Rubriken des Formulars „Interessent", „Makler" und\n„Objekt". Die weiteren Abschnitte des Formulars, die sich - entgegen der\nÜberschrift „Nachweis-Bestatigung" \\- mit der Frage der „Vergutung"\nbeschaftigen, reichen fur eine andere Beurteilung des Formulars nicht aus.\nJedenfalls fur den vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Formular keine uber\ndie Tatsachenbestatigung hinausgehende Willenserklarung des Beklagten zur\nZahlung einer Maklerprovision. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| b) Nach Erbringung einer - eventuellen - Maklerleistung und nach Abschluss\ndes Hauptvertrages besteht normalerweise keinerlei Anlass mehr fur den Kaufer,\neinen nachtraglichen Maklervertrag (oder ein Schuldanerkenntnis) zu\nunterzeichnen. Wer ohne Maklervertrag ein Objekt erworben hat, wird\nnormalerweise keinen Anlass haben, dem Makler nachtraglich einen funfstelligen\nBetrag zuzusagen, ohne zu einer derartigen Provisionszusage verpflichtet zu\nsein. Daher sind an die Auslegung einer Willenserklarung, mit der ein Kaufer\nnachtraglich - insbesondere nach Abschluss des Kaufvertrages - eine Provision\nverspricht - strenge Anforderungen zu stellen (vgl. OLG Dusseldorf, NJW-RR\n1998, 564, 565; Schwerdtner, Maklerrecht, 4. Aufl., 1999, Rn. 139 ff). \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| c) Der fur die Klagerin handelnde Zeuge H. M. hat dem Beklagten mit der\n„Nachweis-Bestatigung" ein Formular vorgelegt, das in der betreffenden\nSituation teilweise nicht passte. Die Vergutungsregelung in dem Formular\nbezieht sich ausdrucklich auf einen in der Zukunft moglicherweise zustande\nkommenden Vertrag und nicht auf eine Situation, in welcher der notarielle\nVertrag bereits abgeschlossen war. Der Beklagte konnte - unabhangig davon, ob\ner die Nachweis-Bestatigung im einzelnen gelesen hat oder nicht - das Formular\ndaher so verstehen, dass es nur um eine (tatsachliche) Nachweis-Bestatigung\nging, die der Zeuge H. M. aus irgendwelchen Grunden (fur interne Zwecke bei\nder Klagerin oder im Verhaltnis zwischen der Klagerin und dem Verkaufer)\nbenotigte und dass die - nach der Formulierung unpassende - Vergutungsklausel\nfur den Beklagten nicht gelten sollte. Fur ein solches Verstandnis des\nFormulars in der betreffenden Situation spricht vor allem der Umstand, dass\nder Beklagte keinen Anlass fur die Annahme hatte, die Klagerin konnte nach\nAbschluss des notariellen Vertrages noch ein Provisionsverlangen an ihn\nstellen, nachdem vorher zu keinem Zeitpunkt ein Maklervertrag geschlossen\nworden war. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| d) Fur eine reine Tatsachenbestatigung spricht auch der Umstand, dass der\nBeklagte das Formular - unstreitig - mit einer Paraphe (Anfangsbuchstabe des\nNachnamens) abgezeichnet hat und nicht mit seinem Namen unterschrieben hat.\nDer Unterschied zwischen der Paraphe und der Unterschrift des Beklagten wird\nauch aus einem Vergleich der „Nachweis-Bestatigung" (Anlagen LG K 1) mit der\nUnterschrift des Beklagten unter dem notariellen Vertrag (Anlagen K 2)\ndeutlich. Auf Schriftstucken wird eine Paraphe meist zur Bestatigung - weniger\nwichtiger - Tatsachenbestatigungen genutzt, wahrend schwerwiegende rechtliche\nVerpflichtungen (vorliegend wurde es um mehr als 13.000,00 EUR gehen)\nublicherweise mit einer Unterschrift bestatigt werden. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| e) Auch der Zeuge H. M. hat die „Nachweis-Bestatigung" in der konkreten\nSituation offenbar nicht als eine Willenserklarung des Beklagten, sondern als\neine reine Tatsachen-Bestatigung verstanden. Dies ergibt sich aus der\nerstinstanzlichen Aussage des Zeugen im Termin vom 12.11.2002. Der Zeuge ging\ndavon aus, dass er „keine zwei Vertrage schließen" konne. Er habe mit dem\nBeklagten auch nicht uber die Maklerprovision geredet; denn „dafur haben wir\ndas Expose" (I 85, Seite 5 des Protokolls vom 12.11.2002). Der Zeuge war\noffenbar der Auffassung, dass die Klagerin von einem Kaufer fur die Tatsache\neines Nachweises Provision verlangen konne ohne vertragliche Verpflichtung des\nKaufers. Diese Auffassung ist rechtlich unrichtig und bedeutet im Ergebnis,\ndass der Zeuge nach dem Notartermin keinen Anlass sah, den Beklagten zu\nirgendeiner Willenserklarung zu bewegen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Nur so durfte auch die Situation zu erklaren sein, in welcher der Zeuge H.\nM. den Beklagten zur Unterzeichnung der „Nachweis-Bestatigung" veranlasste:\nWenn ein Makler nach Abschluss des Kaufvertrages in einer Gesprachssituation\n„zwischen Tur und Angel" einen Kaufer ohne jede mundliche Erlauterung zur\nUnterzeichnung eines Provisionsversprechens bewegt, das mit „Nachweis-\nBestatigung" uberschrieben ist, durfte sich der Makler im Grenzbereich eines\nBetruges bewegen, wenn man davon ausgeht, dass dem Kunden in diesem Moment\nkaum vollstandig klar sein kann, was er unterzeichnet. Der Senat geht -\nmangels gegenteiliger Anhaltspunkte - davon aus, dass sich der Zeuge H. M.\ngegenuber dem Beklagten serios verhalten wollte. Als serioser Geschaftsmann\nkonnte der Zeuge H. M. von dem Beklagten unter den gegebenen Voraussetzungen\nund in der gegebenen Situation aber nur eine tatsachliche Nachweis-Bestatigung\nund nicht das (kommentarlose) Abzeichnen einer Provisionsverpflichtung\nerwarten, unabhangig davon, zu welchen Zwecken der Zeuge H. M. die „Nachweis-\nBestatigung" benotigte. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| f) Gegen eine Auslegung des Schriftstucks als Provisionsverpflichtung\nspricht insbesondere auch der Umstand, dass der Zeuge H. M. dem Beklagten das\nSchriftstuck zum Abzeichnen gegeben hat ohne irgendwelche mundlichen\nErlauterungen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Schwerdtner, a.a.O., Rn. 141).\nJedenfalls hat die Klagerin keine Erlauterungen beim Abzeichnen der „Nachweis-\nBeschaftigung" dargelegt. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| g) Bei Zweifeln an der Auslegung der „Nachweis-Bestatigung" ware im ubrigen\n§ 5 AGB-Gesetz (Unklarheitenregel) zu Gunsten des Beklagten anzuwenden. Bei\nder „Nachweis-Bestatigung" handelt es sich um allgemeine Geschaftsbedingungen\nder Klagerin. Diese sind jedenfalls bei einer Unterzeichnung nach Abschluss\ndes Kaufvertrages - wenn man der Auslegung des Senats nicht folgen wurde -\nunklar hinsichtlich der Vergutungspflicht. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| h) Zu Recht hat das OLG Dusseldorf in einem ahnlichen Fall\n(Provisionsverlangen in einem Objektnachweis) die Provisionsklausel als\nuberraschende Klausel (§ 3 AGB-Gesetz) angesehen, mit der Konsequenz, dass die\nKlausel nicht Vertragsbestandteil werden konnte (vgl. OLG Dusseldorf, NJW-RR\n1997, 370; ebenso Schwerdtner a.a.O. ). Wenn ein Makler - wie dies wohl nicht\nselten ublich ist - eine Provisionsklausel in eine Nachweis-Bestatigung\naufnimmt, die der Interessent gleichzeitig mit der Entgegennahme des\nNachweises vor dem notariellen Kaufvertrag unterzeichnet, mag man dies\nakzeptieren, weil in dieser Situation der Kunde mit einer Provisionsklausel\nrechnen muss (vgl. hierzu BGH, NJW 2000, 282, 283). Ganzlich anders sieht die\nSituation allerdings bei einer nachtraglichen Bestatigung nach Abschluss des\nHauptvertrages aus, wenn der Kaufer keinen Anlass hat, mit einem - erstmaligen\n- Provisionsverlangen des Maklers zu rechnen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| 3\\. Aufgrund der Auslegung der „Nachweis-Bestatigung" (keine nachtragliche\nVerpflichtung zur Provisionszahlung) kommt auch ein Schuldanerkenntnis nicht\nin Betracht. Einer Bewertung als Schuldanerkenntnis stehen im Übrigen weitere\nrechtliche Hindernisse entgegen: \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| a) Fur ein Schuldanerkenntnis im Sinne von § 781 BGB fehlt es an der\nEinhaltung der Schriftform, da der Beklagte das Schriftstuck nur mit einer\nParaphe abgezeichnet hat (§ 126 Abs. 1 BGB; vgl. Palandt/Heinrichts,\nBurgerliches Gesetzbuch, 63. Aufl. 2004, § 126 BGB Rn. 9, 10). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| b) Fur ein - formfreies - deklaratorisches Schuldanerkenntnis fehlt es,\nworauf das Landgericht zu Recht hingewiesen hat, an einem vorausgegangenen\nStreit oder einer subjektiven Ungewissheit uber das Rechtsverhaltnis. Da die\nBeteiligten vorher - unstreitig - zu keinem Zeitpunkt die Provisionsfrage\nerortert hatten, fehlte beim Abzeichnen der „Nachweis-Bestatigung" jeglicher\nAnlass fur ein (bestatigendes) Schuldanerkenntnis. \n--- \n---\n\n |
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139,972 | vghbw-2004-07-12-8-s-35104 | 161 | Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg | vghbw | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 8 S 351/04 | 2004-07-12 | 2019-01-07 14:47:03 | 2019-01-17 12:00:09 | Urteil | ## Tenor\n\nDer Bebauungsplan „Stadtmitte" der Stadt Schelklingen vom 4. November 2003\nwird bis zur Behebung des in den Entscheidungsgrunden genannten Mangels fur\nunwirksam erklart.\n\nDie Antragsgegnerin tragt die Kosten des Verfahrens.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan „Stadtmitte" der\nAntragsgegnerin vom 4.11.2003. \n--- \n| 2 \n--- \n| Das etwa 0,47 ha große Plangebiet umfasst die drei Grundstucke Mullergasse\nx Flst. Nr. 2), Marktstraße xx (Flst. Nr. 1) und Marktstraße xx (Flst. Nr. 11)\nin der Ortsmitte von Schelklingen. Es wird im Norden begrenzt von der\nMarktstraße, an seiner ostlichen Langsseite von der Mullergasse, im Suden\ndurch die Bebauung an der Achstraße und im Westen durch die in zweiter Reihe\nzur Hirschgasse gelegenen Hausgrundstucke. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Antragsteller sind in ungeteilter Erbengemeinschaft Eigentumer des\nGrundstucks Marktstraße xx (Flst. Nr. 11). Mit einer Große von etwa 0,29 ha\nund einer Nord-Sud-Ausdehnung von etwa 130 m nimmt es an dessen Westseite den\ngroßten Teil des Plangebiets ein. In seinem nordlichen Bereich an der\nMarktstraße befindet sich eine ehemalige landwirtschaftliche Hofstelle, deren\nschlechte bauliche Ausstattung und Erhaltungszustand eine Wohnnutzung nicht\nmehr erlaubt. \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Bebauungsplan soll die planerische Grundlage fur ein Pflegeheim mit\netwa 66 stationaren und 12 Tagespflegeplatzen schaffen, das im Jahre 2003\nGegenstand eines beschrankten Architektenwettbewerbs war. Er weist deshalb den\ngesamten Planbereich als Flachen fur den Gemeinbedarf fur sozialen Zwecken\ndienende Gebaude und Einrichtungen (Seniorenzentrum) aus. Die auf den\nGrundstucken vorhandenen Gebaude sollen abgebrochen und durch Bauten mit einer\nTraufhohe von maximal 9,80 m sowie einer Firsthohe von bis zu 16,00 m ersetzt\nwerden. \n--- \n| 5 \n--- \n| Dem Bebauungsplan liegt im wesentlichen folgendes Verfahren zugrunde: Am\n25.2.2003 beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin die Aufstellung eines\nBebauungsplans „Stadtmitte", um die planungsrechtlichen Voraussetzungen fur\ndie Errichtung eines Altenpflegeheims zu schaffen, sowie die vorgezogene\nBurgerbeteiligung mit offentlicher Auslegung des Planentwurfs und die\nBeteiligung der Trager offentlicher Belange vom 14.3. bis einschließlich\n14.4.2003. Dieser Beschluss wurde im Mitteilungsblatt der Antragsgegnerin vom\n6.3.2003 mit dem Hinweis bekannt gemacht, dass wahrend der Auslegungsfrist\nAnregungen wahrend der ublichen Dienststunden bei der Stadtverwaltung\nvorgebracht werden konnten. Mit Schreiben vom 15.3.2003 widersprachen die\nAntragsteller 2, 5 und 6 der Planung ohne weitere Begrundung. Das\nLandesdenkmalamt stellte zunachst mit Schreiben vom 28.3.2003 wegen des\nschlechten baulichen Zustandes des den Antragstellern gehorenden Gebaudes,\neinem urkundlich etwa 1790 neu erbauten Gasthaus, seine Zustimmung zu dessen\nAbbruch unter bestimmten Voraussetzungen in Aussicht. Mit Schreiben vom\n8.4.2003 machte es vorsorglich erhebliche Bedenken gegen die Planung geltend,\nweil der zustandige Gebietsreferent in Urlaub sei. In einem weiteren Schreiben\nvom 9.5.2003 stellte das Landesdenkmalamt diese Bedenken zuruck und empfahl,\nin den Ausschreibungstext des geplanten Wettbewerbs besondere Anforderungen\naufzunehmen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Am 8.7.2003 beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin, den Planentwurf\nvom 28.7. bis einschließlich 28.8.2003 offentlich auszulegen und die Trager\noffentlicher Belange zu beteiligen. Dieser Beschluss wurde in ihrem\nMitteilungsblatt vom 17.7.2003 wiederum mit dem Hinweis bekannt gemacht, dass\nwahrend der Auslegungsfrist Anregungen wahrend der ublichen Dienststunden bei\nder Stadtverwaltung vorgebracht werden konnten. Die Antragsteller außerten\nsich in diesem Verfahrensabschnitt nicht. Das Landesdenkmalamt wies in seiner\nweiteren Stellungnahme vom 2.9.2003 darauf hin, dass das Kulturdenkmal\nMarktstraße xx bislang ein pragendes Element in der Altstadtstruktur bilde. Im\nHinblick auf eine vertragliche Ausformung und Gestaltung der Planung werde es\ndeshalb fruhzeitigen Kontakt mit den Planungstragern, dem Landratsamt als\nDenkmalschutzbehorde und den Preistragern des Wettbewerbs, aufnehmen. Ferner\nbat es darum, einen nachrichtlichen Hinweis auf das archaologische\nKulturdenkmal Stadtmauer, die das Plangebiet fruher in Nord-Sud-Richtung\ndurchzog, auch in den Textteil des Bebauungsplans aufzunehmen. Dem folgte der\nGemeinderat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung vom 4.11.2003, erganzte die\nPrufung der Standortalternativen fur das Pflegeheim und beschloss den\nBebauungsplan als Satzung. Mit Bescheid vom 12.1.2004 genehmigte das\nLandratsamt Alb-Donau-Kreis den Plan und die hierzu - im Hinblick auf die\nzulassigen Dachneigungen - erlassenen ortlichen Bauvorschriften. Die\nGenehmigung wurde im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 29.1.2004 bekannt\ngemacht. \n--- \n| 7 \n--- \n| Am 23.3.2004 beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin, den\nFlachennutzungsplan, der bisher das Plangebiet als Mischbauflache darstellte,\nfortzuschreiben, um fur den Bereich des Bebauungsplans „Stadtmitte" eine\nFlache fur den Gemeinbedarf vorzusehen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Am 3.2.2004 haben die Antragsteller das Normenkontrollverfahren mit dem\nAntrag eingeleitet, \n--- \n| 9 \n--- \n| den Bebauungsplan „Stadtmitte" der Stadt Schelklingen vom 4. November 2003\nfur nichtig zu erklaren. \n--- \n| 10 \n--- \n| Sie machen geltend: Der Bebauungsplan sei verfahrensfehlerhaft zustande\ngekommen, weil der Vorentwurf des Bebauungsplans im April 2003 nicht fur\njedermann zuganglich offentlich ausgelegt worden sei, sondern erst auf\nNachfrage eingesehen habe werden konnen. Daruber hinaus hatten die\nAuslegungsbekanntmachungen vom 6.3. und 17.7.2003 nicht den an sie zu\nstellenden formalen Anforderungen genugt, weil sie keinen Hinweis darauf\nenthalten hatten, dass Anregungen auch schriftlich formuliert werden konnten.\nSchließlich hatte die Erganzung der Begrundung des Bebauungsplans zur Sitzung\ndes Gemeinderats vom 4.11.2003 nicht ohne vorherige (nochmalige) offentliche\nAuslegung erfolgen durfen. Der Plan sei auch materiell unwirksam. Zum einen\nbestehe kein Planungserfordernis, weil bereits nach § 34 BauGB eine Bebauung\nzulassig sei. Zum anderen verstoße er gegen das Entwicklungsgebot, denn im\nFlachennutzungsplan sei die Flache als Mischbebauung dargestellt; danach sei\neine Ausweisung als Flache fur den Gemeinbedarf nicht zulassig. Ferner werde\ndas Gebot planerischer Bewaltigung der aufgeworfenen Konflikte verletzt, denn\nder Gemeinderat der Antragsgegnerin habe sich mit ihren Interessen und den auf\nihrem Grundstuck gegebenen Nutzungsmoglichkeiten nicht auseinander gesetzt.\nIhre Benachteiligung als Grundstuckseigentumer sei nicht durch hinreichend\ngewichtige Grunde gerechtfertigt, denn es sei stadtebaulich allein nicht\nbegrundbar, weshalb ihr riesiges Areal vollumfanglich in den Bebauungsplan\neinbezogen worden sei. Schließlich leide der Bebauungsplan an\nAbwagungsfehlern, da keine ausreichende Auseinandersetzung mit einer\nAlternativplanung auf anderen, gleich geeigneten und im Eigentum der Stadt\nbefindlichen Grundstucken stattgefunden habe. Daruber hinaus habe die\nAntragsgegnerin die Auswirkungen der Festsetzung einer Flache fur den\nGemeinbedarf auf den Verkehrswert der betroffenen Grundstucke nicht\nberucksichtigt. Sie habe ferner verkannt, dass die Bedenken des\nLandesdenkmalamtes nicht ausgeraumt worden seien. Dieses habe zwar nach einem\nTelefonat plotzlich alle Bedenken zuruckgestellt. Zuruckstellen heiße aber\nnicht aufgeben, so dass die Bedenken im Rahmen der Abwagung zu berucksichtigen\ngewesen seien. Die Tatsache, dass es sich bei dem Gebaude Marktstraße xx um\nein Kulturdenkmal handle, sei deshalb zu Unrecht nicht in die Abwagung\neingestellt worden. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Antragsgegnerin beantragt, \n--- \n| 12 \n--- \n| den Antrag abzuweisen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Sie erwidert: Die vor dem Satzungsbeschluss am 4.11.2003 erganzte\nBegrundung habe nicht ausgelegt werden mussen, denn die Begrundung sei nicht\nBestandteil des Bebauungsplans, dessen Entwurf sei aber nicht geandert worden.\nDer Bebauungsplan verstoße auch nicht gegen das Entwicklungsgebot, denn er sei\ngemaß § 8 Abs. 4 Satz 1 BauGB vorzeitig aufgestellt und am 12.1.2004 vom\nLandratsamt Alb-Donau-Kreis genehmigt worden. Der Plan sei erforderlich, da\ndie vorhandene Umgebungsbebauung es eher fraglich erscheinen lasse, ob sich\nein Pflegeheim der geplanten Dimension nach Maßgabe des § 34 BauGB in sie\neinfugen wurde. Das Plangebiet sei auch hinsichtlich seiner Große\nerforderlich, denn es seien nicht nur Erweiterungsmoglichkeiten fur das\nPflegeheim, sondern auch dessen Einbindung in die Umgebung, insbesondere mit\neinem zum Aufenthalt im Freien geeigneten Grunbereich im Ruckraum, zu\nberucksichtigen. Schließlich liege kein erheblicher Abwagungsmangel vor. Die\nInteressen der Antragsteller seien eingehend gewurdigt worden; im Zentrum der\nAbwagung habe die Frage von Alternativen gestanden, aufgrund derer auf eine\nInanspruchnahme des Grundstucks der Antragsteller hatte verzichtet werden\nkonnen. Eine Auseinandersetzung mit spezifischen Nutzungsinteressen der\nAntragsteller sei nicht erfolgt, weil solche im Verfahren nicht vorgebracht\nworden seien. Auswirkungen auf den Verkehrswert ihres Grundstucks seien nicht\neingetreten; im Übrigen seien derartige Folgen nur im Rahmen der §§ 39 bis 44\nBauGB von Belang. Derartige Anspruche seien vorliegend nicht gegeben. Die\nAlternativen einer Planung des Seniorenzentrums auf stadteigenem Gelande seien\nintensiv gepruft worden. Diese Prufung habe ergeben, dass die Antragsgegnerin\nuber keine vergleichbar geeigneten Grundstucke verfuge. Die Einlassungen des\nLandesdenkmalamtes seien berucksichtigt worden; dieses habe in der letzten und\ndamit maßgeblichen Stellungnahme vom 2.9.2003 lediglich eine Übernahme von\nHinweisen in den Plan- und Textteil des Bebauungsplans gefordert. Dieser\nAnregung sei die Stadt gefolgt. \n--- \n| 14 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf die dem Senat vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten\nverwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 15 \n--- \n| I. Die Antrage sind gemaß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO statthaft und auch sonst\nzulassig. Die Antragsteller besitzen insbesondere die gemaß § 47 Abs. 2 Satz 1\nVwGO erforderliche Antragsbefugnis, da sie sich gegen Festsetzungen des\nBebauungsplans wenden, die unmittelbar ihr eigenes Grundstuck betreffen und\ndaher eine Bestimmung von Inhalt und Schranken ihres Eigentums bedeuten. Die\nAntragsbefugnis ist in einem solchen Fall regelmaßig zu bejahen (BVerwG,\nBeschluss vom 7.7.1997 - 4 BN 1.97 - ZfBR 1997, 314 = PBauE § 47 Abs. 2 VwGO\nNr. 40; Urteil vom 10.3.1998 \\- 4 CN 6.97 - ZfBR 1998, 205 = PBauE § 47 Abs. 2\nVwGO Nr. 42). \n--- \n| 16 \n--- \n| II. Die Antrage haben auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene\nBebauungsplan ist verfahrensfehlerhaft zustande gekommen und deshalb bis zur\nBehebung des nachfolgend naher umschriebenen Mangels fur nicht wirksam zu\nerklaren (§ 47 Abs. 5 Satz 4 VwGO). \n--- \n| 17 \n--- \n| 1\\. Mit ihren Rugen, der Vorentwurf des Bebauungsplans sei im Rahmen der\nfruhzeitigen Burgerbeteiligung nicht ordnungsgemaß offentlich ausgelegt\nworden, weil Interessierten dieser Entwurf nicht frei zuganglich gewesen sei,\nund die offentliche Bekanntmachung dieser Auslegung vom 6.3.2003 sei\nunvollstandig gewesen, zeigen die Antragsteller allerdings keinen beachtlichen\nVerfahrens- oder Formfehler auf. Denn beachtlich sind nur Verstoße gegen die\nin § 214 Abs. 1 BauGB aufgefuhrten Vorschriften. Die Bestimmung des § 3 Abs. 1\nBauGB, in der die fruhzeitige Burgerbeteiligung geregelt ist, wird dort aber\nnicht angefuhrt. Eine Verletzung dieser Vorschrift ist deshalb fur die\nWirksamkeit des Bebauungsplans unerheblich (BVerwG, Beschluss vom 23.10.2002 -\n4 BN 53.02 - ZfBR 2003, 157 = PBauE § 3 BauGB Nr. 31). \n--- \n| 18 \n--- \n| 2\\. Ebenfalls unberechtigt ist die Beanstandung der Antragsteller, der\nPlanentwurf hatte nach der Erganzung seiner Begrundung zur Gemeinderatssitzung\nvom 4.11.2003 nochmals offentlich ausgelegt werden mussen. Gemaß § 3 Abs. 3\nSatz 1 BauGB ist zwar nach einer Änderung der Entwurf eines Bebauungsplans,\nder bereits Gegenstand einer Offenlage war, erneut offentlich auszulegen, wenn\nnicht das vereinfachte Verfahren gemaß den §§ 3 Abs. 3 Satz 3, 13 Nr. 2 BauGB\nangewandt werden kann. Dies gilt aber nur, wenn der Planentwurf selbst, also\nder Teil, der nach seiner Inkraftsetzung normativen Charakter entfalten wird,\ngeandert wird. Dazu gehort die Begrundung nicht, weil sie dem Bebauungsplan\nnach § 9 Abs. 8 BauGB lediglich „beizufugen" ist (vgl. Lohr, in:\nBattis/Krautzberger/Lohr, BauGB, 8. Aufl. 2002, § 9 RdNr. 123; Gaentzsch, in:\nBerliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. 2002, § 9 RdNr. 94; Jade, in:\nJade/Dirnberger/Weiß, BauGB, 3. Aufl. 2002, § 9 RdNr. 86; vgl. auch die\nunterschiedlichen Formulierungen in § 10 Abs. 3 Satze 2 und 4 BauGB). Die\nbloße Änderung der Planbegrundung machte deshalb keine erneute offentliche\nAuslegung des Entwurfs notwendig. \n--- \n| 19 \n--- \n| Davon abgesehen hatte selbst dann die Änderung der Begrundung zur Sitzung\nvom 4.11.2003 keine Pflicht zur erneuten offentlichen Auslegung ausgelost,\nwenn sie Bestandteil des Bebauungsplans ware. Denn Änderungen, durch die die\nGrundzuge der Planung nicht beruhrt werden und die ausschließlich der\nKlarstellung dienen oder die auf ohnehin geltende Rechtsvorschriften\nverweisen, ohne der Sache nach eine materielle Änderung des normativen Gehalts\ndes Bebauungsplans zu bewirken, erfordern ebenfalls keine neue Offenlage\n(Beschluss des Senats vom 24.10.1996 - 8 S 3336/95 - VBlBW 1997, 137 = PBauE §\n9 Abs. 1 (Nr. 18) BauGB Nr. 2; BVerwG, Beschluss vom 18.12.1987 - 4 NB 2.87 -\nNVwZ 1988, 822 = PBauE § 3 BauGB Nr. 4). So liegt es auch hier, denn die\numstrittenen Änderungen bzw. Erganzungen enthielten lediglich eine\nVerdeutlichung der Grunde, warum das geplante Projekt an den untersuchten\nAlternativstandorten nicht verwirklicht werden kann. Der materielle\nRegelungsgehalt des Plans war davon nicht betroffen. \n--- \n| 20 \n--- \n| 3\\. Dagegen dringt der Einwand der Antragsteller durch, die offentliche\nBekanntmachung der Auslegung des Planentwurfs im „Schelklinger Stadtbote" vom\n17.7.2003 genuge nicht den in § 3 Abs. 2 BauGB festgelegten Anforderungen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB sind die Entwurfe der Bauleitplane mit dem\nErlauterungsbericht oder der Begrundung auf die Dauer eines Monats offentlich\nauszulegen. Ort und Dauer der Auslegung mussen nach Satz 2 dieser Vorschrift\nmindestens eine Woche vorher ortsublich bekannt gemacht werden mit dem Hinweis\ndarauf, dass Anregungen wahrend der Auslegungsfrist vorgebracht werden konnen.\nDiese Bekanntmachung hat in einer Weise zu erfolgen, die geeignet ist, dem an\nder beabsichtigten Bauleitplanung interessierten Burger sein Interesse an\nInformation und Beteiligung durch Anregungen bewusst zu machen und dadurch\ngemeindliche Öffentlichkeit herzustellen (BVerwG, Urteil vom 6.7.1984 - 4 C\n22.80 \\- BVerwGE 69, 344, 345 = PBauE § 3 BauGB Nr. 3). Die Bekanntmachung\nmuss daher so formuliert sein, dass ein an der beabsichtigten Planung\ninteressierter Burger nicht davon abgehalten wird, sich durch Anregungen am\nVerfahren zu beteiligen. Sie darf aus diesem Grund keine Zusatze enthalten,\ndie geeignet sind, als Beschrankung dieses jedermann zustehenden Rechts\nverstanden zu werden (vgl. BVerwG, Beschlusse vom 11.4.1978 - 4 B 37.78 \\- BRS\n33 Nr. 15 und vom 28.1.1997 - 4 NB 39.96 \\- VBlBW 1997, 296 = PBauE § 3 BauGB\nNr. 16; sowie VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 25.2.1994 - 5 S 317/93 \\- VBlBW\n1994, 491 = PBauE § 3 BauGB Nr. 10; BayVGH, Urteil vom 22.3.1982 - 25 XIV/78\n\\- NJW 1983, 297). \n--- \n| 22 \n--- \n| Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Bekanntmachung der Auslegung des\nPlanentwurfs genugt diesen Anforderungen nicht. Die Antragsgegnerin hat in\nihrem Mitteilungsblatt vom 17.7.2003 offentlich bekannt gegeben, dass der\nGemeinderat in der Sitzung vom 8.7.2003 den Entwurf des Bebauungsplans\n„Stadtmitte" und den Entwurf der Örtlichen Bauvorschriften fur den\nGeltungsbereich dieses Bebauungsplans gebilligt und beschlossen habe, diese\nEntwurfe nach § 3 Abs. 2 BauGB bzw. § 3 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 74 Abs. 7 LBO\noffentlich auszulegen. An die Bekanntgabe von Beginn und Ende der\nAuslegungsfrist schließt sich der Hinweis an, dass „wahrend dieser\nAuslegungsfrist... Anregungen wahrend der ublichen Dienststunden bei der\nStadtverwaltung Schelklingen vorgebracht werden" konnen. Ein zusatzlicher\nHinweis auf die Moglichkeit, Anregungen auch schriftlich vorzubringen, fehlt.\nDer in die Bekanntmachung aufgenommene Hinweis kann daher bei einem mit seinen\ngesetzlichen Rechten nicht naher vertrauten Leser den Anschein erwecken, er\nkonne Anregungen nur im Rathaus vortragen und musse somit dort personlich\nerscheinen. Er ist daher geeignet, eine Art psychologische Hemmschwelle\naufzubauen, durch die der an der Bauleitplanung interessierte Burger davon\nabgehalten werden kann, seine Anregungen vorzubringen (Beschluss des Senats\nvom 18.8.1997 - 8 S 1401/97 - BRS 59 Nr. 16 = PBauE § 3 BauGB Nr. 18; ebenso\nBayVGH, Urteil vom 22.3.1982, a.a.O. fur einen ahnlich formulierten Hinweis). \n--- \n| 23 \n--- \n| Der Umstand, dass die Antragsgegnerin nach ihren Einlassungen in der\nmundlichen Verhandlung die Moglichkeit, Anregungen schriftlich einzureichen,\nfur selbstverstandlich hielt und dem an ihrer Planung interessierten\nPersonenkreis die Alternative bieten wollte, das betreffende Anliegen auch\nmundlich bei der Stadtverwaltung vorbringen zu konnen, somit also „in guter\nAbsicht" handelte, andert nichts daran, dass die in ihrer Bekanntmachung\nverwendete Formulierung missverstandlich ist, und lasst den demnach\nfestzustellenden Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB nicht entfallen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Durch die fehlerhafte Bekanntmachung hat die Antragsgegnerin die\nVorschriften uber die Beteiligung der Burger verletzt. Ein solcher Verstoß ist\ngemaß § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB beachtlich. Er fuhrt allerdings nicht zur\nNichtigkeit des angefochtenen Bebauungsplans, denn er kann durch ein\nerganzendes Verfahren, das die zu beanstandende Bekanntmachung und alle\nnachfolgenden Schritte des Aufstellungsverfahrens wiederholt, behoben werden\n(§ 215a Abs. 1 BauGB). Deshalb ist - wie geschehen - der Bebauungsplan\n„Stadtmitte" bis zu dieser Mangelbehebung fur nicht wirksam zu erklaren (§ 47\nAbs. 5 Satz 4 VwGO). \n--- \n| 25 \n--- \n| III. Obwohl somit nicht entscheidungserheblich bemerkt der Senat im\nHinblick auf die Moglichkeit einer Behebung des aufgezeigten Fehlers durch ein\nordnungsgemaßes Verfahren, dass der angefochtene Bebauungsplan im Übrigen\nkeinen durchgreifenden Bedenken begegnet. Dabei wird allerdings unterstellt,\ndass der Planentwurf wahrend der Auslegungsphase vom 28.7. bis 28.8.2003 fur\njedermann zuganglich offen lag und nicht - wie die Antragsteller bezuglich der\nAuslegung im Rahmen der fruhzeitigen Burgerbeteiligung geltend machen - erst\nauf entsprechende Bitte eines interessierten Burgers von einem Bediensteten\nder Antragsgegnerin herbeigeholt werden musste (vgl. das Urteil des Senats vom\n11.12.1998 - 8 S 1174/98 - VBlBW 1999, 178 = PBauE § 3 BauGB Nr. 24). \n--- \n| 26 \n--- \n| 1\\. Der Bebauungsplan ist erforderlich i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB. Die\nErforderlichkeit einer Bauleitplanung bestimmt sich nach der planerischen\nKonzeption der Gemeinde (grundlegend: BVerwG, Urteil vom 7.5.1971 - IV C 76.68\n- BauR 1971, 182). Es genugt, wenn es vernunftigerweise geboten ist, die\nbauliche Entwicklung durch eine zukunftsgerichtete Planung zu ordnen (BVerwG,\nBeschluss vom 11.5.1999 - 4 BN 15.99 - NVwZ 1999, 1338 = PBauE § 1 Abs. 5\nBauNVO Nr. 6). Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem Plangebiet um\neinen unbeplanten Innenbereich i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB. Ob sich ein\nAltenpflegeheim mit der von der Antragsgegnerin vorgesehenen Dimension in die\nEigenart der naheren Umgebung einfugen wurde, erscheint mindestens fraglich.\nSchon daraus rechtfertigt sich die Planung, weil sie fur eine derartige\nBebauung Planungssicherheit schafft. Ein Planungserfordernis ergibt sich\nferner daraus, dass § 34 Abs. 1 BauGB eine planerische Feinsteuerung durch\nFestsetzungen (etwa uber die Grundflachenzahl, Trauf- und Firsthohen,\nBaugrenzen oder die Bauweise) nicht ermoglicht. Die Antragsgegnerin kann\ndeshalb das gewunschte Raumprogramm nur im Planungswege realisieren. \n--- \n| 27 \n--- \n| 2\\. Ob der angefochtene Bebauungsplan gegen das Entwicklungsgebot gemaß § 8\nAbs. 2 Satz 1 BauGB verstoßt, wie die Antragsteller meinen, kann dahinstehen.\nDenn ein solcher Verstoß ware nach § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB unbeachtlich, weil\ndadurch die sich aus dem Flachennutzungsplan ergebende geordnete\nstadtebauliche Entwicklung nicht beeintrachtigt wird. Fur diese Beurteilung\nist auf die planerische Konzeption des Flachennutzungsplans fur das gesamte\nGemeindegebiet abzustellen. Dabei ist maßgeblich, ob er seine Bedeutung als\nkommunales Steuerungsinstrument der stadtebaulichen Entwicklung „im großen und\nganzen" behalten oder verloren hat (BVerwG, Beschluss vom 26.2.1999 - 4 CN\n6.98 - ZfBR 1999, 223 = PBauE § 8 BauGB Nr. 9a). Vorliegend betrifft die\nmogliche Abweichung von der Darstellung des Flachennutzungsplans aber\nlediglich einen kleinen Bereich in der Ortsmitte der Antragsgegnerin, so dass\nseine steuernde Funktion fur die stadtebauliche Entwicklung der Stadt nicht\nberuhrt sein kann. \n--- \n| 28 \n--- \n| Davon abgesehen hat die Antragsgegnerin den Bebauungsplan „Stadtmitte" als\nvorzeitigen Bebauungsplan gemaß § 8 Abs. 4 Satz 1 BauGB aufgestellt und fuhrt\nderzeit das Verfahren zur Änderung des Flachennutzungsplans durch. Darin soll\ndas Plangebiet als Flache fur den Gemeinbedarf dargestellt und damit der\nEinklang mit den Festsetzungen des Bebauungsplans hergestellt werden. Der\nErlass eines vorzeitigen Bebauungsplans war auch aus dringenden Grunden i.S.d.\n§ 8 Abs. 4 Satz 1 BauGB erforderlich. Denn mit ihm soll die Verwirklichung\neines im dringenden offentlichen Interesse liegenden Vorhabens ermoglicht\nwerden (vgl. Lohr, a.a.O., § 8 RdNr. 11; Jade, a.a.O., § 8 RdNrn. 14 f.,\njeweils m.w.N.). Die Neuerrichtung eines Altenpflegeheims liegt insbesondere\nangesichts des Zustands des bisherigen Pflegeheims, der sich aus den Akten\nergibt, im dringenden offentlichen Interesse. Es kommt hinzu, dass der\nAntragsgegnerin ein Verlust von Fordermitteln droht, wenn sie nicht noch im\nJahre 2004 entsprechende Antrage stellen kann. Von alledem abgesehen ware eine\nfehlerhafte Beurteilung der dringenden Grunde gemaß § 214 Abs. 2 Nr. 1 BauGB\nunbeachtlich. Da das Landratsamt des Alb-Donau-Kreises den Bebauungsplan unter\ndem 12.1.2004 genehmigt hat, ist schließlich auch dem Erfordernis des § 10\nAbs. 2 BauGB Genuge getan (zur Zustandigkeit des Landratsamts vgl. § 1 Abs. 1\nBauGB-DVO vom 2.3.1998, GBl. S. 185). \n--- \n| 29 \n--- \n| 3\\. Der Bebauungsplan leidet auch nicht an Abwagungsmangeln; er wurde\ninsbesondere - seine Verfahrensfehlerfreiheit unterstellt - den Angriffen der\nAntragsteller standhalten. \n--- \n| 30 \n--- \n| a) Die Antragsgegnerin hat die Belange der Antragsteller, soweit sie im\nZeitpunkt des Satzungsbeschlusses erkennbar waren, erkannt und in nicht zu\nbeanstandender Weise abgewogen. Insbesondere ist sie der Frage, welchen\nVerkehrswert ihr Grundstuck - unbeeinflusst von der vorliegenden Planung -\naufweist, durch Einholung zweier Gutachten (zum einen ihres\nGutachterausschusses, zum anderen des Dipl.-Ing. Brett) nachgegangen. Die\ndeutlich niedrigere Werteinschatzung, die das Anwesen der Antragsteller im\nGutachten Brett erfahren hat, belegt, dass sie sich mit ihrer Orientierung an\nder Schatzung des Gutachterausschusses auf der sicheren Seite bewegt. Von\neiner Unterschatzung des Wertes des Hofgrundstucks der Antragsteller kann\ndanach auch unter Berucksichtigung des Umstands, dass das Nebengebaude noch\nzur Unterstellung landwirtschaftlicher Maschinen geeignet ist, keine Rede\nsein. \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Antragsteller konnten auch nicht mit Erfolg geltend machen, ihre\nInteressen an weiteren Nutzungsmoglichkeiten ihres Anwesens seien fehlerhaft\nnicht in die Abwagung eingestellt worden. Denn die Antragsgegnerin musste nur\ndiejenigen offentlichen und privaten Belange bei ihrer Abwagungsentscheidung\nberucksichtigen, deren Betroffensein ihr bekannt war oder hatte bekannt sein\nmussen (BVerwG, Beschluss vom 24.8.1993 - 4 NB 12.93 - ZfBR 1994, 100 m.w.N.).\nDeshalb musste und konnte sie uber den vorhandenen Bestand hinausgehenden\nNutzungsinteressen der Antragsteller kein Augenmerk schenken. Denn diese\nhatten ihr keinerlei dahin gehenden Vorstellungen oder Planungen unterbreitet.\nAndererseits durfte sie davon ausgehen, dass einem Abbruch des Gehofts auf dem\nGrundstuck der Antragsteller nichts im Wege stehe, weil auch das\nLandesdenkmalamt angesichts der Verwahrlosung dieses Anwesens seine Zustimmung\nzu einem Abbruch des Gehofts in Aussicht gestellt hatte. \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Belange der Antragsteller wurden auch nicht deshalb ungerechtfertigt\nzuruckgestellt, weil ihr gesamtes Grundstuck in die Gemeinbedarfsflache\neinbezogen wurde. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin\nihren Planungsspielraum dadurch uberschritten hatte. Nach den von ihr in der\nmundlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen sieht zwar der von ihr\npraferierte Vorschlag des Architektenwettbewerbs im Suden des Plangebiets und\ndamit auch auf dem sudlichen Drittel des Grundstucks der Antragsteller keine\nGebaude vor. Vielmehr soll dieser Teilbereich als Bewohnergarten genutzt\nwerden. Die damit im Zusammenhang stehende planerische Vorstellung, einen\nsolchen Außennutzbereich in die Gemeinbedarfsflache einbeziehen zu sollen, ist\nnicht zu beanstanden. Denn es versteht sich von selbst, dass ein\nSeniorenzentrum nur dann seiner Bestimmung gerecht werden kann, wenn seinen\nBewohnern auch (abgeschirmte) Flachen zum Aufenthalt im Freien zur Verfugung\nstehen. Dafur bietet sich der sudliche Bereich des Grundstucks der\nAntragsteller an, weil er von der Straßenrandbebauung entlang der Mullergasse\nund der Achstraße geschutzt wird. Die Stadt wird allerdings gut daran tun, in\ndem zu erwartenden neuen Planungsverfahren naher zu erlautern, warum diesem\nParkbereich besondere Bedeutung fur die Gesamtplanung zukommt, die es\nrechtfertigt, den Antragstellern hier keine eigene Bebauungsmoglichkeit zu\neroffnen. \n--- \n| 33 \n--- \n| b) Ferner ist nichts dafur ersichtlich, dass die Abwagungsentscheidung der\nAntragsgegnerin bezuglich der in Betracht kommenden Alternativstandorte auf\ngemeindeeigenem Boden fehlerhaft ware. In der Begrundung zum Bebauungsplan\nwird ausfuhrlich dargelegt, warum die untersuchten Alternativen letztlich fur\ndas geplante Seniorenzentrum sich als ungeeignet erwiesen. Die dazu\nangestellten Erwagungen sind auch ohne weiteres nachvollziehbar. Vor allem\nweist das Plangebiet „Stadtmitte" eine uberragende Standortgunst auf, weil es\neben unmittelbar in der Ortsmitte liegt und damit den Senioren eine weitere\nTeilnahme am ortlichen Geschehen ermoglicht oder jedenfalls sehr erleichtert.\nDemgegenuber weisen die Alternativstandorte, insbesondere die sudwestlich des\nFriedhofs und die am Herz-Jesu-Berg gelegenen Flachen so deutliche\nEntfernungen zum Stadtkern auf, dass sie schon deshalb nicht ernstlich in\nBetracht kommen. Daruber hinaus sind diese beiden Flachen auch deshalb\nungeeignet, weil sie starken Straßen- und/oder Gewerbelarmimmissionen\nausgesetzt sind. Die Flache 3 (an der Munsinger Straße) ist mit einer\nGrundstucksgroße von 1.700 m2 offensichtlich zu klein, um den angestrebten\nPflegeheimkomplex aufnehmen zu konnen. Schließlich hat die Antragsgegnerin\nauch mit guten Grunden eine Sanierung des bestehenden Pflegeheims als\nAlternative verworfen. Fur den Senat ist es - wie in der mundlichen\nVerhandlung erortert - unmittelbar nachvollziehbar, dass eine Gesamtsanierung\nwahrend des laufenden Betriebs fur die Heimbewohner mit unzumutbaren\nBelastungen verbunden ware. \n--- \n| 34 \n--- \n| c) Die Antragsgegnerin hat auch die Belange des Denkmalschutzes nicht\nfehlerhaft abgewogen. Das Landesdenkmalamt hat sich im Verfahren mehrfach\ngeaußert. Seine letzte Stellungnahme vom 2.9.2003 enthielt als relevante\nVorgabe fur den Bebauungsplan „Stadtmitte" lediglich die Bitte, einen\nnachrichtlichen Hinweis auf archaologische Kulturdenkmale, mit deren Resten im\nPlangebiet zu rechnen sei, in Plan- und Textteil des Bebauungsplans\naufzunehmen. Dem hat die Antragsgegnerin durch Nr. 2.4 der Hinweise und\nEmpfehlungen des Plantexts entsprochen. Bezuglich des Baudenkmals Marktstraße\nxx wies das Landesdenkmalamt lediglich darauf hin, dass eine Bebauung in\ndiesem Bereich eines denkmalschutzrechtlichen Verfahrens bedurfe, und dass es\nzur Vermeidung von Problemen in diesem Verfahren im Vorfeld der\nPlanrealisierung fruhzeitigen Kontakt mit den Planungstragern, dem Landratsamt\nund den Preistragern des Wettbewerbs aufnehmen werde. Von Bedenken gegen einen\nAbbruch des Gebaudes Marktstraße xx ist dagegen nicht mehr die Rede. Das\nLandesdenkmalamt hatte zwar mit Schreiben vom 8.4.2003 „erhebliche Bedenken\ngegen die Planung" erhoben, obwohl es zuvor in seiner Stellungnahme vom\n28.3.2003 wegen des schlechten baulichen Zustandes und der Verwahrlosung des\nGebaudes seine Zustimmung zum Abbruch in Aussicht gestellt hatte. Die\n„erheblichen Bedenken" hatte das Landesdenkmalamt allerdings nicht mit\nfachlichen Argumenten begrundet, sondern ausschließlich damit, dass der\nzustandige Gebietsreferent in Urlaub sei. Nach dieser Vorgeschichte erscheint\nes bereits im Ansatz fraglich, ob die Bedenken des Landesdenkmalamtes\nbezuglich des Gebaudes Marktstraße xx fur die Antragsgegnerin uberhaupt\nabwagungsbeachtlich waren. Das kann aber letztlich auf sich beruhen, da das\nLandesdenkmalamt in seiner weiteren Stellungnahme vom 9.5.2003 seine\n„vorsorglich vorgetragenen Bedenken" ausdrucklich zuruckstellte. Aus dieser\nFormulierung kann - entgegen der Interpretation der Antragsteller - nicht\ngeschlossen werden, dass diese Bedenken fortbestanden und deshalb in der\nAbwagung zu berucksichtigen gewesen seien. Vielmehr wurde damit zum Ausdruck\ngebracht, dass gegen die Planung generell keine Einwendungen mehr erhoben\nwurden. Dies wird durchschlagend bestatigt durch die im Rahmen der Beteiligung\nder Trager offentlicher Belange gemaß § 3 Abs. 2 BauGB abgegebene letzte\nStellungnahme des Landesdenkmalamtes vom 2.9.2003, die - wie ausgefuhrt - nur\nnoch eine die Planrealisierung begleitende Kontaktaufnahme mit\nPlanungstragern, unterer Denkmalschutzbehorde und Architekten ankundigte. Fur\ndie Antragsgegnerin konnte daraus nur folgen, dass sie auf der\nBebauungsplanebene keine weitere Abwagung denkmalschutzrechtlicher Belange\nbezuglich des Gebaudes Marktstraße xx vornehmen musste. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 36 \n--- \n| Grunde fur eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht\ngegeben. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 15 \n--- \n| I. Die Antrage sind gemaß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO statthaft und auch sonst\nzulassig. Die Antragsteller besitzen insbesondere die gemaß § 47 Abs. 2 Satz 1\nVwGO erforderliche Antragsbefugnis, da sie sich gegen Festsetzungen des\nBebauungsplans wenden, die unmittelbar ihr eigenes Grundstuck betreffen und\ndaher eine Bestimmung von Inhalt und Schranken ihres Eigentums bedeuten. Die\nAntragsbefugnis ist in einem solchen Fall regelmaßig zu bejahen (BVerwG,\nBeschluss vom 7.7.1997 - 4 BN 1.97 - ZfBR 1997, 314 = PBauE § 47 Abs. 2 VwGO\nNr. 40; Urteil vom 10.3.1998 \\- 4 CN 6.97 - ZfBR 1998, 205 = PBauE § 47 Abs. 2\nVwGO Nr. 42). \n--- \n| 16 \n--- \n| II. Die Antrage haben auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene\nBebauungsplan ist verfahrensfehlerhaft zustande gekommen und deshalb bis zur\nBehebung des nachfolgend naher umschriebenen Mangels fur nicht wirksam zu\nerklaren (§ 47 Abs. 5 Satz 4 VwGO). \n--- \n| 17 \n--- \n| 1\\. Mit ihren Rugen, der Vorentwurf des Bebauungsplans sei im Rahmen der\nfruhzeitigen Burgerbeteiligung nicht ordnungsgemaß offentlich ausgelegt\nworden, weil Interessierten dieser Entwurf nicht frei zuganglich gewesen sei,\nund die offentliche Bekanntmachung dieser Auslegung vom 6.3.2003 sei\nunvollstandig gewesen, zeigen die Antragsteller allerdings keinen beachtlichen\nVerfahrens- oder Formfehler auf. Denn beachtlich sind nur Verstoße gegen die\nin § 214 Abs. 1 BauGB aufgefuhrten Vorschriften. Die Bestimmung des § 3 Abs. 1\nBauGB, in der die fruhzeitige Burgerbeteiligung geregelt ist, wird dort aber\nnicht angefuhrt. Eine Verletzung dieser Vorschrift ist deshalb fur die\nWirksamkeit des Bebauungsplans unerheblich (BVerwG, Beschluss vom 23.10.2002 -\n4 BN 53.02 - ZfBR 2003, 157 = PBauE § 3 BauGB Nr. 31). \n--- \n| 18 \n--- \n| 2\\. Ebenfalls unberechtigt ist die Beanstandung der Antragsteller, der\nPlanentwurf hatte nach der Erganzung seiner Begrundung zur Gemeinderatssitzung\nvom 4.11.2003 nochmals offentlich ausgelegt werden mussen. Gemaß § 3 Abs. 3\nSatz 1 BauGB ist zwar nach einer Änderung der Entwurf eines Bebauungsplans,\nder bereits Gegenstand einer Offenlage war, erneut offentlich auszulegen, wenn\nnicht das vereinfachte Verfahren gemaß den §§ 3 Abs. 3 Satz 3, 13 Nr. 2 BauGB\nangewandt werden kann. Dies gilt aber nur, wenn der Planentwurf selbst, also\nder Teil, der nach seiner Inkraftsetzung normativen Charakter entfalten wird,\ngeandert wird. Dazu gehort die Begrundung nicht, weil sie dem Bebauungsplan\nnach § 9 Abs. 8 BauGB lediglich „beizufugen" ist (vgl. Lohr, in:\nBattis/Krautzberger/Lohr, BauGB, 8. Aufl. 2002, § 9 RdNr. 123; Gaentzsch, in:\nBerliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. 2002, § 9 RdNr. 94; Jade, in:\nJade/Dirnberger/Weiß, BauGB, 3. Aufl. 2002, § 9 RdNr. 86; vgl. auch die\nunterschiedlichen Formulierungen in § 10 Abs. 3 Satze 2 und 4 BauGB). Die\nbloße Änderung der Planbegrundung machte deshalb keine erneute offentliche\nAuslegung des Entwurfs notwendig. \n--- \n| 19 \n--- \n| Davon abgesehen hatte selbst dann die Änderung der Begrundung zur Sitzung\nvom 4.11.2003 keine Pflicht zur erneuten offentlichen Auslegung ausgelost,\nwenn sie Bestandteil des Bebauungsplans ware. Denn Änderungen, durch die die\nGrundzuge der Planung nicht beruhrt werden und die ausschließlich der\nKlarstellung dienen oder die auf ohnehin geltende Rechtsvorschriften\nverweisen, ohne der Sache nach eine materielle Änderung des normativen Gehalts\ndes Bebauungsplans zu bewirken, erfordern ebenfalls keine neue Offenlage\n(Beschluss des Senats vom 24.10.1996 - 8 S 3336/95 - VBlBW 1997, 137 = PBauE §\n9 Abs. 1 (Nr. 18) BauGB Nr. 2; BVerwG, Beschluss vom 18.12.1987 - 4 NB 2.87 -\nNVwZ 1988, 822 = PBauE § 3 BauGB Nr. 4). So liegt es auch hier, denn die\numstrittenen Änderungen bzw. Erganzungen enthielten lediglich eine\nVerdeutlichung der Grunde, warum das geplante Projekt an den untersuchten\nAlternativstandorten nicht verwirklicht werden kann. Der materielle\nRegelungsgehalt des Plans war davon nicht betroffen. \n--- \n| 20 \n--- \n| 3\\. Dagegen dringt der Einwand der Antragsteller durch, die offentliche\nBekanntmachung der Auslegung des Planentwurfs im „Schelklinger Stadtbote" vom\n17.7.2003 genuge nicht den in § 3 Abs. 2 BauGB festgelegten Anforderungen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB sind die Entwurfe der Bauleitplane mit dem\nErlauterungsbericht oder der Begrundung auf die Dauer eines Monats offentlich\nauszulegen. Ort und Dauer der Auslegung mussen nach Satz 2 dieser Vorschrift\nmindestens eine Woche vorher ortsublich bekannt gemacht werden mit dem Hinweis\ndarauf, dass Anregungen wahrend der Auslegungsfrist vorgebracht werden konnen.\nDiese Bekanntmachung hat in einer Weise zu erfolgen, die geeignet ist, dem an\nder beabsichtigten Bauleitplanung interessierten Burger sein Interesse an\nInformation und Beteiligung durch Anregungen bewusst zu machen und dadurch\ngemeindliche Öffentlichkeit herzustellen (BVerwG, Urteil vom 6.7.1984 - 4 C\n22.80 \\- BVerwGE 69, 344, 345 = PBauE § 3 BauGB Nr. 3). Die Bekanntmachung\nmuss daher so formuliert sein, dass ein an der beabsichtigten Planung\ninteressierter Burger nicht davon abgehalten wird, sich durch Anregungen am\nVerfahren zu beteiligen. Sie darf aus diesem Grund keine Zusatze enthalten,\ndie geeignet sind, als Beschrankung dieses jedermann zustehenden Rechts\nverstanden zu werden (vgl. BVerwG, Beschlusse vom 11.4.1978 - 4 B 37.78 \\- BRS\n33 Nr. 15 und vom 28.1.1997 - 4 NB 39.96 \\- VBlBW 1997, 296 = PBauE § 3 BauGB\nNr. 16; sowie VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 25.2.1994 - 5 S 317/93 \\- VBlBW\n1994, 491 = PBauE § 3 BauGB Nr. 10; BayVGH, Urteil vom 22.3.1982 - 25 XIV/78\n\\- NJW 1983, 297). \n--- \n| 22 \n--- \n| Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Bekanntmachung der Auslegung des\nPlanentwurfs genugt diesen Anforderungen nicht. Die Antragsgegnerin hat in\nihrem Mitteilungsblatt vom 17.7.2003 offentlich bekannt gegeben, dass der\nGemeinderat in der Sitzung vom 8.7.2003 den Entwurf des Bebauungsplans\n„Stadtmitte" und den Entwurf der Örtlichen Bauvorschriften fur den\nGeltungsbereich dieses Bebauungsplans gebilligt und beschlossen habe, diese\nEntwurfe nach § 3 Abs. 2 BauGB bzw. § 3 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 74 Abs. 7 LBO\noffentlich auszulegen. An die Bekanntgabe von Beginn und Ende der\nAuslegungsfrist schließt sich der Hinweis an, dass „wahrend dieser\nAuslegungsfrist... Anregungen wahrend der ublichen Dienststunden bei der\nStadtverwaltung Schelklingen vorgebracht werden" konnen. Ein zusatzlicher\nHinweis auf die Moglichkeit, Anregungen auch schriftlich vorzubringen, fehlt.\nDer in die Bekanntmachung aufgenommene Hinweis kann daher bei einem mit seinen\ngesetzlichen Rechten nicht naher vertrauten Leser den Anschein erwecken, er\nkonne Anregungen nur im Rathaus vortragen und musse somit dort personlich\nerscheinen. Er ist daher geeignet, eine Art psychologische Hemmschwelle\naufzubauen, durch die der an der Bauleitplanung interessierte Burger davon\nabgehalten werden kann, seine Anregungen vorzubringen (Beschluss des Senats\nvom 18.8.1997 - 8 S 1401/97 - BRS 59 Nr. 16 = PBauE § 3 BauGB Nr. 18; ebenso\nBayVGH, Urteil vom 22.3.1982, a.a.O. fur einen ahnlich formulierten Hinweis). \n--- \n| 23 \n--- \n| Der Umstand, dass die Antragsgegnerin nach ihren Einlassungen in der\nmundlichen Verhandlung die Moglichkeit, Anregungen schriftlich einzureichen,\nfur selbstverstandlich hielt und dem an ihrer Planung interessierten\nPersonenkreis die Alternative bieten wollte, das betreffende Anliegen auch\nmundlich bei der Stadtverwaltung vorbringen zu konnen, somit also „in guter\nAbsicht" handelte, andert nichts daran, dass die in ihrer Bekanntmachung\nverwendete Formulierung missverstandlich ist, und lasst den demnach\nfestzustellenden Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB nicht entfallen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Durch die fehlerhafte Bekanntmachung hat die Antragsgegnerin die\nVorschriften uber die Beteiligung der Burger verletzt. Ein solcher Verstoß ist\ngemaß § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB beachtlich. Er fuhrt allerdings nicht zur\nNichtigkeit des angefochtenen Bebauungsplans, denn er kann durch ein\nerganzendes Verfahren, das die zu beanstandende Bekanntmachung und alle\nnachfolgenden Schritte des Aufstellungsverfahrens wiederholt, behoben werden\n(§ 215a Abs. 1 BauGB). Deshalb ist - wie geschehen - der Bebauungsplan\n„Stadtmitte" bis zu dieser Mangelbehebung fur nicht wirksam zu erklaren (§ 47\nAbs. 5 Satz 4 VwGO). \n--- \n| 25 \n--- \n| III. Obwohl somit nicht entscheidungserheblich bemerkt der Senat im\nHinblick auf die Moglichkeit einer Behebung des aufgezeigten Fehlers durch ein\nordnungsgemaßes Verfahren, dass der angefochtene Bebauungsplan im Übrigen\nkeinen durchgreifenden Bedenken begegnet. Dabei wird allerdings unterstellt,\ndass der Planentwurf wahrend der Auslegungsphase vom 28.7. bis 28.8.2003 fur\njedermann zuganglich offen lag und nicht - wie die Antragsteller bezuglich der\nAuslegung im Rahmen der fruhzeitigen Burgerbeteiligung geltend machen - erst\nauf entsprechende Bitte eines interessierten Burgers von einem Bediensteten\nder Antragsgegnerin herbeigeholt werden musste (vgl. das Urteil des Senats vom\n11.12.1998 - 8 S 1174/98 - VBlBW 1999, 178 = PBauE § 3 BauGB Nr. 24). \n--- \n| 26 \n--- \n| 1\\. Der Bebauungsplan ist erforderlich i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB. Die\nErforderlichkeit einer Bauleitplanung bestimmt sich nach der planerischen\nKonzeption der Gemeinde (grundlegend: BVerwG, Urteil vom 7.5.1971 - IV C 76.68\n- BauR 1971, 182). Es genugt, wenn es vernunftigerweise geboten ist, die\nbauliche Entwicklung durch eine zukunftsgerichtete Planung zu ordnen (BVerwG,\nBeschluss vom 11.5.1999 - 4 BN 15.99 - NVwZ 1999, 1338 = PBauE § 1 Abs. 5\nBauNVO Nr. 6). Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem Plangebiet um\neinen unbeplanten Innenbereich i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB. Ob sich ein\nAltenpflegeheim mit der von der Antragsgegnerin vorgesehenen Dimension in die\nEigenart der naheren Umgebung einfugen wurde, erscheint mindestens fraglich.\nSchon daraus rechtfertigt sich die Planung, weil sie fur eine derartige\nBebauung Planungssicherheit schafft. Ein Planungserfordernis ergibt sich\nferner daraus, dass § 34 Abs. 1 BauGB eine planerische Feinsteuerung durch\nFestsetzungen (etwa uber die Grundflachenzahl, Trauf- und Firsthohen,\nBaugrenzen oder die Bauweise) nicht ermoglicht. Die Antragsgegnerin kann\ndeshalb das gewunschte Raumprogramm nur im Planungswege realisieren. \n--- \n| 27 \n--- \n| 2\\. Ob der angefochtene Bebauungsplan gegen das Entwicklungsgebot gemaß § 8\nAbs. 2 Satz 1 BauGB verstoßt, wie die Antragsteller meinen, kann dahinstehen.\nDenn ein solcher Verstoß ware nach § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB unbeachtlich, weil\ndadurch die sich aus dem Flachennutzungsplan ergebende geordnete\nstadtebauliche Entwicklung nicht beeintrachtigt wird. Fur diese Beurteilung\nist auf die planerische Konzeption des Flachennutzungsplans fur das gesamte\nGemeindegebiet abzustellen. Dabei ist maßgeblich, ob er seine Bedeutung als\nkommunales Steuerungsinstrument der stadtebaulichen Entwicklung „im großen und\nganzen" behalten oder verloren hat (BVerwG, Beschluss vom 26.2.1999 - 4 CN\n6.98 - ZfBR 1999, 223 = PBauE § 8 BauGB Nr. 9a). Vorliegend betrifft die\nmogliche Abweichung von der Darstellung des Flachennutzungsplans aber\nlediglich einen kleinen Bereich in der Ortsmitte der Antragsgegnerin, so dass\nseine steuernde Funktion fur die stadtebauliche Entwicklung der Stadt nicht\nberuhrt sein kann. \n--- \n| 28 \n--- \n| Davon abgesehen hat die Antragsgegnerin den Bebauungsplan „Stadtmitte" als\nvorzeitigen Bebauungsplan gemaß § 8 Abs. 4 Satz 1 BauGB aufgestellt und fuhrt\nderzeit das Verfahren zur Änderung des Flachennutzungsplans durch. Darin soll\ndas Plangebiet als Flache fur den Gemeinbedarf dargestellt und damit der\nEinklang mit den Festsetzungen des Bebauungsplans hergestellt werden. Der\nErlass eines vorzeitigen Bebauungsplans war auch aus dringenden Grunden i.S.d.\n§ 8 Abs. 4 Satz 1 BauGB erforderlich. Denn mit ihm soll die Verwirklichung\neines im dringenden offentlichen Interesse liegenden Vorhabens ermoglicht\nwerden (vgl. Lohr, a.a.O., § 8 RdNr. 11; Jade, a.a.O., § 8 RdNrn. 14 f.,\njeweils m.w.N.). Die Neuerrichtung eines Altenpflegeheims liegt insbesondere\nangesichts des Zustands des bisherigen Pflegeheims, der sich aus den Akten\nergibt, im dringenden offentlichen Interesse. Es kommt hinzu, dass der\nAntragsgegnerin ein Verlust von Fordermitteln droht, wenn sie nicht noch im\nJahre 2004 entsprechende Antrage stellen kann. Von alledem abgesehen ware eine\nfehlerhafte Beurteilung der dringenden Grunde gemaß § 214 Abs. 2 Nr. 1 BauGB\nunbeachtlich. Da das Landratsamt des Alb-Donau-Kreises den Bebauungsplan unter\ndem 12.1.2004 genehmigt hat, ist schließlich auch dem Erfordernis des § 10\nAbs. 2 BauGB Genuge getan (zur Zustandigkeit des Landratsamts vgl. § 1 Abs. 1\nBauGB-DVO vom 2.3.1998, GBl. S. 185). \n--- \n| 29 \n--- \n| 3\\. Der Bebauungsplan leidet auch nicht an Abwagungsmangeln; er wurde\ninsbesondere - seine Verfahrensfehlerfreiheit unterstellt - den Angriffen der\nAntragsteller standhalten. \n--- \n| 30 \n--- \n| a) Die Antragsgegnerin hat die Belange der Antragsteller, soweit sie im\nZeitpunkt des Satzungsbeschlusses erkennbar waren, erkannt und in nicht zu\nbeanstandender Weise abgewogen. Insbesondere ist sie der Frage, welchen\nVerkehrswert ihr Grundstuck - unbeeinflusst von der vorliegenden Planung -\naufweist, durch Einholung zweier Gutachten (zum einen ihres\nGutachterausschusses, zum anderen des Dipl.-Ing. Brett) nachgegangen. Die\ndeutlich niedrigere Werteinschatzung, die das Anwesen der Antragsteller im\nGutachten Brett erfahren hat, belegt, dass sie sich mit ihrer Orientierung an\nder Schatzung des Gutachterausschusses auf der sicheren Seite bewegt. Von\neiner Unterschatzung des Wertes des Hofgrundstucks der Antragsteller kann\ndanach auch unter Berucksichtigung des Umstands, dass das Nebengebaude noch\nzur Unterstellung landwirtschaftlicher Maschinen geeignet ist, keine Rede\nsein. \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Antragsteller konnten auch nicht mit Erfolg geltend machen, ihre\nInteressen an weiteren Nutzungsmoglichkeiten ihres Anwesens seien fehlerhaft\nnicht in die Abwagung eingestellt worden. Denn die Antragsgegnerin musste nur\ndiejenigen offentlichen und privaten Belange bei ihrer Abwagungsentscheidung\nberucksichtigen, deren Betroffensein ihr bekannt war oder hatte bekannt sein\nmussen (BVerwG, Beschluss vom 24.8.1993 - 4 NB 12.93 - ZfBR 1994, 100 m.w.N.).\nDeshalb musste und konnte sie uber den vorhandenen Bestand hinausgehenden\nNutzungsinteressen der Antragsteller kein Augenmerk schenken. Denn diese\nhatten ihr keinerlei dahin gehenden Vorstellungen oder Planungen unterbreitet.\nAndererseits durfte sie davon ausgehen, dass einem Abbruch des Gehofts auf dem\nGrundstuck der Antragsteller nichts im Wege stehe, weil auch das\nLandesdenkmalamt angesichts der Verwahrlosung dieses Anwesens seine Zustimmung\nzu einem Abbruch des Gehofts in Aussicht gestellt hatte. \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Belange der Antragsteller wurden auch nicht deshalb ungerechtfertigt\nzuruckgestellt, weil ihr gesamtes Grundstuck in die Gemeinbedarfsflache\neinbezogen wurde. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin\nihren Planungsspielraum dadurch uberschritten hatte. Nach den von ihr in der\nmundlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen sieht zwar der von ihr\npraferierte Vorschlag des Architektenwettbewerbs im Suden des Plangebiets und\ndamit auch auf dem sudlichen Drittel des Grundstucks der Antragsteller keine\nGebaude vor. Vielmehr soll dieser Teilbereich als Bewohnergarten genutzt\nwerden. Die damit im Zusammenhang stehende planerische Vorstellung, einen\nsolchen Außennutzbereich in die Gemeinbedarfsflache einbeziehen zu sollen, ist\nnicht zu beanstanden. Denn es versteht sich von selbst, dass ein\nSeniorenzentrum nur dann seiner Bestimmung gerecht werden kann, wenn seinen\nBewohnern auch (abgeschirmte) Flachen zum Aufenthalt im Freien zur Verfugung\nstehen. Dafur bietet sich der sudliche Bereich des Grundstucks der\nAntragsteller an, weil er von der Straßenrandbebauung entlang der Mullergasse\nund der Achstraße geschutzt wird. Die Stadt wird allerdings gut daran tun, in\ndem zu erwartenden neuen Planungsverfahren naher zu erlautern, warum diesem\nParkbereich besondere Bedeutung fur die Gesamtplanung zukommt, die es\nrechtfertigt, den Antragstellern hier keine eigene Bebauungsmoglichkeit zu\neroffnen. \n--- \n| 33 \n--- \n| b) Ferner ist nichts dafur ersichtlich, dass die Abwagungsentscheidung der\nAntragsgegnerin bezuglich der in Betracht kommenden Alternativstandorte auf\ngemeindeeigenem Boden fehlerhaft ware. In der Begrundung zum Bebauungsplan\nwird ausfuhrlich dargelegt, warum die untersuchten Alternativen letztlich fur\ndas geplante Seniorenzentrum sich als ungeeignet erwiesen. Die dazu\nangestellten Erwagungen sind auch ohne weiteres nachvollziehbar. Vor allem\nweist das Plangebiet „Stadtmitte" eine uberragende Standortgunst auf, weil es\neben unmittelbar in der Ortsmitte liegt und damit den Senioren eine weitere\nTeilnahme am ortlichen Geschehen ermoglicht oder jedenfalls sehr erleichtert.\nDemgegenuber weisen die Alternativstandorte, insbesondere die sudwestlich des\nFriedhofs und die am Herz-Jesu-Berg gelegenen Flachen so deutliche\nEntfernungen zum Stadtkern auf, dass sie schon deshalb nicht ernstlich in\nBetracht kommen. Daruber hinaus sind diese beiden Flachen auch deshalb\nungeeignet, weil sie starken Straßen- und/oder Gewerbelarmimmissionen\nausgesetzt sind. Die Flache 3 (an der Munsinger Straße) ist mit einer\nGrundstucksgroße von 1.700 m2 offensichtlich zu klein, um den angestrebten\nPflegeheimkomplex aufnehmen zu konnen. Schließlich hat die Antragsgegnerin\nauch mit guten Grunden eine Sanierung des bestehenden Pflegeheims als\nAlternative verworfen. Fur den Senat ist es - wie in der mundlichen\nVerhandlung erortert - unmittelbar nachvollziehbar, dass eine Gesamtsanierung\nwahrend des laufenden Betriebs fur die Heimbewohner mit unzumutbaren\nBelastungen verbunden ware. \n--- \n| 34 \n--- \n| c) Die Antragsgegnerin hat auch die Belange des Denkmalschutzes nicht\nfehlerhaft abgewogen. Das Landesdenkmalamt hat sich im Verfahren mehrfach\ngeaußert. Seine letzte Stellungnahme vom 2.9.2003 enthielt als relevante\nVorgabe fur den Bebauungsplan „Stadtmitte" lediglich die Bitte, einen\nnachrichtlichen Hinweis auf archaologische Kulturdenkmale, mit deren Resten im\nPlangebiet zu rechnen sei, in Plan- und Textteil des Bebauungsplans\naufzunehmen. Dem hat die Antragsgegnerin durch Nr. 2.4 der Hinweise und\nEmpfehlungen des Plantexts entsprochen. Bezuglich des Baudenkmals Marktstraße\nxx wies das Landesdenkmalamt lediglich darauf hin, dass eine Bebauung in\ndiesem Bereich eines denkmalschutzrechtlichen Verfahrens bedurfe, und dass es\nzur Vermeidung von Problemen in diesem Verfahren im Vorfeld der\nPlanrealisierung fruhzeitigen Kontakt mit den Planungstragern, dem Landratsamt\nund den Preistragern des Wettbewerbs aufnehmen werde. Von Bedenken gegen einen\nAbbruch des Gebaudes Marktstraße xx ist dagegen nicht mehr die Rede. Das\nLandesdenkmalamt hatte zwar mit Schreiben vom 8.4.2003 „erhebliche Bedenken\ngegen die Planung" erhoben, obwohl es zuvor in seiner Stellungnahme vom\n28.3.2003 wegen des schlechten baulichen Zustandes und der Verwahrlosung des\nGebaudes seine Zustimmung zum Abbruch in Aussicht gestellt hatte. Die\n„erheblichen Bedenken" hatte das Landesdenkmalamt allerdings nicht mit\nfachlichen Argumenten begrundet, sondern ausschließlich damit, dass der\nzustandige Gebietsreferent in Urlaub sei. Nach dieser Vorgeschichte erscheint\nes bereits im Ansatz fraglich, ob die Bedenken des Landesdenkmalamtes\nbezuglich des Gebaudes Marktstraße xx fur die Antragsgegnerin uberhaupt\nabwagungsbeachtlich waren. Das kann aber letztlich auf sich beruhen, da das\nLandesdenkmalamt in seiner weiteren Stellungnahme vom 9.5.2003 seine\n„vorsorglich vorgetragenen Bedenken" ausdrucklich zuruckstellte. Aus dieser\nFormulierung kann - entgegen der Interpretation der Antragsteller - nicht\ngeschlossen werden, dass diese Bedenken fortbestanden und deshalb in der\nAbwagung zu berucksichtigen gewesen seien. Vielmehr wurde damit zum Ausdruck\ngebracht, dass gegen die Planung generell keine Einwendungen mehr erhoben\nwurden. Dies wird durchschlagend bestatigt durch die im Rahmen der Beteiligung\nder Trager offentlicher Belange gemaß § 3 Abs. 2 BauGB abgegebene letzte\nStellungnahme des Landesdenkmalamtes vom 2.9.2003, die - wie ausgefuhrt - nur\nnoch eine die Planrealisierung begleitende Kontaktaufnahme mit\nPlanungstragern, unterer Denkmalschutzbehorde und Architekten ankundigte. Fur\ndie Antragsgegnerin konnte daraus nur folgen, dass sie auf der\nBebauungsplanebene keine weitere Abwagung denkmalschutzrechtlicher Belange\nbezuglich des Gebaudes Marktstraße xx vornehmen musste. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 36 \n--- \n| Grunde fur eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht\ngegeben. \n---\n\n |
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140,203 | fg-baden-wurttemberg-2004-09-09-14-k-499 | 126 | Finanzgericht Baden-Württemberg | fg-baden-wurttemberg | Baden-Württemberg | Baden-Württemberg | Finanzgerichtsbarkeit | 14 K 4/99 | 2004-09-09 | 2019-01-07 14:53:03 | 2019-01-17 12:00:24 | Urteil | ## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| (Überlassen von Datev) \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Im Rahmen der Umsatzsteuerveranlagung 1993 ist der Vorsteuerabzug in Hohe\nvon rund 104.000 DM einer aus Ehegatten bestehenden Grundstucksgemeinschaft\naus in der Adressierung geanderten Baurechnungen streitig. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Klagerin ist eine Grundstucksgemeinschaft, die aus den Eheleuten W und\nB M aus B besteht. Der Ehemann betrieb dort seit April 1986 in der Rstr. 3 das\n"cafe", in dessen Obergeschoss die Eheleute wohnten. Durch notariellen\nKaufvertrag vom 24. November 1988 erwarben sie beide zu je 1/2 Miteigentum zum\nPreis von 748.000 DM das benachbarte 1.887 qm große Grundstuck R Str. 2\n(Flurstuck Nr. - ehemaliger hof), das mit einem denkmalgeschutzten vermieteten\nDreifamilienhaus sowie einer Maschinen- und Fahrzeughalle bebaut war. In den\nJahren 1989 bis 1991 errichteten sie auf dem erworbenen Grundstuck unter\nteilweisem Abriss der Halle das Hotel R mit Restaurant und Ladengeschaft. Die\nBaugenehmigung wurde von beiden Ehegatten beantragt und an beide Ehegatten\nerteilt. Beide sind Gesamtschuldner der zur Finanzierung des Projektes\naufgenommenen Darlehen in Hohe von 2.365.000 DM, die durch Grundpfandrechte\nauf dem im Miteigentum der Ehegatten stehenden Grundstuck gesichert wurden.\nDer mit der Planung und Betreuung des Bauvorhabens einschließlich der\nAuftragsvergabe und Rechnungsprufung beauftragte Architekt erhielt den Auftrag\nvon beiden Ehegatten, bezeichnete in seinen Rechnungen und seinem\nSchriftverkehr stets beide Ehegatten als Auftraggeber und trat nach außen\ngegenuber den Handwerkern bei der Auftragsvergabe und der Rechnungsprufung\nsowie gegenuber Behorden und anderen Stellen im Namen beider Ehegatten auf.\nDie Bezahlung der Baurechnungen wurde uber ein Bankkonto abgewickelt, das auf\nden Namen beider Ehegatten lautete. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Sie vermieteten das erworbene Dreifamilienhaus weiterhin zu Wohnzwecken und\nverpachteten das neuerrichtete Ladengeschaft ab Oktober 1990 an einen fremden\nPachter. Das Hotel mit Restaurants und Inventar verpachteten sie ab November\n1990 an den Ehemann. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Grundstucksgemeinschaft verzichtete hinsichtlich der gewerblichen\nFlachen auf die Steuerfreiheit der Vermietungsumsatze (sog. Option gemaß § 9\nUStG) und machte in den Umsatzsteuervoranmeldungen und Jahreserklarungen fur\ndie Jahren 1989 bis 1991 die folgenden Vorsteuern geltend: \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| \n--- \n| 1989 \n--- \n| 15.999,54 DM \n--- \n1990 | | 234.033,94 DM \n--- \n1991 | | 75.511,28 DM \n--- \n| 7 \n--- \n| Im Rahmen einer Außenprufung im Februar 1993 stellte der Prufer fest, dass\nein erheblicher Teil der Baurechnungen nicht an beide Eheleute, sondern nur an\nden Ehemann oder das allein von ihm betriebene Hotel bzw. das allein von ihm\nbetriebene Cafe adressiert war. Der Prufer vertrat die Auffassung, die in\ndiesen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer konne von der aus den Ehegatten\nbestehenden Grundstucksgemeinschaft (der Klagerin) nicht als Vorsteuer\nabgezogen werden, da sie nicht Adressatin dieser Rechnungen und auch nicht\nLeistungsempfangerin der betreffenden Bauleistungen sei. Mit dieser Begrundung\nkurzte er die Vorsteuern um die folgenden Betrage: \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| \n--- \n| 1989 \n--- \n| 8.097 DM \n--- \n1990 | | 115.753 DM \n--- \n1991 | | 21.401 DM \n--- \n| 9 \n--- \n| Wegen der naheren Einzelheiten wird auf den Prufungsbericht vom 12. Juli\n1993 Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Noch vor Abschluss der Prufung hatte sich der damalige Steuerberater der\nEheleute mit Schreiben vom 22. Marz 1993 an den Prufer gewandt und ihn um\nMitteilung gebeten, ob die beanstandeten Rechnungen unter Verwendung eines\nbeigefugten Entwurfes eines Anschreibens an den jeweiligen Rechnungsaussteller\n(vgl. Gerichtsakte Blatt 19) und einer von diesem unterzeichneten Bestatigung\n(vgl. Gerichtsakte Blatt 20) in der Weise berichtigt werden konnten, dass\ndurch Anbringen eines vorgedruckten Aufklebers oder eine handschriftliche\nÄnderung durch den Rechnungsaussteller die aus den Eheleuten bestehenden\nGrundstucksgemeinschaft als Adressatin der jeweiligen Rechnung bezeichnet\nwird. Der Prufer teilte dem Steuerberater daraufhin mit Schreiben vom 26. Marz\n1993 mit, das entworfene Anschreiben sei nicht zu beanstanden, soweit fur den\nRechnungsaussteller tatsachlich feststehe, dass die Leistung an die\nEhegattengemeinschaft erbracht worden sei. Diese musse als Auftraggeberin\naufgetreten und nur irrtumlich in der Rechnungsstellung nicht benannt worden\nsein. Die beauftragten Firmen mussten zusatzlich bestatigen, dass sie fur die\nEhegattengemeinschaft tatig geworden seien (vgl. Gerichtsakte Blatt 21). \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Nachdem die Aussteller der beanstandeten Rechnungen unter Verwendung des\ngenannten Musterschreiben angeschrieben worden waren, anderten sie im Laufe\ndes Jahres 1993 den uberwiegenden Teil der beanstandeten Rechnungen durch\nVerwendung eines Aufklebers, in dem die "Grundstucksgemeinschaft W und B M"\nals Adressatin genannt ist. Den geanderten Rechnungen fugten sie jeweils eine\nunterzeichnete Bestatigung bei, dass die Rechnung vom Aussteller geandert\nworden sei. Der vom Prufer in dem o.a. Schreiben vom 26. Marz 1993 geforderte\nZusatz, dass der jeweilige Rechnungsaussteller fur die Ehegattengemeinschaft\ntatig geworden sei, wurde nicht in die Bestatigung aufgenommen. Wegen der\nnaheren Einzelheiten wird auf die geanderten Rechnungen und Bestatigungen\nBezug genommen (vgl. Ordner "Berichtigte Rechnungen 1989 bis 1991"). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Das Finanzamt war der Auffassung, die Vorsteuern aus den beanstandeten\nRechnungen konnten nicht im Prufungszeitraum 1989 bis 1991 abgezogen werden,\nda hinsichtlich dieser Rechnungen in diesen Veranlagungszeitraumen die\nVoraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG nicht vorgelegen hatten. Die Vorsteuern\naus den geanderten Rechnungen konnten allenfalls im Jahr der Änderung\nberucksichtigt werden. Das Finanzamt anderte die Umsatzsteuerbescheide 1989\nbis 1991 durch Bescheide vom 16. November 1993 unter Berucksichtigung der\nPrufungsfeststellungen, was zu Umsatzsteuer-Nachforderungen in Hohe der o.a.\nVorsteuerkurzungen fuhrte. Die gegen die Änderungsbescheide am 15. Dezember\n1993 eingelegten Einspruche wies es durch Einspruchsentscheidung vom 22.\nOktober 1997 als unbegrundet zuruck, auf die wegen der naheren Einzelheiten\nBezug genommen wird. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Gegen die geanderten Umsatzsteuerbescheide 1989 bis 1991 erhob der\nSteuerberater der Grundstucksgemeinschaft am 25. November 1997 Klage (Az. 14 K\n315/97), die er in einem Erorterungstermin vom 23. Oktober 1998 zurucknahm. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| In der Umsatzsteuererklarung fur den im vorliegenden Verfahren streitigen\nVeranlagungszeitraum 1993, die am 31. Oktober 1995 beim Finanzamt einging,\nwurden fur die Grundstucksgemeinschaft die folgenden Besteuerungsgrundlagen\nerklart: \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| \n--- \nUmsatzsteuer aus Lieferungen und | | 39.139,20 DM \n--- \nLeistungen \n\\- abziehbare Vorsteuern | | 221,04 DM \n--- \nUmsatzsteuer 1993 | | 38.918,16 DM \n--- \n| 16 \n--- \n| Etwa eineinhalb Jahre nach Einreichung der Umsatzsteuererklarung 1993\nbeantragte der Steuerberater in einer Besprechung mit dem Finanzamt am 15.\nJuli 1997, die unter Vorbehalt der Nachprufung stehende\nUmsatzsteuerveranlagung 1993 unter Berucksichtigung der streitigen Vorsteuern\naus den im Jahr 1993 geanderten Baurechnungen der Jahren 1989 bis 1991 zu\nandern. Dies lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 19. September 1997 mit der\nBegrundung ab, es sei nicht nachgewiesen worden, dass Leistungsempfangerin der\nbetreffenden Bauleistungen die Grundstucksgemeinschaft gewesen sei. Nach den\nAngaben in der Besprechung vom 15. Juli 1997 seien die Auftrage zumeist\nmundlich durch den Ehemann erteilt worden. Die betreffenden Baufirmen hatten\ndaher davon ausgehen konnen, dass dieser Leistungsempfanger sei. Dies sei auch\ndurch die ursprungliche Adressierung zum Ausdruck gebracht worden. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Gegen diesen Bescheid legte der Steuerberater der Grundstucksgemeinschaft\n(der Klagerin) am 22. September 1997 Einspruch ein, den das Finanzamt mit der\nBegrundung zuruckwies, im Streitfall hatten sehr viele Rechnungen nicht auf\ndie Grundstucksgemeinschaft (die Klagerin) gelautet. Ein einfaches Versehen\nder Rechnungsaussteller habe somit nicht vorgelegen. Von diesen seien bei den\nAdressenanderungen keinerlei Erklarungen dazu abgegebenen worden, wer\nAuftraggeber der Bauleistungen gewesen sei. Die Rechnungsaussteller hatten\nlediglich bestatigt, dass sie die Empfangeranschriften der Rechnungen geandert\nhatten. Sie hatten jedoch keinerlei Angaben dazu gemacht, ob sie uber die\nreine Adressierungsanderung der Rechnungen damit auch eine Korrektur einer\nursprunglich falschen Leistungsempfangerbezeichnung durchgefuhrt hatten und\nwarum fruher der falsche Leistungsempfanger genannt worden sei. Die\nGrundstucksgemeinschaft (die Klagerin) habe nicht nachgewiesen, dass sie\ntatsachlich die Leistungsempfangerin der betreffenden Bauleistungen gewesen\nsei. Wegen der naheren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 2.\nDezember 1998 Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Dagegen richtet sich die vorliegende Klage vom 5. Januar 1999, die am\nselben Tag bei Gericht einging. Wegen der Einzelheiten der Klagebegrundung\nwird auf den Schriftsatz des Prozessbevollmachtigten der Klagerin vom 9. April\n1999 Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Er beantragt sinngemaß, \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| den die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 1993 ablehnenden Bescheid vom\n19. September 1997 sowie die dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 2.\nDezember 1998 aufzuheben und das Finanzamt zu verpflichten, die\nUmsatzsteuerfestsetzung 1993 unter Berucksichtigung weiterer Vorsteuern in\nHohe von 104.221,47 DM in der Weise zu andern, dass die Umsatzsteuer fur 1993\nauf minus 65.303,37 DM = minus 33.389,08 EUR festgesetzt wird. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Das beklagte Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Es halt an der in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung fest. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 1. April 2004 und 27. April\n2004 ubereinstimmend damit einverstanden erklart, dass der Berichterstatter\nden Rechtsstreit ohne mundliche Verhandlung entscheidet. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 24 \n--- \n| Die Klage ist begrundet. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Das Finanzamt hat den streitigen Vorsteuerabzug zu Unrecht abgelehnt. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen im Sinne\ndes § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer fur Lieferungen und sonstige\nLeistungen, die von anderen Unternehmern fur sein Unternehmen ausgefuhrt\nworden sind, als Vorsteuer abziehen. Die zum Vorsteuerabzug berechtigende\nRechnung muss gem. § 14 Abs. 1 Nr. 2 UStG u.a. den Namen und die Anschrift des\nLeistungsempfangers enthalten. Leistungsempfanger im Sinne dieser Vorschrift\nist nach standiger Rechtsprechung grundsatzlich derjenige, der aus dem der\nLeistung zu Grunde liegenden Schuldverhaltnis zivilrechtlich als Auftraggeber\nberechtigt und verpflichtet ist (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 7. November 2000 V R\n49/99 Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 194, 270 = BFH/NV 2001, 402;\nBFH-Urteil vom 1. Februar 2001 V R 79/99, BFHE 194, 488 = BFH/NV 2001, 989 und\nBeschluss des BFH vom 16. Mai 2002 V B 165/01, BFH/NV 2002, 1061). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Klagerin ist als Grundstucksgemeinschaft (§ 1008 ff und § 741 ff BGB)\nzivilrechtlich nicht rechtsfahig. Gleichwohl wird sie nach standiger\nRechtsprechung umsatzsteuerrechtlich als selbststandiges Steuerrechtssubjekt\nbehandelt. Sie ist zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn die Teilhaber - hier\ndie Ehegatten - als Gesamtberechtigte bzw. Gesamtschuldner aus dem\nRechtsverhaltnis berechtigt und verpflichtet sind und die betreffende Rechnung\nauf den Namen der Gemeinschaft oder deren Teilhaber in ihrer\ngemeinschaftlichen Verbundenheit lautet. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Das ist hier hinsichtlich der im streitigen Veranlagungszeitraum 1993\ngeanderten Rechnungen der Fall. Die betreffenden Baufirmen und Lieferanten\nhaben durch Unterschrift bestatigt, dass sie die ursprunglich auf den Ehemann,\ndas Cafe, das Hotel oder Firma M lautenden Rechnungen durch Anbringen eines\nAufklebers auf den Namen der Grundstucksgemeinschaft geandert haben.\nGleichzeitig bestatigen sie damit die in dem Anschreiben des Steuerberaters\nder Klagerin vom 22. Marz 1993 enthaltene Aussage (vgl. Gerichtsakte Blatt\n19): \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| "Tatsachlicher Leistungsempfanger der vorgenannten Rechnung ist: \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| W und B M, Rstr. 2, B" \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um keine leichtfertig\nerteilten Gefalligkeitsbescheinigungen handelt. Denn den Rechnungsausstellern\nwar aus dem genannten Anschreiben des Steuerberaters bekannt, dass sich das\nFinanzamt mit den betreffenden Rechnungen bereits naher befasst hatte. Sie\nmussten daher damit rechnen, im Falle einer falschen Bezeichnung des\nLeistungsempfangers fur die in den geanderten Rechnungen ausgewiesenen\nUmsatzsteuerbetrage gem. § 14 Abs. 2 oder 3 UStG in Haftung genommen zu\nwerden. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Nach den Gesamtumstanden des Falles ist ferner davon auszugehen, dass aus\nden streitigen Rechnungen zu Grunde liegenden Rechtsverhaltnissen beide\nEhegatten berechtigt und verpflichtet und sie daher in ihrer\ngemeinschaftlichen Verbundenheit Leistungsempfanger i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2\nUStG waren. Beide waren - wie fur jeden Lieferanten und Handwerker ersichtlich\n- je zur Halfte als Miteigentumer des Baugrundstucks im Grundbuch eingetragen.\nSie wurden daher gem. § 946 BGB je zur Halfte Miteigentumer des errichteten\nGebaudes, wodurch die streitigen Lieferungen und Leistungen je zur Halfte in\ndas Vermogen jedes der beiden Ehegatten gelangten. Beide hatten den\nArchitektenvertrag unterzeichnet und den Architekten beauftragt, die\nWerkvertrage mit den Bauunternehmern im Namen beider Ehegatten abzuschließen.\nHinsichtlich derjenigen Bestellungen, die der Ehemann aufgegeben hat, ist\nebenfalls davon auszugehen, dass dies mit Zustimmung seiner Ehefrau geschah.\nEs ist kein vernunftiger Grund ersichtlich, warum die Ehefrau die Zustimmung\ngerade zu diesen Bestellungen nicht erteilt haben sollte, zumal die\nbetreffenden Rechnungen vom gemeinsamen Konto der Ehegatten bezahlt wurden,\nwas fur die Lieferanten und Handwerker anhand ihrer Kontoauszuge ebenfalls\nklar erkennbar war. Der Ehemann ist bei den streitigen Bestellungen im eigenen\nNamen und zugleich als offener oder verdeckter Stellvertreter seiner Ehefrau\naufgetreten, mit der Folge, dass aus diesen Vertragen neben ihm gem. § 164\nAbs. 1 Satz 2 BGB auch seine Ehefrau berechtigt und verpflichtet war.\nLeistungsempfanger i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 UStG waren daher beide Ehegatten\nund damit die Grundstucksgemeinschaft (die Klagerin). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die fehlerhafte Adressierung der ursprunglichen Rechnungen kann zum einen\ndarauf zuruckzufuhren sein, dass der Ehemann bei den Bestellungen nicht\nhinreichend deutlich gemacht hat, dass er mit Zustimmung seiner Ehefrau und\ndamit in (verdeckter) Stellvertretung i.S.v. § 164 Abs. 1 BGB gehandelt hat,\noder darauf, dass das Vertretungsverhaltnis bei der Rechnungsstellung\nubersehen wurde. Bauhandwerkerrechnungen werden i.d.R. von steuerlich nicht\nvorgebildeten Schreibkraften erstellt und von ihren Vorgesetzten nur auf die\nsachliche und rechnerische Richtigkeit nicht aber auf die umsatzsteuerlich\nzutreffende Adressierung hin uberpruft. Noch vor wenigen Jahren wurden\namtliche Schreiben und Geschaftsbriefe haufig nur an den Ehemann adressiert,\nauch wenn beide Ehegatten sachlich von dem jeweiligen Schriftstuck betroffen\nwaren. So hat z.B. die Finanzverwaltung noch in den 80er Jahren des vorigen\nJahrhunderts zusammenveranlagende Einkommensteuerbescheide an "Herrn und Frau"\nversandt und in der Adresse nur den Vornamen des Ehemannes angegeben, obwohl\nder Bescheid Rechtswirkungen gegenuber beiden Ehegatten entfalten sollte. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Da die Rechnungsaussteller die fehlerhafte Adressierung im streitigen\nVeranlagungszeitraum 1993 berichtigt haben und - wie dargelegt - beide\nEhegatten Leistungsempfanger i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 UStG waren, kann die aus\nihnen bestehende Grundstucksgemeinschaft (die Klagerin) die streitigen\nVorsteuern im Jahr 1993 geltend machen. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Klage hat daher in vollem Umfang Erfolg. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO und die\nEntscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der\nKostenentscheidung aus § 151 Abs. 1 und Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und\n711 ZPO. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 und § 25 Gerichtskostengesetz. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 115\nAbs. 2 FGO vorliegt. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 24 \n--- \n| Die Klage ist begrundet. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Das Finanzamt hat den streitigen Vorsteuerabzug zu Unrecht abgelehnt. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen im Sinne\ndes § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer fur Lieferungen und sonstige\nLeistungen, die von anderen Unternehmern fur sein Unternehmen ausgefuhrt\nworden sind, als Vorsteuer abziehen. Die zum Vorsteuerabzug berechtigende\nRechnung muss gem. § 14 Abs. 1 Nr. 2 UStG u.a. den Namen und die Anschrift des\nLeistungsempfangers enthalten. Leistungsempfanger im Sinne dieser Vorschrift\nist nach standiger Rechtsprechung grundsatzlich derjenige, der aus dem der\nLeistung zu Grunde liegenden Schuldverhaltnis zivilrechtlich als Auftraggeber\nberechtigt und verpflichtet ist (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 7. November 2000 V R\n49/99 Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 194, 270 = BFH/NV 2001, 402;\nBFH-Urteil vom 1. Februar 2001 V R 79/99, BFHE 194, 488 = BFH/NV 2001, 989 und\nBeschluss des BFH vom 16. Mai 2002 V B 165/01, BFH/NV 2002, 1061). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Klagerin ist als Grundstucksgemeinschaft (§ 1008 ff und § 741 ff BGB)\nzivilrechtlich nicht rechtsfahig. Gleichwohl wird sie nach standiger\nRechtsprechung umsatzsteuerrechtlich als selbststandiges Steuerrechtssubjekt\nbehandelt. Sie ist zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn die Teilhaber - hier\ndie Ehegatten - als Gesamtberechtigte bzw. Gesamtschuldner aus dem\nRechtsverhaltnis berechtigt und verpflichtet sind und die betreffende Rechnung\nauf den Namen der Gemeinschaft oder deren Teilhaber in ihrer\ngemeinschaftlichen Verbundenheit lautet. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Das ist hier hinsichtlich der im streitigen Veranlagungszeitraum 1993\ngeanderten Rechnungen der Fall. Die betreffenden Baufirmen und Lieferanten\nhaben durch Unterschrift bestatigt, dass sie die ursprunglich auf den Ehemann,\ndas Cafe, das Hotel oder Firma M lautenden Rechnungen durch Anbringen eines\nAufklebers auf den Namen der Grundstucksgemeinschaft geandert haben.\nGleichzeitig bestatigen sie damit die in dem Anschreiben des Steuerberaters\nder Klagerin vom 22. Marz 1993 enthaltene Aussage (vgl. Gerichtsakte Blatt\n19): \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| "Tatsachlicher Leistungsempfanger der vorgenannten Rechnung ist: \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| W und B M, Rstr. 2, B" \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um keine leichtfertig\nerteilten Gefalligkeitsbescheinigungen handelt. Denn den Rechnungsausstellern\nwar aus dem genannten Anschreiben des Steuerberaters bekannt, dass sich das\nFinanzamt mit den betreffenden Rechnungen bereits naher befasst hatte. Sie\nmussten daher damit rechnen, im Falle einer falschen Bezeichnung des\nLeistungsempfangers fur die in den geanderten Rechnungen ausgewiesenen\nUmsatzsteuerbetrage gem. § 14 Abs. 2 oder 3 UStG in Haftung genommen zu\nwerden. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Nach den Gesamtumstanden des Falles ist ferner davon auszugehen, dass aus\nden streitigen Rechnungen zu Grunde liegenden Rechtsverhaltnissen beide\nEhegatten berechtigt und verpflichtet und sie daher in ihrer\ngemeinschaftlichen Verbundenheit Leistungsempfanger i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2\nUStG waren. Beide waren - wie fur jeden Lieferanten und Handwerker ersichtlich\n- je zur Halfte als Miteigentumer des Baugrundstucks im Grundbuch eingetragen.\nSie wurden daher gem. § 946 BGB je zur Halfte Miteigentumer des errichteten\nGebaudes, wodurch die streitigen Lieferungen und Leistungen je zur Halfte in\ndas Vermogen jedes der beiden Ehegatten gelangten. Beide hatten den\nArchitektenvertrag unterzeichnet und den Architekten beauftragt, die\nWerkvertrage mit den Bauunternehmern im Namen beider Ehegatten abzuschließen.\nHinsichtlich derjenigen Bestellungen, die der Ehemann aufgegeben hat, ist\nebenfalls davon auszugehen, dass dies mit Zustimmung seiner Ehefrau geschah.\nEs ist kein vernunftiger Grund ersichtlich, warum die Ehefrau die Zustimmung\ngerade zu diesen Bestellungen nicht erteilt haben sollte, zumal die\nbetreffenden Rechnungen vom gemeinsamen Konto der Ehegatten bezahlt wurden,\nwas fur die Lieferanten und Handwerker anhand ihrer Kontoauszuge ebenfalls\nklar erkennbar war. Der Ehemann ist bei den streitigen Bestellungen im eigenen\nNamen und zugleich als offener oder verdeckter Stellvertreter seiner Ehefrau\naufgetreten, mit der Folge, dass aus diesen Vertragen neben ihm gem. § 164\nAbs. 1 Satz 2 BGB auch seine Ehefrau berechtigt und verpflichtet war.\nLeistungsempfanger i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 UStG waren daher beide Ehegatten\nund damit die Grundstucksgemeinschaft (die Klagerin). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die fehlerhafte Adressierung der ursprunglichen Rechnungen kann zum einen\ndarauf zuruckzufuhren sein, dass der Ehemann bei den Bestellungen nicht\nhinreichend deutlich gemacht hat, dass er mit Zustimmung seiner Ehefrau und\ndamit in (verdeckter) Stellvertretung i.S.v. § 164 Abs. 1 BGB gehandelt hat,\noder darauf, dass das Vertretungsverhaltnis bei der Rechnungsstellung\nubersehen wurde. Bauhandwerkerrechnungen werden i.d.R. von steuerlich nicht\nvorgebildeten Schreibkraften erstellt und von ihren Vorgesetzten nur auf die\nsachliche und rechnerische Richtigkeit nicht aber auf die umsatzsteuerlich\nzutreffende Adressierung hin uberpruft. Noch vor wenigen Jahren wurden\namtliche Schreiben und Geschaftsbriefe haufig nur an den Ehemann adressiert,\nauch wenn beide Ehegatten sachlich von dem jeweiligen Schriftstuck betroffen\nwaren. So hat z.B. die Finanzverwaltung noch in den 80er Jahren des vorigen\nJahrhunderts zusammenveranlagende Einkommensteuerbescheide an "Herrn und Frau"\nversandt und in der Adresse nur den Vornamen des Ehemannes angegeben, obwohl\nder Bescheid Rechtswirkungen gegenuber beiden Ehegatten entfalten sollte. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Da die Rechnungsaussteller die fehlerhafte Adressierung im streitigen\nVeranlagungszeitraum 1993 berichtigt haben und - wie dargelegt - beide\nEhegatten Leistungsempfanger i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 UStG waren, kann die aus\nihnen bestehende Grundstucksgemeinschaft (die Klagerin) die streitigen\nVorsteuern im Jahr 1993 geltend machen. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Klage hat daher in vollem Umfang Erfolg. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO und die\nEntscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der\nKostenentscheidung aus § 151 Abs. 1 und Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und\n711 ZPO. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 und § 25 Gerichtskostengesetz. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 115\nAbs. 2 FGO vorliegt. \n--- \n---\n\n |
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140,294 | fg-baden-wurttemberg-2004-09-30-10-k-11601 | 126 | Finanzgericht Baden-Württemberg | fg-baden-wurttemberg | Baden-Württemberg | Baden-Württemberg | Finanzgerichtsbarkeit | 10 K 116/01 | 2004-09-30 | 2019-01-07 15:11:14 | 2019-01-17 12:00:28 | Urteil | ## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| (Überlassen von Datev) \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klager begehren die Anerkennung weiterer Sonderausgaben. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Klager werden als Ehegatten gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.\nDie Klagerin zu 2) ist die Tochter von K, der in 2. Ehe mit der am ...\ngeborenen R, geb..., (im Folgenden: Frau R.) verheiratet war. Die Klagerin zu\n2) hatte mit ihrem Vater am 25. Juni 1981 einen notariellen Erbvertrag\ngeschlossen. Hierin vermachte K seiner Tochter seinen Geschaftsanteil von\nderzeit 81.000,- DM an der im Handelsregister des Amtsgerichts ... HRB 250\neingetragenen "K, ...vertrieb, Gesellschaft mit beschrankter Haftung" und\nseine Kommanditbeteiligung in Hohe von 40.000,- DM an der im Handelsregister\ndes Amtsgerichts ... HRA 691 eingetragenen Kommanditgesellschaft Firma "K KG"\nzu alleiniger Berechtigung mit der Verpflichtung, an seine Ehefrau R. auf die\nDauer des Witwenstandes einen Geldbetrag von monatlich 3.000,- DM zu\nentrichten. Nach dem Erbvertrag soll das Vermachtnis mit seinem Ableben\nanfallen und zum Vollzuge fallig sein. K verstarb am 12. Juni 1998 in ....\nNach dem Erbschein des Notariats - Nachlassgericht - ... vom 31. Juli 1998\nwurde die Klagerin zu 2) Alleinerbin von K. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit notariellem Vertrag vom 06. August 1998 - Notariat 1 ..., der die\nÜberschrift "Erbrechtliche Vereinbarung" tragt, uberließ die Klagerin zu 2)\ndas von ihrem Vater zu Alleineigentum vererbte, mit einem Wohnhaus bebaute\nGrundstuck Flst. Nr. 11506/9, ... Straße (8,13 Ar), Frau R. zu Alleineigentum\nunter Bewilligung der Loschung des zu ihren Gunsten bestehenden\nNacherbenvermerks. Frau R. bewilligte hierin die Loschung des zu ihren Gunsten\neingetragenen Wohnungsrechts. Die Klagerin zu 2) trat in diesem Vertrag des\nWeiteren die dem Erblasser zustehenden Anspruche verschiedener Bankkonten an\nFrau R. ab. Weiterhin ubernahm die Klagerin zu 2) die im Erbvertrag vom 25.\nJuni 1981 enthaltene Verpflichtung, an Frau R. 3.000,- DM jeweils am ersten\nBanktag eines Monats zu entrichten. In § 6 dieses Vertrages bekennt sich Frau\nR. wegen ihrer Pflichtteilsanspruche am Nachlass von K fur befriedigt. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Beklagte veranlagte die Klager mit Bescheid vom 14. Dezember 1999 zur\nEinkommensteuer, Solidaritatszuschlag und Kirchensteuer fur das Jahr 1998.\nHierin berucksichtigte er die Zahlungen an Frau R. in Hohe von 18.000,- DM\nnicht als abzugsfahige Sonderausgaben. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Den hiergegen von den Klagern am 16. Dezember 1999 eingelegten Einspruch\nwies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 19. April 2001 mit der\nBegrundung zuruck, die Zahlungen der Klagerin zu 2) unterlagen als\nUnterhaltsleistungen dem Abzugsverbot fur Zuwendungen nach § 12 Nr. 2\nEinkommensteuergesetz (EStG). Zwar konnten Versorgungsleistungen grundsatzlich\nauch testamentarisch begrundet werden. Solche setzten jedoch voraus, dass der\nZahlungsempfanger im Erbwege kein existenzsicherndes Vermogen erhalten habe.\nVielmehr solle er die Zahlungen anstelle eines Erbteils erhalten haben. Der\nVersorgungsempfangerin sei im vorliegenden Fall indessen mit notarieller\nVereinbarung vom 06. August 1998 existenzsicherndes Vermogen aus der Erbmasse\nubertragen worden. Als Gegenleistung habe sie auf die Geltendmachung ihres\ngesetzlich zustehenden Pflichtteilsanspruchs verzichtet. Der Erhalt des\nexistenzsichernden Vermogens unter Verzicht auf Geltendmachung der\nPflichtteilsanspruche hebe damit den Versorgungscharakter der Geldzahlungen\nauf. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klager haben am 10. Mai 2001 beim Finanzgericht Baden-Wurttemberg Klage\nerhoben. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Sie beantragen, \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| den Einkommensteuerbescheid fur 1998 des Beklagten vom 14. Dezember 1999\nund dessen Einspruchsentscheidung vom 19. April 2001 aufzuheben und den\nBeklagten zu verpflichten, die Einkommensteuer fur 1998 unter Anerkennung\nweiterer Sonderausgaben aufgrund dauernder Lasten in Hohe von monatlich\n3.000,- DM (hier insgesamt 18.000,- DM) auf 212.738,- DM festzusetzen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Zur Begrundung tragen die Klager im Wesentlichen vor, Frau R. erhalte die\nZahlungen gerade nicht anstelle des Erbteils, sondern aufgrund der\nVereinbarung vom 25. Juni 1981. Zur Abgeltung des Erbteils habe sie Vermogen\nerhalten, das ihr (der Klagerin zu 2)) als Alleinerbin zunachst zugestanden\nhabe. Frau R. waren lediglich Pflichtteilsanspruche nach dem Tod ihres Mannes\nverblieben. Pflichtteilsanspruche bestunden jedoch in Geld. Geldbetrage gelten\nim Allgemeinen nicht als existenzsicherndes Vermogen. Dass die "Geldschuld"\nu.a. durch Übertragung des Grundstucks ... Straße getilgt worden sei,\nrechtfertige nicht die Annahme, dass durch testamentarische Anordnung bzw.\nErbvertrag existenzsicherndes Vermogen ubertragen worden sei. Im Übrigen sei\nnicht endgultig geklart, ob ein selbstbewohntes Einfamilienwohnhaus\nexistenzsicherndes Vermogen darstelle. Der Erblasser, K, habe die Versorgung\nseiner Ehefrau sicherstellen wollen. Mit der Übertragung des Grundstucks ...\nStraße zu Lebzeiten auf Frau R. ware deren Versorgung noch nicht\nsichergestellt gewesen. Da sie (die Klagerin zu 2)) nicht die Tochter von Frau\nR. sei, bestunde keine Unterhaltsverpflichtung, so dass die Einordnung als\nUnterhaltszahlungen schon aus diesem Grunde ausscheide. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Zur Begrundung verweist er auf die in der Einspruchsentscheidung\ndargelegten Grunde. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Einkommensteuer- und Rechtsbehelfsakten sowie die Bewertungsakten\nbezuglich des Grundstucks Flst.-Nr. 11506/9 des Beklagten liegen dem Gericht\nvor. Sie waren Gegenstand der mundlichen Verhandlung. Wegen der weiteren\nEinzelheiten wird auf sie und auf die Schriftsatze der Beteiligten verwiesen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Einkommensteuerbescheid 1998 vom 14. Dezember 1999 und die\nEinspruchsentscheidung des Beklagten vom 19. April 2001 sind rechtmaßig; sie\nverletzten die Klager daher nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 1.\nHalbsatz FGO). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Beklagte hat die Zahlungen der Klager an Frau R. zu Recht nicht als\nSonderausgaben zum Abzug zugelassen; sie sind weder eine Leibrente noch eine\ndauernde Last. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG konnen auf besonderen Verpflichtungsgrunden\nberuhende Renten und dauernde Lasten als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn\nsie nicht mit Einkunften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der\nVeranlagung außer Betracht bleiben, und wenn sie weder Werbungskosten noch\nBetriebsausgaben sind. Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar,\nLeibrenten hingegen nur mit dem Ertragsanteil, der sich aus der Tabelle des §\n22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ergibt. Die spezialgesetzliche Zuordnung der\nwiederkehrenden Leistungen zu den Sonderausgaben und den wiederkehrenden\nBezugen (private Versorgungsrente) beruht auf der Vorstellung des\nGesetzgebers, dass sich der Vermogensubergeber im "Vermogensubergabevertrag"\nin Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Ertrage vorbehalt, die\nnunmehr vom Übernehmer erwirtschaftet werden mussen (grundlegend BFH-GrS,\nBeschlusse vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, und\nvom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78; BVerfG,\nBeschluss vom 17. Dezember 1992 1 BvR 4/87, DStR 1993, 315; seither standige\nRechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 23. Januar 1997 IV R 45/96, BFHE 182,\n539, BStBl II 1997, 458; Urteil vom 17. Juni 1998 X R 104/94, BFHE 186, 280;\nUrteil vom 26. November 2003 X R 11/01, BFHE 204, 192, BFH/NV 2004, 572;\nUrteil vom 17. Dezember 2003, X R 31/00, BFH/NV 2004,1083; Urteil vom 31. Marz\n2004, X R 66/98; BFH/NV 2004, 881, DStR 2004, 857; sowie Beschlusse vom 12.\nMai 2003 GrS 1/00, BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95, und GrS 2/00, BFHE 202,\n477, BStBl II 2004, 100). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Demgegenuber durfen die in § 12 EStG genannten Ausgaben weder bei den\neinzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkunfte abgezogen werden,\n"soweit in den § 10 Abs. 1 Nrn. 1, 2 bis 9, § 10 b und §§ 33 bis 33 c nicht\nanderes bestimmt ist". Vom Abzugsverbot erfasst sind u.a. freiwillige\nZuwendungen und Zuwendungen auf Grund einer freiwillig begrundeten\nRechtspflicht (§ 12 Nr. 2 EStG), wozu auch Renten und dauernde Lasten gehoren,\nwenn sie außerhalb einer Vermogensubergabe gegen Versorgungsleistungen als\nUnterhalt oder auf Grund einer freiwillig begrundeten Rechtspflicht geleistet\nwerden (z.B. BFH, Urteil vom 16. Mai 2001 X R 53/99, BFH/NV 2001, 1388,\nm.w.N.). \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Wiederkehrende Leistungen eines Erben z.B. an die Witwe des Erblassers\nkonnen als Sonderausgaben abziehbar sein, wenn sie auf einem im Rahmen einer\nvorweggenommen Erbfolge geschlossenen Erbvertrag oder auf einer letztwilligen\nVerfugung des Erblassers beruhen und der Erbe von Todes wegen\nexistenzsicherndes Vermogen erhalten hat (sog. "erbrechtliche" private\nVersorgungsrente, vgl. im Einzelnen, z.B. BFH, Urteile vom 26. Januar 1994 X R\n54/92, BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633, und vom 20. Oktober 1999 X R 86/96,\nBFHE 190, 365, BStBl II 2000, 602; Urteil vom 23. September 2003, IX R 26/99,\nBFH/NV 2004, 476; Fischer, in: Kirchhof/Sohn/Mellinghoff, EStG, § 22 Rdnr. B\n185 f., B 290 f.), sofern z.B. ein uberlebender Ehegatte oder ein\nerbberechtigter Abkommling statt seines gesetzlichen Erbteils lediglich\nVersorgungsleistungen aus dem ihm an sich zustehenden Vermogen erhalt und es\nsich bei den Zahlungen nicht um eine Verrentung des Erbanteils handelt (BFH,\nUrteil v. 26. Januar 1994 X R 54/92, BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633; Urteil\nv. 27. Februar 1992, X R 139/88, BFHE 167, 381, 386, 387, BStBl II 1992, 612;\nUrteil vom 17. Dezember 2003, X R 31/00, BFH/NV 2004,1083). \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Dem liegen die folgenden Erwagungen zugrunde: Der Vermogensubergeber\nbenotigt eine Versorgung lediglich fur den Fall, dass er sein Vermogen vor\nseinem Tode ubertragt. Überlasst er es von Todes wegen, muss er indessen das\nVersorgungsbedurfnis anderer von ihm abhangiger Familienmitglieder bedenken.\nDas gilt vor allem fur den uberlebenden Ehegatten, der kein existenzsicherndes\nVermogen erhalten, sondern lediglich vom Erwerber des Vermogens aus den\nVermogensertragen versorgt werden soll. Die Versorgungsbedurftigkeit solcher\nFamilienmitglieder richtet sich unabhangig von dem Zeitpunkt des\nVermogensubergangs nach eigenen Bedurfnissen. Danach ist dem Fall, dass das\nVermogen unter dem Vorbehalt von Versorgungsleistungen fur den Übergeber und\nseinen Ehegatten ubergeben wird, zumindest der Fall gleichzustellen, dass der\nVermogensinhaber sein Vermogen bis zu seinem Tode selbst verwaltet und seinen\nErben (Vermachtnisnehmern) auferlegt, den uberlebenden Ehegatten, der\nrechtlich und tatsachlich am Nachlass nicht beteiligt ist, zu versorgen. Denn\ncharakteristisches und im (steuer-)rechtlichen Sinne konstituierendes Merkmal\nder Versorgungsleistungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG - und ihre\nprivilegierte Behandlung als abzugsfahige Sonderausgaben (BFH, Urteil vom 31.\nMarz 2004, X R 66/98; BFH/NV 2004, 881, DStR 2004, 857; Urteil vom 14. Februar\n1996 X r 1106/91, BFHE 180, 87; BStBl II 11996, 687) - ist, dass der\nVersorgungsempfanger seinerseits einen eigenen Vermogenswert aufgewendet hat\n(vgl. BFH, Urteil vom 26. November 2003 X R 11/01, BFHE 204, 192, BFH/NV 2004,\n572; auch Kirchhof/Sohn/Mellinghoff, EStG, § 22 Rz. B 291). Eine solche\nDisposition gegenuber dem zu Versorgungsleistungen verpflichteten\nVermogensubernehmer erbringt insbesondere der vom Erblasser bei der\nVermogensubergabe von Todes wegen "ubergangene", aber mit Anspruchen auf\nVersorgungsleistungen gegen den Vermogensubernehmer bedachte (uberlebende)\nEhegatte des Erblassers, wenn er - im Interesse der Erhaltung des\nFamilienvermogens - auf die Geltendmachung seiner erbrechtlichen und etwaigen\nfamilienrechtlichen Anspruche (Pflichtteil, vgl. § 2303 Abs. 2 i.V.m. § 1924\nBGB; Zugewinnausgleich, §§ 1363 ff. BGB) verzichtet und sich stattdessen mit\nden ihm (vermachtnisweise) ausgesetzten Versorgungsleistungen bescheidet (vgl.\nBFH, Urteil vom 26. November 2003 X R 11/01, BFHE 204, 192, BFH/NV 2004, 572;\nauch Urteil vom 27. Februar 1992 X R 139/88, BFHE 167, 381, BStBl II 1992,\n612, unter 4. b, bb der Grunde; Kirchhof/Sohn/Mellinghoff, a.a.O., § 22 Rz. B\n189, B 185 und B 290). § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG greift daher nicht ein, wenn\nder uberlebende Ehegatte existenzsicherndes Vermogen aus der Erbmasse erhalt,\nsei es aufgrund gesetzlicher Erbfolge, durch Erbeinsetzung oder Vermachtnis\n(BFH, Urteil v. 26. Januar 1994 X R 54/92, BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633).\nDem steht eine erbvertragliche Regelung zwischen dem Alleinerben und dem von\nTodes wegen "ubergangenen" Ehegatten als Pflichtteilsberechtigten gleich (so\nausdrucklich BFH, Urteil v. 27. November 1996 X R 85/94, BFHE 182, 110, BStBl\nII 1997, 284 (S. 6)). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| In Anwendung der vorstehenden Grundsatze sind die wiederkehrenden Zahlungen\nder Klagerin zu 2) an Frau R. in monatlicher Hohe von DM 3.000 nicht den in §\n10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG aufgefuhrten Sonderausgaben zuzuordnen. Sie stellen\nkeine wiederkehrenden (Versorgungs) Leistungen aufgrund einer privaten\nVersorgungsrente dar, die den oben dargestellten, richterrechtlich\nentwickelten Grundsatzen einer - steuerlich privilegierten - Vermogensubergabe\nunter Vorbehalt von Ertragen entspricht. Es handelt sich vielmehr um nicht\nabzugsfahige Zuwendungen nach § 12 Nr. 2 EStG. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Im vorliegenden Fall hat Frau R. gerade nicht auf ihre erbrechtlichen\n(Pflichtteil, vgl. § 2303 Abs. 2 i.V.m. § 1924 BGB) und familienrechtlichen\n(Zugewinnausgleich, §§ 1363 ff. BGB) Anspruche nach dem Tod ihres Ehemanns\nverzichtet und sich mit den ihr im Erbvertrag vom 25. Juni 1981\nvermachtnisweise ausgesetzten Versorgungsleistungen begnugt. Dies zeigt die\nerbrechtliche Vereinbarung vom 6. August 1998. Aufgrund dieses Vertrages\nerhielt Frau R. das Grundstuck Flst. Nr. 11506/9, das mit einem\nEinfamilienwohnhaus bebaut ist, zu Alleineigentum, an dem sie bislang nur ein\nWohnrecht hatte. Das Grundstuck gehorte unzweifelhaft auch zu der der Klagerin\nzu 2) als Alleinerbin nach ihrem Vater zugefallenen Erbmasse, wie sich aus § 2\nder erbrechtlichen Vereinbarung ergibt. Denn der Erblasser war bis zu seinem\nTod Alleineigentumer dieses Grundstucks. Die Übertragung sowie die Abtretung\nvon Anspruchen der Klagerin zu 2) aus verschiedenen Bankguthaben an Frau R.\nhatten ersichtlich ihren - einzigen - Grund in den im Erbrecht (und\nFamilienrecht) wurzelnden Anspruchen von Frau R., namlich ihrem\nPflichtteilsanspruch gemaß §§ 2303 ff und 1931 i.V.m. § 1371 BGB. Dass der\nPflichtteilsanspruch auch Ausfluss der gesetzlichen Erbfolge ist, bedarf\nkeiner weiteren Erorterung. Denn ware Frau R. nicht - an sich - gesetzliche\nErbin gewesen, hatte ihr auch kein Pflichtteilsanspruch zugestanden (§§ 2303\nff und 1931 BGB). Anhaltspunkte dafur, dass ihr das Grundstuck - wie auch die\nAbtretung der Bankguthaben - auch ohne bestehenden Pflichtteilsanspruch zu\nEigentum ubertragen worden ware, sind nicht ersichtlich. Die erbvertragliche\nRegelung vom 6. August 1998 hatte gerade den Zweck, den Pflichtteilsanspruch\nvon Frau R. abzulosen. Frau R. hat nicht auf ihre erb- und familienrechtlichen\nAnspruche verzichtet, sondern - wie § 6 der erbrechtlichen Vereinbarung vom 6.\nAugust 1998 deutlich zeigt - sich mit Erfullung der darin getroffenen\nVereinbarungen wegen ihrer Pflichtteilsanspruche fur befriedigt bekannt. Der\nSenat hat schließlich auch keine Zweifel daran, dass ein mit einem Wohnhaus\nbebautes Grundstuck ein existenzsicherndes Vermogen darstellt. Substantiierte\nEinwendungen hiergegen haben die Klager nicht erhoben; solche sind auch fur\ndas Gericht aus den vorgelegten Bewertungsakten nicht ersichtlich. Die Klager\nubersehen in diesem Zusammenhang, dass es vorliegend nicht um die Frage geht,\nob ein vom Vermogensubergeber selbstbewohntes Einfamilienhaus im Rahmen einer\nVermogensubergabe unter Vorbehalt von Ertragen eine existenzsichernde\nWirtschaftseinheit darstellen kann (vgl. hierzu allgemein BFH, Beschlusse vom\n12. Mai 2003 GrS 1/00, BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95, und GrS 2/00, BFHE\n202, 477, BStBl II 2004, 100; FG Munster, Urteil vom 29. Juli 2003 6 K\n5809/00E, EFG 2003, 1071, Revision zuruckgewiesen BFH, Beschluss vom 7. Januar\n2004,: X R 38/03 - n.v.). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Entgegen der Auffassung der Klager rechtfertigt das BMF-Schreiben vom\n16.9.2004 - IV C 3 - S-2255 - 354/04 (abgedruckt in DStR 2004, 1696) keine\nandere Beurteilung. Allein aus dem Umstand, dass hierin unter C. II. Tz. 41\nnicht mehr - wie im BMF- Schreiben vom 23.12.1996 - IV B 3 - S-2257 - 54/96\n(BStBl I 1996, 1508) unter II. Tz. 29 - auf den Erhalt von existenzsicherndem\nVermogen im Erbwege mit der Folge des Ausschlusses von Sonderausgaben nach §\n10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abgestellt und insoweit auf das Urteil des BFH vom 26.\nJanuar 1994 (BStBl. II 1994, 63) verwiesen wird, ist nicht zu schlussfolgern,\ndass die Finanzverwaltung diese Rechtsauffassung aufgegeben hat. Denn das\nUrteil des BFH wurde im BStBl. II 1994, 63 veroffentlicht, so dass die\nFinanzverwaltung hieran gebunden bleibt. Ein Nichtanwendungserlass ist nicht\nergangen. Der BFH hat seine in diesem Urteil geaußerte Rechtsansicht auch\nnicht aufgegeben. Vielmehr ist mit dem Beklagten davon auszugehen, dass diese\nRechtsauffassung der Finanzverwaltung und des BFH nach wie vor gilt, sie\nlediglich in dem BMF-Schreiben vom 16.9.2004 nicht mehr ausdrucklich\naufgefuhrt wird. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Klage hat des weiteren auch deshalb keinen Erfolg, weil sich die\nVertragsparteien in der erbrechtlichen Vereinbarung vom 6. August 1998, und\ndamit außerhalb des Sonderrechts der Vermogensubergabe gegen private\nVersorgungsrente aufgrund der im Erbrecht wurzelnden Anspruche der Frau R. auf\nwiederkehrende Leistungen geeinigt haben. Grund der wiederkehrenden Leistungen\nwar nach Abschluss der erbrechtlichen Vereinbarung nicht mehr die\nVermachtnisanordnung im Erbvertrag vom 25. Juni 1981. Denn die Klagerin zu 2)\nund Frau R. haben die - zunachst - im Erbvertrag vom 25. Juni 1981 geregelten\nwiederkehrenden Leistungen in die erbrechtliche Vereinbarung vom 6. August\n1998 uber die Ablosung des Pflichtteilsanspruch von Frau R. mit einbezogen.\nDies zeigt sich insbesondere in der erbrechtlichen Bestimmung des § 5 Abs. 2,\nwonach die Klagerin zu 2) nunmehr (Hervorhebung durch das Gericht) die\nVerpflichtung aus dem Erbvertrag vom 25. Juni 1981 ubernimmt (vgl. insoweit\nBFH, Urteil v. 27. November 1996 X R 85/94, BFHE 182, 110, BStBl II 1997, 284\n(S. 6)). Diese wiederkehrenden Leistungen mogen zwar den Zweck gehabt haben,\nFrau R. zu versorgen. Aber auch wenn beispielsweise ausschließlich nach\nErbrecht zu beurteilende Anspruche verrentet werden, sind die wiederkehrenden\nLeistungen nicht allein deshalb als Sonderausgaben abziehbar, weil sie die\nVersorgung sicherstellen sollen. Hierbei ist auch von Bedeutung, dass diese\nwiederkehrenden Leistungen keine Fortschreibung einer familienrechtlichen\nUnterhaltsverpflichtung der Klagerin zu 2) darstellten, denn eine solche\nbestand gegenuber Frau R. nicht (BFH, Urteil v. 27. November 1996, a.a.O.).\nSie dienten der (Mit) Abgeltung von im Erb- und Familienrecht wurzelnden\nAnspruchen von Frau R. Verzichtet ein zur gesetzlichen Erbfolge Berufener auf\nseinen (kunftigen) Erb- und/oder Pflichtteil und erhalt er hierfur an Stelle\neines Einmalbetrages wiederkehrende Zahlungen, sind diese beim Zahlenden nicht\nals Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG) abziehbar und beim Bezieher\nnicht als wiederkehrende Leistungen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) steuerbar (BFH,\nUrteile vom 20. Oktober 1999 X R 132/95, BFHE 190, 178, BStBl II 2000, 82, und\nX R 86/96, BFHE 190, 365, BStBl II 2000, 602). Da der Verzicht auf\nerbrechtliche Anspruche gegen eine Einmalzahlung keinen steuerrechtlichen\nAbzugstatbestand erfullt, fuhrt auch der Aufschub der Erfullung eines solchen\nAnspruchs mittels Verrentung - gleichgultig, ob der Erb- und\nPflichtteilsverzicht als veraußerungsahnlicher oder unentgeltlicher Vorgang\nqualifiziert wird - nicht zum Abzug als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1\na EStG. Nichts anderes gilt fur den Fall, dass erbrechtliche und damit im\nZusammenhang stehende Pflichtteilsanspruche durch eine erbrechtliche\nVereinbarung abgelost werden (vgl. BFH, Urteil vom Urteil v. 27. November 1996\nX R 85/94, BFHE 182, 110, BStBl II 1997, 284). Die gesamten in der\nerbrechtlichen Vereinbarung aufgefuhrten Leistungen der Klagerin zu 2),\ndienten allein dazu, die erb- und familienrechtlichen Anspruche von Frau R. zu\nerfullen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob diese Leistungen - gemessen an\nder gesamten Erbmasse - dem tatsachlichen Wert des Pflichtteilsanspruch von\nFrau R. auch der Hohe nach entsprechen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Klage war daher abzuweisen. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Das Gericht hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des\n§ 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Einkommensteuerbescheid 1998 vom 14. Dezember 1999 und die\nEinspruchsentscheidung des Beklagten vom 19. April 2001 sind rechtmaßig; sie\nverletzten die Klager daher nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 1.\nHalbsatz FGO). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Beklagte hat die Zahlungen der Klager an Frau R. zu Recht nicht als\nSonderausgaben zum Abzug zugelassen; sie sind weder eine Leibrente noch eine\ndauernde Last. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG konnen auf besonderen Verpflichtungsgrunden\nberuhende Renten und dauernde Lasten als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn\nsie nicht mit Einkunften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der\nVeranlagung außer Betracht bleiben, und wenn sie weder Werbungskosten noch\nBetriebsausgaben sind. Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar,\nLeibrenten hingegen nur mit dem Ertragsanteil, der sich aus der Tabelle des §\n22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ergibt. Die spezialgesetzliche Zuordnung der\nwiederkehrenden Leistungen zu den Sonderausgaben und den wiederkehrenden\nBezugen (private Versorgungsrente) beruht auf der Vorstellung des\nGesetzgebers, dass sich der Vermogensubergeber im "Vermogensubergabevertrag"\nin Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Ertrage vorbehalt, die\nnunmehr vom Übernehmer erwirtschaftet werden mussen (grundlegend BFH-GrS,\nBeschlusse vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, und\nvom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78; BVerfG,\nBeschluss vom 17. Dezember 1992 1 BvR 4/87, DStR 1993, 315; seither standige\nRechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 23. Januar 1997 IV R 45/96, BFHE 182,\n539, BStBl II 1997, 458; Urteil vom 17. Juni 1998 X R 104/94, BFHE 186, 280;\nUrteil vom 26. November 2003 X R 11/01, BFHE 204, 192, BFH/NV 2004, 572;\nUrteil vom 17. Dezember 2003, X R 31/00, BFH/NV 2004,1083; Urteil vom 31. Marz\n2004, X R 66/98; BFH/NV 2004, 881, DStR 2004, 857; sowie Beschlusse vom 12.\nMai 2003 GrS 1/00, BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95, und GrS 2/00, BFHE 202,\n477, BStBl II 2004, 100). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Demgegenuber durfen die in § 12 EStG genannten Ausgaben weder bei den\neinzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkunfte abgezogen werden,\n"soweit in den § 10 Abs. 1 Nrn. 1, 2 bis 9, § 10 b und §§ 33 bis 33 c nicht\nanderes bestimmt ist". Vom Abzugsverbot erfasst sind u.a. freiwillige\nZuwendungen und Zuwendungen auf Grund einer freiwillig begrundeten\nRechtspflicht (§ 12 Nr. 2 EStG), wozu auch Renten und dauernde Lasten gehoren,\nwenn sie außerhalb einer Vermogensubergabe gegen Versorgungsleistungen als\nUnterhalt oder auf Grund einer freiwillig begrundeten Rechtspflicht geleistet\nwerden (z.B. BFH, Urteil vom 16. Mai 2001 X R 53/99, BFH/NV 2001, 1388,\nm.w.N.). \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Wiederkehrende Leistungen eines Erben z.B. an die Witwe des Erblassers\nkonnen als Sonderausgaben abziehbar sein, wenn sie auf einem im Rahmen einer\nvorweggenommen Erbfolge geschlossenen Erbvertrag oder auf einer letztwilligen\nVerfugung des Erblassers beruhen und der Erbe von Todes wegen\nexistenzsicherndes Vermogen erhalten hat (sog. "erbrechtliche" private\nVersorgungsrente, vgl. im Einzelnen, z.B. BFH, Urteile vom 26. Januar 1994 X R\n54/92, BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633, und vom 20. Oktober 1999 X R 86/96,\nBFHE 190, 365, BStBl II 2000, 602; Urteil vom 23. September 2003, IX R 26/99,\nBFH/NV 2004, 476; Fischer, in: Kirchhof/Sohn/Mellinghoff, EStG, § 22 Rdnr. B\n185 f., B 290 f.), sofern z.B. ein uberlebender Ehegatte oder ein\nerbberechtigter Abkommling statt seines gesetzlichen Erbteils lediglich\nVersorgungsleistungen aus dem ihm an sich zustehenden Vermogen erhalt und es\nsich bei den Zahlungen nicht um eine Verrentung des Erbanteils handelt (BFH,\nUrteil v. 26. Januar 1994 X R 54/92, BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633; Urteil\nv. 27. Februar 1992, X R 139/88, BFHE 167, 381, 386, 387, BStBl II 1992, 612;\nUrteil vom 17. Dezember 2003, X R 31/00, BFH/NV 2004,1083). \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Dem liegen die folgenden Erwagungen zugrunde: Der Vermogensubergeber\nbenotigt eine Versorgung lediglich fur den Fall, dass er sein Vermogen vor\nseinem Tode ubertragt. Überlasst er es von Todes wegen, muss er indessen das\nVersorgungsbedurfnis anderer von ihm abhangiger Familienmitglieder bedenken.\nDas gilt vor allem fur den uberlebenden Ehegatten, der kein existenzsicherndes\nVermogen erhalten, sondern lediglich vom Erwerber des Vermogens aus den\nVermogensertragen versorgt werden soll. Die Versorgungsbedurftigkeit solcher\nFamilienmitglieder richtet sich unabhangig von dem Zeitpunkt des\nVermogensubergangs nach eigenen Bedurfnissen. Danach ist dem Fall, dass das\nVermogen unter dem Vorbehalt von Versorgungsleistungen fur den Übergeber und\nseinen Ehegatten ubergeben wird, zumindest der Fall gleichzustellen, dass der\nVermogensinhaber sein Vermogen bis zu seinem Tode selbst verwaltet und seinen\nErben (Vermachtnisnehmern) auferlegt, den uberlebenden Ehegatten, der\nrechtlich und tatsachlich am Nachlass nicht beteiligt ist, zu versorgen. Denn\ncharakteristisches und im (steuer-)rechtlichen Sinne konstituierendes Merkmal\nder Versorgungsleistungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG - und ihre\nprivilegierte Behandlung als abzugsfahige Sonderausgaben (BFH, Urteil vom 31.\nMarz 2004, X R 66/98; BFH/NV 2004, 881, DStR 2004, 857; Urteil vom 14. Februar\n1996 X r 1106/91, BFHE 180, 87; BStBl II 11996, 687) - ist, dass der\nVersorgungsempfanger seinerseits einen eigenen Vermogenswert aufgewendet hat\n(vgl. BFH, Urteil vom 26. November 2003 X R 11/01, BFHE 204, 192, BFH/NV 2004,\n572; auch Kirchhof/Sohn/Mellinghoff, EStG, § 22 Rz. B 291). Eine solche\nDisposition gegenuber dem zu Versorgungsleistungen verpflichteten\nVermogensubernehmer erbringt insbesondere der vom Erblasser bei der\nVermogensubergabe von Todes wegen "ubergangene", aber mit Anspruchen auf\nVersorgungsleistungen gegen den Vermogensubernehmer bedachte (uberlebende)\nEhegatte des Erblassers, wenn er - im Interesse der Erhaltung des\nFamilienvermogens - auf die Geltendmachung seiner erbrechtlichen und etwaigen\nfamilienrechtlichen Anspruche (Pflichtteil, vgl. § 2303 Abs. 2 i.V.m. § 1924\nBGB; Zugewinnausgleich, §§ 1363 ff. BGB) verzichtet und sich stattdessen mit\nden ihm (vermachtnisweise) ausgesetzten Versorgungsleistungen bescheidet (vgl.\nBFH, Urteil vom 26. November 2003 X R 11/01, BFHE 204, 192, BFH/NV 2004, 572;\nauch Urteil vom 27. Februar 1992 X R 139/88, BFHE 167, 381, BStBl II 1992,\n612, unter 4. b, bb der Grunde; Kirchhof/Sohn/Mellinghoff, a.a.O., § 22 Rz. B\n189, B 185 und B 290). § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG greift daher nicht ein, wenn\nder uberlebende Ehegatte existenzsicherndes Vermogen aus der Erbmasse erhalt,\nsei es aufgrund gesetzlicher Erbfolge, durch Erbeinsetzung oder Vermachtnis\n(BFH, Urteil v. 26. Januar 1994 X R 54/92, BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633).\nDem steht eine erbvertragliche Regelung zwischen dem Alleinerben und dem von\nTodes wegen "ubergangenen" Ehegatten als Pflichtteilsberechtigten gleich (so\nausdrucklich BFH, Urteil v. 27. November 1996 X R 85/94, BFHE 182, 110, BStBl\nII 1997, 284 (S. 6)). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| In Anwendung der vorstehenden Grundsatze sind die wiederkehrenden Zahlungen\nder Klagerin zu 2) an Frau R. in monatlicher Hohe von DM 3.000 nicht den in §\n10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG aufgefuhrten Sonderausgaben zuzuordnen. Sie stellen\nkeine wiederkehrenden (Versorgungs) Leistungen aufgrund einer privaten\nVersorgungsrente dar, die den oben dargestellten, richterrechtlich\nentwickelten Grundsatzen einer - steuerlich privilegierten - Vermogensubergabe\nunter Vorbehalt von Ertragen entspricht. Es handelt sich vielmehr um nicht\nabzugsfahige Zuwendungen nach § 12 Nr. 2 EStG. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Im vorliegenden Fall hat Frau R. gerade nicht auf ihre erbrechtlichen\n(Pflichtteil, vgl. § 2303 Abs. 2 i.V.m. § 1924 BGB) und familienrechtlichen\n(Zugewinnausgleich, §§ 1363 ff. BGB) Anspruche nach dem Tod ihres Ehemanns\nverzichtet und sich mit den ihr im Erbvertrag vom 25. Juni 1981\nvermachtnisweise ausgesetzten Versorgungsleistungen begnugt. Dies zeigt die\nerbrechtliche Vereinbarung vom 6. August 1998. Aufgrund dieses Vertrages\nerhielt Frau R. das Grundstuck Flst. Nr. 11506/9, das mit einem\nEinfamilienwohnhaus bebaut ist, zu Alleineigentum, an dem sie bislang nur ein\nWohnrecht hatte. Das Grundstuck gehorte unzweifelhaft auch zu der der Klagerin\nzu 2) als Alleinerbin nach ihrem Vater zugefallenen Erbmasse, wie sich aus § 2\nder erbrechtlichen Vereinbarung ergibt. Denn der Erblasser war bis zu seinem\nTod Alleineigentumer dieses Grundstucks. Die Übertragung sowie die Abtretung\nvon Anspruchen der Klagerin zu 2) aus verschiedenen Bankguthaben an Frau R.\nhatten ersichtlich ihren - einzigen - Grund in den im Erbrecht (und\nFamilienrecht) wurzelnden Anspruchen von Frau R., namlich ihrem\nPflichtteilsanspruch gemaß §§ 2303 ff und 1931 i.V.m. § 1371 BGB. Dass der\nPflichtteilsanspruch auch Ausfluss der gesetzlichen Erbfolge ist, bedarf\nkeiner weiteren Erorterung. Denn ware Frau R. nicht - an sich - gesetzliche\nErbin gewesen, hatte ihr auch kein Pflichtteilsanspruch zugestanden (§§ 2303\nff und 1931 BGB). Anhaltspunkte dafur, dass ihr das Grundstuck - wie auch die\nAbtretung der Bankguthaben - auch ohne bestehenden Pflichtteilsanspruch zu\nEigentum ubertragen worden ware, sind nicht ersichtlich. Die erbvertragliche\nRegelung vom 6. August 1998 hatte gerade den Zweck, den Pflichtteilsanspruch\nvon Frau R. abzulosen. Frau R. hat nicht auf ihre erb- und familienrechtlichen\nAnspruche verzichtet, sondern - wie § 6 der erbrechtlichen Vereinbarung vom 6.\nAugust 1998 deutlich zeigt - sich mit Erfullung der darin getroffenen\nVereinbarungen wegen ihrer Pflichtteilsanspruche fur befriedigt bekannt. Der\nSenat hat schließlich auch keine Zweifel daran, dass ein mit einem Wohnhaus\nbebautes Grundstuck ein existenzsicherndes Vermogen darstellt. Substantiierte\nEinwendungen hiergegen haben die Klager nicht erhoben; solche sind auch fur\ndas Gericht aus den vorgelegten Bewertungsakten nicht ersichtlich. Die Klager\nubersehen in diesem Zusammenhang, dass es vorliegend nicht um die Frage geht,\nob ein vom Vermogensubergeber selbstbewohntes Einfamilienhaus im Rahmen einer\nVermogensubergabe unter Vorbehalt von Ertragen eine existenzsichernde\nWirtschaftseinheit darstellen kann (vgl. hierzu allgemein BFH, Beschlusse vom\n12. Mai 2003 GrS 1/00, BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95, und GrS 2/00, BFHE\n202, 477, BStBl II 2004, 100; FG Munster, Urteil vom 29. Juli 2003 6 K\n5809/00E, EFG 2003, 1071, Revision zuruckgewiesen BFH, Beschluss vom 7. Januar\n2004,: X R 38/03 - n.v.). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Entgegen der Auffassung der Klager rechtfertigt das BMF-Schreiben vom\n16.9.2004 - IV C 3 - S-2255 - 354/04 (abgedruckt in DStR 2004, 1696) keine\nandere Beurteilung. Allein aus dem Umstand, dass hierin unter C. II. Tz. 41\nnicht mehr - wie im BMF- Schreiben vom 23.12.1996 - IV B 3 - S-2257 - 54/96\n(BStBl I 1996, 1508) unter II. Tz. 29 - auf den Erhalt von existenzsicherndem\nVermogen im Erbwege mit der Folge des Ausschlusses von Sonderausgaben nach §\n10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abgestellt und insoweit auf das Urteil des BFH vom 26.\nJanuar 1994 (BStBl. II 1994, 63) verwiesen wird, ist nicht zu schlussfolgern,\ndass die Finanzverwaltung diese Rechtsauffassung aufgegeben hat. Denn das\nUrteil des BFH wurde im BStBl. II 1994, 63 veroffentlicht, so dass die\nFinanzverwaltung hieran gebunden bleibt. Ein Nichtanwendungserlass ist nicht\nergangen. Der BFH hat seine in diesem Urteil geaußerte Rechtsansicht auch\nnicht aufgegeben. Vielmehr ist mit dem Beklagten davon auszugehen, dass diese\nRechtsauffassung der Finanzverwaltung und des BFH nach wie vor gilt, sie\nlediglich in dem BMF-Schreiben vom 16.9.2004 nicht mehr ausdrucklich\naufgefuhrt wird. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Klage hat des weiteren auch deshalb keinen Erfolg, weil sich die\nVertragsparteien in der erbrechtlichen Vereinbarung vom 6. August 1998, und\ndamit außerhalb des Sonderrechts der Vermogensubergabe gegen private\nVersorgungsrente aufgrund der im Erbrecht wurzelnden Anspruche der Frau R. auf\nwiederkehrende Leistungen geeinigt haben. Grund der wiederkehrenden Leistungen\nwar nach Abschluss der erbrechtlichen Vereinbarung nicht mehr die\nVermachtnisanordnung im Erbvertrag vom 25. Juni 1981. Denn die Klagerin zu 2)\nund Frau R. haben die - zunachst - im Erbvertrag vom 25. Juni 1981 geregelten\nwiederkehrenden Leistungen in die erbrechtliche Vereinbarung vom 6. August\n1998 uber die Ablosung des Pflichtteilsanspruch von Frau R. mit einbezogen.\nDies zeigt sich insbesondere in der erbrechtlichen Bestimmung des § 5 Abs. 2,\nwonach die Klagerin zu 2) nunmehr (Hervorhebung durch das Gericht) die\nVerpflichtung aus dem Erbvertrag vom 25. Juni 1981 ubernimmt (vgl. insoweit\nBFH, Urteil v. 27. November 1996 X R 85/94, BFHE 182, 110, BStBl II 1997, 284\n(S. 6)). Diese wiederkehrenden Leistungen mogen zwar den Zweck gehabt haben,\nFrau R. zu versorgen. Aber auch wenn beispielsweise ausschließlich nach\nErbrecht zu beurteilende Anspruche verrentet werden, sind die wiederkehrenden\nLeistungen nicht allein deshalb als Sonderausgaben abziehbar, weil sie die\nVersorgung sicherstellen sollen. Hierbei ist auch von Bedeutung, dass diese\nwiederkehrenden Leistungen keine Fortschreibung einer familienrechtlichen\nUnterhaltsverpflichtung der Klagerin zu 2) darstellten, denn eine solche\nbestand gegenuber Frau R. nicht (BFH, Urteil v. 27. November 1996, a.a.O.).\nSie dienten der (Mit) Abgeltung von im Erb- und Familienrecht wurzelnden\nAnspruchen von Frau R. Verzichtet ein zur gesetzlichen Erbfolge Berufener auf\nseinen (kunftigen) Erb- und/oder Pflichtteil und erhalt er hierfur an Stelle\neines Einmalbetrages wiederkehrende Zahlungen, sind diese beim Zahlenden nicht\nals Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG) abziehbar und beim Bezieher\nnicht als wiederkehrende Leistungen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) steuerbar (BFH,\nUrteile vom 20. Oktober 1999 X R 132/95, BFHE 190, 178, BStBl II 2000, 82, und\nX R 86/96, BFHE 190, 365, BStBl II 2000, 602). Da der Verzicht auf\nerbrechtliche Anspruche gegen eine Einmalzahlung keinen steuerrechtlichen\nAbzugstatbestand erfullt, fuhrt auch der Aufschub der Erfullung eines solchen\nAnspruchs mittels Verrentung - gleichgultig, ob der Erb- und\nPflichtteilsverzicht als veraußerungsahnlicher oder unentgeltlicher Vorgang\nqualifiziert wird - nicht zum Abzug als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1\na EStG. Nichts anderes gilt fur den Fall, dass erbrechtliche und damit im\nZusammenhang stehende Pflichtteilsanspruche durch eine erbrechtliche\nVereinbarung abgelost werden (vgl. BFH, Urteil vom Urteil v. 27. November 1996\nX R 85/94, BFHE 182, 110, BStBl II 1997, 284). Die gesamten in der\nerbrechtlichen Vereinbarung aufgefuhrten Leistungen der Klagerin zu 2),\ndienten allein dazu, die erb- und familienrechtlichen Anspruche von Frau R. zu\nerfullen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob diese Leistungen - gemessen an\nder gesamten Erbmasse - dem tatsachlichen Wert des Pflichtteilsanspruch von\nFrau R. auch der Hohe nach entsprechen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Klage war daher abzuweisen. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Das Gericht hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des\n§ 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. \n--- \n---\n\n |
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140,338 | olgstut-2004-10-12-8-w-24504 | 147 | Oberlandesgericht Stuttgart | olgstut | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 8 W 245/04 | 2004-10-12 | 2019-01-07 15:11:49 | 2019-02-12 12:19:57 | Beschluss | ## Tenor\n\n1\\. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten R. gegen den Beschluss der\nRechtspflegerin beim Landgericht Ravensburg vom 2.6.2004, AZ: 2 O 1335/01,\nwird\n\n> > > zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Beschwerdefuhrerin tragt die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels.\n\n3\\. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.\n\nBeschwerdewert: 1.047,64 EUR\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Rechtsstreit der Parteien wurde durch Prozessvergleich vom 15.10.2001\nabgeschlossen. Nach Ziffer 5 dieses Vergleichs haben der Klager 1/3 und der\nBeklagte 2/3 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Am 13.1.2004 erließ die\nRechtspflegerin beim Landgericht Ravensburg einen Kostenfestsetzungsbeschluss,\nwonach von dem Beklagten an den Klager der Betrag von 1.047,64 EUR zu\nerstatten ist. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Schreiben vom 28.4.2004 beantragte die R., fur den\nKostenfestsetzungsbeschluss vom 13.1.2004 die Rechtsnachfolgeklausel zu\nerteilen, weil der Klager bei der R. rechtsschutzversichert gewesen und von\nihr von den Anwalts- und Gerichtskosten freigestellt worden sei. Gemaß § 67\nVVG sei damit ein Forderungsubergang eingetreten. Nach einem Hinweis der\nRechtspflegerin, die Rechtsnachfolge sei in offentlicher oder offentlich\nbeglaubigter Form nachzuweisen, bezog sich die R. auf die Bestatigung des\nKlagervertreters bezuglich der Kostenubernahme durch die\nRechtsschutzversicherung und auf Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte\nnebst Entscheidungsbesprechung. Mit Beschluss vom 2. Juni 2004, der R. am\n14.6.2004 zugestellt, hat die Rechtspflegerin beim Landgericht Ravensburg den\nAntrag auf Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel zuruckgewiesen. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Dagegen wendet sich das am 23.6.2004 beim Landgericht Ravensburg als\nErinnerung bezeichnete Rechtsmittel. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Rechtspflegerin beim Landgericht Ravensburg hat mit Schreiben vom\n24.6.2004 erklart, sie helfe dem Rechtsmittel nicht ab, und hat die Akte dem\nOberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die sofortige Beschwerde ist zulassig. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Gegen die Ablehnung der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung fur\neinen Rechtsnachfolger durch den Rechtspfleger der ersten Instanz ist gemaß §\n11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 567 Abs. 1 ZPO das Rechtsmittel der sofortigen\nBeschwerde eroffnet. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht bei Erreichen\nder gesetzlich erforderlichen Beschwer eingelegt. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beschwerde ist allerdings unbegrundet, weil die Rechtspflegerin beim\nLandgericht Ravensburg zu Recht festgestellt hat, dass die Voraussetzungen des\n§ 727 Abs. 1 ZPO fur die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung\nzugunsten der Beschwerdefuhrerin nicht vorliegen. \n--- \n--- \n1.) \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| a) Die Beschwerdefuhrerin hat die Rechtsnachfolge nicht durch offentliche\noder offentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| b) Dieser qualifizierte Nachweis war auch nicht deshalb entbehrlich, weil\ndie Rechtsnachfolge bei dem Gericht offenkundig gewesen ware. Offenkundig ist\neine Tatsache, wenn sie zumindest am Gerichtsort der Allgemeinheit bekannt\noder ohne besondere Fachkunde wahrnehmbar oder sie dem entscheidenden Organ,\nhier der Rechtspflegerin, aus ihrer jetzigen oder fruheren amtlichen Tatigkeit\nbekannt ist (Zoller-Greger ZPO 24. Aufl., § 291 RN 1; enger MuKomm-Wolfsteiner\nZPO 2. Aufl. § 726 RN 49). An einer Offenkundigkeit in Sinn des § 291 ZPO\nfehlt es bei den Fragen, ob der Klager bei der Beschwerdefuhrerin\nrechtsschutzversichert war, ihm Deckungsschutz zugesagt worden war und\nZahlungen erfolgt sind, so dass dahingestellt bleiben kann, ob im Rahmen des §\n727 ZPO ein engerer Begriff der Offenkundigkeit anzuwenden ware. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Gerichtskundigkeit und damit Offenkundigkeit im Sinn des § 727 ZPO tritt\nbezuglich der Rechtsnachfolge der Beschwerdefuhrerin nicht schon durch die\nVorlage des Schreibens des Prozessbevollmachtigten des Klagers ein, wonach die\nBeschwerdefuhrerin die Kosten fur die vorgenannte Sache ubernommen hat. Es\nhandelt sich dabei um schlichten Vortrag in einem laufenden Verfahren. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| c) Das bloße Nichtbestreiten der Rechtsnachfolge durch den Schuldner ist\nfur eine Klauselerteilung nicht ausreichend (vgl. Senat Rpfleger 1990, 519;\nZoller-Stober a.a.O. § 727 RN 20 m.w.N. auch zu abweichenden Auffassungen). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Hier liegt bereits deshalb kein Nichtbestreiten gemaß § 138 Abs. 3 ZPO vor,\nweil die Rechtspflegerin des Landgerichts den Beklagten als Schuldner nicht\nangehort hat. Nach dem Wortlaut des § 730 ZPO kann der Schuldner auf einen\nAntrag gemaß § 727 ZPO gehort werden, er muss es aber nicht. Wenn die von §\n727 ZPO grundsatzlich geforderten qualifizierten Nachweise zur Offenkundigkeit\nnicht vorliegen und die Erteilung der Klausel deshalb zu verweigern ist, kann\neine Anhorung des Schuldners auch nicht geboten sein (vgl. Zoller-Stober\na.a.O., § 730 RN 1; a.A. OLG Hamm Rpfleger 1991, 161; LG Munchen I Rpfleger\n1997, 394). Nur in Ausnahmefallen wird die Ermessensausubung im Rahmen des §\n730 ZPO eine Pflicht des Rechtspflegers zur Folge haben, den Schuldner\nanzuhoren (zu weitgehend OLG Hamm a.a.O.). Eine solche Ermessensreduzierung\nhat im vorliegenden Fall nicht stattgefunden. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Eine Anhorung des Schuldners musste nicht schon deshalb stattfinden, weil\nim Fall eines Schweigens des Beklagten § 138 Abs. 3 ZPO zur Anwendung hatte\nkommen konnen. Weil im Verfahren nach §§ 727, 730 ZPO der Schuldner keine\nErklarungslast gemaß § 138 Abs. 2 ZPO hat, ist in diesem Verfahren § 138 Abs.\n3 ZPO weder direkt noch analog anwendbar (vgl. Senat a.a.O.; OLG Saarbrucken\nRpfleger 2004, 430; Zoller a.a.O. § 727 RN 20; Munzberg NJW 1992, Seite 201,\n205 f; a.A. OLG Koblenz NJW-RR 2003, 1007 m.w.N. zu beiden Ansichten). \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| d) Allerdings muss auch bei einer mangelnden Offenkundigkeit der\nqualifizierte urkundliche Nachweis nicht gefuhrt werden, wenn der Beklagte die\nRechtsnachfolge im Sinn von § 288 ZPO zugesteht (Senat a.a.O.; OLG Saarbrucken\na.a.O.; Zoller a.a.O.). Ein gerichtliches Gestandnis im Sinn dieser Vorschrift\nmacht den verfahrens- oder materiellrechtlich erforderlichen Nachweis nicht\nnur vorubergehend entbehrlich, sondern ersetzt ihn mit der Folge, dass\nnachtragliches Bestreiten unbeachtlich ist und die zugestandenen Tatsachen\ntrotz an sich gegebener Nachweispflicht nicht mehr beweisbedurftig sind (Senat\na.a.O.). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Allein die Moglichkeit, dass der Beklagte die Rechtsnachfolge im Sinn von §\n288 ZPO zugestehen konnte, fuhrt jedoch noch zu keiner Ermessensreduzierung im\nRahmen des § 730 ZPO, den Beklagten in jedem Fall anzuhoren. Lediglich wenn\nderjenige, der eine vollstreckbare Ausfertigung als Rechtsnachfolger begehrt,\nsubstantiiert darlegt, aufgrund welcher Umstande und Tatsachen der\nRechtspfleger im Fall der Anhorung des Schuldners voraussichtlich durch eine\nausdruckliche Erklarung ein Gestandnis des Eintritts der Rechtsnachfolge\nerwarten kann, wird der Rechtspfleger im Rahmen seiner Ermessensausubung\nverpflichtet sein, eine Anhorung des Schuldners gemaß § 730 ZPO durchzufuhren. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Bei Fehlen der Offenkundigkeit und des Nachweises durch offentliche oder\noffentlich beglaubigte Urkunden konnen diese Voraussetzungen des § 727 ZPO\nnicht durch ein Gestandnis im Sinn des § 288 ZPO des Altglaubigers ersetzt\nwerden (a.A. OLG Saarbrucken a.a.O.). Insbesondere fuhrt ein solches Verhalten\nnicht zu einer Offenkundigkeit im Sinn des § 727 ZPO. Es muss auch dann bei\nden gesetzlich geregelten Voraussetzungen des § 727 ZPO und einer fakultativen\nAnhorung des Schuldners gemaß § 730 ZPO verbleiben. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| 2.) Nach alledem lagen die Voraussetzungen fur die Erteilung einer\nvollstreckbaren Ausfertigung zugunsten der Beschwerdefuhrerin gemaß § 727 Abs.\n1 ZPO nicht vor. Die Beschwerdefuhrerin tragt die Kosten ihres erfolglosen\nRechtsmittels, § 97 ZPO. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Im Hinblick auf die divergierenden Entscheidungen zur Frage einer\nAnhorungspflicht des Schuldners im Rahmen des § 730 ZPO, der Anwendbarkeit des\n§ 138 Abs. 3 ZPO und des § 288 ZPO im Verfahren nach §§ 727, 730 ZPO und der\nBedeutung der Anhorung des Altglaubigers fur diese Verfahren wird zur\nSicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde zum\nBundesgerichtshof zugelassen (§ 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2. 2. Alt. ZPO). \n--- \n---\n\n |
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140,364 | vghbw-2004-10-19-1-s-68104 | 161 | Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg | vghbw | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 1 S 681/04 | 2004-10-19 | 2019-01-07 15:12:07 | 2019-01-17 12:00:33 | Urteil | ## Tenor\n\nDie Berufung des Klagers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe\nvom 12. Dezember 2003 - 3 K 1991/03 - wird zuruckgewiesen.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager wendet sich gegen seine Heranziehung zur Tragung von\nBestattungskosten. \n--- \n| 2 \n--- \n| Am xx.x.2003 verstarb in Karlsruhe der am xx.x.19xx geborene, zuletzt in\nxxx, xxx, wohnhaft gewesene, geschiedene xxx xxx. Nachdem zunachst keine\nbestattungspflichtigen Angehorigen ermittelt werden konnten, ordnete die\nBeklagte am 14.1.2003 die Feuerbestattung des Verstorbenen auf dem\nHauptfriedhof in Karlsruhe an. Von den dadurch entstandenen Kosten in Hohe von\ninsgesamt 2.171,16 EUR forderte die Beklagte den nach Abzug des Sterbegeldes\nder Krankenkasse noch offenen Betrag von 1.646,16 EUR mit Bescheid vom\n18.3.2003 vom Klager an, den sie in der Zwischenzeit als das am x.x.19xx in\nKandel geborene, nichteheliche Kind und nachsten Angehorigen des Verstorbenen\nermittelt hatte. Weitere Angehorige des Verstorbenen konnten nicht\nfestgestellt werden. Der Klager erhob gegen den Bescheid mit Schreiben vom\n3.4.2003 Widerspruch, den er damit begrundete, dass er seit seiner Geburt\nweder schriftlich noch mundlich Kontakt zu dem Verstorbenen gehabt habe. Auch\nhatten weder er noch seine Mutter irgendwelche Unterstutzung in Form von\nUnterhalt oder ahnlichem erhalten. Außerdem habe er die Erbschaft vor dem\nNotariat 3 in Karlsruhe am 28.3.2003 ausgeschlagen. Aus diesen Grunden sei fur\nihn eine Kostenerstattung nicht zumutbar. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 23.6.2003 wies das Regierungsprasidium\nKarlsruhe den Widerspruch des Klagers als unbegrundet zuruck. Zur Begrundung\nfuhrte das Regierungsprasidium unter anderem aus, die Einwendungen des Klagers\nseien nicht geeignet, diesen von seiner Kostentragungspflicht zu entbinden. Er\nsei als Sohn und nachster Angehoriger bestattungspflichtig. Daran andere auch\ndie Erbschaftsausschlagung nichts, da die Kostentragungspflicht ihre Grundlage\nnicht in der burgerlich-rechtlichen Erbenstellung, sondern in der offentlich-\nrechtlichen Verpflichtung der Angehorigen finde, fur die Bestattung des\nVerstorbenen zu sorgen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die hiergegen rechtzeitig erhobene Anfechtungsklage wies das\nVerwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 12.12.2003 - dem Antrag der\nBeklagten entsprechend - ab. Zur Begrundung ist im Wesentlichen ausgefuhrt:\nDie Beklagte habe die Bestattung zu Recht auf Kosten des\nbestattungspflichtigen Klagers veranlasst. Der Klager sei als\nbestattungspflichtige Person gemaß § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG verpflichtet,\ndie entstandenen Kosten fur die Bestattung seines verstorbenen Vaters zu\ntragen. Auch wenn nie ein Kontakt zwischen dem Klager und seinem verstorbenen\nVater bestanden habe, sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, von seiner\nInanspruchnahme abzusehen. Die Bestattungspflicht werde nicht davon abhangig\ngemacht, dass zwischen den Angehorigen vor dem Todesfall soziale Kontakte\nunterhalten worden seien. Ebenso wenig komme es auf die Erbenstellung des\nBestattungspflichtigen an. Nicht gefolgt werden konne auch dem Einwand des\nKlagers, dass er nach der zum Zeitpunkt seiner Geburt im Jahre 19xx geltenden\nRechtslage als nichteheliches Kind nicht als mit seinem Erzeuger verwandt\ngegolten habe, weshalb er heute auch nicht als Angehoriger des Verstorbenen im\nSinne des § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG angesehen werden konne. Denn im\nentscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids in\nder Fassung des Widerspruchsbescheids sei der Klager rechtlich als Angehoriger\ndes Verstorbenen zu betrachten gewesen, ohne dass hierin eine\nverfassungsrechtlich unzulassige Ruckwirkung gesehen werden konne. Ferner sei\nrechtlich unerheblich, dass der Klager nicht in Baden-Wurttemberg wohnhaft\nsei. Entscheidend sei allein, dass der Todesfall im Land Baden-Wurttemberg\neingetreten sei und die zustandige Behorde die Bestattung veranlasst habe.\nSchließlich konne unerortert bleiben, ob eine Kostentragungspflicht bei\nVorliegen einer unbilligen Harte ausgeschlossen sei. Denn eine solche sei\nvorliegend nicht ersichtlich. Unberuhrt bleibe jedoch der Anspruch des\nBestattungspflichtigen auf Übernahme der erforderlichen Kosten durch den\nSozialhilfetrager des Bestattungsorts, wenn ihm die Übernahme der\nBestattungskosten nicht zugemutet werden konne. Unerheblich sei schließlich\ndie vom Klager hilfsweise erklarte Aufrechnung mit Forderungen gegenuber der\nBeklagten. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Beschluss vom 8.3.2004 hat der Senat auf Antrag des Klagers die\nBerufung zugelassen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Zur Begrundung seiner Berufung vertieft der Klager sein bisheriges\nVorbringen und tragt erganzend vor: Ein Angehorigkeitsverhaltnis zwischen ihm\nund dem Verstorbenen habe nie bestanden. Er bestreite, dass er uberhaupt von\ndem Verstorbenen gezeugt worden sei. Einen entsprechenden Nachweis habe die\nBeklagte nicht gefuhrt. Davon abgesehen habe zum Zeitpunkt seiner Geburt nach\nder damals geltenden Bestimmung des § 1589 Abs. 2 BGB ein uneheliches Kind und\ndessen Vater nicht als verwandt gegolten. Dass diese Bestimmung spater\nentfallen sei, durfe nicht zu seinen Lasten gehen. Er sei daher auch heute\nnicht im bestattungsrechtlichen Sinne als Angehoriger des Verstorbenen zu\nbetrachten. Im Übrigen verstoße die Anwendung der Bestimmungen des baden-\nwurttembergischen Bestattungsgesetzes im vorliegenden Fall gegen\nverfassungsrechtliche Grundsatze; seine Heranziehung zu den Bestattungskosten\nsei „menschenrechtswidrig". Das Bestattungsgesetz sei verfassungskonform\ndahingehend auszulegen, dass in den Fallen, in denen keinerlei Kontakt\nzwischen dem Verstorbenen und dem Bestattungspflichtigen bestanden habe, eine\nKostenerstattung nicht vorgenommen werde. \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 8 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 12.12.2003 - 3 K 1991/03 -\nzu andern und den Bescheid der Beklagten vom 18.3.2003 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides des Regierungsprasidiums Karlsruhe vom 23.6.2003\naufzuheben. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 10 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Sie verteidigt das angegriffene Urteil und fuhrt erganzend aus: Aus dem\nrechtskraftigen Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 5.9.1958 - 7 C 324/58 -\nergebe sich eindeutig, dass der Verstorbene als außerehelicher Vater des\nKlagers gelte und dass er verurteilt worden sei, dem Klager von dessen Geburt\nbis zur Vollendung des 16. Lebensjahres als Unterhalt eine vierteljahrlich\nvorauszahlbare Geldrente in Hohe von 135,-- DM zu bezahlen. Wenn der Klager\nseinen Unterhaltsanspruch nicht vollstreckt habe oder habe vollstrecken\nlassen, so konne er jetzt auch nicht mit der Behauptung gehort werden, er habe\nseinen Vater nie gekannt und nie Unterhalt von ihm bezogen. Eine Aufrechnung\nmit Forderungen gegen die Beklagte oder das Land Baden-Wurttemberg komme unter\nkeinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht. \n--- \n| 12 \n--- \n| Dem Senat liegen die einschlagigen Behorden- und Gerichtsakten vor. Wegen\nder weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf diese Akten und die im\nZulassungs- und Berufungsverfahren gewechselten Schriftsatze der Beteiligten\nnebst Anlagen verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 13 \n--- \n| Der nach Schließung der mundlichen Verhandlung eingegangene Schriftsatz des\nKlagers vom 27.10.2004 gibt dem Senat keinen Anlass, die mundliche Verhandlung\nwiederzueroffnen (vgl. hierzu unten S. 12). \n--- \n| 14 \n--- \n| Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulassige\nBerufung ist unbegrundet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht\nabgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 18.3.2003 und der\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Karlsruhe vom 23.6.2003 sind\nrechtmaßig und verletzen den Klager nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz\n1 VwGO). Der Klager wurde von der Beklagten zu Recht zur Erstattung der fur\ndie Bestattung seines Vaters angefallenen Kosten herangezogen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Rechtsgrundlage fur den angegriffenen Bescheid ist § 31 Abs. 2 BestattG\nBaden-Wurttemberg vom 21.7.1970 (GBl. S. 395) in der Fassung vom 7.2.1994\n(GBl. S.86). Nach dieser Vorschrift hat die zustandige Behorde - im\nvorliegenden Fall die Beklagte gemaß § 31 Abs. 3 Bestattungsverordnung -\nBestattVO - i.V.m. § 62 Abs. 4 PolG als Ortspolizeibehorde - die Bestattung\nauf Kosten des Bestattungspflichtigen selbst zu veranlassen, wenn nicht oder\nnicht rechtzeitig fur die Bestattung gesorgt wird. Diese Bestimmung ermachtigt\ndie zustandige Behorde, die erstattungsfahigen Kosten durch Leistungsbescheid\ngeltend zu machen (VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 5.12.1996, NJW 1997, 3113 f.). \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur eine Veranlassung der Bestattung durch die Beklagte\nlagen vor. Nach § 30 Abs. 1 BestattG muss jede Leiche bestattet werden. Fur\ndie Bestattung mussen die Angehorigen sorgen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 BestattG). In\nBetracht kommen der Ehegatte, die volljahrigen Kinder, die Eltern, die\nGroßeltern, die volljahrigen Geschwister und Enkelkinder des Verstorbenen in\nder genannten Reihenfolge (vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG). Wird durch die\nAngehorigen nicht oder nicht rechtzeitig fur die Bestattung gesorgt, so hat\ndie zustandige Behorde sie anzuordnen oder auf Kosten des\nBestattungspflichtigen selbst zu veranlassen, wenn nicht die Leiche einem\nanatomischen Institut zugefuhrt wird (§ 31 Abs. 2 BestattG). Die Bestattung\nmuss grundsatzlich spatestens 96 Stunden nach dem Eintritt des Todes erfolgt\nsein (§ 37 Abs. 1 BestattG). \n--- \n| 17 \n--- \n| Im vorliegenden Fall hat die Beklagte entsprechend diesen gesetzlichen\nVorgaben gehandelt. Sie ist zutreffend davon ausgegangen, dass nicht bzw.\nnicht rechtzeitig fur die Bestattung des Verstorbenen gesorgt werden wurde\n(vgl. § 31 Abs. 1 BestattG). Dass die Leiche nicht einem anatomischen Institut\nzugefuhrt wurde, ist rechtlich unschadlich. Hierzu bestand keine Veranlassung,\nweil aus anderen entsprechenden Fallen seit Jahren bekannt ist, dass die\nanatomischen Institute des Landes nur noch tote Korper ubernehmen, wenn der\nVerstorbene zu Lebzeiten eine Korperspende mit dem betreffenden Institut\nschriftlich vereinbart hat (vgl. Senatsurteil vom 5.12.1996 - 1 S 1366/96-).\nFur die Annahme einer solche Vereinbarung ist nichts ersichtlich. \n--- \n| 18 \n--- \n| Entgegen dem Berufungsvorbringen war der Klager auch Bestattungspflichtiger\nim Sinne der genannten Regelungen. Nach den Ermittlungen der Beklagten war der\nVerstorbene geschieden und der Klager daher als volljahriger Sohn und einziger\nermittelbarer Angehoriger verpflichtet, fur die Bestattung des Verstorbenen zu\nsorgen (vgl. § 31 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG). Da durch\nrechtskraftiges Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 3.9.1958 (7 C 324/58)\ngerichtlich festgestellt ist, dass der Verstorbene als Vater des Klagers gilt\nund zu Unterhaltsleistungen an diesen verurteilt wurde, dies auch durch den\nRandvermerk auf dem Geburtsregister des Standesamts Kandel vom 29.9.1970 und\ndurch Eintragung im Familienbuch des Klagers (AS. 35 der VG-Akte) bestatigt\nwird, kann vom Klager die Vaterschaft des Verstorbenen nicht mit Erfolg in\nZweifel gezogen werden, zumal er selbst vor dem Notariat 3 in Karlsruhe\nanlasslich seiner Erbschaftsausschlagung erklart hat, dass der Verstorbene\nsein Erzeuger sei und nach seinen Darlegungen in der Klageschrift vom 1.7.2003\n(AS. 3 der VG-Akte) auch seine Mutter ihm gegenuber dies bekundet hat. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Inanspruchnahme des Klagers als Angehoriger scheitert auch nicht daran,\ndass er kein eheliches Kind des Verstorbenen war. Eine Unterscheidung zwischen\nehelichen und nichtehelichen Kindern wird in den einschlagigen Regelungen des\nBestattungsgesetzes nicht getroffen. Damit zahlen zu den\nbestattungspflichtigen Angehorigen grundsatzlich sowohl eheliche wie\nnichteheliche volljahrige Kinder. \n--- \n| 20 \n--- \n| Etwas anderes ergibt sich entgegen der Annahme des Klagers auch nicht fur\ndiejenigen nichtehelichen Kinder, die - wie der Klager - noch unter der\nGeltung des § 1589 Abs. 2 BGB a.F. geboren wurden. Nach dieser Regelung hat\nein nichteheliches Kind als nicht mit seinem Erzeuger verwandt gegolten. Auf\ndie damalige Rechtslage kann sich jedoch der Klager in vorliegendem\nZusammenhang nicht mit Erfolg berufen. Das NEhelG vom 19.8.1969 (BGBl. I S.\n1243) brachte eine grundlegende Neuordnung der Rechtsstellung der\nnichtehelichen Kinder. Mit der Streichung des § 1589 Abs. 2 BGB a.F. wurden\ndie ehelichen und nichtehelichen Kinder rechtlich grundsatzlich\ngleichgestellt; das Gesetz unterscheidet nunmehr bei der Verwandtschaft nicht\nmehr zwischen ehelicher und nichtehelicher Abstammung. Diese geanderte\nRechtslage war dem Landesgesetzgeber bei Inkrafttreten des Bestattungsgesetzes\nvom 21.7.1970 auch bewusst. Da er eine Unterscheidung zwischen ehelichen und\nnichtehelichen Kindern im Zusammenhang mit der Bestattungspflicht nicht\nvorgenommen hat, ohne dass darin eine verfassungsrechtlich unzulassige\nRuckwirkung zu sehen ist, ist der Klager im hier allein maßgeblichen Zeitpunkt\nder (letzten) Behordenentscheidung rechtlich als Angehoriger des Verstorbenen\nauch im Sinne des Bestattungsrechts anzusehen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Einwand des Klagers, die Erbschaft sei ausgeschlagen worden, ist\nrechtlich unbeachtlich. Wie die Beklagte und das Verwaltungsgericht in\nÜbereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom\n5.12.1996 - 1 S 1366/96 -, NJW 1997, 3113, und Urteil vom 25.9.2001 - 1 S\n974/01 -, NVwZ 2002, 995 f.) und des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom\n19.8.1994 - 1 B 149.94 -, NVwZ-RR 1995, 283) zutreffend dargelegt haben, kommt\nes auf die Erbenstellung des Bestattungspflichtigen nicht an, da die\noffentlich-rechtliche Pflicht, fur die Bestattung eines Verstorbenen zu\nsorgen, nicht mit der zivilrechtlichen Pflicht identisch ist, die\nBeerdigungskosten zu tragen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Rechtlich unerheblich fur seine Inanspruchnahme als Bestattungspflichtiger\nauf der Grundlage des Bestattungsgesetzes fur Baden-Wurttemberg ist ferner,\ndass der Klager nicht in Baden-Wurttemberg wohnt. Maßgebend fur die\nBestattungspflicht und fur die hieran anknupfende Heranziehung zu den Kosten\nder Bestattung ist allein, ob der Todesfall im Land Baden-Wurttemberg\neingetreten ist und deshalb hier die Bestattung durch ordnungsbehordliches\nEinschreiten veranlasst wurde. Der Senat teilt die vom Verwaltungsgericht\nnaher dargelegte Rechtsauffassung und verweist auf die dortigen Ausfuhrungen\n(§ 130 b VwGO). \n--- \n| 23 \n--- \n| Soweit der Klager sinngemaß verfassungsrechtliche Bedenken gegen die\nAnwendung der hier einschlagigen Bestimmungen des baden-wurttembergischen\nBestattungsgesetzes in den Fallen unbilliger Harte aufwirft, fuhrt dies\nebenfalls nicht zum Erfolg seiner Berufung. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Regelungen uber die Bestattungspflicht und daraus folgend uber die\nKostentragungspflicht verstoßen auch insoweit nicht gegen den\nverfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit, als die maßgeblichen\nBestimmungen auch dann keine Ausnahme vorsehen, wenn die Durchfuhrung der\nBestattung bzw. die Kostentragungspflicht fur den Bestattungspflichtigen wegen\ndes personlichen Verhaltens des Verstorbenen als grob unbillig erscheint. Es\nist zwar zutreffend, dass das Bestattungsgesetz keine Regelung enthalt, die\ndie Erstattung von Bestattungskosten in Fallen unbilliger Harte in das\nErmessen der Behorde stellt. Vielmehr sind die Kosten vom Pflichtigen zu\nerstatten; bei der Anforderung der Bestattungskosten ist somit hinsichtlich\nder Frage, ob von dem Pflichtigen uberhaupt Kosten zu erheben sind, der\nzustandigen Behorde grundsatzlich kein Ermessen eingeraumt. Es ist indes\nverfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Landesgesetzgeber eine\nBestattungspflicht fur volljahrige Kinder des Verstorbenen und dementsprechend\neine Kostenerstattung in den Fallen, in denen die zustandige Behorde die\nBestattung in rechtlich zulassiger Weise selbst veranlasst hat, ohne\nEinschrankung normiert hat. Eine Pflicht, im Bestattungsgesetz eine Ausnahme\noder Einschrankungen der Verpflichtung, etwa bei gestorten\nFamilienverhaltnissen vorzusehen, besteht von Verfassungs wegen nicht (siehe\nauch VG Karlsruhe, Urteil vom 10.9.2001, NJW 2002, 3491 f.). Dass die\nBestattungspflicht - anders als die familiare Unterhaltspflicht, bei der eine\nBeschrankung oder ein Wegfall der Verpflichtung in Fallen grober Unbilligkeit\nvorgesehen ist (vgl. §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nrn. 2 - 7, 1611 BGB), - keine\nAusnahmen kennt, lasst sich zum einen damit rechtfertigen, dass die\nBestattungspflicht in erster Linie der Gefahrenabwehr dient und damit\ninnerhalb der kurz bemessenen Frist des § 37 Abs. 1 BestattG keine langeren\nUntersuchungen der zustandigen Behorde uber die personlichen Beziehungen der\nnachsten Angehorigen mit dem Verstorbenen angestellt werden konnen. Vielmehr\nmussen, um eine zugige Bestattung zu gewahrleisten, objektive Maßstabe\neingreifen. Zum anderen knupfen die Regelungen und die Rangfolge der nach §§\n30, 31, 21 BestattG zur Bestattung Verpflichteten an die den nachsten\nAngehorigen - und nicht den Erben oder der Allgemeinheit -\ngewohnheitsrechtlich obliegende Totenfursorge an. Recht und Pflicht der\nTotenfursorge sind kein von dem Verstorbenen ererbtes Recht, sondern Ausfluss\ndes familienrechtlichen Verhaltnisses, das uber den Tod hinaus fortdauert und\ngegenuber dem toten Familienmitglied Pietat und Pflege seines Andenkens\ngebietet. Auch wenn die nachsten Angehorigen enterbt sind, haben sie uber die\nBestattung zu bestimmen. Die Anordnung der Bestattungspflicht und die\nFestlegung ihrer Reihenfolge beruht damit auf einem vom Zivilrecht vollig\nunabhangigen und nur der Zustandigkeit des Landesgesetzgebers unterliegenden\nRechtsgrund (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.8.1994, NVwZ-RR 1995, 283). Es ist\ndaher entgegen dem Vorbringen des Klagers auch nicht ohne weiteres moglich,\nWertungen des Zivilrechts auf die offentlich-rechtliche Verpflichtung zu\nubertragen. Insbesondere begrundet die Bestattungspflicht anders als die\nfamiliare Unterhaltspflicht kein „Dauerschuldverhaltnis" zwischen dem\nVerstorbenen und dem Bestattungspflichtigen und lasst sich damit auch bei\ngrobsten Verfehlungen des Verstorbenen nicht mit den Situationen vergleichen,\ndie der Gesetzgeber in den Regelungen der §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 2 - 7 und\n1611 BGB in den Blick genommen hat (vgl. hierzu auch Stelkens, Cohrs, NVwZ\n2002, 917 f., 920). \n--- \n| 25 \n--- \n| Vor allem bedeutet die - ausnahmslose - Bestattungspflicht nicht in jedem\nFall, dass der Pflichtige auch mit den Kosten belastet bleibt. So besteht\njedenfalls fur den Fall des nicht vollig mittellos Verstorbenen ein\nAusgleichsanspruch des Bestattungspflichtigen gegenuber dem Erben. Daneben\ntreten in zahlreichen weiteren Fallen auch andere zivilrechtliche\nAusgleichsanspruche auf Übernahme der Bestattungskosten (vgl. §§ 844 Abs. 1,\n1360 a Abs. 3, 1615 Abs. 2, 1615 m BGB). \n--- \n| 26 \n--- \n| In Fallen, in denen Ausgleichsanspruche nicht gegeben sind, insbesondere\nwenn der Betroffene vollig mittellos verstirbt, besteht nach § 15 BSHG die\nMoglichkeit, die erforderlichen Kosten einer Bestattung vom Sozialhilfetrager\ndes Bestattungsortes zu verlangen, soweit dem hierzu Verpflichteten nicht\nzugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Bereits nach dem Wortlaut der\nBestimmung ist fur das Bestehen dieses Anspruchs nicht entscheidend, dass der\nBestattungspflichtige die Kosten nicht tragen kann, also selbst bedurftig im\nSinne des § 11 BSHG ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts\n(vgl. Urteil vom 29.1.2004, Az: 5 C 2/03, Juris) handelt es sich hierbei um\neinen eigenstandigen sozialhilferechtlichen Anspruch, dessen Bedarfsstruktur\nsich wesentlich von derjenigen sonstiger Leistungen zum Lebensunterhalt\nunterscheidet. Der Anspruch aus § 15 BSHG soll eine wurdige Bestattung eines\nToten gewahrleisten; der Kreis moglicher Berechtigter bestimmt sich nach der\nanderweitig begrundeten Verpflichtung, (zunachst) die Bestattungskosten zu\ntragen. Die Verpflichtung kann auch aus landesrechtlichen Bestattungspflichten\nherruhren. Wie das Kriterium der „Zumutbarkeit" zeigt, soll durch die\nVorschrift nicht eine aktuelle sozialhilferechtliche Notlage des\n„Verpflichteten" behoben werden. Vielmehr wird an „die fursorgerechtliche\nVerantwortung (der Sozialhilfe) fur eine wurdige Bestattung Hilfebedurftiger"\nangeknupft, deren Maß von der nach der „Besonderheit des Einzelfalles" zu\nbeurteilenden Frage abhangt, ob und inwieweit die Kostentragung dem vorrangig\nhierzu Verpflichteten zuzumuten ist. Der Begriff der „Zumutbarkeit" im Sinne\nvon § 15 BSHG ist damit nach Maßgabe der Umstande des Einzelfalles\nauslegungsbedurftig. Das dem Kostentragungspflichtigen aus der Sicht des § 15\nBSHG zumutbare Gewicht der Kostenbelastung wird insbesondere von der Nahe und\nBeziehung zum Verstorbenen abhangen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom\n29.1.2004, a.a.O. m.w.N.). Nach alledem ist mit Blick auf das Zusammenspiel\ndieser Regelungen und unter Berucksichtigung der Kostenubernahmeregelung des §\n15 BSHG die ausnahmslos begrundete Bestattungspflicht naher Angehoriger und\ndie daraus folgende Kostentragungspflicht mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz\nder Verhaltnismaßigkeit vereinbar. \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Leistungsbescheid ist auch der Hohe nach rechtlich nicht zu\nbeanstanden. Die Beklagte hat die Bestattung in einfacher, ortsublicher und\nwurdiger Form vornehmen lassen (vgl. Senatsurteil vom 5.12.1996, a.a.O.).\nEinwande gegen den Ansatz der Kosten und deren Hohe hat der Klager nicht\nsubstantiiert vorgetragen. \n--- \n| 28 \n--- \n| Der Anspruch der Beklagten auf Kostenerstattung ist schließlich nicht durch\ndie - hilfsweise - erklarte Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch oder\neiner Gegenforderung des Klagers gegen das beklagte Land bzw. die Beklagte\nerloschen. Es ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ersichtlich,\ninwieweit der Klager gegenuber der Beklagten oder dem Land Baden-Wurttemberg\nSchadensersatzanspruche haben konnte. Die Aufrechnung mit einem - noch\nklarungsbedurftigen - Kostenubernahmeanspruch aus § 15 BSHG scheitert bereits\ndaran, dass insoweit bei dem zustandigen Sozialhilfetrager noch kein\nentsprechender Antrag gestellt wurde. Aus diesem Grunde ist auch eine\nWiedereroffnung der mundlichen Verhandlung nicht in Betracht zu ziehen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132\nAbs. 2 VwGO gegeben ist. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 13 \n--- \n| Der nach Schließung der mundlichen Verhandlung eingegangene Schriftsatz des\nKlagers vom 27.10.2004 gibt dem Senat keinen Anlass, die mundliche Verhandlung\nwiederzueroffnen (vgl. hierzu unten S. 12). \n--- \n| 14 \n--- \n| Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulassige\nBerufung ist unbegrundet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht\nabgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 18.3.2003 und der\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Karlsruhe vom 23.6.2003 sind\nrechtmaßig und verletzen den Klager nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz\n1 VwGO). Der Klager wurde von der Beklagten zu Recht zur Erstattung der fur\ndie Bestattung seines Vaters angefallenen Kosten herangezogen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Rechtsgrundlage fur den angegriffenen Bescheid ist § 31 Abs. 2 BestattG\nBaden-Wurttemberg vom 21.7.1970 (GBl. S. 395) in der Fassung vom 7.2.1994\n(GBl. S.86). Nach dieser Vorschrift hat die zustandige Behorde - im\nvorliegenden Fall die Beklagte gemaß § 31 Abs. 3 Bestattungsverordnung -\nBestattVO - i.V.m. § 62 Abs. 4 PolG als Ortspolizeibehorde - die Bestattung\nauf Kosten des Bestattungspflichtigen selbst zu veranlassen, wenn nicht oder\nnicht rechtzeitig fur die Bestattung gesorgt wird. Diese Bestimmung ermachtigt\ndie zustandige Behorde, die erstattungsfahigen Kosten durch Leistungsbescheid\ngeltend zu machen (VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 5.12.1996, NJW 1997, 3113 f.). \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur eine Veranlassung der Bestattung durch die Beklagte\nlagen vor. Nach § 30 Abs. 1 BestattG muss jede Leiche bestattet werden. Fur\ndie Bestattung mussen die Angehorigen sorgen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 BestattG). In\nBetracht kommen der Ehegatte, die volljahrigen Kinder, die Eltern, die\nGroßeltern, die volljahrigen Geschwister und Enkelkinder des Verstorbenen in\nder genannten Reihenfolge (vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG). Wird durch die\nAngehorigen nicht oder nicht rechtzeitig fur die Bestattung gesorgt, so hat\ndie zustandige Behorde sie anzuordnen oder auf Kosten des\nBestattungspflichtigen selbst zu veranlassen, wenn nicht die Leiche einem\nanatomischen Institut zugefuhrt wird (§ 31 Abs. 2 BestattG). Die Bestattung\nmuss grundsatzlich spatestens 96 Stunden nach dem Eintritt des Todes erfolgt\nsein (§ 37 Abs. 1 BestattG). \n--- \n| 17 \n--- \n| Im vorliegenden Fall hat die Beklagte entsprechend diesen gesetzlichen\nVorgaben gehandelt. Sie ist zutreffend davon ausgegangen, dass nicht bzw.\nnicht rechtzeitig fur die Bestattung des Verstorbenen gesorgt werden wurde\n(vgl. § 31 Abs. 1 BestattG). Dass die Leiche nicht einem anatomischen Institut\nzugefuhrt wurde, ist rechtlich unschadlich. Hierzu bestand keine Veranlassung,\nweil aus anderen entsprechenden Fallen seit Jahren bekannt ist, dass die\nanatomischen Institute des Landes nur noch tote Korper ubernehmen, wenn der\nVerstorbene zu Lebzeiten eine Korperspende mit dem betreffenden Institut\nschriftlich vereinbart hat (vgl. Senatsurteil vom 5.12.1996 - 1 S 1366/96-).\nFur die Annahme einer solche Vereinbarung ist nichts ersichtlich. \n--- \n| 18 \n--- \n| Entgegen dem Berufungsvorbringen war der Klager auch Bestattungspflichtiger\nim Sinne der genannten Regelungen. Nach den Ermittlungen der Beklagten war der\nVerstorbene geschieden und der Klager daher als volljahriger Sohn und einziger\nermittelbarer Angehoriger verpflichtet, fur die Bestattung des Verstorbenen zu\nsorgen (vgl. § 31 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG). Da durch\nrechtskraftiges Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 3.9.1958 (7 C 324/58)\ngerichtlich festgestellt ist, dass der Verstorbene als Vater des Klagers gilt\nund zu Unterhaltsleistungen an diesen verurteilt wurde, dies auch durch den\nRandvermerk auf dem Geburtsregister des Standesamts Kandel vom 29.9.1970 und\ndurch Eintragung im Familienbuch des Klagers (AS. 35 der VG-Akte) bestatigt\nwird, kann vom Klager die Vaterschaft des Verstorbenen nicht mit Erfolg in\nZweifel gezogen werden, zumal er selbst vor dem Notariat 3 in Karlsruhe\nanlasslich seiner Erbschaftsausschlagung erklart hat, dass der Verstorbene\nsein Erzeuger sei und nach seinen Darlegungen in der Klageschrift vom 1.7.2003\n(AS. 3 der VG-Akte) auch seine Mutter ihm gegenuber dies bekundet hat. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Inanspruchnahme des Klagers als Angehoriger scheitert auch nicht daran,\ndass er kein eheliches Kind des Verstorbenen war. Eine Unterscheidung zwischen\nehelichen und nichtehelichen Kindern wird in den einschlagigen Regelungen des\nBestattungsgesetzes nicht getroffen. Damit zahlen zu den\nbestattungspflichtigen Angehorigen grundsatzlich sowohl eheliche wie\nnichteheliche volljahrige Kinder. \n--- \n| 20 \n--- \n| Etwas anderes ergibt sich entgegen der Annahme des Klagers auch nicht fur\ndiejenigen nichtehelichen Kinder, die - wie der Klager - noch unter der\nGeltung des § 1589 Abs. 2 BGB a.F. geboren wurden. Nach dieser Regelung hat\nein nichteheliches Kind als nicht mit seinem Erzeuger verwandt gegolten. Auf\ndie damalige Rechtslage kann sich jedoch der Klager in vorliegendem\nZusammenhang nicht mit Erfolg berufen. Das NEhelG vom 19.8.1969 (BGBl. I S.\n1243) brachte eine grundlegende Neuordnung der Rechtsstellung der\nnichtehelichen Kinder. Mit der Streichung des § 1589 Abs. 2 BGB a.F. wurden\ndie ehelichen und nichtehelichen Kinder rechtlich grundsatzlich\ngleichgestellt; das Gesetz unterscheidet nunmehr bei der Verwandtschaft nicht\nmehr zwischen ehelicher und nichtehelicher Abstammung. Diese geanderte\nRechtslage war dem Landesgesetzgeber bei Inkrafttreten des Bestattungsgesetzes\nvom 21.7.1970 auch bewusst. Da er eine Unterscheidung zwischen ehelichen und\nnichtehelichen Kindern im Zusammenhang mit der Bestattungspflicht nicht\nvorgenommen hat, ohne dass darin eine verfassungsrechtlich unzulassige\nRuckwirkung zu sehen ist, ist der Klager im hier allein maßgeblichen Zeitpunkt\nder (letzten) Behordenentscheidung rechtlich als Angehoriger des Verstorbenen\nauch im Sinne des Bestattungsrechts anzusehen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Einwand des Klagers, die Erbschaft sei ausgeschlagen worden, ist\nrechtlich unbeachtlich. Wie die Beklagte und das Verwaltungsgericht in\nÜbereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom\n5.12.1996 - 1 S 1366/96 -, NJW 1997, 3113, und Urteil vom 25.9.2001 - 1 S\n974/01 -, NVwZ 2002, 995 f.) und des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom\n19.8.1994 - 1 B 149.94 -, NVwZ-RR 1995, 283) zutreffend dargelegt haben, kommt\nes auf die Erbenstellung des Bestattungspflichtigen nicht an, da die\noffentlich-rechtliche Pflicht, fur die Bestattung eines Verstorbenen zu\nsorgen, nicht mit der zivilrechtlichen Pflicht identisch ist, die\nBeerdigungskosten zu tragen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Rechtlich unerheblich fur seine Inanspruchnahme als Bestattungspflichtiger\nauf der Grundlage des Bestattungsgesetzes fur Baden-Wurttemberg ist ferner,\ndass der Klager nicht in Baden-Wurttemberg wohnt. Maßgebend fur die\nBestattungspflicht und fur die hieran anknupfende Heranziehung zu den Kosten\nder Bestattung ist allein, ob der Todesfall im Land Baden-Wurttemberg\neingetreten ist und deshalb hier die Bestattung durch ordnungsbehordliches\nEinschreiten veranlasst wurde. Der Senat teilt die vom Verwaltungsgericht\nnaher dargelegte Rechtsauffassung und verweist auf die dortigen Ausfuhrungen\n(§ 130 b VwGO). \n--- \n| 23 \n--- \n| Soweit der Klager sinngemaß verfassungsrechtliche Bedenken gegen die\nAnwendung der hier einschlagigen Bestimmungen des baden-wurttembergischen\nBestattungsgesetzes in den Fallen unbilliger Harte aufwirft, fuhrt dies\nebenfalls nicht zum Erfolg seiner Berufung. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Regelungen uber die Bestattungspflicht und daraus folgend uber die\nKostentragungspflicht verstoßen auch insoweit nicht gegen den\nverfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit, als die maßgeblichen\nBestimmungen auch dann keine Ausnahme vorsehen, wenn die Durchfuhrung der\nBestattung bzw. die Kostentragungspflicht fur den Bestattungspflichtigen wegen\ndes personlichen Verhaltens des Verstorbenen als grob unbillig erscheint. Es\nist zwar zutreffend, dass das Bestattungsgesetz keine Regelung enthalt, die\ndie Erstattung von Bestattungskosten in Fallen unbilliger Harte in das\nErmessen der Behorde stellt. Vielmehr sind die Kosten vom Pflichtigen zu\nerstatten; bei der Anforderung der Bestattungskosten ist somit hinsichtlich\nder Frage, ob von dem Pflichtigen uberhaupt Kosten zu erheben sind, der\nzustandigen Behorde grundsatzlich kein Ermessen eingeraumt. Es ist indes\nverfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Landesgesetzgeber eine\nBestattungspflicht fur volljahrige Kinder des Verstorbenen und dementsprechend\neine Kostenerstattung in den Fallen, in denen die zustandige Behorde die\nBestattung in rechtlich zulassiger Weise selbst veranlasst hat, ohne\nEinschrankung normiert hat. Eine Pflicht, im Bestattungsgesetz eine Ausnahme\noder Einschrankungen der Verpflichtung, etwa bei gestorten\nFamilienverhaltnissen vorzusehen, besteht von Verfassungs wegen nicht (siehe\nauch VG Karlsruhe, Urteil vom 10.9.2001, NJW 2002, 3491 f.). Dass die\nBestattungspflicht - anders als die familiare Unterhaltspflicht, bei der eine\nBeschrankung oder ein Wegfall der Verpflichtung in Fallen grober Unbilligkeit\nvorgesehen ist (vgl. §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nrn. 2 - 7, 1611 BGB), - keine\nAusnahmen kennt, lasst sich zum einen damit rechtfertigen, dass die\nBestattungspflicht in erster Linie der Gefahrenabwehr dient und damit\ninnerhalb der kurz bemessenen Frist des § 37 Abs. 1 BestattG keine langeren\nUntersuchungen der zustandigen Behorde uber die personlichen Beziehungen der\nnachsten Angehorigen mit dem Verstorbenen angestellt werden konnen. Vielmehr\nmussen, um eine zugige Bestattung zu gewahrleisten, objektive Maßstabe\neingreifen. Zum anderen knupfen die Regelungen und die Rangfolge der nach §§\n30, 31, 21 BestattG zur Bestattung Verpflichteten an die den nachsten\nAngehorigen - und nicht den Erben oder der Allgemeinheit -\ngewohnheitsrechtlich obliegende Totenfursorge an. Recht und Pflicht der\nTotenfursorge sind kein von dem Verstorbenen ererbtes Recht, sondern Ausfluss\ndes familienrechtlichen Verhaltnisses, das uber den Tod hinaus fortdauert und\ngegenuber dem toten Familienmitglied Pietat und Pflege seines Andenkens\ngebietet. Auch wenn die nachsten Angehorigen enterbt sind, haben sie uber die\nBestattung zu bestimmen. Die Anordnung der Bestattungspflicht und die\nFestlegung ihrer Reihenfolge beruht damit auf einem vom Zivilrecht vollig\nunabhangigen und nur der Zustandigkeit des Landesgesetzgebers unterliegenden\nRechtsgrund (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.8.1994, NVwZ-RR 1995, 283). Es ist\ndaher entgegen dem Vorbringen des Klagers auch nicht ohne weiteres moglich,\nWertungen des Zivilrechts auf die offentlich-rechtliche Verpflichtung zu\nubertragen. Insbesondere begrundet die Bestattungspflicht anders als die\nfamiliare Unterhaltspflicht kein „Dauerschuldverhaltnis" zwischen dem\nVerstorbenen und dem Bestattungspflichtigen und lasst sich damit auch bei\ngrobsten Verfehlungen des Verstorbenen nicht mit den Situationen vergleichen,\ndie der Gesetzgeber in den Regelungen der §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 2 - 7 und\n1611 BGB in den Blick genommen hat (vgl. hierzu auch Stelkens, Cohrs, NVwZ\n2002, 917 f., 920). \n--- \n| 25 \n--- \n| Vor allem bedeutet die - ausnahmslose - Bestattungspflicht nicht in jedem\nFall, dass der Pflichtige auch mit den Kosten belastet bleibt. So besteht\njedenfalls fur den Fall des nicht vollig mittellos Verstorbenen ein\nAusgleichsanspruch des Bestattungspflichtigen gegenuber dem Erben. Daneben\ntreten in zahlreichen weiteren Fallen auch andere zivilrechtliche\nAusgleichsanspruche auf Übernahme der Bestattungskosten (vgl. §§ 844 Abs. 1,\n1360 a Abs. 3, 1615 Abs. 2, 1615 m BGB). \n--- \n| 26 \n--- \n| In Fallen, in denen Ausgleichsanspruche nicht gegeben sind, insbesondere\nwenn der Betroffene vollig mittellos verstirbt, besteht nach § 15 BSHG die\nMoglichkeit, die erforderlichen Kosten einer Bestattung vom Sozialhilfetrager\ndes Bestattungsortes zu verlangen, soweit dem hierzu Verpflichteten nicht\nzugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Bereits nach dem Wortlaut der\nBestimmung ist fur das Bestehen dieses Anspruchs nicht entscheidend, dass der\nBestattungspflichtige die Kosten nicht tragen kann, also selbst bedurftig im\nSinne des § 11 BSHG ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts\n(vgl. Urteil vom 29.1.2004, Az: 5 C 2/03, Juris) handelt es sich hierbei um\neinen eigenstandigen sozialhilferechtlichen Anspruch, dessen Bedarfsstruktur\nsich wesentlich von derjenigen sonstiger Leistungen zum Lebensunterhalt\nunterscheidet. Der Anspruch aus § 15 BSHG soll eine wurdige Bestattung eines\nToten gewahrleisten; der Kreis moglicher Berechtigter bestimmt sich nach der\nanderweitig begrundeten Verpflichtung, (zunachst) die Bestattungskosten zu\ntragen. Die Verpflichtung kann auch aus landesrechtlichen Bestattungspflichten\nherruhren. Wie das Kriterium der „Zumutbarkeit" zeigt, soll durch die\nVorschrift nicht eine aktuelle sozialhilferechtliche Notlage des\n„Verpflichteten" behoben werden. Vielmehr wird an „die fursorgerechtliche\nVerantwortung (der Sozialhilfe) fur eine wurdige Bestattung Hilfebedurftiger"\nangeknupft, deren Maß von der nach der „Besonderheit des Einzelfalles" zu\nbeurteilenden Frage abhangt, ob und inwieweit die Kostentragung dem vorrangig\nhierzu Verpflichteten zuzumuten ist. Der Begriff der „Zumutbarkeit" im Sinne\nvon § 15 BSHG ist damit nach Maßgabe der Umstande des Einzelfalles\nauslegungsbedurftig. Das dem Kostentragungspflichtigen aus der Sicht des § 15\nBSHG zumutbare Gewicht der Kostenbelastung wird insbesondere von der Nahe und\nBeziehung zum Verstorbenen abhangen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom\n29.1.2004, a.a.O. m.w.N.). Nach alledem ist mit Blick auf das Zusammenspiel\ndieser Regelungen und unter Berucksichtigung der Kostenubernahmeregelung des §\n15 BSHG die ausnahmslos begrundete Bestattungspflicht naher Angehoriger und\ndie daraus folgende Kostentragungspflicht mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz\nder Verhaltnismaßigkeit vereinbar. \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Leistungsbescheid ist auch der Hohe nach rechtlich nicht zu\nbeanstanden. Die Beklagte hat die Bestattung in einfacher, ortsublicher und\nwurdiger Form vornehmen lassen (vgl. Senatsurteil vom 5.12.1996, a.a.O.).\nEinwande gegen den Ansatz der Kosten und deren Hohe hat der Klager nicht\nsubstantiiert vorgetragen. \n--- \n| 28 \n--- \n| Der Anspruch der Beklagten auf Kostenerstattung ist schließlich nicht durch\ndie - hilfsweise - erklarte Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch oder\neiner Gegenforderung des Klagers gegen das beklagte Land bzw. die Beklagte\nerloschen. Es ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ersichtlich,\ninwieweit der Klager gegenuber der Beklagten oder dem Land Baden-Wurttemberg\nSchadensersatzanspruche haben konnte. Die Aufrechnung mit einem - noch\nklarungsbedurftigen - Kostenubernahmeanspruch aus § 15 BSHG scheitert bereits\ndaran, dass insoweit bei dem zustandigen Sozialhilfetrager noch kein\nentsprechender Antrag gestellt wurde. Aus diesem Grunde ist auch eine\nWiedereroffnung der mundlichen Verhandlung nicht in Betracht zu ziehen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132\nAbs. 2 VwGO gegeben ist. \n---\n\n |
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140,583 | olgstut-2004-12-02-3-ausl-1062004-3-a | 147 | Oberlandesgericht Stuttgart | olgstut | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 3 Ausl 106/2004; 3 Ausl 106/04 | 2004-12-02 | 2019-01-07 15:16:55 | 2019-02-12 12:20:12 | Beschluss | ## Tenor\n\n1\\. Der Verfolgte, dessen Auslieferung an das Konigreich der Niederlande zur\ndortigen Strafvollstreckung in Betracht kommt, ist\n\nin Auslieferungshaft\n\nzu nehmen.\n\n2\\. Der Auslieferungshaftbefehl wird\n\naußer Vollzug\n\ngesetzt.\n\n3\\. ...\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Durch Ausschreibung im Schengener Informationssystem vom 28. Januar 2002\n(...) und unter Vorlage eines Europaischen Haftbefehls vom 29. November 2004\n(...) ersuchen die niederlandischen Behorden um Festnahme und Auslieferung des\nVerfolgten zur Strafvollstreckung. Gegen den Verfolgten besteht ein nationaler\nniederlandischer Haftbefehl der Staatsanwaltschaft A. vom 16. Mai 1994 ...,\nwonach gegen den Verfolgten eine Freiheitsstrafe von (noch) 590 Tagen von\neiner Freiheitsstrafe von 21 Monaten aus einem Urteil des Gerichts in A. vom\nselben Tag zu vollstrecken ist. Der Verfolgte soll im Zeitraum von Dezember\n1991 bis Februar 1993 ... betrugerischen Bankrott, Urkundenfalschung und\nSteuerhinterziehung begangen haben. ... \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Verfolgte wurde am 15. November 2004 in B. vorlaufig festgenommen. Bei\nseiner Anhorung durch den Haftrichter des Amtsgerichts B. am 16. November 2004\nhat sich der Verfolgte nicht mit einer vereinfachten Auslieferung in die\nNiederlande einverstanden erklart. Er hat geltend gemacht, er habe sich\naufgrund des niederlandischen Strafverfahrens bereits mehr als ein halbes Jahr\nin Italien in Auslieferungshaft befunden. Mit Schriftsatz seines Beistandes\nvom 25. November 2004 tragt er weiter vor, er habe sich daruber hinaus vom 14.\nDezember 1992 bis zum 19. Marz 1993 in den Niederlanden in so genannter\nKonkursschuldhaft befunden. Auch diese musse - ebenso wie die im Anschluss\ndaran bis zum 28. April 1993 erlittene Untersuchungshaft - auf die verhangte\nStrafe angerechnet werden, weshalb er den großten Teil der gegen ihn\nverhangten Freiheitsstrafe bereits verbußt habe. ... \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, gegen den Verfolgten gemaß §§ 83a\nAbs. 2, 15 Abs. 1 Nr. 1 IRG Auslieferungshaftbefehl zu erlassen, ist zu\nentsprechen. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| 1\\. Nachdem das Europaische Haftbefehlsgesetz (EuHbG) vom 21. Juli 2004\n(BGBl. I S. 1748) am 23. August 2004 in Kraft getreten ist (Art. 3 EuHbG),\nrichtet sich die Unterstutzung eines Mitgliedstaates der Europaischen Union\nund insbesondere die Auslieferung an ein Mitgliedstaat der Europaischen Union\nnach neuem Recht. Gemaß § 1 Abs. 4 IRG n. F. ist deshalb an die Stelle des\nzuvor im Verhaltnis zu den Niederlanden geltenden EuAlÜbk der neue Achte Teil,\ninsbesondere Abschnitt 2 des IRG getreten. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Anwendbarkeit des neuen Rechts steht nicht entgegen, dass im\nvorliegenden Fall die Ausschreibung im Schengener Informationssystem bereits\nam 28. Januar 2004 erfolgt und damit das gegenstandliche\nAuslieferungsverfahren noch unter der Geltung des alten Rechts eingeleitet\nworden ist (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 07. September 2004 - 3 Ausl 80/04\n-, NJW 2004, 3437). Auch der Umstand, dass die Taten, die dem\nAuslieferungsverfahren zugrunde liegen, noch vor Inkrafttreten des neuen\nRechts begangen worden sind, hindert die Anwendbarkeit des neuen Rechts nicht. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| 2\\. Die Auslieferung des Verfolgten erscheint nicht von vornherein\nunzulassig (§ 15 Abs. 2 IRG). \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| a) Ein niederlandisches Ersuchen um Auslieferung des Verfolgten im Sinne\nvon § 2 Abs. 1 IRG i.V.m. §§ 78, 79, 80 f IRG n. F. liegt vor. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Angesichts des vorgelegten Europaischen Haftbefehls, der die Pflichtangaben\nnach Art. 8 Abs. 1 RbEuHb enthalt, bedarf es keiner Entscheidung, ob bereits\ndie Ausschreibung im Schengener Informationssystem, die gemaß Art. 9 Abs. 3\nSatz 2 RbEuHb, § 83 a Abs. 3 IRG n. F. einem Europaischen Haftbefehl\ngleichsteht, einem Auslieferungsersuchen entspricht und es ersetzt (zur\nBedeutung des Europaischen Haftbefehls als Auslieferungsersuchen vgl.\nSenatsbeschluss vom 07. September 2004, aaO). \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| b) Bei den dem Verfolgten vorgeworfenen Taten handelt es sich nach\nniederlandischem Recht um betrugerischen Bankrott, Urkundenfalschung und\nSteuerhinterziehung, wofur Art. 225 u. Art. 343 des niederlandischen\nStrafgesetzbuches Freiheitsstrafe bis zu 6 Jahren vorsehen. Die Prufung der\nbeidseitigen Strafbarkeit entfallt bei diesem Tatvorwurf (§ 81 Nr. 4 IRG n.\nF., Art. 2 Abs. 2 RbEuHb vom 13. Juni 2002). \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| c) Ob nach deutschem Recht bereits Vollstreckungsverjahrung eingetreten\nware, braucht der Senat ebenfalls nicht zu uberprufen. Nach §§ 1 Abs. 4 Satz\n1, 78 IRG n. F. findet auf Ersuchen von Mitgliedstaaten der Europaischen Union\ndas IRG Anwendung; soweit dieses im Achten Teil keine besonderen Regelungen\nenthalt, gelten seine ubrigen Bestimmungen. Eine nach deutschem Strafrecht\neingetretene Verfolgungs- oder Vollstreckungsverjahrung steht im\nAnwendungsbereich des IRG aber nach dessen § 9 Nr. 2 einer Auslieferung nur\ndann entgegen, wenn fur die Tat auch die deutsche Gerichtsbarkeit begrundet\nist (Vogel in: Grutzner/Potz, Internationaler Rechtshilfeverkehr in\nStrafsachen, vor § 1 IRG, Rdnr. 88; Vogel, aaO, § 9 IRG, Rdnr. 17;\nSchomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, § 9 IRG, Rdnr.\n19). Der Achte Teil des IRG enthalt keine besonderen Vorschriften zur\nVerfolgungs- oder Vollstreckungsverjahrung; fur die Geltung des deutschen\nStrafrechts ergibt sich vorliegend kein Anhaltspunkt. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| d) Nach niederlandischem Recht ist Strafvollstreckungsverjahrung, deren\nVorliegen der Zulassigkeit einer Auslieferung entgegenstunde (vgl. hierzu\nSenatsbeschluss vom 30. November 2004 - 3 Ausl. 103/2004 -), nicht\neingetreten. Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft beim Gericht in A. vom 29.\nNovember 2004 tritt Vollstreckungsverjahrung nach niederlandischem Recht im\nvorliegenden Fall erst im Jahr 2011 ein. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| e) Es ist eine freiheitsentziehende Sanktion zu vollstrecken, deren Maß\nmindestens vier Monate betragt (§ 81 Nr. 2 IRG n. F.). Im Gegensatz zu § 3\nAbs. 3 Satz 2 IRG a.F. bestimmt § 81 Nr. 2 IRG n. F. nunmehr, dass bei der\nPrufung der Zulassigkeit der Auslieferung zur Vollstreckung allein auf die\nHohe der Sanktion abzustellen ist, die in dem dem Auslieferungsbegehren des\nersuchenden Mitgliedstaates zugrunde liegenden auslandischen Erkenntnis\nfestgesetzt wurde. Bereits erfolgte (Teil-) Verbußungen sind - anders als nach\n§ 3 Abs. 3 Satz 2 IRG a. F. - nach dem eindeutigen Wortlaut des § 81 Nr. 2 IRG\nn. F. nicht mehr zu berucksichtigen. Dies entspricht auch dem Willen des\nGesetzgebers, mit dem Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses uber den\nEuropaischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten\nder Europaischen Union (EuHbG) im Interesse einer Vereinfachung des bisherigen\nAuslieferungsverfahrens eine Reihe wesentlicher Erleichterungen fur die\nMitgliedstaaten, darunter die Einschrankung des formellen und materiellen\nPrufungsumfangs im gerichtlichen Zulassigkeitsverfahren, zu schaffen (vgl.\nBegrundung zum EuHbG, BT-Drucks. 15/1718 S. 9 u. 16). Auf die Hohe des im\nvorliegenden Fall noch zu vollstreckenden Strafrestes kommt es deshalb nicht\n(mehr) an. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| 3\\. Die Anordnung der Auslieferungshaft ist geboten, weil die Gefahr\nbesteht, dass sich der Verfolgte, der schon bisher haufige Aufenthaltswechsel\nvorgenommen hat, sich angesichts der ihm in den Niederlanden drohenden\nStrafvollstreckung der Durchfuhrung des Auslieferungsverfahrens durch Flucht\nentzieht (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 IRG). Mit den aus dem Tenor ersichtlichen Auflagen\nsind aber mildere Maßnahmen als der Vollzug der Auslieferungshaft aufgezeigt,\ndie ... die Gewahr bieten, den Zweck der Auslieferungshaft auch ohne deren\nVollzug zu erreichen (§ 25 Abs. 1 IRG). ... \n--- \n---\n\n |
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140,687 | lg-offenburg-2004-12-23-1-s-6504 | 139 | Landgericht Offenburg | lg-offenburg | Offenburg | Baden-Württemberg | Ordentliche Gerichtsbarkeit | Landgericht | 1 S 65/04 | 2004-12-23 | 2019-01-08 11:06:59 | 2019-01-17 12:00:51 | Urteil | ## Tenor\n\nI. Auf die Berufung des Klagers wird das Urteil des Amtsgerichts Lahr vom\n31.03.2004 (5 C 202/03) im Kostenpunkt aufgehoben, im ubrigen abgeandert und\nwie folgt neu gefasst:\n\n1\\. Der Beklagte Ziffer 2 wird verurteilt an den Klager 2133,66 EUR nebst\nZinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit dem 19.09.2003\nzu bezahlen.\n\n2\\. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\nII. Der Klager hat von den Gerichtskosten des Rechtsstreits 50 % sowie 50%\nseiner eigenen außergerichtlichen Kosten und die außergerichtlichen Kosten des\nBeklagten Ziffer 1 zu tragen.\n\nDer Beklagte Ziffer 2 hat 50 % der Gerichtskosten und 50 % der\naußergerichtlichen Kosten des Klagers zu tragen. Seine außergerichtlichen\nKosten hat der Beklagte Ziffer 2 selbst zu tragen.\n\nIII. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nIV. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Von Ausfuhrungen zu den tatsachlichen Feststellungen wird gemaß §§ 540\nAbsatz 2, 313 a Absatz 1 Satz 1 ZPO abgesehen. \n--- \n| 2 \n--- \n| II. Die Berufung des Klagers ist zulassig und teilweise begrundet. \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Klager hat gegen den Beklagten Ziffer 2 einen Anspruch auf\nSchmerzensgeld in Hohe von 2000 EUR und einen Anspruch auf Ersatz seines\nmateriellen Schadens in Hohe von 133,66 EUR. Gegenuber dem Beklagten Ziffer 1\nbestehen jedoch weder Schmerzensgeld - noch Schadensersatzanspruche. \n--- \n| 4 \n--- \n| 1\\. Der Klager hat gegen den Beklagten Ziffer 1 keine Anspruche aus §§ 823\nAbs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 229 StGB, 253 Abs. 2 BGB. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Zwar wurde der Klager durch das Verhalten des Beklagten Ziffer 1 an seinem\nKorper verletzt. Der Klager konnte jedoch nicht zur Überzeugung der Kammer\nnachweisen, dass der Beklagte Ziffer 1 hierbei die im Verkehr erforderliche\nSorgfalt außer Acht gelassen hat. Bei der Prufung dieser Sorgfalt ist ein\nobjektiver Maßstab anzuwenden. Im Verkehr erforderlich ist derjenige Grad von\nSorgfalt, der in solchen Verhaltnissen und den in Betracht kommenden\nPersonenklassen von tuchtigen, gewissenhaften Leuten fur genugend erachtet\nwird. Der grundsatzlich anzuwendende objektive Maßstab bei der Prufung der\nSorgfalt erleidet somit eine gewisse Einschrankung in subjektiver Hinsicht,\nals es auf den Personenkreis der Beteiligten, also der Rennfahrer, mit\nankommt. Als Maßstab fur den zur Verhutung eines Schadens anzuwendenden Grad\nvon Umsicht und Sorgfalt gelten die Anforderungen des Verkehrs. Wo die Grenze\ndes Erlaubten bei einem Rennen liegt und wann bei einem Rennen, das zweifellos\neinen anderen Maßstab erfordert als ein normaler Verkehr, von\nhaftungsbegrundender Fahrlassigkeit zu sprechen ist, kann nur im Einzelfall\nfestgestellt werden (BGHZ 5, 318 ff.). Es ist jeweils zu prufen, wie ein\ngewissenhafter Rennfahrer unter den gleichen Bedingungen gefahren ware. Der\nRennfahrer darf jedenfalls nicht solche Risiken eingehen, die fur ihn\nersichtlich zu einer Schadigung von Zuschauern fuhren konnen. Nur dann verhalt\ner sich wie ein gewissenhafter Rennfahrer (BGH, NJW-RR 1991, 472). \n--- \n| 6 \n--- \n| Unter Berucksichtigung dieses Maßstabes kann dem Beklagten Ziffer 1 ein\nsorgfaltspflichtwidriges Verhalten nicht nachgewiesen werden. \n--- \n| 7 \n--- \n| a) In diesem Zusammenhang kann der Klager zunachst nicht geltend machen,\nder Beklage Ziffer 1 habe bewusst nach links gelenkt und somit den Unfall\nherbeigefuhrt. Zum einen handelt es sich hierbei um neuen, erstmals in der\nBerufungsinstanz erhobenen Sachvortag, fur dessen Zulassung nach § 531 Absatz\n2 ZPO nichts ersichtlich ist. Zum anderen lassen sich hinreichende\nAnhaltspunkte fur ein solches Verhalten weder dem Sachvortrag des Klagers noch\nder beigezogenen Strafakte des Amtsgerichts Lahr (4 Cs 9 Js 9240/03 AK 248/03)\nentnehmen. \n--- \n| 8 \n--- \n| b) Dass der Unfall durch Luftdruckunterschiede an der Bereifung der\nSeifenkiste verursacht wurde, ist nicht nachgewiesen. Der in erster Instanz\ngehorte Sachverstandige hat nur auf die Moglichkeit einer solchen\nSchadensursache hingewiesen. Ob der Beklagte Ziffer 1 hierfur hatte\nverantwortlich gemacht werden konnen, kann deshalb dahingestellt bleiben. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| c) Ein haftungsbegrundender Fahrfehler kann dem Beklagten Ziffer 1 nicht\nnachgewiesen werden. Aufgrund der Ausfuhrungen des Sachverstandigen in erster\nInstanz konnte die Kammer nicht feststellen, dass der Beklagte Ziffer 1 bei\nseiner Fahrt Risiken eingegangen ware, die ersichtlich zu einer Gefahrdung der\nZuschauer fuhren konnten. Vielmehr kommt danach auch ein leichter Lenkfehler\nals Unfallursache in Betracht. In der besonderen Rennsituation mit selbst\ngebauten Seifenkisten wird jedoch auch ein gewissenhafter Seifenkistenfahrer\nleichte Lenkfehler nicht immer vermeiden konnen. Dies gilt insbesondere dann,\nwenn - wie im vorliegenden Fall - die Seifenkiste uber eine relativ direkt\nwirkende Lenkung verfugt. \n--- \n| 10 \n--- \n| 2\\. Gegenuber der Beklagten Ziffer 2 besteht ein Anspruch des Klagers auf\nSchmerzensgeld und Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 253 Abs. 2\nBGB und aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB. \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Beklagte Ziffer 2 hat die ihm gegenuber dem Klager obliegende\nVerkehrssicherungspflicht verletzt. \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Beklagte Ziffer 2 ist als Veranstalter und als derjenige, der die\nGefahrenlage erst schafft, grundsatzlich verkehrssicherungspflichtig. \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Veranstalter von Sportwettkampfen mit Publikumsinteresse ist\nverpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um Zuschauer vor Gefahren,\ndie typischerweise mit dem Sportbetrieb verbunden sind, zu schutzen. Dabei\nmuss nicht jeder nur denkbaren Gefahr begegnet werden. Vielmehr begrundet eine\nGefahr nur dann eine Haftung des Veranstalters, wenn sich fur eine sachkundige\nEinschatzung die nahe liegende Moglichkeit einer Verletzung fremder\nRechtsguter ergibt. Die Gefahrenabwehr muss in derartigen Fallen im Rahmen des\nMoglichen und Zumutbaren liegen (OLG Stuttgart, VersR 97,1152,1153).\nGrundsatzlich besteht auch gegenuber den Zuschauern die Pflicht, im\nerforderlichen und zumutbaren Umfang fur einen Unfalle moglichst\nausschließenden Ablauf der sportlichen Veranstaltungen zu sorgen (BGH, NJW-RR\n1986,1029) \n--- \n| 14 \n--- \n| Welche Maßnahmen im Einzelnen zu treffen sind, bestimmt sich nach den\njeweiligen Umstanden der Veranstaltung, vor allem nach der Intensitat und\nHaufigkeit der sich fur die Zuschauer ergebende Gefahrdung, wobei auch der\nfinanziellen Belastbarkeit des Veranstalters bei Abwagung der Zumutbarkeit\neine gewisse, wenn auch untergeordnete Rolle zukommt. Eine Gefahr begrundet\nerst dann eine Haftung, wenn sich fur ein sachkundiges Urteil die naheliegende\nMoglichkeit der Verletzung fremder Rechtsguter ergibt (BGH, NJW 1984,801). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Unter Berucksichtigung dieser Grundsatze hat der Beklagte Ziffer 2 die ihm\nobliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt. Zwar war die Rennstrecke auch\nan der fraglichen Stelle standardgemaß (vgl. OLG Karlsruhe, NJW - RR 1994,\n413) mit Strohballen abgesichert, doch war diese Sicherungsmaßnahme angesichts\nder mit dem Rennen verbundenen Gefahren nicht mehr ausreichend. Bei dem von\nder Beklagten Ziffer 2 veranstalteten Seifenkistenrennen besteht auch bei\neiner Fahrt auf gerader Strecke die naheliegende Moglichkeit der Verletzung\nfremder Rechtsguter, da auch hier damit gerechnet werden muss, dass eine\nSeifenkiste von der Fahrbahn abkommen kann. In der Gewichtsklasse 3 werden\nFahrzeuge ohne jegliche Gewichtsbeschrankung zugelassen. Die\nKonstruktionsmaterialien sind nicht vorgegebenen. So durfen auch massive\nStahlkonstruktionen wie die vom Beklagten Ziffer 1 gesteuerte Seifenkiste\nteilnehmen, die bei ihrer Fahrt ein Gesamtgewicht von ca. 180 kg hatte.\nBestimmte Bauarten bzw. Bauweisen sind nicht vorgeschrieben. Jedes selbst\nentworfene Fahrzeug darf teilnehmen. Eine technische Abnahme oder eine\ntechnische Prufung findet nach dem Sachvortrag der Parteien nicht statt. Die\nKontrolle beschrankt sich auf die Sichtprufung der Fahrzeuge. Die Seifenkisten\ndurfen von wechselnden Fahrern, die keine Erfahrung im Umgang mit Seifenkisten\nhaben mussen, benutzt werden. Berucksichtigt man daruber hinaus den Wagemut,\nden moglichen Ehrgeiz der Fahrer, mogliche Ungeschicklichkeiten und die sich\naus den oben beschriebenen Umstanden ergebende Gefahr moglicher technischer\nDefekte oder Unzulanglichkeiten, begrundet jedenfalls bei dem hier zu\nbeurteilenden Rennen das Zusammenwirken all dieser Faktoren an jeder Stelle\ndes Rennverlaufs die Moglichkeit, dass die Fahrer die Beherrschung uber ihre\nSeifenkiste verlieren konnen. Vor der sich hieraus ergebenden Gefahr sind die\nZuschauer zu schutzen. Ob dieser Gefahr bereits durch eine technische Abnahme\noder Prufung der Seifenkisten ausreichend begegnet werden kann, kann\ndahingestellt bleiben. Jedenfalls die hier vorgenommene Absicherung der\nStrecke durch einfache Strohballen genugte nicht, da sie nicht geeignet war,\nein Abkommen der Seifenkiste in den Zuschauerraum zu verhindern. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Ersatzpflicht des Beklagten Ziffer 2 entfallt nicht deshalb, weil im\nRahmen der verkehrsrechtlichen Anordnung der Stadt Lahr keine weitergehenden\nAuflagen erteilt waren. Dies schließt namlich nicht aus, dass unter dem\nGesichtspunkt der zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflicht zusatzliche\nVorkehrungen notwendig sind. \n--- \n| 17 \n--- \n| Dass weitergehende Sicherungsmaßnahmen den Bereich des Moglichen oder\nZumutbaren uberschreiten wurden, ist weder dargelegt noch ersichtlich. \n--- \n| 18 \n--- \n| Ein Mitverschulden des Klagers vermag die Kammer nicht zu erkennen. Auch\ndie Grundsatze uber das Handeln auf eigene Gefahr sind nicht anwendbar, da\njedenfalls ein Versicherungsschutz fur den Schadiger besteht (Palandt, BGB,\n63. Auflage, § 254 Anm. 77). \n--- \n| 19 \n--- \n| Angesichts des Umfangs und der Schwere der in der Berufungsinstanz\nunstreitig gewordenen Verletzungen des Klagers erscheint der Kammer ein\nSchmerzensgeld in Hohe von 2000 EUR angemessen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Der materielle Schaden des Klagers belauft sich unstreitig auf 133, 66 EUR. \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB. Den Schreiben vom\n03.06.2004 und 04.06.2004 lasst sich eine endgultige Erfullungsverweigerung\nnicht ausreichend entnehmen. Vielmehr wird dort auf die noch anstehende\nPrufung der Anspruche durch den Haftpflichtversicherer verwiesen. \n--- \n| 22 \n--- \n| 3\\. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 100 ZPO. Der Ausspruch uber\ndie vorlaufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. \n--- \n| 23 \n--- \n| 4\\. Grunde fur die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 543\nZPO. \n---\n\n |
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140,804 | olgkarl-2005-05-03-12-u-32604 | 146 | Oberlandesgericht Karlsruhe | olgkarl | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 12 U 326/04 | 2005-05-03 | 2019-01-08 15:52:26 | 2019-02-12 12:20:22 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Die Berufung des Klagers gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom\n27.07.2004 - 3 O 128/03 - wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Der Klager tragt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch\nSicherheitsleistung in Hohe 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages\nabgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit\nin Hohe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die zulassige Berufung hat keinen Erfolg. \n--- \n--- \nI. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager macht Anspruche aus einer Berufsunfahigkeitszusatzversicherung\ngeltend. Die Parteien streiten daruber, ob beim Klager eine bedingungsgemaße\nBerufsunfahigkeit vorliegt. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Klager hatte bei der Rechtsvorgangerin der Beklagten im Jahr 1995 eine\nBerufsunfahigkeitszusatzversicherung abgeschlossen. Dem Vertrag liegen die\n„Besonderen Bedingungen fur die Berufsunfahigkeitszusatzversicherung" zugrunde\n(BB - BUZ 90). Fur den Fall der Berufsunfahigkeit ist danach eine monatliche\nRente von DM 1.000,00 (EUR 511,29) sowie eine Beitragsbefreiung auch fur die\nebenfalls abgeschlossene Lebensversicherung vorgesehen. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Bei Abschluss des Vertrages befand sich der Klager noch in der Ausbildung\nzum Metallbauer. Diese Ausbildung war auch noch nicht abgeschlossen, als der\nKlager am Vormittag des 11.02.1996 einen epileptischen Anfall erlitt („Grand -\nMal"). Da der Klager mit weiteren Anfallen rechnen musste und er bei einem\nAnfall an einer Werkzeugmaschine noch zusatzlichen erheblichen Gefahren\nausgesetzt gewesen ware, gab er seine Ausbildung auf. Auf seinen\nLeistungsantrag hin sagte die Rechtsvorgangerin der Beklagten mit Schreiben\nvom 28.08.1996 bedingungsgemaße Leistungen zu mit der Einschrankung: \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| „Gemaß § 5 Ziff. 2 der Bedingungen ... befristen wir unsere zukunftig zu\nerbringenden Leistungen auf den 1.9.1999 unter einstweiliger Zuruckstellung\nder Frage, ob sie eine andere Tatigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 ... ausuben\nkonnen." \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Im Dezember 2000 trat die Rechtsvorgangerin der Beklagten in die Prufung\nder zuruckgestellten Frage der Ausubbarkeit einer Verweisungstatigkeit ein.\nDer als schwerbehindert anerkannte Klager hatte zum 22.06.1999 eine Ausbildung\nzum Kaufmann im Einzelhandel absolviert. Seit dem 01.04.2001 hat er eine\nAnstellung in einem Lebensmittelmarkt als Verkaufer und Kassierer. Er arbeitet\ndort regelmaßig von 15.00 Uhr bis 20.00 Uhr. Seine wochentliche Arbeitszeit\nbetragt 25 Stunden. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Schreiben vom 11.09.2002 wurde dem Klager mitgeteilt, dass man nicht\nvon einer Verbesserung der gesundheitlichen Verhaltnisse ausgehe. Der Klager\nube jedoch als Einzelhandelskaufmann eine Tatigkeit aus, die hinsichtlich\nihrer Vergutung und ihrer Wertschatzung der Tatigkeit eines ausgebildeten\nMetallbauers entspreche. Diese Tatigkeit sei dem Klager auch zuzumuten. Zum\n1.10.2002 sind Leistungen aus der Berufsunfahigkeitszusatzversicherung\neingestellt. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die auf Gewahrung weiteren Versicherungsschutzes gerichtete Klage hat das\nLandgericht Mannheim mit Urteil vom 27.07.2004 abgewiesen. Auf die\ntatsachlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Klager verfolgt mit der Berufung sein erstinstanzliches Begehren\nweiter. Er macht geltend, weiterhin zu mindestens 50 % berufsunfahig zu sein.\nDie Voraussetzungen des § 7 BB - BUZ lagen nicht vor. Er habe\nuberobligatorisch neue berufliche Fahigkeiten erworben. Die von ihm ausgeubte\nTatigkeit als Kassierer wurde nicht seinen erworbenen Fahigkeiten entsprechen\nund auch nicht zur Bedarfsdeckung ausreichen, so dass bereits deshalb ein\nVerweis auf diese Tatigkeit ausgeschlossen sei. Außerdem seien die Vergutung\nder ursprunglich erlernten und die der jetzt ausgeubten Tatigkeiten nicht\nvergleichbar. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 27.07.2004 - 3 O 128/03 -\nabzuandern und \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| 1\\. die Beklagte zu verurteilen, an den Klager ab dem 01.10.2002 eine\nmonatliche Berufsunfahigkeitsrente in Hohe von EUR 571,94 zu zahlen bis\nlangstens 01.01.2030, zahlbar monatlich im Voraus bis zum 3. Werktag eines\njeden Monats, zuzuglich Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem\nBasiszinssatz aus diesen Betragen seit der jeweiligen Falligkeit. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| 2\\. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klager von der\nBeitragspflicht fur die Lebensversicherung und die\nBerufsunfahigkeitszusatzversicherung Vers.-Nr.: 1703367 ab dem 01.10.2002\nfreizustellen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| die Berufung des Klagers zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Verweisbarkeit sei erstmals im Jahr 2000 gepruft worden, so dass die\nbesonderen Anforderungen des Nachprufverfahrens hier nicht maßgeblich seien.\nDie jetzt ausgeubte Tatigkeit sei mit der eines ausgebildeten Metallbauers\nvergleichbar, so dass eine Leistungspflicht der Beklagten nicht bestehe. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsatze\nBezug genommen. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Berufung des Klagers bleibt ohne Erfolg. Der Klager ist nicht mehr\nberufsunfahig im Sinne der Bedingungen, da er nicht aus gesundheitlichen\nGrunden gehindert ist eine Tatigkeit als Einzelhandelskaufmann auszuuben. Eine\nsolche Tatigkeit steht dem von ihm angestrebten Beruf gleich. Er muss sich\nhierauf verweisen lassen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| 1\\. Ob der Klager auf eine andere Tatigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 BB -\nBUZ verwiesen werden kann, richtet sich im vorliegenden Fall nicht nach den\nbesonderen Voraussetzungen des § 7 BB - BUZ. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Mit Schreiben vom 28.08.1996 ist gem. § 5 Abs. 2 BB - BUZ zwar die\nLeistungspflicht anerkannt worden. Damit kame eine Einstellung der Leistungen\ngrundsatzlich nur unter den Voraussetzungen des § 7 BB-BUZ in Betracht.\nAnderes ergabe sich hier auch nicht allein aus dem Umstand, dass das\nAnerkenntnis hinsichtlich der Frage der „Verweisbarkeit" befristet war. Eine\nsolche Befristung ist grundsatzlich moglich und hat regelmaßig zur Folge, dass\nbei fristgerechter Prufung hinsichtlich der offen gelassenen Umstande die\nRegeln der Erstprufung nach § 2 Abs. 1 BB - BUZ gelten. Im Gegensatz zu der\nRegelung in § 7 BB - BUZ ist eine Änderung der Verhaltnisse seit Abgabe des\nbefristeten Anerkenntnisses nicht erforderlich, um eine Leistungsverweigerung\nzu rechtfertigen. Anderes konnte allerdings gelten, wenn der Versicherer sich\neine unzulassig lange Frist von 3 Jahren einraumt (vgl. Rixecker in Beckmann\nVersicherungsrechts-Handbuch § 46 Rdn. 181; OLG Dusseldorf ZfSch 2001, 422),\noder langere Zeit weitere Leistungen erbringt und erst dann zur Überprufung\nseiner Leistungspflicht ansetzt. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Erhalt der Versicherungsnehmer namlich nach Ablauf der Frist weiter die\nvolle Versicherungsleistung ausbezahlt und wird er auch nicht darauf\nhingewiesen, dass die weitere Leistungserbringung bis zur Überprufung der\nVerweisbarkeit kulanzhalber erfolgt, so kann er unter Umstanden davon\nausgehen, dass der Versicherer nunmehr die dauernde Berufsunfahigkeit auch\nhinsichtlich der Frage der Verweisbarkeit anerkennt (§§ 133, 157 BGB). Der\nVersicherungsnehmer konnte sich hierin dadurch bestarkt sehen, dass der\nVersicherer im Interesse des Versicherungsnehmers gehalten ist, seinem\nVertragspartner die ihm nach § 5 B-BUZ obliegende Entscheidung mit der\nerforderlichen Klarheit mitzuteilen. Der Versicherer, der sich nicht im Wege\neines Anerkenntnisses binden will, muss dies so deutlich zum Ausdruck bringen,\ndass weder fur den Versicherungsnehmer noch fur Dritte irgendwelche Zweifel\naufkommen konnen, dass die angekundigte Leistung ausschließlich kulanzhalber\nerfolgen soll (OLG Hamm, NJW-RR 1994, 1508). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Im vorliegenden Fall hatte der Klager jedoch unter Berucksichtigung von\nTreu und Glauben nach den Umstanden keinen berechtigten Anlass, in der\nweiteren Leistung ein Anerkenntnis des Versicherers zu sehen, das es der\nBeklagten verwehren konnte, sich auf eine Verweistatigkeit zu berufen. Es darf\nnamlich nicht unberucksichtigt bleiben, dass im Schreiben vom 28.08.1996 die\nBefristung mit dem Hinweis auf die Moglichkeit einer neuen dreijahrigen\nAusbildung erfolgte und der Klager auf seine Pflicht hingewiesen wurde,\nÄnderungen der beruflichen Tatigkeit unverzuglich mitzuteilen. Dass dem\nVersicherer der Abschluss der Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann bei Ablauf\nder Befristung noch nicht mitgeteilt war, wusste der Klager. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Daneben kann die ursprunglich gesetzte Frist von drei Jahren wegen der\nBesonderheiten des Falls auch nicht als unzulassig lang angesehen werden. Der\nKlager befand sich zum Zeitpunkt des Eintritts seiner krankheitsbedingten\nUnfahigkeit, als Metallbauer tatig zu sein, noch in der Ausbildung. Der dem\nKlager gunstige Umstand, dass bei Lehrverhaltnissen im Rahmen der Versicherung\nder Berufsunfahigkeit die Ausbildung selbst der angestrebten beruflichen\nTatigkeit gleichzusetzen ist (OLG Koln, r+s 1988, 310), gestattet im Gegenzug\ndem Versicherer, eine Befristung zeitmaßig an einer weiteren Berufsausbildung\nauszurichten. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| 2\\. Der vom Klager nachtraglich erlernte Beruf des Einzelhandelskaufmanns\nsteht dem ursprunglich angestrebten Beruf des Metallbauers gleichwertig\ngegenuber, denn er erfordert gleichwertige (nicht gleichartige) Kenntnisse und\nFertigkeiten, verspricht ein mindestens ebenburtiges Einkommen und genießt\nentsprechende soziale Wertschatzung (st. Rspr. BGH VersR 1997, 436, BGHReport\n2003, 431). Beide Ausbildungen setzen grundsatzlich den Hauptschulabschluss\nund somit gleiche Fahigkeiten voraus. Der Klager hatte nach dem unbestrittenen\nVortrag der Beklagten als gelernter Metallbauer bei einer\nVollzeitbeschaftigung ein monatliches Einkommen in Hohe von etwa EUR 1.533,88\nerzielt. Bereits in seiner jetzt ausgeubten und von ihm als unterqualifiziert\nangesehenen Tatigkeit im Einzelhandel erhielt er ein Anfangsgehalt von EUR\n933,76, umgerechnet auf eine Vollzeittatigkeit also EUR 1.556,27. Als\nanerkannte Ausbildungsberufe die den Hauptschulabschluss voraussetzen, sind\nbeide auch in der sozialen Wertschatzung vergleichbar. Dies wird auch vom\nKlager nicht in Zweifel gezogen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| 3\\. Unerheblich ist fur die Verweismoglichkeit, dass der Klager derzeit nur\n25 Stunden/Woche arbeitet, sein Verdienst entsprechend reduziert ist und er\nnach seinem Vortrag nicht in der Lage ist, eine vollschichtige Tatigkeit zu\nfinden. Offen bleiben kann zudem, ob er derzeit uberhaupt als\nEinzelhandelskaufmann beschaftigt ist oder - wie er behauptet und was nicht\nfern liegt - eher unterhalb seiner Qualifikation liegende Tatigkeiten im\nEinzelhandel ausubt. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Bei der Verweisung nach § 2 Abs. 1 BB - BUZ kommt es grundsatzlich nicht\ndarauf an, ob der Versicherte in seinem Vergleichsberuf eine Arbeitsstelle\nhat. Die Berufsunfahigkeitsversicherung ist keine Arbeitslosenversicherung.\nDas Risiko der Arbeitslosigkeit als solches wird von dieser Versicherung nicht\nabgedeckt. Eine Verweisung auf einen Vergleichsberuf nach § 2 Abs. 1 BB - BUZ\nscheitert wegen eines fehlenden Arbeitsplatzes lediglich dann, wenn der\nVersicherte - was hier nicht der Fall ist - gerade wegen seiner\nGesundheitsbeeintrachtigung, die ihm die Fortfuhrung seines bisherigen Berufs\nunmoglich macht, auch keinen Arbeitsplatz innerhalb des Vergleichsberufs\nfinden kann (Senat VersR 2000, 1401). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Anderes wurde vorliegend auch dann nicht gelten, wenn insoweit auf die\nRegelungen des Nachprufungsverfahrens gemaß § 7 BB - BUZ zuruck zu greifen\nware. Der Begriff der Berufsunfahigkeit in §§ 2 und 7 BB-BUZ ist inhaltlich\ndeckungsgleich; eine Differenzierung im Prufungsmaßstab bei Eintritt von\nBerufsunfahigkeit einerseits und deren Fortbestand andererseits kommt - auch\nwas die Berucksichtigung der Lage auf dem Arbeitsmarkt anlangt - nicht in\nBetracht. Die BB - BUZ verpflichten allerdings den Versicherten zum Erwerb\nneuer beruflicher Fahigkeiten nicht; ebenso wenig ist er gehalten, sich\nfortzubilden oder umschulen zu lassen. Der Versicherte muss grundsatzlich\nnicht erwarten, bei einem freiwilligen Erwerb neuer beruflicher Fahigkeiten\nseinen Leistungsanspruch gegen den Versicherer auch und schon dann zu\nverlieren, wenn es ihm trotz neu erworbener Fahigkeiten und zumutbarer\nBemuhungen noch nicht gelungen ist, die Bedarfsdeckung durch die Erlangung\neines Arbeitsplatzes zu sichern. Nach den das Versicherungsverhaltnis in\nbesonderem Maße beherrschenden Grundsatzen von Treu und Glauben darf der\nVersicherer im Regelfall von seinem Recht zur Leistungseinstellung nach § 7 I,\nIV BB-BUZ erst dann Gebrauch machen, wenn der Versicherte einen Arbeitsplatz\nin einem Vergleichsberuf erlangt hat oder sich um einen solchen nicht (bzw.\nnicht mehr) in zumutbarer Weise bemuht (BGH VersR 2000, 173). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Anderes muss allerdings gelten, wenn der Versicherte - wie hier der Klager\n- noch gar nicht im Stande war, mit seiner beruflichen Tatigkeit seine\nLebensstellung zu sichern, weil er noch in einem Ausbildungsverhaltnis stand.\nDas Risiko, eine seinen erst noch vollstandig zu erwerbenden Kenntnissen und\nFahigkeiten entsprechende Arbeitsstelle zu finden, war fur seine Situation vor\ndem erstmaligen Auftreten seiner Krankheit pragend. In diesem Falle gebietet\nder Grundsatz von Treu und Glauben gerade nicht, dass der Versicherer mit dem\nVerweis zuwartet, bis die neuen beruflichen Fahigkeiten erfolgreich in einem\nDienstverhaltnis zum Einsatz kommen. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| 4\\. Dem Umstand, dass der Klager durch seine Berufsunfahigkeit\nAusbildungszeit verloren hat und somit Zeit benotigte, um eine vergleichbare\nberufliche Position wiederzuerlangen, hat die Versicherung -vertragsgemaß \\-\ndadurch Genuge getan, dass sie wahrend der gesamten Dauer der kaufmannischen\nAusbildung ihre Leistungen aus der Berufsunfahigkeitszusatzversicherung\nerbrachte (vgl. OLG Munchen, VersR 1993, 1000). Nunmehr bestehen keine\nAnspruche des Klagers aus der Berufsunfahigkeitszusatzversicherung mehr. \n--- \n--- \nIII. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Entscheidung uber die Kosten folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung uber\ndie Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Grunde fur eine\nZulassung der Revision gemaß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. \n--- \n---\n\n |
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140,886 | vg-stuttgart-2005-05-30-a-12-k-1078605 | 160 | Verwaltungsgericht Stuttgart | vg-stuttgart | Stuttgart | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | A 12 K 10786/05 | 2005-05-30 | 2019-01-08 15:53:20 | 2019-01-17 12:01:04 | Beschluss | ## Tenor\n\nDie aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die\nAbschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes vom 02.03.2005 wird\nangeordnet, soweit dort die Turkei als Zielstaat bezeichnet ist.\n\nIm Übrigen wird der Antrag abgelehnt.\n\nDie Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens tragt die Antragsgegnerin.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Antrag vom 17.03.2005 des Antragstellers, eines turkischen\nStaatsangehorigen, auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (Az.\nA 12 K 10785/05), soweit sich diese gegen die Abschiebungsandrohung im\nBescheid des Bundesamts fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge vom\n02.03.2005 richtet, ist zulassig (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 5 Satz 1\nVwGO, §§ 75, 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG), insbesondere innerhalb der Wochenfrist\nerhoben. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Er ist auch im aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang teilweise\nbegrundet. Nachdem das Bundesamt in Übereinstimmung mit dem Gesetz entschieden\nhat, dass die Voraussetzungen der Asylberechtigung sowie jene des § 60 Abs. 1\nAufenthG offensichtlich nicht gegeben sind und auch kein Aufenthaltstitel\nvorliegt, ist es verpflichtet gewesen, zugleich die Abschiebung mit einer\nAusreisefrist von einer Woche anzudrohen (§§ 34, 30 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylVfG;\nvgl. nachfolgend 1.). Jedoch durfte es an der Aufnahme der Turkei in diese\nAbschiebungsandrohung gehindert gewesen sein, da in seine Prufungskompetenz\nfallende Abschiebungsverbot in Betracht kommen, welche der Benennung dieses\nZielstaates entgegenstehen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG u. § 59 Abs. 3 Satz 2\nAufenthG, vgl. 2.). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Antragsteller tragt im Wesentlichen vor, zwischen 1990 und 1996\nbewaffnetes Mitglied der PKK-Guerilla gewesen zu sein, bis ihn die kurdische\nGegenmiliz KDP 1996 im Nordirak festgenommen habe. Es sei zwar an\nmilitarischen Operationen, jedoch nicht personlich an Kampfen beteiligt\ngewesen. Nach seiner Festnahme habe er sich der lokalen Guerilla im Nordirak\nanschließen mussen. Von dort sei er schließlich uber den Iran in das\nBundesgebiet gelangt, wobei ihm genutzt habe, dass er als Einkaufer der PKK in\nBesitz von 8.000 Dollar gewesen sei, welche er fur die Reise eingesetzt habe. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| **1.** Im Blick auf dieses Vorbringen begegnen der Asylablehnung und die\nAblehnung der Feststellung des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG\nals offensichtlich unbegrundet (§§ 30, 31 Abs. 2 AsylVfG) keine ernstlichen\nZweifel (Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG; § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG; zum\nEntscheidungsmaßstab vgl. BVerfG, Urt. v. 14.05.1996, BVerfGE 94, 166; Beschl.\nv. 16.03.1999, InfAuslR 1999, 256). \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Dabei hat das Bundesamt die Glaubwurdigkeit des Vortrags des Antragstellers\nteils offen gelassen, teils (etwa auf S. 10 des Bescheids) unterstellt,\nobgleich Zweifel angebracht waren, etwa im Hinblick auf seine Angaben zum\nGewehr G 3 oder auf den Erhalt des Geldes fur die Ausreise. Es hat die\nAnerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung des Vorliegens der\nVoraussetzungen des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 1 AufenthG wegen der\nAusschlussgrunde nach § 60 Abs. 8 Satz 2 2. u. 3. Alt. AufenthG verneint. Das\nbegegnet im Hinblick jedenfalls auf die letztgenannte Alternative keinen\nBedenken. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Nach § 60 Abs. 8 Satz 2 3. Alt. AufenthG findet § 60 Abs. 1 AufenthG keine\nAnwendung, wenn der Schutzsuchende sich Handlungen zuschulden kommen lassen\nhat, welche den Zielen und Grundsatzen der vereinten Nationen zuwiderlaufen.\nDasselbe gilt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus ungeschriebenem\nVerfassungsrecht auch fur das Asylgrundrecht (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999,\nBVerwGE 109, 1, allerdings fur die Falle des heutigen Abs. 8 Satz 1; VG\nDusseldorf, Urt. v. 05.04.2004 - 4 K 8268/02.A -[Juris]; VG Sigmaringen, Urt.\nv. 15.10.2003 - K 10601/99 - [Juris]). Wie im Bescheid des Bundesamtes vom\n02.03.2005 ausfuhrlich begrundet und zutreffend dargelegt, ist dies beim\nEinsatz in bewaffneten Einheiten der PKK und/oder ihrer\nNachfolgeorganisationen der Fall. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Nach Auffassung des Einzelrichter bedarf es auch anders als bei Satz 1 des\n§ 60 Abs. 8 AufenthG keiner aus den Umstanden des Einzelfalles zu vermutenden\nfortbestehenden Wiederholungsgefahr. Vielmehr wird diese vermutet, solange\nnicht eine endgultige Abkehr von der bisherigen Organisation und deren\nAktivitat, ahnlich wie von § 5 Abs. 4 Satz 2 AufenthG gefordert, hinreichend\nbelegt ist (vgl. Storr/Wenger, Komm. z. ZuwG, § 60 AufenthG Rdnr. 9; strenger:\nRenner, ZAR 2003, 52, 58: uberhaupt keine Gefahrdungsprognose erforderlich;\nanders dagegen: VG Dusseldorf, Urt. v. 05.04.2004, a.a.O.). Die bloße\nBehauptung, nicht mehr politisch tatig zu sein, reicht dafur nicht aus. Das\nfolgt, wenn nicht schon aus nationalem Recht, jedenfalls aus der\nQualifikations- oder Anerkennungsrichtlinie 2004/83/EG (Abl. 2004 L Nr. 304,\nS. 12). Nach deren Art. 12 Abs. 2 Nr. c reicht es fur den Ausschluss der\nFluchtlingsanerkennung im Sinne der Richtlinie sogar aus, dass sich ein\nAuslander die genannten Handlungen zuschulden kommen ließ (so auch VG\nStuttgart, Beschl. v. 20.04.2005 - A 8 K 10683/05 -). Zwar ist die\nUmsetzungsfrist fur diese Richtlinie noch nicht abgelaufen, so dass sie fur\nden nationalen Richter noch nicht verbindlich ist. Es steht ihm aber im Blick\nauf Art. 10 EG schon ab Inkrafttreten einer Richtlinie frei, insbesondere\nunbestimmte Rechtsbegriffe des nationalen Rechts bereits richtlinienkonform\nauszulegen (VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 12.05.2005 - A 3 S 358/05 -; BGH, Urt.\nv. 5.2.1998, NJW 1998, 2208) \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| **2.** Allerdings darf auch in einem solchen Falle die Abschiebung des\nAntragstellers in das Herkunftsland nur dann angedroht werden, wenn \\- wie\nhier unstreitig - kein Aufenthaltstitel besessen wird (§ 34 Abs. 1 Satz 1\nAsylVfG) und der Herkunftsstaat nicht als Zielstaat ausgenommen werden muss.\nDiese Einschrankung liegt aber vor. Wie sich namlich § 34 Abs. 1 Satz 1\nAsylVfG und § 59 Abs. 3 Satz 1 und 2 AufenthG entnehmen lasst, haben\nAbschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zur Folge, dass der\nangedrohte Zielstaat, die Turkei, in der Abschiebungsandrohung hatte\nausgenommen werden mussen. Eine solche Konstellation kommt vorliegend in\nBetracht. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Gemaß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Auslander nicht in einen Staat\nabgeschoben werden, in dem fur ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter\nunterworfen zu werden. Nach Abs. 5 der Norm darf nicht abgeschoben werden,\nsoweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte\nund Grundfreiheiten vom 04.11.1950 (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung\nunzulassig ist. Nach deren Art. 3 darf niemand der Folter oder unmenschlicher\noder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Absatze 2 bis 7 des § 60 AufenthG erfassen auch Gefahren, die auf\nLebenssachverhalten beruhen, welche zugleich politische Verfolgung darstellen\n(so VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 10.07.2002 - 13 S 1871/01 - EZAR 043 Nr. 55 zu §\n53 AuslG). Zwar sieht Art. 17 der genannten Richtlinie dieselben\nAusschlussgrunde fur den „subsidiaren Schutz" wie fur die\nFluchtlingsanerkennung vor. Es mag Manches dafur sprechen, dass davon\nzumindest das Refoulementverbot nach Art. 3 EMRK unberuhrt bleibt (vgl. dazu\nauch VG Stuttgart, Beschl. v. 20.04.2005, a.a.O.; Marx, Auslander- und\nAsylrecht. 2. Aufl., Asylverfahren § 7 Rdnr. 196). Das gilt jedenfalls vor dem\nAblauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Hiervon ausgehend ist nach derzeitiger, im Eilverfahren notwendig\nsummarischer Einschatzung die Gefahr, dass der Antragsteller bei einer\nRuckkehr in die Turkei im Rahmen einer Festnahme gefoltert bzw. sonst\nunmenschlicher Behandlung unterworfen wird, jedenfalls nicht auszuschließen\n(so auch VG Dusseldorf, Urt. v. 05.04.2004 - 4 K 8268/02.A -[Juris]). Denn fur\ndie turkischen Sicherheitskrafte durfte es nicht ohne Weiteres ersichtlich\nsein, dass der Antragsteller schon seit Jahren nicht mehr als Guerilla aktiv\ngewesen ist. Zwar mag - auch unter Glaubwurdigkeitsgesichtspunkten -\nzweifelhaft erscheinen, ob insoweit eine beachtliche Ruckkehrgefahrdung beim\nAntragsteller besteht. Allerdings lasst sich dies nur unter Wurdigung des\nVorbringens des Antragstellers im Rahmen einer Anhorung in der mundlichen\nVerhandlung beurteilen und ist - ebenso wie das Verhaltnis von EMRK und der\ngenannten Richtlinie - daher dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten (so auch in\neinem vergleichbaren Fall VG Stuttgart, 8. Kammer, Beschl. v. 20.04.2005,\na.a.O.). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Kosten des Verfahrens, fur das Gerichtskosten nicht erhoben werden (§\n83b AsylVfG), \n--- \n| 13 \n--- \n| sind dem unterliegenden Teil aufzuerlegen (§§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1, 151\nAbs. 1 Satz 3 VwGO). \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 80\nAsylVfG). \n--- \n--- \n--- \n---\n\n |
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141,031 | vghbw-2005-06-30-10-s-38505 | 161 | Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg | vghbw | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 10 S 385/05 | 2005-06-30 | 2019-01-08 16:54:11 | 2019-01-17 12:01:12 | Beschluss | ## Tenor\n\nDas Verfahren wird ausgesetzt.\n\nEs wird eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europaischen\nGemeinschaften zu folgenden Fragen eingeholt:\n\n1\\. Ist Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995 auch\ndann anwendbar, wenn im Hinblick auf eine Unregelmaßigkeit im Sinne von Art. 1\nAbs. 2 dieser Verordnung lediglich die Ruckerstattung einer zu Unrecht\nbewilligten Beihilfe (Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr.\n2988/1995) verlangt wird und die zu Unrecht gewahrte Beihilfe aufgrund einer\nspater in Kraft getretenen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung in einem\ngeringeren Umfang zuruckzuerstatten ware als nach denjenigen\ngemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, die zum Zeitpunkt der Begehung der\nUnregelmaßigkeit galten ?\n\nFalls Frage 1 bejaht wird:\n\n2\\. Findet Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995\nauch im Hinblick auf die fur die Zahlung von Zinsen maßgeblichen Regelungen\nAnwendung, wenn gegenuber dem betroffenen Betriebsinhaber keine\nverwaltungsrechtliche Sanktion im Sinne von Art. 5 Abs. 1 dieser Verordnung\nausgesprochen, sondern von diesem lediglich die Ruckzahlung einer zu Unrecht\nerhaltenen Beihilfe im Sinne von Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung verlangt wird\n?\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Der Klager, ein Haupterwerbslandwirt, wendet sich gegen die Aufhebung\neines Bescheids uber die Bewilligung von Flachenzahlungen und die\nVerpflichtung zur Ruckzahlung des erhaltenen Geldbetrages. \n--- \n| 2 \n--- \n| Am 22.03.2000 beantragte der Klager Flachenzahlungen fur bestimmte\nlandwirtschaftliche Kulturpflanzen nach der Flachenzahlungsverordnung fur den\nAnbau von 0,99 ha Raps und 25,45 ha Getreide. Der Klager gab dabei an, dass\n3,04 ha seiner landwirtschaftlichen Nutzflachen stillgelegt seien und auf\ndiesen Flachen nachwachsende Rohstoffe (NawaRO) angebaut werden sollen. Mit\nBescheid vom 18.12.2000 bewilligte das Amt fur Landwirtschaft, Landschafts-\nund Bodenkultur (ALLB) Tuttlingen dem Klager fur Ausgleichsleistungen nach der\nKulturpflanzenregelung der Europaischen Union eine Flachenzahlung in Hohe von\ninsgesamt 17.772,57 DM (9.086,97 Euro). Die Flachenzahlung gliederte sich in\n916,63 DM (468.66 EUR) fur Raps, 15.010,60 DM (7.674,79 EUR) fur Getreide und\n1.854,34 DM (948,10 EUR) fur stillgelegte Flachen. In dem Bescheid wurde\ndarauf hingewiesen, dass die mit der Antragstellung eingegangenen\nVerpflichtungen dem Klager zu Auflagen gemacht werden. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Schreiben vom 13.12.2000 forderte das ALLB Tuttlingen den Klager im\nRahmen einer allgemeinen Plausibilitatsprufung auf, die Wiege- bzw.\nAnnahmescheine der Konsumrapslieferung zuzusenden. Am 21.12.2000 teilte der\nKlager dem ALLB Tuttlingen mit, seinem Sohn sei bei der Ablieferung des Rapses\nein Fehler unterlaufen. Dieser habe einen Teil des Rapses, den er als\nnachwachsenden Rohstoff habe abliefern sollen, versehentlich als Konsumraps\nabgegeben. Er selbst habe in der Ernte nicht die notwendige Zeit, die\nWiegescheine anschließend zu kontrollieren, und er habe den Fehler erst\nbemerkt, als er aufgefordert worden sei, die Wiegescheine fur Konsumraps\nabzugeben. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Bescheid vom 16.02.2001 hob das ALLB Tuttlingen seinen Bescheid vom\n18.12.2000 uber eine Flachenzahlung in Hohe von insgesamt 17.772,57 DM\n(9.086,97 EUR) auf und forderte diesen Betrag zuruck. Zusatzlich forderte das\nAmt eine Zinszahlung in Hohe von 354,83 DM (181,42 EUR). Zur Begrundung wurde\ndarauf hingewiesen, dass der Klager die mit der Antragstellung eingegangenen\nVerpflichtungen nicht eingehalten habe. Die nach dem Antrag fur eine\nFlachenzahlung maßgebenden Flachen mit Kulturpflanzen wichen um mehr als 20 %\nvon der ermittelten Kulturflache ab. Nach Art. 9 der Verordnung (EWG) Nr.\n3887/92 wurden fur die jeweilige Kulturart innerhalb einer Region keine\nFlachenzahlungen gewahrt, wenn die Differenz uber 20 % der ermittelten Flachen\nbetrage. Nach Art. 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 i.V.m. Vorschriften des\nVerwaltungsverfahrensrechts sei der Erzeuger bei ungerechtfertigten Zahlungen\naufgrund von Angaben, die er selbst zu vertreten habe, zur Zahlung von Zinsen\nvom Zeitpunkt des Empfangs der Ausgleichszahlung an verpflichtet. Der\nRuckforderungsbetrag sei nach § 14 MOG bis zu seiner Ruckzahlung mit 3 % uber\ndem jeweiligen Diskont/Basiszinssatz zu verzinsen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Zur Begrundung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 16.02.2001 trug\nder Klager vor, er konne den Ruckforderungsbetrag nicht akzeptieren, weil\ndieser in keiner Relation zu seinem Versehen stehe. Nach Art. 31 Abs. 3 der\nVerordnung (EG) Nr. 2419/2001 werde bei Nichtanerkennung von\nStilllegungsflachen eine Kurzung der Gesamtpramie lediglich bis zu einem\nNiveau vorgenommen, das der Kleinerzeugungsregelung entspreche. Diese Regelung\nsei nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995 auch\nim vorliegenden Verfahren anzuwenden. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2002 wies das Regierungsprasidium\nFreiburg den Widerspruch zuruck und fuhrte zur Begrundung aus: Mit dem\ngemeinsamen Antrag vom 22.03.2000 habe der Klager die Gewahrung von\nFlachenzahlungen fur landwirtschaftliche Kulturpflanzen beantragt. Bestandteil\ndes Antrags sei auch das Datenblatt fur den Anbau nachwachsender Rohstoffe\n(NawaRo) auf stillgelegten Flachen gewesen. Mit seiner Unterschrift habe der\nKlager das Merkblatt zum Anbau nachwachsender Rohstoffe zur Kenntnis genommen\nund sich verpflichtet, die geltenden Bestimmungen einzuhalten. Ferner habe er\nsich verpflichtet, alle auf den Stilllegungsflachen geernteten nachwachsenden\nRohstoffe dem Erstverarbeiter/Aufkaufer vollstandig abzuliefern. Diese\nvollstandige Ablieferung des Erntegutes als nachwachsende Rohstoffware sei die\nHauptpflicht des jeweiligen Antragstellers. Komme er dieser Verpflichtung\nnicht vollstandig nach, verliere er seinen Anspruch auf Stilllegungsausgleich\nund die damit verbundenen Flachenzahlungen. Vorliegend kamen weder die\nGunstigkeitsregelung nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr.\n2988/95 noch Art. 31 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 zur Anwendung.\nDem Klager sei der Fehler aufgefallen, als er aufgefordert worden sei, die\nUnterlagen zum Konsumraps zur Plausibilitatsprufung vorzulegen. Nach Art. 4\nAbs. 2 a der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 in der seinerzeit gultigen Fassung\nder Verordnung (EG) Nr. 1678/98 seien Änderungen vor Bekanntgabe einer\nVerwaltungskontrolle schriftlich anzukundigen. Das Verhalten des Klagers\nverstoße eindeutig gegen die im Antrag eingegangenen Verpflichtungen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Am 03.01.2003 hat der Klager Klage erhoben, zu deren Begrundung erganzend\nvorgetragen worden ist: Er akzeptiere, dass seine Stilllegungsflachen vom\nBeklagten nicht anerkannt werden. Ihm hatte jedoch nach Art. 31 Abs. 3 der\nVerordnung (EG) Nr. 2419/2001 eine Flachenzahlung nach der Kleinerzeugerregel\nin Hohe von 10.257,39 DM gewahrt werden mussen. Der Beklagte verkenne die\nWirkung des Gunstigkeitsprinzips. In der Entscheidung des EuGH vom 01.07.2004\nwerde die Anwendung des Gunstigkeitsprinzips bestatigt. Ferner werde darin die\nAuffassung vertreten, dass die Art. 53 und 54 der Verordnung (EG) Nr.\n2419/2001 dahin auszulegen seien, dass sie der Anwendung der\nGunstigkeitsregelung nicht entgegenstehen. Folglich sei das\nGunstigkeitsprinzip grundsatzlich auch im Bereich dieser Verordnung anwendbar.\nNach Art. 6 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1251/1999 konne derjenige die sog.\nKleinerzeugerregelung in Anspruch nehmen, der eine Flachenzahlung fur eine\nFlache beantrage, die bei Zugrundelegung der fur seine Region festgesetzten\nGetreidedurchschnittsertrage hochstens der fur die Erzeugung von 92 Tonnen\nGetreide benotigten Flache entspreche. Bei Inanspruchnahme der\nKleinerzeugungsregelung ergebe sich ein Beihilfebetrag in Hohe von 5.244,52\nEUR. Hinsichtlich der Zinsen sei Art. 49 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2419/2001\nanzuwenden. Dies ergebe sich aus Art. 54 Abs. 1 dieser Verordnung. Es gehe im\nvorliegenden Fall nicht um einen Beihilfeantrag fur das Jahr 2000, streitig\nsei vielmehr ein Ruckforderungsbescheid. \n--- \n| 8 \n--- \n| Zur Begrundung seines Antrags auf Klageabweisung hat der Beklagte vor dem\nVerwaltungsgericht vorgetragen, nach der Entscheidung des EuGH vom 01.07.2004\nsei die Gunstigkeitsregelung wohl auch auf flachenpramienrechtliche Verfahren\nanzuwenden. Die Regelung komme aber nur dann in Betracht, wenn es um\nSanktionen und nicht um materielle Anspruchsvoraussetzungen gehe. Art. 31 Abs.\n3 Satz 2 der Verordnung (EG) 2419/2001 betreffe jedoch lediglich die\nFlachenberechnung. \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Urteil vom 23.11.2004 hat das Verwaltungsgericht Freiburg die Klage\nabgewiesen und zur Begrundung ausgefuhrt: Dem Klager seien mit Bescheid vom\n18.12.2000 Flachenzahlungen nach der Kulturpflanzenregelung der Europaischen\nUnion gewahrt worden. Der Klager habe jedoch nicht samtliche auf den\nstillgelegten Flachen geernteten Ausgangserzeugnisse vollstandig als\nnachwachsende Rohstoffe, sondern teilweise als Konsumraps abgeliefert. Hieraus\nergebe sich, dass die im Bewilligungsbescheid zugrunde gelegten stillgelegten\nFlachen, nach denen sich die Flachenzahlungen richten, den tatsachlich\nstillgelegten Flachen nicht entsprochen hatten. Die nachtraglich ermittelten\nstillgelegten Flachen hatten die zugrunde gelegten um mehr als 20 %\nunterschritten. Dies sei zwischen den Beteiligten ebenso wenig umstritten wie\nder Umstand, dass der Klager die fehlerhafte Ablieferung nicht rechtzeitig\nmitgeteilt habe, so dass Sanktionen nicht außer Betracht zu bleiben hatten\n(Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 i.V.m. Nr. 5 der Verordnung\n(EG) Nr. 1678/1998). Nach Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 werde\nin diesem Fall keinerlei Beihilfe gewahrt. Entgegen der Ansicht des Klagers\nkomme die erst zu einem spateren Zeitpunkt in Kraft getretene Verordnung (EG)\nNr. 2419/2001 nicht zur Anwendung. Zwar sei nach dem Urteil des EuGH vom\n01.07.2004 davon auszugehen, dass die in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung\n(EG) Nr. 2988/1995 getroffene Gunstigkeitsregelung auch hinsichtlich der\nVerordnung (EG) Nr. 2419/2001 anwendbar sei. Die in Art. 31 Abs. 3 der\nVerordnung (EG) Nr. 2419/2001 getroffene Regelung, auf die sich der Klager\nberufe, enthalte aber keine gunstige Regelung. Es handele sich bei dieser\nVorschrift nicht um eine verwaltungsrechtliche Sanktion, sondern um eine bloße\nBerechnungsgrundlage. Dies ergebe sich bereits aus der Überschrift dieses\nArtikels. In Art. 31 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 werde jedoch\nbestimmt, dass die Beihilfe unbeschadet der Kurzungen und Ausschlusse gemaß\nden Art. 32 bis 35 auf der Grundlage der fur diese Kulturgruppe ermittelten\nFlachen berechnet werde. Diese Bestimmungen seien durch die in Art. 31\ngeregelte Berechnungsgrundlage nicht ausgeschlossen. Art. 32 Abs. 1 Satz 2 der\nVerordnung (EG) Nr. 2419/2001 enthalte fur eine Sachlage der vorliegenden Art\neine fast gleich lautende, inhaltlich jedoch nicht unterschiedliche Sanktion.\nDanach werde, wenn die festgestellte Differenz uber 20 % der ermittelten\nFlache liege, fur die betreffende Kulturgruppe, hier fur Stilllegungsflachen,\nkeine flachenbezogene Beihilfe gewahrt. Auch die Zinsen seien fehlerfrei\nermittelt worden. Maßgeblich sei § 14 Abs. 1 MOG in der bis zum 11.04.2002\ngeltenden Fassung. Art. 49 Abs. 1 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 sei\nnicht anzuwenden. Denn umstritten sei die Zahlung fur das Wirtschaftsjahr\n2000. \n--- \n| 10 \n--- \n| Zur Begrundung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung hat der\nKlager vorgetragen: Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sei die in\nArt. 31 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2419/3001 getroffene Regelung fur die\nAufhebung des Bewilligungsbescheids vom 18.12.2000 von Bedeutung. Denn\ntatsachlich handele es sich nicht lediglich um eine Berechnungsgrundlage. Mit\nArt. 9 Abs. 4 UAbs. 2 der Verordnung (EWG) 3887/92 habe der\ngemeinschaftsrechtliche Verordnungsgeber eine ubermaßige Kurzung der mit\nKulturpflanzen bestellten Flachen vermeiden wollen. Anknupfungspunkt fur die\nPro-Rata-Kurzung habe nach dem Willen des Verordnungsgebers die tatsachlich\nermittelte Flache sein sollen. Wenn somit mit der Bestimmung des Art. 31 Abs.\n3 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 die Begrenzung des Sanktionstatbestands\n„ermittelte Flache" dahingehend erweitert werde, dass dem Landwirt zumindest\neine Beihilfe auf der Grundlage der sog. Kleinerzeugerregelung verbleiben\nsolle, bedeute dies im Ergebnis, dass der Sanktionstatbestand hierdurch weiter\neingeschrankt werde. Diese Einschrankung des Sanktionstatbestands fuhre dazu,\ndass er durch die neue Regelung des Art. 31 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EG)\n2419/2001 gunstiger gestellt sei als nach der bisherigen Regelung. Eine\nTrennung in Vorschriften zur Berechnungsgrundlage und in Bestimmungen zur\nverwaltungsrechtlichen Sanktionierung erscheine im vorliegenden Fall kunstlich\nund wirklichkeitsfremd. Auch die Ansicht des Verwaltungsgerichts vermoge nicht\nzu uberzeugen, aus dem Umstand, dass Art. 31 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 1 Satz 2\nder Verordnung (EG) 2419/2001 eine inhaltlich sich deckende Sanktion\nenthielten, folge, dass die ermittelte Flache unter Berucksichtigung der sog.\nKleinerzeugerregelung keinen Bezug zu der verwaltungsrechtlichen Sanktion des\nArt. 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 aufweise. Aus dem vom\nVerwaltungsgericht angefuhrten Umstand konne allein gefolgert werden, dass\nnach Art. 31 Abs. 2 der Verordnung (EG) 2419/2001 die tatsachlich ermittelte\nFlache zu berucksichtigen sei und hieran anschließend nach Art. 32 Abs. 1 der\nVerordnung (EG) 2419/2001 eine weitere Kurzung erfolge. Entgegen der Ansicht\ndes Verwaltungsgerichts sei Art. 49 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001\nfur die Berechnung der Zinsen maßgeblich. Die aufgehobene Verordnung (EWG) Nr.\n3887/92 finde lediglich fur Beihilfeantrage Anwendung, die sich auf vor dem\n01.01.2002 beginnende Wirtschaftsjahre oder Pramienzeitraume beziehen.\nHinsichtlich der Zinsberechnung erfolge jedoch keine Entscheidung uber die vom\nKlager gestellten Beihilfeantrage. Selbst wenn nach europaischem Recht mit der\nGeltendmachung des Ruckforderungsanspruchs zuzuglich der Zinsen eine erneute\nEntscheidung uber den ursprunglichen Antrag getroffen worden sei, beinhalte\ndie Regelung des Art. 53 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) 2419/2001 nicht den\nvom Verwaltungsgericht angenommenen Verweis auf Art. 14 der Verordnung (EWG)\nNr. 3887/92. Sinn und Zweck jener Regelung und auch der Wille des\nVerordnungsgebers sprachen gegen die Anwendung der Verordnung (EWG) Nr.\n3887/92. Bei der Auslegung der Bestimmung des Art. 53 Abs. 1 Satz 2 der\nVerordnung (EWG) 2419/2001 sei zwischen materiell-rechtlichen Vorschriften und\nverfahrensrechtlichen Bestimmungen zu unterscheiden. Mit Art. 53 Abs. 1 Satz 2\nder Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 habe der Verordnungsgeber allein das fur die\nEntscheidung uber den Beihilfeantrag maßgebliche materielle Pramienrecht\ngemeint. Es sei wirklichkeitsfremd anzunehmen, dass der Verordnungsgeber auch\ndas Kontrollverfahren und die sich aufgrund dieser Kontrollen moglicherweise\nergebenden Ruckforderungen der Beihilfen dem Anwendungsbereich der Verordnung\n(EWG) Nr. 3887/92 habe zuordnen wollen. Zudem habe die Verordnung (EG) Nr.\n2419/2001 aus Grunden der Klarheit und Übersichtlichkeit die alte Verordnung\nNr. 3887/92 ersetzen sollen. Es trage jedoch nicht zur gewunschten Klarheit\nund Übersichtlichkeit bei, wenn verschiedene Ruckforderungs- und\nZinsregelungen aufgrund mehrfacher Änderung der Verordnung jeweils nur fur\neinen begrenzten zeitlichen Abschnitt eines gegebenenfalls langeren\nRuckforderungszeitraums zum Tragen kamen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 12 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 23.11.2004 zu andern und\nden Bescheid des Amts fur Landwirtschaft, Landschafts- und Bodenkultur\nTuttlingen vom 16.02.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des\nRegierungsprasidiums Freiburg vom 13.12.2002 insoweit aufzuheben, als der\nBewilligungsbescheid vom 18.12.2000 im Hinblick auf einen Betrag in Hohe von\n5.244,45 EUR aufgehoben und von ihm ein Betrag von mehr als 5.244,45 EUR\nzuruckgefordert wird und von ihm die Zahlung von Zinsen fur einen Zeitraum vor\ndem 19.02.2001 verlangt wird. \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 14 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Gunstigkeitsregelung des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG,\nEuratom) Nr. 2988/1995 beziehe sich allein auf sanktionsrechtliche\nBestimmungen. Art. 31 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 enthalte\njedoch keine sanktionsrechtliche Regelung, sondern eine den Landwirt\nbegunstigende Regelung, die im Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 7 der Verordnung\n(EG) Nr. 1251/1999 zu sehen sei. Der Begriff der Sanktion sei in Art. 5 der\nVerordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 definiert. Die Kleinerzeugerregelung des\nArt. 31 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 lasse sich unter\nkeinen der dort aufgefuhrten Tatbestande subsumieren. Auch erfordere der\nBegriff der Sanktion eine negative Folge fur den Betroffenen. Dies sei bei der\nBestimmung des Art. 31 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 gerade\nnicht der Fall. Die durch Art. 31 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr.\n2419/2001 bewirkte Änderung der materiellen Anspruchsvoraussetzungen der\nFlachenbeihilfe stelle keine Sanktionsvorschrift dar. Gegen die Annahme, diese\nBestimmung stelle eine Sanktionsregelung dar, sprachen auch die Überschrift\nund die systematische Stellung. Denn wahrend Art. 31 die\n„Berechnungsgrundlage" der zu gewahrenden Beihilfe regele, bestimme Art. 32\nder Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 im Gegensatz hierzu „Kurzungen und\nAusschlusse in Fallen von Übererklarungen". Auch der Verweis in Art. 31 Abs. 2\nder Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 auf die Sanktionsvorschriften der Art. 32\nbis 35 dieser Verordnung belege, dass Art. 31 selbst keine Sanktionsvorschrift\nsei und auch vom Verordnungsgeber nicht als solche verstanden worden sei.\nDementsprechend sei die Gunstigkeitsregelung des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der\nVerordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995 in Bezug auf Art. 31 Abs. 3 Satz 2 der\nVerordnung (EG) Nr. 2419/2001 nicht einschlagig. Da die Anwendung der\nsanktionsrechtlichen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001\n(insbesondere Art. 32) gegenuber Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr.\n3887/92 nicht zu einer gunstigeren Rechtsfolge fur den Klager fuhre, seien\nweiterhin die Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 anwendbar.\nDementsprechend sei die gesamte Beihilfe zuruckzufordern. Auch die geltend\ngemachte Zinsforderung bestehe. Die Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 gelte weiter\nfur Antrage, die sich auch vor dem 01.01.2002 auslaufende Wirtschaftsjahre\noder Pramienzeitraume beziehen. Aus den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr.\n2419/2001 (Art. 53 und 54) ergebe sich, dass die Verordnung (EWG) Nr. 3887/92\nhier Anwendung finde. Der angefochtene Ruckforderungsbescheid betreffe einen\nBeihilfeantrag, der sich auf das Wirtschaftsjahr 2000 beziehe. Nach Art. 14\nAbs. 1 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 seien Zinsen auch fur den\nZeitraum zwischen der Auszahlung der Beihilfe und der Ruckzahlung durch den\nBegunstigten zu entrichten. \n--- \n| 16 \n--- \n| II. Der beschließende Senat setzt das Verfahren aus und legt dem EuGH gemaß\nArt. 234 Abs. 2 EGV die im Tenor des Beschlusses genannten Fragen zur\nVorabentscheidung vor. Die Entscheidung uber die vom Klager erhobene Klage\nhangt von der Beantwortung von Zweifelsfragen ab, die sich bei der Auslegung\nvon Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 4 Abs. 1 und 4 sowie Art. 5 Abs. 1 der\nVerordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 sowie von Art. 31 Abs. 3 der Verordnung\n(EG) Nr. 2419/2001 ergeben. \n--- \n| 17 \n--- \n| 1\\. Zwar ist die Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 durch Art. 53 Abs. 1 Satz 1\nder Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 aufgehoben worden. Die Verordnung (EWG) Nr.\n3887/92 ist aber dennoch auf den vorliegenden Fall grundsatzlich anwendbar,\nweil sich der Beihilfeantrag des Klagers auf das Wirtschaftsjahr 2000 bezog.\nArt. 53 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 bestimmt, dass die\nVerordnung (EWG) Nr. 3887/92 weiter fur Beihilfeantrage gilt, die sich auf vor\ndem 01. Januar 2002 auslaufende Wirtschaftsjahre oder Pramienzeitraume\nbeziehen. Die Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 gilt nach ihrem Art. 54 Abs. 2 fur\nBeihilfeantrage, die sich auf ab dem 01. Januar 2002 beginnende\nWirtschaftsjahre oder Pramienzeitraume beziehen. \n--- \n| 18 \n--- \n| 2\\. Mit Bescheid vom 18.12.2000 war dem Klager fur Ausgleichsleistungen\nnach der Kulturpflanzenregelung der EU eine Flachenzahlung in Hohe von\n17.772,57 DM (9.086,97 EUR) bewilligt worden, darin enthalten war eine Zahlung\nfur stillgelegte Flachen mit nachwachsenden Rohstoffen in Hohe von 1.845,34 DM\n(943,50 EUR). Im Wirtschaftsjahr 2000 sind vom jeweiligen Betriebsinhaber\ngemaß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1251/1999 10 % der mit\nlandwirtschaftlichen Kulturpflanzen bebauten Flachen stillzulegen. Die\nPflichten des Antragstellers bei der Beantragung einer Flachenzahlung fur\nnachwachsende Rohstoffe ergeben sich u.a. aus Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 der\nVerordnung (EG) Nr. 2461/1999. Diese Bestimmung lautet: \n--- \n| 19 \n--- \n| „Der Antragsteller muss samtliche geernteten Ausgangserzeugnisse abliefern,\nund der Aufkaufer oder Erstverarbeiter muss sie annehmen und garantieren, dass\neine gleichgroße Menge dieser Ausgangserzeugnisse in der Gemeinschaft zur\nHerstellung eines oder mehrerer der in Anhang III genannten Enderzeugnisse\nverwendet wird." \n--- \n| 20 \n--- \n| Dieser Verpflichtung ist der Klager nicht nachgekommen. Denn der Klager hat\nnicht samtliche auf den stillgelegten Flachen geernteten Ausgangserzeugnisse\nals nachwachsende Rohstoffe abgeliefert. \n--- \n| 21 \n--- \n| Zur ersten Frage \n--- \n| 22 \n--- \n| 3\\. Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 \n--- \n| 23 \n--- \n| Art. 9 Abs. 2 UAbs. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 lautet: \n--- \n| 24 \n--- \n| „Stillgelegte Flachen, die der Erzeugung von Rohstoffen fur die Herstellung\nvon Erzeugnissen fur Nicht-Nahrungsmittelzwecke dienen und fur welche der\nBetriebsinhaber nicht alle vorgeschriebenen Verpflichtungen erfullt hat,\ngelten fur die Anwendung dieses Artikels als bei der Kontrolle nicht\nvorgefundene Flachen." \n--- \n| 25 \n--- \n| Da der Klager der Verpflichtung zur Ablieferung samtlicher auf den\nstillgelegten Flachen geernteten Ausgangserzeugnisse aus Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1\nder Verordnung (EG) Nr. 2461/1999 nicht nachgekommen ist, ist die vom Klager\nim Jahr 2000 stillgelegte Flache gemaß Art. 9 Abs. 2 UAbs. 5 der Verordnung\n(EWG) Nr. 3887/92 mit Null anzusetzen. \n--- \n| 26 \n--- \n| 4\\. Ist die stillgelegte Flache mit Null anzusetzen, so hat dies auch\nAuswirkungen auf die sonstigen Flachenzahlungen zu Gunsten dieses Erzeugers\nvon Ackerkulturen. Art. 9 Abs. 4 UAbs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 in\nder Fassung von Art. 1 Nr. 11 Buchstabe f der Verordnung (EG) Nr. 2801/1999\nhat folgenden Wortlaut: \n--- \n| 27 \n--- \n| „Die Berechnung der Hochstflache, die fur Flachenzahlungen zugunsten der\nErzeuger von Ackerkulturen in Betracht kommt, erfolgt auf der Grundlage der\ntatsachlich ermittelten Stilllegungsflache und entsprechend dem Anteil der\neinzelnen Kulturen." \n--- \n| 28 \n--- \n| Die maximal ausgleichsberechtigte Flache (Hochstflache), die fur die\nFlachenzahlungen an den Klager fur die Kulturgruppen Getreide und Raps\nmaßgeblich ist, ist gemaß Art. 9 Abs. 4 UAbs. 2 der Verordnung (EWG) Nr.\n3887/92 in der Fassung von Art. 1 Nr. 11 Buchstabe f der Verordnung (EG) Nr.\n2801/1999 mit Null anzusetzen, weil die hierfur maßgebliche Stilllegungsflache\nnach Art. 9 Abs. 2 UAbs. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 mit Null\nanzusetzen ist. \n--- \n| 29 \n--- \n| 5\\. Hieraus ergibt sich, dass der Klager nach Maßgabe der Verordnung (EWG)\nNr. 3887/92 keinen Anspruch auf Ausgleichsleistungen nach der\nKulturpflanzenregelung der EU hat. Art. 14 Abs. 1 UAbs.1 der Verordnung (EWG)\nNr. 3887/92 bestimmt, dass bei zu Unrecht gezahlten Betragen der betreffende\nBetriebsinhaber zur Ruckzahlung dieser Betrage verpflichtet ist, zuzuglich der\nZinsen, die fur den Zeitraum zwischen der Zahlung und der Ruckzahlung durch\nden Begunstigten anfallen. Erganzend bestimmt § 10 Abs. 2 des Gesetzes zur\nDurchfuhrung der Gemeinsamen Marktorganisation (MOG), dass rechtmaßige\nbegunstigende Bescheide in den Fallen der §§ 6 und 8, auch nachdem sie\nunanfechtbar geworden sind, zu widerrufen sind, soweit eine Voraussetzung fur\nden Erlass des Bescheids nachtraglich entfallen oder nicht eingehalten worden\nist, und bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind. Sofern allein auf die\nVerordnung (EWG) Nr. 3887/92 abgestellt wird, ist der Bewilligungsbescheid vom\n18.12.2000 aufzuheben und der Klager verpflichtet, den erhaltenen Betrag von\n17.772,57 DM (9.086,97 EUR) zuruckzuerstatten. \n--- \n| 30 \n--- \n| 6\\. Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 \n--- \n| 31 \n--- \n| Art. 31 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 (Berechnungsgrundlage)\nlautet: \n--- \n| 32 \n--- \n| „Die Berechnung der Hochstflache, die fur die Flachenzahlungen an die\nErzeuger von Kulturpflanzen in Betracht kommt, erfolgt auf der Grundlage der\nermittelten Stilllegungsflache und entsprechend dem Anteil der einzelnen\nKulturen. Zahlungen an Erzeuger von Kulturpflanzen werden jedoch gemaß Artikel\n6 Absatz 7 der Verordnung (EG) Nr. 1251/1999 im Hinblick auf die ermittelte\nStilllegungsflache nur bis zu einem Niveau gekurzt, das der Flache entspricht,\ndie fur die Erzeugung von 92 Tonnen Getreide erforderlich ist." \n--- \n| 33 \n--- \n| 7\\. Art. 31 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 entspricht\ninhaltlich Art. 9 Abs. 4 UAbs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 in der\nFassung von Art. 1 Nr. 11 Buchstabe f der Verordnung (EG) Nr. 2801/1999.\nDanach waren die ermittelte Stilllegungsflache und in Abhangigkeit hiervon\nauch die Flachen fur die anderen Kulturarten wie Raps und Getreide jeweils mit\nNull anzusetzen. Der Klager hatte keinen Anspruch auf Ausgleichsleistungen\nnach der Kulturpflanzenregelung und musste die zu Unrecht erhaltene Beihilfe\nin voller Hohe zuruckzahlen. \n--- \n| 34 \n--- \n| 8\\. Zweck der Regelung in Art. 31 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr.\n2419/2001 ist, auszuschließen, dass Betriebsinhaber, die zur\nFlachenstilllegung verpflichtet sind, bei Verstoßen gegen diese Verpflichtung\nschlechter gestellt werden als Betriebsinhaber auf Kleinerzeugerniveau, die\nkeine Flachen stillzulegen haben. Zahlungen an Erzeuger von Kulturpflanzen\nwerden gemaß Art. 6 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1251/1999 im Hinblick auf\ndie ermittelte Stilllegungsflache nur bis zu einem Niveau gekurzt, das der\nFlache entspricht, die fur die Erzeugung von 92 Tonnen Getreide erforderlich\nist. Der Durchschnittsertrag fur Getreide (ohne Mais) betragt in Baden-\nWurttemberg 5,14 t/ha und fur Ölsaaten (hier Raps) 2,97 t/ha. Hieraus ergaben\nsich Flachen fur Getreide von 17,51 ha und fur Raps von 0,68 ha, zusammen\n18,19 ha. Bei Anwendung der Regelung des Art. 31 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung\n(EG) Nr. 2419/2001 errechneten sich fur den Klager Beihilfebetrage fur\nGetreide in Hohe von 5.280,31 EUR (17,51 ha x 301,56 EUR) bzw. fur Raps in\nHohe von 321,90 EUR (0,68 ha x 473,39 EUR), insgesamt 5.602,22 EUR. Bei\nAnwendung von Art. 31 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 stunde der\nKlager danach besser, weil nicht der gesamte Beihilfebetrag von 9.086,97 EUR\nzuruckzuzahlen ware, sondern lediglich 3.484,75 EUR. \n--- \n| 35 \n--- \n| 9\\. Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995 \n--- \n| 36 \n--- \n| Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995: \n--- \n| 37 \n--- \n| „Der Tatbestand der Unregelmaßigkeit ist bei jedem Verstoß gegen eine\nGemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines\nWirtschaftsteilnehmers gegeben, die einen Schaden fur den Gesamthaushaltsplan\nder Gemeinschaften oder die Haushalte, die von den Gemeinschaften verwaltet\nwerden, bewirkt hat bzw. haben wurde, sei es durch die Verminderung oder den\nAusfall von Eigenmitteleinnahmen, die direkt fur Rechnung der Gemeinschaften\nerhoben werden, sei es durch eine ungerechtfertigte Ausgabe." \n--- \n| 38 \n--- \n| Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995: \n--- \n| 39 \n--- \n| „Eine verwaltungsrechtliche Sanktion kann nur verhangt werden, wenn sie in\neinem Rechtsakt der Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unregelmaßigkeit\nvorgesehen wurde. Bei spaterer Änderung der in einer Gemeinschaftsregelung\nenthaltenen Bestimmungen uber verwaltungsrechtliche Sanktionen gelten die\nweniger strengen Bestimmungen ruckwirkend." \n--- \n| 40 \n--- \n| Art. 4 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995: \n--- \n| 41 \n--- \n| „(1) Jede Unregelmaßigkeit bewirkt in der Regel den Entzug des rechtswidrig\nerlangten Vorteils \n--- \n| 42 \n--- \n| \\- durch Verpflichtung zur Zahlung des geschuldeten oder Ruckerstattung des\nrechtswidrig erhaltenen Geldbetrags; \n--- \n| 43 \n--- \n| \\- durch vollstandigen oder teilweisen Verlust der Sicherheit, die fur\neinen Antrag auf Gewahrung eines Vorteils oder bei Zahlung eines Vorschusses\ngeleistet wurde. \n--- \n| 44 \n--- \n| (2) Die Anwendung der Maßnahmen nach Absatz 1 beschrankt sich auf den\nEntzug des erlangten Vorteils, zuzuglich - falls dies vorgesehen ist - der\nZinsen, die pauschal festgelegt werden konnen. \n--- \n(3) ... \n--- \n| 45 \n--- \n| (4) Die in diesem Artikel vorgesehenen Maßnahmen stellen keine Sanktionen\ndar." \n--- \n| 46 \n--- \n| Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995: \n--- \n| 47 \n--- \n| „Unregelmaßigkeiten, die vorsatzlich begangen oder durch Fahrlassigkeit\nverursacht werden, konnen zu folgenden verwaltungsrechtlichen Sanktionen\nfuhren: \n--- \n| 48 \n--- \n| Zahlung einer Geldbuße; \n--- \n| 49 \n--- \n| Zahlung eines Betrages, der den rechtswidrig erhaltenen oder hinterzogenen\nBetrag, gegebenenfalls zuzuglich der Zinsen, ubersteigt; dieser zusatzliche\nBetrag, der nach einem in den Einzelregelungen festzulegenden Prozentsatz zu\nbestimmen ist, darf die zur Abschreckung unbedingt erforderliche Hohe nicht\nubersteigen; \n--- \n| 50 \n--- \n| vollstandiger oder teilweiser Entzug eines nach Gemeinschaftsrecht\ngewahrten Vorteils auch dann, wenn der Wirtschaftsteilnehmer nur einen Teil\ndieses Vorteils rechtswidrig erlangt hat; \n--- \n| 51 \n--- \n| Ausschluss von einem Vorteil oder Entzug eines Vorteils fur einen Zeitraum,\nder nach den Zeitraum der Unregelmaßigkeit liegt; \n--- \n| 52 \n--- \n| vorubergehender Entzug einer Genehmigung oder einer Anerkennung, die fur\ndie Teilnahme an einem gemeinschaftlichen Beihilfesystem erforderlich ist; \n--- \n| 53 \n--- \n| Verlust einer Sicherheit oder einer Garantie, die zur Gewahrleistung der\nErfullung der Bedingungen einer Regelung geleistet wurde, oder Ruckzahlung des\nBetrags einer ungerechtfertigterweise freigegebenen Sicherheit; \n--- \n| 54 \n--- \n| weitere ausschließlich wirtschaftliche Sanktionen gleichwertiger Art und\nTragweite, wie sie in den vom Rat nach Maßgabe der sektorrelevanten\nErfordernisse erlassenen sektorbezogenen Regelungen vorgesehen sind, unter\nEinhaltung der der Kommission vom Rat ubertragenen Durchfuhrungsbefugnisse." \n--- \n| 55 \n--- \n| 10\\. Der Gerichtshof der Europaischen Gemeinschaften hat in seinem Urteil\nvom 01.07.2004 (C-295/02, Gisela Gerken/ Amt fur Agrarstruktur Verden, Rn. 53\nff.) entschieden, dass Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr.\n2988/1995 auf das Verhaltnis der beiden Verordnungen (EWG) Nr. 3887/92 und\n(EG) Nr. 2419/2001 ungeachtet des Umstandes anzuwenden ist, dass die\nVerordnung (EG) Nr. 2419/2001 nach ihren Art. 53 Abs. 1 Satz 2 und Art. 54\nAbs. 2 nicht fur Beihilfeantrage maßgeblich ist, die sich auf vor dem 1.\nJanuar 2002 auslaufende Wirtschaftsjahre oder Pramienzeitraume beziehen. Der\nGemeinschaftsgesetzgeber hat im Bereich der Kontrollen und Sanktionen der auf\ndem Gebiet des Gemeinschaftsrechts begangenen Unregelmaßigkeiten mit dem\nErlass der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995 eine Reihe allgemeiner\nGrundsatze aufgestellt, die grundsatzlich von allen sektorbezogenen\nVerordnungen zu beachten sind. \n--- \n| 56 \n--- \n| 11\\. Nach Ansicht des vorlegenden Senats mussen bei der Frage der\nAnwendbarkeit der Gunstigkeitsregelung des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung\n(EG, Euratom) Nr. 2988/1995 auf Art. 31 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr.\n2419/2001 Wortlaut und Systematik der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995\nbeachtet werden. Diese Verordnung (z.B. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 4\nund Art. 5) trennt zwischen verwaltungsrechtlichen Maßnahmen und\nverwaltungsrechtlichen Sanktionen und beschrankt die Regelung des Art. 2 Abs.\n2 Satz 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995 auf den Bereich der\nverwaltungsrechtlichen Sanktionen im Sinne von Art. 5 dieser Verordnung. Die\nFrage, in welchem Umfang eine dem Betriebsinhaber gewahrte Beihilfe zu Unrecht\nbewilligt worden ist und - hiervon ausgehend - in welchem Umfang der Empfanger\nden Geldbetrag zuruckzuzahlen hat, ist dem Bereich der bloßen\nverwaltungsrechtlichen Maßnahme und nicht dem der verwaltungsrechtlichen\nSanktion im Sinne von Art. 5 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995\nzuzurechnen. Die Einbeziehung der bloßen Verpflichtung zur Ruckerstattung\neiner zu Unrecht erlangten Beihilfe in den Begriff der verwaltungsrechtlichen\nSanktion im Sinne von Art. 5 Abs. 1 und damit auch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der\nVerordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995 scheidet danach aus. \n--- \n| 57 \n--- \n| Die Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 trennt wie auch die Verordnung (EG,\nEuratom) Nr. 2988/1995 zwischen der Ruckforderung des rechtswidrig erlangten\nVorteils als verwaltungsrechtliche Maßnahme und einer weiteren Kurzung der\nBeihilfe uber diesen Betrag hinaus als verwaltungsrechtliche Sanktion.\nÜbersteigen die Flachenangaben im Antrag die tatsachlich festgestellten\nVerhaltnisse, so richtet sich die Berechnung der dem Antragsteller zustehende\nBeihilfe nach den tatsachlichen Feststellungen (Art. 31 der Verordnung (EG)\nNr. 2419/2001, „Berechnungsgrundlage"). Die Beihilfe wird auf den Betrag\nreduziert, der sich unter Zugrundelegung der tatsachlich ermittelten Flachen\nerrechnet. Die zu Unrecht bewilligte Beihilfe ist in Hohe des rechtswidrig\nerlangten Vorteils zuruckzuerstatten. Als bloße verwaltungsrechtliche Maßnahme\nhandelt es sich hierbei aber nicht um eine Sanktion. Die mit „Kurzungen und\nAusschlusse" uberschriebenen Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001\n(Art. 32 und 38) sind dagegen dem Bereich des Art. 5 Abs. 1 der Verordnung\n(EG, Euratom) Nr. 2988/1995 zuzurechnen. Denn hier wird uber den rechtswidrig\nerlangten Vorteil hinaus eine (weitere) Kurzung der Beihilfe vorgenommen, die\nvom Ausmaß der Abweichung der angemeldeten von den tatsachlich festgestellten\nFlachen abhangig ist. Nur bei dieser Kurzung handelt es sich um eine Sanktion\nim Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995, auf die\ndie Regelung des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001\nAnwendung findet. \n--- \n| 58 \n--- \n| Der Klager hat eine Unregelmaßigkeit im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der\nVerordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995 begangen, weil er nicht samtliche auf\nden stillgelegten Flachen geerntete Ausgangserzeugnisse als Rohstoffe fur die\nHerstellung von Erzeugnissen fur Nicht-Nahrungsmittelzwecke, sondern teilweise\nals Konsumraps abgeliefert hat. Art. 9 Abs. 4 UAbs. 2 der Verordnung (EWG) Nr.\n3887/92 in der Fassung von Art. 1 Nr. 11 Buchstabe f der Verordnung (EG) Nr.\n2801/1999, der die Berechnung der Hochstflache fur Flachenzahlungen zugunsten\nder Erzeuger von Ackerkulturen regelt, fuhrt dazu, dass dem Klager wegen der\nnicht vorhandenen Stilllegungsflachen tatsachlich keine Beihilfen auch fur die\nKulturarten Raps und Getreide zustehen. Danach sind die mit Bescheid vom\n18.12.2000 bewilligten Ausgleichsleistungen in voller Hohe zu Unrecht gewahrt\nworden. Gemaß Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 ist der Klager\nzur Ruckzahlung der zu Unrecht gezahlten Betrage verpflichtet. Bei der\nVerpflichtung zur Ruckerstattung des rechtswidrig erhaltenen Geldbetrags\nhandelt es sich nach der ausdrucklichen Bestimmung des Art. 4 Abs. 4 der\nVerordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995 lediglich um eine verwaltungsrechtliche\nMaßnahme und gerade nicht um eine verwaltungsrechtliche Sanktion im Sinne\ndieser Verordnung. Die Anwendung der Gunstigkeitsregelung des Art. 2 Abs. 2\nSatz 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995 ist aber nach Wortlaut und\nSystematik dieser Verordnung auf verwaltungsrechtliche Sanktionen im Sinne von\nArt. 5 beschrankt. \n--- \n| 59 \n--- \n| 12\\. Der Klager hat demgegenuber im Verwaltungsverfahren wie im\ngerichtlichen Verfahren geltend gemacht, der Gerichtshof der Europaischen\nGemeinschaften sei in seinen bisherigen Urteilen von einem sehr weiten Begriff\nder verwaltungsrechtlichen Sanktion im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der\nVerordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995 ausgegangen. Danach habe auch Art. 31\nAbs. 3 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 den Charakter einer\nSanktionsnorm. Die Regelung des Art. 31 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr.\n2419/2001 werde durch Satz 2 eingeschrankt. Die durch Art. 31 Abs. 3 Satz 2\nder Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 bewirkte Beschrankung der nachteiligen\nFolgen einer Unregelmaßigkeit sei gemaß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung\n(EG, Euratom) Nr. 2988/1995 auch auf seinen Fall anwendbar und fuhre dazu,\ndass ihm eine Beihilfe entsprechend der Kleinerzeugerregelung des Art. 31 Abs.\n3 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 verbleibe. \n--- \n| 60 \n--- \n| 13\\. Der Gerichtshof der Europaischen Gemeinschaften hat in seinem Urteil\nvom 01.07.2004 (C-295/02, Rn. 50) festgestellt, dass die Kurzung oder gar\nAufhebung einer Beihilfe „Tiere" eine verwaltungsrechtliche Sanktion im Sinne\nvon Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995 darstellt. Dieses\nUrteil betrifft aber, anders als der hier vorliegende Fall, nicht die bloße\nRuckzahlung einer zu Unrecht bewilligten Beihilfe, sondern eine daruber\nhinausgehende weitere Kurzung der Beihilfe um den doppelten Prozentsatz der\nfestgestellten Differenz. Dies erfullt aber die Voraussetzungen einer\nverwaltungsrechtlichen Sanktion im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchstabe c der\nVerordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995, so dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 dieser\nVerordnung anzuwenden ist. Gegenstand des in Randnummer 50 des Urteils vom\n01.07.2004 erwahnten Urteils des Gerichtshofs vom 17.07.1997 (C-345/95,\nNational Farmers Union u.a., Slg. I-4559) ist ebenfalls nicht lediglich die\nRuckforderung einer zu Unrecht bewilligten Beihilfe. In diesem Fall ist zum\neinen deshalb keine Flachenbeihilfe bewilligt worden, weil die Differenz\nzwischen angegebener und tatsachlicher Flache großer als 20 % war, und zum\nanderen ist eine Pramie fur Rinder versagt worden, weil die Differenz zwischen\nangegebener und tatsachlicher Futterflache großer als 20 % war. Gegenstand des\nUrteils vom 16.05.2002 (C-63/00, Schilling und Nehring) war im Fall Schilling\ndie Kurzung einer EG-Sonderpramie fur mannliche Rinder um 40 % aufgrund von\nArt. 10 Abs. 2 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 und im Fall\nNehring die vollstandige Versagung einer Sonderpramie fur vier Ochsen, weil\ndrei Tiere nicht erst zwei Wochen nach Abgabe der Beteiligungserklarungen\ngeschlachtet worden waren und das vierte Tier nicht das Mindestschlachtgewicht\nerreicht hatte. \n--- \n| 61 \n--- \n| Aus den vorstehend genannten Urteilen des Gerichtshofs der Europaischen\nGemeinschaften zur Gunstigkeitsregelung des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der\nVerordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995 ist dementsprechend nach Ansicht des\nbeschließenden Senats nicht zu folgern, dass die Aufhebung einer Beihilfe und\ndie bloße Verpflichtung zur Ruckzahlung einer zu Unrecht bewilligten\nGeldzahlung entgegen Art. 4 Abs. 4 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995\neine verwaltungsrechtliche Sanktion im Sinne von Art. 5 Abs. 1 dieser\nVerordnung darstellt und die Anwendung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 dieser\nVerordnung rechtfertigt. \n--- \n| 62 \n--- \n| Zur zweiten Frage \n--- \n| 63 \n--- \n| Die zweite Vorlagefrage betrifft die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen\nund entfallt, sofern die erste Frage verneint wird. \n--- \n| 64 \n--- \n| 14\\. Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 \n--- \n| 65 \n--- \n| Art. 14 Abs. 1 UAbs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 lautet: \n--- \n| 66 \n--- \n| „Bei zu Unrecht gezahlten Betragen ist der betreffende Betriebsinhaber zur\nRuckzahlung dieser Betrage verpflichtet, zuzuglich der Zinsen, die fur den\nZeitraum zwischen der Zahlung und der Ruckzahlung durch den Begunstigten\nanfallen." \n--- \n| 67 \n--- \n| Wird Art. 14 Abs. 1 UAbs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 zugrunde\ngelegt, so hat der Klager auch fur den Zeitraum zwischen dem Empfang der\nZahlung und der Übermittlung des Ruckforderungsbescheids vom 16.02.2001 Zinsen\nzu zahlen. \n--- \n| 68 \n--- \n| 15\\. Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 \n--- \n| 69 \n--- \n| Art. 49 Abs. 3 UAbs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 schreibt vor: \n--- \n| 70 \n--- \n| „Die Zinsen werden fur den Zeitraum zwischen der Übermittlung des\nRuckforderungsbescheids an den Betriebsinhaber und der tatsachlichen\nRuckzahlung bzw. dem Abzug berechnet." \n--- \n| 71 \n--- \n| Nach Maßgabe von Art. 49 Abs. 3 UAbs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001\nhatte der Klager Zinsen lediglich fur den Zeitraum ab der Übermittlung des\nRuckforderungsbescheids vom 16.02.2001 zu zahlen. Damit stunde der Klager nach\ndieser Vorschrift gunstiger, weil er fur den Zeitraum vom Erhalt der Zahlung\nbis zur Übermittlung des Ruckforderungsbescheids keine Zinsen zu zahlen hatte. \n--- \n| 72 \n--- \n| 16\\. Nach Ansicht des beschließenden Senats richtet sich die Verpflichtung\nzur Zahlung von Zinsen nach den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen, die fur\ndas Wirtschaftsjahr gelten, auf das sich der Beihilfeantrag bezieht. Danach\nist grundsatzlich von der Anwendbarkeit von Art. 14 Abs. 1 UAbs. 1 der\nVerordnung (EWG) Nr. 3887/92 auszugehen, weil sich der Antrag des Klagers auf\ndas Wirtschaftsjahr 2000 bezog. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG,\nEuratom) Nr. 2988/1995 kommt nicht zur Anwendung, weil auch die Verpflichtung\nzur Zahlung von Zinsen fur den zuruckzuerstattenden Geldbetrag nach Art. 4\nAbs. 2 und 4 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995 keine\nverwaltungsrechtliche Sanktion im Sinne dieser Verordnung darstellt. Sollte\naber Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995 (Frage 1)\nauch fur die Bestimmung maßgeblich sein, inwieweit der Empfanger einer\nBeihilfe diese zu Unrecht erhalten bzw. er den Geldbetrag im Sinne von Art. 4\nAbs. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/1995 zuruckzuerstatten hat, so\nkonnte in Betracht kommen, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG, Euratom)\nNr. 2988/1995 auch auf die Verpflichtung zur Zinszahlung anzuwenden. \n--- \n| 73 \n--- \n| Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). \n---\n\n |
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141,224 | olgstut-2005-08-18-2-u-2705 | 147 | Oberlandesgericht Stuttgart | olgstut | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 2 U 27/05 | 2005-08-18 | 2019-01-08 17:33:31 | 2019-02-12 12:20:45 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung der Klagerin wird das Urteil der 41. Kammer fur\nHandelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 18.01.2005 geandert.\n\n2\\. a) Es wird festgestellt, dass alle fur Abnahmestellen in den Stadtbezirken\nS., W. und M. uber Stromversorgung nach dem Allgemeinen Tarif bestehenden\nVertrage am 01.03.2004, 0.00 Uhr, auf die Klagerin ubergegangen sind.\n\nb) Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, der Klagerin eine\nAufstellung der am 01.03.2004, 0.00 Uhr, fur Abnahmestellen in den\nStadtbezirken S., W. und M. bestehenden Vertrage uber Stromversorgung nach dem\nAllgemeinen Tarif mit den Angaben von Name und Kunden, Anschrift der\nAbnahmestelle, Zahlernummer und etwa abweichender Rechnungsanschrift zu\nubergeben.\n\n3\\. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.\n\n4\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDie Beklagten konnen die Vollstreckung wegen der Kosten durch\nSicherheitsleistung in Hohe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages,\nhinsichtlich des Ausspruches 2. b) durch Sicherheitsleistung in Hohe von\n20.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klagerin vor der Vollstreckung\nSicherheit in jeweils gleicher Hohe leistet.\n\n5\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\nGegenstandswert des Berufungsverfahrens: 50.000,00 EUR\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Berufung ist zulassig, der Sache nach von Erfolg. \n--- \nA \n--- \n| 2 \n--- \n| Zum einen wird auf die Feststellungen im angegriffenen Urteil Bezug genommen\n(§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). \n--- \n| 3 \n--- \n| Zusammenfassend: \n--- \n| 4 \n--- \n| Im Jahre 1985 hatte die Stadt V. mit der Energie-Versorgung ... (E.) einen\nauf 20 Jahre ausgelegten Konzessionsvertrag zur Versorgung des Stadtgebiets\nabgeschlossen (K 2). Die EB. war aus der Fusion der E. und der B.\nhervorgegangen und in den Konzessionsvertrag eingetreten. Sie hatte ihrerseits\nden Netzbetrieb auf eine ihrer Tochter, die Beklagte Ziff. 2, und den Vertrieb\nelektrischer Energie auf eine andere Tochter, die Beklagte Ziff. 1,\nubertragen. Beide zusammen versorgten die Anschlussnehmer des\nVersorgungsgebiets als allgemeine Versorger. Da der Konzessionsvertrag zum\n29.02.2004 endete, schlossen die Klagerin und die Beklagte Ziff. 2 im Hinblick\nauf § 13 Abs. 2 S. 2 EnWG 1998 [im Folgenden kurz: EnWG] eine „Vereinbarung\nuber den Verkauf von Stromversorgungsanlagen sowie die Übergabe von\nNetzkundenverhaltnissen" (K 3). Darin verkaufte und ubereignete die Beklagte\nZiff. 2 zum 01.03.2004 an die Klagerin die auf Gemarkung S., W. und M.\nbefindlichen Versorgungsanlagen und -einrichtungen (§ 1 Abs. 2). Der Kaufpreis\nfur den Kaufgegenstand wurde auf brutto uber 18 Mio. EUR festgelegt. In § 1\nAbs. 1 dieses Vertrages wurde niedergelegt, dass die Klagerin der Ansicht sei,\ndass mit dem Verkauf der Versorgungsanlagen auch die Tarifkunden automatisch\nauf sie ubergegangen seien. Die Beklagte Ziff. 2 druckte ihre Auffassung aus,\ndass nur die Anlagen ubertragen seien. Da kein Einvernehmen insoweit zu\nerreichen war, wurde - allerdings ohne Prajudiz fur die Streitfrage - nur die\nÜbertragung der Anlagen geregelt. „Der [Klagerin] bleibt es unbenommen, die\nFrage des Übergangs der Standardlastprofilkunden gerichtlich klaren zu\nlassen". Mit der vorliegenden Klage erstrebt die Klagerin diese Klarung,\nnamlich die Frage, ob mit der Übernahme der Versorgungsanlagen auch die\nTarifkunden - nicht die Sonderkunden - auf sie ubergegangen sind. Die Stadt V.\nhat fursorglich eigene Anspruche insoweit gegen die Beklagten an die Klagerin\nabgetreten (K 5). \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Klagerin hat im Wesentlichen den Standpunkt eingenommen, dass es zu\ndieser Frage zwar keine ausdruckliche gesetzliche Regelung gebe, dass aber dem\nInbegriff des Energiewirtschaftsrechts, das zum Zeitpunkt des\nVertragsschlusses gegolten habe und die maßgebliche Rechtsgrundlage fur die\nvorliegende Entscheidung darstelle, der Übergang dieser Kundenbeziehungen zu\nentnehmen sei. Der Tarifkunde, der durch die bloße Entnahme des Stroms ein\nsolcher werde, entspreche dem Stromkundenleitbild des Gesetzgebers. Er sei der\ngesetzgeberisch vorgegebene Standardkunde, der durch staatliche Preiskontrolle\nund ein staatlich beaufsichtigtes Tarifwerk einen besonderen Schutz genieße.\nDemgegenuber sei der Sonderkunde nur Allgemeinen Geschaftsbedingungen des\njeweiligen Energieversorgers unterworfen, welche der staatlichen Aufsicht\nnicht unterlagen und insbesondere unschwer zum Nachteil des Kunden geandert\nwerden konnten. Diese dem Energiewirtschaftsrecht immanente klare Stufung der\nKundentypen fuhre dazu, dass im hier vorliegenden Fall des Übergangs der\nVersorgungsanlagen, also auch des Wechsels in der Stellung des allgemeinen\nVersorgers, der Tarifkunde, weil er Kunde des allgemeinen Versorgers sei,\ndiesem automatisch folge. Dies drucke sich auch in § 32 Abs. 6 AVBEltV aus.\nDies sei im Hinblick auf den Streit der Parteien gerichtlich feststellend\nauszusprechen. Da beide Beklagten bislang die Rolle des allgemeinen Versorgers\ninnegehabt hatten, seien auch beide richtige Adressaten des\nFeststellungsbegehrens. Als Nebenpflicht aus dem Kundenubergang folge die\nPflicht der Beklagten, der Klagerin mitzuteilen, welche Kunden zum\nVertragsstichtag 01.03.2004 Tarifkunden gewesen seien. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Klagerin hat beantragt: \n--- \n| 7 \n--- \n| -sinngemaß wie zweitinstanzlich -. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Beklagten haben beantragt, \n--- \n| 9 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Sie haben schon die Zulassigkeit des Antrags Ziff. 1 in Abrede gestellt. Er\nsei unbestimmt, da er die Kunden nicht benenne. Das Auskunftsbegehren zeige\ngerade die Unverzichtbarkeit einer solchen Anforderung. Dieses gewunschte\nKlarungsbedurfnis hatte allenfalls in Umkehrung der Antrage in einer\nStufenklage geschehen konnen. Der Sache nach sei schon die Beklagte Ziff. 2\nnicht richtige Beklagte. Denn sie sei nur Inhaberin der Anlagen gewesen, habe\nnur diese veraußert und sei danach ohne Bezug zu irgendwelchen\nKundenverhaltnissen. Ungeachtet dessen sei es zu keinem Übergang der mit der\nBeklagten Ziff. 1 bestandenen Kundenbeziehungen gekommen, noch habe die\nKlagerin einen Anspruch auf eine Übertragung. § 13 Abs. 2 EnWG regele nur die\nÜbertragung der Versorgungsanlagen und -einrichtungen. Eine Vorschrift, wonach\nauch die Kunden ubergehen, fehle gerade. § 32 Abs. 6 AVBEltV regele dies\nebenso wenig, sondern erleichtere nur einen Wechsel, falls ein solcher\nzwischen den Versorgungstragern gewollt sei. An einem solchen Willen fehle es\naber vorliegend. Das zum Rechtsinstitut aufgebaute Kundenleitbild\ntransportiere nur uberholte monopolistische Vorstellungen der Klagerin,\nwelchen der Gesetzgeber des EnWG schon zu Gunsten der Öffnung des\nEnergiemarktes und gepragt vom Willen, beide Kundentypen gleichwertig\nnebeneinander zu stellen, eine klare Absage erteilt habe. Dies entspreche auch\nder Wirklichkeit des Marktes. Denn die Beklagte Ziff. 1 verlange von ihren\nbisherigen Tarifkunden im streitbetroffenen Versorgungsgebiet weiterhin die\nnamlichen Tarife. \n--- \n| 11 \n--- \n| Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Beklagte Ziff. 2 schon\nnicht als passivlegitimiert angesehen, weil diese reine Netzgesellschaft sei,\nwahrend der Streit vorliegend um Tarifkunden(vertrags-)verhaltnisse gehe. Das\nzeichne im Übrigen auch der Übernahmevertrag folgerichtig nach (insbesondere\ndort § 5, vgl. K 3). Die Feststellungsklage sei zwar zulassig, der Sache nach\nunbegrundet. Ein Vertragsubergang sei gesetzlich nicht vorgegeben. Nach der\nLiberalisierung des Strommarktes sei das von der Klagerin in Anspruch\ngenommene Stromkundenleitbild, wonach nur der aktiv zu einem\nDurchleitungsunternehmen ubertretende Verbraucher diesem Energieversorger\nzufalle, wahrend alle sonstigen Kunden auch im Falle eines Wechsels des\nNetzbetreibers diesem als Tarifkunden folgen mussten, entfallen. Die\nangebliche Mehrbelastung des Allgemeinen Versorgers, zu dem die Klagerin zwar\ngeworden sei durch die Vorhaltepflichten in dieser Funktion, werde wettgemacht\ndurch den automatischen Neukundenanfall bei ihr durch den bloßen Tatbestand\nder Entnahme von Elektrizitat durch diese Kunden. Ein einmal unterstelltes\nRechtsinstitut der Allgemeinen Versorgung erfordere nicht die Zuweisung aller\nKunden beim Wechsel des Netzbetreibers. Diese Sicht bedinge auch die\nAbweisungsreife des an sich zulassigen Antrags Ziff. 1 b; Gleiches gelte fur\nden Klageantrag Ziff. 2 (Auskunft). \n--- \n| 12 \n--- \n| Dagegen wendet sich die Berufung der Klagerin, die ihr erstinstanzliches\nVorbringen zu Berufungsrugen erhebt und insbesondere an der Zulassigkeit der\nKlagantrage festhalt. Die Passivlegitimation der Beklagten Ziff. 2 folge\ndaraus, dass § 10 EnWG von einer Einheitlichkeit von Anschluss und Versorgung\nausgehe, welcher die Beklagtenseite durch eine konzerninterne Aufspaltung von\nZustandigkeiten auch im Hinblick auf § 36 Abs. 2 S. 1 GWB nicht entgehen\nkonne. Der Übergang der einzig Streitgegenstand bildenden Tarifkundenvertrage\nfolge aus dem Rechtsinstitut der Allgemeinen Versorgung, welches sich auch\netwa in den §§ 10 Abs. 1, 13 Abs. 2 EnWG, sowie dem Preisaufsichtsrecht und\nden staatlichen Vorgaben in den AVBEltV und BTOElt widerspiegle, das ein\nStromkundenleitbild verkorpere, wonach der Standardpartner des Verbrauchers\nder Allgemeine Versorger sei, der - anders als die Beklagten nun - auch einem\nspeziellen Rechtsregime unterliege, von dessen Fortbestand im Verhaltnis zu\nihm der Tarifkunde auch bei einem Wechsel des Netzbetreibers ausgehe. Das EnWG\n2005 sei nicht maßgebliche Beurteilungsgrundlage. Der dortige § 36 Abs. 3\nberuhe ohnehin auf einem Paradigmenwechsel des Gesetzes und sei danach im\nUmkehrschluss Bekraftigung der Klagermeinung, dass unter dem hier maßgeblichen\nRecht des EnWG 1998 der Übergang des Tarifkunden beim Wechsel des\nNetzbetreibers und des Allgemeinen Versorgers dem gesetzgeberisch gewollten\nRegelfall entspreche. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Klagerin beantragt: \n--- \n| 14 \n--- \n| Unter Abanderung des am 18.01.2005 verkundeten Urteils des Landgerichts\nStuttgart - Az.: 41 O 111/04 KfH - 1. festzustellen, \n--- \n| 15 \n--- \n| a. dass alle fur Abnahmestellen in den Stadtbezirken S., W. und M. uber\nStromversorgung nach dem Allgemeinen Tarif bestehenden Vertrage am 01.03.2004,\n0.00 Uhr, auf die Klagerin ubergegangen sind, \n--- \n| 16 \n--- \n| hilfsweise zu a: \n--- \n| 17 \n--- \n| b. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, alle fur Abnahmestellen\nin den Stadtbezirken S., W. und M. uber Stromversorgung nach dem Allgemeinen\nTarif bestehenden Vertrage mit wirtschaftlicher Wirkung zum 01.03.2004, 0.00\nUhr, auf die Klagerin zu ubertragen, \n--- \n| 18 \n--- \n| 2\\. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, der Klagerin eine\nAufstellung der am 01.03.2004, 0.00 Uhr, fur Abnahmestellen in den\nStadtbezirken S., W. und M. bestehenden Vertrage uber Stromversorgung nach dem\nAllgemeinen Tarif mit den Angaben von Name und Kunden, Anschrift der\nAbnahmestelle, Zahlernummer und etwa abweichender Rechnungsanschrift zu\nubergeben. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Beklagten beantragen: \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Berufung wird zuruckgewiesen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Sie halten an ihren Rugen der Unzulassigkeit des Klagantrages Ziff. 1 fest.\nIm Übrigen verteidigen sie die angefochtene Entscheidung als richtig. Sie\nsehen mit dem Inkrafttreten des EnWG 2005 dieses Gesetz als auch fur den\nvorliegenden Streit maßgebliche Beurteilungsgrundlage an, welches im Übrigen\nin § 36 Abs. 3 den bisher schon geltenden Rechtszustand klarstelle und damit\nauch das Ergebnis bei einer Beurteilung nach altem Recht vorgebe. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Beklagten haben in der mundlichen Verhandlung vor dem Senat erstmals die\nEinrede eines Zuruckbehaltungsrechtes erhoben. Denn sollte die Klagerin mit\ndem Netzkauf auch zugleich die Kundenbeziehungen erlangt haben, so sei dieser\nwerthaltige Kundenstamm vom Kaufpreis nicht erfasst und jedenfalls durch einen\nKaufpreisnachschlag auszugleichen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Klagerin sieht im Kundenstamm vorliegend keinen Vermogenswert der\nBeklagten, da durch das gesetzlich vorgegebene Ende des Konzessionsvertrages\ninsoweit ein Besitzstand der Beklagten fehle. Jedenfalls aber seien auch die\nKundenbeziehungen vom Kaufpreis erfasst. Im Übrigen rugt die Klagerin dieses\nneue Vorbringen als verspatet und unsubstanziiert. \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Senat hat sich die letztgenannten Einwendungen zu Eigen gemacht. \n--- \n| 25 \n--- \n| Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsatze sowie\ndie Verhandlungsniederschriften verwiesen. \n--- \nB \n--- \n| 26 \n--- \n| Der Senat vermag der landgerichtlichen Entscheidung nicht zu folgen. \n--- \n| 27 \n--- \n| 1\\. Der Feststellungsantrag ist zulassig. \n--- \na) \n--- \n| 28 \n--- \n| aa) Rechtsverhaltnis im Sinne des § 256 ZPO ist jedes Schuldverhaltnis\nzwischen den Parteien, insbesondere die Frage der Wirksamkeit, der Auslegung\noder der Beendigung eines Vertrages (Greger in Zoller, ZPO, 25. Aufl., § 256,\n4). So konnen etwa Miteigentumer den Umfang ihrer Verpflichtung gegenuber\neinem Pachter auch untereinander feststellen lassen (Foerste in Musielak, ZPO,\n4. Aufl., § 256, 22 m.N.). Auch der BGH hat ein Feststellungsinteresse in\neinem Fall angenommen, in dem zwischen zwei moglichen Schuldnern durch die\nFeststellungsklage des einen gegen den anderen geklart werden soll, wer von\nbeiden fur eine betreffende Verbindlichkeit haftet (BGH NJW 1993, 2539, 2540). \n--- \n| 29 \n--- \n| bb) Dem steht der vorliegende Streit daruber, ob bestimmten Dritten\ngegenuber durch den zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag\nVertragsverpflichtungen begrundet worden sind, nicht nach. \n--- \n| 30 \n--- \n| b) Zwar gilt grundsatzlich die Subsidiaritat der Feststellungsklage\ngegenuber einer moglichen gleichgerichteten Leistungsklage. Ob die\nFeststellungsklage deshalb zulassig ist, da schon das Feststellungsurteil zur\nendgultigen Streitbeilegung fuhren wurde, weil die Beklagten erwarten ließen,\ndass sie bereits auf die Feststellung hin leisten wurden (BGH NJW 1999, 3774,\n3775; Greger a.a.O. 8), kann auf sich beruhen. Denn sind - wie darzustellen\nsein wird - die Tarifkundenverhaltnisse tatsachlich schon zum Stichtag auf die\nKlagerin ubergegangen, so bedarf es eines weiteren Vollzuges insoweit nicht,\ndamit auch keiner weiteren Mitwirkungshandlungen der Beklagten, denen sie sich\nwidersetzen oder entziehen konnten. Auch im Interesse der Kunden und\ninsbesondere im Verhaltnis der Beteiligten untereinander besteht ein klar\nabgegrenzter, aber wirtschaftlich hoch relevanter Klarungsbedarf, der sich\nreduzieren lasst auf die Frage, wem die Tarifkunden verblieben oder zugefallen\nsind. Diese Klarung haben die Beteiligten dem Gericht zugewiesen. Dies stellt\nden Klarungsgegenstand dar. Diesem Interesse ist durch gerichtliche\nBeantwortung der Frage zu entsprechen und Genuge getan. Ein dieses Interesse\nin gleicher Weise aufnehmender und verfahrensrechtlich gleichwertig\nausschopfender Leistungsantrag ist danach nicht ersichtlich und von den\nParteien auch nicht aufgezeigt. \n--- \n| 31 \n--- \n| c) Dem steht nicht entgegen, dass die Klagerin als zweiten Hauptantrag\nAuskunft uber die ihr bei der gedachten Bescheidung der Rechtsfrage zu ihren\nGunsten zugefallenen Tarifkunden verlangt. \n--- \n| 32 \n--- \n| Trotz großzugiger Bejahung eines Stufenklageverhaltnisses (BGH MDR 1964,\n665) ist vorliegend von einer solchen Klageform nicht auszugehen. Denn ein\nKlager ist nicht gehindert, von der ihm gemaß § 254 ZPO eingeraumten\nMoglichkeit keinen Gebrauch zu machen (OLG Zweibrucken FamRZ 1969, 230, 231).\nSo liegt es hier. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Klagerin trotz\nentsprechender Ruge der Beklagten (Bl. 211) nicht erklart hat, in diesem Sinne\nsei ihre Antragsfassung zu verstehen. \n--- \n| 33 \n--- \n| bb) Diese war vorliegend auch nicht geboten. \n--- \n| 34 \n--- \n| (1) Grundsatzlich kann neben der Klage auf Feststellung der\nSchadensersatzpflicht des beklagten Schadigers fur ein Unfallereignis auch ein\nInteresse fur einen Feststellungsantrag auf Ersatz einer bestimmten\nSchadensposition anerkannt werden, wenn diese Antrage von unterschiedlichem\nrechtlichen Gehalt sind und in ihrer praktischen Bedeutung in ganzlich\nunterschiedliche Richtungen gehen (BGH NJW 1999, 3774, 3775). \n--- \n| 35 \n--- \n| (2) Dem ist die vorliegende Gestaltung vergleichbar. Der Feststellungsantrag\nsoll die von den Parteien dem Gericht uberantwortete Grundfrage einer Antwort\nzufuhren, die einen in sich geschlossenen Klarungsgegenstand und -bedarf\naufweist. Der Auskunftsanspruch ist seinerseits zwischen den Parteien dem\nGrunde nach nicht im Streit. Er wird einzig mit dem Hinweis bekampft, die\nKlagerin verfuge aufgrund der Anmeldung der Durchleitungsverhaltnisse bereits\nuber die begehrte Kenntnis. Insoweit ist ein Teilaspekt in Vollzug eines\nbereits stattgehabten Vertragsubergangs betroffen, der das grundsatzlich\nanzuerkennende Feststellungsinteresse nicht beruhrt. \n--- \n| 36 \n--- \n| 2\\. Die Parteien selbst haben die Frage der Zuordnung der Tarifkunden\nbewusst offen gelassen (§ 1 Abs. 1 Kaufvertrag [Übernahmevertrag]) und die\nKlarung dieser Frage im Ergebnis den Gerichten zugewiesen. \n--- \n| 37 \n--- \n| 3\\. Mit den Parteien besteht Einigkeit, dass diese Frage eine ausdruckliche\ngesetzliche Regelung nicht gefunden hat, und zwar weder im Sinne einer\nNachfolge- noch im Sinne einer Verbleiberegel. \n--- \n| 38 \n--- \n| a) Die zur Entscheidung gestellte Rechtsfrage beurteilt sich nach dem zum\nZeitpunkt des Verkaufs geltenden Recht, falls - wie aufzuzeigen sein wird -\nder Vertragsubergang sich bereits zum damaligen Zeitpunkt vollzogen hat. Es\ngeht dann um die Aufbereitung eines schon historischen Vorgangs. Danach ist\naltes Recht maßgeblich, also solches vor Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes\nzur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 07.07.2005 (BGBl I 2005, 1970\nf) und nicht - wie die Beklagten meinen (Bl. 275) - das zum Zeitpunkt der\nletzten mundlichen Verhandlung geltende, zumal das Energiewirtschaftsgesetz\n2005 auch keine hier relevante Übergangsregelung (vgl. § 118 EnWG 2005)\nenthalt, schon gar nicht eine solche mit Ruckwirkung fur den vorliegenden\nFall. \n--- \n| 39 \n--- \n| Danach sind die nachfolgend wiedergegebenen Paragraphen des EnWG solche der\nFassung aus dem Jahre 1998 und nur bei besonderer Klarstellung solche des\nneuen Rechts (EnWG 2005). \n--- \n| 40 \n--- \n| b) § 13 Abs. 2 S. 2 EnWG regelt seinem klaren Wortlaut nach nur den Übergang\nvon „fur die allgemeine Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen\nVerteilungsanlagen" im Falle einer Überlassung, also gerade nicht die Frage\ndes Übergangs von Kundenvertragsverhaltnissen (vgl. auch Sacker/Dormer RdE\n2002, 161, 162 [B 5]). \n--- \n| 41 \n--- \n| c) Auch neigt der Senat nicht dazu, eine Übergangsautomatik der\nTarifkundenbeziehungen auf den allgemeinen Versorger oder einen entsprechenden\nÜbertragungsanspruch aus einer gar zum Rechtsinstitut erstarkten Rechtsfigur\ndes Allgemeinen Energieversorgers abzuleiten. Denn gleichgerichtete Anspruche\nlassen sich - wie darzustellen sein wird - aus einer am Vertragstypus und den\nInteressen des Tarifkunden ausgerichteten Vertragsauslegung herleiten, ohne\ndass es der Konstruktion eines konturenlosen Anspruchsinstituts des\nAllgemeinen Versorgers bedarf. \n--- \n| 42 \n--- \n| d) Der Übertragung von Kundenbeziehungen stehen nicht die §§ 414, 415 BGB\nentgegen. Zwar geben diese Bestimmungen bei einer Schuldubernahme fur deren\nWirksamkeit die Genehmigung des Glaubigers, hier des Stromkunden, vor (§ 415\nAbs. 1 BGB; vgl. auch Sacker/Dormer a.a.O. 171; Budenbender, EnWG, § 13, 70 [B\n7]). Diese (Voraus-)Genehmigung hat der Kunde aber bereits nach § 32 Abs. 6\nAVBEltV erklart, wo es heißt: \n--- \n| 43 \n--- \n| „Tritt anstelle des bisherigen Elektrizitatsversorgungsunternehmens ein\nanderes Unternehmen in die sich aus dem Vertragsverhaltnis ergebenden Rechte\nund Pflichten ein, so bedarf es hierfur nicht der Zustimmung des Kunden. Der\nWechsel des Elektrizitatsversorgungsunternehmens ist offentlich bekannt zu\nmachen. Der Kunde ist berechtigt, das Vertragsverhaltnis mit zweiwochiger\nFrist auf das Ende des der Bekanntmachung folgenden Monats zu kundigen." \n--- \n| 44 \n--- \n| Das sehen die Parteien im Ergebnis nicht anders. Unstreitig ist auch, dass\ndie Klagerin die in dieser Vorschrift vorausgesetzte Verlautbarung vorgenommen\nhat. Auch die Beklagten raumen ein, dass „die Zustimmungsfiktion des § 32 Abs.\n6 AVBEltV lediglich die fehlende Zustimmung des Tarifkunden [ersetzt]" (Bl.\n82, 111), nicht aber „die fehlende Zustimmung der Beklagten zu 1)" (Bl. 81,\n100; vgl. auch Bl. 218). \n--- \n| 45 \n--- \n| 4\\. Die Zustimmung der Beklagten fehlt nicht. Dies ergibt sich durch\nerganzende Vertragsauslegung des zwischen den Beklagten und ihren bisherigen\nTarifkunden Gewollten. \n--- \na) \n--- \n| 46 \n--- \n| aa) Voraussetzung fur eine erganzende Vertragsauslegung ist, dass die\nVereinbarung der Parteien eine Regelungslucke - eine planwidrige\nUnvollstandigkeit - aufweist (BGH NJW 2002, 2310; 2002, 1260). Eine erganzende\nVertragsauslegung kommt nicht nur in Betracht, wenn die Parteien einen Punkt\nubersehen haben, sondern auch dann, wenn sie ihn offen gelassen haben, weil\nsie - aus welchen Grunden auch immer - eine Regelung dieses Punktes fur nicht\nerforderlich hielten (BGH NJW 2002, 1260, 1262) oder ihn bewusst offen\ngelassen haben und gleichwohl den Vertragsabschluss gelten lassen wollten (BGH\nNJW 1982, 2816, 2817; BB 1967, 1355; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 157,\n3; Wendtland in Bamberger/Roth, BGB [2003], § 157, 36 m.N.). Die erganzende\nVertragsausfullung scheidet aus, wenn zur Luckenschließung dispositives Recht\nzur Verfugung steht (BGH NJW 2001, 819, 820). \n--- \n| 47 \n--- \n| bb) Die Luckenschließung ist auf die Ermittlung des hypothetischen\nParteiwillens nicht beschrankt; dieser ist vielmehr unter Einbeziehung einer\nobjektiven Abwagung der beiderseitigen Interessen zu ermitteln (BGH NJW 1993,\n3193, 3194). \n--- \n| 48 \n--- \n| b) Maßgeblich fur die Auslegung ist hier der mutmaßliche Wille der\nTarifkunden, dem die Parteien bei redlicher Berucksichtigung auch von deren\nInteressen angemessen und vorliegend durch die Einwilligung in ihren Übergang\nauf den, der nun allgemeiner Versorger ist, Rechnung getragen haben. \n--- \n| 49 \n--- \n| aa) Zwar ist nicht zu verkennen, dass das EnWG in Umsetzung\neuroparechtlicher Vorgaben eine Öffnung des Strommarktes und damit dessen\nLiberalisierung herbeifuhren wollte und in Teilen herbeigefuhrt hat. § 6 Abs.\n1 EnWG und § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB sowie die Aufhebung der vormaligen\nFreistellungsregeln in den §§ 103 und 103 a GWB waren gesetzgeberischer\nAusdruck hierfur. § 6 Abs. 1 EnWG eroffnete ein Durchleitungsrecht gegen\nangemessenes Entgelt und brach damit das Monopol des Netzinhabers/-betreibers\nauf. Damit war das Einfallstor fur Wettbewerb geschaffen. Ungeachtet der\nFrage, ob eine vollige Gleichstellung durch das Gesetz selbst schon\nherbeigefuhrt und ob damit quantitativ uberhaupt nennenswert Wettbewerb nicht\nnur begunstigt, sondern tatsachlich auch geschaffen worden ist, so hat dieser\nGesetzeszweck des EnWG jedoch die Vertragsstellung eines Tarifkunden nicht per\nse verandert und diesen Vertragstypus entwertet. \n--- \n| 50 \n--- \n| bb) Auch unter dem Regime des § 6 Abs. 1 EnWG war der insbesondere durch\nWerbung vom Durchleitungsunternehmen angesprochene und letztlich\nwechselwillige Tarifkunde stets zu einem actus contrarius, einer den\nNormalzustand des faktischen Vertragsverhaltnisses aufbrechenden\neigenstandigen Willenserklarung aufgerufen. Die vertragliche Zugehorigkeit zum\nbloßen Durchleiter erforderte danach, den Wechselwillen durch eine bewusste\nEntscheidung (Kundigung in Schriftform, §§ 36 Abs. 6, 37 AVBEltV) und dies mit\neinigem damit verbundenen Aufwand zu manifestieren. Sonderkunde wurde nur der\ngewillkurte Wechselkunde. \n--- \n| 51 \n--- \n| cc) Gegen den Wechsel des Kundenstatus\' als Tarifkunde sprach nicht nur das\nTragheitsmoment vieler Kunden und eine nicht unverbreitete konservativ-\nbeharrende Verbraucherhaltung, sondern auch das als Vorteil anzusehende\nRechtsregime zu Gunsten dieses Kundentyps. Unstreitig ist, dass die Tarife des\nStromdurchleiters sich aus Allgemeinen Tarifbedingungen, also einseitig,\nwenngleich marktorientiert geschaffenen Vertragsbestimmungen ergeben. Sie\nunterliegen keiner Preisaufsicht und allenfalls einer vertragsrechtlichen\nUnwirksamkeits- oder Unzumutbarkeitskontrolle. Der Durchleiter kann ohne\naufsichtsrechtliche Beschrankung die Tarife andern (§ 4 AVBEltV). Dagegen wird\nder Tarifkunde einer durch § 11 Abs. 1 EnWG ermachtigten Kontrolle der\nAllgemeinen Tarife und Versorgungsbedingungen versichert. Die AVBEltV und die\nBTOElt sind Ausdruck dieser staatlichen Aufsicht. Dass - wie der Senat aus\neinem Rechtsstreit gerade unter Beteiligung der Beklagten weiß \\- in Baden-\nWurttemberg der damalige Wirtschaftsminister die Energieunternehmen\naufgefordert hatte, den Antrag auf Befreiung von der Tarifgenehmigung hin zur\nbloßen Tarifanzeige zu stellen, was denn auch geschehen ist, weshalb - wie\nunstreitig ist - seit 1999 in Baden-Wurttemberg nur eine Anzeigepflicht\nbesteht (Bl. 119, 222), andert an der Kontrollunterworfenheit des Tarifwerks\nnichts. Denn gleichwohl standen die Tarife damit im Ansatz weiter unter\noffentlich-rechtlicher Aufsicht, die zumindest bei gewissen\nEntgleisungserscheinungen wieder hatte intensiviert werden konnen (Widerruf\nder Genehmigungsfreistellung). Zudem hatte der Kunde einen gesetzlich\nverbrieften Anspruch auf Anschluss und Versorgung gegenuber dem allgemeinen\nVersorger (§ 10 Abs. 1 S. 1 EnWG). Ferner lagen beide Aspekte des\nEnergiebezuges (Netz und Versorgung) in einer Hand. Zwar mag dies bei\nDurchleitern im Wege von all-inclusive-Vertragen etwa durch\nVollmachtserteilung des Kunden ebenfalls im Ergebnis hergestellt werden (vgl.\nBeklagte etwa Bl. 120). Die Klagerin bietet dies jedoch ohne rechtliche\nSonderkonstruktion und Betrauung anderer mit der Wahrnehmung eigener\nInteressen. Angesichts dieses Auseinanderfallens in der Rechtsposition des\nKunden fehlte es trotz der Öffnung der Strommarkte fur reine Stromlieferanten\nan der Gleichheit und damit Gleichwertigkeit der Versorgungsangebote. Der\nGesetzeszweck hat eine Marktoffnung angestrebt und in Teilen erreicht, nicht\naber die Entscheidung des Tarifkunden, nicht Sonderkunde sein zu wollen,\naufgehoben und in die Disposition von Stromversorgern gestellt. Er hat die\nGleichheit der beiden Kundentypen begunstigt, nicht aber sie durch Zuweisung\nvon Kunden zu bestimmten Energieversorgern selbst vorgenommen. Denn an einer\nsolchen Zuweisungsnorm fehlt es gerade. \n--- \n| 52 \n--- \n| dd) Der Tarifkunde ist nicht als Teil eines Kundenstammes frei verfugbare\nVermogensmasse eines Energieversorgungsunternehmens. Seine durch faktisches\nHandeln (Anschluss) rechtlich als schlussige Entschließung zu bewertende\nEntscheidung ist zu beachten und bestimmt vorliegend nach den Regeln einer -\nerganzenden - Vertragsauslegung seines bisherigen\nTarifkundenvertragsverhaltnisses mit den Beklagten seine letztliche Zuordnung\nzum Kundenstamm eines Energieversorgungstragers. Diese Auslegung fuhrt dazu,\ndass die vormaligen Tarifkunden der Beklagten mit dem Übergang des\nVersorgungsnetzes solche der Klagerin sind. \n--- \n| 53 \n--- \n| (1) Dabei setzt die erganzende Auslegung nicht am Übernahmevertrag und\nseinem § 1 Abs. 1 und der dort bewusst gelassenen Lucke an. Denn dort hat -\njedenfalls im Ansatz - die Beklagte Ziff. 2 unmissverstandlich erklart, nur\ndie Versorgungsanlagen verkaufen zu wollen, uber keinen Bezug zu Kunden zu\nverfugen und uber solche auch nicht verfugen zu wollen. Wenn die Klagerin\nmeine, einen Übergangs- oder Übertragungsanspruch jenseits des Vertrages aus\nobjektivem Recht zu haben, solle sie diesen einklagen. Einen solchen Anspruch\nverneinte die Beklagte Ziff. 2 und wies jegliche auch nur vertragsimmanente\nMitwirkung an solchen erstrebten Anspruchen zuruck. \n--- \n| 54 \n--- \n| (2) Die Klagerin hat die Tarifkundenvertragsverhaltnisse jedoch aufgrund der\nzu erganzenden Vertragsgestaltung der Rechtsbeziehungen der Beklagten Ziff. 1\nzu ihren Tarifkunden, die eben nicht Sonderkunden sind, bereits inne. Die\nBeklagte Ziff. 1 hatte ihrem Tarifkunden bislang im Verbund mit der Beklagten\nZiff. 2 als Netzbetreiberin den Strom geliefert und war in einer\nFunktionseinheit mit der Beklagten Ziff. 2 dem Tarifkunden allgemeiner\nVersorger. Das durch bloßen Anschluss zustande gekommene faktische\nVertragsverhaltnis mit einem gesetzlich vorgegebenen Vertragsregime konnten\ndie Beklagten jedoch mit dem Verkauf der Versorgungsanlagen nicht mehr\nerfullen. Insbesondere die Beklagte Ziff. 1 war selbst nur noch zu einem\nDurchleitungsunternehmen nach § 6 Abs. 1 EnWG geworden, vermochte ihre\nSonderkunden insofern zu bedienen, nicht mehr aber war sie in der Lage, die\nStellung des allgemeinen Versorgers gegenuber dem Tarifkunden wahrzunehmen.\nDies mag diesem gegenuber durch die Aufrechterhaltung von Tarifbedingungen,\nwie sie nun die Klagerin als allgemeine Versorgerin ihren Tarifkunden\ngegenuber zu erbringen hatte, durch die Beklagte im Ergebnis verborgen\ngehalten worden sein. Dadurch ist der aber Tarifkunde gebliebene und nicht\nwechselwillige Tarifkunde nicht zum Sonderkunden der Beklagten nur zu\nTarifbedingungen eines allgemeinen Versorgers geworden. Der Tarifkunde hielt\nan seinem Vertragsstatus fest und konnte auch von dem Fortbestand dieses\nVertragsregimes ausgehen. Die Beklagte konnte es ihm nicht verschaffen, da sie\ndurch den Verkauf der Versorgungsanlagen im Hinblick auf § 10 Abs. 1 EnWG ihre\nStellung als allgemeiner Versorger verloren hatte. Danach hatte der Kunde\nseinem bisherigen allgemeinen Stromversorger gegenuber, den Beklagten, allemal\neinen Anspruch auf Entlassung in ein Vertragsverhaltnis mit der Klagerin, da\nnur diese nicht nur einem Tarifkunden ahnliche oder gleiche Bedingungen,\nsondern auch tatsachlich den aufgezeigten rechtlichen Status eines Tarifkunden\ngewahrleisten konnte. Der Anspruch beschrankte sich aber nicht auf einen\nbloßen Übertragungsakt. Denn die Rechtsverhaltnisse sind so ausgestaltet, dass\nsie den tatsachlichen Gegebenheiten folgen. Der Tarifkunde konnte\nTarifkundenstrom nur noch von der Klagerin beziehen. Mit der Aufgabe des\nNetzes durch die Beklagtenseite war der Strombezug durch den Tarifkunden\njuristisch nun zur Belieferung durch die Klagerin geworden. In der Preisgabe\nihrer allgemeinen Versorgerstellung hatte die Beklagte Ziff. 1 auch aufgrund\nihrer Vertragspflicht gegenuber dem Kunden konkludent eingewilligt, diesen\njenem Versorgungstrager zuzufuhren, der ihm nicht nur Tarifkundenbedingungen,\nsondern auch die Rechtsstellung eines Tarifkunden vermitteln konnte. Durch\nBezug von Strom aus dem Netz der Klagerin war der Tarifkunde nach dem\nwohlverstandenen Vertragswillen der Beklagten, insbesondere der Beklagten\nZiff. 1, als Tarifkunde auf die Klagerin ubergegangen und ihr Tarifkunde\ngeworden. Darin hatte der Kunde auch vorauseilend in § 32 Abs. 6 AVBEltV\neingewilligt. \n--- \n| 55 \n--- \n| Damit hatte sich bereits durch den Erhalt des Vertragstypus und die Abnahme\ndes Stroms nun aus dem Netz der Klagerin von ihr als allgemeiner Versorgerin\nder Vertragsubergang vollzogen, der nun festzustellen ist. \n--- \n| 56 \n--- \n| c) Diese Wertung bedarf auch keiner Korrektur im Hinblick auf das EnWG 2005\nund die dort in § 36 Abs. 3 getroffene Regelung: \n--- \n| 57 \n--- \n| „Im Falle eines Wechsels des Grundversorgers infolge einer Feststellung nach\nAbsatz 2 gelten die von Haushaltskunden mit dem bisherigen Grundversorger auf\nder Grundlage des Absatzes 1 geschlossenen Energieliefervertrage zu den im\nZeitpunkt des Wechsels geltenden Bedingungen und Preisen fort." \n--- \n| 58 \n--- \n| Wie aufgezeigt ist diese Vorschrift hier schon nicht maßgebliche\nBeurteilungsgrundlage. Ungeachtet dessen ergibt sich aus ihr im Übrigen nicht\nzwingend ein Argument fur die Beklagten, aus ihr lasst sich unschwer eher ein\nArgument fur die Klagerin gewinnen. Denn mit dieser Regel wird nicht eine\nBleiberegelung fortgeschrieben und die bisherige Rechtslage nur klargestellt.\nSchon die Vorbemerkung der Gegenaußerung der Bundesregierung spricht von einem\n„Paradigmenwechsel fur den Rechtsrahmen der Strom- und Gasversorgung in\nDeutschland" (B 10 = Bl. 141 - Anl.; vgl. auch Hellermann IR 2004, 266 [= Bl.\n145]). Das Gesetz lost sich vom allgemeinen Versorger, der eine bis zu 20\nJahre andauernde Position (§ 13 Abs. 2 S. 1 EnWG) innehaben konnte. Vielmehr\ntritt an seine Stelle gemaß § 36 Abs. 2 EnWG 2005 der Grundversorger, der alle\n3 Jahre neu festgestellt wird und damit wechseln kann. Der Grundversorger\nbestimmt sich danach rein faktisch allein nach den Veranderungen der\nWettbewerbsverhaltnisse am Markt. Wenn in dem alle 3 Jahre durchzufuhrenden\nVerfahren nach § 36 Abs. 2 festgestellt wird, dass nunmehr ein anderes\nEnergieversorgungsunternehmen die meisten Haushaltskunden im jeweiligen\nNetzgebiet der allgemeinen Versorgung beliefert, soll das so festgestellte\nhaushaltskundenstarkste Unternehmen grundversorgungsberechtigt werden\n(Hellermann a.a.O. 267 = Bl. 146 [noch zum jetzt insoweit Gesetz gewordenen\nEntwurf]). Dem alten Recht ging diese gewollte Fluktuation in der Stellung des\nGrundversorgers ab, weshalb das neue System schon nicht zwanglos als\nBestatigung des alten herangezogen werden kann. Zudem zeigt sich gerade in §\n36 Abs. 3 EnWG 2005 der Gedanke der Sicherung und Bindung des Kunden an\nbisherige Vertragsinhalte, nicht aber an formale Vertragsbeziehungen. Dem\nKunden soll sein bisheriger Vertragsstatus gesichert werden. Da nach altem\nRecht der Status eines Tarifkunden noch weit ausgepragter war als die\nVertragsbeziehung nun zum neuen „Grundversorger", legt die Neuregelung eher\ndie Schlussfolgerung nahe, dass der Kunde dahin geht, wo sein Tarifstatus\nfortbesteht. Dies ist vorliegend der (neue) allgemeine Versorger, nachdem der\nDurchleiter einer gesetzlichen Bindung an das alte Tarifrecht nicht\nunterliegt. Der Gedanke des neuen Rechts ist gerade der Erhalt der alten\nVertragsinhalte beim Wechsel des Versorgers. Da nach altem Recht nur die\nKlagerin diese Inhaltsidentitat gewahrleisten konnte, muss auch der Tarifkunde\nihr bei redlicher erganzender Vertragsauslegung folgen. \n--- \n| 59 \n--- \n| d) Auch der Hinweis auf Art. 14 GG besagt nichts anderes. Zwar kann ein\nKundenstamm Schutzgut nach Art. 14 GG sein (BVerfGE 45, 142, 173; Papier in\nMaunz/Durig, GG [2002], Art. 14, 95; Wendt in Sachs, GG [1999], Art. 14, 48;\nkrit. Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. [2004], Art. 14, 25). Da die\nParteien aber - wie aufgezeigt - uber diesen Kundenstamm disponieren konnten,\nkann eine vertrags- und interessengerechte Zuweisung dieses Vermogenswertes im\nSinne der Parteien an eine von ihnen keine Verletzung dieses Schutzgutes\ndarstellen. \n--- \n| 60 \n--- \n| 5\\. Auskunftsanspruch. \n--- \n| 61 \n--- \n| Die Klagerin muss wissen, wer zum fraglichen Zeitpunkt Tarifkunde war. Dies\nstellen die Beklagten auch grundsatzlich nicht in Frage. Sie wenden nur ein,\ndurch die Anmeldung von Durchleitungsverhaltnissen fur Kunden im\nstreitbetroffenen klagerischen Versorgungsgebiet seien der Klagerin die\nvorliegend nachgefragten Verhaltnisse bereits bekannt. Die Klagerin will einen\nStatus bezuglich der Tarifkunden zum Übernahmezeitpunkt, mithin dem\n01.03.2004, nicht zu Folgezeiten, in denen sie durch Kundigung oder Anzeige\nvon Durchleitungsverhaltnissen die Überwechsler bekannt gemacht bekommen hat.\nDem von der Beklagten am 29.02.2004 innegehabten und am Folgetag ubergebenen\nBestand (Anschlusse) kann nicht entnommen werden, ob sich dahinter Kunden der\nBeklagten in ihrer Funktion als vormalige allgemeine Versorgerin (Tarifkunden)\noder als Lieferantin von Durchleitungsstrom verborgen haben (vgl. Klagerin Bl.\n96, 105). \n--- \n| 62 \n--- \n| 6\\. Passivlegitimation. \n--- \n| 63 \n--- \n| Der Feststellungsanspruch richtet sich auch gegen die Beklagte Ziff. 2,\nebenso der Auskunftsanspruch. Zwar war die Beklagte Ziff. 2 nur Netzinhaberin\nund hat die Versorgungsanlagen verkauft, wahrend die Beklagte Ziff. 1\nStromlieferantin (vgl. Bl. 57, 61, 63) und nicht unmittelbar am\nÜbernahmevertrag beteiligt war. Beide haben jedoch den Tarifkunden gegenuber\nin Vertrags- und Leistungseinheit die Funktion des einheitlichen\nStromlieferanten als gemeinsamer allgemeiner Versorger ubernommen und erfullt.\nGeht - wie dargelegt - ihr Tarifkunde auf die Klagerin uber, so besteht ein\nAnspruch der Klagerin, diesen streitigen Wechsel gegenuber beiden bisherigen\neinheitlichen Vertragspartnern des Tarifkunden festgestellt zu bekommen, damit\ngegenuber beiden Beklagten. Die Beklagte Ziff. 2 trifft dann auch die\nNebenpflicht der Auskunft. Diese ihr gebotene Leistungshandlung kann sich die\nBeklagte Ziff. 2 im Übrigen unschwer innerhalb des Konzernverbundes,\ninsbesondere uber die Beklagten Ziff. 1 ermoglichen. Insofern steht ein\neigenes Unvermogen ihrer eigenen Leistungspflicht nicht entgegen (vgl. auch\nPalandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 421, 3 m.N.). \n--- \n| 64 \n--- \n| 7\\. Zuruckbehaltungsrecht. \n--- \n| 65 \n--- \n| Ob der Wert der Kundenbeziehungen im Kaufpreis bereits Berucksichtigung\ngefunden hat oder gar außen vor bleiben kann, weil der Tarifkundenstamm, der\ndem Versorgungsnetz folgt, diesem Wert immanent ist, kann vorliegend auf sich\nberuhen. Eine Konnexitat zwischen einem angeblichen\nKaufpreisnachforderungsanspruch mit dem Feststellungsausspruch besteht ohnehin\nnicht, da der Kundenubergang sich ungeachtet solcher Nachschusserwagungen\nbereits allein aus dem Vertragsverhaltnis zwischen den Parteien vollzogen hat.\nSoweit das Zuruckbehaltungsrecht gegen den Auskunftsanspruch gestellt wird,\nist es gemaß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO unbeachtlich. Die\nEinrede ist ausdrucklich geltend zu machen (Palandt/Heinrichs a.a.O. § 273, 19\nm.N.). Von diesem Verteidigungsmittel hat die Beklagte erstmals in der\nmundlichen Verhandlung vor dem Senat Gebrauch gemacht. Damit ist sie neu, ohne\ndass nachvollziehbar gemacht worden ware, was ihrer ordnungsgemaßen Einfuhrung\nin den Rechtsstreit schon in erster Instanz entgegengestanden hatte. Zudem ist\nsie unsubstanziiert geblieben. Auch darauf hat der Senat hingewiesen. Die\nFlucht in eine „marktubliche angemessene Kaufpreisnachforderung" (Bl. 287) ist\nuntauglich, da es eine solche nicht gibt, sondern nur eine vertragsspezifisch\nableitbare. Auch dafur fehlt jeglicher Vortrag. \n--- \n**II.** \n--- \n| 66 \n--- \n| Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 542, 543 i.V.m.\n§ 3 ZPO. Dem Antrag der Beklagten auf Vollstreckungsschutz durch Stellung\neiner Bankburgschaft (Bl. 288) ist nicht zu entsprechen. Der\nFeststellungsausspruch selbst eroffnet keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.\nEin Schutzinteresse kann einzig hinsichtlich des Auskunftsanspruchs bestehen.\nDie Klagerin hat aber ohnehin, bieten die Beklagten zur Abwendung der\nZwangsvollstreckung insoweit Bankburgschaft an, zur Wiederherstellung der\nVollstreckbarkeit ihrerseits Sicherheit zu leisten. Damit ist schon eine\nhinreichende Sicherung der Beklagten geschehen. Ein Nachteil kann sich\ninsoweit allenfalls dadurch ergeben, falls die Klagerin die Namhaftmachung der\nTarifkunden nutzt, sich mit diesen in Verbindung zu setzen. Dabei genugt zur\nGewahrung von besonderem Vollstreckungsschutz (§ 712 Abs. 1 ZPO) nicht die\nGefahr jedes Nachteils. Es muss sich vielmehr um einen unersetzlichen handeln.\nDie Falle, in denen entsprechende Feststellungen getroffen werden konnen, sind\naußerst selten (Herget in Zoller, ZPO, 25. Aufl., § 712, 1). Denn es musste\ndamit eine Gefahr verbunden sein, welche die Beklagten in ihrer gewerblichen\nTatigkeit existenzgefahrdend zuruckwerfen wurde (Herget a.a.O. 1; Putzo in\nThomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 712, 4). Solches ist weder vorgetragen noch\nsonst ersichtlich. Deshalb verbleibt es bei der Regel, dass im Zweifel die\nInteressen des Glaubigers Vorrang haben, insbesondere auch bei\nAuskunftsanspruchen (Putzo a.a.O. 5). \n--- \n| 67 \n--- \n| Die Festsetzung des Gegenstandswertes des Berufungsverfahrens folgt den\nWertangaben der Klagerin, welche das Landgericht ubernommen und die keinen\nWiderspruch der Beklagten gefunden haben. \n--- \n| 68 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision (vgl. BGH NJW 2003, 1943, 1944/1945)\nliegen nicht vor. Ohnehin betrifft die vorliegende Fallgestaltung, wie\naufgezeigt, die Anwendung alten Rechts. Dies steht einer Revisionszulassung\nschon deshalb entgegen, da weder aufgezeigt noch sonst erkennbar ist, dass\neine gleichgerichtete große Vielzahl von Altverfahren anhangig ware (BGH NJW\n2003, 3352). Zudem leitet sich die Entscheidung des Senats nicht aus\nVorschriften des Energiewirtschaftsrechtes ab, sondern aus einer wenngleich\ntypisierenden Auslegung einzelner Vertrage. \n---\n\n |
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141,344 | vghbw-2005-10-13-4-s-154205 | 161 | Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg | vghbw | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 4 S 1542/05 | 2005-10-13 | 2019-01-08 19:27:31 | 2019-01-17 12:01:30 | Beschluss | ## Tenor\n\nDie Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts\nFreiburg vom 21. Juli 2005 - 2 K 1296/05 - wird zuruckgewiesen.\n\nDie Antragstellerin tragt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.\n\nDer Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die zulassige, insbesondere fristgerecht eingelegte (§ 147 Abs. 1 VwGO) und\nbegrundete (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) sowie inhaltlich den Anforderungen des §\n146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechende Beschwerde ist unbegrundet. Das\nVerwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin, der Antragsgegnerin im\nWege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, der Antragstellerin samtliche\nJahresabschlusse, Buchhaltungsunterlagen, Kontenunterlagen und vertragliche\nVereinbarungen der Antragsgegnerin seit 01.01.1995 zum Zwecke ihrer\nSicherstellung vor einer noch durchzufuhrenden Prufung vorlaufig auszuhandigen\noder bei einer durch das Gericht zu bestimmenden Stelle zu hinterlegen, zu\nRecht abgelehnt. Denn der Antrag ist unzulassig, da die Streitsache nicht der\nstaatlichen Gerichtsbarkeit unterliegt. Die mit der Beschwerde dargelegten\nGrunde, auf die die Prufung des Senats beschrankt ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz\n6 VwGO), sind nicht geeignet, die Richtigkeit der Entscheidung des\nVerwaltungsgerichts in Frage zu stellen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Ruge der Antragstellerin, das Verwaltungsgericht habe entgegen ihrem\ndahingehenden Antrag ohne mundliche Verhandlung entschieden, fuhrt nicht zum\nErfolg der Beschwerde. Denn das Verwaltungsgericht hat dadurch, dass es ohne\nmundliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat, keinen Verfahrensfehler\nbegangen. Zwar finden auf Beschlusse, die ein selbstandiges Verfahren wie das\nnach § 123 VwGO abschließen, grundsatzlich alle fur Urteilsverfahren geltenden\nprozessrechtlichen Bestimmungen Anwendung. Dies gilt aber nicht fur das\nErfordernis einer mundlichen Verhandlung. Nach § 101 Abs. 3 VwGO konnen\nnamlich Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, ohne mundliche\nVerhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Danach bedurfte der\nim Verfahren nach § 123 VwGO ergangene Beschluss des Verwaltungsgerichts\nmangels einer gegenteiligen Bestimmung keiner vorherigen mundlichen\nVerhandlung. Das Verwaltungsgericht hatte allerdings gemaß § 101 Abs. 3 VwGO\ndie Moglichkeit, nach seinem Ermessen im vorliegenden Eilverfahren eine\nmundliche Verhandlung durchzufuhren (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., 2005,\n§ 101 RdNr. 3, § 122 RdNr. 4). Die Darlegungen der Antragstellerin im\nBeschwerdeverfahren rechtfertigen nicht die Annahme, das Verwaltungsgericht\nhabe ermessensfehlerhaft von der Durchfuhrung einer mundlichen Verhandlung\nabgesehen. Soweit sie geltend macht, wegen „grundsatzlicher Fragen" sei eine\nmundliche Verhandlung notwendig gewesen, legt sie nicht, wie dies erforderlich\ngewesen ware, im Einzelnen dar, worin die behauptete grundsatzliche Bedeutung\ngelegen habe. Dazu hatte es eines naheren Eingehens im Sinne einer uber ein\nbloßes Benennen hinausgehenden Erlauterung oder einer vertiefenden\nStellungnahme bedurft. „Darlegen" bedeutet namlich schon nach allgemeinem\nSprachgebrauch mehr als lediglich einen allgemeinen Hinweis; es bedeutet\nvielmehr so viel wie „erlautern", „erklaren" oder „naher auf etwas eingehen"\n(standige Rechtsprechung des Senats, z.B. Beschlusse vom 25.02.1997 - 4 S\n496/97 -, VBlBW 1997, 263, und vom 19.05.1998 - 4 S 660/98 -). Diesen\nAnforderungen wird das Beschwerdevorbringen hinsichtlich der behaupteten\ngrundsatzlichen Bedeutung der im Einzelnen nicht genannten „Fragen" nicht\ngerecht. \n--- \n| 3 \n--- \n| Davon abgesehen hatte auch eine grundsatzliche Bedeutung der im\nvorliegenden Eilverfahren aufgeworfenen Fragen, soweit diese angesichts der\nVorlaufigkeit der darin aufgrund einer lediglich summarischen Prufung\nergehenden Entscheidung uberhaupt denkbar erscheint, das Verwaltungsgericht\nnicht gezwungen, eine mundliche Verhandlung anzuberaumen. Denn dieses\nVerfahren ist von seinem gesetzlichen Zuschnitt her auf eine zugige\nEntscheidung ausgerichtet; die Klarung grundsatzlicher Fragen ist deshalb\nregelmaßig dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. \n--- \n| 4 \n--- \n| Auch das weitere Beschwerdevorbringen der Antragstellerin rechtfertigt\nnicht die Annahme, das Verwaltungsgericht habe ermessensfehlerhaft von einer\nmundlichen Verhandlung abgesehen. Denn das Verwaltungsgericht durfte sein\nErmessen in einer verfahrensrechtlich nicht zu beanstandenden Weise dahin\nausgeubt haben, ohne eine erhebliche Verzogerung, wie sie durch eine mundliche\nVerhandlung in Anwesenheit des Vorsitzenden des Schiedsgerichts beim\nZentralrat der Juden in Deutschland eingetreten ware, uber den vorliegenden\nEilantrag zu entscheiden. Wenn die von der Antragstellerin erstrebte mundliche\nVerhandlung dazu dienen soll, die Tatsachengrundlage des Gerichts zu\nverbreitern, kann dies im Übrigen noch im Hauptsacheverfahren geschehen. Davon\nabgesehen ist in diesem Zusammenhang auch die Verfahrensposition der\nAntragsgegnerin von Bedeutung, die die Durchfuhrung einer mundlichen\nVerhandlung nicht beantragt hat. Die Darlegung der Antragstellerin, sie\nempfinde die Begrundung des Verwaltungsgerichts, es habe den Antrag wegen\nEilbedurftigkeit ohne mundliche Verhandlung abgelehnt, „fast als Hohn", ist\nebenfalls nicht geeignet, einen Ermessensfehler des Verwaltungsgerichts bei\nder Anwendung des § 101 Abs. 3 VwGO anzunehmen. Denn das prozessuale Ermessen\ndes Verwaltungsgerichts beinhaltete die Befugnis, die regelmaßig\nvorauszusetzende Eilbedurftigkeit eines Antrags nach § 123 VwGO auch im\nvorliegenden Zusammenhang zu bejahen und seiner Entscheidung deshalb allein\ndas schriftsatzliche Vorbringen der Beteiligten zugrunde zu legen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Beschwerde bleibt auch insoweit ohne Erfolg, als die Antragstellerin\nrugt, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht unter Berufung auf Art. 140 GG\ni.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV die Zustandigkeit der staatlichen Gerichte\nverneint. Ihre Einwendungen, die sie auf die in der rechtswissenschaftlichen\nLiteratur von Jeand´Heur/Korioth (Grundzuge des Staatskirchenrechtes, 2000,\nRdNrn. 366, 367, S. 252) und von von Campenhausen (Staatskirchenrecht, 3.\nAufl., S. 384) entwickelten kritischen Stellungnahmen zu der im vorliegenden\nZusammenhang ergangenen und vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten\nhochstrichterlichen Rechtsprechung stutzt, konnen nicht uberzeugen. Die\nAntragstellerin vertritt unter - zutreffender - Bezugnahme auf die von ihr\ngenannten Literaturstellen die Auffassung, die Respektierung des\nSelbstbestimmungsrechts der Religionsgesellschaften verlange nicht\nrechtsschutzfreie Zonen, die der staatlichen Gerichtsbarkeit von vornherein\nentzogen seien, die Verneinung des Rechtsweges in Fallen der vorliegenden Art\nverhindere die erforderliche Guteabwagung zwischen dem kirchlichen\nSelbstverstandnis und dem allgemeinen Gesetz, das Selbstbestimmungsrecht der\nReligionsgesellschaften konne den durch die staatliche Justizgewahrungspflicht\ngebotenen Zugang zur staatlichen Gerichtsbarkeit nicht verbauen und die\nstaatlichen Gerichte seien auch bei den inneren Angelegenheiten der\nReligionsgesellschaften dazu berufen, im Rahmen der Begrundetheitsprufung\neiner streitigen Rechtssache im Wege der praktischen Konkordanz das\nSelbstbestimmungsrecht der jeweiligen Religionsgesellschaft gegenuber der\nJustizgewahrungspflicht in besonderem Maße zu berucksichtigen. Auf der\nGrundlage dieses Verstandnisses legt die Antragstellerin dar, dass die von der\nhochstrichterlichen Rechtsprechung angewandte Lehre von der\n„Bereichsscheidung" das staatskirchenrechtliche System des Grundgesetzes\nmissachte; vielmehr sei eine Losung nur auf der Grundlage von Guterabwagungen\nim jeweiligen Einzelfall, die das staatliche Gericht vornehmen musse, zu\ngewinnen. Mit diesen Erwagungen wendet sich die Beschwerde gegen die in\nstandiger Rechtsprechung vom Bundesverfassungsgericht und vom\nBundesverwaltungsgericht vorgenommene Unterscheidung zwischen „kirchlichen"\nMaßnahmen, also Maßnahmen der Religionsgesellschaften, die dem inneren\n(„innerkirchlichen") Bereich zuzurechnen sind, und solchen, die diesen Bereich\nuberschreiten oder in den staatlichen Bereich hineinreichen. Ergeht danach\neine Maßnahme allein im Bereich der inneren Angelegenheiten einer\nReligionsgesellschaft, ohne mit ihren Auswirkungen in den Bereich des\nÖffentlichen hinuber zu greifen, innerhalb dessen der Staat ordnen kann, sind\nstaatliche Gerichte hinsichtlich einer derartigen Maßnahme unzustandig, so\ndass entsprechende Rechtsschutzbegehren unzulassig sind (vgl. BVerfG,\nBeschluss vom 17.02.1965, BVerfGE 18, 385; Kammerbeschluss vom 18.09.1998, NJW\n1999, 349; BVerwG, Urteil vom 25.11.1982, BVerwGE 66, 241 = NJW 1983, 2580).\nMit dem Verwaltungsgericht ist aber auch der Senat der Auffassung, dass an der\nhochstrichterlichen Rechtsprechung, die bis in die Gegenwart hinein seit\nJahrzehnten in Kenntnis der gegen sie erhobenen staatskirchenrechtlichen\nEinwendungen aufrechterhalten worden ist, zumindest aus Grunden der\nRechtssicherheit, die durch die standige Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts vermittelt wird, entgegen den von der\nAntragstellerin vorgetragenen Erwagungen festzuhalten ist. Danach hat das\nVerwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass die von der Antragstellerin\nbegehrte Herausgabe und Hinterlegung samtlicher Jahresabschlusse,\nBuchhaltungsunterlagen, Kontenunterlagen und vertraglichen Vereinbarungen der\nAntragsgegnerin seit dem 01.01.1995 in das verfassungsrechtlich durch Art. 140\nGG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV garantierte Selbstverwaltungs- und\nSelbstbestimmungsrecht der Beteiligten hinsichtlich der ihrem inneren Bereich\nzuzurechnenden Angelegenheiten eingreifen wurde und deshalb der staatlichen\nGerichtsbarkeit nicht unterliegt. Denn die Verwaltung des eigenen Vermogens,\ndie wirtschaftliche Tatigkeit und die darauf bezogene Buchfuhrung gehoren zum\nBereich der allein inneren Angelegenheiten (vgl. Jean´Heur/Korioth, a.a.O.,\nRdNrn. 176, 190), die nach der Rechtsprechung bereits der staatlichen\nGerichtsbarkeit entzogen sind, so dass sie keiner von den staatlichen\nGerichten im Einzelfall im Rahmen der Begrundetheit des Rechtsschutzbegehrens\nvorzunehmenden Guterabwagung zuganglich sind (vgl. BVerwG, Urteil vom\n27.03.1992, BVerwGE 90, 112, 116 = NJW 1992, 2496). Dies gilt auch fur die\nGeltendmachung von darauf bezogenen Kontrollbefugnissen zwischen den\nUntergliederungen der Religionsgemeinschaften. Die Antragstellerin hat\ninsoweit keine dem staatlichen Recht zugehorige Anspruchsgrundlage genannt,\nmit deren Hilfe sie ihr Begehren auf Herausgabe und Hinterlegung der\nbetreffenden Unterlagen hatte glaubhaft machen konnen. Eine derartige\nAnspruchsgrundlage ist auch nicht ersichtlich. Soweit die Antragstellerin\nvortragt, dass ihr Finanzgebaren mit dem geltenden Abgaben- und Steuerrecht\nubereinstimmen musse und sie hierzu Kontrollbefugnisse gegenuber ihren\nUntergliederungen auszuuben in der Lage sein musse, kann daraus noch nicht\nhergeleitet werden, die interne wirtschaftliche und finanzielle Tatigkeit der\nBeteiligten rage im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts\n(a.a.O.) in die staatliche Rechtsordnung hinein mit der Folge, dass der Zugang\nzur staatlichen Gerichtsbarkeit eroffnet wurde. Denn entscheidend ist die\nErwagung, dass die Kontrollbefugnisse zwischen den uber- und untergeordneten\nGliederungen einer Religionsgesellschaft mangels einschlagiger staatlicher\nRechtsvorschriften zu dem Bereich ihrer rein internen Angelegenheiten gehoren\nund von den in den staatlichen Bereich hineinragenden steuerrechtlichen\nPflichten zu trennen sind. \n--- \n| 6 \n--- \n| Das weitere Vorbringen der Beschwerde, das Verwaltungsgericht habe zu\nUnrecht seine Notzustandigkeit verneint, verhilft ihr ebenfalls nicht zum\nErfolg. Denn eine derartige Notzustandigkeit staatlicher Gerichte besteht, wie\ndas Verwaltungsgericht im Einzelnen zutreffend ausgefuhrt hat, in Fallen der\nvorliegenden Art selbst dann nicht, wenn bei einer Angelegenheit im inneren\nBereich einer Religionsgemeinschaft der so genannte „innerkirchliche"\nRechtsschutz gar nicht oder unzulanglich ausgebildet sein sollte. Eine\nderartige Ausnahme, die das Eingreifen der staatlichen Gerichtsbarkeit\nrechtfertigen konnte, verbietet sich gerade wegen der durch Art. 140 GG i.V.m.\nArt. 137 Abs. 3 WRV angeordneten Autonomie der inneren Angelegenheiten einer\nReligionsgesellschaft, wie sie durch die Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts (a.a.O.) entwickelt worden ist. Dementsprechend geht\nauch die Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte davon aus, dass\nMaßnahmen von Religionsgemeinschaften, die allein ihre inneren Angelegenheiten\nbetreffen und keine unmittelbaren Rechtswirkungen im staatlichen Bereich\nentfalten, auch dann unter dem Blickwinkel der Justizgewahrungspflicht (Art. 2\nAbs. 1, 20 Abs. 3 und 92 GG) keiner Überprufung durch staatliche Gerichte\nunterliegen, wenn Rechtsschutz innerhalb der Religionsgemeinschaften nicht zu\nerlangen ist (Hess. VGH, Beschluss vom 20.03.1990, KirchE 28, 59; OVG Berlin,\nUrteil vom 14.12.1999, KirchE 37, 446; a.A. fur Ausnahmesituationen Bayer.\nVGH, Beschluss vom 19.07.1985, DVBl. 1985, 1073). \n--- \n| 7 \n--- \n| Davon abgesehen ist nicht ersichtlich, dass im vorliegenden Zusammenhang\nRechtsschutz innerhalb der israelitischen Religionsgemeinschaft nicht zu\nerlangen ware. Denn die Antragstellerin hat beim Schieds- und\nVerwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland unter dem\n16.03.2005 Klage erhoben und unter dem 13.05.2005 den Erlass einer\neinstweiligen Anordnung beantragt, die dasselbe Rechtsschutzziel wie im\nvorliegenden Verfahren verfolgt. Es ist nicht ersichtlich, dass ein derartiges\nBegehren generell nur einen unzulanglichen Rechtsschutz zur Folge haben muss.\nInsoweit hat bereits das Verwaltungsgericht im Einzelnen unter Benennung\nhochstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. etwa BGH,\nUrteil vom 11.02.2000, NJW 2000, 1555; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom\n12.05.1999, NJW 1999, 3720) ausgefuhrt, dass das Schiedsgericht beim\nZentralrat der Juden in Deutschland einen Rechtsschutz bietet, der -\nvergleichbar dem staatlichen Rechtsschutz - den Belangen der israelitischen\nReligionsgemeinschaft hinreichend gerecht wird. Das dagegen gerichtete\nBeschwerdevorbringen der Antragstellerin, die Praxis des Schiedsgerichts\ngenuge den rechtsstaatlichen Erfordernissen nicht, ist nicht hinreichend\nsubstantiiert und veranlasst keine andere Betrachtung. Soweit sie geltend\nmacht, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei auch deshalb unzutreffend,\nweil die darin vertretene Auffassung dazu fuhre, dass Entscheidungen des\nSchiedsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland nicht fur\nvollstreckbar erklart werden konnten, fuhrt dies ebenfalls nicht zum Erfolg\nder Beschwerde. Denn die Frage der Vollstreckbarkeit von Entscheidungen dieses\nSchiedsgerichts im Wege der Inanspruchnahme staatlichen Rechtsschutzes als\nVollstreckungshilfe ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, in\nwelchem eine derartige Vollstreckung nicht in Rede steht. Im Übrigen ist die\nErkenntnis, dass Falle der vorliegenden Art der staatlichen Gerichtsbarkeit\nnicht unterliegen, unabhangig von der Frage, ob die Vollstreckung einer\nEntscheidung des Schiedsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland\nmoglich oder wunschenswert ist. Soweit das Niedersachsische\nOberverwaltungsgericht (Beschluss vom 20.10.1998 - 13 O 3662/98 -, zitiert\nnach Beck-online) die Inanspruchnahme staatlicher Gerichte als\nVollstreckungsbehorden nach § 169 VwGO durch dieses Schiedsgericht mangels\nentsprechender Gesetze oder Vertrage fur nicht moglich halt, steht dies der\nvom beschließenden Senat in Anlehnung an die hochstrichterliche Rechtsprechung\nvertretenen Rechtsauffassung zur Unzustandigkeit staatlicher Gerichte in\nAngelegenheiten, die zum inneren Bereich einer Religionsgemeinschaft gehoren,\nnicht entgegen; dabei ist es unerheblich, ob die Religionsgemeinschaft eine\ninterne Gerichtsbarkeit eingerichtet hat. Es kommt daher im vorliegenden\nZusammenhang auch nicht darauf an, ob das Schieds- und Verwaltungsgericht beim\nZentralrat der Juden in Deutschland ein Schiedsgericht im Sinne der §§ 1066,\n1025 ff. ZPO ist (offengelassen von OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom\n26.07.2005 - 26 Sch 03/05 -). \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2\nGKG. Im Hinblick auf die geringere Bedeutung des Eilverfahrens halt der Senat\ndie Halfte des fur ein vergleichbares Hauptsacheverfahren anzunehmenden\nStreitwerts fur angemessen (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs fur die\nVerwaltungsgerichtsbarkeit; NVwZ 2004, 1327). \n--- \n| 10 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). \n---\n\n |
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141,592 | olgstut-2005-12-08-2-u-5705 | 147 | Oberlandesgericht Stuttgart | olgstut | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 2 U 57/05 | 2005-12-08 | 2019-01-08 22:10:33 | 2019-02-12 13:10:08 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. a) Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Vorsitzenden der 36.\nKammer fur Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 03.05.2005 in seinem\nAusspruch III.\n\n> > > > > g e a n d e r t :\n\nDer Beklagte wird weiter verurteilt, es zu unterlassen, im geschaftlichen\nVerkehr zu Zwecken des Wettbewerbs, insbesondere bei der Werbung von\nVereinsmitgliedern, unter dem Namen „I e.V." aufzutreten.\n\nDem Beklagten wird eine Umstellungsfrist eingeraumt bis 28.02.2006.\n\nDer weitergehende Klagantrag Ziff. III wird\n\n> > a b g e w i e s e n.\n\nb) Im Übrigen wird die Berufung\n\n> > z u r u c k g e w i e s e n.\n\n2\\. a) Auf die Anschlussberufung des Klagers wird das bezeichnete Urteil in\nseinem Ausspruch I.\n\n> > g e a n d e r t :\n\nb) Der Beklagte wird verurteilt, an den Klager 7.100,00 EUR nebst Zinsen in\nHohe von 8 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz p.a. aus 5.100,00 EUR seit\n01.01.2004, aus weiteren 1.000,00 EUR seit 16.04.2004 und aus nochmals\n1.000,00 EUR seit 18.05.2004 zu bezahlen.\n\nc) Im Übrigen wird die Anschlussberufung des Klagers\n\n> > z u r u c k g e w i e s e n.\n\n3\\. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen\n\na) in erster Instanz der Klager 3/10, der Beklagte 7/10\n\nb) in zweiter Instanz der Klager 3/7, der Beklagte 4/7\n\n4\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDie jeweilige Gegenpartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in\nHohe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die andere\nPartei vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Hohe leistet.\n\n5\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\nGegenstandswert des Berufungsverfahrens: bis 50.000,-- EUR\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Berufungen sind zulassig, die Berufung des Beklagten sowie die\nAnschlussberufung des Klagers haben je teilweise Erfolg. \n--- \n--- \nA \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen einen Teil seiner\nVerurteilungen zur Unterlassung, der Klager bekampft mit seiner\nAnschlussberufung die Abweisung eines Vertragsstrafeanspruchs sowie eines\nUnterlassungsbegehrens. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Zum einen wird auf die Feststellungen im angegriffenen Urteil Bezug genommen\n(§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Kurz: \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager ist seit 1972 auf dem Gebiet der zivilen Flugrettung tatig, dabei\nist er maßgeblich an der sog. Primarrettung (Flug mit Notarzt zum Notfallort\nund ggf. Verbringung des Notfallpatienten in eine geeignete Klinik), aber auch\nder sog. Sekundarrettung (Verlegung eines Intensivpatienten von einer Klinik\nin eine andere) sowie der sog. Repatriierung (Ruckholung von im Ausland\nweilenden Patienten) beteiligt. Der Beklagte, welcher seit 1985 (Beklagter\nauch: seit 1987 [Bl. 331]) so firmiert, nimmt fur sich in Anspruch, auf den\nbeiden letztgenannten Versorgungsgebieten tatig zu sein. Dabei verfugt er uber\nkein eigenes Material (Luftfahrzeuge) oder eigenes Personal. Er will die von\nihm angebotenen Rettungsleistungen jedoch durch Unternehmen oder Personen\nsicherstellen, welche ihm vertraglich zu Diensten stunden. Die Parteien haben\nbereits eine gerichtliche Auseinandersetzung gefuhrt, welche durch den\nnachfolgend in seinen Kernregelungen wiedergegebenen Vergleich vom 12.09.2005\n(K 15 = Bl. 38 = Beiakte LG Stuttgart 36 O 91/02 KfH, dort Bl. 90) ihren\nAbschluss dahin gefunden hat: \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| _1\\. Der Beklagte verpflichtet sich, es zu unterlassen, im gesch aftlichen\nVerkehr zu Zwecken des Wettbewerbs, insbesondere bei der Anwerbung von\nVereinsmitgliedern, damit zu werben oder, insbesondere uber Werbehelfer,\nwerben zu lassen,_ \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| _er f uhre Maßnahmen der Rettung von Menschen, insbesondere Maßnahmen der\nLuftrettung (Primar- und Sekundarrettung), durch._ \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| _Er verpflichtet sich, den Begriff Rettung in der Werbung f ur seine\nLeistungen nicht mehr zu verwenden._ \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| _2\\. F ur jeden Fall der Zuwiderhandlung verpflichtet sich der Beklagte,\neine Vertragsstrafe zu entrichten, deren Hohe bei Zuwiderhandlungen durch\nVerwendung des Begriffs „Rettung" in schriftlichen Werbematerialien des\nVereins einschließlich Anzeigen 5.100,- EUR betragt, bei mundlichen\nZuwiderhandlungen, insbesondere durch Werbehelfer, 1.000,- EUR._ \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| _3\\. Der Beklagte erh alt eine Aufbrauchfrist fur das noch vorhandene\nWerbematerial bis 31.12.2002. Im ubrigen tritt die Unterlassungsverpflichtung\nam 01.10.2002 in Kraft._ \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| _4\\. Der Kl ager beanstandet die Fortfuhrung des Namens des Beklagten\nderzeit nicht._ \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Klager hat - soweit fur die Berufung noch von Belang - vorliegend\nUnterlassungsanspruche geltend gemacht, welche er aus dem Vergleich, aber auch\naus den §§ 3 und 5 UWG ableitet, sowie im Ergebnis drei unterschiedlich hohe,\nnach Ziff. 1 und 2 dieses Vergleichs verwirkte Vertragsstrafen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Das **Landgericht** entsprach dem Klagebegehren teilweise. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Gegen die nachfolgend bei den jeweiligen Berufungspunkten im Einzelnen\ndargestellten Verurteilungen wendet sich der **Beklagte** mit seiner auf diese\nEinzelpunkte beschrankten **Berufung** . \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Er beantragt: \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| _I. Das Urteil des Landgericht Stuttgart, Az: 36 O 60/04, vom 03.03.2005\nwird im Hinblick auf II.1, II.2, II.6, III. sowie VI. aufgehoben und die Klage\ninsoweit abgewiesen._ \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| _II. Dem Beklagten wird es gestattet, ohne R ucksicht auf eine\nSicherheitsleistung des Klagers, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung,\ndie in Form einer Bankburgschaft einer als Zollburgin zugelassenen Bank\nerbracht werden kann, oder Hinterlegung abzuwenden._ \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| _III. Von den Kosten des Rechtsstreits tr agt der Klager 50% und der\nBeklagte 50%._ \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| _die Berufung zur uckzuweisen._ \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Er verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig und hat seinerseits\nAnschlussberufung erhoben wegen der Abweisung einer Vertragsstrafe sowie eines\nUnterlassungsanspruchs. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Er beantragt insoweit: \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| _1\\. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart, Az. 36 O 60/04, vom 03.03.2005\nwird teilweise abge andert und der Beklagte wird auch verurteilt,_ \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| _1.1 an den Kl ager EUR 11.200,00 nebst Zinsen in Hohe von 8 Prozentpunkten\nuber dem Basiszinssatz p.a. aus EUR 5.100,00 seit 01.01.2004, aus weiteren EUR\n5.100,00 seit 16.04.2004 und aus nochmals EUR 1.000,00 seit 18.05.2004 zu\nbezahlen,_ \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| _1.2 es im gesch aftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs, insbesondere\nbei der Werbung von Vereinsmitgliedern, auch uber Werbehelfer, zu unterlassen,\nin seiner Vereinssatzung zu behaupten, er ubernehme oder vermittle Maßnahmen\nzur Rettung von Menschen, insbesondere Maßnahmen der Luftrettung und den\nBegriff "Rettung" nicht mehr zu verwenden._ \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| _2\\. Die Berufung wird zur uckgewiesen._ \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| _3\\. Der Beklagte tr agt die Kosten des Rechtsstreits I. und II. Instanz._ \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| _die Anschlussberufung zur uckzuweisen._ \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Er halt das angefochtene Urteil insoweit fur richtig. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsatze sowie\ndie Verhandlungsniederschriften Bezug genommen (§ 313 Abs. 2 S. 2 ZPO). \n--- \n--- \nB \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| **Berufung des Beklagten** \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Angriffe gegen die landgerichtlichen Unterlassungsanspruche (Tenor II. 1.,\n2. und 6. sowie III.) \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| **1. „Verlegungsfluge mit einem Ambulanzflugzeug oder Hubschrauber konnen\nausschließlich uber die Einsatzzentrale des I veranlasst werden."** \n--- \n--- \na) \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| aa) Diese Aussage des Beklagten findet sich auf S. 2 des Leistungskataloges\ndes Beklagten (K 12 = Bl. 35, insbes. Bl. 36). Der Klager halt dafur, dass\ndieses Papier als Werbemittel eingesetzt werde, was dem Vergleich\nzuwiderlaufe, da nach ihm dem Beklagten im Kern jegliche Bezugnahme oder\njegliches eigenes Inverbindungbringen mit „Rettung" verboten sei, was\nvorliegend aber geschehe. Selbst wenn Ziff. 1 des Vergleichs im Sinne des\nBeklagten nur dahin zu verstehen sei, dass ihm ein Auftreten untersagt sei,\ndurch welches er den Eindruck erwecke, er erbringe die bezeichneten Leistungen\nselbst, so liege ebenfalls ein Verstoß vor. Denn die angegriffene Wendung gebe\nvor, es gebe keine andere Moglichkeit, als die Einsatzzentrale des Beklagten\nanzurufen, damit dieser die Leistung dann durchfuhre. Dies sei aber\nirrefuhrend, weil auch falsch, da der Beklagte nichts durchfuhre, denn er\nverfuge weder uber Luftrettungsmaterial wie Fluggerate noch uber\nLuftrettungspersonal wie eigene Ärzte oder eigene Einsatzleiter. Alles, was er\nallenfalls ubernehme, sei der Abschluss einer Versicherung und danach die\nWeiterleitung der eingehenden Informationen an fremde Luftrettungsunternehmen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| bb) Das **Landgericht** sah einen Verstoß gegen die im Vergleich ubernommene\nLeistungspflicht und entsprach insoweit dem Klagebegehren. Denn der Beklagte\nerwecke durch diese Passage tatsachlich den Eindruck eigener\nLeistungserbringung, was unstreitig nicht der Fall sei. Vorbringen des\nBeklagten, dass eigene Angestellte in einer Einsatzzentrale einer auch fur sie\ntatigen Gesellschaft A.A.S. A A S GmbH als Geschaftsfuhrer tatig seien (vgl.\nBl. 128, B 4 = Bl. 196), wies das Landgericht gemaß § 296 a ZPO zuruck, im\nÜbrigen sei dieser Vortrag aber auch unerheblich, da dadurch die Zentrale\nnicht zur eigenen des Beklagten werde. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| cc) Dagegen wendet sich die Berufung des Beklagten. Er sieht die Äußerung\naus dem Zusammenhang gerissen, damit so nicht verlautbart. Denn die Passage\nsei erst auf S. 2 des Heftes aufgefuhrt, ferner nicht plakativ gehalten und\nbeinhalte nur eine Verhaltensmaßregel im Notfall an Personen, welche bereits\nMitglieder seien, auf dass diese nicht etwa im Ernstfall die\nMitgliederverwaltung anriefen, sondern ohne Zeitverlust die vom Beklagten\nubernommene und durch Vermittlung auch verlasslich erbrachte Leistung abrufen\nkonnten. Die Wendung „ausschließlich" sei nicht bezogen auf die\nEinsatzzentrale, sondern besage, dass „es lediglich fur die Inanspruchnahme\nder Leistungen des Beklagten notwendig ist, dass die Abwicklung uber die\nEinsatzzentrale erfolgt" (Bl. 269). Im Übrigen sei - das abweichende\nVerstandnis eines Eigenerbringungsversprechens zu Grunde gelegt - eine dann\nerweckte irrtumliche Vorstellung ohne wettbewerbliche Relevanz. Denn der\nVerkehr wisse und erwarte auch nichts anderes, als dass zunehmend uber\nCallcenter und Outsourcing Leistungen arbeitsteilig aufgeschnurt, gleichwohl\naber im Ergebnis als einheitliches Leistungspaket erbracht wurden. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| b) Das Landgericht hat das insoweit beantragte Verbot zu Recht\nausgesprochen: \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| aa) Zwar hat der Klager neben der Untersagung von Eigenerbringungswerbung\n(so auch das in erster Instanz angedeutete Verstandnis zum Vergleichsinhalt\ndurch denjenigen Richter, der auch den Vergleich protokolliert hat [vgl. Bl.\n122]) einen Verbotsbereich des Vergleichs in Bezug auf jegliches\nInverbindungbringen des Beklagten mit „Rettung" schlechthin behauptet.\nUngeachtet der Frage, ob der Klager fur seinen behaupteten weiten\nVerbotsbereich uberhaupt hinreichend Beweis angeboten hat (vgl. jetzt Bl.\n267), ist nur vom letztgenannten Verstandnis (Eigenerbringung) auszugehen,\nnachdem das Landgericht nur diese Deutung seiner Prufung zu Grunde gelegt und\nder Klager nicht durch eigenes Rechtsmittel auf eine Ausweitung des Ausspruchs\nhingewirkt hat. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| bb) Das **Landgericht** hat, obwohl unter Beweis gestellt war, dass der\nBeklagte die Anweisung gegeben habe, den „Leistungskatalog" nicht zu\nWerbezwecken einzusetzen (Bl. 34 Rs), die nicht nur im Gesetz (§ 2 Abs. 1 Nr.\n1 UWG) vorausgesetzte (vgl. etwa Kohler in Baumbach/Hefermehl,\nWettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 2 UWG, 23 f; Fezer in Fezer, UWG [2005], § 2,\n14 f), sondern auch in den Vergleich aufgenommene Voraussetzung des Handelns\nim geschaftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs augenscheinlich ohne\nweiteres zu Grunde gelegt. Dies im Ergebnis auch zu Recht, nachdem der Klager\neine Werbemappe vorgelegt hat (Bl. 294, K 28), woraus sich ergibt, dass der\nLeistungskatalog (der dort gleich einem Flyer dieser Mappe in großer Vielzahl\nbeigefugt war) deren Bestandteil und damit Werbemittel war. Dies gilt umso\nmehr, als der Beklagte nur vorgetragen hatte, dass er eine Anweisung gegeben\nhabe, und nur einen Zeugen dafur benannt hatte, was aber uber den\ntatsachlichen Einsatz, also auch die Befolgung der einmal unterstellten\nAnweisung, nichts besagt. Im Übrigen hat der Senatsvorsitzende in seiner\nEinfuhrung in den Sach- und Streitstand ausdrucklich darauf hingewiesen, dass\nder Senat von dieser Art des gewerblichen Einsatzes ausgehe. Dies hat keinen\nWiderspruch gefunden. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| cc) Die angegriffene Aussage ist vom Landgericht auch nicht aus dem\nZusammenhang (vgl. zum Verbot insoweit etwa BGH GRUR 2003, 800, 803 -\nSchachcomputerkatalog; Bornkamm in Baumbach/Hefermehl a.a.O. § 5, 2.88)\ngelost, vielmehr zutreffend aufgefasst worden. Wurde gar der unmittelbar\nvorangestellte („Erste Hilfe aus der Luft wird weltweit durch die jeweiligen\nNotarzte, die Polizei oder die Bodenvertragsorganisationen vor Ort veranlasst\nund gesteuert ...") oder der nachfolgende („Die Mitarbeiter in der I\n-Einsatzzentrale wollen ...") Text herangezogen, wurde vielmehr das verstarkt,\nwas die Verlautbarung fur sich schon ausdruckt. Zwar bezieht sich\n„ausschließlich" auf „veranlasst werden", jedoch ist die ausschließliche\nVeranlasserin „die Einsatzzentrale des I ". Zwar kann mit dem Beklagten (vgl.\nBl. 274) zu Grunde gelegt werden, dass „einem durchschnittlich informierten\nund aufmerksamen Verbraucher ... auch bekannt [ist], dass sich Unternehmen\nheutzutage bei Service- oder sonstigen fur ihre Kunden oder Mitglieder\nbestimmten Telefon- und Telefaxnummern haufig Dritter bedienen. So werden die\nServicenummern fast aller Einzelhandels- und Dienstleistungsunternehmen\nregelmaßig durch Callcenter betreut, wobei diese haufig sogar im Ausland\nsitzen". Dieses Verstandnis mag der angesprochene Verkehr etwa in Bezug auf\nEinzelhandelsunternehmen teilen. Wo es aber darum geht, dass er einer\nOrganisation beitritt, die ihn in einem absoluten Notfall, bei dem es um Leben\nund Tod geht, lebensrettende Verlegungsfluge verspricht und ihre\nEinsatzzentrale als Anlaufstelle fur die Veranlassung solcher Notmaßnahme\nangibt, erwartet das solchermaßen angesprochene Publikum auch, dass es sich um\neine eigene Einsatzzentrale des Beklagten handelt, der sie eigenverantwortlich\nselbst leitet, bei der damit ein einheitliches Anforderungsprofil an die\nMitarbeiter und eine hohe Kontrolldichte bei einer Bundelung von Information,\nEinsatz und Controlling stattfinden kann, um damit in hohem Maße die\nversprochene Gewahr fur die Einhaltung und Sicherung vitaler Interessen des\nmoglichen Mitglieds zu bieten. In diesem Bereich der Gesundheits- und\nLebenssicherung erwartet der Kunde bei dieser Aussage nicht, dass er auf\nirgendwelche mit dem Beklagten vertraglich verbundene Subdienstleister\nverwiesen wird. Auch der Umstand, dass in dieser Unterorganisation zwei\nAngestellte des Beklagten tatig seien und dort die Funktion des\nGeschaftsfuhrers innehatten, macht jene Einrichtung nicht zur eigenen des\nBeklagten. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| c) Die wettbewerbsrechtliche Relevanz (vgl. hierzu etwa Bornkamm a.a.O. § 5,\n2.167 f) fehlt dieser angegriffenen Aussage ebenso wenig. Denn eigener\nLeistungserbringer und ureigener Ansprechpartner in einer fur den\nangesprochenen Verkehr uber Leben und Tod entscheidenden Situation zu sein,\nist ein ganz ausschlaggebendes Verkaufs- und damit auch Entscheidungsmoment\nbei der Steuerung der Nachfrage nach solchen Rettungsangeboten. Dies wird -\nnur erganzend - im Werbeauftreten der Werber des Beklagten selbst augenfallig\nbestatigt, wenn diese - was erstinstanzlich auch Streitgegenstand zwischen den\nParteien gewesen ist - durch ihre Kleidung in der Art einer Fliegermontur und\nmit einem Ohrstopsel ausgerustet bei den Umworbenen den Eindruck erwecken,\nhier prasentiere sich das eigene Einsatzpersonal des Beklagten praktisch zum\nAnfassen und verrichte diese Werbetatigkeit zwischen zwei eigenen Einsatzen.\nDamit ist diese Irrefuhrung von erheblicher wettbewerbsrechtlicher Relevanz. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| **2. „Auslandsruckholung kann ebenfalls nur uber die Einsatzzentrale des I\nveranlasst werde, wobei es unerheblich ist, wer den Notfall meldet".** \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Insoweit gelten in allen Punkten die namlichen Erwagungen wie zu 1. Diese\nDoppelgeltung der Argumente wird auch darin deutlich, dass etwa auch die\nBerufungsbegrundung verknappt die namlichen Rugen vorbringt und weiter\nausfuhrt (Bl. 272): „Um Wiederholungen zu vermeiden, verweisen wir auf die\nAusfuhrungen in III. 2 sowie III. 3. a), die entsprechend gelten". \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| **6\\. In der Notrufkarte:** \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| **„ I -Einsatzzentrale (Tag und Nacht besetzt) Telefon: 0 , Telefax:** \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| **0 . "** \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Dass die - richtig: - Notfallkarte (K 13 = Bl. 36) nicht Gegenstand von\nWerbegesprachen gewesen sein soll, greift die Berufung nicht mehr auf. Im\nÜbrigen gelten auch insoweit die namlichen Gesichtspunkte, wie sie bei den\nzuvor behandelten Punkten ausgefuhrt sind. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| **„ III.** \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| **Der Beklagte wird weiter verurteilt, es zu unterlassen, im gesch aftlichen\nVerkehr zu Zwecken des Wettbewerbs, insbesondere bei der Werbung von\nVereinsmitgliedern unter dem Namen „I e.V." oder einer ahnlichen Bezeichnung\naufzutreten, die beim Verbraucher den Eindruck erweckt, als ware der Beklagte\nselbst im Bereich der Rettungsfluge oder ahnlichem tatig."** \n--- \n--- \na) \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| aa) Die 1985 gegrundete Beklagte firmiert seit jener Zeit (Beklagter\nvereinzelt: seit 1987 [Bl. 331]) unter dieser hier angegriffenen Namensgebung.\nDer Vergleich vom 12.09.2002 verhalt sich in Ziff. 4 zur Fortfuhrung des\nNamens des Beklagten. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| bb) Der Klager hat dafur gehalten, dass diese Bezeichnung irrefuhrend sei,\nweil der Beklagte im Bereich der Primar- (Notfalleinsatz) und der\nSekundarrettung (Verlegungsflug von Notfallopfern von Klinik zu Klinik) gar\nnicht tatig sei. Die reine Ruckfuhrung von nicht mehr Notfallopfern aus dem\nAusland zuruck nach Deutschland (Repatriierung), ein Bereich, auf dem der\nBeklagte uberhaupt nur tatig sei, rechtfertige nicht diese Namensfuhrung,\nwelche namlich suggeriere, dass der Beklagte selbst etwa mit\nRettungshubschraubern im Bereich der Luftrettung tatig sei. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Der Beklagte nimmt in diesem Streitpunkt, den er selbst als den ganz\nmaßgeblichen der vorliegenden Auseinandersetzung ansieht, fur sich in\nAnspruch, sehr wohl im Bereich der Sekundarrettung durch von ihm\neingeschaltete Rettungsunternehmen tatig zu sein. Zudem erwecke seine\nEinbenennung nicht den Eindruck, dass er die Leistung selbst, mithin mit\neigenem Personal und Material, erbringe. Selbst wenn dies so anzusehen sei,\nbesitze diese Fehlvorstellung fur den Verkehr keine Relevanz. Im Übrigen\nberuft sich der Beklagte auf Verwirkung. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| cc) Das **Landgericht** sah in der Firmierung eine Irrefuhrung uber die\ngeschaftlichen Verhaltnisse, weil der Begriff eine Eigenerbringungsaussage\nenthalte. Der Verwirkungseinwand greife beim Irrefuhrungstatbestand nicht,\nweil Interessen der Allgemeinheit mit betroffen seien; ein Ausnahmefall davon\nsei nicht gegeben, zumal sich der Beklagte auch nach dem Vergleichsinhalt auf\neine fortbestehend kritische und damit nicht duldende Haltung des Klagers\ninsoweit einstellen musste. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| dd) Die Berufung des Beklagten erhebt unter Vertiefung sein\nerstinstanzliches Vorbringen zu Berufungsrugen. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| b) Das Urteil unterliegt der Abanderung durch Abweisung im letzten Teil des\nAusspruches: „oder einer ahnlichen Bezeichnung aufzutreten, die beim\nVerbraucher den Eindruck erweckt, als ware der Beklagte selbst im Bereich der\nRettungsfluge oder ahnlichem tatig". Denn der Antrag und der auf ihm\naufbauende Urteilstenor sind insoweit unbestimmt und genugen damit § 253 Abs.\n2 Nr. 2 ZPO nicht. Die Rechtsprechung hat wiederholt Verbotsfassungen wie „den\nEindruck erwecken" (BGH GRUR 1991, 254, 256 - Unbestimmter Unterlassungsantrag\nI; GRUR 1962, 310, 313 - Grunderbildnis) oder „ahnliche Behauptungen" (BGH\na.a.O. 256 - Unbestimmter Unterlassungsantrag I) fur unbestimmt erklart, falls\ndie Bedeutung von damit zusammenhangenden Begriffen oder Bezeichnungen nicht\nzwischen den Parteien außer Streit stunden (vgl. auch Kohler in\nBaumbach/Hefermehl a.a.O. § 12 UWG, 2.39; Buscher in Fezer a.a.O. § 12 UWG,\n242). Denn damit wird der Verbotsbereich uberhaupt nicht bestimmt, sondern\nungeklart in das Vollstreckungsverfahren verlagert und einem dortigen, dem\nErkenntnisverfahren eigentlich vorbehaltenen Streit uberantwortet. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| c) Danach steht nur die gegenwartige Firmierung des Beklagten auf dem\nPrufstand. Der Klager beanstandet diese Unternehmenskennzeichnung zu Recht. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| aa) Zutreffend ist der Ansatzpunkt des Landgerichtes, dass auch\nUnternehmensbezeichnungen irrefuhrend sein und damit dem Verbot nach § 5 UWG\nunterfallen konnen (BGH GRUR 2003, 448, 449 - Gemeinnutzige\nWohnungsgesellschaft; Bornkamm a.a.O. § 5, 5.3 und 5.6; vgl. auch Peifer in\nFezer a.a.O. § 5, 230), etwa wenn sie falsche tatigkeitsbezogene Angaben\nenthalt (Peifer a.a.O. § 5, 374), z.B. wenn sich ein Unternehmen uber die\nBezeichnung ein Betatigungsfeld attestiert, auf dem es uberhaupt nicht in\nErscheinung tritt. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| bb) Dabei ist die Bagatellgrenze des § 3 UWG zu beachten (Bornkamm a.a.O.\n5.3). Da es sich bei § 5 um eine kollektive Schutznorm handelt, ist jedoch fur\nden Verwirkungseinwand in der Regel kaum Raum (BGH a.a.O. 450 - Gemeinnutzige\nWohnungsgesellschaft; GRUR 2003, 628, 630 - Klosterbrauerei; Bornkamm § 5,\n2.212). Allerdings hat bei § 5 UWG auch eine Verhaltnismaßigkeitsprufung zu\nerfolgen (Bornkamm a.a.O. 5, 5.67). Insoweit ist Raum fur die Prufung eines\nirrefuhrungsspezifischen Verwirkungseinwandes oder des Einwandes, der mangels\nAnwendbarkeit des Verwirkungseinwandes an seine Stelle tritt; hier kann die\nverfassungsrechtlich gebotene Prufung der Verhaltnismaßigkeit des Verbots\nerfolgen (BGH a.a.O. 630 - Klosterbrauerei; Bornkamm a.a.O. § 5, 2.196). In\nder Rechtsprechung ist namlich anerkannt, dass auch unabhangig von einer\nVerwirkung eine Irrefuhrungsgefahr in besonderen Ausnahmefallen hinzunehmen\nist, wenn die Belange der Allgemeinheit nicht in erheblichem Maße und\nernstlich in Mitleidenschaft gezogen werden, weil nur eine geringe\nIrrefuhrungsgefahr vorliegt. Diese Ausnahme ist Ausdruck des\nVerhaltnismaßigkeitsgrundsatzes, unter dessen Vorbehalt das Irrefuhrungsverbot\nsteht. Auch wenn im Allgemeinen das Interesse des Werbetreibenden an der\nWeiterverwendung einer irrefuhrenden Angabe nicht schutzwurdig ist, kann es\ndoch im Einzelfall das Schutzbedurfnis der Allgemeinheit und das individuelle\nInteresse eines Mitbewerbers uberwiegen (BGH a.a.O. 630 - Klosterbrauerei). \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| cc) Die Bezeichnung unterfallt zwar Ziff. 1 des Vergleiches, was danach\neinen vertraglichen Unterlassungsanspruch auslosen wurde. Die Regelung in\nZiff. 4 des Prozessvergleiches nimmt die Firmierung aber ausdrucklich aus\ndieser Bewertungsautomatik aus. Allerdings ist zu beachten, dass der Verkehr\nin der Regel die Unternehmensbezeichnung in ihrer Gesamtheit wahrnimmt und\ndeshalb „international" in die Wahrnehmung aufnimmt. Danach geht es nach dem\nVerstandnis des Verkehrs entscheidend um internationale Rettungsfluge. Kaum\njemand wird zwar annehmen, er werde als Mitglied bei einem Unfall im Ausland,\ngar auf einer Fernreise, durch den Einsatz des Beklagten am Unfallort\nerstversorgt (Primarrettung). Er wird neben einer Repatriierung jedenfalls\naber eine Ruckholung auch als Intensivpatient von einer auslandischen in eine\nin Deutschland gelegene Klinik erwarten, falls dies medizinisch geboten ist\n(Sekundarrettung). Dabei erwartet der Verkehr, wie bereits oben ausgefuhrt,\neine Eigenerbringung der Leistung durch eine solche Organisation. Dies konnte\nbei der Herausstellung des reinen Dienstleistungscharakters im Sinne einer\nVermittlung oder Veranlassung anders sein. „Rettungsflug" signalisiert jedoch\nzumindest fur einen nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs, dass\nKernleistung dieses Unternehmens der rettende Flug ist, dass es also selbst\nuber solche Rettungsgeratschaften mit einer entsprechend fachlich\nausgebildeten Begleitmannschaft verfugt. Der Verbraucher erwartet\nEigenkompetenz im Kerngeschaft. Dies ist jedoch nicht der Fall. Darin liegt\nder Irrefuhrungsgehalt in der Firmierung. Dieses Eigenerbringungsversprechen\nist ein ganz maßgebliches Kriterium fur den Verkehr, ob er einer solchen\nOrganisation beitreten und in einer Krisensituation um Leben und Tod sich ihr\nanvertrauen will. Er will in der Regel bei diesem Leistungsversprechen keine\nfremdvergebenen Zubringerdienste, keine Organisation, deren Tatigkeit sich nur\nin der Fremdvermittlung erschopft. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| dd) Dies kann der Senat aus eigener Sachkunde selbst beurteilen, ohne sich\ndes vom Beklagten nachhaltig eingeforderten sachverstandigen Rates eines\ndemoskopischen Gutachters zu versichern. Denn gehoren die entscheidenden\nRichter selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen, bedarf es im Allgemeinen\nkeines durch eine Meinungsumfrage untermauerten Sachverstandigengutachtens, um\ndas Verstandnis des Verkehrs zu ermitteln. Dies gilt unabhangig davon, ob das\nGericht im konkreten Fall eine Irrefuhrung aufgrund eigener Sachkunde bejahen\noder verneinen mochte. Anders ist es - unabhangig davon, ob ein entsprechender\nBeweisantrag gestellt ist (§ 144 Abs. 1 S. 1 ZPO) -, wenn keiner der\nerkennenden Richter durch die fragliche Werbung angesprochen wird (BGH NJW\n2004, 1163, 1164 - Marktfuhrerschaft). Eine abschließende Beurteilung aus\neigener Sachkunde und Lebenserfahrung ist dem Tatrichter nur dann verwehrt,\nwenn Umstande vorliegen, welche die Annahme des von ihm in Betracht gezogenen\nVerkehrsverstandnisses als bedenklich erscheinen lassen (BGH WRP 1997, 721,\n723 - Lifting-Creme), was insbesondere der Fall ist, wenn dem Gericht\ngegenlaufige Gutachten vorlegt werden. Den Grundsatz, den der Beklagte in der\nmundlichen Verhandlung vor dem Senat aufgestellt hat, namlich dass je\neinschneidender die Wirkung eines Urteils fur eine Partei ware, desto mehr sei\nein Gericht verpflichtet, seine eigene Beurteilungsmoglichkeit hintanzustellen\nund auf das Beweisinstrument der Meinungsumfrage zuruckzugreifen, vermag der\nSenat der Rechtsprechung des BGH weder ausdrucklich noch dem Sinne nach zu\nentnehmen. Ausgangspunkt kann nur die Verlasslichkeit der Bewertung der\nStreitfrage, nicht die wirtschaftliche Auswirkung ihrer Beantwortung sein, was\nzudem in eine konturenlose Kasuistik fuhrte. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| ee) Zwar ist vorliegend festzustellen, dass der Beklagte unstreitig seit\n1985 mit damals gewiss keiner weitergehenden Ausrichtung und Ausstattung als\nheute und fur den Klager wahrnehmbar am Markt unter dieser Bezeichnung\nauftritt. Auch Ziff. 4 des Prozessvergleichs vom 12.09.2002, 17 Jahre nach\nMarkteintritt des Beklagten geschlossen, enthalt keine direkte Beanstandung\nder Bezeichnung, sondern nur eine jederzeit aufsagbare Stillhalteerklarung.\nGleichwohl vermag die lange Dauer einer duldenden Hinnahme angesichts der\nKollision von Eigeninteressen des Beklagten mit uberragenden\nAllgemeininteressen des Verkehrs (Leben und Gesundheit) vorliegend weder\nausnahmsweise den Gesichtspunkt der Verwirkung zur Geltung zu bringen noch\nuber Verhaltnismaßigkeitserwagungen dem Beklagten den Fortbestand der\nirrefuhrenden Unternehmensbezeichnung zu sichern. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| ff) Dem Anliegen einer „Aufbrauchfrist", wie vom Beklagten in der mundlichen\nVerhandlung vor dem Senat im Falle der Verurteilung erbeten und im Sinne einer\nUmstellungsfrist verstanden, ist Rechnung zu tragen. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| (1) Da grundsatzlich das Interesse des Verletzten an der sofortigen\nDurchsetzung des gerichtlichen Unterlassungsgebotes vorrangig ist, erlaubt der\nGrundsatz von Treu und Glauben nur dann die Gewahrung einer Aufbrauchs- oder\nBeseitigungsfrist und erst recht einer Umstellungs- oder Auslauffrist, wenn\ndies dem Verletzten zumutbar ist und andernfalls dem Verletzer\nunverhaltnismaßige Nachteile erwachsen wurden. Es hat also eine\nInteressenabwagung stattzufinden. Ergibt sie eine unbillige Harte fur den\nVerletzer bei sofortiger Durchsetzbarkeit des Unterlassungsgebotes, ist die\nGewahrung eine Aufbrauchsfrist oder auch Umstellungsfrist angezeigt.\nEntscheidend sind die objektiven wie subjektiven Umstande des Einzelfalles\n(Samwer in Gloy/Loschelder, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 3. Aufl. [2005], §\n86, 15; Buscher in Fezer a.a.O. § 8, 122-124; Bornkamm a.a.O. § 8, 1.61 -\n1.65). Wird im Erkenntnisverfahren um eine Aufbrauchs- oder Umstellungsfrist\nnachgesucht, setzt ihre Gewahrung einen substantiierten Vortrag des Verletzers\nvoraus, dass und warum im Einzelfall die sofortige Durchsetzung eines\nUnterlassungsgebotes einerseits fur ihn unverhaltnismaßige Nachteile bringen\nund andererseits dem Verletzten eine vorubergehende Hinnahme weiterer\nZuwiderhandlungen zumutbar sein wurde. Ein formlicher Hilfsantrag ist nicht\nerforderlich (Samwer a.a.O. 19; Buscher a.a.O. 125; Bornkamm a.a.O. 1.66 -\n1.67). \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| (2) Vorliegend hat der Beklagte in der mundlichen Verhandlung vor dem Senat\nVortrag gehalten, der unwidersprochen geblieben ist, sich aber auch, da im\nWesentlichen rechtliche Aspekte betroffen sind, aus sich heraus erschlossen\nhat. Denn die Änderung des Vereinsnamens erfordert einigen organisatorischen\nund zeitlichen Aufwand (etwa Einberufung einer [außerordentlichen]\nMitgliederversammlung, Eintragungsvorgange beim Vereinsregister). Auch bei der\ngebotenen Sicherheitsleistungsregelung im Ausspruch uber die vorlaufige\nVollstreckbarkeit hatte der Klager durch eigene Sicherheitsleistung eine\nsofortige Vollstreckbarkeit herbeifuhren konnen. Danach stunde der Beklagte\nunter der Pflicht, ohne diesen Namen und mangels einer neuen Namensgebung ohne\nanderen und damit ganzlich ohne Namen aufzutreten. Dies kame einer\nzeitweiligen volligen Einstellung des Geschaftsbetriebes gleich. Diese Folge\nware von massiver wirtschaftlicher Auswirkung. Zwar sind - wie dargestellt -\nin diesem Zusammenhang auch Allgemeininteressen zu beachten. Andererseits hat\nder Klager als unmittelbarer Wettbewerber nun schon nahezu zwei Jahrzehnte mit\ndieser angreifbaren Namensgebung des Beklagten gelebt. Vor diesem Hintergrund\nkann ihm bei der gebotenen Abwagung der widerstreitenden Parteiinteressen bei\nder Umstellungsfrist ein relativ geringfugiges Zuwarten, bis die\nUmbenennungsvorgange vollzogen sind, zugemutet werden. Aufgrund der intensiven\nErorterung dieses Themas im Zuge von Vergleichsverhandlungen hat sich als\nnotwendige, aber auch hinreichende Frist die Zeit bis Ende Februar 2006\nherausgebildet. In diesem Umfang erscheint die Gewahrung einer\nUmstellungsfrist deshalb angemessen. Darin liegt eine Teilabweisung der Klage\nund ein Teilerfolg der Berufung des Beklagten (vgl. Bornkamm a.a.O. 1.66). \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| Damit hat die Berufung nur insoweit Erfolg, als der unbestimmte Antragsteil\nim angegriffenen Ausspruch abzuweisen und der mit ihm identische\nUrteilsausspruch abzuandern und auf eine Umstellungsfrist zu erkennen ist. \n--- \n--- \nC \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| **Anschlussberufung des Kl agers** \n--- \n--- \n1. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| Vertragsstrafe 5.100,00 EUR - Interview in Zeitschrift „Feine Adressen" I/04\n(Bl. 48 bis 49). \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| a) Ob eine von der Redaktion vorgenommene Überschriftenbildung dem\nInterviewten zuzurechnen ist, da er angesichts des im Prozessvergleich\nubernommenen engen Handlungskorsetts einen Autorisierungsvorbehalt hatte\ntreffen mussen, kann auf sich beruhen. Denn jedenfalls hat der 1. Vorsitzende\ndes Beklagten in diesem Interview selbst verlautbart: „Ansonsten bringen wir\nvon jedem Ort der Erde verletzte und kranke Menschen nach Hause oder heimatnah\nin ein Krankenhaus". \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| b) Damit ist eine Vertragsstrafe von allerdings nur 1.000,00 EUR verfallen. \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| aa) Ziff. 1 des Prozessvergleichs untersagt werbliche Äußerungen, wonach der\nBeklagte Primar- und Sekundarrettung durchfuhre; zudem hat er sich\nverpflichtet, den Begriff „Rettung" nicht mehr zu verwenden. Mit der oben\nwiedergegebenen eigenen Äußerung hat der 1. Vorsitzende des Beklagten Werbung\nbetrieben und dabei einen Sachverhalt beschrieben, den der Leser unschwer\n(auch) als Eigenleistung von Sekundarrettung auffassen kann. \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| Soweit der Beklagte meint, ein Interview sei keine Werbung, sondern nur ein\nredaktioneller Beitrag des Magazins, wird der Begriff der Werbung durch diese\nSicht verfehlt. Der Begriff der Werbung geht davon aus, dass jede Äußerung bei\nder Ausubung eines Handels, Gewerbes oder freien Berufes mit dem Ziel, den\nAbsatz der Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich\nunbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fordern, erfasst wird\n(BGH U. v. 09.06.05 - I ZR 279/02 [II 4 b] - Telefonische Gewinnauskunft;\nFezer in Fezer, UWG [2005], § 2 UWG, 13; BGH NJW 2001, 2087 - Anwaltwerbung\nII; Bornkamm in Baumbach/Hefermehl a.a.O. § 5 UWG; Kohler ebenda § 2, 49). Fur\ndie Annahme des Werbecharakters reicht es aus, dass die Maßnahme unmittelbar\noder mittelbar dem Ziel dient, den Absatz von Waren oder die Erbringung von\nDienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fordern (BGH\na.a.O. [II 5 b] - Telefonische Gewinnauskunft). Im vorliegenden Interview geht\nes nicht um eine Verlautbarung etwa zu einer ganz bestimmten, gegenwartig im\nBrennpunkt der offentlichen Auseinandersetzung stehenden Frage, sondern ganz\nallgemein um die Selbstdarstellung des auch erwerbswirtschaftlich tatigen und\nin Konkurrenz zu anderen Dienstleistungserbringern in diesem Marktsegment\nstehenden Beklagtenunternehmens. Es wird nicht nur einem speziellen\nInformationsbedurfnis Rechnung getragen, sondern es geht auch ganz maßgeblich\ndarum, sich als Dienstleistungsunternehmen zu prasentieren und anzubieten.\nDamit ist die Leistungsschau im Interview Werbung. \n--- \n--- \n| 73 \n--- \n| bb) Ziff. 2 sieht aber ein differenziertes Vertragsstrafensystem vor. Bei\nder Verwendung des Begriffs „Rettung" in schriftlichen Werbematerialien des\nVereins einschließlich Anzeigen ist eine Vertragsstrafe von 5.100,00 EUR\nverwirkt. Ob darunter - so das Landgericht (US 16) - nur vereinseigene\nWerbemittel verstanden werden konnen, kann offen bleiben. Denn nur die\nVerwendung des in Anfuhrungszeichen gesetzten Wortes „Rettung" ist unter diese\nVertragsstrafe gestellt. Das Wort „Rettung" als Leistung des Beklagten hat der\nVorsitzende aber in seinem Interview nicht in den Mund genommen. Ob er ganz\nallgemein Rettungsleistungen umschrieben hat, kann dem Klager angesichts der\nklaren Fassung des Vergleiches und der Beschrankung insoweit auf die konkrete\nWortwahl „Rettung" nicht behilflich sein. \n--- \n--- \n| 74 \n--- \n| cc) Ziff. 2 setzt aber eine Vertragsstrafe bei Verstoßen gegen Ziff. 1 (u.a.\nBeruhmung von Eigensekundarrettung) „bei mundlichen Zuwiderhandlungen" in Hohe\nvon 1.000,00 EUR fest. Die Insbesondere-Regelung („insbesondere durch\nWerbehelfer") ist nur eine beispielhafte Umschreibung, welche einen Verstoß\ndurch den 1. Vorsitzenden nicht ausnimmt. Die Mundlichkeit ist bei Interviews\ntrotz ihrer letztlichen Schriftform gegeben. Denn es handelt sich um eine nur\nschriftlich niedergelegte mundliche Verlautbarung. Damit ist durch das\nInterview eine Vertragsstrafe, aber nur eine solche in Hohe von 1.000,00 EUR,\nverwirkt. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| Der Beklagte hat daher uber die vom Landgericht unangegriffen zugesprochenen\n6.100,-- EUR hinaus weitere 1.000,-- EUR, insgesamt somit 7.100,-- EUR nebst\ngestaffelter Zinsen wie tenoriert zu bezahlen. \n--- \n--- \n2. \n--- \n--- \n| 76 \n--- \n| Unterlassungsbegehren \n--- \n--- \n| 77 \n--- \n| **1.2 es im gesch aftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs, insbesondere\nbei der Werbung von Vereinsmitgliedern, auch uber Werbehelfer, zu unterlassen,\nin seiner Vereinssatzung zu behaupten, er ubernehme oder vermittle Maßnahmen\nzur Rettung von Menschen, insbesondere Maßnahmen der Luftrettung und den\nBegriff "Rettung" nicht mehr zu verwenden.** \n--- \n--- \n| 78 \n--- \n| a) In diesem sprachlich verungluckten Antrag geht es im Kern darum, dass dem\nBeklagten verboten werden soll, die Satzung als Werbemittel einzusetzen, weil\nin der Satzung (Satzung vom 16.11.1992 = K 11 = Bl. 34; Fassung vom 22.11.2003\n= Bl. 127) Tatigkeiten als Vereinszweck und -aufgabe aufgefuhrt seien, wie sie\nder Antrag wiedergebend aufgenommen hat. \n--- \n--- \n| 79 \n--- \n| b) Das **Landgericht** hat den durch Klageerweiterung (Bl. 130) zum\nStreitgegenstand erhobenen Anspruch abgewiesen (IV. = US 20), weil die\nAusfuhrungen des Beklagten im Termin vom 29.07.2004 unwidersprochen geblieben\nseien. Dort hatte der Beklagte angefuhrt, „die Satzung werde im Rahmen der\nAnwerbung von Mitgliedern gar nicht herangezogen und verwendet und auch\nMitgliedern nicht zur Verfugung gestellt. Die Satzung werde Mitgliedern und\nsonstigen Interessenten nur auf ausdruckliche Anforderung uberlassen." (Bl.\n125). \n--- \n--- \n| 80 \n--- \n| c) Tatsachlich war dieses Vorbringen aber keineswegs unwidersprochen\ngeblieben. Der Klager hatte Beweis mit der Zeugin B angetreten (Bl. 142, 216),\nwelche er zum namlichen Thema auch in der zweiten Instanz benennt (Bl. 221). \n--- \n--- \n| 81 \n--- \n| d) Allerdings kann schon nicht erkannt werden, dass sich in der alten wie\nauch in der neuen Fassung der Satzung eben jene Passagen finden, welche der\nKlager als zu untersagen in den Antrag aufgenommen hat. Zwar verwendet der\nAntrag Wendungen, welche eine sprachliche und inhaltliche Nahe zu Abschnitten\nin der Satzung aufweisen (etwa dort § 2 Abs. 2 und 4). Die mit dem Antrag\ninkriminierten Passagen verwendet der Beklagte so aber nicht. Auch dies hat\nder Senat in seiner mundlichen Verhandlung als Hinweis deutlich\nherausgestellt. Eine abweichende Stellungnahme erfolgte hierzu nicht. Die mit\ndem Antrag angegriffenen Passagen sie sind danach auch nicht zu verbieten. Die\nKlage und damit die Anschlussberufung ist insoweit unbegrundet. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 82 \n--- \n| Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 92, 708 Nr. 10, 711, 542, 543\ni.V.m. § 3 ZPO. \n--- \n--- \n| 83 \n--- \n| Die Gewahrung einer Umstellungsfrist hat im Hinblick auf § 92 Abs. 2 ZPO in\nder Regel fur den Gegner keine kostenrechtlichen Nachteile (Bornkamm a.a.O. §\n8, 1.66; Buscher a.a.O. § 8, 125). Gleiches ergibt sich auch unter dem\nGesichtspunkt des § 97 Abs. 2 ZPO. \n--- \n--- \n| 84 \n--- \n| Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Senat\nwendet ausschließlich anerkannte, uberwiegend auch hochstrichterlich\ngebilligte Rechtsgrundsatze an. Die Sachbehandlung erschopft sich einzig in\nderen Umsetzung auf den vorliegenden Fall. \n--- \n--- \n| 85 \n--- \n| Hinsichtlich der Wertfestsetzung folgt der Senat den Wertvorgaben im\nangefochtenen Urteil, die ihrerseits auf Wertangaben des Klagers beruhen,\nwelche keinen Widerspruch des Beklagten gefunden haben. \n--- \n---\n\n |
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141,633 | fg-baden-wurttemberg-2005-12-15-3-k-10002 | 126 | Finanzgericht Baden-Württemberg | fg-baden-wurttemberg | Baden-Württemberg | Baden-Württemberg | Finanzgerichtsbarkeit | 3 K 100/02 | 2005-12-15 | 2019-01-08 22:10:56 | 2019-01-17 12:01:49 | Urteil | ## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Streitig ist die bilanzrechtliche Zulassigkeit passiver\nRechnungsabgrenzungsposten, die vereinnahmte Entschadigungen teilweise erst in\nspateren Gewinnermittlungs-Zeitraumen gewinnwirksam werden lassen (§ 8 Abs. 1\nKorperschaftsteuergesetz -KStG- i.V.m. § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, 5 Satz 1 Nr. 2\nEinkommensteuergesetz -EStG-). \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die jetzige Klagerin ist ebenso wie ihre Rechtsvorgangerin, die\nursprungliche Klagerin, eine Bank…. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit zahlreichen Kreditkunden hatte die fruhere Klagerin Darlehensvertrage\ngeschlossen, die ursprunglich fur einen vertraglich festgelegten Zeitraum\nFestzinsvereinbarungen enthielten. Auf Wunsch etlicher Kunden wurden diese\nZinsvereinbarungen wahrend des Festzinszeitraums, d.h. innerhalb der\nVertragslaufzeit geandert. Das Kreditverhaltnis wurde dabei im ubrigen nicht\ngeandert, d.h. das Darlehen wurde nicht zuruckgezahlt und neu ausgezahlt,\nSicherheiten wurden nicht neu bestellt, ein (evtl. erneutes) Agio wurde nicht\neinbehalten. Fur die Änderungen verwendete die Klagerin im Regelfall neue\nVertragsformulare, in denen als Abschlussgrund die "vorzeitige Neuvereinbarung\nZinsfestschreibung" angegeben und geanderte Zinssatze, Darlehenslaufzeiten und\nAnnuitaten enthalten waren. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Im Zusammenhang mit den Vertragsanderungen zahlten die Kunden an die Bank\nbestimmte Vergutungen, die teilweise als Vorfalligkeitsentschadigungen\nbezeichnet wurden. In der Bilanz zum 31. Dezember 1998 bildete die fruhere\nKlagerin passive Rechnungsabgrenzungsposten in Hohe von …[rd. 130.000] DM zum\nteilweisen Ausgleich dieser zunachst erfolgswirksamen Einnahmen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Entsprechende Zahlungen, die andere Kunden im Zusammenhang mit der\nendgultigen Ablosung der ihnen unter Zinsfestschreibung gewahrten Darlehen\ngeleistet hatten, wurden dagegen in vollem Umfang ertragswirksam behandelt;\ninsoweit bildete die fruhere Klagerin keine passiven\nRechnungsabgrenzungsposten. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Anlasslich einer Außenprufung (Betriebsprufung -Bp-) fur die Jahre 1994 -\n1998 vertrat der Prufer in Anlehnung an ein Urteil des Finanzgerichts -FG-\nBremen vom 5. September 1995 Az. 2 89 120 K 4 (nicht veroffentlicht -n.v.-)\ndie Auffassung, dass fur die Zahlung des einzelnen Kunden zwar\nhandelsrechtlich ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten gebildet werden\nkonne, nach Auffassung der Finanzverwaltung die Abgrenzung steuerrechtlich\njedoch nicht zulassig sei. \n--- \n| 7 \n--- \n| Im Anschluss an diese und weitere Feststellungen erließ der Beklagte (das\nFinanzamt -FA-) am 8. November 2000 einen geanderten\nKorperschaftsteuer(KSt)-Bescheid fur 1998 unter Aufhebung des zuvor\nbestehenden Vorbehalts der Nachprufung (§ 164 Abgabenordnung -AO-), in dem es\ndie KSt 1998 auf …DM festsetzte. Dagegen legte die fruhere Klagerin mit\nSchreiben vom 15. November 2000 Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung\nvom 27. Marz 2002 u.a. deswegen als unbegrundet zuruckgewiesen wurde, weil die\nvereinnahmten Vorfalligkeitsentschadigungen Entgelt fur die Bereitschaft der\nBank darstellten, den bisherigen Vertrag zu andern, so dass, da die\nvertraglichen Leistungen von beiden Seiten erbracht worden seien, die\nVoraussetzungen zur Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens nicht\nvorlagen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Dagegen hat sich die am 18. April 2002 beim Gericht eingegangene Klage der\nursprunglichen Klagerin gerichtet. Die jetzige Klagerin ist als\nGesamtrechtsnachfolgerin infolge Verschmelzung mit der fruheren Klagerin in\ndas Klageverfahren eingetreten. Bezuglich eines weiteren Streitpunkts hat das\nFA dem Klagebegehren durch Änderungsbescheid vom …2004 abgeholfen und die KSt\n1998 auf …EUR (entsprechend …DM) herabgesetzt. Dieser Änderungsbescheid ist\nGegenstand des Verfahrens (§ 68 Finanzgerichtsordnung -FGO-). \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Nach Auffassung der Klagerin hat das FA zu Unrecht die Bildung eines\npassiven Rechnungsabgrenzungspostens abgelehnt. Obwohl die Regelung in § 250\nAbs. 3 Handelsgesetzbuch (HGB) mit der Regelung in § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2\nEStG nicht wortgleich sei, seien als passive Rechnungsabgrenzungsposten sowohl\nhandels- als auch steuerrechtlich Einnahmen vor dem Abschlussstichtag\nanzusetzen, soweit sie Ertrag fur eine bestimmte Zeit nach diesem Stichtag\ndarstellten. Die Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens setze\nsomit voraus, dass der Zahlungsvorgang vor dem Bilanzstichtag liege, also eine\nVorleistung vorliege, der eine noch nicht erbrachte, zeitbezogene\nGegenleistung des anderen Partners aus einem gegenseitigen Vertrag\ngegenuberstehe und deren Ertrag eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag\nbetreffe, d. h. der Ertrag einer oder mehreren zukunftigen Perioden\nzuzurechnen sei. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Fur diese Beurteilung sei nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3.\nMai 1983 VIII R 100/81 (Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 138, 443,\nBundessteuerblatt -BStBl- II 1983, 572) auf das einzelne und nicht auf die\nGesamtheit aller Schuldverhaltnisse abzustellen. Wahrend das Vorliegen eines\nZahlungsvorgangs vor dem Bilanzstichtag unstreitig sei, bestreite das FA, dass\neine Vorleistung des Kunden vorliege, der eine noch nicht erbrachte\nzeitbezogene Gegenleistung des anderen Partners (der Bank) gegenuberstehe. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| In den den Streitfall betreffenden Darlehensvertragen habe sich die Bank\nverpflichtet, dem jeweiligen Kunden das Kapital fur einen im voraus\nfestgelegten Zeitraum gegen einen fest vereinbarten Zins zur Verfugung zu\nstellen, wahrend sich der Kunde verpflichtet habe, Zins- und\nTilgungsleistungen zu erbringen. Trete der einzelne Kunde mit der Bitte an die\nBank heran, den Festzinssatz -- wegen einer Änderung des Zinsniveaus -- vor\nAblauf der Vertragslaufzeit zu andern, d. h. abzusenken, habe er - anders als\nim Ablosungsfall - kein Interesse daran, das Vertragsverhaltnis zu beenden;\nZiel des Kunden sei es vielmehr, eine Konditionenanderung zu erreichen. Dies\nstelle keine Vertragsbeendigung, sondern nur eine Vertragsanderung dar.\nTatsachlich hatten sich die neu vereinbarten Bedingungen teilweise auf den\nrestlichen Zeitraum der zuvor vereinbarten Laufzeit bezogen, teilweise sei\neine vollig neue Laufzeit vereinbart worden. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Wenn das FA argumentiere, dass die Entschadigungszahlung die Gegenleistung\nfur die vorzeitige Entlassung des Darlehensnehmers aus dem bestehenden\nVertragsverhaltnis sei und es damit an einer zukunftigen\nLeistungsverpflichtung des Zahlungsempfangers fehle, gehe es moglicherweise\nausschließlich von einer Ablosung der Darlehensschuld aus; dafur spreche, dass\ndie vom FA in der Einspruchsentscheidung dargestellte Begrundung teilweise\nwortgleich der des FG Bremen entspreche, das jedoch einen Ablosungsfall und\nkeinen Änderungsfall zu beurteilen gehabt habe. Gehe das FA von einem\nÄnderungsfall aus, ubersehe es nicht nur, dass tatsachlich keine Ruckzahlung\nund Neugewahrung der Darlehensvaluta sowie keine neue Sicherheitenbestellung\nerfolgt sei, sondern auch, dass nach der neueren Rechtsprechung des\nBundesgerichtshofs (BGH; vgl. BGH-Urteil vom 30. September 1999 IX ZR 287/98,\nNeue Juristische Wochenschrift -NJW- 1999, 3708, Wertpapier-Mitteilungen -WM-\n1999, 2251) die Konditionenanderung nicht mehr als Erfullung des alten und\nSchaffung eines neuen Schuldverhaltnisses, sondern als Vertragsanderung zu\nbeurteilen sei. Auch die Vergabe einer neuen Kontonummer - die im Streitfall\njedoch nicht erfolgt sei - und der Abschluss eines neuen Kreditvertrages\neinschließlich der Umbuchung der Darlehensvaluta reichten nicht aus, die\neinschneidenden Folgen einer Schuldumschaffung auszulosen, wenn es sich,\nwirtschaftlich gesehen, nur um die Neuordnung des Kreditverhaltnisses handele.\nZwar beziehe sich das BGH-Urteil auf die Umwandlung eines Kontokorrentkredites\nin ein niedriger verzinsliches und regelmaßig zu tilgendes Annuitatendarlehen,\ndoch handele es sich um einen vom BGH aufgestellten, allgemein anzuwendenden\nGrundsatz; diese Beurteilung musse umso mehr fur den Streitfall gelten, da bei\nden betreffenden Vertragen noch nicht einmal die Art der Ausleihung verandert\nworden sei. \n--- \n| 13 \n--- \n| Im Gegensatz zum Urteil des FG Bremen sei im Streitfall deshalb davon\nauszugehen, dass das Vertragsverhaltnis zwischen den Vertragspartnern nicht\nbeendet worden sei, sondern weiterhin bestanden habe und darauf gerichtet\ngewesen sei, das Kapital weiterhin gegen Entgelt zur Verfugung zu stellen,\njedoch unter Anwendung geanderter Zinskonditionen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Zahlung der Vorfalligkeitsvergutung durch den Kunden stehe auch eine\nnachfolgende Leistungsverpflichtung der Bank gegenuber; diese habe darin\nbestanden, das Kapital weiterhin, jedoch gegenuber der ursprunglichen\nVertragsabrede zinsverbilligt, zur Nutzung zur Verfugung zu stellen. Es liege\nsomit ein Dauerschuldverhaltnis mit regelmaßig wiederkehrenden Leistungen vor.\nNach Kirchhof/Sohn, Kommentar zum EStG, § 5 EStG Rdnr. F 103 erfordere § 5\nAbs. 5 Satz 1 EStG lediglich einen Leistungsaustausch im weiteren Sinn. Obwohl\nes fur die Annahme eines solchen bereits genuge, dass aufgrund einer\nGeldleistung ein bestimmtes Verhalten erwartet werde und die Einnahme an die\nErbringung dieser Leistung gebunden sei, liege im Streitfall kein erwartetes\nVerhalten, sondern ein vertraglich vereinbartes Verhalten des\nZahlungsempfangers vor, so dass das Merkmal des Leistungsaustausches als\nerfullt anzusehen sei. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Mit der Zahlung der Vorfalligkeitsentschadigung solle der wirtschaftliche\nNachteil ausgeglichen werden, den die Klagerin dadurch erlitten habe, dass sie\nzukunftig, vom Bilanzstichtag an bis zum Ende des Festzinszeitraumes, auf\nZinsertrag verzichte. Es handele sich, wirtschaftlich betrachtet, um den Zins,\nder ihr ohne Vertragsanderung bis zum Vertragsende zustehen wurde. Dabei\nspiele es in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass die Abzinsung und die\nBerucksichtigung pauschalierter Kosten gegenuber dem rechnerisch ermittelten\nZins einen anderen nominellen Zinsertrag ergeben konnten. Entscheidend sei\nvielmehr, dass eine solche Zahlung geleistet worden sei und sie einer oder\nmehreren zukunftigen Perioden als Ertrag zugeordnet werden konne. Die\nrestliche Vertragslaufzeit, vom Bilanzstichtag bis zum Vertragsende, sei der\nZeitraum, auf den die Zahlung zu verteilen sei und hier tatsachlich auch\nverteilt worden sei. Damit sei auch das Tatbestandsmerkmal "Ertrag fur eine\nbestimmte Zeit" erfullt, so dass die Voraussetzungen fur das Vorliegen eines\npassiven Rechnungsabgrenzungspostens insgesamt gegeben seien. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Auch soweit der Prufer darauf abstelle, dass der Abgrenzungsposten\nhandelsrechtlich zulassig, steuerrechtlich jedoch nicht anzuerkennen sei,\nubersehe er die Verknupfung von handels- und steuerrechtlichen\nAnsatzvorschriften. \n--- \n| 17 \n--- \n| Nach § 5 Abs.1 Satz 1 EStG sei u.a. bei Kreditinstituten fur den Schluss\ndes Wirtschaftsjahres das Betriebsvermogen anzusetzen, das nach den\nhandelsrechtlichen Grundsatzen ordnungsmaßiger Buchfuhrung (GoB) auszuweisen\nsei. Auf Grund dieser Vorschrift sei der handelsrechtliche Wertansatz auch fur\nden Ansatz in der Steuerbilanz maßgebend, soweit nicht in § 5 Abs. 6 EStG\nenthaltenen Ansatz- und Bewertungsvorschriften Vorrang einzuraumen sei. Die\nsteuerliche Ansatzvorschrift des § 5 Abs. 5 EStG lasse jedoch den Ansatz von\npassiven Rechnungsabgrenzungsposten zu, wenn die dort genannten\nVoraussetzungen erfullt seien. Da - wie dargestellt - die Voraussetzungen fur\nden handels- und steuerrechtlichen Ansatz keine Unterschiede aufwiesen, sei\nder steuerrechtliche Ansatz geboten, wenn handelsrechtlich ein entsprechender\nPosten anzusetzen sei. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 19 \n--- \n| den Änderungsbescheid vom … zu andern und bei der neuen Feststellung und\nFestsetzung der KSt 1998 fur die ursprungliche Klagerin einen passiven\nRechnungsabgrenzungsposten in Hohe von …DM gewinnmindernd und die dadurch\nbedingte Verringerung der Gewerbesteuer-Ruckstellung zu berucksichtigen, \n--- \n| 20 \n--- \n| hilfsweise die Revision zuzulassen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Das FA beantragt, \n--- \n| 22 \n--- \n| die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Nach § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG und Abschn. 27 Korperschaftsteuer-\nRichtlinien (KStR) seien Abgrenzungsposten auf der Passivseite Einnahmen vor\ndem Abschlussstichtag, die Ertrag fur eine bestimmte Zeit nach diesem Tag\ndarstellten. Nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift und nach herrschender\nhandelsrechtlicher Auslegung setze die Rechnungsabgrenzung grundsatzlich\nvoraus, dass einer Vorleistung des Vertragspartners eine noch nicht erbrachte\nzeitbezogene Gegenleistung des anderen Vertragspartners gegenuberstehe (BFH\nvom 04. Mai 1977 I R 27/74, BFHE 123, 20, BStBl II 1977, 802, und vom 29.\nNovember 1990 IV R 131/89, BFHE 168, 24, BStBl II 1992, 715), wobei es sich um\nVorleistungen aus einem gegenseitigen Vertrag handeln musse (BFH vom 26. Juni\n1979 VIII R 145/78, BFHE 128, 243, BStBl II 1979, 625). Des Weiteren musse die\nVorleistung fur eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag erbracht worden\nsein. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Im Streitfall stehe der begehrten Rechnungsabgrenzung entgegen, dass die\nvereinnahmten Vorfalligkeitsentschadigungen nicht als Vorleistungen fur eine\nGegenleistung anzusehen seien, die die Bank gegenuber den aus den\nDarlehensvertragen ausscheidenden Darlehensnehmern noch zu erbringen gehabt\nhabe. Vielmehr seien nach Angabe der Bank wahrend der Bp. in aller Regel neue\nKreditvertrage abgeschlossen und die Altdarlehn "abgerechnet" worden. Haufig\nsei sogar die vereinbarte Vorfalligkeitsentschadigung nicht vom Kunden\neinbezahlt, sondern durch das neue Darlehn mitfinanziert worden. Zumeist sei\ndie Vertragslaufzeit gegenuber der vorherigen Laufzeit verandert worden. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Entschadigungszahlung sei demnach als Gegenleistung dafur zu erbringen\ngewesen, dass der Darlehensnehmer vorzeitig aus dem bestehenden\nVertragsverhaltnis entlassen worden sei. Leistung und Gegenleistung seien vor\ndiesem Hintergrund zeitlich fixiert, und zwar einerseits auf den Zeitpunkt, in\ndem die Bank der Vertragsauflosung zustimme sowie andererseits auf den\nZeitpunkt, in dem ihr die Entschadigung zufließe. Damit fehle es fur die\nZukunft an einem gegenseitigen Vertrag, der die Bildung eines\nRechnungsabgrenzungspostens rechtfertigen konnte. Der Abschluss eines\nNeuvertrags mit dem Darlehensnehmer andere an dieser Beurteilung nichts.\nZivilrechtlich seien fur die Aufhebung des bisherigen Darlehensvertrages und\nfur einen Neuabschluss zwei gesonderte Vertrage notwendig. Diese seien auch\nsteuerrechtlich als zwei getrennte Vertrage zu beurteilen. Es seien keine\nGrunde ersichtlich, weshalb hier nicht von der zivilrechtlichen Gestaltung\nausgegangen werden konne. Eine davon abweichende wirtschaftliche\nBetrachtungsweise sei deshalb nicht moglich. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die beim FA fur die fruhere Klagerin gefuhrten Steuerakten einschließlich\nBp-Handakten haben vorgelegen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Am 15. Dezember 2005 hat eine mundliche Verhandlung stattgefunden. Auf die\nNiederschrift wird verwiesen. \n--- \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 28 \n--- \n| Die Klage ist unbegrundet. Im angefochtenen Bescheid wurde zu Recht eine\npassive Rechnungsabgrenzung von sog. Vorfalligkeits-Entschadigungen\nunberucksichtigt gelassen, weil die im Streitjahr von der Bank vereinnahmten\nZahlungen Vergutungen der Kunden waren, die nicht fur in der Zukunft zu\nerbringende Gegenleistungen (zinsgunstige Überlassung von Kapital), sondern\nfur bereits erbrachte Leistungen (Abanderung von Darlehnsvertragen) gewahrt\nwurden (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, 5 Satz 1 Nr. 2 EStG). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Nach dem Ergebnis des Verfahrens einschließlich der mundlichen Verhandlung\nwurden die sog. Vorfalligkeits-Entschadigungen in dem umstrittenen Umfang\nausschließlich in Fallen gezahlt oder verrechnet, in denen ein\nKreditverhaltnis zwischen dem jeweiligen Kunden und der Bank weitergefuhrt\nwurde. Allerdings konnte nicht im Einzelnen festgestellt werden, inwieweit fur\ndie weiteren Darlehnsverhaltnisse vollstandig neue Vertrage abgeschlossen\nwurden, ob dabei neue Konto-Nummern vergeben wurden, ob der Inhalt des\nfortgefuhrten Kreditverhaltnisses nur bezuglich der Hohe des Zinses und/oder\nder Tilgungsraten (Annuitaten) verandert wurde oder ob daruber hinaus andere\nBedingungen, insbesondere die Laufzeit und die Zeit der Zinsbindung verandert\nwurden und ob die Hohe des Darlehns dem zuvor nicht getilgten Restbetrag des\nursprunglichen Kredits entsprach oder um den Betrag der jeweiligen\nVorfalligkeits-Entschadigung oder um weitere Betrage erhoht worden ist. Weder\ndie Klagerin noch das FA oder der in der mundlichen Verhandlung anwesende\nBetriebsprufer konnten die Äußerungen wahrend der Bp erganzen, als die Bank\nauf Anfrage das Betriebsprufers mit Schreiben vom …2000 (ABl. …der Bp-\nHandakten) mitgeteilt hatte: \n--- \n| 30 \n--- \n| "In aller Regel wurde mit dem Kunden uber den Restkreditbetrag, und in\nzunehmendem Maße wurde auch die zu zahlende Vorfalligkeitsentschadigung gleich\nmitfinanziert, ein neuer Kreditvertrag geschlossen. Im gleichen Zug wurde das\n\'Altdarlehen\' abgerechnet und auf ein weiteres Darlehenskonto ubertragen. Das\nVertragsverhaltnis mit dem Kunden wurde in keiner Weise gelost, sondern nur\nwegen der technischen Seite und den gesetzlichen Bestimmungen der\nEffektivzinsangabe, veranderten Vertragslaufzeit etc. auf ein \'anderes\'\nVertragsverhaltnis ubertragen." \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Diesen Besonderheiten brauchte jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden,\nweil es fur die Entscheidung darauf nicht ankommt. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Der Senat braucht auch nicht zu entscheiden, inwieweit er der Überlegung\nder Klagerin folgen konnte, dass bei Aufrechterhaltung eines Kredits\nzivilrechtlich dasselbe Vertragsverhaltnis zwischen der Bank und dem Kunden\nweitergefuhrt werde. Dafur spricht zwar die von der Klagerin angefuhrte BGH-\nRechtsprechung (Urteil vom 30. September 1999 IX ZR 287/98, NJW 1999, 3708, WM\n1999, 2251), diese bezieht sich aber sowohl auf eine andere Fallgestaltung als\nauch auf eine rein zivilrechtliche Frage aus dem Bereich des\nBurgschaftsrechts, wahrend hier nach bilanzrechtlichen und damit\nwirtschaftlichen Maßstaben zu entscheiden ist, wofur das Zivilrecht nur\nindirekt vorgreiflich ist. Wirtschaftlich und nach dem Sinn einer sog.\nVorfalligkeits-Entschadigung bildet sie in allen genannten Fallen auch bei\nFortfuhrung des vorherigen Vertragsverhaltnisses eine Gegenleistung weder fur\ndie Kapitaluberlassung in der Zukunft noch fur eine andere in der Zukunft zu\nerbringende Leistung der Bank (etwa die Duldung einer niedrigeren Zinszahlung\nod.dgl.), sondern fur die Vertragsanderung als solche und fur die damit\nverbundene sofortige Entlassung des Kunden aus einem Teil seiner\nVertragspflichten. Ebenso wie bei der vollstandigen Vertragsbeendigung und\nTilgung der Restschuld ist die vom Darlehnsnehmer bei einer Änderung des\nVertragsverhaltnisses (in Form der von der Klagerin so genannten Konditionen-\nAnpassung) zu entrichtende Vergutung unmittelbar veranlasst durch diesen neuen\nVertragsabschluss und bildet eine Gegenleistung fur die Bereitschaft der Bank\nzu einem derart veranderten Vertrag. Sie ist daher zeitlich dem Wirksamwerden\ndieses Vertrags, also dem Abschlusstag oder dem vertragsgemaßen Abrechnungs-\nStichtag zuzuordnen. Der damit verbundene Ertrag der Bank tritt deshalb sofort\n(gewohnlich also mit der Vereinnahmung) ein und nicht erst in der Zukunft,\nsodass die Voraussetzungen eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens fehlen\n(§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Allerdings enthalten die sog. Vorfalligkeits-Entschadigungen insofern ein\nauf die Zukunft bezogenes Element, als sie in gewissem Umfang Differenzen\nzwischen der zuvor vereinbarten Verzinsung fur eine bestimmte, noch nicht\nabgelaufene Laufzeit und den nunmehr neu festgelegten (niedrigeren) Zinsen\noder einer sonst zu erwartenden oder moglichen Verzinsung des Kapitals\nausgleichen sollen. Die zivilrechtliche Literatur und Rechtsprechung hat sich\ndemnach mit den Voraussetzungen fur einen Anspruch auf die dahingehende\nVertragsanderung und einen "Zinsausgleich" und mit den Berechnungsgrundlagen\nfur die Ermittlung einer angemessenen Hohe solcher Entschadigungen befasst\n(vgl. z.B. BGH-Urteile vom 01. Juli 1997 XI ZR 197/96 und XI ZR 267/96, NJW\n1997, 2878 und 2875, WM 1997, 1799 und 1747, und vom 06. Mai 2003 XI ZR\n226/02, NJW 2003, 2230, WM 2003, 1261). Der damit gegebene rechtliche und\nwirtschaftliche Bezug auf eine kunftige Verzinsung reicht jedoch nicht aus, um\ndas Verhaltnis der Gegenseitigkeit zwischen einer in der Zukunft von der Bank\nzu erbringenden Leistung und der Vergutung herzustellen, die deshalb erst in\nder Zukunft zu einem Ertrag fuhren konnte. Die kunftige Leistung der Bank ist\ndie (Weiter-)Überlassung des Darlehnskapitals, die Gegenleistung dafur ist der\nin der Zukunft entstehende Zins in der neu vereinbarten (herabgesetzten) Hohe.\nDie dabei zutage tretende Differenz zu der ursprunglichen, nunmehr aber gerade\nnicht mehr rechtswirksamen Verzinsung bildet somit lediglich eine\nBemessungsgrundlage fur den "Zinsausgleich", der seinerseits die\nVertragsanderung als solche vergutet und deshalb sofortiger Ertrag ist. Im\nErgebnis ist also eine Rechnungsabgrenzung in den hier umstrittenen Fallen\neiner Fortsetzung des Kreditverhaltnisses zu geanderten Bedingungen ebenso\nwenig zulassig wie bei einer Beendigung desselben durch Ruckzahlung des\nRestkapitals zuzuglich der Vorfalligkeits-Entschadigung. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Da die Klage in dem noch streitigen Umfang keinen Erfolg haben konnte, hat\ndie Klagerin insoweit die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 135 Abs. 1 FGO).\nSoweit das FA dem ubrigen Klagebegehren durch den Änderungsbescheid vom …\nabgeholfen hat, trifft es die Kostenlast (§ 138 Abs. 2 FGO). Bei der somit\nvorzunehmenden Verteilung der Kosten (entsprechend § 136 Abs. 1 FGO) waren die\nunterschiedlichen Streitwerte der Verfahrensabschnitte zu berucksichtigen. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Revision war zuzulassen, weil die Frage des Umfangs einer\nRechnungsabgrenzung bei Vorfalligkeits-Entschadigungen grundsatzliche\nBedeutung hat (§ 115 Abs. 1 FGO; vgl. Urteil des FG Bremen vom 5. September\n1995 2 89 120 K 4 n.v.). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 28 \n--- \n| Die Klage ist unbegrundet. Im angefochtenen Bescheid wurde zu Recht eine\npassive Rechnungsabgrenzung von sog. Vorfalligkeits-Entschadigungen\nunberucksichtigt gelassen, weil die im Streitjahr von der Bank vereinnahmten\nZahlungen Vergutungen der Kunden waren, die nicht fur in der Zukunft zu\nerbringende Gegenleistungen (zinsgunstige Überlassung von Kapital), sondern\nfur bereits erbrachte Leistungen (Abanderung von Darlehnsvertragen) gewahrt\nwurden (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, 5 Satz 1 Nr. 2 EStG). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Nach dem Ergebnis des Verfahrens einschließlich der mundlichen Verhandlung\nwurden die sog. Vorfalligkeits-Entschadigungen in dem umstrittenen Umfang\nausschließlich in Fallen gezahlt oder verrechnet, in denen ein\nKreditverhaltnis zwischen dem jeweiligen Kunden und der Bank weitergefuhrt\nwurde. Allerdings konnte nicht im Einzelnen festgestellt werden, inwieweit fur\ndie weiteren Darlehnsverhaltnisse vollstandig neue Vertrage abgeschlossen\nwurden, ob dabei neue Konto-Nummern vergeben wurden, ob der Inhalt des\nfortgefuhrten Kreditverhaltnisses nur bezuglich der Hohe des Zinses und/oder\nder Tilgungsraten (Annuitaten) verandert wurde oder ob daruber hinaus andere\nBedingungen, insbesondere die Laufzeit und die Zeit der Zinsbindung verandert\nwurden und ob die Hohe des Darlehns dem zuvor nicht getilgten Restbetrag des\nursprunglichen Kredits entsprach oder um den Betrag der jeweiligen\nVorfalligkeits-Entschadigung oder um weitere Betrage erhoht worden ist. Weder\ndie Klagerin noch das FA oder der in der mundlichen Verhandlung anwesende\nBetriebsprufer konnten die Äußerungen wahrend der Bp erganzen, als die Bank\nauf Anfrage das Betriebsprufers mit Schreiben vom …2000 (ABl. …der Bp-\nHandakten) mitgeteilt hatte: \n--- \n| 30 \n--- \n| "In aller Regel wurde mit dem Kunden uber den Restkreditbetrag, und in\nzunehmendem Maße wurde auch die zu zahlende Vorfalligkeitsentschadigung gleich\nmitfinanziert, ein neuer Kreditvertrag geschlossen. Im gleichen Zug wurde das\n\'Altdarlehen\' abgerechnet und auf ein weiteres Darlehenskonto ubertragen. Das\nVertragsverhaltnis mit dem Kunden wurde in keiner Weise gelost, sondern nur\nwegen der technischen Seite und den gesetzlichen Bestimmungen der\nEffektivzinsangabe, veranderten Vertragslaufzeit etc. auf ein \'anderes\'\nVertragsverhaltnis ubertragen." \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Diesen Besonderheiten brauchte jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden,\nweil es fur die Entscheidung darauf nicht ankommt. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Der Senat braucht auch nicht zu entscheiden, inwieweit er der Überlegung\nder Klagerin folgen konnte, dass bei Aufrechterhaltung eines Kredits\nzivilrechtlich dasselbe Vertragsverhaltnis zwischen der Bank und dem Kunden\nweitergefuhrt werde. Dafur spricht zwar die von der Klagerin angefuhrte BGH-\nRechtsprechung (Urteil vom 30. September 1999 IX ZR 287/98, NJW 1999, 3708, WM\n1999, 2251), diese bezieht sich aber sowohl auf eine andere Fallgestaltung als\nauch auf eine rein zivilrechtliche Frage aus dem Bereich des\nBurgschaftsrechts, wahrend hier nach bilanzrechtlichen und damit\nwirtschaftlichen Maßstaben zu entscheiden ist, wofur das Zivilrecht nur\nindirekt vorgreiflich ist. Wirtschaftlich und nach dem Sinn einer sog.\nVorfalligkeits-Entschadigung bildet sie in allen genannten Fallen auch bei\nFortfuhrung des vorherigen Vertragsverhaltnisses eine Gegenleistung weder fur\ndie Kapitaluberlassung in der Zukunft noch fur eine andere in der Zukunft zu\nerbringende Leistung der Bank (etwa die Duldung einer niedrigeren Zinszahlung\nod.dgl.), sondern fur die Vertragsanderung als solche und fur die damit\nverbundene sofortige Entlassung des Kunden aus einem Teil seiner\nVertragspflichten. Ebenso wie bei der vollstandigen Vertragsbeendigung und\nTilgung der Restschuld ist die vom Darlehnsnehmer bei einer Änderung des\nVertragsverhaltnisses (in Form der von der Klagerin so genannten Konditionen-\nAnpassung) zu entrichtende Vergutung unmittelbar veranlasst durch diesen neuen\nVertragsabschluss und bildet eine Gegenleistung fur die Bereitschaft der Bank\nzu einem derart veranderten Vertrag. Sie ist daher zeitlich dem Wirksamwerden\ndieses Vertrags, also dem Abschlusstag oder dem vertragsgemaßen Abrechnungs-\nStichtag zuzuordnen. Der damit verbundene Ertrag der Bank tritt deshalb sofort\n(gewohnlich also mit der Vereinnahmung) ein und nicht erst in der Zukunft,\nsodass die Voraussetzungen eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens fehlen\n(§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Allerdings enthalten die sog. Vorfalligkeits-Entschadigungen insofern ein\nauf die Zukunft bezogenes Element, als sie in gewissem Umfang Differenzen\nzwischen der zuvor vereinbarten Verzinsung fur eine bestimmte, noch nicht\nabgelaufene Laufzeit und den nunmehr neu festgelegten (niedrigeren) Zinsen\noder einer sonst zu erwartenden oder moglichen Verzinsung des Kapitals\nausgleichen sollen. Die zivilrechtliche Literatur und Rechtsprechung hat sich\ndemnach mit den Voraussetzungen fur einen Anspruch auf die dahingehende\nVertragsanderung und einen "Zinsausgleich" und mit den Berechnungsgrundlagen\nfur die Ermittlung einer angemessenen Hohe solcher Entschadigungen befasst\n(vgl. z.B. BGH-Urteile vom 01. Juli 1997 XI ZR 197/96 und XI ZR 267/96, NJW\n1997, 2878 und 2875, WM 1997, 1799 und 1747, und vom 06. Mai 2003 XI ZR\n226/02, NJW 2003, 2230, WM 2003, 1261). Der damit gegebene rechtliche und\nwirtschaftliche Bezug auf eine kunftige Verzinsung reicht jedoch nicht aus, um\ndas Verhaltnis der Gegenseitigkeit zwischen einer in der Zukunft von der Bank\nzu erbringenden Leistung und der Vergutung herzustellen, die deshalb erst in\nder Zukunft zu einem Ertrag fuhren konnte. Die kunftige Leistung der Bank ist\ndie (Weiter-)Überlassung des Darlehnskapitals, die Gegenleistung dafur ist der\nin der Zukunft entstehende Zins in der neu vereinbarten (herabgesetzten) Hohe.\nDie dabei zutage tretende Differenz zu der ursprunglichen, nunmehr aber gerade\nnicht mehr rechtswirksamen Verzinsung bildet somit lediglich eine\nBemessungsgrundlage fur den "Zinsausgleich", der seinerseits die\nVertragsanderung als solche vergutet und deshalb sofortiger Ertrag ist. Im\nErgebnis ist also eine Rechnungsabgrenzung in den hier umstrittenen Fallen\neiner Fortsetzung des Kreditverhaltnisses zu geanderten Bedingungen ebenso\nwenig zulassig wie bei einer Beendigung desselben durch Ruckzahlung des\nRestkapitals zuzuglich der Vorfalligkeits-Entschadigung. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Da die Klage in dem noch streitigen Umfang keinen Erfolg haben konnte, hat\ndie Klagerin insoweit die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 135 Abs. 1 FGO).\nSoweit das FA dem ubrigen Klagebegehren durch den Änderungsbescheid vom …\nabgeholfen hat, trifft es die Kostenlast (§ 138 Abs. 2 FGO). Bei der somit\nvorzunehmenden Verteilung der Kosten (entsprechend § 136 Abs. 1 FGO) waren die\nunterschiedlichen Streitwerte der Verfahrensabschnitte zu berucksichtigen. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Revision war zuzulassen, weil die Frage des Umfangs einer\nRechnungsabgrenzung bei Vorfalligkeits-Entschadigungen grundsatzliche\nBedeutung hat (§ 115 Abs. 1 FGO; vgl. Urteil des FG Bremen vom 5. September\n1995 2 89 120 K 4 n.v.). \n---\n\n |
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141,638 | lsgbw-2005-12-15-l-10-lw-433003 | 128 | Landessozialgericht Baden-Württemberg | lsgbw | Baden-Württemberg | Sozialgerichtsbarkeit | L 10 LW 4330/03 | 2005-12-15 | 2019-01-08 22:10:59 | 2019-01-17 12:01:49 | Urteil | ## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Zwischen den Beteiligten ist die Hohe von Zuschussen zu Beitragen zur\nLandwirtschaftlichen Alterskasse (LAK) fur die Zeit vom 01.01.1998 bis\n31.05.1999 streitig. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Mitte 1999 erfuhr die Beklagte (zunachst Landwirtschaftliche Alterskasse\nBerlin, ab 01.04.2004 nach Fusion Landwirtschaftliche Alterskasse Mittel- und\nOstdeutschland) davon, dass der Ehemann der am 1941 geborenen Klagerin ein\nlandwirtschaftliches Unternehmen in B. bewirtschaftete. Sie stellte daraufhin\nsowohl dessen Versicherungspflicht wie jene der Klagerin (Bescheid vom\n23.07.1999 i. d. F. des Bescheides vom 30.11.1999) ruckwirkend ab Beginn des\nstreitigen Zeitraums bestandskraftig fest. Mit Wirkung ab 01.05.2000 wurde die\nKlagerin von der Versicherungspflicht befreit. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Einkommenssituation der Klagerin und ihres Ehemannes stellte sich nach\nden jeweiligen Einkommenssteuerbescheiden, auf die wegen der weiteren\nEinzelheiten Bezug genommen wird, wie folgt dar (ohne Einkunfte aus Land- und\nForstwirtschaft, in den Einkommensteuerbescheiden 1996 und 1997 nach § 13a des\nEinkommensteuergesetzes - EStG - ermittelt): \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| \n--- \n| Einkommenssteuerbescheid \n--- \n| Datum \n--- \n| Positive Einkunfte Ehemann \n--- \n| Positive Einkunfte Klagerin \n--- \n| 1995 \n--- \n| 16.12.1997 \n--- \n| 118.033 \n--- \n| 23.652 \n--- \n| 1996 \n--- \n| 01.12.1998 \n--- \n| 70.230 \n--- \n| 2.601 \n--- \n| geandert 1996 \n--- \n| 10.05.1999 \n--- \n| 69.226 \n--- \n| 2.601 \n--- \n| 1997 \n--- \n| 24.06.1999 \n--- \n| 11.715 \n--- \n| 18.625 \n--- \n| geandert 1997 \n--- \n| 20.09.2000 \n--- \n| 15.015 \n--- \n| 18.625 \n--- \n| 1998 \n--- \n| 25.05.2001 \n--- \n| 13.069 \n--- \n| 20.613 \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Seit dem 01.02.1999 bezieht der Ehemann der Klagerin Altersrente, sie\nselbst seit 01.02.2001. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Dem am 06.10.1999 von der Klagerin gestellten Antrag auf Beitragszuschuss\ngab die Beklagte mit Bescheid vom 10.03.2000 insoweit statt, als sie fur die\nZeit vom 01.12.1998 bis 31.05. 1999 den Hochstbetrag des Beitragszuschusses\n(Ost) gewahrte (224 DM ab 1.12.1998, 230 DM ab 1.1.1999 und 221 DM ab 1.4.1999\nbis 31.5.1999), danach jedoch nur noch 35 DM bzw. ab 01.01.2000 einen\nBeitragszuschuss ablehnte. Zu Grunde lagen die von der Klagerin am 15.12.1999\nvorgelegten Einkommensteuerbescheide fur 1996 vom 01.12.1998 und 1997 vom\n24.06.1999, wobei die Beklagte die Einkunfte der jeweiligen Jahren\nverwechselte. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| In ihrem Widerspruch brachte die Klagerin vor, ihr Ehegatte habe 1996\nseinen Gewerbebetrieb altershalber aufgegeben und 1998 den\nlandwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern wieder aufgenommen. Seit 1997\nhatten sich ihre Einkommensverhaltnisse drastisch verandert, weshalb sie\nbitte, der Zuschussberechnung die Einkunfte aus dem Jahr 1998 zu Grunde zu\nlegen. Im Übrigen sei ihr unklar, weshalb die Beklagte fur die Berechnung der\nZeit vom 01.06. bis 31.12.1999 ein Einkommen ihres Ehegatten im Jahr 1997 in\nHohe von 70.230 DM zu Grunde lege. Im Einkommensteuerbescheid 1997 tauche\ndieser Betrag nicht auf. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Daraufhin bemerkte die Beklagte ihren Irrtum (Verwechslung der Einkunfte\n1996 und 1997). Sie hob mit Bescheid vom 13.06.2000 den Bescheid vom\n10.03.2000 teilweise auf und bewilligte einen Beitragszuschuss ab 01.12.1998\nin Hohe von 36 DM, ab 01.01.1999 in Hohe von 35 DM und fur die Zeit vom\n01.04.1999 bis 31.05.1999 in Hohe von 35 DM. Der zuruckgeforderte uberzahlte\nZuschuss wurde mit Nachzahlungen fur die Folgezeit, fur die die Beklagte\nzugleich einen hoheren Zuschuss bewilligte, verrechnet. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Nachdem die Klagerin den Einkommensteuerbescheid fur 1995 vom 16.12.1997\nvorgelegt hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.07.2000 die\nBewilligung eines Beitragszuschusses fur die Zeit vom 01.01. bis 30.11.1998 im\nHinblick auf das Gesamteinkommen von 141.685 DM im Jahr 1995 ab. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Am 03.11.2000 legte die Klagerin den geanderten Einkommensteuerbescheid fur\ndas Jahr 1996 vom 10.05.1999 vor. Mit Bescheid vom 24.01.2001 hob die Beklagte\ndaraufhin den Bescheid vom 13.06.2000 fur die Zeit vom 01.12.1998 bis\n31.05.1999 auf und bewilligte der Klagerin einen Beitragszuschuss in Hohe von\n45 DM ab 1.12.1998, in Hohe von 46 DM ab 1.1.1999 und in Hohe von 44 DM fur\ndie Zeit vom 01.4. bis 31.05. 1999 (Gutschrift 54 DM). Sie legte entsprechend\ndem Einkommensteuerbescheid vom 10.05.1999 der Berechnung nunmehr ein\nGesamteinkommen von 71.827 DM (fur die Klagerin die Halfte: 35.913 DM) zu\nGrunde und ging von einer ersetzenden Wirkung hinsichtlich des Bescheides vom\n13.06.2000 aus (Schreiben vom 29.01.2002). \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2002 wies die Beklagte die von der\nKlagerin erhobenen Widerspruche gegen den Bescheid vom 25.07.2000 und\n24.01.2001 zuruck. Ermessenserwagungen enthalt dieser Bescheid ebenso wenig\nwie die Ausgangsbescheide. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Dagegen hat die Klagerin am 17.04.2002 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe\nerhoben. Zur Begrundung hat sie - ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren\nwiederholend - u. a. vorgebracht, der Beitragszuschussberechnung seien die\nEinkunfte aus dem Jahr 1997 zugrundezulegen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Mit Urteil vom 24.09.2003 hat das Sozialgericht die Beklagte unter\nAufhebung des Bescheides vom 25.07.2000 sowie Änderung des Bescheides vom\n24.01.2001, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2002\nverurteilt, der Klagerin fur die Zeit vom 01.01.1998 bis 31.05.1999 einen\nBeitragszuschuss zur Alterssicherung der Landwirte auf der Grundlage eines\njahrlichen Einkommens in Hohe von 15.170 DM zu gewahren. Zur Begrundung hat es\nausgefuhrt, fur den streitigen Anspruchszeitraum vom 01.01.1998 bis 31.05.1999\nsei der Einkommenssteuerbescheid fur das Jahr 1997 zu Grunde zu legen.\nMaßgebend fur die Feststellung des Einkommens sei nach § 32 Abs. 3 Satz 4 Nr.\n1 des Gesetzes uber die Alterssicherung der Landwirte (ALG) das zeitnachste\nVeranlagungsjahr. Dadurch solle erreicht werden, bei der Bewilligung eines\nBeitragszuschusses moglichst realistische, weil aktuelle\nEinkommensverhaltnisse zugrundezulegen. Der Einkommensteuerbescheid stelle\ndabei lediglich ein Mittel dar, die wirtschaftliche Situation des\nAntragstellers abzubilden. Je geringer der zeitliche Abstand zwischen der im\nEinkommensteuerbescheid beschriebenen wirtschaftlichen Situation des\nAntragstellers und dem Einspruchszeitraum sei, desto praziser ließen sich die\ntatsachlichen Einkommensverhaltnisse erfassen. Angesichts dessen stunde es dem\nGesetzeszweck gerade zu entgegen, ein neues, bereits vorliegendes\nErkenntnismittel in Form eines aktuellen Einkommensteuerbescheids nur deshalb\nnicht zu berucksichtigen, weil es erst nach Ende des Anspruchszeitraums (aber\nnoch vor der Entscheidung der Behorde) erstellt worden sei. Dementsprechend\nhabe das Bundessozialgericht wiederholt entschieden, dass ab der Vorlage eines\nEinkommensteuerbescheids fur ein zeitnaheres Veranlagungsjahr samtliche\nEinkommensteuerbescheide fur die Vorjahre jegliche Relevanz im Verfahren uber\nden Beitragszuschuss verloren ( Hinweis auf BSG, Urteil vom 06.02.2001, B 10\nLW 11/99 R in SozR 3-5868 § 32 Nr. 6 und Urteil vom 26.09.2001 - B 10 LW 29/00\nR). \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Gegen das am 29.09.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.10.2003\nBerufung eingelegt. Sie sieht das angefochtene Urteil auf der Linie des\nUrteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12.06.2001 (B 10 LW 4/00 R in SozR\n3-5868 § 32 Nr. 11), dem uber den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht zu\nfolgen sei. Die Auslegung von § 32 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 ALG hinsichtlich der\nFormulierung "auf das zeitnachste Veranlagungsjahr beziehenden\nEinkommensteuerbescheid" und hier insbesondere der Begriff "zeitnachst"\nbeziehe sich auf den Zeitpunkt der Ausfertigung eines\nEinkommensteuerbescheides und nicht auf den Bearbeitungstag des\nZuschussantrags durch die Alterskassen, wie das BSG in seiner\nEinzelfallentscheidung ausfuhre. Dies ergebe sich aus der Gesetzessystematik,\ndie sich im weiteren Verlauf in § 32 Abs. 4 ALG manifestiere. In § 32 Abs. 4\nALG habe der Gesetzgeber eindeutig auf das Datum der Ausfertigung des\nEinkommensteuerbescheides abgestellt, nach der alten Fassung des § 32 Abs. 4\nALG sogar auf dessen Vorlage bei der Alterskasse. Es sei nicht ersichtlich,\ndass er dies bei der erstmaligen Feststellung des Anspruchs auf\nBeitragszuschuss nicht gewollt habe. Das Sozialgericht stelle auf den\nZeitpunkt der Entscheidung uber den Anspruch auf Beitragszuschuss ab. Dies\nhabe zur Folge, dass alle wahrend des Verwaltungsverfahrens ergehenden\nEinkommenssteuerbescheide berucksichtigt werden mussten. Dabei frage sich, ob\ndieser Zeitpunkt bei einem Vorverfahren und gegebenenfalls folgenden\nGerichtsverfahren dann bis zur Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz\nhinauszuschieben ware. Vom Versicherten wurden dann ggf. allein in Erwartung\n"gunstigerer" Einkommensteuerbescheide Rechtsbehelfe eingelegt. Im\nvorliegenden Fall komme erschwerend hinzu, dass im Laufe des anhangigen\nVerfahrens nur deshalb ein (neuer) Einkommensteuerbescheid habe vorgelegt\nwerden konnen, was nunmehr die fur die Klagerin gunstigere Entscheidung\nbewirken solle, weil die Aufnahme der selbstandigen landwirtschaftlichen\nTatigkeit des Ehemannes der Klagerin nicht zeitnah angezeigt worden sei. Ware\nden Meldepflichten unverzuglich nachgekommen worden, hatte sie zeitnah\nVersicherungspflicht feststellen und den Anspruch auf Beitragszuschuss prufen\nkonnen. Bei Prufung des Anspruchs im Fruhjahr oder Sommer 1998 hatte mithin\nauch nur der Einkommensteuerbescheid 1995 vom 16.12.1997 vorgelegt werden\nkonnen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. September 2003 aufzuheben\nund die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Sie tragt vor, entgegen der Auffassung der Beklagten konne sich die\nFormulierung "zeitnachst" nicht auf den Zeitpunkt der Ausfertigung des\nEinkommensteuerbescheides beziehen, sondern stelle eine Verbindung zwischen\ndem Veranlagungsjahr und dem Jahr her, fur das ein Einkommensteuerbescheid\nvorliege. Von mehreren bereits existierenden Einkommensteuerbescheiden sei der\ndem Jahr fur das die Beitragszuschusse berechnet wurden, zeitnachste\nheranzuziehen. Je zeitnaher das Veranlagungsjahr des Einkommensteuerbescheides\nje naher lagen die Feststellungen dieses Bescheides auch an den aktuellen\nEinkommensverhaltnissen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird\nauf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider\nInstanzen Bezug genommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 21 \n--- \n| Die gemaß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulassige Berufung\nder Beklagten ist nur zu einem geringen Teil begrundet. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Gegenstand des Rechtsstreits ist der ausschließlich die Zeit vom 01.01.1998\nbis 30.11.1998 betreffende Bescheid vom 25.07.2000 in Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 15.03.2002 und der - den Zeitraum vom 1.11.1998 bis\n31.5.1999 regelnde - Bescheid vom 24.01.2001, ebenfalls in Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 15.03.2002. Nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist\nder Bescheid vom 10.03.2000. Dieser wurde hinsichtlich des streitigen\nZeitraumes durch den Bescheid vom 13.06.2000 teilweise aufgehoben, weil der\nursprungliche Hochstbetrag des Beitragszuschusses auf niedrigere Satze\nreduziert wurde. Dementsprechend entfaltet dieser Bescheid nach § 39 Abs. 2\ndes Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) keine Wirksamkeit mehr. Dies\ngilt aber auch fur den Bescheid vom 13.06.2000, weil dieser durch den\nnachfolgenden und streitbefangenen Bescheid vom 24.01.2001 - so ausdrucklich\ndie Beklagte im Schreiben vom 29.01.2002 - ersetzt wurde, indem die Beklagte\nden Beitragszuschuss fur den Zeitraum von Januar 1998 bis Mai 1999 gegenuber\ndem Bescheid vom 13.06.2000 jeweils erhohte. In Bezug auf die Aufhebung des\nBescheides vom 10.03.2000 ist damit der Bescheid vom 24.10.2001 in vollem\nUmfang an die Stelle des (Aufhebungs)Bescheides vom 13.06.2000 getreten. Der\nBescheid vom 24.01.2001 halt schon unabhangig von der von den Beteiligten\naufgeworfenen Frage einer rechtlichen Nachprufung nicht stand. Denn dieser\nBescheid knupft - wie dargelegt - zunachst an jenen vom 13.06.2000 und damit\nschlussendlich auch an den Bescheid vom 10.03.2000 an und reduziert im\nErgebnis die Bewilligung des Hochstbetrages fur den streitigen Zeitraum im\nBescheid vom 10.03.2000 auf die im Bescheid vom 24.01.2001 genannten Satze. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung bietet § 34 Abs. 4 ALG\nin der bis zum 31.07.2001 geltenden und deshalb hier maßgebenden Fassung\n(a.F.; identisch mit § 34 Abs. 4 Satz 1 ALG) hierfur keine Rechtsgrundlage.\nNach dieser Vorschrift ist der Verwaltungsakt vom Zeitpunkt der Änderung der\nVerhaltnisse an aufzuheben, wenn sich die fur Grund oder Hohe des Zuschusses\nzum Beitrag maßgebenden Verhaltnisse andern. Diese Voraussetzungen sind nicht\nerfullt. Denn gegenuber den im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom\n10.03.2000 maßgebenden Verhaltnissen ist keine relevante Änderung eingetreten.\nZwar erfolgte eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 1996 vom 01.12.1998,\nwie er nach Ansicht der Beklagten fur den streitigen Zeitraum hatte zu Grunde\ngelegt werden mussen durch den Einkommenssteuerbescheid vom 10.05.1999. Eine\nruckwirkende Änderung sah § 34 Abs. 4 ALG a. F. damals aber - anders als § 34\nAbs. 4 Satz 2 ALG heute - nicht vor (BSG, Urteil vom 17.08.2000, B 10 LW 8/00\nR in SozR 3-5868 § 32 Nr. 4). Ohnehin war der Einkommensteuerbescheid 1996\ngerade nicht Grundlage des Bescheides vom 10.03.2000. Vielmehr legte die\nBeklagte in diesem Bescheid fur die Berechnung des Beitragszuschusses\ntatsachlich die Zahlen des Einkommensteuerbescheides von 1997 vom 24.6.1999 -\naus ihrer Sicht zu Unrecht - zu Grunde. Zur Korrektur von Fehlern der\nVerwaltung kann aber § 34 Abs. 4 ALG a. F. nicht herangezogen werden. Diese\nVorschrift ist lediglich eine Sonderregelung im Verhaltnis zu § 48 SGB X (BSG,\nUrteil vom 29.01.2002, B 10 LW 36/00 R in SozR 3-5868 § 34 Nr. 5). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Vergleichbares gilt fur § 34 Abs. 3 Satz 2 ALG. Danach ist der\nVerwaltungsakt mit Wirkung fur die Vergangenheit zuruckzunehmen, wenn das\nEinkommen auf Grund der Mitwirkung des Leistungsberechtigten oder seiner\nmangelnden Mitwirkung unrichtig festgestellt worden ist. Diese Vorschrift ist\neine Sonderregelung zu § 45 SGB X (BSG, a. a. O.). Ihre Voraussetzungen liegen\nhier ebenfalls nicht vor. Denn die der Beklagten unterlaufene Verwechslung der\nEinkunfte aus den Einkommensteuerbescheiden 1996 und 1997 beruhte nicht auf\neiner Handlung der Klagerin. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Als Rechtsgrundlage fur die Aufhebung des Bescheides vom 10.03.2000 kommt\ndaher allein § 45 SGB X in Betracht. Danach darf ein rechtswidriger\nbegunstigender Verwaltungsakt nur unter bestimmten Voraussetzungen (Satze 2\nbis 4) ganz oder teilweise mit Wirkung fur die Zukunft oder fur die\nVergangenheit zuruckgenommen werden. Nach Abs. 2 ist dies nur moglich, wenn\nkein Vertrauensschutz besteht, insbesondere und soweit hier von Interesse\n(Abs. 2 Satz 3 Nr. 3) soweit der Betroffene die Rechtswidrigkeit des\nVerwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlassigkeit nicht kannte. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Ob letzteres hier zutrifft kann offen bleiben. Denn - selbst die\nRechtswidrigkeit des Bescheides vom 10.03.2000 unterstellt - eine Entscheidung\nnach § 45 SGB X erfordert - dies ergibt sich aus dem Wort "darf" (Steinwedel\nin KassKomm § 45 SGB X Rdnr.51) - die Ausubung von Ermessen, woran es hier\nschon deshalb fehlt, weil die Beklagte sich der Notwendigkeit einer\nErmessensausubung nicht bewusst war. Schon dies allein begrundet die\nRechtswidrigkeit des Bescheides vom 13.06.2000 und damit des diesen Bescheid\nersetzenden streitbefangenen Bescheides vom 24.01.2001. Denn nach § 54 Abs. 2\nSatz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist ein Verwaltungsakt auch dann\nrechtswidrig, wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens uberschritten oder\nvon dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermachtigung nicht entsprechenden\nWeise Gebrauch gemacht ist. Ein solcher Ermessensfehler liegt auch dann vor,\nwenn die Behorde von ihrem Ermessen gar keinen Gebrauch machte (vgl. Keller in\nMeyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. § 54 Rdnr. 30). Dementsprechend ist der\nVerwaltungsakt aufzuheben (Keller, a. a. O., Rdnr. 31). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Nicht erforderlich ist eine weitere Prufung der Voraussetzungen des § 45 SGB\nX (zum Stand der Rechtsprechung siehe Steinwedel, a. a. O., § 45 SGB X Rdnr.\n22), weil die Beklagte angesichts der verstrichenen Jahresfrist des § 45 Abs.\n4 SGB X an einer erneuten Rucknahme gehindert ist (Steinwedel, a. a. O., Rdnr.\n31). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Mit der Aufhebung des Bescheides vom 24.01.2001 gelangt der ursprungliche\nBescheid vom 10.03.2000 wieder zur Wirksamkeit. Da in diesem Bescheid der\nKlagerin fur den streitigen Zeitraum der Hochstbetrag an Beitragszuschuss von\nder Beklagten zugebilligt wurde, hatte sich das Sozialgericht auf die\nAufhebung des Bescheides vom 24.01.2001 beschranken mussen. Fur eine\nLeistungsklage betreffend die Zeit vom 01.12.1998 bis 31.05.1999 bestand kein\nRechtsschutzbedurfnis. Insoweit hat die Berufung der Beklagten Erfolg. Die von\nder Klagerin erhobene Leistungsklage fur diesen Zeitraum ist abzuweisen.\nZugleich ist der Tenor des angefochtenen Urteils dieser prozessualen Situation\nentsprechend dahin zu korrigieren, dass der Bescheid vom 24.01.2001 aufgehoben\n(statt abgeandert) wird. Dies fuhrt nicht zu einer Verschlechterung der\nSituation der Beklagten, weil die materiell-rechtlichen Auswirkungen mit jenen\ndes angefochtenen Urteilsausspruches identisch sind. In formaler Hinsicht wird\ndie Beklagte insoweit besser gestellt, als sie fur die Zeit vom 01.12.1998 bis\n31.05.1999 keinen neuen Bewilligungsbescheid erteilen muss. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Das Sozialgericht ist hinsichtlich der Zeit vom 01.01.1998 bis 30.11.1998 zu\nRecht davon ausgegangen, dass zur Ermittlung der Einkunfte auf den\nEinkommenssteuerbescheid von 1997 vom 24.06.1999 abzustellen ist und dass die\nKlagerin deshalb Anspruch auf Beitragszuschuss auf der Grundlage eines\njahrlichen Einkommens in Hohe von 15.170 DM hat. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Nach § 32 Abs. 1 ALG in der bis zum 31.12.1999 geltenden Fassung erhielten\nversicherungspflichtige Landwirte - zu diesem Personenkreis gehort die\nKlagerin auf Grund der bestandskraftigen Feststellung ihrer\nVersicherungspflicht - einen Zuschuss zu ihrem Beitrag, wenn das nach Abs. 2\nermittelte jahrliche Einkommen 40.000 DM nicht uberstieg. Maßgebend ist das\nJahreseinkommen des Landwirts und seines nicht dauernd von ihm getrennt\nlebenden Ehegatten (§ 32 Abs. 2 Satz 1 ALG). Das Jahreseinkommen ist gemaß §\n32 Abs. 3 Satz 1 ALG die Summe der in Satz 3 genannten Einkommen, wobei ein\nAusgleich mit Verlusten aus anderen Einkommen nicht zulassig ist (Satz 2).\nEinkommen sind nach Satz 3 neben Erwerbsersatzeinkommen (Nr. 2) die Summe der\nerzielten positiven Einkunfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 EStG (Nr. 1).\nMaßgebend fur dessen Feststellung sind - soweit hier von Interesse - die sich\naus dem sich auf das zeitnachste Veranlagungsjahr beziehenden\nEinkommensteuerbescheid ergebenden Einkunfte so, wie sie der Besteuerung zu\nGrunde gelegt worden sind, sofern - wie hier - eine Veranlagung zur\nEinkommensteuer fur eines der letzten vier Kalenderjahre erfolgt ist. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend\ndargestellt, weshalb der Berechnung des Beitragszuschusses fur die Zeit ab\n1.1.1998 die Einkunfte der Klagerin und ihres Ehemannes, wie sie sich aus dem\nEinkommensteuerbescheid fur das Jahr 1997 vom 24.06.1999 ergeben, zu Grunde zu\nlegen sind. Der Senat sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der\nEntscheidungsgrunde ab und weist die Berufung insoweit aus den Grunden der\nangefochtenen Entscheidung zuruck (§ 153 Abs. 2 SGG). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Entscheidung des Sozialgerichts steht - wie von der Beklagten zutreffend\nerkannt - im Einklang mit den Ausfuhrungen des BSG im Urteil vom 12.06.2001 (B\n10 LW 4/00 R in SozR 3-5868 § 32 Nr. 11). Der Senat halt dieses Urteil fur\nuberzeugend und sieht nicht, weshalb es sich hierbei um eine\n"Einzelfallentscheidung" handeln sollte. Der Begriff "zeitnachst" bezieht sich\ndanach zum einen auf das Kalenderjahr, fur das der Anspruch auf\nBeitragszuschuss zu prufen ist und zum anderen auf den Einkommensteuerbescheid\nfur das Kalenderjahr, das dem Kalenderjahr fur das der Anspruch auf\nBeitragszuschuss zu prufen ist, am nachsten ist. Er bezieht sich somit\nentgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf den Zeitpunkt der Ausfertigung\ndes Einkommensteuerbescheides. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Hatte der Gesetzgeber eine Regelung wie von der Beklagten gewunscht\nbeabsichtigt, hatte er dies ohne weiteres im Wortlaut zum Ausdruck bringen\nkonnen, wie er dies in § 32 Abs. 4 ALG getan hat. Dort ist geregelt, dass\nEinkommenssteuerbescheide spatestens zwei Monate nach ihrer Ausfertigung\nvorzulegen sind. In § 34 Abs. 4 Satz 1 zweiter Halbsatz ALG a. F. knupfte das\nGesetz an die Verletzung dieser Vorlagepflicht die Sanktion des Ruhens der\nLeistung bis zur Vorlage des Einkommenssteuerbescheides. Seit dem 01.08.2001\nist in § 32 Abs. 4 Satz 2 ALG geregelt, dass Änderungen des Einkommens vom\nBeginn des dritten Kalendermonats nach Ausfertigung des\nEinkommensteuerbescheides zu berucksichtigen sind. Es wurde und wird also dort\nausdrucklich auf die Ausfertigung des Einkommensteuerbescheides abgestellt.\nDass der Gesetzgeber in Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 des § 32 ALG dies nicht getan hat,\nfuhrt im Umkehrschluss zu einer Bestatigung der vom Senat vertretenen\nAuffassung. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Es ist der Beklagten zwar zuzugeben, dass dies im vorliegenden Fall dazu\nfuhrt, dass fur die Klagerin ein gunstigerer Einkommensteuerbescheid (1997) zu\nGrunde zu legen ist, weil die Aufnahme der selbstandigen landwirtschaftlichen\nTatigkeit des Ehemannes der Klagerin nicht zeitnah angezeigt worden ist.\nEigentlicher Grund hierfur ist § 34 Abs. 2 Satz 3 ALG, der bei ruckwirkender\nFeststellung der Versicherungspflicht keine zeitliche Begrenzung fur die\nGewahrung des Beitragszuschusses in die Vergangenheit vorsieht und auch nicht\nnach dem Grund fur die verspatete Feststellung der Versicherungspflicht\ndifferenziert. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung hat die Beklagte zu\nakzeptieren, auch wenn dies in Verbindung mit der gesetzgeberischen\nGrundentscheidung, bei der Bewilligung eines Beitragszuschusses moglichst\naktuelle Einkommensverhaltnisse zu Grunde zu legen, bei der Klagerin zu einem\nfinanziellen Vorteil fuhrt. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Gleiches gilt fur den von der Beklagten angefuhrten Fall einer langeren\nDauer des Verwaltungsverfahrens, wobei hier darauf hinzuweisen ist, dass\nEinkommensteuerbescheide fur die verschiedenen Jahre regelmaßig in jahrlichem\nAbstand ergehen und eine entsprechende einjahrige oder langere Dauer eines\nVerwaltungsverfahrens wohl die Ausnahme sein durfte. Der Sache nach dienen die\nEinkommenssteuerbescheide fur die Entscheidung uber den Beitragszuschuss als\nEinkommensnachweis. Neue Beweismittel aber sind - sofern das Gesetz keine\nAusnahmeregelungen enthalt - in jedem Verfahrensstadium zu berucksichtigen.\nDies gilt in allen Verfahrensordnungen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Nicht zutreffend ist die Behauptung der Beklagten, die Betroffenen konnten\nsich bei dieser Rechtsprechung durch Widerspruchs- und Klageverfahren weitere\nVorteile sichern, weil alle wahrend anhangiger Verfahren vorgelegten\nEinkommensteuerbescheide ohne Begrenzung Berucksichtigung finden mussten und\ndeshalb der Beitragszuschuss - gegebenenfalls sogar wiederholt - mit Wirkung\nfur die Vergangenheit zu andern ware. Denn maßgebend ist der Zeitpunkt der\nersten Entscheidung uber die Bewilligung des Beitragszuschusses. Dies folgt\neindeutig aus dem bereits genannten Urteil des BSG vom 12.06.2001. Im\nvorletzten Absatz ist dort ausdrucklich ausgefuhrt, dass der hier maßgebende §\n32 Abs. 4 Satz 3 ALG a. F. nicht in der Zeit zwischen Antragstellung und\nErteilung eines ersten Bescheides uber die Bewilligung des Beitragszuschusses\ngelte. Nach § 32 Abs. 4 ALG a. F. wurden Änderungen des Einkommens erst vom\nErsten des auf die Vorlage des Bescheides folgenden Kalendermonats an\nberucksichtigt. Zugleich war bei Versaumung der Vorlagefrist von zwei\nKalendermonaten nach Ausfertigung des Einkommensteuerbescheides das Ruhen der\nLeistung bis zur Vorlage des Einkommensteuerbescheides vorgesehenen. Die\nentsprechende verfahrensrechtliche Umsetzung enthielt und enthalt § 34 Abs. 4\nALG, der bestimmt(e), dass im Falle von Änderungen der Verhaltnisse der\nVerwaltungsakt vom Zeitpunkt der Änderung an aufzuheben war. Nach einer\nerstmaligen Bewilligung des Beitragszuschusses galten somit klare\nBestimmungen, inwieweit weitere Einkommenssteuerbescheide zu berucksichtigen\nwaren. Dies hat auch fur Rechtsbehelfe zu gelten, weil § 32 Abs. 4 ALG a. F.\nmateriell-rechtliche Regelungen enthielt (im Gegensatz zur\nverfahrensrechtlichen Bestimmung des § 34 Abs. 4 ALG a. F.). \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Noch deutlicher ist die Situation nach der aktuellen Rechtslage. Wird ein\nder Zuschussberechnung zu Grunde liegender Einkommenssteuerbescheid geandert,\nist dies nach § 32 Abs. 4 Satz 3 mit Wirkung fur die Vergangenheit zu\nberucksichtigen. Fur das Verwaltungsverfahren setzt dies § 34 Abs. 4 Satz 2\nALG mit einer Rechtsgrundlage zur Aufhebung des ergangenen Zuschussbescheides\num. Änderungen des Einkommens dagegen sind vom Beginn des dritten\nKalendermonats nach Ausfertigung des Einkommensteuerbescheides zu\nberucksichtigen (§ 32 Abs. 4 Satz 2 ALG). Diese Regelung betrifft in\nAbgrenzung zu Satz 3 jene Falle, in denen nach der ersten Entscheidung uber\nden Beitragszuschuss Einkommensteuerbescheide fur zeitnahere Veranlagungsjahre\nergehen. Fur die entsprechende verfahrensrechtliche Umsetzung sorgt § 34 Abs.\n4 Satz 1 ALG, wonach der Verwaltungsakt vom Zeitpunkt der Änderung der\nVerhaltnisse an aufzuheben ist, wenn sich die fur Grund oder Hohe des\nZuschusses maßgebenden Verhaltnisse andern. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Soweit die Beklagte auf den Fall einer Ablehnung des Beitragszuschusses mit\nnachfolgenden Rechtsbehelfen abstellt, bedarf dies keiner vertieften\nErorterung, weil im hier zu entscheidenden Fall eine Bewilligungsentscheidung\nerging. Lediglich am Rande ist deshalb darauf hinzuweisen, dass vom Grundsatz,\nin Fallen der Leistungsklage sei auf den Zeitpunkt der letzten\nTatsacheninstanz abzustellen, Ausnahmen moglich sind, weil die Frage des\nmaßgeblichen Zeitpunktes fur die Beurteilung der Klage eine Frage des\nmateriellen Rechts ist (s. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 54 Rdnrn. 32\nff.). Ob dies auch bei Widerspruchsverfahren gelten kann, ist fraglich. Jedoch\nerscheint die von der Beklagten befurchtete Konsequenz, der Betroffene konnte\nwahrend des Widerspruchsverfahrens durch Vorlage dann ergehender zeitnaherer\nEinkommenssteuerbescheide Vorteile erzielen, vor dem Hintergrund der\ngesetzgeberischen Intention, der Zuschussberechnung seien moglichst\nauthentische Einkommensverhaltnisse zu Grunde zu legen, nicht inakzeptabel.\nAuch hier ist im Übrigen zu berucksichtigen, dass der Sache nach nur neue\nBeweismittel vorgelegt wurden. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Nicht begrundet ist jedenfalls die Befurchtung der Beklagten, ein\nBetroffener, dem angesichts seiner Einkommenssituation in einem fruheren\nEinkommenssteuerbescheid ein Beitragszuschuss (bestandskraftig) abgelehnt\nwurde, konnte nach Vorlage eines aktuelleren und gunstigeren\nEinkommenssteuerbescheides ruckwirkend u. U. fur mehrere Jahre moglicherweise\nsogar den Hochstbetrag an Zuschuss erhalten, wahrend ein Versicherter, dem ein\nniedriger Zuschuss bewilligt wurde bei vergleichbarer Änderung der\nEinkommenssituation erst ab Beginn des dritten Kalendermonats nach\nAusfertigung des Einkommenssteuerbescheides in den Genuss des hochsten\nZuschusses kame (§ 32 Abs. 4 Satz 2 ALG). Denn in einem Fall bestandskraftiger\nAblehnung muss der Versicherte einen neuen Antrag stellen, der gemaß § 34 Abs.\n2 ALG allenfalls drei Kalendermonate zuruckwirkt. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Regelungen in den §§ 18b Abs. 2 Satz 2, 18d Abs. 2 des Vierten Buches\nSozialgesetzbuch (SGB IV) konnen zu einem Vergleich schon deshalb nicht\nherangezogen werden, weil es dort an der strikten Anbindung an den\nEinkommenssteuerbescheid fehlt. Vergleichbares gilt fur § 24 Abs. 3\nBundesausbildungsforderungsgesetz (BAfoG). Auch dort unterscheiden sich die\nRegelungen vom ALG erheblich. In § 165 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch\n(SGB VI) wird zwar wie im ALG auch an Einkommenssteuerbescheide angeknupft und\nAbs. 1a enthalt eine erst spater ins Gesetz eingefugte Ausnahmeregelung.\nHieraus lassen sich aber schon deshalb fur das ALG keine Ruckschlusse ziehen,\nweil diese Regelung die Erhebung und Hohe von Beitragen und nicht die\nGewahrung einer Leistung in Form eines Beitragszuschusses fur Einheitsbeitrage\nbetrifft, sodass der allenfalls zu Friktionen fuhrende Fall einer Ablehnung\neines Antrages dort nicht auftritt. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Damit hatte die Beklagte fur den genannten Zeitraum bei ihrer Entscheidung\nuber den Beitragszuschuss die im Einkommenssteuerbescheid fur 1997 vom\n24.06.1999 aufgefuhrten positiven Einkunfte der Berechnung zu Grunde legen\nmussen. Bei Addition der positiven Einkunfte der Klagerin in Hohe von 18.625\nDM und jenen ihres Ehemannes - ohne Land- und Forstwirtschaft - in Hohe von\n11.715 DM errechnet sich ein Gesamteinkommen in Hohe von 30.340 DM, wovon\ngemaß § 32 Abs. 2 ALG der Klagerin die Halfte, also 15.170 DM zugerechnet\nwird. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Einkunfte aus Land- und Forstwirtschaft in Hohe von 4284 DM sind nach §\n32 Abs. 5 ALG nicht zu berucksichtigen. Diese Vorschrift betrifft Falle, in\ndenen der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nicht nach § 4 EStG ermittelt\nwurde (Satz 1) und erlaubt eine Festsetzung von Arbeitseinkommen aus Land- und\nForstwirtschaft dann nur, wenn im Veranlagungsjahr, auf das sich der\nEinkommensteuerbescheid bezieht, ein Unternehmen der Landwirtschaft betrieben\nwurde (Satz 2). Die Einkunfte aus Land- und Forstwirtschaft im\nEinkommensteuerbescheid fur 1997 vom 24.06.1999 wurden nicht nach § 4 EStG,\nsondern nach § 13a EStG (Ermittlung nach Durchschnittssatzen) ermittelt. Die\nÜbernahme der Landwirtschaft durch den Ehemann der Klagerin erfolgte erst\nAnfang 1998, also noch nicht im Jahre 1997. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Zwar sind nach § 32 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 ALG auch Erwerbsersatzeinkommen,\nmithin Altersrenten zu berucksichtigen. Maßgebend ist jedoch nach Satz 5 der\nVorschrift das Erwerbsersatzeinkommen des Jahres, auf das sich der maßgebende\nEinkommensteuerbescheid - hier fur das Jahr 1997 vom 24.06.1999 - bezieht. Im\nJahre 1997 aber erhielten weder die Klagerin noch ihr Ehemann Altersrente. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Allerdings wurde der Einkommenssteuerbescheid vom 24.06.1999 durch den\nBescheid vom 20.09.2000 geandert. Dort sind fur die Klagerin - insoweit\nunverandert gegenuber dem Einkommensteuerbescheid vom 24.06.1999 - positive\nEinkunfte in Hohe von 18.625 DM, fur ihren Ehemann solche in Hohe von 15.015\nDM (ohne Einkunfte aus Land- und Forstwirtschaft) ausgewiesen. Die\nGesamteinkunfte beliefen sich damit auf 33.640 DM, sodass der Klagerin 16.820\nDM zuzurechnen waren (§ 32 Abs. 2 Satz 1 ALG). \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Zum damaligen Zeitpunkt galt jedoch noch § 32 Abs. 4 ALG a. F., der keine\ndem § 32 Abs. 4 Satz 3 ALG in der ab dem 01.08.2001 geltenden Fassung (fur\nÄnderungen von Einkommenssteuerbescheiden) vergleichbare Regelung enthielt. Ob\ner auf diese Falle ebenfalls Anwendung fand, kann der Senat offen lassen\n(bejahend die Vorinstanzen in dem Fall BSG, Urteil vom 18.08.2000, B 10 LW\n8/00 R in SozR 3-5868 § 32 Nr. 4, dort im Revisionsverfahren aber nicht mehr\nentscheidungsrelevant). Hier jedenfalls fuhrt diese Änderung des\nEinkommenssteuerbescheides vom 24.06.1999 selbst dann zu keinen Veranderungen\nfur den streitigen Zeitraum, wenn diese Vorschrift angewandt wurde. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Ausgefertigt wurde der Änderungsbescheid fur 1997 am 20.09.2000. Er hatte\nder Beklagten von der Klagerin spatestens im November 2000 vorgelegt werden\nmussen (§ 32 Abs. 4 Satz 1 erster Halbsatz ALG a. F.), zu einem Zeitpunkt, zu\ndem die Klagerin bereits von der Beitragspflicht befreit war (namlich ab\n01.05.2000). Selbst bei nicht ausgesprochener Befreiung ware ein Anspruch auf\nBeitragszuschuss nach Ablauf dieser Frist zwar zum Ruhen gekommen (zweiter\nHalbsatz der Regelung). Dies wirkt sich auf den hier streitigen Zeitraum\n1998/99 jedoch nicht aus. Die Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 2 ALG a. F.\n(Änderungen des Einkommens wurden vom Ersten des auf die Vorlage des Bescheids\nfolgenden Kalendermonats an berucksichtigt) fuhrte dazu, dass\nNeufeststellungen grundsatzlich nur fur die Zukunft erfolgten (BSG, a. a. O.).\nDementsprechend fuhrt der Einkommenssteuerbescheid 1997 vom 20.09.2000 zu\nkeiner Änderung \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Angesichts des weit\nuberwiegenden Obsiegens der Klagerin ist eine volle Kostenerstattung durch die\nBeklagte angemessen. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Die Revision ist, bezogen auf die Zeit vom 01.01. bis 30.11.1998, wegen\ngrundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 21 \n--- \n| Die gemaß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulassige Berufung\nder Beklagten ist nur zu einem geringen Teil begrundet. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Gegenstand des Rechtsstreits ist der ausschließlich die Zeit vom 01.01.1998\nbis 30.11.1998 betreffende Bescheid vom 25.07.2000 in Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 15.03.2002 und der - den Zeitraum vom 1.11.1998 bis\n31.5.1999 regelnde - Bescheid vom 24.01.2001, ebenfalls in Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 15.03.2002. Nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist\nder Bescheid vom 10.03.2000. Dieser wurde hinsichtlich des streitigen\nZeitraumes durch den Bescheid vom 13.06.2000 teilweise aufgehoben, weil der\nursprungliche Hochstbetrag des Beitragszuschusses auf niedrigere Satze\nreduziert wurde. Dementsprechend entfaltet dieser Bescheid nach § 39 Abs. 2\ndes Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) keine Wirksamkeit mehr. Dies\ngilt aber auch fur den Bescheid vom 13.06.2000, weil dieser durch den\nnachfolgenden und streitbefangenen Bescheid vom 24.01.2001 - so ausdrucklich\ndie Beklagte im Schreiben vom 29.01.2002 - ersetzt wurde, indem die Beklagte\nden Beitragszuschuss fur den Zeitraum von Januar 1998 bis Mai 1999 gegenuber\ndem Bescheid vom 13.06.2000 jeweils erhohte. In Bezug auf die Aufhebung des\nBescheides vom 10.03.2000 ist damit der Bescheid vom 24.10.2001 in vollem\nUmfang an die Stelle des (Aufhebungs)Bescheides vom 13.06.2000 getreten. Der\nBescheid vom 24.01.2001 halt schon unabhangig von der von den Beteiligten\naufgeworfenen Frage einer rechtlichen Nachprufung nicht stand. Denn dieser\nBescheid knupft - wie dargelegt - zunachst an jenen vom 13.06.2000 und damit\nschlussendlich auch an den Bescheid vom 10.03.2000 an und reduziert im\nErgebnis die Bewilligung des Hochstbetrages fur den streitigen Zeitraum im\nBescheid vom 10.03.2000 auf die im Bescheid vom 24.01.2001 genannten Satze. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung bietet § 34 Abs. 4 ALG\nin der bis zum 31.07.2001 geltenden und deshalb hier maßgebenden Fassung\n(a.F.; identisch mit § 34 Abs. 4 Satz 1 ALG) hierfur keine Rechtsgrundlage.\nNach dieser Vorschrift ist der Verwaltungsakt vom Zeitpunkt der Änderung der\nVerhaltnisse an aufzuheben, wenn sich die fur Grund oder Hohe des Zuschusses\nzum Beitrag maßgebenden Verhaltnisse andern. Diese Voraussetzungen sind nicht\nerfullt. Denn gegenuber den im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom\n10.03.2000 maßgebenden Verhaltnissen ist keine relevante Änderung eingetreten.\nZwar erfolgte eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 1996 vom 01.12.1998,\nwie er nach Ansicht der Beklagten fur den streitigen Zeitraum hatte zu Grunde\ngelegt werden mussen durch den Einkommenssteuerbescheid vom 10.05.1999. Eine\nruckwirkende Änderung sah § 34 Abs. 4 ALG a. F. damals aber - anders als § 34\nAbs. 4 Satz 2 ALG heute - nicht vor (BSG, Urteil vom 17.08.2000, B 10 LW 8/00\nR in SozR 3-5868 § 32 Nr. 4). Ohnehin war der Einkommensteuerbescheid 1996\ngerade nicht Grundlage des Bescheides vom 10.03.2000. Vielmehr legte die\nBeklagte in diesem Bescheid fur die Berechnung des Beitragszuschusses\ntatsachlich die Zahlen des Einkommensteuerbescheides von 1997 vom 24.6.1999 -\naus ihrer Sicht zu Unrecht - zu Grunde. Zur Korrektur von Fehlern der\nVerwaltung kann aber § 34 Abs. 4 ALG a. F. nicht herangezogen werden. Diese\nVorschrift ist lediglich eine Sonderregelung im Verhaltnis zu § 48 SGB X (BSG,\nUrteil vom 29.01.2002, B 10 LW 36/00 R in SozR 3-5868 § 34 Nr. 5). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Vergleichbares gilt fur § 34 Abs. 3 Satz 2 ALG. Danach ist der\nVerwaltungsakt mit Wirkung fur die Vergangenheit zuruckzunehmen, wenn das\nEinkommen auf Grund der Mitwirkung des Leistungsberechtigten oder seiner\nmangelnden Mitwirkung unrichtig festgestellt worden ist. Diese Vorschrift ist\neine Sonderregelung zu § 45 SGB X (BSG, a. a. O.). Ihre Voraussetzungen liegen\nhier ebenfalls nicht vor. Denn die der Beklagten unterlaufene Verwechslung der\nEinkunfte aus den Einkommensteuerbescheiden 1996 und 1997 beruhte nicht auf\neiner Handlung der Klagerin. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Als Rechtsgrundlage fur die Aufhebung des Bescheides vom 10.03.2000 kommt\ndaher allein § 45 SGB X in Betracht. Danach darf ein rechtswidriger\nbegunstigender Verwaltungsakt nur unter bestimmten Voraussetzungen (Satze 2\nbis 4) ganz oder teilweise mit Wirkung fur die Zukunft oder fur die\nVergangenheit zuruckgenommen werden. Nach Abs. 2 ist dies nur moglich, wenn\nkein Vertrauensschutz besteht, insbesondere und soweit hier von Interesse\n(Abs. 2 Satz 3 Nr. 3) soweit der Betroffene die Rechtswidrigkeit des\nVerwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlassigkeit nicht kannte. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Ob letzteres hier zutrifft kann offen bleiben. Denn - selbst die\nRechtswidrigkeit des Bescheides vom 10.03.2000 unterstellt - eine Entscheidung\nnach § 45 SGB X erfordert - dies ergibt sich aus dem Wort "darf" (Steinwedel\nin KassKomm § 45 SGB X Rdnr.51) - die Ausubung von Ermessen, woran es hier\nschon deshalb fehlt, weil die Beklagte sich der Notwendigkeit einer\nErmessensausubung nicht bewusst war. Schon dies allein begrundet die\nRechtswidrigkeit des Bescheides vom 13.06.2000 und damit des diesen Bescheid\nersetzenden streitbefangenen Bescheides vom 24.01.2001. Denn nach § 54 Abs. 2\nSatz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist ein Verwaltungsakt auch dann\nrechtswidrig, wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens uberschritten oder\nvon dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermachtigung nicht entsprechenden\nWeise Gebrauch gemacht ist. Ein solcher Ermessensfehler liegt auch dann vor,\nwenn die Behorde von ihrem Ermessen gar keinen Gebrauch machte (vgl. Keller in\nMeyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. § 54 Rdnr. 30). Dementsprechend ist der\nVerwaltungsakt aufzuheben (Keller, a. a. O., Rdnr. 31). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Nicht erforderlich ist eine weitere Prufung der Voraussetzungen des § 45 SGB\nX (zum Stand der Rechtsprechung siehe Steinwedel, a. a. O., § 45 SGB X Rdnr.\n22), weil die Beklagte angesichts der verstrichenen Jahresfrist des § 45 Abs.\n4 SGB X an einer erneuten Rucknahme gehindert ist (Steinwedel, a. a. O., Rdnr.\n31). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Mit der Aufhebung des Bescheides vom 24.01.2001 gelangt der ursprungliche\nBescheid vom 10.03.2000 wieder zur Wirksamkeit. Da in diesem Bescheid der\nKlagerin fur den streitigen Zeitraum der Hochstbetrag an Beitragszuschuss von\nder Beklagten zugebilligt wurde, hatte sich das Sozialgericht auf die\nAufhebung des Bescheides vom 24.01.2001 beschranken mussen. Fur eine\nLeistungsklage betreffend die Zeit vom 01.12.1998 bis 31.05.1999 bestand kein\nRechtsschutzbedurfnis. Insoweit hat die Berufung der Beklagten Erfolg. Die von\nder Klagerin erhobene Leistungsklage fur diesen Zeitraum ist abzuweisen.\nZugleich ist der Tenor des angefochtenen Urteils dieser prozessualen Situation\nentsprechend dahin zu korrigieren, dass der Bescheid vom 24.01.2001 aufgehoben\n(statt abgeandert) wird. Dies fuhrt nicht zu einer Verschlechterung der\nSituation der Beklagten, weil die materiell-rechtlichen Auswirkungen mit jenen\ndes angefochtenen Urteilsausspruches identisch sind. In formaler Hinsicht wird\ndie Beklagte insoweit besser gestellt, als sie fur die Zeit vom 01.12.1998 bis\n31.05.1999 keinen neuen Bewilligungsbescheid erteilen muss. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Das Sozialgericht ist hinsichtlich der Zeit vom 01.01.1998 bis 30.11.1998 zu\nRecht davon ausgegangen, dass zur Ermittlung der Einkunfte auf den\nEinkommenssteuerbescheid von 1997 vom 24.06.1999 abzustellen ist und dass die\nKlagerin deshalb Anspruch auf Beitragszuschuss auf der Grundlage eines\njahrlichen Einkommens in Hohe von 15.170 DM hat. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Nach § 32 Abs. 1 ALG in der bis zum 31.12.1999 geltenden Fassung erhielten\nversicherungspflichtige Landwirte - zu diesem Personenkreis gehort die\nKlagerin auf Grund der bestandskraftigen Feststellung ihrer\nVersicherungspflicht - einen Zuschuss zu ihrem Beitrag, wenn das nach Abs. 2\nermittelte jahrliche Einkommen 40.000 DM nicht uberstieg. Maßgebend ist das\nJahreseinkommen des Landwirts und seines nicht dauernd von ihm getrennt\nlebenden Ehegatten (§ 32 Abs. 2 Satz 1 ALG). Das Jahreseinkommen ist gemaß §\n32 Abs. 3 Satz 1 ALG die Summe der in Satz 3 genannten Einkommen, wobei ein\nAusgleich mit Verlusten aus anderen Einkommen nicht zulassig ist (Satz 2).\nEinkommen sind nach Satz 3 neben Erwerbsersatzeinkommen (Nr. 2) die Summe der\nerzielten positiven Einkunfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 EStG (Nr. 1).\nMaßgebend fur dessen Feststellung sind - soweit hier von Interesse - die sich\naus dem sich auf das zeitnachste Veranlagungsjahr beziehenden\nEinkommensteuerbescheid ergebenden Einkunfte so, wie sie der Besteuerung zu\nGrunde gelegt worden sind, sofern - wie hier - eine Veranlagung zur\nEinkommensteuer fur eines der letzten vier Kalenderjahre erfolgt ist. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend\ndargestellt, weshalb der Berechnung des Beitragszuschusses fur die Zeit ab\n1.1.1998 die Einkunfte der Klagerin und ihres Ehemannes, wie sie sich aus dem\nEinkommensteuerbescheid fur das Jahr 1997 vom 24.06.1999 ergeben, zu Grunde zu\nlegen sind. Der Senat sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der\nEntscheidungsgrunde ab und weist die Berufung insoweit aus den Grunden der\nangefochtenen Entscheidung zuruck (§ 153 Abs. 2 SGG). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Entscheidung des Sozialgerichts steht - wie von der Beklagten zutreffend\nerkannt - im Einklang mit den Ausfuhrungen des BSG im Urteil vom 12.06.2001 (B\n10 LW 4/00 R in SozR 3-5868 § 32 Nr. 11). Der Senat halt dieses Urteil fur\nuberzeugend und sieht nicht, weshalb es sich hierbei um eine\n"Einzelfallentscheidung" handeln sollte. Der Begriff "zeitnachst" bezieht sich\ndanach zum einen auf das Kalenderjahr, fur das der Anspruch auf\nBeitragszuschuss zu prufen ist und zum anderen auf den Einkommensteuerbescheid\nfur das Kalenderjahr, das dem Kalenderjahr fur das der Anspruch auf\nBeitragszuschuss zu prufen ist, am nachsten ist. Er bezieht sich somit\nentgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf den Zeitpunkt der Ausfertigung\ndes Einkommensteuerbescheides. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Hatte der Gesetzgeber eine Regelung wie von der Beklagten gewunscht\nbeabsichtigt, hatte er dies ohne weiteres im Wortlaut zum Ausdruck bringen\nkonnen, wie er dies in § 32 Abs. 4 ALG getan hat. Dort ist geregelt, dass\nEinkommenssteuerbescheide spatestens zwei Monate nach ihrer Ausfertigung\nvorzulegen sind. In § 34 Abs. 4 Satz 1 zweiter Halbsatz ALG a. F. knupfte das\nGesetz an die Verletzung dieser Vorlagepflicht die Sanktion des Ruhens der\nLeistung bis zur Vorlage des Einkommenssteuerbescheides. Seit dem 01.08.2001\nist in § 32 Abs. 4 Satz 2 ALG geregelt, dass Änderungen des Einkommens vom\nBeginn des dritten Kalendermonats nach Ausfertigung des\nEinkommensteuerbescheides zu berucksichtigen sind. Es wurde und wird also dort\nausdrucklich auf die Ausfertigung des Einkommensteuerbescheides abgestellt.\nDass der Gesetzgeber in Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 des § 32 ALG dies nicht getan hat,\nfuhrt im Umkehrschluss zu einer Bestatigung der vom Senat vertretenen\nAuffassung. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Es ist der Beklagten zwar zuzugeben, dass dies im vorliegenden Fall dazu\nfuhrt, dass fur die Klagerin ein gunstigerer Einkommensteuerbescheid (1997) zu\nGrunde zu legen ist, weil die Aufnahme der selbstandigen landwirtschaftlichen\nTatigkeit des Ehemannes der Klagerin nicht zeitnah angezeigt worden ist.\nEigentlicher Grund hierfur ist § 34 Abs. 2 Satz 3 ALG, der bei ruckwirkender\nFeststellung der Versicherungspflicht keine zeitliche Begrenzung fur die\nGewahrung des Beitragszuschusses in die Vergangenheit vorsieht und auch nicht\nnach dem Grund fur die verspatete Feststellung der Versicherungspflicht\ndifferenziert. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung hat die Beklagte zu\nakzeptieren, auch wenn dies in Verbindung mit der gesetzgeberischen\nGrundentscheidung, bei der Bewilligung eines Beitragszuschusses moglichst\naktuelle Einkommensverhaltnisse zu Grunde zu legen, bei der Klagerin zu einem\nfinanziellen Vorteil fuhrt. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Gleiches gilt fur den von der Beklagten angefuhrten Fall einer langeren\nDauer des Verwaltungsverfahrens, wobei hier darauf hinzuweisen ist, dass\nEinkommensteuerbescheide fur die verschiedenen Jahre regelmaßig in jahrlichem\nAbstand ergehen und eine entsprechende einjahrige oder langere Dauer eines\nVerwaltungsverfahrens wohl die Ausnahme sein durfte. Der Sache nach dienen die\nEinkommenssteuerbescheide fur die Entscheidung uber den Beitragszuschuss als\nEinkommensnachweis. Neue Beweismittel aber sind - sofern das Gesetz keine\nAusnahmeregelungen enthalt - in jedem Verfahrensstadium zu berucksichtigen.\nDies gilt in allen Verfahrensordnungen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Nicht zutreffend ist die Behauptung der Beklagten, die Betroffenen konnten\nsich bei dieser Rechtsprechung durch Widerspruchs- und Klageverfahren weitere\nVorteile sichern, weil alle wahrend anhangiger Verfahren vorgelegten\nEinkommensteuerbescheide ohne Begrenzung Berucksichtigung finden mussten und\ndeshalb der Beitragszuschuss - gegebenenfalls sogar wiederholt - mit Wirkung\nfur die Vergangenheit zu andern ware. Denn maßgebend ist der Zeitpunkt der\nersten Entscheidung uber die Bewilligung des Beitragszuschusses. Dies folgt\neindeutig aus dem bereits genannten Urteil des BSG vom 12.06.2001. Im\nvorletzten Absatz ist dort ausdrucklich ausgefuhrt, dass der hier maßgebende §\n32 Abs. 4 Satz 3 ALG a. F. nicht in der Zeit zwischen Antragstellung und\nErteilung eines ersten Bescheides uber die Bewilligung des Beitragszuschusses\ngelte. Nach § 32 Abs. 4 ALG a. F. wurden Änderungen des Einkommens erst vom\nErsten des auf die Vorlage des Bescheides folgenden Kalendermonats an\nberucksichtigt. Zugleich war bei Versaumung der Vorlagefrist von zwei\nKalendermonaten nach Ausfertigung des Einkommensteuerbescheides das Ruhen der\nLeistung bis zur Vorlage des Einkommensteuerbescheides vorgesehenen. Die\nentsprechende verfahrensrechtliche Umsetzung enthielt und enthalt § 34 Abs. 4\nALG, der bestimmt(e), dass im Falle von Änderungen der Verhaltnisse der\nVerwaltungsakt vom Zeitpunkt der Änderung an aufzuheben war. Nach einer\nerstmaligen Bewilligung des Beitragszuschusses galten somit klare\nBestimmungen, inwieweit weitere Einkommenssteuerbescheide zu berucksichtigen\nwaren. Dies hat auch fur Rechtsbehelfe zu gelten, weil § 32 Abs. 4 ALG a. F.\nmateriell-rechtliche Regelungen enthielt (im Gegensatz zur\nverfahrensrechtlichen Bestimmung des § 34 Abs. 4 ALG a. F.). \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Noch deutlicher ist die Situation nach der aktuellen Rechtslage. Wird ein\nder Zuschussberechnung zu Grunde liegender Einkommenssteuerbescheid geandert,\nist dies nach § 32 Abs. 4 Satz 3 mit Wirkung fur die Vergangenheit zu\nberucksichtigen. Fur das Verwaltungsverfahren setzt dies § 34 Abs. 4 Satz 2\nALG mit einer Rechtsgrundlage zur Aufhebung des ergangenen Zuschussbescheides\num. Änderungen des Einkommens dagegen sind vom Beginn des dritten\nKalendermonats nach Ausfertigung des Einkommensteuerbescheides zu\nberucksichtigen (§ 32 Abs. 4 Satz 2 ALG). Diese Regelung betrifft in\nAbgrenzung zu Satz 3 jene Falle, in denen nach der ersten Entscheidung uber\nden Beitragszuschuss Einkommensteuerbescheide fur zeitnahere Veranlagungsjahre\nergehen. Fur die entsprechende verfahrensrechtliche Umsetzung sorgt § 34 Abs.\n4 Satz 1 ALG, wonach der Verwaltungsakt vom Zeitpunkt der Änderung der\nVerhaltnisse an aufzuheben ist, wenn sich die fur Grund oder Hohe des\nZuschusses maßgebenden Verhaltnisse andern. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Soweit die Beklagte auf den Fall einer Ablehnung des Beitragszuschusses mit\nnachfolgenden Rechtsbehelfen abstellt, bedarf dies keiner vertieften\nErorterung, weil im hier zu entscheidenden Fall eine Bewilligungsentscheidung\nerging. Lediglich am Rande ist deshalb darauf hinzuweisen, dass vom Grundsatz,\nin Fallen der Leistungsklage sei auf den Zeitpunkt der letzten\nTatsacheninstanz abzustellen, Ausnahmen moglich sind, weil die Frage des\nmaßgeblichen Zeitpunktes fur die Beurteilung der Klage eine Frage des\nmateriellen Rechts ist (s. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 54 Rdnrn. 32\nff.). Ob dies auch bei Widerspruchsverfahren gelten kann, ist fraglich. Jedoch\nerscheint die von der Beklagten befurchtete Konsequenz, der Betroffene konnte\nwahrend des Widerspruchsverfahrens durch Vorlage dann ergehender zeitnaherer\nEinkommenssteuerbescheide Vorteile erzielen, vor dem Hintergrund der\ngesetzgeberischen Intention, der Zuschussberechnung seien moglichst\nauthentische Einkommensverhaltnisse zu Grunde zu legen, nicht inakzeptabel.\nAuch hier ist im Übrigen zu berucksichtigen, dass der Sache nach nur neue\nBeweismittel vorgelegt wurden. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Nicht begrundet ist jedenfalls die Befurchtung der Beklagten, ein\nBetroffener, dem angesichts seiner Einkommenssituation in einem fruheren\nEinkommenssteuerbescheid ein Beitragszuschuss (bestandskraftig) abgelehnt\nwurde, konnte nach Vorlage eines aktuelleren und gunstigeren\nEinkommenssteuerbescheides ruckwirkend u. U. fur mehrere Jahre moglicherweise\nsogar den Hochstbetrag an Zuschuss erhalten, wahrend ein Versicherter, dem ein\nniedriger Zuschuss bewilligt wurde bei vergleichbarer Änderung der\nEinkommenssituation erst ab Beginn des dritten Kalendermonats nach\nAusfertigung des Einkommenssteuerbescheides in den Genuss des hochsten\nZuschusses kame (§ 32 Abs. 4 Satz 2 ALG). Denn in einem Fall bestandskraftiger\nAblehnung muss der Versicherte einen neuen Antrag stellen, der gemaß § 34 Abs.\n2 ALG allenfalls drei Kalendermonate zuruckwirkt. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Regelungen in den §§ 18b Abs. 2 Satz 2, 18d Abs. 2 des Vierten Buches\nSozialgesetzbuch (SGB IV) konnen zu einem Vergleich schon deshalb nicht\nherangezogen werden, weil es dort an der strikten Anbindung an den\nEinkommenssteuerbescheid fehlt. Vergleichbares gilt fur § 24 Abs. 3\nBundesausbildungsforderungsgesetz (BAfoG). Auch dort unterscheiden sich die\nRegelungen vom ALG erheblich. In § 165 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch\n(SGB VI) wird zwar wie im ALG auch an Einkommenssteuerbescheide angeknupft und\nAbs. 1a enthalt eine erst spater ins Gesetz eingefugte Ausnahmeregelung.\nHieraus lassen sich aber schon deshalb fur das ALG keine Ruckschlusse ziehen,\nweil diese Regelung die Erhebung und Hohe von Beitragen und nicht die\nGewahrung einer Leistung in Form eines Beitragszuschusses fur Einheitsbeitrage\nbetrifft, sodass der allenfalls zu Friktionen fuhrende Fall einer Ablehnung\neines Antrages dort nicht auftritt. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Damit hatte die Beklagte fur den genannten Zeitraum bei ihrer Entscheidung\nuber den Beitragszuschuss die im Einkommenssteuerbescheid fur 1997 vom\n24.06.1999 aufgefuhrten positiven Einkunfte der Berechnung zu Grunde legen\nmussen. Bei Addition der positiven Einkunfte der Klagerin in Hohe von 18.625\nDM und jenen ihres Ehemannes - ohne Land- und Forstwirtschaft - in Hohe von\n11.715 DM errechnet sich ein Gesamteinkommen in Hohe von 30.340 DM, wovon\ngemaß § 32 Abs. 2 ALG der Klagerin die Halfte, also 15.170 DM zugerechnet\nwird. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Einkunfte aus Land- und Forstwirtschaft in Hohe von 4284 DM sind nach §\n32 Abs. 5 ALG nicht zu berucksichtigen. Diese Vorschrift betrifft Falle, in\ndenen der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nicht nach § 4 EStG ermittelt\nwurde (Satz 1) und erlaubt eine Festsetzung von Arbeitseinkommen aus Land- und\nForstwirtschaft dann nur, wenn im Veranlagungsjahr, auf das sich der\nEinkommensteuerbescheid bezieht, ein Unternehmen der Landwirtschaft betrieben\nwurde (Satz 2). Die Einkunfte aus Land- und Forstwirtschaft im\nEinkommensteuerbescheid fur 1997 vom 24.06.1999 wurden nicht nach § 4 EStG,\nsondern nach § 13a EStG (Ermittlung nach Durchschnittssatzen) ermittelt. Die\nÜbernahme der Landwirtschaft durch den Ehemann der Klagerin erfolgte erst\nAnfang 1998, also noch nicht im Jahre 1997. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Zwar sind nach § 32 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 ALG auch Erwerbsersatzeinkommen,\nmithin Altersrenten zu berucksichtigen. Maßgebend ist jedoch nach Satz 5 der\nVorschrift das Erwerbsersatzeinkommen des Jahres, auf das sich der maßgebende\nEinkommensteuerbescheid - hier fur das Jahr 1997 vom 24.06.1999 - bezieht. Im\nJahre 1997 aber erhielten weder die Klagerin noch ihr Ehemann Altersrente. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Allerdings wurde der Einkommenssteuerbescheid vom 24.06.1999 durch den\nBescheid vom 20.09.2000 geandert. Dort sind fur die Klagerin - insoweit\nunverandert gegenuber dem Einkommensteuerbescheid vom 24.06.1999 - positive\nEinkunfte in Hohe von 18.625 DM, fur ihren Ehemann solche in Hohe von 15.015\nDM (ohne Einkunfte aus Land- und Forstwirtschaft) ausgewiesen. Die\nGesamteinkunfte beliefen sich damit auf 33.640 DM, sodass der Klagerin 16.820\nDM zuzurechnen waren (§ 32 Abs. 2 Satz 1 ALG). \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Zum damaligen Zeitpunkt galt jedoch noch § 32 Abs. 4 ALG a. F., der keine\ndem § 32 Abs. 4 Satz 3 ALG in der ab dem 01.08.2001 geltenden Fassung (fur\nÄnderungen von Einkommenssteuerbescheiden) vergleichbare Regelung enthielt. Ob\ner auf diese Falle ebenfalls Anwendung fand, kann der Senat offen lassen\n(bejahend die Vorinstanzen in dem Fall BSG, Urteil vom 18.08.2000, B 10 LW\n8/00 R in SozR 3-5868 § 32 Nr. 4, dort im Revisionsverfahren aber nicht mehr\nentscheidungsrelevant). Hier jedenfalls fuhrt diese Änderung des\nEinkommenssteuerbescheides vom 24.06.1999 selbst dann zu keinen Veranderungen\nfur den streitigen Zeitraum, wenn diese Vorschrift angewandt wurde. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Ausgefertigt wurde der Änderungsbescheid fur 1997 am 20.09.2000. Er hatte\nder Beklagten von der Klagerin spatestens im November 2000 vorgelegt werden\nmussen (§ 32 Abs. 4 Satz 1 erster Halbsatz ALG a. F.), zu einem Zeitpunkt, zu\ndem die Klagerin bereits von der Beitragspflicht befreit war (namlich ab\n01.05.2000). Selbst bei nicht ausgesprochener Befreiung ware ein Anspruch auf\nBeitragszuschuss nach Ablauf dieser Frist zwar zum Ruhen gekommen (zweiter\nHalbsatz der Regelung). Dies wirkt sich auf den hier streitigen Zeitraum\n1998/99 jedoch nicht aus. Die Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 2 ALG a. F.\n(Änderungen des Einkommens wurden vom Ersten des auf die Vorlage des Bescheids\nfolgenden Kalendermonats an berucksichtigt) fuhrte dazu, dass\nNeufeststellungen grundsatzlich nur fur die Zukunft erfolgten (BSG, a. a. O.).\nDementsprechend fuhrt der Einkommenssteuerbescheid 1997 vom 20.09.2000 zu\nkeiner Änderung \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Angesichts des weit\nuberwiegenden Obsiegens der Klagerin ist eine volle Kostenerstattung durch die\nBeklagte angemessen. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Die Revision ist, bezogen auf die Zeit vom 01.01. bis 30.11.1998, wegen\ngrundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). \n--- \n---\n\n |
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141,662 | olgstut-2005-12-21-9-u-20205 | 147 | Oberlandesgericht Stuttgart | olgstut | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 9 U 202/05 | 2005-12-21 | 2019-01-08 22:11:09 | 2019-02-12 13:10:11 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 12.\nZivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 21.07.2005 - 12 O 355/04 - wird\n\n**zur uckgewiesen.**\n\n2\\. Auf die Anschlussberufung der Klagerin wird das genannte Urteil wie folgt\n\n**abge andert:**\n\nDie Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klagerin 32.653,77\nEUR nebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem jeweiligen\nBundesbankdiskontsatz vom 21.02.1998 bis 31.12.1998 und Zinsen in Hohe von 5\nProzentpunkten uber dem jeweili-gen Basiszinssatz seit 01.01.1999 zu bezahlen.\n\n3\\. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten beider Rechtszuge.\n\n4\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDie Beklagten konnen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe von\n120 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht die Klagerin\nihrerseits Sicherheit in Hohe von 120 % der jeweils zu vollstreckenden Summe\nerbringt.\n\n5\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\nStreitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer der Beklagten: | bis 06.12.2005: | 38.876,90 EUR \n---|---|--- \n| ab 06.12.2005: | 37.374,53 EUR \n \n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin gewahrte den Beklagten im Dezember 1992 ein Darlehen uber\n92.333,71 DM zum Erwerb eines Appartements im Boardinghouse S.. Nachdem auf\ndem Darlehenskonto ein Ratenruckstand in erheblicher Hohe entstanden war,\nkundigte die Klagerin am 30.01.1998 das Darlehen und forderte die Beklagten\nzur Ruckzahlung auf. Da die Beklagten der Aufforderung nicht nachkamen,\nerwirkte die Klagerin das Urteil des Senats vom 12.02.2003 (9 U 47/01), durch\ndas die Beklagten zur Bezahlung des in jenem Verfahren geltend gemachten\nTeilbetrags von 10.225,84 EUR nebst Zinsen verurteilt wurden. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Im vorliegenden Verfahren macht die Klagerin den Restbetrag des\nRuckzahlungsanspruchs in Hohe von 32.653,77 EUR nebst Zinsen geltend.\nHilfsweise, fur den Fall der Wirksamkeit des von den Beklagten am 07.04.2000\nerklarten Hausturwiderrufs, verlangt die Klagerin den Betrag, der sich zu\nihren Gunsten bei Verrechnung der jeweiligen Ruckgewahranspruche\neinschließlich jeweiliger Nutzungsvergutung ergibt (34.156,14 EUR). Die\nBeklagten verlangen widerklagend das von der Klagerin im Zusammenhang mit der\nDarlehensgewahrung einbehaltene Disagio in Hohe von 4.720,76 EUR nebst Zinsen\nZug um Zug gegen Übereignung des von ihnen erworbenen Appartements. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Zu der Darlehensaufnahme und dem Erwerb des Appartements durch die Beklagten\nkam es aufgrund eines in einer Haustursituation zustandegekommenen Kontakts\nder Beklagten mit den Anlageberatern F. und W.. Bei dem Anlageobjekt handelt\nes sich um eine in Wohnungseigentum aufgeteilte Anlage, die uber eine von den\nMiteigentumern gemeinsam beauftragte Generalpachterin hotelahnlich betrieben\nwerden sollte. In dem Vertriebsprospekt war die klagende Bank namentlich als\ndiejenige benannt, welche die Objektfinanzierung ubernommen hat. An anderer\nStelle wurde darauf hingewiesen, dass die „bauzwischenfinanzierende Bank" eine\nzusatzliche Mittelverwendungskontrolle ubernommen habe. Dazu wurde aus einem\nSchreiben der Klagerin zitiert, in dem diese u.a. bestatigt, fur die Kaufer\ndes Objekts Treuhandkonten zu fuhren sowie eine Mittelverwendungskontrolle\ndurchzufuhren und die Kaufpreiszahlungen der Erwerber erst nach Falligkeit\nfreizugeben. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| In der Folge des zwischen den Beklagten und den Anlageberatern zustande\ngekommenen Kontakts unterbreiteten die Beklagten am 18.11.1992 der T. V. GmbH\nals Treuhanderin das notariell beurkundete Angebot zum Abschluss eines\nTreuhand- und Geschaftsbesorgungsvertrags zum Erwerb des Appartements\nverbunden mit der Vollmacht, sie in allen mit der Durchfuhrung dieses Erwerbs\nim Zusammenhang stehenden Angelegenheiten einschließlich der Finanzierung zu\nvertreten. Der im Anschluss daran zwischen den Parteien abgeschlossene\nDarlehensvertrag tragt als Datum der Unterzeichnung den 02.12.1992. Der\nNettokreditbetrag des Annuitatendarlehens, das grundpfandrechtlich abgesichert\nwurde, wurde dem im Darlehensvertrag bezeichneten Girokonto der Beklagten mit\nder Endziffer gutgeschrieben und zur Finanzierung des Erwerbs verwendet. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Im Februar 1993 wurde das Boardinghouse fertig gestellt. Nach funfmonatigem\nBetrieb stellte die Generalpachterin die Pachtzahlungen ein und wurde Anfang\n1994 insolvent, obwohl die Bautragerin sie im Zeitraum von Marz 1993 bis\nDezember 1993 durch mehrere Scheckzahlungen uber insgesamt 1.072.092,68 DM\nunterstutzt hatte. Der Hotelbetrieb wurde von einer Auffanggesellschaft\n(Residenz S.) fortgefuhrt, die Pachtausschuttungen bleiben jedoch trotz\nzuletzt gestiegener Auslastung erheblich hinter den Erwartungen zuruck. Im\nHerbst 1995 fiel schließlich die Bautragerin in Konkurs. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die tatsachlichen Feststellungen im\nangefochtenen Urteil verwiesen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Das Landgericht hat die Wirksamkeit des erklarten Hausturwiderrufs\nangenommen und die Beklagten nach Maßgabe des Hilfsantrags der Klagerin\nverurteilt, an diese 34.156,14 EUR nebst Zinsen zu bezahlen. Die Widerklage\nwurde dagegen abgewiesen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Gegen dieses den Beklagten am 02.08.2005 zugestellte Urteil richtet sich die\nam 26.08.2005 bei Gericht eingegangene Berufung, die innerhalb verlangerter\nFrist begrundet wurde. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Beklagten wiederholen im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag,\nmachen Schadensersatzanspruche aufgrund angeblicher\nAufklarungspflichtverletzungen bei Vertragsschluss geltend, halten ihre\nWiderrufserklarung fur wirksam und sind der Meinung, der Immobilienerwerb und\nder streitgegenstandliche Realkredit seien als verbundene Rechtsgeschafte zu\nbehandeln, so dass der fur den Immobilienerwerb ausgezahlte Betrag nicht\nzuruckzugewahren sei, weil der erfolgte Widerruf des Darlehensvertrags auch zu\neiner Losung vom Grundstuckskaufvertrag berechtigte. Nach der aktuellen\nRechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs schließe auch ein moglicherweise\nzwischen Vermittlerbesuch und Darlehensvertragsunterzeichnung liegender\nNotartermin eine Haustursituation als solche nicht aus, zumal die eigentliche\nKreditentscheidung der Klagerin nicht erst mit dem formellen Akt der\nVertragsunterzeichnung, sondern mit der Kreditanfrage des Vermittlers erfolgt\nsei. Nach Abschluss des Vermittlungsauftrags habe fur die Beklagten auch in\nder Zeit bis zur Unterzeichnung des Darlehensvertrags kein Anlass mehr\nbestanden, ihre infolge der Beeinflussung durch den Vermittler in der\nHaustursituation gefasste Anlageentscheidung nochmals zu uberdenken.\nSchließlich stehe dem Darlehensruckzahlungsanspruch auch entgegen, dass sie -\ndie Beklagten - die Darlehensvaluta nicht empfangen hatten, da ihnen das\nzweckgebundene Darlehen nie zur freien Verfugung uberlassen worden sei. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beklagten beantragen: \n--- \n| 11 \n--- \n| 1\\. Die Klage wird abgewiesen. \n--- \n| 12 \n--- \n| 2\\. Die Klagerin wird verurteilt, an die Beklagten 4.720,76 EUR zzgl. Zinsen\nin Hohe von 5 % uber dem Basiszinssatz Zug um Zug gegen Übereignung des\nMiteigentumsanteils in Hohe von 48,22/10.000 an dem Grundstuck Flst. 3751 und\n3752 L. Straße Gemarkung S., verbunden mit dem Sondereigentum an der im\nAufteilungsplan Nr. 85 bezeichneten Raumeinheit zu bezahlen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Klagerin beantragt dagegen, \n--- \n| 14 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen und stellt mit der Anschlussberufung folgenden\nAntrag: \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klagerin EUR\n32.653,77 nebst Zinsen in Hohe von 5 % uber dem jeweiligen\nBundesbankdiskontsatz vom 21.02.1998 bis 31.12.1998 und Zinsen in Hohe von 5 %\nuber dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 01.01.1999 zu bezahlen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Beklagten beantragen, \n--- \n| 17 \n--- \n| die Anschlussberufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Klagerin ist der Meinung, der von den Beklagten erklarte Widerruf sei\nunwirksam, da sich die anfanglich gegebene Haustursituation zum Zeitpunkt der\nUnterzeichnung des Darlehensvertrags durch die Beklagten nicht mehr ausgewirkt\nhabe. Auch die Urteile des Europaischen Gerichtshofs vom 25.10.2005 (Rs\nC-350/03 Schulte ./. Badenia u. Rs C-229/04 Crailsheimer Volksbank eG ./.\nConrads u.a.) erforderten keine abweichende Beurteilung. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den Inhalt der\nvon den Parteien gewechselten Schriftsatze verwiesen. \n--- \n**II.** \n--- \n| 20 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Beklagten ist nicht begrundet. \n--- \n| 21 \n--- \n| Ihr Vorbringen in der Berufungsinstanz vermag die Ausfuhrungen des\nLandgerichts nicht zu entkraften. Vielmehr ist entgegen den Feststellungen des\nLandgerichts davon auszugehen, dass ein wirksamer Widerruf des\nDarlehensvertrags seitens der Beklagten nicht erfolgt ist, weshalb das\nlandgerichtliche Urteil auf die Anschlussberufung der Klagerin abzuandern und\nihrem Hauptantrag stattzugeben war. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| 1\\. Den Beklagten stehen Schadensersatzanspruche nicht zu, die der\nKlagforderung entgegengehalten werden konnten. \n--- \n| 23 \n--- \n| Das Landgericht hat zutreffend dargelegt, dass einer kreditgebenden Bank\nAufklarungspflichten zu Verwendungsrisiken nur in eng begrenzten\nAusnahmefallen obliegen, namlich dann, wenn die Bank in Zusammenarbeit mit\nPlanung, Durchfuhrung und Vertrieb des finanzierten Projekts nach außen\nerkennbar uber ihre Rolle als Kreditgeberin hinausgeht und Funktionen des\nVerkaufers oder des Vertriebs ubernimmt, wenn die Bank einen zu den\nallgemeinen wirtschaftlichen Risiken des Projekts hinzutretenden besonderen\nGefahrdungstatbestand fur die Kreditnehmer schafft oder das Entstehen eines\nsolchen Gefahrdungstatbestands begunstigt, wenn die Bank sich in Zusammenhang\nmit der Kreditgewahrung sowohl an den Bautrager als auch an die Enderwerber in\nschwerwiegende Interessenkonflikte verwickelt und schließlich, wenn die Bank\nin Bezug auf spezielle Risiken des Bauvorhabens einen konkreten, fur sie\nerkennbaren Wissensvorsprung hat. \n--- \n| 24 \n--- \n| Keine dieser Voraussetzungen ist im vorliegenden Fall gegeben. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| a) Soweit die Beklagten vermuten, der im Treuhand- und\nGeschaftsbesorgungsvertrag fur den Erwerb von Grund und Boden kalkulierte\nAnteil des Gesamtaufwands enthalte bereits die im Umfang von 12,54 % gesondert\nausgewiesenen Kosten fur Konzeption und Marketing, ist schon nicht erkennbar,\ndass hierin ein die Verwirklichung des Projekts gefahrdendes Risiko lage. Es\nist auch nicht ersichtlich, dass die Klagerin als finanzierende Bank positive\nKenntnis davon hatte haben sollen, dass die von den Beklagten beauftragte\nTreuhandgesellschaft fur eigene Zwecke oder zugunsten anderer\nProjektbeteiligter die ihr uberlassenen Geldmittel abweichend vom\nGeschaftsbesorgungsvertrag hatte verwenden wollen. Ein vertragswidriger\nEinsatz der Mittel ist auch nicht dargetan. Die Klagerin war als Kreditgeberin\nnicht verpflichtet, in eine Prufung der Frage einzutreten, ob die in groben\nZugen aus dem Verkaufsprospekt zu entnehmende Vergutung fur die Leistungen der\nVertriebsgesellschaft (P. D. S. GmbH & Co.) - um deren Vergutung handelte es\nsich bei den Ausgaben fur Konzeption und Marketing - angemessen war. Die\nBeklagten unterstellen, dass die nach Maßgabe des Konzeptionserarbeitungs- und\nMarketingvertrags (senatsbekannte Beilage 6 zur notariellen Urkunde v.\n18.11.1992, welche die Mustertexte der von der Treuhandgesellschaft [T.-V.\nGmbH] fur die Erwerber zu schließenden Vertrage enthalt) von der\nVertriebsgesellschaft (P. D.) zu erbringenden Leistungen bereits zu fruherer\nZeit von dritter Seite erbracht worden waren. Dies bezieht sich darauf, dass\ndas von der Bautragerin anlasslich des Ankaufs des zu bebauenden Grundstucks\nmit der damaligen Verkauferin (I. I. GmbH) im Oktober 1990 vereinbarte Entgelt\nnicht nur den Kaufpreis umfasste, sondern weitere Leistungen abdeckte, u.a.\ndie Überlassung der Geschaftsidee und bereits erbrachte Leistungen fur\nMarketing und Konzeption. Die Beklagten verkennen insoweit, dass jene\nursprungliche Konzeption die Organisation des Vertriebs durch die I. V. GmbH\nunter Einschaltung der Vertriebsgesellschaft A. GmbH & Co. KG vorsah, wobei\ndie Enderwerber durch Kredite der B.-Bank finanziert werden sollten. Die\nBeklagten beachten nicht, dass nach dem Scheitern dieses ursprunglichen\nKonzepts von der Fa. P. D. S. GmbH & Co. ein neuer Verkaufsprospekt erstellt\nund herausgegeben werden musste und der Vertrieb neu zu organisieren war. Die\nnach dem Konzeptionserarbeitungs- und Marketingvertrag zu erbringenden\nLeistungen waren ersichtlich nicht bereits 1990 durch die I. I. GmbH oder\nderen Geschaftsfuhrer S. erbracht und durch den damals vereinbarten Kaufpreis\nvon etwa 5,5 Mio. DM vergutet worden. Tatsachlich besteht daher kein\nAnhaltspunkt fur die Vermutung der Beklagten, die Treuhandgesellschaft habe\nentgegen der getroffenen Vereinbarung - und mit Wissen der Klagerin - 12,54 %\ndes kalkulierten Gesamtaufwands entweder selbst behalten oder fur nicht\ngenannte andere Zwecke verwendet. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| b) Soweit die Beklagten in diesem Zusammenhang auf ein im Verkaufsprospekt\nzitiertes Schreiben der Klagerin abheben wollen, wonach diese beabsichtigt,\neine Mittelverwendungskontrolle durchzufuhren und die Kaufpreiszahlungen der\nErwerber erst nach Falligkeit freizugeben, bezieht sich dies nach dem klaren\nWortlaut auf Kaufpreiszahlungen und muss im Zusammenhang mit der vom\njeweiligen Baufortschritt abhangigen Falligkeit von Kaufpreisteilbetragen nach\nMaßgabe der Makler- und Bautragerverordnung gesehen werden. Das im Prospekt\nzitierte Schreiben der Klagerin bezieht sich ausschließlich auf deren\nZusammenarbeit mit der Bautragerin und lasst schon im Ansatz keine\nVerpflichtung der Klagerin erkennen, eine Kontrolle der Mittelverwendung durch\ndie Treuhanderin vorzunehmen, die zur Wahrung ihrer finanziellen Interessen\nvon den Beklagten beauftragt und bevollmachtigt worden war. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Wenn die Beklagten in diesem Zusammenhang auf Scheckzahlungen der\nBautragerin an die Generalpachterin abheben wollen, die im August 1992 und im\nMarz 1993 erfolgten, ware allenfalls eine Verletzung von Kontrollpflichten\nseitens der Klagerin hinsichtlich des Baukontos in Betracht zu ziehen, wenn\ndie genannten Schecks zu Lasten jenes Baukontos gezogen worden waren und wenn\nes sich bei diesen Geldmitteln um solche gehandelt hatte, die nur fur die\nvereinbarte Bauerrichtung Verwendung finden durften. Hierzu ist konkret nichts\nvorgetragen. \n--- \n| 28 \n--- \n| Unabhangig davon konnte ein unterstellter Pflichtenverstoß der Klagerin\nhinsichtlich der Scheckzahlungen nicht ihre Verpflichtung nach sich ziehen,\ndie Beklagte aus dem Darlehensvertrag zu entlassen. Zu ersetzen hatte die\nKlagerin nur einen den Beklagten konkret eingetretenen Vermogensschaden, der\naber nicht ersichtlich ist und zu dem auch nichts vorgetragen wird (vgl. BGH\nNJW 2004, 1376 ff). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| c) Zu Unrecht meinen die Beklagten, ein schwerwiegender Interessenkonflikt,\nder die Klagerin aufklarungspflichtig gemacht habe, liege darin, dass die\nKlagerin das Risiko eines notleidend gewordenen Kreditengagements bei der\nBautragerin auf die Erwerber abgewalzt habe. So ist bereits eine derartige\nschlechte wirtschaftliche Lage der Bautragerin, die Insolvenzreife bedeutet\nhatte, objektiv nicht ersichtlich und wird von den Beklagten substantiiert\nauch nicht dargetan. Nicht ausreichend ist insoweit das Vorbringen, ein\nMitarbeiter der D.-Bank habe bei Durchsicht von Bilanzen der Bautragerin\nfestgestellt, dass Verkaufe von Wohnungen als Aktiva ausgewiesen wurden, bevor\ndie Kaufpreise entrichtet waren. Dies besagt uber eine angebliche\nÜberschuldung der Bautragerin nichts und hat offenkundig auch Bedenken der\nD.-Bank nicht hervorgerufen, die neben der Klagerin die Finanzierung der\nEnderwerber betrieb. Nicht ersichtlich ist somit insbesondere, dass sich die\nKlagerin, die bereits den Erwerb des Baugrundstucks durch die Bautragerin\nfinanziert hatte und die auch die Bautragerzwischenfinanzierung ubernahm, sich\nmit der zusatzlichen Übernahme von Teilen der Endfinanzierung in einen\noffenbarungspflichtigen Interessenkonflikt begeben hatte. Es ist nicht\nerkennbar, dass die Durchfuhrung des Projekts zu irgendeinem Zeitpunkt konkret\ngefahrdet gewesen ware. Tatsachlich steht fest, dass die Bautatigkeit durch\ndie Bautragerin ordnungsgemaß beendet wurde, so dass das fertig gestellte\nGebaude im Februar 1993 der Generalpachterin zum Betrieb eines Boardinghouse\nubergeben werden konnte, wahrend der Konkurs der Bautragerin erst im Herbst\n1995 eintrat. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| d) Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass die Klagerin fur ein\netwaiges Fehlverhalten eines Anlagevermittlers nicht einzustehen hat. Ein\nkonkretes pflichtverletzendes Verhalten bei Anbahnung des Darlehensvertrags\nwird im Berufungsverfahren nicht benannt. Angaben zur monatlichen\nGesamtbelastung unter Berucksichtigung von Kreditzahlungsverpflichtungen,\nMietzinseinnahmen und steuerlichen Vorteilen betreffen entgegen der Auffassung\nder Beklagten ausschließlich die Rentabilitat des Anlageprojekts, nicht aber\ndie Anbahnung des streitgegenstandlichen Darlehensverhaltnisses (BGH NJW 2004,\n1376 ff; 2005, 1576 ff). \n--- \n| 31 \n--- \n| Eine konkrete Pflichtverletzung bei Anbahnung des Darlehensvertrags wird\nnicht vorgetragen, nur insoweit ware ein Vermittler aber als Erfullungsgehilfe\nder Klagerin in deren Pflichtenkreis tatig gewesen. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| 2\\. Entgegen den Feststellungen des Landgerichts geht der Senat nicht von\neinem wirksamen Hausturwiderruf des Darlehensvertrags durch Erklarung der\nBeklagten vom 07.04.2000 aus. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| a) Richtig ist zwar, dass bei Bestehen eines Widerrufsrechts die\nSubsidiaritatsklausel gem. § 5 Abs. 2 HWiG dahingehend einschrankend\nauszulegen ist, dass der Widerruf nach dem HWiG nicht ausgeschlossen ist,\nsondern unbefristet (§ 335 Abs. 3 BGB n.F., Art. 229 § 9 EGBGB) ausgeubt\nwerden kann, weil das Verbraucherkreditgesetz ein gleichwertiges\nWiderrufsrecht nicht zur Verfugung stellt (BGH WM 2002, 1181) und die Klagerin\nvorliegend nur eine Widerrufsbelehrung entsprechend der Regelung des\nVerbraucherkreditgesetzes erteilt hat, die deshalb in unzulassiger Weise eine\nandere Erklarung enthalt (BGH ZIP 2003, 22 ff). Auch ware mangels wirksamer\nBelehrung sowie mangels vollstandigen gegenseitigen Leistungsaustausches die\nWiderrufserklarung noch rechtzeitig erfolgt. Die Beklagten konnen sich\nschließlich auch darauf berufen, dass die Klagerin erstinstanzlich zugestanden\nhat, dass die Darlehensvertrage in einer Haustursituation angebahnt wurden. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| b) Damit steht aber noch nicht fest, dass die zeitlich von keiner der\nParteien konkretisierte Haustursituation zum Zeitpunkt der Vertragsanbahnung\n(mit-)ursachlich fur den Vertragsschluss gewesen ist, wovon allerdings das\nLandgericht auszugehen scheint, ohne dies naher zu begrunden. Denn\nVoraussetzung fur einen berechtigten Widerruf der Beklagten ist, dass der\nÜberrumpelungseffekt der festgestellten Haustursituation auf Seiten der\nBeklagten bis zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Darlehensvertrags\nfortgewirkt hat. Auch wenn ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen\nHaustursituation und Vertragsschluss zur Begrundung der notwendigen\n(Mit-)Ursachlichkeit nicht erforderlich ist (BGH NJW 1994, 262; OLG Stuttgart\nWM 2005, 972 ff), es vielmehr genugt, dass die erste werbende Ansprache in\neiner Haustursituation erfolgte, die auf einen spateren Vertragsabschluss\nabzielt, die aber nicht einmal die entscheidende Ursache fur den\nVertragsschluss sein muss (BGHZ 131, 385; ZIP 1996, 1943; WM 2004, 2491), kann\nnicht generell die Fortwirkung der in der Haustursituation gefuhrten Gesprache\nbis zum spateren Vertragsabschluss vermutet werden. Dementsprechend hat die\nRechtsprechung zur Frage der Feststellung der Kausalitat im Rahmen des § 1\nHWiG ausgefuhrt, dass lediglich bei Vorliegen eines von § 1 HWiG nicht\ngeforderten engen zeitlichen Zusammenhangs eine Indizwirkung (Anscheinsbeweis,\nVermutung) fur die Kausalitat zwischen Haustursituation und spaterem\nVertragsabschluss angenommen werden kann. Dabei hat der XI. Zivilsenat des\nBundesgerichtshofs bereits bei einem Abstand von drei Wochen zwischen\nErstgesprach in der Haustursituation und spaterem Vertragsabschluss eine\nIndizwirkung verneint (BGH WM 2003, 2372). \n--- \n| 35 \n--- \n| Der vorliegende Fall hat allerdings die Besonderheit, dass das Datum des\nErstgesprachs in der Haustursituation nicht festgestellt ist. Unstreitig ist\nlediglich, dass dieses Gesprach vor der notariellen Beurkundung des\nGeschaftsbesorgungsvertrags und der Vollmacht vom 18.11.1992 stattgefunden\nhat. Dann ist aber die Feststellung ausgeschlossen, zwischen dem Erstgesprach\nund der Darlehensunterzeichnung am 02.12.1992 habe ein Zeitraum von wenigstens\ndrei Wochen gelegen. \n--- \n| 36 \n--- \n| Entscheidend fur die Nichtannahme der Kausalitat zwischen Haustursituation\nund Unterzeichnung des Darlehensvertrags ist im vorliegenden Fall aber, dass\ndazwischen die notarielle Beurkundung des Geschaftsbesorgungsvertrags und der\nVollmacht stattgefunden hat. Aufgrund von § 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG besteht kein\nWiderrufsrecht, wenn die Willenserklarung von einem Notar beurkundet worden\nist. Bei einer notariellen Beurkundung entfallt mit dem Überraschungsmoment\nder Gesetzeszweck, auch im Hinblick auf die Belehrungspflichten. Das Entfallen\ndes Überraschungsmoments bezieht sich dabei zwangslaufig auch auf die spater\nabgegebene Willenserklarung in Form der Unterzeichnung des Darlehensvertrags\n(vgl. dazu OLG Schleswig MDR 2005, 740; WM 2005, 2218; OLG Jena OLGR 2005,\n238, und nachfolgend Beschluss des BGH v. 23.11.2004 XI ZR 27/04 DNotl-Report\n2005, 14). \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| c) Die Entscheidungen des Europaischen Gerichtshofs vom 25.10.2005 geben\nkeine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung: In seiner Entscheidung\nC-350/03 hat der EuGH unter Rz. 96 ausdrucklich darauf hingewiesen, dass die\nfur den Fall der Nichtbeachtung der Belehrungsverpflichtung statuierten\nRechtsfolgen nur dann greifen konnen, wenn das nationale Gericht davon\nausgeht, dass uberhaupt ein wirksamer Widerruf vorliegt, was wiederum nur der\nFall ist, wenn die oben diskutierte Kausalitat zwischen Haustursituation und\nnachfolgendem Vertragsabschluss feststeht. Auch in der sog. „Heininger-\nEntscheidung" des EuGH vom 13.12.2001 (WM 2001, 2434) hatte der Gerichtshof\neine Haustursituation im Sinne dieser Richtlinie vorausgesetzt (a.a.O. S.\n2436, so auch BGH WM 2003, 220 ff). \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| 3\\. Die Beklagten konnen sich auch nicht auf einen Einwendungsdurchgriff\nberufen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Kaufvertrag mangels\nWirksamkeit der der T. V. GmbH erteilten Vollmacht und mangels einer\nRechtsscheinhaftung der Beklagten wirksam zustandegekommen ist. \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Beklagten wollen fur die Annahme eines Verbundgeschafts ausreichen\nlassen, dass der Kredit nur fur Zwecke des streitgegenstandlichen\nAnlageprojekts ausgereicht wurde und dass die mit der Organisation des\nVertriebs des Anlagemodells beauftragte P. D. zugleich auch die\nFinanzierungsvermittlung fur die Beklagten nach dem Anlagekonzept zu\nubernehmen hatte. Einwendungen aus dem Immobilienkaufgeschaft musste sich die\nKlagerin im Wege des Einwendungsdurchgriffs gem. § 9 Abs. 3 VerbrKrG (bzw. §\n359 BGB n.F.) nur dann entgegenhalten lassen, wenn diese Vorschrift im\nvorliegenden Fall anwendbar ware. Dies ist durch die Regelung in § 3 Abs. 2\nNr. 2 VerbrKrG (§ 358 Abs. 3 S. 3 BGB n.F.) aber ausgeschlossen. Der\nstreitgegenstandliche Darlehensvertrag sieht eine Absicherung durch die\nBestellung eines Grundpfandrechts vor und wurde unstreitig zu fur Realkredite\nublichen Bedingungen gewahrt. \n--- \n| 40 \n--- \n| Ein Einwendungsdurchgriff konnte auch nicht aus § 242 BGB abgeleitet werden.\nBei der Finanzierung des Erwerbs einer Immobilie weiß auch der rechtlich nicht\nvorgebildete Laie, dass Verkaufer und Darlehensgeber unterschiedliche Parteien\nsind, die jeweils eigenstandige Interessen vertreten, so dass nicht der\nEindruck entstehen kann, Verkaufer und kreditgebende Bank stunden dem Erwerber\nwie eine einheitliche Gegenpartei gegenuber. Diesem Grundsatz entspricht die\nin § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG getroffene ausdruckliche gesetzliche Regelung,\ndie nach der Rechtsprechung des BGH als abschließend aufzufassen ist und\ndeshalb den Ruckgriff auf einen aus § 242 BGB abgeleiteten\nEinwendungsdurchgriff ausschließt (vgl. BGH ZIP 05, 69; WM 04, 620, 622; WM\n03, 2410 ff; ZIP 03, 1741, 1743). Diese Rechtsprechung hat der EuGH in seinen\nEntscheidungen vom 25.10.2005 grundsatzlich gebilligt, vgl. Rs C-350/03 Rz. 72\nff. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Ob ausnahmsweise in Fallen einer nach außen hervortretenden\nRollenuberschreitung der Bank etwas anderes gelten kann (vgl. BGH ZIP 2000,\n1098; Beschluss v. 16.09.2003, XI ZR 447/02, NJW 04, 153), kann vorliegend\ndahingestellt bleiben, weil eine solche nach außen in Erscheinung tretende\nRollenuberschreitung (vgl. dazu § 358 Abs. 3 S. 3 BGB n.F.) im vorliegenden\nFall eindeutig auch bei Berucksichtigung des im Verkaufsprospekt zitierten\nSchreibens ausgeschlossen werden muss. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| 4\\. Schließlich kann die Beklagte auch nicht mit Erfolg geltend machen, die\nDarlehensvaluta nicht ausbezahlt bekommen zu haben. \n--- \n| 43 \n--- \n| Empfangen hatten die Beklagten entgegen ihrer Auffassung sogar solche\nBetrage, die aufgrund einer Vereinbarung oder auf ihre Weisung hin unmittelbar\nan einen Dritten ausgezahlt wurden (BGHZ 152, 331, 336; NJW 2005, 846 ff; vom\nEuGH in Rs C-350/03 Rz. 84, 85 nicht beanstandet). \n--- \n| 44 \n--- \n| Im vorliegenden Fall hat das Landgericht zu Recht darauf abgestellt, dass\ndie Auszahlung an die Beklagten selbst erfolgte, namlich auf das von der\nKlagerin selbst eingerichtete Girokonto mit der Endziffer ... Die Auszahlung\nauf dieses Konto haben die Parteien - wie das Landgericht zutreffend erkannt\nhat - ausdrucklich in dem von den Beklagten personlich unterzeichneten\nDarlehensvertrag vereinbart. Irrelevant ist fur die Empfangnahme, dass die\nDarlehensvaluta nach dem Vertrag nur zweckgebundene Verwendung finden sollte.\nUnerheblich ist schließlich, ob spatere Verfugungen der von den Beklagten\nbevollmachtigten Treuhandgesellschaft wirksam waren. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 45 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung uber\ndie vorlaufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. \n--- \n| 46 \n--- \n| Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO sind nicht\ngegeben. Auf das streitgegenstandliche Projekt bezogene Anlagefinanzierungen\nder Klagerin waren schon mehrfach Gegenstand hochstrichterlicher Überprufung\n(zuletzt Urteil des BGH v. 27.01.2004, XI ZR 37/03). Gleiches gilt fur die\nFrage der Voraussetzungen fur einen wirksamen Hausturwiderruf nach § 1 HWiG\nund insbesondere den Nachweis der Kausalitat. Da der Senat einen wirksamen\nHausturwiderruf nicht bejaht, stellt sich auch die durch die Urteile des EuGH\nvom 25.10.2005 aufgeworfene Problematik der Rechtsfolgen einer nicht bzw.\nnicht korrekt erteilten Widerrufsbelehrung nach HWiG nicht. \n---\n\n |
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141,911 | olgkarl-2006-05-31-1-u-21405 | 146 | Oberlandesgericht Karlsruhe | olgkarl | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 1 U 214/05 | 2006-05-31 | 2019-01-08 22:43:57 | 2019-02-12 13:10:23 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung der Klagerin wird das Urteil des Landgerichts Mannheim\nvom 13.09.2005 - 11 O 34/05 - im Kostenpunkt aufgehoben und im ubrigen\ngeandert.\n\nDer Klageantrag 1 ist dem Grunde nach gerechtfertigt.\n\nDie Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klagerin 7.281,37 Euro zu bezahlen\nnebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem jeweiligen Basiszinssatz\naus\n\n> > 75,24 Euro | ab dem 04.06.2005, \n>> ---|--- \n>> weiteren 866,22 Euro | ab dem 04.07.2005, \n>> weiteren 866,22 Euro | ab dem 04.08.2005, \n>> weiteren 866,22 Euro | ab dem 04.09.2005, \n>> weiteren 866,22 Euro | ab dem 04.10.2005, \n>> weiteren 866,22 Euro | ab dem 04.11.2005, \n>> weiteren 866,22 Euro | ab dem 04.12.2005, \n>> | \n>> weiteren 286,37 Euro | ab dem 04.03.2006, \n>> weiteren 866,22 Euro | ab dem 04.04.2006, \n>> weiteren 866,22 Euro | ab dem 04.05.2006. \n \nDie Beklagte wird ferner verurteilt, unter der Bedingung, dass die\nNichtbenutzbarkeit der in den Mietvertragen vom 24.9.2003 und vom 9.12.2003\nvermieteten Raume fortdauert, an die Klagerin folgende Betrage zu bezahlen,\nfallig jeweils zu den genannten Zeitpunkten und ab Falligkeit verzinslich mit\n5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz:\n\n> 866,22 Euro am 04.06.2006, 04.07.2006, 04.08.2006, 04.09.2006, 04.10.2006,\n> 04.11.2006, 4.12.2006, 04.01.2007, 04.02.2007, 04.03.2007, 04.04.2007,\n> 04.05.2007, 04.06.2007, 04.07.2007, 04.08.2007, 04.09.2007, 04.10.2007,\n> 04.11.2007 und am 04.12.2007. \n> --- \n \nIm ubrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n2\\. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDie Beklagte kann die Vollstreckung der Klagerin durch Sicherheitsleistung in\nHohe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,\nwenn nicht die Klagerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Hohe von 110 % des\njeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin macht Schadensersatzanspruche aus einem Mietverhaltnis geltend. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die beklagte GmbH betreibt seit 1990 als Rechtsnachfolgerin des Staatlichen\nHafenamts M. den gesamten M. Hafen. Seit dieser Zeit ist sie Pachterin des im\nHafengebiet liegenden Anwesens ... Straße 5. Dabei handelt es sich um ein\n15-stockiges Burogebaude, das 1958 in Stahlbetonbauweise errichtet wurde und\ndas im Eigentum des Landes B. steht. Mitte der 70er Jahre traten massive\nstatische Probleme zutage, die eine Sanierung des Gebaudes erforderlich\nmachten. Unter Zugrundelegung eines Sanierungsvorschlags wurden die\nunterdimensionierten Außenstutzen durch das Einziehen von Stahlstutzen\nverstarkt. Im Zuge der dieser Sanierungsmaßnahmen wurde zugleich eine Fassade\nangebracht. Eine Haltbarkeitsprognose oder Haltbarkeitsgewahr fur die\nzukunftige Standfestigkeit des Gebaudes enthielt das Gutachten nicht. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Im September 2003 vermietete die Beklagte zu den in den Vertragsurkunden vom\n24.09.2003 und 09.12.2003 niedergelegten Bedingungen, auf die wegen der\nEinzelheiten Bezug genommen wird, mehrere Buroraume im 3. Obergeschoß des\n„Hauses O." an die Klagerin. Der monatliche Mietzins betrug 1.934,54 Euro; das\nMietverhaltnis war bis 30.11.2008 befristet. Im Mietvertrag heißt es unter\nZiff. 6.15: \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| „Fur Veranderungen an der Mietsache oder Storungen in ihrer Benutzbarkeit\ninfolge hoherer Gewalt oder sonstiger Umstande, die die Vermieterin nicht zu\nvertreten hat, kann die Mieterin weder die Miete mindern, noch ein\nZuruckbehaltungsrecht ausuben, noch Schadensersatz verlangen." \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Im Jahre 2004 veranlasste die Beklagte Arbeiten an den Fenstern und der\nFassadenverkleidung des Gebaudes. Bei der Demontage der Fassade im Mai 2004\nzeigten sich vor allem an den Außenseiten der tragenden Stahlbetonbauteile\nmassive Betonschaden infolge Bewehrungskorrosion, verbunden mit großflachigen\nBetonabplatzungen. Eine von der Beklagten in die Wege geleitete Überprufung\ndes Gebaudes durch Fachleute ergab, dass dessen Standsicherheit akut gefahrdet\nwar. Infolgedessen veranlaßte sie im Juli 2004 die sofortige Raumung des\ngesamten Gebaudes und ergriff umgehend Notmaßnahmen zur Sicherung der\nStandfestigkeit. Das Gebaude wird gegenwartig saniert und ist voraussichtlich\nim Juni 2006 wieder bezugsfertig. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Klagerin mietete daraufhin - fur die Zeit von August bis Dezember 2004\nals Untermieterin, ab 01.01.2005 als Hauptmieterin - Ersatzburoraume in der J.\nStraße 7 in M. zu einem monatlichen Mietzins von 2.850,97 Euro an.... \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit dem Klageantrag 1 hat die Klagerin Ersatz des ihr durch Raumung und\nUmzug entstandenen Schadens (Einlagerungskosten fur Mobiliar, Kosten fur die\nDemontage und Montage von Telefon- und Computeranlagen sowie Kosten fur die\nNeueinrichtung der Buroraume) in Hohe von insgesamt 15.939,01 Euro begehrt.... \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit dem Klageantrag 2 hat die Klagerin die Feststellung verlangt, dass die\nBeklagte verpflichtet sei, die ihr infolge des notwendigen Umzugs in neue\nRaumlichkeiten bis Ende 2007 zusatzlich anfallenden Mietkosten zu ersetzen.... \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Gewahrleistungsklausel\ndahin ausgelegt, dass sie die Haftung fur anfangliche Mangel ausschließe.... \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Hiergegen richtet sich die Berufung der Klagerin. Sie stutzt sich auf den im\nBerufungsrechtszug unstreitig gewordenen Umstand, dass es sich bei dem\nMietvertrag der Parteien um einen Formularvertrag handelte. Deshalb scheitere\ndie Auslegung des Landgerichts schon an § 305 c Abs. 2 BGB. Sei diese\nAuslegung gleichwohl zutreffend, so benachteilige der umfassende\nGewahrleistungssausschluss die Klagerin unangemessen und sei nach § 307 BGB\nunwirksam. Die Klagerin halt ferner an ihrer Ansicht fest, auch bei\nWirksamkeit der Gewahrleistungsklausel habe die Beklagte den Mangel zu\nvertreten, da sie ihn habe kennen mussen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Unter teilweise Abanderung ihres erstinstanzlichen Begehrens beantragt die\nKlagerin: \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| 1\\. Die Beklagte wird unter Abanderung des Urteils des Landgerichts Mannheim\nvom 13.09.2005 verurteilt, an die Klagerin 15.939,01 Euro nebst Zinsen in Hohe\nvon 8 %-Punkten uber dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 16.11.2004\nzu zahlen; \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| 2\\. Die Beklagte wird ferner verurteilt, der Klagerin folgenden kunftigen\nSchaden zu ersetzen: \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| \n--- \n| 326,29 Euro verzinslich mit 8 %-Punkten uber Basiszinssatz ab dem\n04.06.2005, \n--- \n| 916,43 Euro verzinslich mit 8 %-Punkten uber Basiszinssatz ab dem\n04.07.2005, \n--- \n| 916,43 Euro verzinslich mit 8 %-Punkten uber Basiszinssatz ab dem\n04.08.2005, \n--- \n| 916,43 Euro verzinslich mit 8 %-Punkten uber Basiszinssatz ab dem\n04.09.2005, \n--- \n| 916,43 Euro verzinslich mit 8 %-Punkten uber Basiszinssatz ab dem\n04.10.2005, \n--- \n| 916,43 Euro verzinslich mit 8 %-Punkten uber Basiszinssatz ab dem\n04.11.2005, \n--- \n| 916,43 Euro verzinslich mit 8 %-Punkten uber Basiszinssatz ab dem\n04.12.2005, \n--- \n| 386,79 Euro verzinslich mit 8 %-Punkten uber Basiszinssatz ab dem\n04.03.2006, \n--- \n| 916,43 Euro verzinslich mit 8 %-Punkten uber Basiszinssatz ab dem\n04.04.2006, \n--- \n| 916,43 Euro verzinslich mit 8 %-Punkten uber Basiszinssatz ab dem\n04.05.2006, \n--- \n| 916,43 Euro verzinslich mit 8 %-Punkten uber Basiszinssatz ab dem\n04.06.2006, \n--- \n| 916,43 Euro verzinslich mit 8 %-Punkten uber Basiszinssatz ab dem\n04.07.2006, \n--- \n| 916,43 Euro verzinslich mit 8 %-Punkten uber Basiszinssatz ab dem\n04.08.2006, \n--- \n| 916,43 Euro verzinslich mit 8 %-Punkten uber Basiszinssatz ab dem\n04.09.2006, \n--- \n| 916,43 Euro verzinslich mit 8 %-Punkten uber Basiszinssatz ab dem\n04.10.2006, \n--- \n| 916,43 Euro verzinslich mit 8 %-Punkten uber Basiszinssatz ab dem\n04.11.2006, \n--- \n| 916,43 Euro verzinslich mit 8 %-Punkten uber Basiszinssatz ab dem\n04.12.2006, \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| \n--- \n| jeweils 916,43 Euro verzinslich mit 8 %-Punkten uber Basiszinssatz ab dem\n04.01.2007, 04.02.2007, 04.03.2007, 04.04.2007, 04.05.2007, 04.06.2007,\n04.07.2007, 04.08.2007, 04.09.2007, 04.10.2007, 04.11.2007 und 04.12.2007. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Sie bringt vor, § 305 c Abs. 2 BGB komme nur zur Anwendung, wenn eine\nAuslegung keine Klarheit bringe. Die Auslegung des Landgerichts sei jedoch\nzutreffend. Zu berucksichtigen sei auch, dass in gewerblichen Mietvertragen\ndie Haftung fur anfangliche Mangel „regelmaßig" abbedungen werde. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der\ngewechselten Schriftsatze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der\nmundlichen Verhandlung waren. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 20 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Klagerin ist teilweise begrundet; teilweise hat\nsie nur vorlaufig Erfolg. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| 1\\. Die Klagerin kann wegen des - unstreitigen - Mangels der Mietsache\nSchadensersatz nach § 536 a Abs. 1 BGB beanspruchen. Ziff. 6.15 des\nMietvertrages steht dem nicht entgegen. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| a) Der Wortlaut der Klausel -„Veranderungen an der Mietsache oder Storungen\nin ihrer Benutzbarkeit infolge hoherer Gewalt oder sonstiger Umstande" \\-\nspricht zunachst dagegen, dass ein Gewahrleistungsausschluss auch fur bei\nBeginn des Mietverhaltnisses bereits vorhandene Fehler vereinbart wurde. Denn\ndie verwendeten Begriffe beziehen sich sowohl nach dem Sprachgebrauch des\ntaglichen Lebens, aber auch dann, wenn sie wie hier im Zusammenhang mit einer\nGewahrleistungsregelung benutzt werden, eher auf zukunftige als auf bereits\neingetretene Ereignisse. Das Landgericht hat die von ihm gefundene,\nabweichende Auslegung in erster Linie darauf gestutzt, dass fur die\nAusschlußklausel nur ein verhaltnismaßig schmaler Anwendungsbereich verbleibe,\nwenn sie nur fur nachtragliche Mangel gelten wurde. Dieser Auslegung ist nicht\nzwingend, aber moglich; sie verstoßt nicht gegen Denkgesetze und erschopft in\nihrer ausfuhrlichen Begrundung alle relevanten Umstande des Sachverhalts. Sie\nware daher aus Rechtsgrunden nicht zu beanstanden, wenn es bei der Auslegung\ndes Mietvertrages um die Interpretation einer Individualvereinbarung ginge\n(wovon das Landgericht aufgrund des erstinstanzlichen Parteivorbringens\nauszugehen hatte). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| b) Nachdem jedoch im Berufungsrechtszug unstreitig geworden ist, dass es\nsich um einen Formularvertrag handelte, ist § 305 c Abs. 2 BGB zu\nberucksichtigen. Zwar kommt diese Vorschrift nicht schon stets dann zur\nAnwendung, wenn unterschiedliche Auslegungen moglich sind, sondern erst dann,\nwenn von diesen nach den vorrangigen allgemeinen Auslegungsprinzipien keine\nden klaren Vorzug verdient (BGH NJW 2002, 3232/34 zu § 5 AGBG). Im\nvorliegenden Fall verdient die Auslegung des Landgerichts aber weder den\nklaren Vorzug noch ist sie „weitaus naher liegend" (BGH a.a.O.); sie ist\nvielmehr, wie dargelegt, lediglich moglich und - allenfalls - ebenso plausibel\nwie die gegenteilige Auslegung. Die Beklagte weist zwar richtig darauf hin,\ndass die Rechtsprechung es gestattet, die Gewahrleistungshaftung des\nVermieters fur anfangliche Mangel - auch formularmaßig - abzubedingen. Nach\nden Erfahrungen des Gerichts mit zahlreichen gewerblichen Mietvertragen trifft\nes aber nicht zu, dass das in solchen Vertragen „regelmaßig" geschieht. Auch\nwenn diese Haftung haufig ausgeschlossen wird, ist jedoch gleichwohl zu\nfordern, dass der Vermieter seinen entsprechenden Willen eindeutig zum\nAusdruck bringt. Da somit fur keine der beiden moglichen Auslegungen\nuberwiegende Grunde ins Feld gefuhrt werden konnen, verbleiben Zweifel, die\nsich hier zu Lasten der Beklagten als Verwenderin und damit gegen die Annahme\neines auch anfanglichen Mangel umfassenden Gewahrleistungsausschlusses\nauswirken mussen. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| c) Es kann danach offen bleiben, ob die streitige Klausel, wenn sie\ngleichwohl im Sinn der Beklagten auszulegen ware, gegen § 307 BGB verstieße.\nEbenso bedarf keiner Entscheidung, ob die Beklagte bei einer Anwendung der\nKlausel den Mangel zu vertreten hatte. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| 2\\. Die Beklagte schuldet daher Schadensersatz fur die hoheren\nMietaufwendungen der Klagerin in den angemieteten Ersatzraumen. _(wird ausgef\nuhrt)_ \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Bei den ab Juni 2006 fallig werdenden Betragen handelt es sich um kunftige\nLeistungen. Gemaß § 259 ZPO ist die Klage auch insoweit zulassig, weil die\nBeklagte den Schadensersatzanspruch ernstlich bestreitet. Der kunftige Schaden\nder Klagerin tritt allerdings nur unter der Voraussetzung ein, dass die\nUnbenutzbarkeit der Mietsache fortdauert; ab dem Zeitpunkt der Behebung des\nMangels schuldet die Beklagte keinen Schadensersatz mehr. Das steht der\nZulassigkeit einer Klage nach § 259 ZPO jedoch nicht entgegen; vielmehr ist in\neinem solchen Fall die Bedingung das Urteil aufzunehmen (RGZ 168, 325; BGHZ\n43, 28). Da die Klagerin das Fortbestehen der Unbenutzbarkeit zu\nVollstreckungszwecken beweisen musste, kommt dieser Verurteilung praktisch\nkeine weitergehende Bedeutung zu als einem Feststellungsausspruch. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Entgegen der Auffassung der Klagerin ist allerdings die Mietdifferenz nach\nWiederherstellung der Mietraume unter dem Gesichtspunkt ersparter Kosten fur\neinen Ruckumzug auch dann nicht ersatzfahig, wenn die Klagerin, ihrer bereits\nerklarten Absicht gemaß, die von der Beklagten gemieteten Raume nicht wieder\nbezieht. Ein Vorteilsausgleich zu Lasten des Schadigers findet im\nSchadensersatzrecht nicht statt. \n--- \n--- \n... \n--- \n| 28 \n--- \n| 3\\. Hinsichtlich der von der Klagerin zusatzlich begehrten Umzugskosten ist\nder Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif. Deshalb hatte gemaß § 304 ZPO\nein Grundurteil zu ergehen. Mit der fur den Erlass eines solchen Urteils\nausreichenden Wahrscheinlichkeit steht jetzt schon fest, dass der\nKlageanspruch auch insoweit zumindest teilweise besteht.... \n---\n\n |
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141,913 | fg-baden-wurttemberg-2006-05-31-12-k-405 | 126 | Finanzgericht Baden-Württemberg | fg-baden-wurttemberg | Baden-Württemberg | Baden-Württemberg | Finanzgerichtsbarkeit | 12 K 4/05 | 2006-05-31 | 2019-01-08 22:43:57 | 2019-01-17 12:02:06 | Urteil | ## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager hat zusammen mit dem Beigeladenen (Beiladungsbeschluss des\nerkennenden Senats vom 17. Marz 2005) zum 01. Januar 1995 die Firma GbR\n(kunftig: GbR) mit Sitz in ......... gegrundet. Gesellschaftszweck war der\nGroßhandel mit Textilien, Lederwaren und Accessoires. Die Bareinlage der\nGesellschafter betrug jeweils DM 100.000,--. Am 12. Juli 1996 wurde der\nBetrieb der Firma eingestellt und das Gewerbe abgemeldet, nachdem mit\nKaufvertrag vom 11. Juli 1996 der Firmenname, das Inventar, der Kundenstamm\nund die noch vorhandenen Waren an einen Herrn ..... fur DM 155.681,25\nveraußert worden waren. Mit Datum vom 30. Dezember 1996 wurde mit Herrn .....\nein weiterer Kaufvertrag uber einen Betrag in Hohe von DM 100.000,--\nabgeschlossen, der folgende Passage enthielt: "Hiermit ist der Kaufvertrag vom\n11.07.96 hinfallig und wird durch den neuen Kaufvertrag vom 30.12.1996\nersetzt, da der Mietvertrag am 28.02.97 beendet wird. Die Summe von DM\n100.000,-- haben wir am 15.08.96 erhalten." Mit Datum vom 09. April 1997 wurde\nseitens Herrn ..... eine "Rechnung" folgenden Inhalts erstellt: "Hiermit ist\nder Kaufvertrag vom 11.07.1996 hinfallig und wird durch den neuen Kaufvertrag\nvom 30.12.1996 ersetzt, da der Mietvertrag am 28.02.1997 beendet wird. Der\nKaufpreis aus dem Verkauf der .... GbR betragt DM 100.000,-. Den Betrag haben\nwir bereits am 15.08.1996 erhalten. Aus dem Betrag ist kein Vorsteuerabzug\nmoglich." \n--- \n| 2 \n--- \n| Eine auf den 31. Juli 1996 erstellte Bilanz wies einen laufenden Verlust in\nHohe von DM 227.940,-- aus; das Kapitalkonto des Klagers lautete auf minus DM\n374.129,-- und das Kapitalkonto des Beigeladenen lautete auf minus DM\n342.166,--; das Festkapital betrug jeweils DM 100.000,--. \n--- \n| 3 \n--- \n| In einer fur das Kalenderjahr 1997 eingereichten Feststellungserklarung\nwurde seitens der Klagerseite fur den Beigeladenen ein Veraußerungsgewinn in\nHohe von DM 242.166,-- erklart, da der Beigeladene Anfang 1997 einen\nOffenbarungseid abgegeben habe und mit einem Ausgleich des negativen\nKapitalkontos nicht mehr gerechnet werden konne. In gleicher Hohe wurden dem\nKlager Einkunfte aus Gewerbebetrieb in Hohe von minus DM 242.166,-\nzugerechnet, da er fur die Verbindlichkeiten habe alleine aufkommen mussen.\nNachdem das beklagte Finanzamt zunachst einen entsprechenden\nFeststellungsbescheid erlassen hatte, wurde im Rahmen des vom Beigeladenen\nbetriebenen Einspruchsverfahrens, zu dem der Klager nach § 360 Abs. 3\nAbgabenordnung (AO) hinzugezogen worden ist, der Feststellungsbescheid fur das\nJahr 1997 aufgehoben. Wegen der Einzelheiten wird auf die\nEinspruchsentscheidung vom 08. Dezember 2004 Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Hiergegen wendet sich der Klager, vertreten durch seine\nProzessbevollmachtigte, mit der vorliegenden Klage. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Zur Begrundung wird vorgetragen, dass unzweifelhaft zwischen dem Klager und\ndem Beigeladenen eine Mitunternehmerschaft vorgelegen habe. Dadurch, dass der\nKlager das negative Kapitalkonto des Beigeladenen ubernommen habe, bestehe ein\nAusgleichsanspruch, der aufgrund der Vermogenslosigkeit des Beigeladenen\nwertlos sei und deshalb zu einem entsprechenden Verlust des Klagers fuhre.\nDieser Verlust sei auch erst im Jahr 1997 und nicht bereits im Jahr 1996 zu\nberucksichtigen, da die Betriebsaufgabe erst im Jahr 1997 vollendet gewesen\nsei. Dies ergebe sich aus der Tatsache, dass der Mietvertrag uber das\nLadenlokal erst am 28. Februar 1997 geendet habe sowie aus dem Verkauf der\nVorrate an Herrn ..... laut Rechnungsdokument vom 09. April 1997. In diesem\nZusammenhang sei auch zu berucksichtigen, dass dem Steuerpflichtigen ein\nWahlrecht zustehe, ob er den Gewerbebetrieb fortfuhre oder die Betriebsaufgabe\nerklare. Mangels einer ausdrucklichen Aufgabeerklarung im Jahr 1996 und\nFortfuhrung des Geschaftsbetriebs der GbR durch den Untermieter in den\nbisherigen Mietraumen, sei im Jahr 1996 noch von keiner Betriebsaufgabe\nauszugehen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Doch selbst bei Annahme der Betriebsaufgabe im Jahr 1996 handele es sich\nbei der Inanspruchnahme des Klagers fur die Gesellschaftsschulden des\nBeigeladenen um ein Ereignis des Jahres 1997, das keine Ruckwirkung auf das\nJahr 1996 entfalte, da die Vermogenslosigkeit des Beigeladenen bei Aufstellung\nder Aufgabebilanz im Jahr 1996 noch nicht absehbar gewesen sei. Insoweit sei\ndann von nachtraglichen Betriebsausgaben auszugehen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Schließlich sei die Ausgleichsforderung des Klagers in dem Moment\nausgefallen, in dem festgestanden habe, dass der Beigeladene nicht zahlen\nkonne und eine Verbesserung des Zustandes nicht absehbar sei. Durch die\nÜbernahme des negativen Kapitalkontos sei der Klager im Moment der Zahlung an\ndie Glaubiger und dem Wissen um die Vermogenslosigkeit des Beigeladenen\nbelastet gewesen. Eine Verzichtserklarung auf die Ausgleichsforderung sei\ninsoweit nicht erforderlich. Gegebenenfalls konne eine solche aktuell\nausgesprochen werden. Diese wurde dann nach § 175 Abgabenordnung (AO) in das\nJahr 1997 zuruckwirken. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Klager beantragt, die Einspruchsentscheidung vom 08. Dezember 2004\naufzuheben sowie die Hinzuziehung eines Bevollmachtigten zum Vorverfahren fur\nnotwendig zu erklaren. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Beigeladene hatte diesen Antrag angekundigt. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Beklagte tragt in Erganzung seiner Einspruchsentscheidung zur\nBegrundung vor, dass es sich bei der GbR um einen Handelsbetrieb gehandelt\nhabe. Die gesamte vorhandene Handelsware sei im Jahr 1996 veraußert und\nanschließend die Betriebsaufgabe bei der Gemeinde ......... erklart worden.\nHieran andere auch die Tatsache nichts, dass der Vermieter der Geschaftsraume\nden Nachmieter nicht als Vertragspartner akzeptiert und die Gesellschafter der\nGbR nicht aus dem Mietvertrag entlassen habe. Auch sei es nach Ermittlungen\nbeim Finanzamt .......... und beim Amtsgericht ........ unzutreffend, dass der\nBeigeladene die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Beigeladene fuhrt aus, dass bereits die Hohe der Kapitalkonten streitig\nsei sowie ob der Klager uberhaupt Zahlungen zum Ausgleich des (negativen)\nKapitalkontos beim Beigeladenen geleistet habe. Unabhangig davon sei aber die\nFrage des Veraußerungsgewinns bzw. -verlustes aus der Übernahme des negativen\nKapitalkontos im Jahr 1996 zu entscheiden gewesen, da bereits zu diesem\nZeitpunkt festgestanden habe, dass ein Ausgleich mit kunftigen Gewinnanteilen\nnicht mehr erfolgen werde. Im Jahr 1996 sei der Gewerbebetrieb eingestellt und\nabgemeldet worden. Damit sei dokumentiert, dass die werbende Gesellschaft mit\ndem aus dem Gesellschaftsvertrag zu entnehmenden Gesellschaftszweck nicht mehr\nbestanden habe. Unbeachtlich sei in diesem Zusammenhang die Beendigung des\nMietverhaltnisses. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Vor dem Berichterstatter hat am 10. Februar 2006 ein Erorterungstermin\nstattgefunden. Auf die diesbezugliche Niederschrift wird Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Der vorstehende Sach- und Streitstand ist der Gerichtsakte, den vom\nBeklagten nach § 71 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgelegten Akten\n(jeweils 1 Band Feststellungs-, Bilanz- und Allgemeine Akten) sowie dem Inhalt\nder mundlichen Verhandlung entnommen. Wegen der Einzelheiten wird hierauf\nBezug genommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist unbegrundet. Der Beklagte hat zu Recht den\nFeststellungsbescheid fur das Jahr 1997 aufgehoben, der zu Gunsten des Klagers\neinen Veraußerungsverlust aus der Übernahme des negativen Kapitalkontos des\nBeigeladenen ausgewiesen hat. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Scheidet ein Gesellschafter einer Personen(handels-)-gesellschaft mit\nnegativem Kapitalkonto aus oder wird die Gesellschaft aufgelost, so realisiert\ner im Zeitpunkt seines Ausscheidens bzw. der Beendigung der Gesellschaft\ninsoweit einen Veraußerungsgewinn im Sinne von § 16 Einkommensteuergesetz\n(EStG), soweit er von den ubrigen Gesellschaftern ohne Gegenleistung von den\nGesellschaftsverbindlichkeiten freigestellt wird. Bei den ubrigen\nGesellschaftern entsteht ein entsprechender Veraußerungsverlust. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Unabhangig von der Frage des Realisierungszeitpunkts eines\nVeraußerungsverlustes, ist ein solcher im vorliegenden Fall mangels\nFreistellung des Beigeladenen von Gesellschaftsverbindlichkeiten jedenfalls\n(noch) nicht entstanden. Weder haben der Klager und der Beigeladene im Rahmen\nihrer gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung eine entsprechende\nVereinbarung getroffen noch entspricht es dem ausdrucklichen Willen des\nKlagers, der noch im Erorterungstermin vor dem Berichterstatter darauf\nhingewiesen hat, dass die Ausgleichsforderung nicht erlassen sei. Zwar kann\nein Veraußerungsverlust auch dann angenommen werden, wenn die\nAusgleichspflicht dem Grunde nach gegeben ist, der Zahlungsverpflichtete aber\nzahlungsunfahig ist. Dies erfordert aber zumindest, dass ein nachweisbarer\nVersuch unternommen worden ist, die Forderung zu realisieren. Die bloße\nNichtgeltendmachung der Forderung ist insoweit nicht ausreichend. Hinzu kommt,\ndass im vorliegenden Fall von einer Zahlungsunfahigkeit des Beigeladenen nicht\nausgegangen werden kann. Diese wurde zwar von Klagerseite behauptet, aber\nnicht weiter nachgewiesen. Nach den Ermittlungen des Beklagten und der Aussage\ndes Beigeladenen wurde jedenfalls bislang keine eidesstattliche Versicherung\nabgegeben. \n--- \n| 18 \n--- \n| Schließlich ware der Veraußerungsverlust auch bereits im Jahr 1996\nentstanden und in diesem Jahr zu berucksichtigten gewesen (mit der Folge, dass\nZahlungen im Jahr 1997 als ruckwirkendes Ereignis bei der Ermittlung des\nVeraußerungsgewinns zu berucksichtigen waren), denn mit der Veraußerung der\nwesentlichen Betriebsgrundlagen mit Vertrag vom 11. Juli 1996 war die GbR\nbeendet. Zu diesem Zeitpunkt hat die gewerbliche Tatigkeit der GbR geendet, da\ninsoweit die werbende Tatigkeit eingestellt und bei der Gemeinde auch\nabgemeldet worden ist sowie die Firma vom Erwerber weitergefuhrt wurde.\nUnbeachtlich ist in diesem Zeitpunkt die Vollbeendigung der Gesellschaft, der\nlediglich verfahrensrechtliche Bedeutung zukommt (vgl. Urteil des\nBundesfinanzhofs - BFH - vom 05. Juni 2003 IV R 36/02, Sammlung amtlich nicht\nveroffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV 2003, 1490). Insoweit stehen\nder weiterlaufende Mietvertrag und die geanderten Kaufvertrage einer\nBeendigung nicht entgegen, zumal der Kaufvertrag jedenfalls durch Übereignung\ndes Kaufgegenstandes und Bezahlung des Kaufpreises bereits im Jahr 1996\nerfullt worden ist. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 und § 139 Abs. 4 FGO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist unbegrundet. Der Beklagte hat zu Recht den\nFeststellungsbescheid fur das Jahr 1997 aufgehoben, der zu Gunsten des Klagers\neinen Veraußerungsverlust aus der Übernahme des negativen Kapitalkontos des\nBeigeladenen ausgewiesen hat. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Scheidet ein Gesellschafter einer Personen(handels-)-gesellschaft mit\nnegativem Kapitalkonto aus oder wird die Gesellschaft aufgelost, so realisiert\ner im Zeitpunkt seines Ausscheidens bzw. der Beendigung der Gesellschaft\ninsoweit einen Veraußerungsgewinn im Sinne von § 16 Einkommensteuergesetz\n(EStG), soweit er von den ubrigen Gesellschaftern ohne Gegenleistung von den\nGesellschaftsverbindlichkeiten freigestellt wird. Bei den ubrigen\nGesellschaftern entsteht ein entsprechender Veraußerungsverlust. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Unabhangig von der Frage des Realisierungszeitpunkts eines\nVeraußerungsverlustes, ist ein solcher im vorliegenden Fall mangels\nFreistellung des Beigeladenen von Gesellschaftsverbindlichkeiten jedenfalls\n(noch) nicht entstanden. Weder haben der Klager und der Beigeladene im Rahmen\nihrer gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung eine entsprechende\nVereinbarung getroffen noch entspricht es dem ausdrucklichen Willen des\nKlagers, der noch im Erorterungstermin vor dem Berichterstatter darauf\nhingewiesen hat, dass die Ausgleichsforderung nicht erlassen sei. Zwar kann\nein Veraußerungsverlust auch dann angenommen werden, wenn die\nAusgleichspflicht dem Grunde nach gegeben ist, der Zahlungsverpflichtete aber\nzahlungsunfahig ist. Dies erfordert aber zumindest, dass ein nachweisbarer\nVersuch unternommen worden ist, die Forderung zu realisieren. Die bloße\nNichtgeltendmachung der Forderung ist insoweit nicht ausreichend. Hinzu kommt,\ndass im vorliegenden Fall von einer Zahlungsunfahigkeit des Beigeladenen nicht\nausgegangen werden kann. Diese wurde zwar von Klagerseite behauptet, aber\nnicht weiter nachgewiesen. Nach den Ermittlungen des Beklagten und der Aussage\ndes Beigeladenen wurde jedenfalls bislang keine eidesstattliche Versicherung\nabgegeben. \n--- \n| 18 \n--- \n| Schließlich ware der Veraußerungsverlust auch bereits im Jahr 1996\nentstanden und in diesem Jahr zu berucksichtigten gewesen (mit der Folge, dass\nZahlungen im Jahr 1997 als ruckwirkendes Ereignis bei der Ermittlung des\nVeraußerungsgewinns zu berucksichtigen waren), denn mit der Veraußerung der\nwesentlichen Betriebsgrundlagen mit Vertrag vom 11. Juli 1996 war die GbR\nbeendet. Zu diesem Zeitpunkt hat die gewerbliche Tatigkeit der GbR geendet, da\ninsoweit die werbende Tatigkeit eingestellt und bei der Gemeinde auch\nabgemeldet worden ist sowie die Firma vom Erwerber weitergefuhrt wurde.\nUnbeachtlich ist in diesem Zeitpunkt die Vollbeendigung der Gesellschaft, der\nlediglich verfahrensrechtliche Bedeutung zukommt (vgl. Urteil des\nBundesfinanzhofs - BFH - vom 05. Juni 2003 IV R 36/02, Sammlung amtlich nicht\nveroffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV 2003, 1490). Insoweit stehen\nder weiterlaufende Mietvertrag und die geanderten Kaufvertrage einer\nBeendigung nicht entgegen, zumal der Kaufvertrag jedenfalls durch Übereignung\ndes Kaufgegenstandes und Bezahlung des Kaufpreises bereits im Jahr 1996\nerfullt worden ist. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 und § 139 Abs. 4 FGO. \n---\n\n |
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142,013 | lsgbw-2006-06-29-l-10-u-330803 | 128 | Landessozialgericht Baden-Württemberg | lsgbw | Baden-Württemberg | Sozialgerichtsbarkeit | L 10 U 3308/03 | 2006-06-29 | 2019-01-08 22:44:59 | 2019-01-17 12:02:13 | Urteil | ## Tenor\n\nDie Berufung des Klagers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts\nFreiburg vom 17. Juli 2003 wird zuruckgewiesen.\n\nAußergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager begehrt die Gewahrung hoherer Verletztenrente wegen der Folgen\neines Arbeitsunfalls vom 21. August 1991. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der am ...1944 geborene Klager, der als selbstandiger Bauunternehmer und\nGeschaftsfuhrer der A. K. GmbH bei der Beklagten versichert war, sturzte am\n21. August 1991 bei Maurerarbeiten an einem Neubau etwa 6,10 m ab. Er kam\nzunachst mit dem Rucken auf einem Sparren auf, uberschlug sich, sturzte dann\nweiter, schlug auf einem Stromkasten auf und kam dann zu ebener Erde zu\nliegen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Bei der stationaren Aufnahme im Zentrum fur Traumatologie und Orthopade,\nI.-G. , F. , am Unfalltag fanden sich u. a. eine Schadelverletzungen ohne\nBewusstseinsverlust mit Hautwunden unter den Haaren, Verletzungen des\nBrustkorbes mit Bruch der siebenten bis zehnten linken Rippe, ein kleiner\nlinker Hemothorax und eine globale Hypoventilation, ein Bruch mit Verrenkung\ndes Th 12 uber L 1, eine Lahmung des linken Beines ohne Gefuhlsverlust bei\nnormalem Aftertonus, keine Schmerzhaftigkeit der Bauchhohle, ein Bruch des\nrechten Schulterblattes sowie eine Verletzungen an Knie und Wade links. Wegen\ndes Weiteren Aufnahmebefundes wird auf das Attest des Dr. T. vom 9. September\n1991 verwiesen. Es folgten weitere stationaren Behandlungen und\nUntersuchungen, u. a. im Kreiskrankenhaus A. , der S.-klinik Bad K. und in der\nBerufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Ludwigshafen. Wegen der erhobenen\nBefunde wird auf die in den Akten enthaltenen Berichte verwiesen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Obwohl der Klager sich nicht mehr in der Lage sah, als Bauunternehmer zu\narbeiten, strebte er auch nach Beratung durch den Berufshelfer keine\nArbeitnehmertatigkeit an und verzichtete auf die Einschaltung des Arbeitsamtes\n(Berufshilfebericht vom 11. Dezember 1992). Er wollte erst eventuelle\nAnspruche auf Verletztenrente, auch gegenuber einer privaten Versicherung,\nklaren. Da er uber Mieteinnahmen verfugte, sah er keine finanzielle\nNotwendigkeit, zu arbeiten. Sein Bauunternehmen gab er in der Folge auf und\nbeschrankte sich insoweit auf die Vermietung seiner Baumaschinen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Prof. Dr. W. erstattete am 12. Januar 1993 ein Rentengutachten aufgrund\ndessen die Beklagte mit Bescheid vom 9. Marz 1993 ab 1. Januar 1993 eine\nvorlaufige Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfahigkeit (MdE) um\n20 v. H. gewahrte. Hinsichtlich der anerkannten Unfallfolgen wird auf den\nBescheid verwiesen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Auf den Widerspruch des Klagers, mit welchem dieser eine hohere Rente\nerstrebte und nach Einholung eines weiteren Rentengutachtens des Prof. Dr. W.\n(Folgen des Arbeitsunfalls jetzt noch: Einschrankung der Drehbeweglichkeit im\nBWS- und LWS Bereich, Minderung der paravertebralen Muskulatur insbesondere im\nBWS-Bereich, <naher beschriebene> Narbenbildung, in guter Stellung knochern\nkonsolidierte LWK-Fraktur; unfallchirurgisch bedingte MdE 10 v.H.), eines\ninternistischen Gutachtens des Dr. R. (keine Verletzungen der Bauchorgane im\nSinne eines stumpfen Brauchtraumas; Unfallfolgen: kombinierte\nVentilationsstorung bei nur geringfugig reduzierten Messwerten der dynamischen\nund statischen Lungenfunktionsparameter; unfallbedingte MdE unter 10 v.H.)\nsowie der Stellungnahme von Prof. Dr. W. (Gesamt-MdE 10 v.H.) setzte die\nBeklagte nach Anhorung die Rente ab 1. Oktober 1993 auf 10 v.H. der Vollrente\nherab und bewilligte eine entsprechende - gestutzte - (Arbeitsunfall vom 10.\nSeptember 1965, wegen dessen der Badische Gemeindeunfallversicherungsverband\neine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. gewahrte) Dauerrente (Bescheid\nvom 17. August 1993, Widerspruchsbescheid vom 30. September 1993).\nHinsichtlich der anerkannten Unfallfolgen wird auf den Bescheid vom 17. August\n1993 verwiesen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Im anschließenden Klageverfahren S 1 (7) U 1921/93 vor dem Sozialgericht\nFreiburg (SG) erstatteten der Arzt fur Neurologie und Psychiatrie Dr. Wu.\n(ausgeheilte Lahmung des linken Beines, „denkbar" durch den Unfall infolge von\nDruck auf den Peroneus entstanden, von der Folgen aber nicht mehr feststellbar\nseien; Sensibilitatsstorung am linken Bein seien nicht dem traumatisierten WS-\nGebiet zuzuordnen; keine MdE auf neurologischem Fachgebiet) der Chirurg Dr. B.\n(wegen betrachtlicher Einschrankung der Rumpfbeugefahigkeit nach links und\ndeutlich eingeschrankter Überstreckfahigkei t sowie maßig eingeschrankter\nBeugefahigkeit MdE auf chirurgischem Fachgebiet 20 v.H.) und - auf Antrag des\nKlagers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - der Orthopade Prof. Dr. H.\n(MdE 20 v.H.) Sachverstandigengutachten. Der Klager nahm ein von der Beklagten\nabgegebenes Teilanerkenntnis (Gewahrung einer Rente nach einer MdE um 20 v.H.\nuber den 30. September 1993 hinaus als Dauerrente) an und seine Klage im\nÜbrigen zuruck. In Ausfuhrung dessen anerkannte die Beklagte mit Bescheid vom\n10. August 1995 als Unfallfolgen „Bewegungseinschrankung der Wirbelsaule am\ndorso-lumbalen Übergang nach unter Fehlstellung verheiltem Bruch des 1.\nLendenwirbelkorpers, linksseitige Bauchwandschwache und Beluftungsstorungen\ndes linken Lungenflugels nach unter Fehlstellung verheilten Bruchen der 9. und\n10. Rippe links mit noch einliegendem Osteosynthesematerial; Fußheberschwache\nlinks; reizlose Narbenbildungen im Übergangsbereich zwischen Brust- und\nLendenwirbelsaule sowie auf der linken Brustkorbseite" und gewahrte eine\nVerletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. auf Dauer uber den 30. September\n1993 hinaus. Nicht Unfallfolgen seien u. a. eine Stoffwechselstorung, ein\nÜbergewicht mit Schwache der Rumpfmuskulatur, eine beginnende Huftarthrose\nbeidseits, Krampfaderbildung rechts und Spreizfuße. Dieser Bescheid wurde\nbindend. \n--- \n| 8 \n--- \n| Am 26. August 1997 beantragte der Klager die Gewahrung hoherer Rente. Die\nSchmerzen seien schlimmer geworden und wegen neurologischer Ausfalle sei er\nwiederholt gesturzt. \n--- \n| 9 \n--- \n| Nach Eingang weiterer arztlicher Äußerungen (u.a. Gutachten des Dr. von L.\nfur eine private Versicherung, CT-Berichte, Berichte des Arztes fur Neurologie\nund Psychiatrie Dr. Sch.[Residualsyndrom nach Polytrauma mit inkompletter\nPeroneusparese links, kein Hinweis auf radikulare Ausfalle]) und gestutzt auf\nein Gutachten des Orthopaden Prof. Dr. W. mit abschließender Stellungnahme\n(keine wesentliche Veranderung der Unfallfolgen und der MdE) lehnte die\nBeklagte eine Erhohung der Rente ab (Bescheid vom 28. August 1998 und\nWiderspruchsbescheid vom 8. Marz 1999). \n--- \n| 10 \n--- \n| Deswegen hat der Klager am 7. April 1999 Klage beim SG erhoben. \n--- \n| 11 \n--- \n| Nachdem die Beklagte einen Antrag (sinngemaß geltend gemacht mit Schriftsatz\nvom 23. Marz 2000) auf Überprufung der Entscheidung vom 9. Marz 1993, mit dem\nder Klager eine Erhohung der Rente wegen besonderer beruflicher Betroffenheit\nerstrebt hat, mit Bescheid vom 10. Juli und Widerspruchsbescheid vom 5.\nOktober 2000 abgelehnt und der Klager deswegen gleichfalls Klage (Az. S 9 U\n3349/00) erhoben hat, hat das SG beide Verfahren durch Beschluss vom 8. Januar\n2001 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Klager hat einer Verschlimmerung der Unfallfolgen und die weitere\nErhohung der MdE unter Berucksichtigung einer besonderen beruflichen\nBetroffenheit geltend gemacht. Er hat hierzu u.a. ein in einem Verfahren wegen\nFeststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz von Dr. W. erstattetes\nGutachten vorgelegt. Die Beklagte habe nicht die extreme Schmerzbelastung\nberucksichtigt. \n--- \n| 13 \n--- \n| Das SG hat auf Antrag des Klagers nach § 109 SGG Sachverstandigengutachten\ndes Neurologen und Psychiaters Dr. Dr. B. , des Unfallarztes Dr. N. und des\nOrthopaden \nPriv.-Doz. Dr. G.-Z. sowie - von Amts wegen - des Orthopaden Prof. Dr. H.\neingeholt. Dr. Dr. B. ist zum Ergebnis gelangt, gegenuber den dem Bescheid vom\n10. August 1995 zugrunde liegenden Befunden sei keine wesentliche Änderung\neingetreten und die unfallbedingte MdE sei auf neurologisch-psychiatrischem\nGebiet mit 10 v. H. zu bewerten. Dr. N. ist zum Ergebnis gelangt, es sei eine\nVerschlimmerung der WS-Symptomatik eingetreten. Durch die Fehlstatik der WS\nseien vorzeitige Costotransversalgelenksarthrosen auch hinsichtlich der\nRippenfrakturen eingetreten, die zu Atemschmerzen und Dispnoe fuhrten. Auch\nsei es zur Ausbildung der Huftarthrosen gekommen. Die unfallbedingte MdE\nbetrage unter Einbeziehung einer MdE auf neurologischem Gebiet und „samtlicher\nunfallbedingter Dauerschaden" 40 v. H. Prof. Dr. H. hat im Wesentlichen\nausgefuhrt, ein Vorwolben der Bauchdecke auf der linken Seite beim Pressen sei\nnur minimal erkennbar. Bewegungseinschrankungen der WS bestunden nur noch am\nthoracolumbalen Übergang in maßigem Ausmaß. Eine Verspannung der\nRuckenstreckermuskultur sei nicht mehr nachweisbar. Er schatze die MdE unter\nBerucksichtigung aller ubrigen internistischen und nervenarztlichen Befunde\nunverandert mit 20 v.H. ein. Eine mittelbare oder unmittelbare Verschlimmerung\nder Unfallfolgen seien nicht erkennbar. Priv.-Doz. Dr. G.-Z. ist im\nWesentlichen zum Ergebnis gelangt im Bereich der WS sei allenfalls eine\ngeringgradige Zunahme der Funktionseinschrankungen ohne Erhohung der MdE\nfestzustellen. Nicht berucksichtigt sei allerdings bisher eine Bauchwandlucke,\ndie fortgeschritten erscheine und eine MdE um 10 v. H. bedinge, was zu einer\nGesamt-MdE um 30 v.H. fuhre. Prof. Dr. H. habe nur eine Eindellung\nfestgestellt, nun sei dagegen eine Bauchwandhernie mit reponierbarem\nBruchinhalt feststellbar, die nach dem 24. Februar 2002 eingetreten sein\nmusse, wobei nach den Angaben des Klagers von der Verschlimmerung ab 1. Juli\n2002 auszugehen sei. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beklagte ist unter Vorlage einer Stellungnahme des Orthopaden Dr. M. der\nEinschatzung von Dr. N. entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass der\nKlager sich an Berufshilfemaßnahmen nicht interessiert gezeigt habe. \n--- \n| 15 \n--- \n| Mit Gerichtsbescheid vom 17. Juli 2003 hat das SG die Klage abgewiesen.\nWegen der Einzelheiten wird auf die Grunde des Gerichtsbescheides verwiesen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Gegen den am 21. Juli 2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Klager am\n21. August 2003 Berufung eingelegt. Er macht im Wesentlichen geltend, eine\nCauda-Conus-Schadigung fuhre zu einer verminderten Gehstrecke und haufigem\nStolpern und Sturzen, was Dr. Dr. B. nicht berucksichtigt habe. Prof. Dr. H.\nhabe die verminderte Beatmung der linken Lungenflugels nicht ausreichend\ngewurdigt. Atembeschwerden traten bei geringer Anstrengung auf. Er habe auch\ndie neurologischen Beschwerden nicht berucksichtigt. Hierzu hat er Äußerungen\ndes Priv.-Doz. Dr. G.-Z. vorgelegt sowie des Lungenfacharztes Dr. Z. und des\nRadiologen Dr. G. . \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 18 \n--- \n| den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Juli 2003\naufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. August 1998\nin der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Marz 1999 sowie des\nBescheides vom 10. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.\nOktober 2000 zu verurteilen, den Bescheid vom 9. Marz 1993 teilweise\nzuruckzunehmen und ihm ab 1. Januar 1996 hohere Verletztenrente als nach einer\nMdE um 20 v. H. zu gewahren. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 20 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Senat hat ein unfallchirurgisches Sachverstandigengutachten des Dr. K.\nund ein pneumologisches Sachverstandigengutachten des Prof. Dr. M.-Q.\neingeholt. Dr. K. ist im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, der Zustand nach\nknochern vollstandig konsolidierter Fraktur des 1. LWK mit Hohenminderung des\nBandscheibenraumes zwischen dem 12. BWK und 1. LWK bedinge unter der\nBerucksichtigung der Bewegungseinschrankung und belastungsabhangiger Schmerzen\neine MdE um 10 v.H. Die konsolidierte Rippenserienfraktur mit\nBewegungseinschrankung und Schmerzen bei tiefer Atemexkursion bedinge\nebenfalls eine MdE um 10 v.H. und die muskulare Brustwandschwache mit\nlinksseitiger Narbenhernie bedinge eine MdE um gleichfalls 10 v.H. Die\nSensibilitatsstorungen im Bereich der linken unteren Extremitat sowie die\nZehenheberschwache links bedingten eine MdE von weniger als 10 v. H. Hieraus\nergebe sich eine Gesamt-MdE um 20 v.H., da sich die genannten Unfallfolgen auf\nunfallchirurgischem Gebiet uberlappten. Abgesehen von einer geringen\nProgredienz der muskularen Brustwandschwache links sei keine wesentliche\nÄnderung zu den Untersuchungsbefunden von Prof. Dr. H. festzustellen. Diese\nerhohe die Gesamt-MdE allerdings nicht auf 30 v. H., sondern allenfalls auf 25\nv. H. Prof. Dr. M.-Q. ist zum Ergebnis gelangt, eine pulmonale\nLeistungslimitierung liege nicht vor und eine Verschlimmerung gegenuber den\nUntersuchungsbefunden des Dr. R. im Jahr 1993 sei nicht feststellbar. Da der\nKlager glaubhaft uber Angst bei korperlicher Betatigung unkontrolliert zu\nfallen, klage, die Angst eine korperliche Belastung verhindere und zur\nAdipositas fuhre, sehe er weiteren Abklarungsbedarf. Die Gesamt-MdE hat Prof.\nDr. M.-Q. mit 20 v. H. bewertet. \n--- \n| 22 \n--- \n| ur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten\nwird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die\nVerwaltungsakten der Beklagten verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 23 \n--- \n| Die gemaß §§ 143, 144, 151 SGG zulassige Berufung ist unbegrundet. \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Klager hat keinen Anspruch auf Gewahrung hoherer Verletztenrente unter\nteilweiser Rucknahme des Bescheides vom 9. Marz 1993 oder wegen Eintritt einer\nwesentlichen Verschlimmerung. \n--- \n| 25 \n--- \n| Soweit der Klager geltend macht, bereits bei der ersten Rentenbewilligung\nware von einer hoheren MdE auszugehen gewesen und insofern die teilweise\nAufhebung des Bescheides vom 9. Marz 1993 beansprucht, richtet sich dieses\nBegehren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). \n--- \n| 26 \n--- \n| Gemaß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er\nunanfechtbar geworden ist, mit Wirkung fur die Vergangenheit zuruckzunehmen,\nsoweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig\nangewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als\nunrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht\nerbracht worden sind. Die Bestimmung ermoglicht eine Abweichung von der\nBindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte. Nach § 44 Abs. 4 SGB X\nwerden im Falle der Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Wirkung fur die\nVergangenheit Sozialleistungen langstens fur einen Zeitraum von vier Jahren\nvor der Rucknahme bzw. Antragstellung erbracht. Der Zeitpunkt der Rucknahme\nwird dabei von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt\nzuruckgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Bei einer Rucknahme auf Antrag\ntritt bei der Berechnung des Zeitraums, fur den die Leistungen ruckwirkend zu\nerbringen sind, anstelle der Rucknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X). \n--- \n| 27 \n--- \n| Soweit der Klager insofern geltend macht, die Beklagte hatte unter\nBerucksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit eine hohere Rente\nbewilligen mussen, richtet sich der geltend gemachte Anspruch auch nach\nInkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997\nnach den bis dahin geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung\n(RVO). Denn nach § 212 SGB VII gilt das neue Recht grundsatzlich erst fur\nVersicherungsfalle, die nach dem 31. Dezember 1996 eingetreten sind. Einer der\nAusnahmetatbestande nach §§ 213 ff. SGB VII ist nicht gegeben. Dies gilt\ninsbesondere fur § 214 Abs. 3 SGB VII. Nach dieser Regelung gelten die\nVorschriften des SGB VII uber Renten auch fur Versicherungsfalle, die nach dem\nTag des Inkrafttreten dieses Gesetzes (1. Januar 1997) erstmals festzusetzen\nsind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die Rente des Klagers\nbereits unter der Geltung der RVO erstmals festzusetzen war und festgesetzt\nwurde (Bescheid vom 9. Marz 1993). \n--- \n| 28 \n--- \n| Nach § 581 Abs. 2 RVO sind bei der Bemessung der Minderung der\nErwerbsfahigkeit Nachteile zu berucksichtigen, die der Verletzte dadurch\nerleidet, dass er bestimmte, von ihm erworbene besondere berufliche Kenntnisse\nund Erfahrungen infolge des Unfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem\nUmfang nutzen kann, soweit sie nicht durch sonstige Fahigkeiten, deren Nutzung\nihm zugemutet werden kann, ausgeglichen werden. \n--- \n| 29 \n--- \n| Eine Erhohung der Rente wegen unfallbedingter beruflicher Nachteile erfolgt\nnach hochstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. u. a. BSG SozR 3-2200 § 581 Nr.\n6 m.w.N.) wenn unter Wahrung des Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung\ndie Nichtberucksichtigung von Ausbildung und Beruf bei der Bewertung der MdE\nim Einzelfall zu einer unbilligen Harte fuhren wurde. Hierzu hat das BSG (vgl.\nu. a. BSG, a.a.O. m.w.N.) entschieden, dass wesentliche Merkmale fur die\nBeurteilung der Frage, ob eine hohere Bewertung der MdE zur Vermeidung\nunbilliger Harten gerechtfertigt ist, insbesondere das Alter des Verletzten,\ndie Dauer der Ausbildung sowie der Ausubung der speziellen beruflichen\nTatigkeit und auch der Erwerb einer gunstigen Stellung im Erwerbsleben durch\ndie bisher verrichtete Tatigkeit sind. Hieraus und aus den außerdem zu\nbeachtenden sonstigen besonderen Umstanden des Einzelfalles kann sich eine\nhohere Bewertung der MdE ergeben, wenn der Verletzte die ihm verbliebenen\nKenntnisse und Fahigkeiten nur noch unter Inkaufnahme eines unzumutbaren\nsozialen Abstiegs auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens verwerten kann, wobei\ndie einzelnen Umstande des jeweiligen Falles dabei nicht isoliert, sondern in\nihrer Gesamtheit zu beurteilen sind (BSG, a.a.O m.w.N). Verfugt der Verletzte\nuber sonstige Fahigkeiten, die geeignet sind, die unfallbedingt nicht mehr\noder nicht mehr in vollem Umfang nutzbaren besonderen beruflichen Kenntnisse\nund Erfahrungen auszugleichen, kommt eine Erhohung der MdE nicht in Betracht,\nsofern dem Verletzten die Nutzung dieser Fahigkeiten zugemutet werden kann,\neinschließlich der zumutbaren Aneignung solcher Fahigkeiten durch eine\nUmschulung (BSG, a.a.O. m.w.N.). \n--- \n| 30 \n--- \n| Unter Zugrundelegung der vorgenannten Kriterien ist die unfallbedingte MdE\ndes Klagers nicht wegen Vorliegens einer besonderen beruflichen Betroffenheit\nzu erhohen. Das im Berufungsverfahren in dieser Weise nicht mehr erhobene\nVorbringen, der Klager habe besondere berufliche Fahigkeiten, deren Nutzung\nihn in Folge des Unfalles nicht mehr moglich sei, dadurch erworben, dass er an\nder „Schnittstelle" zwischen selbstandigem und Arbeitnehmer gearbeitet habe,\nrechtfertigt hier eine Erhohung der Rente nicht. Es kann dahinstehen, ob eine\nTatigkeit als selbststandiger Maurermeister dem Klager dauerhaft eine\nhervorgehobene berufliche Position verschafft hatte, es sich um eine spezielle\nberufliche Tatigkeit handelte und eine besondere Harte wegen der Dauer der\nAusubung der Tatigkeit anzunehmen ist und er wirtschaftliche Nachteile\nerlitten hat (wozu nichts vorgetragen ist und was auch mit Blick auf die\naufgenommene Vermietungstatigkeit bezuglich seiner Baumaschinen nicht\nerkennbar ist). Denn jedenfalls ware im Hinblick auf sein Alter und gerade\nauch seinen Lebenslauf als Handwerksmeister und selbststandiger\nKleinunternehmer eine berufliche Umorientierung zumutbar und voraussichtlich\nauch Erfolg versprechend gewesen. Gleichwohl hat er gemaß dem\nBerufshilfebericht vom 11. Dezember 1992 im Alter von 48 Jahren auf eine auf\nseiner Ausbildung und bisherigen Berufstatigkeit aufbauenden Umschulung oder\nsonstige Berufshilfemaßnahmen und die Einschaltung des Arbeitsamtes\nausdrucklich verzichtet, da er aufgrund sonstiger Einkunfte wirtschaftlich\nabgesichert war und zunachst Versicherungsleistungen, auch einer privaten\nVersicherung, in Anspruch nehmen wollte. Dass er zu irgendeinem Zeitpunkt vor\ndem Antrag im Jahr 2000 auf Berucksichtigung einer besonderen beruflichen\nBetroffenheit Interesse an einer Wiedereingliederung und zu einer beruflichen\nFortbildungsmaßnahme hatte, ist nicht dargetan und nicht ersichtlich.\nAngesichts dessen hat er ihm zumutbare Moglichkeiten, seine bisherigen\nKenntnisse und Fahigkeiten - mit Unterstutzung der Berufshilfe - zu nutzen,\nnicht wahrgenommen bzw. abgelehnt. Damit kommt eine Erhohung der MdE wegen\nbesonderer beruflicher Betroffenheit nicht in Betracht. \n--- \n| 31 \n--- \n| Soweit der Klager geltend macht, infolge einer Verschlimmerung der\nUnfallfolgen habe er Anspruch auf hohere Verletztenrente, richtet sich sein\nBegehren nach § 48 SGB X. Gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt\nmit Dauerwirkung mit Wirkung fur die Zukunft aufzuheben, soweit in den\ntatsachlichen oder rechtlichen Verhaltnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen\nhaben, eine wesentliche Änderung eintritt. Als wesentliche Änderung kommt hier\ndie vom Klager mit dem Antrag vom 26. August 1997 geltend gemachte\nVerschlimmerung der Unfallfolgen in Betracht. \n--- \n| 32 \n--- \n| Auch im Zusammenhang mit der Frage einer wesentlichen Änderung ist altes\nRecht anzuwenden. Insbesondere ist der Ausnahmetatbestand des § 214 Abs. 3 SGB\nVII nicht erfullt. \n--- \n| 33 \n--- \n| Unter „erstmals festzusetzen" ist nach der Rechtsprechung (BSG, Urteil vom\n20. Februar 2001, B 2 U 1/00 R) sogar eine Rente vollig ablehnende\nEntscheidung zu verstehen, sodass es fur die Frage der Anwendbarkeit alten\noder neuen Rechts ausschließlich darauf ankommt, ob die erste tatsachliche\nEntscheidung uber die Leistung durch Bescheid - gleich welchen Inhalts und\nunabhangig vom spateren Schicksal des Bescheids (bestandskraftig oder\ngeandert) - bis zum 31. Dezember 1996 erfolgte (BSG, a.a.O.). Der Senat hat\ndeshalb bereits mit Urteil vom 26. Januar 2006, L 10 U 300/05 entschieden,\ndass altes Recht weiter anzuwenden ist, wenn vor dem 1. Januar 1997 ein\nRentenanspruch abgelehnt wurde und auf der Grundlage von noch unter Geltung\nder RVO eingetretenen Veranderungen spater, nach dem 31.12.1996, ein\nRentenanspruch auch fur die Vergangenheit geltend gemacht wird. Nichts anderes\ngilt, wenn - wie im vorliegenden Fall - ursprunglich ein Rentenanspruch\nanerkannte wurde und spater dann - wegen einer behaupteten Verschlimmerung,\ndie unter der Geltung neuen Rechts eingetreten sein soll - ein hoherer\nRentenanspruch streitig wird. Denn auch hier wurde - und zwar im Sinne einer\ndem Klager positiven, weil Rente gewahrenden Entscheidung - der Rentenanspruch\nzuvor noch unter der Geltung der RVO festgesetzt. Wie der Fall zu beurteilen\nist, wenn eine Entscheidung des Unfallversicherungstragers nach dem 31.\nDezember 1996 erging, aber vorher hatte ergehen konnen, bleibt offen. \n--- \n| 34 \n--- \n| Im Ergebnis bedeutet dies, dass altes Recht jedenfalls dann anwendbar\nbleibt, wenn unter der Geltung der RVO einmal durch Bescheid entschieden\nwurde. Dies gilt unabhangig davon, welches Schicksal der Bescheid nahm, ob ein\nÜberprufungsverfahren nach § 44 SGB X (s.o.), ein Verfahren nach § 48 SGB X\noder wegen einer Verschlechterung (aber - weil ursprunglich die Leistung\nversagt wurde - mangels vorliegendem Dauerverwaltungsakt unabhangig von § 48\nSGB X) ein „originares" Verfahren durchgefuhrt wird und ob sich der geltend\ngemacht Leistungsanspruch jeweils (auch) auf Zeitraume vor oder ab dem 1.\nJanuar 1997 bezieht. \n--- \n| 35 \n--- \n| Es bleibt daher im vorliegenden Fall bei dem sich aus § 212 SGB VII\nergebenden Grundsatz, dass die bisherigen Vorschriften der RVO uber\nRentenleistungen auf Falle, die vor dem Inkrafttreten des SGB VII eintraten,\nweiterhin anzuwenden sind. \n--- \n| 36 \n--- \n| Bei der Feststellung der MdE ist eine Änderung i. S. des § 48 Abs. 1 SGB X\nnur wesentlich, wenn sie mehr als funf v. H. betragt und - bei Renten auf\nunbestimmte Zeit - langer als einen Monat andauert (Ricke in Kasseler\nKommentar, Stand bis 31. Dezember 1996 zu § 581 RVO Rdnr. 34). \n--- \n| 37 \n--- \n| Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeintrachtigung des\nkorperlichen und geistigen Leistungsvermogens ergebenden verminderten\nArbeitsmoglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (so jetzt\nausdrucklich § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII, mit dessen Inkrafttreten die fruheren\nKriterien zur Bemessung der MdE nach der RVO keine Änderung erfahren haben).\nDie Bemessung der MdE hangt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom\n22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen\nBeeintrachtigungen des korperlichen und geistigen Leistungsvermogens und dem\nUmfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmoglichkeiten. Entscheidend ist nicht\nder Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust\nunter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen\nGesichtspunkten. Ärztliche Meinungsaußerungen daruber, inwieweit derartige\nBeeintrachtigungen sich auf die Erwerbsfahigkeit auswirken, haben keine\nverbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche\nGrundlage fur die richterliche Schatzung der MdE, vor allem soweit sie sich\ndarauf beziehen, in welchem Umfang die korperlichen und geistigen Fahigkeiten\ndes Verletzten durch die Unfallfolgen beeintrachtigt sind. Erst aus der\nAnwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssatze uber die Auswirkungen\nbestimmter korperlicher und seelischer Beeintrachtigungen auf die verbliebenen\nArbeitsmoglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens\nund unter Berucksichtigung der gesamten Umstande des Einzelfalles kann die\nHohe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschatzt werden. Diese zumeist in\njahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem\nversicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum\nherausgearbeiteten Erfahrungssatze sind bei der Beurteilung der MdE zu\nbeachten; sie sind zwar nicht fur die Entscheidung im Einzelfall bindend,\nbilden aber die Grundlage fur eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in\nzahlreichen Parallelfallen der taglichen Praxis und unterliegen einem\nstandigen Wandel. \n--- \n| 38 \n--- \n| Gemessen daran rechtfertigen die beim Klager vorliegenden Unfallfolgen auch\nkeine MdE um mehr als 20 v. H. Dies ergibt sich fur den Senat schlussig und\nuberzeugend aus den vorliegenden Gutachten von Prof. Dr. W. , Prof. Dr. H. ,\nDr. K. und Prof. Dr. M.-Q. sowie unter Berucksichtigung der Ausfuhrungen von\nDr. Dr. B. . Danach ist gegenuber den im fruheren Rechtsstreit S 1 (7) U\n1921/93 vor dem SG eingeholten Gutachten die zum Bescheid vom 10. August 1995\ngefuhrt haben, eine wesentliche Änderung nicht eingetreten und die\nunfallbedingte MdE unverandert mit 20 v. H. zu bewerten. \n--- \n| 39 \n--- \n| Wesentliche Änderungen im Sinne einer Verschlimmerung sind auf\nneurologischem Gebiet nicht feststellbar. Im Gutachten des Arztes fur\nNeurologie und Psychiatrie Dr. Wu. vom 27. Juli 1994 ist eine unfallbedingte\nMdE nicht festgestellt. Gleichwohl wurde eine Fußheberschwache links im\nBescheid anerkannt und berucksichtigt, welche allerdings bei spateren\nUntersuchungen nicht mehr zu verifizieren war. Zwar hat Dr. Sch. am 13.\nFebruar 1998 noch eine inkomplette Peroneusparese links angegeben. Doch ergibt\nsich daraus im Vergleich mit den den Bescheid vom 10. August 1995 und dem\nvorausgegangenen Anerkenntnis sowie den diesem zu Grunde liegenden Gutachten\nkeine wesentliche Änderung. Dies folgt sowohl aus dem Gutachten von Prof. Dr.\nW. und dessen abschließender Stellungnahme wie auch aus dem auf Antrag des\nKlagers vom SG eingeholten Gutachten des Dr. Dr. B. , der auf neurologischem\nFachgebiet aufgrund der dem Bescheid vom 10. August 1995 zugrunde liegenden\nBefunde eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlechterung verneint\nhat. Eine Verschlimmerung liegt danach nicht vor. Auch handelt es sich nicht\num eine Fußheberschwache sondern (lediglich) um eine Zehnheberschwache 1 bis 5\nmit peripheren Sensibilitatsstorungen der linken unteren Extremitat. Soweit\nhierfur Dr. Dr. Bernsdorf allerdings eine MdE um 10 v. H. ansetzt, folgt der\nSenat dem nicht, da keine Funktionseinschrankungen beschrieben sind, die eine\nMdE um 10 v. H. tragen konnten. Nicht unfallbedingt sind - so Dr. Dr. B. , dem\ninsoweit zu folgen ist - die radikularen Reizerscheinungen S 2 bis S 5\nbeidseits, eine angedeutete Serratusschwache rechts, leichtere cerebellare\nKoordinierungsstorungen, eine Trapeziusathrophie links sowie eine latente\nHalbseitensymptomatik rechts mit positiven Pyramidenzeichen. Diese\nunfallunabhangigen Leiden erklaren auch die vom Klager geltend gemachten\nSturze. Auf neurologischem Gebiet ist eine Verschlimmerung auch durch das vom\nKlager vorgelegte Gutachten des Dr. W. nicht belegt. Dieses außert sich zum\neinen zum Grad der Behinderung (GdB) nach dem Schwerbehindertenrecht, dessen\nBemessung nach anderen Kriterien erfolgt, als die Bewertung der MdE in der\ngesetzlichen Unfallversicherung, zum anderen ist darin nicht zwischen\nUnfallfolgen und unfallunabhangigen Leiden differenziert. \n--- \n| 40 \n--- \n| Auf chirurgischem Gebiet ist gleichfalls keine Verschlimmerung feststellbar\nund die MdE unverandert mit 20 v. H. zu bewerten. Dies ergibt sich\ninsbesondere aus dem Gutachten des Dr. K. . Danach bedingen die LWK-1-Fraktur\nmit Bandscheibenhohenminderung und Schmerzzustanden eine MdE um 10 v. H. die\nteilweise in Fehlstellung konsolidierte Serienfraktur der Rippen 6 bis 10 mit\nBewegungseinschrankung und Schmerzen bei tiefer Atemexcursion eine MdE um 10\nv. H. und die Brustwandschwache mit Narbenhernie eine MdE um 10 v. H.\nSchlussig und uberzeugend fur den Senat hat Dr. K. darauf hingewiesen, dass\nsich diese einzelnen Funktionseinschrankungen teilweise uberschneiden und\ninsgesamt lediglich eine MdE um 20 v. H. bedingen. Dies steht in\nÜbereinstimmung mit der Bewertung von Prof. Dr. H. und Prof. Dr. W. . Soweit\nhiervon abweichend Dr. N. die MdE mit insgesamt 40 v. H. bewertet, vermag sich\nder Senat dem nicht anzuschließen. Durch sein Gutachten ist weder eine\nwesentliche Änderung belegt, noch rechtfertigen sich Unfallfolgen mit einer\nMdE um insgesamt 40 v. H. Wie Dr. M. in der von der Beklagten vorgelegten und\nals qualifizierten Beteiligtenvortrag verwertbaren Stellungnahme zutreffend\nausfuhrt, hatte Prof. Dr. H. bereits eine frakturbedingte Kyphosierung\nberucksichtigt und ergeben die Aufnahmen des Dr. N. allenfalls eine\nangedeutete Kyphosierung. Des Weiteren hat Dr. N. nicht schlussig und\nuberzeugend begrundet, dass durch die Wirbelsaulenfehlstatik eine Arthrose der\nCostotransversalgelenke aufgetreten ist, denn wenn sie auf die Rippenfrakturen\nzuruckgehen wurden, mussten sie einseitig sein. Auch vermag der Senat einen\nZusammenhang der Huftarthrose mit der Wirbelfraktur nicht festzustellen. Des\nWeiteren ist die Fußheberteillahmung anerkannt und in die MdE-Bewertung\neingeflossen und hat sie sich laut Dr. Dr. B. nicht verschlechtert, weswegen\nsie nicht erhohend berucksichtigt werden kann. Auch hat bereits Prof. Dr. H.\neine aufgehobene Entfaltbarkeit der Brustwirbelsaule festgestellt, weswegen\neine Änderung hinsichtlich der Beweglichkeit der Brustwirbelsaule nicht\nfeststellbar ist. Des Weiteren hat Dr. N. - zu Unrecht - eine MdE auf\nneurologischem Gebiet von 10 v. H. einbezogen und die teilweisen\nÜberschneidung der einzelnen Unfallfolgen (siehe Dr. K. ) nicht hinreichend\nberucksichtigt. Die Einwande von Dr. M. gegen das Gutachten von Dr. N. sind\nuberzeugend. Auch Prof. Dr. H. hat sich dem angeschlossen und eine\nVerschlimmerung verneint. Im Übrigen hat auch der auf Antrag des Klagers\nweiter gehorte Priv.-Doz. Dr. G.-Z. eine wesentliche Zunahme der\nFunktionseinschrankung im Bereich der WS ausdrucklich verneint und auch keine\neine Erhohung rechtfertigende Veranderung im Bereich der knochernen Überbauung\nvon 7. bis 10. Rippe gesehen. Soweit er gleichwohl eine Erhohung der MdE auf\n30 v.H. mit einer von ihm gesehenen fortschreitenden Bauchwandhernie\nbegrundet, sind seine Ausfuhrungen nicht uberzeugend. Dies schon deshalb, weil\ner von einer Verschlimmerung zum 1. Juli 2002 unter Berucksichtigung der\nAngaben des Klagers ausgeht und annimmt, die Untersuchung des Prof. Dr. H. sei\nim Februar 2002 erfolgt, dessen Befunderhebung aber vom September 2002\ndatiert. Soweit er in seiner vom Klager vorgelegten erganzenden Stellungnahme\neine Überschneidung der oben beschriebenen Unfallfolgen bestreitet, ist er\ndurch das Gutachten von Dr. K. widerlegt. \n--- \n| 41 \n--- \n| Im Übrigen ist auch hinsichtlich der internistischen\nFunktionseinschrankungen eine wesentliche Änderung im Vergleich zu den\nBefunden, die dem Anerkenntnis und dem Bescheid vom 10. Oktober 1995 zugrunde\nlagen, nicht feststellbar. Dies deshalb, weil Prof. Dr. M.-Q. eine wesentliche\npulmonale Leistungslimitierung nicht festzustellen vermocht und ausdrucklich\neine Verschlimmerung gegenuber den Befunden aus dem Jahr 1993, die dem\nGutachten von Dr. R. zu Grunde lagen, verneint hat. Entgegen der Ansicht des\nKlagers hat im Übrigen auch Dr. R. eine kombinierte Ventilationsstorung bei\ngeringfugig reduzierten Messwerten fur die dynamischen und statischen\nLungenfunktionsparameter festgestellt und die MdE mit unter 10. v. H.\nbewertet. Ein Widerspruch hierzu ergibt sich - entgegen der Ansicht des\nKlagers - aus dem Gutachten von Prof. Dr. M.-Q. nicht, der eine leichtgradige\nbzw. beginnende restriktive Ventilationsstorung erhoben und eine\nVerschlimmerung verneint hat. Demzufolge ist auch auf internistischem\nFachgebiet keine wesentliche Verschlimmerung der Unfallfolgen feststellbar. \n--- \n| 42 \n--- \n| Soweit Prof. Dr. M.-Q. als Ursache der geringfugigen restriktiven\nVentilationsstorung die Übergewichtigkeit des Klagers angefuhrt hat, ist -\nabgesehen davon, dass die Ventilationsstorung ohnehin, wie dargelegt, zu\nkeiner relevanten MdE, auch hinsichtlich der Gesamt-MdE fuhrt - darauf\nhinzuweisen, dass dieses zur Überzeugung des Senats nicht wesentlich auf die\nUnfallfolgen zuruckzufuhren ist. Der Klager fuhrt die Adipositas zwar darauf\nzuruck, dass er wegen der Unfallfolgen unter Bewegungsmangel leidet, doch\nerscheint die Gewichtszunahme nicht wesentlich durch die Unfallfolgen bedingt.\nEine Gewichtszunahme hat zunachst alimentare Ursachen. Wenn die Bewegung und\ndas Ausmaß der sportlichen Betatigung auch unfallbedingt reduziert worden sein\nsollte, steht gleichwohl das Ernahrungsverhalten, das dann anzupassen ware,\nals maßgebliche Ursache fur eine Gewichtszunahme im Vordergrund. Außerdem\nbestand schon gemaß dem Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik\nLudwigshafen vom 3. Juni 1992 eine unfallunabhangige Fettstoffwechselstorung\nund wurden nach dem Ausfuhrungsbescheid vom 10. August 1995 das damals\nvorliegende Übergewicht mit Schwache der Rumpfmuskulatur als Unfallfolgen\nabgelehnt. Eine wesentliche Verschlimmerung ist uberdies insoweit nicht\nfeststellbar. \n--- \n| 43 \n--- \n| Soweit Prof. Dr. M.-Q. die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens\nangeregt hat, hat der Senat hierzu keine Veranlassung gesehen, denn eine\nwesentliche Erkrankung von Krankheitswert ist weder dargetan, noch sonst wie\nersichtlich. Insbesondere hat Dr. Dr. B. in seinem nervenarztlichen Gutachten\ninsoweit keine Storungen festgestellt. Der Klager hat sich auch zu keinem\nZeitpunkt in psychiatrische oder psychologische Behandlung begeben. \n--- \n| 44 \n--- \n| Da somit weder eine wesentliche Verschlimmerung der Unfallfolgen (von mehr\nals 5 v.H.) feststellbar ist, noch eine Erhohung der MdE wegen besonderer\nberuflicher Betroffenheit zu erfolgen hat, hat das SG zu Recht die Klagen\nabgewiesen. Die Berufung ist deswegen zuruckzuweisen. Hierauf und auf § 193\nSGG beruht die Kostenentscheidung. \n--- \n| 45 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 23 \n--- \n| Die gemaß §§ 143, 144, 151 SGG zulassige Berufung ist unbegrundet. \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Klager hat keinen Anspruch auf Gewahrung hoherer Verletztenrente unter\nteilweiser Rucknahme des Bescheides vom 9. Marz 1993 oder wegen Eintritt einer\nwesentlichen Verschlimmerung. \n--- \n| 25 \n--- \n| Soweit der Klager geltend macht, bereits bei der ersten Rentenbewilligung\nware von einer hoheren MdE auszugehen gewesen und insofern die teilweise\nAufhebung des Bescheides vom 9. Marz 1993 beansprucht, richtet sich dieses\nBegehren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). \n--- \n| 26 \n--- \n| Gemaß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er\nunanfechtbar geworden ist, mit Wirkung fur die Vergangenheit zuruckzunehmen,\nsoweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig\nangewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als\nunrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht\nerbracht worden sind. Die Bestimmung ermoglicht eine Abweichung von der\nBindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte. Nach § 44 Abs. 4 SGB X\nwerden im Falle der Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Wirkung fur die\nVergangenheit Sozialleistungen langstens fur einen Zeitraum von vier Jahren\nvor der Rucknahme bzw. Antragstellung erbracht. Der Zeitpunkt der Rucknahme\nwird dabei von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt\nzuruckgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Bei einer Rucknahme auf Antrag\ntritt bei der Berechnung des Zeitraums, fur den die Leistungen ruckwirkend zu\nerbringen sind, anstelle der Rucknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X). \n--- \n| 27 \n--- \n| Soweit der Klager insofern geltend macht, die Beklagte hatte unter\nBerucksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit eine hohere Rente\nbewilligen mussen, richtet sich der geltend gemachte Anspruch auch nach\nInkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997\nnach den bis dahin geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung\n(RVO). Denn nach § 212 SGB VII gilt das neue Recht grundsatzlich erst fur\nVersicherungsfalle, die nach dem 31. Dezember 1996 eingetreten sind. Einer der\nAusnahmetatbestande nach §§ 213 ff. SGB VII ist nicht gegeben. Dies gilt\ninsbesondere fur § 214 Abs. 3 SGB VII. Nach dieser Regelung gelten die\nVorschriften des SGB VII uber Renten auch fur Versicherungsfalle, die nach dem\nTag des Inkrafttreten dieses Gesetzes (1. Januar 1997) erstmals festzusetzen\nsind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die Rente des Klagers\nbereits unter der Geltung der RVO erstmals festzusetzen war und festgesetzt\nwurde (Bescheid vom 9. Marz 1993). \n--- \n| 28 \n--- \n| Nach § 581 Abs. 2 RVO sind bei der Bemessung der Minderung der\nErwerbsfahigkeit Nachteile zu berucksichtigen, die der Verletzte dadurch\nerleidet, dass er bestimmte, von ihm erworbene besondere berufliche Kenntnisse\nund Erfahrungen infolge des Unfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem\nUmfang nutzen kann, soweit sie nicht durch sonstige Fahigkeiten, deren Nutzung\nihm zugemutet werden kann, ausgeglichen werden. \n--- \n| 29 \n--- \n| Eine Erhohung der Rente wegen unfallbedingter beruflicher Nachteile erfolgt\nnach hochstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. u. a. BSG SozR 3-2200 § 581 Nr.\n6 m.w.N.) wenn unter Wahrung des Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung\ndie Nichtberucksichtigung von Ausbildung und Beruf bei der Bewertung der MdE\nim Einzelfall zu einer unbilligen Harte fuhren wurde. Hierzu hat das BSG (vgl.\nu. a. BSG, a.a.O. m.w.N.) entschieden, dass wesentliche Merkmale fur die\nBeurteilung der Frage, ob eine hohere Bewertung der MdE zur Vermeidung\nunbilliger Harten gerechtfertigt ist, insbesondere das Alter des Verletzten,\ndie Dauer der Ausbildung sowie der Ausubung der speziellen beruflichen\nTatigkeit und auch der Erwerb einer gunstigen Stellung im Erwerbsleben durch\ndie bisher verrichtete Tatigkeit sind. Hieraus und aus den außerdem zu\nbeachtenden sonstigen besonderen Umstanden des Einzelfalles kann sich eine\nhohere Bewertung der MdE ergeben, wenn der Verletzte die ihm verbliebenen\nKenntnisse und Fahigkeiten nur noch unter Inkaufnahme eines unzumutbaren\nsozialen Abstiegs auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens verwerten kann, wobei\ndie einzelnen Umstande des jeweiligen Falles dabei nicht isoliert, sondern in\nihrer Gesamtheit zu beurteilen sind (BSG, a.a.O m.w.N). Verfugt der Verletzte\nuber sonstige Fahigkeiten, die geeignet sind, die unfallbedingt nicht mehr\noder nicht mehr in vollem Umfang nutzbaren besonderen beruflichen Kenntnisse\nund Erfahrungen auszugleichen, kommt eine Erhohung der MdE nicht in Betracht,\nsofern dem Verletzten die Nutzung dieser Fahigkeiten zugemutet werden kann,\neinschließlich der zumutbaren Aneignung solcher Fahigkeiten durch eine\nUmschulung (BSG, a.a.O. m.w.N.). \n--- \n| 30 \n--- \n| Unter Zugrundelegung der vorgenannten Kriterien ist die unfallbedingte MdE\ndes Klagers nicht wegen Vorliegens einer besonderen beruflichen Betroffenheit\nzu erhohen. Das im Berufungsverfahren in dieser Weise nicht mehr erhobene\nVorbringen, der Klager habe besondere berufliche Fahigkeiten, deren Nutzung\nihn in Folge des Unfalles nicht mehr moglich sei, dadurch erworben, dass er an\nder „Schnittstelle" zwischen selbstandigem und Arbeitnehmer gearbeitet habe,\nrechtfertigt hier eine Erhohung der Rente nicht. Es kann dahinstehen, ob eine\nTatigkeit als selbststandiger Maurermeister dem Klager dauerhaft eine\nhervorgehobene berufliche Position verschafft hatte, es sich um eine spezielle\nberufliche Tatigkeit handelte und eine besondere Harte wegen der Dauer der\nAusubung der Tatigkeit anzunehmen ist und er wirtschaftliche Nachteile\nerlitten hat (wozu nichts vorgetragen ist und was auch mit Blick auf die\naufgenommene Vermietungstatigkeit bezuglich seiner Baumaschinen nicht\nerkennbar ist). Denn jedenfalls ware im Hinblick auf sein Alter und gerade\nauch seinen Lebenslauf als Handwerksmeister und selbststandiger\nKleinunternehmer eine berufliche Umorientierung zumutbar und voraussichtlich\nauch Erfolg versprechend gewesen. Gleichwohl hat er gemaß dem\nBerufshilfebericht vom 11. Dezember 1992 im Alter von 48 Jahren auf eine auf\nseiner Ausbildung und bisherigen Berufstatigkeit aufbauenden Umschulung oder\nsonstige Berufshilfemaßnahmen und die Einschaltung des Arbeitsamtes\nausdrucklich verzichtet, da er aufgrund sonstiger Einkunfte wirtschaftlich\nabgesichert war und zunachst Versicherungsleistungen, auch einer privaten\nVersicherung, in Anspruch nehmen wollte. Dass er zu irgendeinem Zeitpunkt vor\ndem Antrag im Jahr 2000 auf Berucksichtigung einer besonderen beruflichen\nBetroffenheit Interesse an einer Wiedereingliederung und zu einer beruflichen\nFortbildungsmaßnahme hatte, ist nicht dargetan und nicht ersichtlich.\nAngesichts dessen hat er ihm zumutbare Moglichkeiten, seine bisherigen\nKenntnisse und Fahigkeiten - mit Unterstutzung der Berufshilfe - zu nutzen,\nnicht wahrgenommen bzw. abgelehnt. Damit kommt eine Erhohung der MdE wegen\nbesonderer beruflicher Betroffenheit nicht in Betracht. \n--- \n| 31 \n--- \n| Soweit der Klager geltend macht, infolge einer Verschlimmerung der\nUnfallfolgen habe er Anspruch auf hohere Verletztenrente, richtet sich sein\nBegehren nach § 48 SGB X. Gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt\nmit Dauerwirkung mit Wirkung fur die Zukunft aufzuheben, soweit in den\ntatsachlichen oder rechtlichen Verhaltnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen\nhaben, eine wesentliche Änderung eintritt. Als wesentliche Änderung kommt hier\ndie vom Klager mit dem Antrag vom 26. August 1997 geltend gemachte\nVerschlimmerung der Unfallfolgen in Betracht. \n--- \n| 32 \n--- \n| Auch im Zusammenhang mit der Frage einer wesentlichen Änderung ist altes\nRecht anzuwenden. Insbesondere ist der Ausnahmetatbestand des § 214 Abs. 3 SGB\nVII nicht erfullt. \n--- \n| 33 \n--- \n| Unter „erstmals festzusetzen" ist nach der Rechtsprechung (BSG, Urteil vom\n20. Februar 2001, B 2 U 1/00 R) sogar eine Rente vollig ablehnende\nEntscheidung zu verstehen, sodass es fur die Frage der Anwendbarkeit alten\noder neuen Rechts ausschließlich darauf ankommt, ob die erste tatsachliche\nEntscheidung uber die Leistung durch Bescheid - gleich welchen Inhalts und\nunabhangig vom spateren Schicksal des Bescheids (bestandskraftig oder\ngeandert) - bis zum 31. Dezember 1996 erfolgte (BSG, a.a.O.). Der Senat hat\ndeshalb bereits mit Urteil vom 26. Januar 2006, L 10 U 300/05 entschieden,\ndass altes Recht weiter anzuwenden ist, wenn vor dem 1. Januar 1997 ein\nRentenanspruch abgelehnt wurde und auf der Grundlage von noch unter Geltung\nder RVO eingetretenen Veranderungen spater, nach dem 31.12.1996, ein\nRentenanspruch auch fur die Vergangenheit geltend gemacht wird. Nichts anderes\ngilt, wenn - wie im vorliegenden Fall - ursprunglich ein Rentenanspruch\nanerkannte wurde und spater dann - wegen einer behaupteten Verschlimmerung,\ndie unter der Geltung neuen Rechts eingetreten sein soll - ein hoherer\nRentenanspruch streitig wird. Denn auch hier wurde - und zwar im Sinne einer\ndem Klager positiven, weil Rente gewahrenden Entscheidung - der Rentenanspruch\nzuvor noch unter der Geltung der RVO festgesetzt. Wie der Fall zu beurteilen\nist, wenn eine Entscheidung des Unfallversicherungstragers nach dem 31.\nDezember 1996 erging, aber vorher hatte ergehen konnen, bleibt offen. \n--- \n| 34 \n--- \n| Im Ergebnis bedeutet dies, dass altes Recht jedenfalls dann anwendbar\nbleibt, wenn unter der Geltung der RVO einmal durch Bescheid entschieden\nwurde. Dies gilt unabhangig davon, welches Schicksal der Bescheid nahm, ob ein\nÜberprufungsverfahren nach § 44 SGB X (s.o.), ein Verfahren nach § 48 SGB X\noder wegen einer Verschlechterung (aber - weil ursprunglich die Leistung\nversagt wurde - mangels vorliegendem Dauerverwaltungsakt unabhangig von § 48\nSGB X) ein „originares" Verfahren durchgefuhrt wird und ob sich der geltend\ngemacht Leistungsanspruch jeweils (auch) auf Zeitraume vor oder ab dem 1.\nJanuar 1997 bezieht. \n--- \n| 35 \n--- \n| Es bleibt daher im vorliegenden Fall bei dem sich aus § 212 SGB VII\nergebenden Grundsatz, dass die bisherigen Vorschriften der RVO uber\nRentenleistungen auf Falle, die vor dem Inkrafttreten des SGB VII eintraten,\nweiterhin anzuwenden sind. \n--- \n| 36 \n--- \n| Bei der Feststellung der MdE ist eine Änderung i. S. des § 48 Abs. 1 SGB X\nnur wesentlich, wenn sie mehr als funf v. H. betragt und - bei Renten auf\nunbestimmte Zeit - langer als einen Monat andauert (Ricke in Kasseler\nKommentar, Stand bis 31. Dezember 1996 zu § 581 RVO Rdnr. 34). \n--- \n| 37 \n--- \n| Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeintrachtigung des\nkorperlichen und geistigen Leistungsvermogens ergebenden verminderten\nArbeitsmoglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (so jetzt\nausdrucklich § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII, mit dessen Inkrafttreten die fruheren\nKriterien zur Bemessung der MdE nach der RVO keine Änderung erfahren haben).\nDie Bemessung der MdE hangt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom\n22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen\nBeeintrachtigungen des korperlichen und geistigen Leistungsvermogens und dem\nUmfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmoglichkeiten. Entscheidend ist nicht\nder Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust\nunter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen\nGesichtspunkten. Ärztliche Meinungsaußerungen daruber, inwieweit derartige\nBeeintrachtigungen sich auf die Erwerbsfahigkeit auswirken, haben keine\nverbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche\nGrundlage fur die richterliche Schatzung der MdE, vor allem soweit sie sich\ndarauf beziehen, in welchem Umfang die korperlichen und geistigen Fahigkeiten\ndes Verletzten durch die Unfallfolgen beeintrachtigt sind. Erst aus der\nAnwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssatze uber die Auswirkungen\nbestimmter korperlicher und seelischer Beeintrachtigungen auf die verbliebenen\nArbeitsmoglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens\nund unter Berucksichtigung der gesamten Umstande des Einzelfalles kann die\nHohe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschatzt werden. Diese zumeist in\njahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem\nversicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum\nherausgearbeiteten Erfahrungssatze sind bei der Beurteilung der MdE zu\nbeachten; sie sind zwar nicht fur die Entscheidung im Einzelfall bindend,\nbilden aber die Grundlage fur eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in\nzahlreichen Parallelfallen der taglichen Praxis und unterliegen einem\nstandigen Wandel. \n--- \n| 38 \n--- \n| Gemessen daran rechtfertigen die beim Klager vorliegenden Unfallfolgen auch\nkeine MdE um mehr als 20 v. H. Dies ergibt sich fur den Senat schlussig und\nuberzeugend aus den vorliegenden Gutachten von Prof. Dr. W. , Prof. Dr. H. ,\nDr. K. und Prof. Dr. M.-Q. sowie unter Berucksichtigung der Ausfuhrungen von\nDr. Dr. B. . Danach ist gegenuber den im fruheren Rechtsstreit S 1 (7) U\n1921/93 vor dem SG eingeholten Gutachten die zum Bescheid vom 10. August 1995\ngefuhrt haben, eine wesentliche Änderung nicht eingetreten und die\nunfallbedingte MdE unverandert mit 20 v. H. zu bewerten. \n--- \n| 39 \n--- \n| Wesentliche Änderungen im Sinne einer Verschlimmerung sind auf\nneurologischem Gebiet nicht feststellbar. Im Gutachten des Arztes fur\nNeurologie und Psychiatrie Dr. Wu. vom 27. Juli 1994 ist eine unfallbedingte\nMdE nicht festgestellt. Gleichwohl wurde eine Fußheberschwache links im\nBescheid anerkannt und berucksichtigt, welche allerdings bei spateren\nUntersuchungen nicht mehr zu verifizieren war. Zwar hat Dr. Sch. am 13.\nFebruar 1998 noch eine inkomplette Peroneusparese links angegeben. Doch ergibt\nsich daraus im Vergleich mit den den Bescheid vom 10. August 1995 und dem\nvorausgegangenen Anerkenntnis sowie den diesem zu Grunde liegenden Gutachten\nkeine wesentliche Änderung. Dies folgt sowohl aus dem Gutachten von Prof. Dr.\nW. und dessen abschließender Stellungnahme wie auch aus dem auf Antrag des\nKlagers vom SG eingeholten Gutachten des Dr. Dr. B. , der auf neurologischem\nFachgebiet aufgrund der dem Bescheid vom 10. August 1995 zugrunde liegenden\nBefunde eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlechterung verneint\nhat. Eine Verschlimmerung liegt danach nicht vor. Auch handelt es sich nicht\num eine Fußheberschwache sondern (lediglich) um eine Zehnheberschwache 1 bis 5\nmit peripheren Sensibilitatsstorungen der linken unteren Extremitat. Soweit\nhierfur Dr. Dr. Bernsdorf allerdings eine MdE um 10 v. H. ansetzt, folgt der\nSenat dem nicht, da keine Funktionseinschrankungen beschrieben sind, die eine\nMdE um 10 v. H. tragen konnten. Nicht unfallbedingt sind - so Dr. Dr. B. , dem\ninsoweit zu folgen ist - die radikularen Reizerscheinungen S 2 bis S 5\nbeidseits, eine angedeutete Serratusschwache rechts, leichtere cerebellare\nKoordinierungsstorungen, eine Trapeziusathrophie links sowie eine latente\nHalbseitensymptomatik rechts mit positiven Pyramidenzeichen. Diese\nunfallunabhangigen Leiden erklaren auch die vom Klager geltend gemachten\nSturze. Auf neurologischem Gebiet ist eine Verschlimmerung auch durch das vom\nKlager vorgelegte Gutachten des Dr. W. nicht belegt. Dieses außert sich zum\neinen zum Grad der Behinderung (GdB) nach dem Schwerbehindertenrecht, dessen\nBemessung nach anderen Kriterien erfolgt, als die Bewertung der MdE in der\ngesetzlichen Unfallversicherung, zum anderen ist darin nicht zwischen\nUnfallfolgen und unfallunabhangigen Leiden differenziert. \n--- \n| 40 \n--- \n| Auf chirurgischem Gebiet ist gleichfalls keine Verschlimmerung feststellbar\nund die MdE unverandert mit 20 v. H. zu bewerten. Dies ergibt sich\ninsbesondere aus dem Gutachten des Dr. K. . Danach bedingen die LWK-1-Fraktur\nmit Bandscheibenhohenminderung und Schmerzzustanden eine MdE um 10 v. H. die\nteilweise in Fehlstellung konsolidierte Serienfraktur der Rippen 6 bis 10 mit\nBewegungseinschrankung und Schmerzen bei tiefer Atemexcursion eine MdE um 10\nv. H. und die Brustwandschwache mit Narbenhernie eine MdE um 10 v. H.\nSchlussig und uberzeugend fur den Senat hat Dr. K. darauf hingewiesen, dass\nsich diese einzelnen Funktionseinschrankungen teilweise uberschneiden und\ninsgesamt lediglich eine MdE um 20 v. H. bedingen. Dies steht in\nÜbereinstimmung mit der Bewertung von Prof. Dr. H. und Prof. Dr. W. . Soweit\nhiervon abweichend Dr. N. die MdE mit insgesamt 40 v. H. bewertet, vermag sich\nder Senat dem nicht anzuschließen. Durch sein Gutachten ist weder eine\nwesentliche Änderung belegt, noch rechtfertigen sich Unfallfolgen mit einer\nMdE um insgesamt 40 v. H. Wie Dr. M. in der von der Beklagten vorgelegten und\nals qualifizierten Beteiligtenvortrag verwertbaren Stellungnahme zutreffend\nausfuhrt, hatte Prof. Dr. H. bereits eine frakturbedingte Kyphosierung\nberucksichtigt und ergeben die Aufnahmen des Dr. N. allenfalls eine\nangedeutete Kyphosierung. Des Weiteren hat Dr. N. nicht schlussig und\nuberzeugend begrundet, dass durch die Wirbelsaulenfehlstatik eine Arthrose der\nCostotransversalgelenke aufgetreten ist, denn wenn sie auf die Rippenfrakturen\nzuruckgehen wurden, mussten sie einseitig sein. Auch vermag der Senat einen\nZusammenhang der Huftarthrose mit der Wirbelfraktur nicht festzustellen. Des\nWeiteren ist die Fußheberteillahmung anerkannt und in die MdE-Bewertung\neingeflossen und hat sie sich laut Dr. Dr. B. nicht verschlechtert, weswegen\nsie nicht erhohend berucksichtigt werden kann. Auch hat bereits Prof. Dr. H.\neine aufgehobene Entfaltbarkeit der Brustwirbelsaule festgestellt, weswegen\neine Änderung hinsichtlich der Beweglichkeit der Brustwirbelsaule nicht\nfeststellbar ist. Des Weiteren hat Dr. N. - zu Unrecht - eine MdE auf\nneurologischem Gebiet von 10 v. H. einbezogen und die teilweisen\nÜberschneidung der einzelnen Unfallfolgen (siehe Dr. K. ) nicht hinreichend\nberucksichtigt. Die Einwande von Dr. M. gegen das Gutachten von Dr. N. sind\nuberzeugend. Auch Prof. Dr. H. hat sich dem angeschlossen und eine\nVerschlimmerung verneint. Im Übrigen hat auch der auf Antrag des Klagers\nweiter gehorte Priv.-Doz. Dr. G.-Z. eine wesentliche Zunahme der\nFunktionseinschrankung im Bereich der WS ausdrucklich verneint und auch keine\neine Erhohung rechtfertigende Veranderung im Bereich der knochernen Überbauung\nvon 7. bis 10. Rippe gesehen. Soweit er gleichwohl eine Erhohung der MdE auf\n30 v.H. mit einer von ihm gesehenen fortschreitenden Bauchwandhernie\nbegrundet, sind seine Ausfuhrungen nicht uberzeugend. Dies schon deshalb, weil\ner von einer Verschlimmerung zum 1. Juli 2002 unter Berucksichtigung der\nAngaben des Klagers ausgeht und annimmt, die Untersuchung des Prof. Dr. H. sei\nim Februar 2002 erfolgt, dessen Befunderhebung aber vom September 2002\ndatiert. Soweit er in seiner vom Klager vorgelegten erganzenden Stellungnahme\neine Überschneidung der oben beschriebenen Unfallfolgen bestreitet, ist er\ndurch das Gutachten von Dr. K. widerlegt. \n--- \n| 41 \n--- \n| Im Übrigen ist auch hinsichtlich der internistischen\nFunktionseinschrankungen eine wesentliche Änderung im Vergleich zu den\nBefunden, die dem Anerkenntnis und dem Bescheid vom 10. Oktober 1995 zugrunde\nlagen, nicht feststellbar. Dies deshalb, weil Prof. Dr. M.-Q. eine wesentliche\npulmonale Leistungslimitierung nicht festzustellen vermocht und ausdrucklich\neine Verschlimmerung gegenuber den Befunden aus dem Jahr 1993, die dem\nGutachten von Dr. R. zu Grunde lagen, verneint hat. Entgegen der Ansicht des\nKlagers hat im Übrigen auch Dr. R. eine kombinierte Ventilationsstorung bei\ngeringfugig reduzierten Messwerten fur die dynamischen und statischen\nLungenfunktionsparameter festgestellt und die MdE mit unter 10. v. H.\nbewertet. Ein Widerspruch hierzu ergibt sich - entgegen der Ansicht des\nKlagers - aus dem Gutachten von Prof. Dr. M.-Q. nicht, der eine leichtgradige\nbzw. beginnende restriktive Ventilationsstorung erhoben und eine\nVerschlimmerung verneint hat. Demzufolge ist auch auf internistischem\nFachgebiet keine wesentliche Verschlimmerung der Unfallfolgen feststellbar. \n--- \n| 42 \n--- \n| Soweit Prof. Dr. M.-Q. als Ursache der geringfugigen restriktiven\nVentilationsstorung die Übergewichtigkeit des Klagers angefuhrt hat, ist -\nabgesehen davon, dass die Ventilationsstorung ohnehin, wie dargelegt, zu\nkeiner relevanten MdE, auch hinsichtlich der Gesamt-MdE fuhrt - darauf\nhinzuweisen, dass dieses zur Überzeugung des Senats nicht wesentlich auf die\nUnfallfolgen zuruckzufuhren ist. Der Klager fuhrt die Adipositas zwar darauf\nzuruck, dass er wegen der Unfallfolgen unter Bewegungsmangel leidet, doch\nerscheint die Gewichtszunahme nicht wesentlich durch die Unfallfolgen bedingt.\nEine Gewichtszunahme hat zunachst alimentare Ursachen. Wenn die Bewegung und\ndas Ausmaß der sportlichen Betatigung auch unfallbedingt reduziert worden sein\nsollte, steht gleichwohl das Ernahrungsverhalten, das dann anzupassen ware,\nals maßgebliche Ursache fur eine Gewichtszunahme im Vordergrund. Außerdem\nbestand schon gemaß dem Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik\nLudwigshafen vom 3. Juni 1992 eine unfallunabhangige Fettstoffwechselstorung\nund wurden nach dem Ausfuhrungsbescheid vom 10. August 1995 das damals\nvorliegende Übergewicht mit Schwache der Rumpfmuskulatur als Unfallfolgen\nabgelehnt. Eine wesentliche Verschlimmerung ist uberdies insoweit nicht\nfeststellbar. \n--- \n| 43 \n--- \n| Soweit Prof. Dr. M.-Q. die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens\nangeregt hat, hat der Senat hierzu keine Veranlassung gesehen, denn eine\nwesentliche Erkrankung von Krankheitswert ist weder dargetan, noch sonst wie\nersichtlich. Insbesondere hat Dr. Dr. B. in seinem nervenarztlichen Gutachten\ninsoweit keine Storungen festgestellt. Der Klager hat sich auch zu keinem\nZeitpunkt in psychiatrische oder psychologische Behandlung begeben. \n--- \n| 44 \n--- \n| Da somit weder eine wesentliche Verschlimmerung der Unfallfolgen (von mehr\nals 5 v.H.) feststellbar ist, noch eine Erhohung der MdE wegen besonderer\nberuflicher Betroffenheit zu erfolgen hat, hat das SG zu Recht die Klagen\nabgewiesen. Die Berufung ist deswegen zuruckzuweisen. Hierauf und auf § 193\nSGG beruht die Kostenentscheidung. \n--- \n| 45 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. \n---\n\n |
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142,410 | olgkarl-2006-09-13-14-wx-4905 | 146 | Oberlandesgericht Karlsruhe | olgkarl | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 14 Wx 49/05 | 2006-09-13 | 2019-01-09 08:13:32 | 2019-02-12 13:10:47 | Beschluss | ## Tenor\n\n1\\. Die weitere Beschwerde der Beteiligten H. Li. gegen den Beschluß der 6.\nZivilkammer des Landgerichts Konstanz vom 31.08.2005 - 62 T 11/05 A - wird als\nunbegrundet zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Beschwerdefuhrerin H. Li. hat die im Verfahren der weiteren Beschwerde\nden ubrigen Beteiligten - mit Ausnahme des Beteiligten Nr. 9 - entstandenen\naußergerichtlichen Kosten zu erstatten.\n\n3\\. Der Geschaftswert wird fur das Verfahren der weiteren Beschwerde auf\n80.000 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| 1\\. Der am 06.09.2004 im Alter von 90 Jahren kinderlos verstorbene Erblasser\nwar verwitwet. Mit seiner am 28.01.1981 verstorbenen Ehefrau M. - deren\nAbkommlinge aus erster Ehe die in Riga/Lettland lebenden Beteiligten Nr. 7 und\nNr. 8 sind - hatte er am 18.10.1966 ein gemeinschaftliches eigenhandiges\nTestament errichtet, welches lautet: \n--- \n| 2 \n--- \n| „Unser letzter Wille! \nWas wir besitzen, es mag heißen, wie es wolle, haben wir gemeinsam erarbeitet.\nDem uberlebenden Teil soll daher auch das gesamte Vermogen bis zu seinem Tode\nverbleiben. Erst dann soll nach der gesetzlichen Erbfolge geteilt werden. \nS., am 18.Oktober 1966 \nA. G. M. G." \n--- \n| 3 \n--- \n| Unter dem 21.09.1968 haben die Eheleute ein vorgedrucktes Formular\nunterschrieben, das in seinem vorgedruckten Text im wesentlichen folgende\nFormulierungen enthalt: \n--- \n| 4 \n--- \n| „Gemeinschaftliches Testament \n.... \nbestimmen fur den Fall unseres Todes: \nWir setzen uns hiermit gegenseitig zu Erben unseres dereinstigen Nachlasses\nein, dergestalt, daß der Überlebende von uns berechtigt ist, frei und\nunbeschrankt uber den Nachlaß zu verfugen." \n--- \n| 5 \n--- \n| Eigenhandig wurden auf diesem Schriftstuck nur die Personalien der Eheleute,\nderen Wohnanschrift, das Errichtungsdatum und der Errichtungsort sowie die\nUnterschriften erganzt. \n--- \n| 6 \n--- \n| Nach dem Tod seiner Ehefrau hat der Erblasser am 18.10.1995 ein\neigenhandiges Testament errichtet. Darin wandte er den Beteiligten Nr. 2, 5,\nund 6 sowie der inzwischen verstorbenen Mutter der Beteiligten Nr. 3 und 4\njeweils einen Geldbetrag in Hohe von 15.000 DM sowie den Beteiligten Nr. 9 -\n14 seine Eigentumswohnung in M. zu. Weiter heißt es: \n--- \n| 7 \n--- \n| „Was dann noch ubrig ist, heiße es, was es wolle, soll meiner "Jugendliebe"\nFrau H. Li. geb. Sch., S. gehoren. ..." \n--- \n| 8 \n--- \n| 2\\. Am 21.10.2004 hat die Beteiligte Nr. 1, deren Sohn M. Li. Bezirksnotar\nbeim Notariat R. ist, beim Vertreter des Notars Li., Notarvertreter z.A. Lu.,\nihren Antrag auf Erteilung eines sie als Alleinerbin des Erblassers\nausweisenden Erbscheins beurkunden lassen. Notarvertreter z.A. Lu. hat eine\nbeglaubigte Abschrift der Urkunde an das fur die Vollziehung zustandige\nNotariat - Nachlaßgericht - Meersburg weitergeleitet. Dem Antrag sind die\nBeteiligten Nr. 2 und Nr. 3 entgegengetreten. \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Beschluß vom 22.12.2004 hat das Nachlaßgericht den Antrag der\nBeteiligten Nr. 1 auf Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden\nErbscheins mit der Begrundung zuruckgewiesen, der Erblasser habe die\nBeteiligte Nr. 1 wegen der im gemeinschaftlichen Testament vom 18.10.1966\nenthaltenen Bestimmungen nicht zur Alleinerbin einsetzen konnen. Gegen die\nEntscheidung des Nachlaßgerichts hat die Beteiligte Nr. 1 mit von ihr selbst\nunterschriebenem Schreiben vom 12.01.2005 (AS. 139) Beschwerde eingelegt.\nDieser ist der Beteiligte Nr. 2 mit Anwaltsschriftsatz vom 04.05.2005\nentgegengetreten. \n--- \n| 10 \n--- \n| 3\\. Durch Beschluß vom 31.08.2005 hat das Landgericht Konstanz die\nBeschwerde zuruckgewiesen. Es hat dabei ausgesprochen, daß die\nBeschwerdefuhrerin die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und\ndie den ubrigen Verfahrensbeteiligten im Beschwerdeverfahren entstandenen\naußergerichtlichen Kosten zu erstatten hat. \n--- \n| 11 \n--- \n| 4\\. Mit Schriftsatz vom 16.09.2005 hat Notar Li. in amtlicher Eigenschaft im\nAuftrag und in Vollmacht der Beteiligten Nr. 1 unter Hinweis auf § 20 a FGG\ngegen die im Beschluß des Landgerichts Konstanz am 31.08.2005 enthaltene\nKostenentscheidung sofortige Beschwerde eingelegt. \n--- \n| 12 \n--- \n| Mit Schreiben vom 20.09.2005 hat Notar Li. „zugleich als Urlaubsvertreter\nvon Notarvertreter Lu." und mit Schreiben vom 04.10.2005 hat Notarvertreter\nLu. jeweils im Auftrag und in Vollmacht der Beteiligten Nr. 1 gegen den\nBeschluß des Landgerichts Konstanz vom 31.08.2005 weitere Beschwerde\neingelegt. Dem sind der Beteiligte Nr. 2 mit Anwaltsschreiben vom 21.12.2005\nund die Beteiligte Nr. 7 mit Schreiben vom 03.11.2005 entgegengetreten. Der\nBeteiligte Nr. 9 hat mit Anwaltsschriftsatz vom 09.11.2005 mitgeteilt, daß er\nsich der weiteren Beschwerde der Beteiligten Nr. 1 „anschließe". \n--- \n| 13 \n--- \n| 5\\. Mit Verfugungen jeweils vom 26.04.2006 hat der Vorsitzende des Senats\ndie Beteiligte Nr. 1 und Herrn Notar Li. auf Bedenken gegen die Zulassigkeit\nder weiteren Beschwerde und den Verfahrensbevollmachtigten des Beteiligten Nr.\n9 auf Bedenken gegen die Zulassigkeit der Anschließung an die wohl unzulassige\nweitere Beschwerde hingewiesen. \n--- \n| 14 \n--- \n| 6\\. Mit Anwaltsschreiben vom 09.05. 2006 hat die Beteiligte Nr. 1 erneut\nweitere Beschwerde gegen den landgerichtlichen Beschluß vom 31.08.2005\neingelegt. Dieser sind die Beteiligten Nr. 7 mit Schreiben vom 07.06.2006, Nr.\n8 mit Schreiben vom 08.06.2006 und Nr. 2 mit Anwaltsschriftsatz vom 09.06.2006\nentgegengetreten. \n--- \n| 15 \n--- \n| 7\\. Mit Beschluß vom 07.02.2006 (AS. 421/423) hatte das Nachlaßgericht\nMeersburg Nachlaßpflegschaft angeordnet und Herrn A. H. zum Nachlaßpfleger\nbestellt. \n--- \n**II.** \n--- \n| 16 \n--- \n| Die nunmehr in gesetzlich vorgeschriebener Form eingelegte weitere\nBeschwerde ist zulassig (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 FGG), in der Sache aber nicht\nbegrundet. \n--- \n| 17 \n--- \n| 1\\. Das Landgericht hat ausgefuhrt, der Erbscheinsantrag sei zuruckzuweisen,\nweil die Beteiligte Nr. 1 nicht Alleinerbin geworden sei. Das\ngemeinschaftliche Testament vom 18.10.1966 sei dahin auszulegen, daß Erben des\nLetztversterbenden zur Halfte seine gesetzlichen Erben und zur anderen Halfte\ndie Personen sein sollen, die zum Zeitpunkt des Todes des Letztversterbenden\ndie gesetzlichen Erben des vorverstorbenen Ehegatten sein wurden. Zu einer\nanderen Auslegung fuhre auch nicht die im formnichtigen - und deshalb nicht\nzur Aufhebung ihres Testaments von 1966 geeigneten - gemeinschaftlichen\nTestament der Eheleute vom 21.09.1968 enthaltene Formulierung, der Überlebende\nsolle berechtigt sein, „frei und unbeschrankt uber den Nachlaß zu verfugen".\nDie Einsetzung der gesetzlichen Erben der Ehefrau als Schlußerben zu insgesamt\n1/2 Erbteil und die Erbeinsetzung des Ehemannes als Alleinerbe der Ehefrau\nseien wechselbezuglich i.S.v. § 2270 Abs. 1 BGB. Infolge der Bindungswirkung\nhabe der Erblasser A. G. die Erbeinsetzung der Verwandten seiner\nvorverstorbenen Ehefrau durch das Testament von 1995 nicht wirksam widerrufen\nund demgemaß auch die Beteiligte Nr. 1 zumindest nicht zu seiner Alleinerbin\neinsetzen konnen. \n--- \n| 18 \n--- \n| 2\\. Diese Ausfuhrungen sind aus Rechtsgrunden nicht zu beanstanden. \n--- \n| 19 \n--- \n| a) Bei dem Testament der Eheleute A. und M. G. vom 18.10.1966 handelt es\nsich - wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist - um ein gemaß den §§\n2265, 2267, 2247 BGB formgultig errichtetes gemeinschaftliches Testament nach\n§ 2269 BGB. Darin haben die Ehegatten sich gegenseitig als Alleinerben\neingesetzt und angeordnet, daß nach dem Tod des Letztversterbenden „nach der\ngesetzlichen Erbfolge geteilt werden" solle. Von dieser fur den zweiten\nTodesfall getroffenen Anordnung ist der Erblasser mit seinem nach dem Tod\nseiner Ehefrau errichteten Testament vom 18.10.1995 abgewichen. Wirksam konnte\ner dies, wenn die Anordnung der Teilung nach der gesetzlichen Erbfolge nicht\nwechselbezuglich im Sinne von § 2270 Abs. 1 BGB war oder aber wenn sie - bei\nWechselbezuglichkeit - spater wirksam widerrufen wurde. Daß ein wirksamer\nWiderruf nicht erfolgt ist, liegt auf der Hand und wird - zumindest im\nRechtsbeschwerdeverfahren - von den Beteiligten auch nicht in Zweifel gezogen. \n--- \n| 20 \n--- \n| b) Die in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfugungen sind\ngemaß § 2270 Abs. 1 BGB wechselbezuglich, wenn anzunehmen ist, daß die\nVerfugung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfugung des anderen getroffen\nworden ware, d.h., wenn jede der beiden Verfugungen mit Rucksicht auf die\nandere getroffen ist und nach dem Willen der Erblasser mit ihr stehen und\nfallen soll. Enthalt ein gemeinschaftliches Testament keine klare und\neindeutige Anordnung zur Wechselbezuglichkeit, so muß diese fur jede einzelne\nVerfugung gesondert gepruft werden (BayObLGZ 2002, S. 66 ff., 69). Im\nvorliegenden Fall geht es um die Wechselbezuglichkeit und damit um die\nUnabanderbarkeit der damaligen Anordnung des jetzigen Erblassers, daß der\nNachlaß nach dem Tode des Letztversterbenden nach der gesetzlichen Erbfolge\ngeteilt werden solle. \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Ermittlung, ob eine Verfugung wechselbezuglich ist oder nicht, hat nach\nallgemeinen Auslegungsgrundsatzen zu erfolgen. Da es sich bei der\nTestamentsauslegung um Tatsachenfeststellung handelt, obliegt sie allein den\nTatsacheninstanzen (vgl. Meyer-Holz, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl.\n2003, Rdn. 49 zu § 27). An vom Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei\nfestgestellte Tatsachen ist das Gericht der weiteren Beschwerde gem. § 27 Abs.\n1 FGG i.V.m. § 539 ZPO gebunden (Meyer-Holz, a.a.O., Rdn. 42 zu § 27). Die\nTatsachenfeststellung des Beschwerdegerichts ist nur dahin nachprufbar, ob es\nden entscheidungserheblichen Sachverhalt ausreichend erforscht hat (§ 12 FGG),\nob es bei der Beweiswurdigung alle wesentlichen Umstande in einer den\nAnforderungen des § 25 FGG entsprechenden Weise (hierzu Sternal, in:\nKeidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., Rdn. 28 ff. zu § 25) berucksichtigt und dabei\nnicht gegen gesetzliche Beweisregeln, gegen Denkgesetze, feststehende\nErfahrungssatze oder den allgemeinen Sprachgebrauch verstoßen hat (Meyer-Holz,\na.a.O., Rdn. 42 f. zu § 27 m.w.N.). Im Rechtsbeschwerdeverfahren kann dagegen\nnicht geltend gemacht werden, daß die tatsachlichen Folgerungen des\nBeschwerdegerichts nicht die einzig moglichen seien oder daß eine andere\nSchlussfolgerung ebenso nah oder sogar noch naher gelegen hatte (Meyer-Holz,\na.a.O., Rdn. 42 zu § 27). \n--- \n| 22 \n--- \n| c) Bei Anlegung dieses Maßstabs halt der angefochtene Beschluß der\nÜberprufung stand. \n--- \n| 23 \n--- \n| aa) Ob die Bestimmung, wonach nach dem Tod des Letztversterbenden „nach der\ngesetzlichen Erbfolge geteilt werden" solle, uberhaupt wechselbezuglich\ngetroffen werden konnte, hangt davon ab, ob sie eine Erbeinsetzung enthalt (§\n2270 Abs. 3 BGB). \n--- \n| 24 \n--- \n| Die diese Frage bejahende Auslegung der Klausel durch das Landgericht ist\nfrei von Rechtsirrtum und deshalb fur den Senat bindend. Die Formulierung des\nLandgerichts, wonach es die Bestimmung dahin auslegt, „daß nach dem Ableben\ndes Überlebenden der beiden Ehegatten G. gesetzliche Erbfolge eintreten soll,\n…" mag zwar ungenau und daher mißverstandlich sein. Was gemeint ist, ergibt\nsich indessen aus dem Hinweis des Landgerichts, wonach es die genannte\nBestimmung in gleicher Weise auslege wie das Nachlaßgericht. Dieses hatte -\nunmißverstandlich - formuliert, es lege das Testament dahin aus, „daß Erben\nvon A. G. zur einen Halfte die gesetzlichen Erben des Erblassers sind, zur\nanderen Halfte aber die Personen, die zur Zeit des Todes von A. G. als\ngesetzliche Erben der vorverstorbenen Ehefrau M. berufen waren". Zu dieser\nAuslegung konnte das Landgericht - dem Nachlaßgericht folgend - aufgrund des\nWortlauts des Testaments gelangen. Darauf, daß es sich um eine Erbeinsetzung\nhandelte, deutet schon der Umstand, daß die Erblasser es eben nicht bei der\ngesetzlichen Erbfolge belassen haben. Daß die Eheleute in ihrem Testament von\n1966 keine Vor- und Nacherbfolge, sondern eine mit einer\nSchlusserbeneinsetzung verbundene gegenseitige Einsetzung zu Alleinerben\nwollten, ist aufgrund der im ersten Satz des Testaments enthaltenen\nFormulierung, wonach die Eheleute ihren Besitz „gemeinsam erarbeitet" haben,\nzumindest moglich, wenn nicht sogar naheliegend. \n--- \n| 25 \n--- \n| Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Auffassung von Nachlaßgericht und\nLandgericht, wonach die infolge Formmangels unwirksame letztwillige Verfugung\nder Eheleute vom 21.09.1968 nicht zu einer anderen Auslegung des Testaments\nvom 18.10.1966 fuhren kann. Die von den Vorinstanzen ins Feld gefuhrte\nErwagung, von der spateren - unwirksamen - Testierung konne nicht zwingend auf\nden Inhalt des fruheren Testaments geschlossen werden, vielmehr konne sie auch\nAusdruck einer nachtraglichen Willensanderung sein, ist richtig. Als\nInterpretationshilfe ungeeignet ist die unwirksame Anordnung von 1968 zudem\nauch deshalb, weil sie - worauf das Landgericht mit Recht hingewiesen hat -\nkeineswegs eindeutig ist. Die darin enthaltene Bestimmung, der Überlebende sei\nberechtigt, „frei und unbeschrankt uber den Nachlaß zu verfugen", hat namlich\nnicht unbedingt eine Ermachtigung zur freien Verfugung von Todeswegen zum\nInhalt, sondern kann sich auch auf eine solche zur freien Verfugung unter\nLebenden beschranken (vgl. BayObLGZ 2002, S. 66 ff., 69). \n--- \n| 26 \n--- \n| bb) Rechtlich unangreifbar ist schließlich auch die Auffassung der\nVorinstanzen, wonach die Schlußerbeneinsetzung jedenfalls in Bezug auf\ndiejenigen Personen als wechselbezuglich zu beurteilen ist, die zum Zeitpunkt\ndes Todes des Erblassers A. G. als gesetzliche Erben seiner vorverstorbenen\nEhefrau berufen gewesen waren. \n--- \n| 27 \n--- \n| (1) Das Nachlaßgericht, dem das Landgericht gefolgt ist, hat die\nWechselbezuglichkeit - ohne auf die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB\nzuruckzugreifen - mit dem Wortlaut des Testaments von 1966 begrundet. Der\ndarin enthaltenen Formulierung, wonach das Vermogen „erst dann" \\- also nach\ndem Tode des Langerlebenden - geteilt werden solle, hat es mit Recht\nentnommen, daß die spatere Erbeinsetzung auch der Verwandten des\nErstversterbenden nur zeitlich aufgeschoben sein sollte. Hieraus die Folgerung\nzu ziehen, daß ohne die Schlußerbeneinsetzung der Verwandten des\nErstverstorbenen die gegenseitige Alleinerbeneinsetzung nicht erfolgt ware,\nist wiederum naheliegend und damit nicht rechtsfehlerhaft. \n--- \n| 28 \n--- \n| (2) Der - von der Rechtsbeschwerdefuhrerin und von dem sie unterstutzenden\nBeteiligten Nr. 8 fur ihre abweichenden Auffassungen in Anspruch genommenen -\nEntscheidung des OLG Frankfurt vom 02.07.1997 - 20 W 193/95 - (FGPrax 1987, S.\n189 f.) ist nichts anderes zu entnehmen. Dort ist namlich - zutreffend -\nausgefuhrt, es sei „denkbar" (nicht etwa: „zwingend"), daß die gesetzlichen\nErben des Überlebenden zunachst als Schlußerben eingesetzt worden sind, dem\nÜberlebenden aber die Moglichkeit belassen worden ist, diese testamentarische\nErbeinsetzung zu andern. Dafur, daß es im hier zu entscheidenden Fall aber\nnicht so sein sollte, spricht - worauf die Vorinstanzen hingewiesen haben -\nder im ersten Satz ihres Testaments von 1966 enthaltene Hinweis der Eheleute,\ndaß sie ihren Besitz „gemeinsam erarbeitet" haben. \n--- \n| 29 \n--- \n| Daß das formunwirksame Testament von 1968 zu einer Auslegung der\nletztwilligen Verfugung von 1966 nicht herangezogen werden kann, wurde bereits\noben zu aa) dargelegt. \n--- \n| 30 \n--- \n| Zu Unrecht schließlich meint die Rechtsbeschwerde, die Annahme einer\nWechselbezuglichkeit in Bezug auf die Verwandten der Ehefrau verbiete sich\nangesichts der zur Testamentserrichtung im Jahr 1966 herrschenden politischen\nSituation. Richtig ist zwar, daß die Abkommlinge von M. G. in der Sowjetunion\nlebten, daß ihnen der Besitz von Devisen untersagt war und daß der Kalte Krieg\nsich auf seinem Hohepunkt befand. Indessen war der Erblasser am Tag der\nErrichtung des Testaments vom 18.10.1966 erst 53 Jahre alt geworden. Eine\nÄnderung der politischen Situation bis zum Zeitpunkt des Todes des\nLetztversterbenden und somit die Moglichkeit, daß auch die Abkommlinge der\nEhefrau in den Genuß ihres Erbes kommen wurden, war daher nicht\nauszuschließen. \n--- \n**III.** \n--- \n| 31 \n--- \n| Nach allem erweist sich die Entscheidung des LG als fehlerfrei, so daß die\nweitere Beschwerde als unbegrundet zuruckzuweisen war. \n--- \n| 32 \n--- \n| In der mit Anwaltsschriftsatz vom 08.11.2005 erfolgten Erklarung des\nBeteiligten Nr. 9, er schließe sich der weiteren Beschwerde der Beteiligten\nNr. 1 an, sieht der Senat kein eigenstandiges Rechtsmittel, uber das formlich\nzu entscheiden gewesen ware. Sie besagt vielmehr nur, daß das Rechtsmittel der\nBeteiligten Nr. 1 unterstutzt werde. Eine von ihm gegen die Entscheidung des\nLandgerichts eingelegte weitere Beschwerde ware im ubrigen in Hinblick auf §\n20 Abs. 2 FGG unzulassig gewesen, da der Beteiligte Nr. 9 nicht seinerseits zu\nStellung eines Antrags auf Erteilung eines die Beteiligte Nr. 1 als\nAlleinerbin ausweisenden Erbscheins berechtigt gewesen ware (vgl. Kahl, in:\nKeidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., Rdn. 51 zu § 20). Auch die Annahme einer\n„Anschlußbeschwerde" verbietet sich von vornherein, da eine solche sich gegen\nden Beschwerdefuhrer richten muß ( Sternal, a.a.O., Rdn. 10 zu § 22), was hier\nnicht der Fall ist. \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG. Nach dieser\nVorschrift, die zwingend ist (Zimmermann, in: Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O.,\nRdn. 30 zu § 13 a), sind einem Beteiligten die durch ein unbegrundetes\nRechtsmittel veranlaßten Kosten aufzuerlegen. Die Billigkeitsvorschrift des §\n13 a Abs. 1 S. 2 FGG kommt bei Zuruckweisung eines unbegrundeten Rechtsmittels\nnicht zur Anwendung. Hieraus ergibt sich zugleich die Richtigkeit der\nlandgerichtlichen Kostenentscheidung, gegen die sich die Beteiligte Nr. 1\nzuerst mit der - unzulassigen (§ 20 a Abs. 1 S. 1 FGG) und nicht\nweiterverfolgten - sofortigen Beschwerde und dann mit der - sich mangels\nBeschrankung zugleich auf den Kostenausspruch der angegriffenen Entscheidung\nerstreckenden (Zimmermann, a.a.O., Rdn. 3b zu § 20 a) - weiteren Beschwerde\ngewandt hat. - Die Kosten des Beteiligten Nr. 9 waren der Beteiligten Nr. 1\ndagegen nicht aufzuerlegen, weil die ihm entstandenen Kosten nicht durch die\nEinlegung der unbegrundeten weiteren Beschwerde, sondern durch sein\nTatigwerden aufgrund eigener Initiative veranlaßt worden sind. \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Festsetzung des Geschaftswertes fur di weitere Beschwerde beruht auf §\n30 KostO. \n---\n\n |
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142,411 | vg-stuttgart-2006-09-13-17-k-134905 | 160 | Verwaltungsgericht Stuttgart | vg-stuttgart | Stuttgart | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 17 K 1349/05 | 2006-09-13 | 2019-01-09 08:13:32 | 2019-01-17 12:02:34 | Urteil | ## Tenor\n\nDer Bescheid des Oberschulamts Stuttgart vom 25.10.2004 und der\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Stuttgart - Schule und Bildung -\nvom 14.03.2005 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klagerin\ndie beantragte Ausgleichszulage gemaß § 13 Abs. 2 BBesG zu gewahren.\n\nDer Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin ist Beamtin im Dienste des beklagten Landes. Sie wurde am\n14.04.2000 an die Kaufmannische Schule G. versetzt und gleichzeitig zur\nFachleiterin zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben, Abteilung\nWirtschaftsschule und Berufsfachschule fur Burotechnik, an der Kaufmannischen\nSchule G. bestellt. Am 26.09.2000 wurde sie zur Oberstudienratin, am\n24.04.2002 zur Studiendirektorin ernannt. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Schreiben vom 26.06.2004 stellte die Klagerin den Antrag, sie ab\n13.09.2004 von ihrer Funktion als Fachabteilungsleiterin zu entbinden und sie\nan das H.-Gymnasium G. zu versetzen. Zur Begrundung gab sie an, sie werde als\nTheologin und wegen ihrer Tatigkeit als Beratungslehrerin von Mitgliedern der\nSchulleitung gemobbt und an der pflichtgemaßen Ausubung ihrer Arbeit\nbehindert. Dasselbe gelte fur ihre Tatigkeit als Fachabteilungsleiterin fur\ndie Schularten Wirtschaftsschule, Berufsfachschule fur Buro und Handel und\nBVJ. Auch konne sie den außerordentlich autoritaren, teilweise demutigenden\nFuhrungsstil und die zahlreichen willkurlichen Entscheidungen der Schulleitung\nnicht mittragen oder gegenuber ihren Mitarbeitern/innen oder Schulern/innen\nvertreten. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Schreiben vom 13.07.2004 entband das Ministerium fur Kultus, Jugend und\nSport die Klagerin mit Wirkung vom 01.09.2004 von ihren Aufgaben als\nFachleiterin. Der Prasident des Oberschulamts Stuttgart ernannte sie mit\nWirkung vom 01.09.2004 zur Oberstudienratin. Mit Verfugung des Oberschulamts\nStuttgart vom 08.09.2004 wurde die Klagerin mit Wirkung vom 13.09.2004 an das\nH.-Gymnasium G. versetzt. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Schreiben vom 26.07.2004 beantragte die Klagerin eine Ausgleichszulage\ngemaß § 13 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BBesG, da sich aufgrund ihres Antrags vom\n26.06.2004 ihre Dienstbezuge verringern wurden. Das Oberschulamt Stuttgart\nlehnte den Antrag mit Bescheid vom 25.10.2004 ab. Zur Begrundung fuhrte es\naus: Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BBesG lagen ersichtlich\nnicht vor. Auch die Vorschrift des § 13 Abs. 2 S. 1 BBesG sei nicht\neinschlagig, denn es lagen keine „anderen dienstlichen Grunde" fur die\nRuckernennung der Klagerin vor. Diese sei vielmehr auf ihren im privaten\nInteresse gestellten Antrag erfolgt. Dass moglicherweise dienstliche Grunde\ndie Klagerin dazu motiviert hatten, einen solchen Antrag zu stellen, sei fur\neine Anwendung dieser Vorschriften nicht ausreichend. Dienstliche Grunde\nschieden aus, wenn jedenfalls uberwiegend personliche Grunde das Ausscheiden\naus der fruheren Verwendung bestimmt hatten und einem Beamten bzw. einer\nBeamtin eine neue Verwendung aus diesen Grunden ubertragen werde. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klagerin wies das\nRegierungsprasidium Stuttgart - Schule und Bildung - mit Widerspruchsbescheid\nvom 14.03.2005 zuruck. Zur Begrundung fuhrte es im Wesentlichen aus:\nDienstliche Grunde fur die Ruckernennung und Versetzung der Klagerin hatten\nnicht vorgelegen. Zwar habe zwischen der Klagerin und anderen Angehorigen der\nSchulleitung der Kaufmannischen Schule G. ersichtlich ein Zerwurfnis\nbestanden. Es lagen jedoch keine Anhaltspunkte dafur vor, dass eine weitere\nZusammenarbeit objektiv unmoglich gewesen sei und eine Versetzung die einzige\nLosung zur Behebung des Spannungsverhaltnisses gewesen sei. Soweit die\nKlagerin dem Schulleiter und anderen Angehorigen der Schulleitung gravierende\nPflichtverletzungen vorgeworfen habe, habe sie diese Vorwurfe nicht durch\nBeweisangebote erharten konnen. Soweit sie in ihrer Widerspruchsbegrundung\nteilweise neue Sachverhalte vortrage, seien diese offensichtlich nicht\nursachlich fur die Ruckernennungs- und Versetzungsentscheidung gewesen. Eine\nVersetzung in ein gleichwertiges Amt setze entsprechende freie und geeignete\nStellen voraus und sei nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt moglich. Der\nvorlaufige weitere Verbleib an der Kaufmannischen Schule G. sei fur die\nKlagerin jedoch wohl - insbesondere im Hinblick auf ihre gesundheitliche\nSituation - keine Losung gewesen. Ihre daraufhin getroffene Entscheidung,\neinen Antrag auf Ruckernennung und Versetzung zum 13.09.2004 zu stellen, habe\nsomit zwar im dienstlichen Bereich gewurzelt, sei aber letztlich uberwiegend\nvon personlichen (z. B. gesundheitlichen) Grunden motiviert gewesen. Umstande,\ndie aus Fursorgegrunden eine Ruckernennung und Versetzung erforderlich gemacht\nhatten, hatten nicht vorgelegen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Widerspruchsbescheid wurde der Klagerin am 24.03.2005 zugestellt. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Am 21.04.2005 hat die Klagerin Klage erhoben. Zur Begrundung fuhrt sie\ninsbesondere aus: Grund der Versetzung sei das fortgesetzte und immer massiver\nwerdende Mobbing des Schulleiters der kaufmannischen Schule, teilweise unter\nMitwirkung des stellvertretenden Schulleiters und einer Fachabteilungsleiterin\ngewesen. Sie habe wegen der bestehenden Situation am 24.02.2004 im\nOberschulamt Stuttgart, bei Abteilungsdirektor Dr. K., vorgesprochen und\ndiesem ihre unertraglich gewordene Situation am Arbeitsplatz erklart und um\nVersetzung gebeten. Sie habe außerordentlich flexible Angebote hinsichtlich\ndes Dienstortes und der Tatigkeit fur eine Funktionsstelle gemacht. Sie habe\nsich bereit erklart, falls es schwierig wurde, bis zum Fruhjahr 2004/2005 eine\nangemessene Stelle fur sie zu finden, auch eine andere Art von Funktionsstelle\neinzunehmen, wie zum Beispiel eine Stelle als Fachberaterin fur das Fach\nDeutsch oder das Fach evangelische Religion. Es sei jedoch bis Juni 2004 kein\nAngebot gemacht worden. Mitte Juni 2004 sei die Klagerin auf Anfrage\ninformiert worden, dass es eine entsprechende Funktionsstelle nicht gebe.\nTatsache sei allerdings gewesen, dass zu diesem Zeitpunkt mindestens eine\nStelle als Fachberater fur evangelische Religion ausgeschrieben gewesen sei.\nAuf diese Stelle sei die Klagerin weder hingewiesen, noch sei sie ihr\nangeboten worden. Die Klagerin habe infolge des Verhaltens des Schulleiters\nund der anderen von ihr genannten Personen keine Moglichkeit gesehen, weiter\nin diesem Umfeld ihren Dienst zu tun. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Des Weiteren enthalt die Klagebegrundung eine ausfuhrliche Darstellung der\n„Konfliktentstehung, Konfliktentwicklung und Konflikteskalation" an der\nKaufmannischen Schule G.. Abschließend fuhrt die Klagerin aus: Als Ergebnis\nihrer Ausfuhrungen stehe fest, dass sie Anspruch auf eine Ausgleichszulage\nnach § 13 Abs. 1 und Abs. 2 BBesG habe. Eine weitere Zusammenarbeit sei ihr\nobjektiv unmoglich gewesen und die Versetzung die einzige Moglichkeit zur\nBehebung der Mobbingsituation gewesen. Auch ware eine Versetzung in ein\ngleichwertiges Amt moglich gewesen. Der Antrag auf Versetzung habe\nausschließlich im dienstlichen Bereich gewurzelt. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Klagerin hat zuletzt beantragt, \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| unter Aufhebung des Bescheids des Oberschulamts Stuttgart vom 25.10.2004 in\nder Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungsprasidiums Stuttgart vom\n14.03.2005 den Beklagten zu verpflichten, der Klagerin die beantragte\nAusgleichszulage gemaß § 13 Abs. 1 und 2 BBesG zu gewahren. \n--- \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Zur Begrundung fuhrt er im Wesentlichen aus: Ein „Mobbing" gegen die\nKlagerin durch den Schulleiter der Kaufmannischen Schule G. oder andere\nMitglieder der Schulleitung werde bestritten. Tatsachlich habe die Klagerin\nwohl eine uberhohte Vorstellung von ihren eigenen Fahigkeiten und damit\nverbunden Schwierigkeiten, mit Kritik umzugehen. Die Schwierigkeiten im\ndienstlichen Bereich hatten ihre Ursache auch im Verhalten der Klagerin selbst\ngehabt. Der großte Teil der in der Klagebegrundung geschilderten - angeblichen\n- Vorfalle sei zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht bekannt gewesen\nund habe schon deshalb den dienstlichen Charakter der Entscheidung nicht\npragen konnen. Soweit die Schilderung bestimmter Vorfalle zum\nEntscheidungszeitpunkt bekannt gewesen sei, hatten sich die Vorwurfe\nseinerzeit nicht erharten lassen. Zwar konnten sich grundsatzlich aus der\ngesundheitlichen Situation eines Beamten dienstliche Grunde fur eine\nVersetzung ergeben. Im vorliegenden Fall sei dies jedoch aus den im\nWiderspruchsbescheid dargestellten Grunden nicht gegeben gewesen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Dem Gericht haben die Personalakten der Klagerin (2 Bande) sowie drei\nAktenvermerke des Oberschulamts Stuttgart vorgelegen. Wegen weiterer\nEinzelheiten wird hierauf Bezug genommen. Wegen des Vorbringens der\nBeteiligten wird im Übrigen auf die im Verfahren gewechselten Schriftsatze\nnebst Anlagen Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. Der Klagerin steht die von ihr\nbeantragte Ausgleichszulage gemaß § 13 Abs. 2 BBesG ab 01.09.2004 (Wirksamkeit\nder Ruckernennung) zu. Der entgegenstehende Bescheid des Oberschulamts\nStuttgart vom 25.10.2004 und der Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums\nStuttgart vom 14.03.2005 sind rechtswidrig und verletzen die Klagerin in ihren\nRechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Rechtsgrundlage fur den von der Klagerin geltend gemachten Anspruch ist §\n13 Abs. 2 Satz 1 BBesG. Danach erhalt der Beamte bzw. die Beamtin eine\nAusgleichszulage entsprechend § 13 Abs. 1 S. 2 bis 4 BBesG, wenn sich seine\nDienstbezuge aus anderen dienstlichen Grunden (d. h. aus anderen als den in §\n13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 BBesG aufgefuhrten Grunden) verringern. Infolge\nder mit einer Ruckernennung verbundenen Versetzung der Klagerin an das\nH.-Gymnasium G. haben sich die Dienstbezuge der Klagerin unstreitig\nverringert. Die Verringerung ist auch „aus anderen dienstlichen Grunden"\neingetreten. Bezugeverringerungen aus anderen dienstlichen Grunden sind solche\naußerhalb der abschließend aufgezahlten Grunde des § 13 Abs. 1 BBesG.\nUrsachlich fur die Bezugeverringerungen sind verwendungsandernde, auch\nstatusandernde Akte oder sonstige Verwaltungsmaßnahmen, die zu einer\nVerminderung der Bezuge fuhren (vgl. Schwegmann/Summer,\nBundesbesoldungsgesetz, Stand September 2002, § 13 BBesG RdNr. 13 Buchstabe\na). Zu derartigen Maßnahmen gehort auch die mit einer Ruckernennung verbundene\nVersetzung der Klagerin. Der Anspruch auf eine Ausgleichszulage nach § 13 Abs.\n2 BBesG entsteht nur, wenn fur die der Bezugeverminderung zugrunde liegende\nMaßnahme dienstliche Grunde bestehen. „Dienstliche Grunde" werden in diesem\nZusammenhang mit „dienstliche Veranlassung, dienstliches Interesse"\numschrieben (vgl. Schwegmann/Summer a.a.O. Buchstabe b). Eindeutig liegen\n„dienstliche Grunde" nicht vor, wenn fur die Ruckernennung oder das\nAusscheiden aus der funktionalen Verwendung ausschließlich oder weit\nuberwiegend personliche Grunde maßgebend sind, z. B. Wohnortwechsel aus\npersonlichen Grunden wegen Heirat oder Antritt einer Erbschaft oder um am\nneuen Wohnort besser einer Betreuungspflicht nachkommen zu konnen (vgl.\nSchwegmann/Summer a.a.O.). Ausschließlich oder weit uberwiegend in der\npersonlichen Sphare der Klagerin wurzelnde Grunde fur ihre Versetzung\n(verbunden mit einer Ruckernennung) lagen ersichtlich nicht vor. Auch der\nBeklagte geht in den angefochtenen Bescheiden davon aus, dass der auf Antrag\nder Klagerin erfolgten Versetzung „ersichtlich" ein Zerwurfnis zwischen der\nKlagerin und „anderen Angehorigen der Schulleitung der kaufmannischen Schule\nG." zugrundelagen. Der Beklagte ist allerdings der Auffassung, „dienstliche\nGrunde" im Sinne des § 13 Abs. 2 S. 1 BBesG hatten deswegen nicht vorgelegen,\nweil die Klagerin selbst ihre Versetzung aus uberwiegend personlichen,\ninsbesondere auch gesundheitlichen Grunden betrieben habe. Es reiche nicht\naus, dass die Klagerin moglicherweise von dienstlichen Grunden motiviert\ngewesen sei, den Versetzungsantrag zu stellen. Nach der Begrundung des\nWiderspruchsbescheids vom 14.03.2005 werden „dienstliche Grunde" ersichtlich\nauch deswegen verneint, weil trotz des bestehenden Zerwurfnisses zwischen der\nKlagerin und anderen Angehorigen der Schulleitung keine Anhaltspunkte dafur\nvorgelegen hatten, dass eine weitere Zusammenarbeit objektiv unmoglich gewesen\nsei und eine Versetzung die einzige Losung zur Behebung des\nSpannungsverhaltnisses gewesen sei. Die von der Klagerin behaupteten\ngravierenden Pflichtverletzungen des Schulleiters und anderer Angehoriger der\nSchulleitung hatten nicht nachgewiesen werden konnen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Beklagte vertritt hiermit jedoch eine zu enge Auslegung des in § 13\nAbs. 2 S. 1 BBesG verwendeten Begriffs der dienstlichen Grunde. Ob die vom\nBeklagten vertretene Auffassung etwa fur eine Versetzung nach § 36 Abs. 2 LBG\nzutreffend ware, kann dahingestellt bleiben. Denn soweit der Begriff\n„dienstliche Grunde" in verschiedenen Rechtsvorschriften verwandt wird, muss\ner keineswegs gleich ausgelegt werden; vielmehr ist eine kontextabhangige\nAuslegung geboten. Auf „dienstlichen Grunden" beruht danach die zur\nBezugeverringerung fuhrende Maßnahme im Sinne des § 13 Abs. 2 BBesG dann, wenn\nhierzu eine dienstliche Veranlassung bzw. ein dienstliches Interesse besteht.\nEs kann sich hierbei um Grunde handeln, die außerhalb bzw. unterhalb der\nTatbestande des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 BBesG liegen, aber mit diesen\nTatbestanden vergleichbar sind. Insbesondere kann es sein, dass der Beamte\nbzw. die Beamtin unter Umstanden aus Fursorgegrunden wegen ihres\nGesundheitszustandes - unterhalb der Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 S. 1 Nr.\n2 oder 3 BBesG - von einer Tatigkeit entbunden werden muss. In diesem Fall\nsind die dienstlichen Grunde auch dann zu bejahen, wenn der Beamte seine\nEntbindung von einer bisherigen Funktion oder seiner Ruckernennung selbst\nbeantragt hat (vgl. Schwegmann/Summer, a.a.O.). Entsprechendes muss auch fur\nden Fall gelten, dass - ohne grobes Verschulden des betroffenen Beamten - eine\nSituation eingetreten ist, in der ein dienstliches Bedurfnis fur eine\nVersetzung des Beamten besteht, insbesondere wenn dauernde innerdienstliche\nSpannungen bestehen, die den Dienstbetrieb beeintrachtigen oder gefahrden (zum\nVersetzungsbedurfnis in derartigen Fallen vgl. Plog/Wiedow/Lemhofer/Bayer,\nBundesbeamtengesetz, Stand: Februar 2003, § 26 BBG RdNr. 30 f.). Auch in einem\nsolchen Falle konnen dienstliche Grunde nicht schon deshalb verneint werden,\nweil die Maßnahme - hier: die Versetzung verbunden mit einer Ruckernennung -\nzugleich einem Wunsch des Beamten entspricht. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Versetzung der Klagerin in der\ndamals gegebenen Situation bereits wegen ihres Gesundheitszustandes aus\nFursorgegrunden geboten war bzw. in Betracht kam; hierzu haben das\nOberschulamt Stuttgart bzw. das Regierungsprasidium Stuttgart nach Aktenlage\nkeine ausreichenden Feststellungen getroffen. Jedenfalls war aber infolge der\nunstreitig andauernden innerdienstlichen Spannungen an der Kaufmannischen\nSchule G. nach Überzeugung der Kammer eine Situation gegeben, in der ein\ndienstliches Bedurfnis fur eine Versetzung der Klagerin vorlag. Nach standiger\nRechtsprechung kann ein solches dienstliches Bedurfnis insbesondere durch\ndauernde innerdienstliche Spannungen begrundet werden, die den Dienstbetrieb\nbeeintrachtigen oder gefahrden. Es kann dann erforderlich sein, die\nStreitbeteiligten durch Versetzung des Einen oder Anderen zu trennen (vgl.\nPlog/Wiedow/Lemhofer/Bayer, a.a.O.). Ohne dass die damals an der\nKaufmannischen Schule G. bestehende Spannungssituation zwischen der Klagerin\neinerseits, dem Schulleiter und anderen Mitgliedern der Schulleitung\nandererseits naher aufgeklart werden musste, bestanden unstreitig zwischen der\nKlagerin und den anderen Angehorigen der Schulleitung der Kaufmannischen\nSchule G. erhebliche und dauerhafte innerdienstliche Spannungen. Dies wird\nnicht nur durch das diesbezugliche Klagevorbringen dokumentiert, sondern vor\nallem auch durch die vorliegenden Aktenvermerke des Oberschulamts Stuttgart\nvom 24.02.2004, vom 08.03.2004 und vom 15.03.2004. Daraus geht auch hervor,\ndass die innerdienstlichen Spannungen sich uber langere Zeit hinweg aufgebaut\nhaben und ersichtlich auch nicht durch Gesprache des Oberschulamts mit den\nBeteiligten zu beseitigen waren. Die innerdienstlichen Spannungen hatten auch\nbereits den Dienstbetrieb beeintrachtigt bzw. drohten ihn zu beeintrachtigen.\nDies wird etwa durch die nicht unerheblichen Krankheitszeiten der Klagerin und\ndie hierfur arztlicherseits gegebenen Begrundungen in jenem Zeitraum belegt.\nAuf wessen Verschulden die bestehenden innerdienstlichen Spannungen\nzuruckzufuhren sind, ist fur die Bejahung des dienstlichen Bedurfnisses fur\neine Versetzung grundsatzlich nicht erheblich, diese Frage ist erst im Rahmen\nder Ermessensausubung von Bedeutung. Soweit im Rahmen des § 13 Abs. 2 BBesG\ndienstliche Grunde, d. h. eine dienstliche Veranlassung, im Falle des\nschuldhaften Herbeifuhrens des Grundes verneint werden (vgl.\nSchwegmann/Summer, a.a.O.), ist nach den im Verwaltungsverfahren getroffenen\nFeststellungen ein uberwiegendes Verschulden der Klagerin nicht festzustellen;\ninsbesondere lasst sich nicht feststellen, dass die Klagerin die bestehenden\nandauernden innerdienstlichen Spannungen an der Kaufmannischen Schule G.\nvorsatzlich oder grob fahrlassig herbeigefuhrt hat. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Zulassung der Berufung durch das\nVerwaltungsgericht gemaß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4\nVwGO liegen nicht vor. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. Der Klagerin steht die von ihr\nbeantragte Ausgleichszulage gemaß § 13 Abs. 2 BBesG ab 01.09.2004 (Wirksamkeit\nder Ruckernennung) zu. Der entgegenstehende Bescheid des Oberschulamts\nStuttgart vom 25.10.2004 und der Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums\nStuttgart vom 14.03.2005 sind rechtswidrig und verletzen die Klagerin in ihren\nRechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Rechtsgrundlage fur den von der Klagerin geltend gemachten Anspruch ist §\n13 Abs. 2 Satz 1 BBesG. Danach erhalt der Beamte bzw. die Beamtin eine\nAusgleichszulage entsprechend § 13 Abs. 1 S. 2 bis 4 BBesG, wenn sich seine\nDienstbezuge aus anderen dienstlichen Grunden (d. h. aus anderen als den in §\n13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 BBesG aufgefuhrten Grunden) verringern. Infolge\nder mit einer Ruckernennung verbundenen Versetzung der Klagerin an das\nH.-Gymnasium G. haben sich die Dienstbezuge der Klagerin unstreitig\nverringert. Die Verringerung ist auch „aus anderen dienstlichen Grunden"\neingetreten. Bezugeverringerungen aus anderen dienstlichen Grunden sind solche\naußerhalb der abschließend aufgezahlten Grunde des § 13 Abs. 1 BBesG.\nUrsachlich fur die Bezugeverringerungen sind verwendungsandernde, auch\nstatusandernde Akte oder sonstige Verwaltungsmaßnahmen, die zu einer\nVerminderung der Bezuge fuhren (vgl. Schwegmann/Summer,\nBundesbesoldungsgesetz, Stand September 2002, § 13 BBesG RdNr. 13 Buchstabe\na). Zu derartigen Maßnahmen gehort auch die mit einer Ruckernennung verbundene\nVersetzung der Klagerin. Der Anspruch auf eine Ausgleichszulage nach § 13 Abs.\n2 BBesG entsteht nur, wenn fur die der Bezugeverminderung zugrunde liegende\nMaßnahme dienstliche Grunde bestehen. „Dienstliche Grunde" werden in diesem\nZusammenhang mit „dienstliche Veranlassung, dienstliches Interesse"\numschrieben (vgl. Schwegmann/Summer a.a.O. Buchstabe b). Eindeutig liegen\n„dienstliche Grunde" nicht vor, wenn fur die Ruckernennung oder das\nAusscheiden aus der funktionalen Verwendung ausschließlich oder weit\nuberwiegend personliche Grunde maßgebend sind, z. B. Wohnortwechsel aus\npersonlichen Grunden wegen Heirat oder Antritt einer Erbschaft oder um am\nneuen Wohnort besser einer Betreuungspflicht nachkommen zu konnen (vgl.\nSchwegmann/Summer a.a.O.). Ausschließlich oder weit uberwiegend in der\npersonlichen Sphare der Klagerin wurzelnde Grunde fur ihre Versetzung\n(verbunden mit einer Ruckernennung) lagen ersichtlich nicht vor. Auch der\nBeklagte geht in den angefochtenen Bescheiden davon aus, dass der auf Antrag\nder Klagerin erfolgten Versetzung „ersichtlich" ein Zerwurfnis zwischen der\nKlagerin und „anderen Angehorigen der Schulleitung der kaufmannischen Schule\nG." zugrundelagen. Der Beklagte ist allerdings der Auffassung, „dienstliche\nGrunde" im Sinne des § 13 Abs. 2 S. 1 BBesG hatten deswegen nicht vorgelegen,\nweil die Klagerin selbst ihre Versetzung aus uberwiegend personlichen,\ninsbesondere auch gesundheitlichen Grunden betrieben habe. Es reiche nicht\naus, dass die Klagerin moglicherweise von dienstlichen Grunden motiviert\ngewesen sei, den Versetzungsantrag zu stellen. Nach der Begrundung des\nWiderspruchsbescheids vom 14.03.2005 werden „dienstliche Grunde" ersichtlich\nauch deswegen verneint, weil trotz des bestehenden Zerwurfnisses zwischen der\nKlagerin und anderen Angehorigen der Schulleitung keine Anhaltspunkte dafur\nvorgelegen hatten, dass eine weitere Zusammenarbeit objektiv unmoglich gewesen\nsei und eine Versetzung die einzige Losung zur Behebung des\nSpannungsverhaltnisses gewesen sei. Die von der Klagerin behaupteten\ngravierenden Pflichtverletzungen des Schulleiters und anderer Angehoriger der\nSchulleitung hatten nicht nachgewiesen werden konnen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Beklagte vertritt hiermit jedoch eine zu enge Auslegung des in § 13\nAbs. 2 S. 1 BBesG verwendeten Begriffs der dienstlichen Grunde. Ob die vom\nBeklagten vertretene Auffassung etwa fur eine Versetzung nach § 36 Abs. 2 LBG\nzutreffend ware, kann dahingestellt bleiben. Denn soweit der Begriff\n„dienstliche Grunde" in verschiedenen Rechtsvorschriften verwandt wird, muss\ner keineswegs gleich ausgelegt werden; vielmehr ist eine kontextabhangige\nAuslegung geboten. Auf „dienstlichen Grunden" beruht danach die zur\nBezugeverringerung fuhrende Maßnahme im Sinne des § 13 Abs. 2 BBesG dann, wenn\nhierzu eine dienstliche Veranlassung bzw. ein dienstliches Interesse besteht.\nEs kann sich hierbei um Grunde handeln, die außerhalb bzw. unterhalb der\nTatbestande des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 BBesG liegen, aber mit diesen\nTatbestanden vergleichbar sind. Insbesondere kann es sein, dass der Beamte\nbzw. die Beamtin unter Umstanden aus Fursorgegrunden wegen ihres\nGesundheitszustandes - unterhalb der Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 S. 1 Nr.\n2 oder 3 BBesG - von einer Tatigkeit entbunden werden muss. In diesem Fall\nsind die dienstlichen Grunde auch dann zu bejahen, wenn der Beamte seine\nEntbindung von einer bisherigen Funktion oder seiner Ruckernennung selbst\nbeantragt hat (vgl. Schwegmann/Summer, a.a.O.). Entsprechendes muss auch fur\nden Fall gelten, dass - ohne grobes Verschulden des betroffenen Beamten - eine\nSituation eingetreten ist, in der ein dienstliches Bedurfnis fur eine\nVersetzung des Beamten besteht, insbesondere wenn dauernde innerdienstliche\nSpannungen bestehen, die den Dienstbetrieb beeintrachtigen oder gefahrden (zum\nVersetzungsbedurfnis in derartigen Fallen vgl. Plog/Wiedow/Lemhofer/Bayer,\nBundesbeamtengesetz, Stand: Februar 2003, § 26 BBG RdNr. 30 f.). Auch in einem\nsolchen Falle konnen dienstliche Grunde nicht schon deshalb verneint werden,\nweil die Maßnahme - hier: die Versetzung verbunden mit einer Ruckernennung -\nzugleich einem Wunsch des Beamten entspricht. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Versetzung der Klagerin in der\ndamals gegebenen Situation bereits wegen ihres Gesundheitszustandes aus\nFursorgegrunden geboten war bzw. in Betracht kam; hierzu haben das\nOberschulamt Stuttgart bzw. das Regierungsprasidium Stuttgart nach Aktenlage\nkeine ausreichenden Feststellungen getroffen. Jedenfalls war aber infolge der\nunstreitig andauernden innerdienstlichen Spannungen an der Kaufmannischen\nSchule G. nach Überzeugung der Kammer eine Situation gegeben, in der ein\ndienstliches Bedurfnis fur eine Versetzung der Klagerin vorlag. Nach standiger\nRechtsprechung kann ein solches dienstliches Bedurfnis insbesondere durch\ndauernde innerdienstliche Spannungen begrundet werden, die den Dienstbetrieb\nbeeintrachtigen oder gefahrden. Es kann dann erforderlich sein, die\nStreitbeteiligten durch Versetzung des Einen oder Anderen zu trennen (vgl.\nPlog/Wiedow/Lemhofer/Bayer, a.a.O.). Ohne dass die damals an der\nKaufmannischen Schule G. bestehende Spannungssituation zwischen der Klagerin\neinerseits, dem Schulleiter und anderen Mitgliedern der Schulleitung\nandererseits naher aufgeklart werden musste, bestanden unstreitig zwischen der\nKlagerin und den anderen Angehorigen der Schulleitung der Kaufmannischen\nSchule G. erhebliche und dauerhafte innerdienstliche Spannungen. Dies wird\nnicht nur durch das diesbezugliche Klagevorbringen dokumentiert, sondern vor\nallem auch durch die vorliegenden Aktenvermerke des Oberschulamts Stuttgart\nvom 24.02.2004, vom 08.03.2004 und vom 15.03.2004. Daraus geht auch hervor,\ndass die innerdienstlichen Spannungen sich uber langere Zeit hinweg aufgebaut\nhaben und ersichtlich auch nicht durch Gesprache des Oberschulamts mit den\nBeteiligten zu beseitigen waren. Die innerdienstlichen Spannungen hatten auch\nbereits den Dienstbetrieb beeintrachtigt bzw. drohten ihn zu beeintrachtigen.\nDies wird etwa durch die nicht unerheblichen Krankheitszeiten der Klagerin und\ndie hierfur arztlicherseits gegebenen Begrundungen in jenem Zeitraum belegt.\nAuf wessen Verschulden die bestehenden innerdienstlichen Spannungen\nzuruckzufuhren sind, ist fur die Bejahung des dienstlichen Bedurfnisses fur\neine Versetzung grundsatzlich nicht erheblich, diese Frage ist erst im Rahmen\nder Ermessensausubung von Bedeutung. Soweit im Rahmen des § 13 Abs. 2 BBesG\ndienstliche Grunde, d. h. eine dienstliche Veranlassung, im Falle des\nschuldhaften Herbeifuhrens des Grundes verneint werden (vgl.\nSchwegmann/Summer, a.a.O.), ist nach den im Verwaltungsverfahren getroffenen\nFeststellungen ein uberwiegendes Verschulden der Klagerin nicht festzustellen;\ninsbesondere lasst sich nicht feststellen, dass die Klagerin die bestehenden\nandauernden innerdienstlichen Spannungen an der Kaufmannischen Schule G.\nvorsatzlich oder grob fahrlassig herbeigefuhrt hat. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Zulassung der Berufung durch das\nVerwaltungsgericht gemaß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4\nVwGO liegen nicht vor. \n---\n\n |
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142,453 | lsgbw-2006-09-21-l-7-ay-494005 | 128 | Landessozialgericht Baden-Württemberg | lsgbw | Baden-Württemberg | Sozialgerichtsbarkeit | L 7 AY 4940/05 | 2006-09-21 | 2019-01-09 08:13:57 | 2019-01-17 12:02:36 | Urteil | ## Tenor\n\nDer Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Oktober 2005 sowie\nder Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember und dessen Widerspruchsbescheid vom\n7. Februar 2005 werden aufgehoben.\n\nDer Beklagte wird verurteilt, den Klagern uber den 15. Dezember 2004 hinaus\nTaschengeld in gesetzlicher Hohe nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG zu gewahren.\n\nDer Beklagte hat den Klagern ihre außergerichtlichen Kosten in beiden\nRechtszugen zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| In diesem Verfahren geht es um die Hohe von Leistungen nach dem\nAsylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Die Klager wenden sich gegen die\nEinstellung von Taschengeldzahlungen und begehren deren Weiterleistung. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der 1984 geborene Klager stammt nach seinen Angaben aus Aserbaidschan. Er\nreiste im September 2001 ins Bundesgebiet ein und stellte hier Asylantrag.\nDieser wurde durch Bescheid des Bundesamtes fur die Anerkennung auslandischer\nFluchtlinge vom 15. Mai 2003 als offensichtlich unbegrundet abgelehnt. In\ndiesem Bescheid wird der Klager nach der Verneinung von\nAbschiebungshindernissen aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland zu\nverlassen und ihm gleichzeitig fur den Fall der nicht fristgemaßen Ausreise\ndie Abschiebung nach Aserbaidschan angedroht. Die hiergegen erhobene Klage hat\ndas Verwaltungsgericht K. durch Urteil vom 30. Oktober 2003 - Az - abgewiesen.\nDieses Urteil ist nach Ablehnung des Berufungszulassungsantrages durch\nBeschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttemberg vom 21. Januar 2004 -\nAz - rechtskraftig. Seit dem 26. August 2003 ist der Klager im Besitz von\nzeitlich befristeten, immer wieder verlangerten auslanderrechtlichen\nDuldungen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Klagerin ist 2004 als nichteheliches Kind des Klagers mit einer\nrussischen Staatsangehorigen in Deutschland geboren worden. Der Klager hat die\nVaterschaft durch Erklarung gegenuber dem Standesamt S. anerkannt. Nach\nentsprechender Erklarung der Mutter erhielt das Kind mit Wirkung vom 10.\nAugust 2004 den Familiennamen des Klagers. Am 14. Juni 2006 haben der Klager\nund die Mutter der Klagerin gegenuber dem Jugendamt des Beklagten eine\nErklarung uber die gemeinsame elterliche Sorge fur die Klagerin abgegeben (§\n1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB). Diese Erklarung kann nur durch Entscheidung des\nFamiliengerichts wieder aufgehoben werden. \n--- \n| 4 \n--- \n| Fur die Klagerin wurde ebenfalls ein Asylverfahren durchgefuhrt, in welchem\ndas nunmehr zum Bundesamt fur Migration und Fluchtlinge umbenannte Bundesamt\nvon einer Staatsangehorigkeit der Russischen Foderation ausging. Mit Bescheid\nvom 18. Mai 2005 wurde der Asylantrag abgelehnt und der Klagerin die\nAbschiebung in die Russische Foderation fur den Fall der nicht freiwilligen\nAusreise angedroht. Dieser Bescheid wurde mangels Einlegung eines\nRechtsbehelfs nach zwei Wochen bestandskraftig. Auch die Klagerin ist im\nBesitz einer auslanderrechtlichen Duldung, die auf dem Duldungspapier der\nleiblichen Mutter eingetragen wurde. \n--- \n| 5 \n--- \n| Seit dem Abschluss der Asylverfahren erhielten die Klager vom Beklagten\nLeistungen nach § 3 Abs. 1 AsylbLG in Form von Sachleistungen fur den\nlaufenden Lebensunterhalt und eines Taschengeldes, das nach dessen Satz 4 fur\nden Klager 80,00 DM (= 40,90 EUR) und fur die Klagerin 40,00 DM (= 20,45 EUR)\nbetragt. \n--- \n| 6 \n--- \n| Das fur die Durchfuhrung der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber\nzustandige Regierungsprasidium K. (RP) forderte den Klager erstmals mit\nBescheid vom 21. August 2003 auf, entweder gultige Reisedokumente\n(Pass/Passersatz) vorzulegen oder innerhalb einer gesetzten Frist personlich\nbei der Botschaft vorzusprechen und dort einen Pass/Passersatz zu beantragen.\nAls maßgebliche Botschaft wird die der Republik Armenien bezeichnet. Dem\nBescheid war ein entsprechendes Formular fur eine Bescheinigung dieser\nBotschaft beigefugt. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit einem weiteren Bescheid vom 11. September 2003 wurde der Klager nunmehr\naufgefordert, fur den Fall der Nichtvorlage von Reisedokumenten personlich bei\nder Botschaft der Republik Aserbaidschan vorzusprechen. Diesem Bescheid war\nwie dem ersten eine von der Botschaft auszufullende Bescheinigung der Republik\nArmenien beigefugt. Mit einem dritten Bescheid vom 11. Oktober 2003 forderte\ndas Regierungsprasidium K. den Klager nunmehr unter Fristsetzung bis zum 30.\nNovember 2003 zur Vorlage gultiger Reisedokumente auf und fur den Fall der\nNichtvorlage zur personlichen Vorsprache bei der Botschaft der\naserbaidschanischen Republik. Diesem Bescheid war ein von dieser Botschaft\nauszufullendes Formular beigefugt. \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit einem Schreiben vom 3. November 2004 horte der Beklagte den Klager zur\nbeabsichtigten Einschrankung der Leistungen auf das unabweisbar Notwendige an,\nweil er bei der Passbeschaffung nicht mitgewirkt habe. Es sei beabsichtigt,\nihm und seiner Tochter N. ab dem 15. November 2004 kein Taschengeld mehr\nauszubezahlen. Am 10. November 2004 sprach der Klager beim Beklagten vor und\nerklarte, er sei am 29. September 2003 bei der Botschaft gewesen. Er habe dort\ndie vorbereitete Bescheinigung vorgelegt. Diese sei nicht ausgefullt worden,\nweil im Kopf der Bescheinigung Aserbaidschan und weiter unten aber Armenien\ngestanden sei. Man habe ihm gesagt, er solle mit einer richtigen Bescheinigung\nnochmals kommen. Dies habe er anschließend auf der Auslanderbehorde bekannt\ngegeben. Er habe dort etwas ausfullen mussen und habe dies auch getan. Weitere\nAufforderungen, bei der Botschaft vorzusprechen, habe er nicht bekommen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Bescheid vom 8. Dezember 2004 stellte der Beklagte die dem Klager und\nder Klagerin gewahrten Taschengeldzahlungen ab 15. Dezember 2004 ein und\nordnete die sofortige Vollziehung dieses Bescheides an. Die Reduzierung der\nLeistung beruhe auf § 1a AsylbLG. Der Klager sei der spateren Aufforderung vom\n11. Oktober 2003 nicht nachgekommen, weshalb die Voraussetzungen des § 1a\nAsylbLG vorlagen. Hiergegen erhob der Klager uber seinen Bevollmachtigten am\n10. Januar 2005, einem Montag, Widerspruch und machte geltend, er habe alles\nin seiner Macht stehende getan, um seinen gesetzlichen Mitwirkungspflichten\nnachzukommen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Beklagte wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7.\nFebruar 2005 zuruck. Zur Begrundung heißt es, wegen der fehlerhaften Angabe\ndes Staates Armenien in der ersten Aufforderung vom 30. September 2003 habe\ndie aserbaidschanische Botschaft jegliche Bestatigung verweigert. Der Klager\nsei jedoch bereits am 11. Oktober 2003 erneut aufgefordert worden, gultige\nReisedokumente vorzulegen. dieser Verfugung sei eine korrekte Bescheinigung\nbeigefugt gewesen, welche hatte bearbeitet werden konnen. Der Klager sei\ndieser Aufforderung nicht nachgekommen, sodass er es aufgrund seiner fehlenden\nMitwirkung zu vertreten habe, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht\nvollzogen werden konnten. Er habe nicht dargetan, was er konkret unternommen\nhabe, um der Aufforderung der Auslanderbehorde nachzukommen. Die Klagerin\nmusse sich das Verhalten ihres Vaters zurechnen lassen; minderjahrigen Kindern\nsei das in Ausubung des Personensorgerechts vorgenommene Verhalten der Eltern\nzuzurechnen. Dieser Widerspruchsbescheid wurde am 9. Februar 2005 zugestellt. \n--- \n| 11 \n--- \n| Hiergegen haben die Klager am 9. Marz 2005 beim Verwaltungsgericht K. -\nentsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides - Klage erhoben, welche\ndieses mit Beschluss vom 2. Mai 2005 an das zustandige Sozialgericht Mannheim\n(SG) verwiesen hat. \n--- \n| 12 \n--- \n| Nach vorheriger Anhorung der Beteiligten hat das SG die Klage mit\nGerichtsbescheid vom 13. Oktober 2005 abgewiesen. In der Begrundung der\nEntscheidung wird im Wesentlichen darauf abgehoben, dass nicht ersichtlich\nsei, in welcher Weise der Klager außer der mitgeteilten Fahrt am 29. September\n2003 zur Botschaft bei der Beschaffung von Ausweispapieren sonst mitgewirkt\nhatte. Es sei fur das Gericht nicht erkennbar, was der Klager zur Ausubung\nseiner Mitwirkungspflicht bislang getan habe. Die Klagerin musse sich als\nMinderjahrige das Verhalten ihres gesetzlichen Vertreters zurechnen lassen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Gegen diesen am 21. Oktober 2005 zugestellten Gerichtsbescheid haben die\nKlager am 21. November 2005 Berufung eingelegt. Sie tragen vor, der Klager sei\nbei der Botschaft gewesen. In der Botschaft der Republik Aserbaidschan\nherrschten erhebliche Ressentiments gegenuber Armeniern. Dies beruhe auf dem\nkriegerischen Konflikt um die Region Berg Karabach. Er sei beleidigt worden\nund man habe ihm gesagt, er solle nie wieder dort erscheinen. Er habe dies der\nAuslanderbehorde mitgeteilt, die daraufhin selber bei der Botschaft\nnachgefragt habe. Eine erneute Vorsprache bei der Botschaft sei von ihm nicht\nverlangt worden. Die Einstellung fur die Tochter sei schon deshalb\nrechtswidrig, weil sie russische Staatsangehorige sei. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Klager beantragen, \n--- \n| 15 \n--- \n| den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Oktober 2005 sowie\nden Bescheid des Beklagten vom 8. Dezember 2004 und dessen\nWiderspruchsbescheid vom 7. Februar 2005 aufzuheben und den Beklagten zu\nverurteilen, den Klagern uber den 15. Dezember 2004 hinaus Taschengeld in\ngesetzlicher Hohe nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG zu gewahren. \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 17 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Er tragt vor, die Tochter habe die aserbaidschanische Staatsangehorigkeit. \n--- \n| 19 \n--- \n| Der Senat hat die Auslanderakten der Klager von der Auslanderbehorde der\nStadt S. bei gezogen. Daraus ergibt sich, dass der Klager nach Verstreichen\nder zuletzt gesetzten Frist bis zum 30. November 2003 vom RP aufgefordert\nworden war, Vordrucke fur die aserbaidschanische Botschaft auszufullen. Diese\nhat er am 22. Marz 2004 ausgefullt - jedoch in ungenugender Form, namlich\nnicht in aserbaidschanischer Sprache. Er hat sie dann erneut am 6. April 2004\nausgefullt. Mit diesen Unterlagen ist von der Auslanderbehorde am 20. April\n2004 ein Ruckreisedokument beantragt worden. Die Auslanderbehorde hat die\nerforderlichen Unterlagen an die Botschaft der aserbaidschanischen Republik\nubersandt. Nachfragen bei der Botschaft sind in der Folgezeit mehrfach erfolgt\nund ergebnislos verlaufen. Es ist nach Einschatzung der Behorde nicht sicher,\nob uberhaupt und wann eine Antwort von der aserbaidschanischen Botschaft\nerfolgen werde. In einem Aktenvermerk heißt es, in der Vergangenheit habe man\nschlechte Erfahrungen mit der Botschaft machen mussen. Die Aussichten fur ein\nDokument seien minimal. Dem Klager sei es allerdings moglich, selbststandig\nzur Botschaft zu gehen und einen Pass zu beantragen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Senat hat weiter die Akten des RP bei gezogen. Daraus ist eine\nNachfrage hinsichtlich der am 20. April 2004 beantragten Reisepapiere vom 12.\nMai 2006 ersichtlich, die die Botschaft unter dem 18. Mai 2006 dahingehend\nbeantwortet hat, dass die Feststellung der Identitat nicht moglich gewesen sei\nwegen unvollstandiger oder fehlerhafter Angaben - insbesondere betreffend die\nfruhere Adresse in Aserbaidschan. Unter dem 24. Juli 2006 beantragte das RP\nerneut die Ausstellung von Ruckreisedokumenten. Diesem Antrag lag ein vom\nKlager am 18. Juli 2006 ausgefulltes Formular bei, in dem - wie zuvor - eine\nfruhere Adresse in Aserbaidschan angegeben ist. Aus den ebenfalls bei\ngezogenen Akten des RP betreffend die Mutter der Klagerin ist zu entnehmen,\ndass das RP sich um Ruckreisedokumente fur diese zur Ruckreise in die\nRussische Foderation bemuht und dass die Botschaft der Russischen Foderation\nsich weigert, nur Papiere fur die Mutter und das Kind auszustellen und dadurch\ndie Partner (Eltern) zu trennen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, die\nVerwaltungsakten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Mannheim - S 8 AY\n1586/05 - sowie auf die genannten bei gezogenen Akten verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 22 \n--- \n| Die entsprechend § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und\nfristgerecht eingelegte Berufung ist zulassig. Sie ist auch begrundet. Die\nangefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzten die Klager in ihren\nRechten. Sie haben weiterhin Anspruch auf die zu Unrecht eingestellten\nTaschengeldzahlungen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Klager sind beide ehemalige Asylbewerber und derzeit im Besitz von\nDuldungen nach § 60a Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (vom 30. Juli 2004, BGBl I\n1950 - AufenthG). Sie gehoren damit zum Kreis der Leistungsberechtigten. Ihnen\nstehen grundsatzlich Leistungen gemaß § 3 Abs. 1 AsylbLG einschließlich eines\nTaschengeldes nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG zu. Dieser Anspruch durfte nicht\nauf der Grundlage des § 1a Nr. 2 AsylbLG beschrankt werden. Nach dieser\nVorschrift erhalten Leistungsberechtigte Leistungen nur, soweit dies im\nEinzelfall nach den Umstanden unabweisbar geboten ist, wenn aus von ihnen zu\nvertretenden Grunden aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden\nkonnen. Diese Voraussetzungen liegen entgegen der Auffassung des Beklagten und\ndes SG fur beide Klager nicht vor. \n--- \n| 24 \n--- \n| Was den Klager angeht, beruht dies auf Folgendem: Die vom zustandigen RP\nangeordnete Vorsprache bei der Botschaft der Republik Aserbaidschan konnte zu\nkeinem Erfolg fuhren, da dem Aufforderungsschreiben ein fehlerhaftes Formular\nbeigefugt war, das von der Botschaft nicht ausgefullt werden konnte. Dieser\nFehler kann dem Klager nicht zugerechnet werden. Er ist der deutschen Sprache\nnur unzureichend machtig und musste davon ausgehen, dass das ihm ubergebene\nFormular das richtige sei. Die zweite Aufforderung des RP hat der Klager\nbefolgt und dabei - wie er fur den Senat glaubhaft in Übereinstimmung mit\nseinem fruheren Vorbringen angegeben hat - wegen der infolge des Fehlers des\nRP unzureichenden Bescheinigung Beschimpfungen uber sich ergehen lassen\nmussen. \n--- \n| 25 \n--- \n| Was die weitere Aufforderung zur Vorsprache bei der Botschaft angeht (vom\n11. Oktober 2003), gibt es zwar einen Zustellungsnachweis (16. Oktober 2003)\nin den Akten; dieser bezieht sich jedoch auf ein anderes Aktenzeichen und auf\nein Schreiben vom 9. Oktober 2003 und damit offenbar nicht auf den Bescheid\nvom 11. Oktober. Der Klager hat den Zugang dieser Aufforderung stets verneint,\nwas ihm angesichts seines sonst gezeigten Verhaltens geglaubt werden kann.\nDazu kommt, dass diese Aufforderung mit der Androhung der Vorfuhrung beim\nGeneralkonsulat der Russischen Foderation erneut einen Fehler enthalt, der die\nMitarbeitsbereitschaft der aserbaidschanischen Botschaft nicht befordern\ndurfte. Das RP ist auf der Grundlage der bisherigen vergeblichen Bemuhungen\nauch dazu ubergegangen, den Klager aufzufordern, entsprechende Formulare\nauszufullen und selber die Ruckreisepapiere zu beantragen. Bei diesen\nBemuhungen hat der Klager die von ihm verlangten Angaben gemacht. Das heißt\naber, dass die fur die Abschiebung zustandige Behorde eine weitere Mitwirkung\ndes Klagers in Form von Vorsprachen bei der Botschaft nicht mehr verlangt.\nAngesichts der geschilderten Vorgeschichte musste es sich ihm nicht\naufdrangen, dass er gleichwohl aus eigenem Antrieb noch einmal bei der\nVertretung seines Landes vorsprechen sollte, wie es der Beklagte offenbar\nmeint. \n--- \n| 26 \n--- \n| Nach Ansicht des Senats kann dem Klager dieses Unterlassen nicht als\nObliegenheitsverletzung vorgehalten werden. Damit fehlt es aber an einem\nzurechenbaren Verhalten, das zu dem derzeitigen Zustand der Passlosigkeit und\ndamit der fehlenden Moglichkeit der Aufenthaltsbeendigung gefuhrt hat. \n--- \n| 27 \n--- \n| Dazu kommt ein weiteres: Eine Ausreise nach Aserbaidschan zum derzeitigen\nZeitpunkt wurde den Klager voraussichtlich definitiv von seiner minderjahrigen\nTochter, der Klagerin, trennen. Unabhangig von deren offenbar nicht geklarter\nStaatsangehorigkeit existiert ihr gegenuber eine Abschiebungsandrohung des\nBundesamtes in die Russische Foderation. Offensichtlich bemuht sich weder das\nRP noch die allgemeine Auslanderbehorde, Ruckreisepapiere fur die Klagerin\nnach Aserbaidschan zu beschaffen. Bei dieser Sachlage fuhrte die Ausreise des\nKlagers notwendig zur Trennung von seiner minderjahrigen Tochter, der\ngegenuber er personensorgeberechtigt und -verpflichtet ist. Die verlangte\nAusreise stellte mithin eine Verletzung seines aus Artikel 6 Grundgesetz\nfolgenden Elternrechts dar. Angesichts dieser Situation ist es auch unter\ndiesem Gesichtspunkt nicht im Sinne des § 1a AsylbLG vom Klager zu vertreten,\ndass derzeit aufenthaltsbeendende Maßnahmen ihm gegenuber nicht vollzogen\nwerden konnen. Dies beruht vielmehr auf anderen Grunden. Die vom Beklagten\nzitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes gibt fur eine andere\nBeurteilung nichts her. Zum einen geht es dort um (erwachsene) Ehegatten und\nnicht um die Personensorge fur ein minderjahriges Kind, vor allem aber war die\npostulierte Trennung der Ehegatten im Zielstaat der Abschiebung nicht\nentscheidungstragend, wie sich aus dem letzten Absatz des Beschlusses ergibt\n(Beschluss vom 3. November 1998, Inf AuslR 1999, 330). \n--- \n| 28 \n--- \n| Was die Klagerin angeht, so liegen die Voraussetzungen des § 1a Nr. 2\nAsylbLG - unabhangig von der Frage der Zurechenbarkeit des Verhaltens ihres\nVaters - schon deshalb nicht vor, weil bisher nicht klar ist, in welcher Weise\nder Klager fur eine Ausreise der Klagerin nach Aserbaidschan oder in die\nRussische Foderation sorgen konnen soll. Zwar behauptet der Beklagte, die\nKlagerin habe auch die aserbaidschanische Staatsangehorigkeit. Fest steht fur\ndas Gericht jedoch, dass sie jedenfalls die der Russischen Foderation hat und\ndass ihr derzeit die Abschiebung dorthin angedroht ist. Auch in ihrem Falle\nkommt hinzu, dass eine freiwillige Ausreise nach Aserbaidschan - so sie denn\nuberhaupt moglich ware - sie notwendig von ihrer leiblichen Mutter trennen\nwurde, die ebenfalls personensorgeberechtigt ist. Hinsichtlich der Klagerin\nfehlt es damit unter jedem Gesichtspunkt an einem fur die derzeitige Situation\nkausalen Verhalten. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Klager haben deshalb weiterhin Anspruch auf die Grundleistungen nach §\n3 AsylbLG einschließlich des dort geregelten Taschengeldes auch uber den 15.\nDezember 2004 hinaus. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfur nicht\nvorliegen (§ 160 Abs. 2 SGG). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 22 \n--- \n| Die entsprechend § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und\nfristgerecht eingelegte Berufung ist zulassig. Sie ist auch begrundet. Die\nangefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzten die Klager in ihren\nRechten. Sie haben weiterhin Anspruch auf die zu Unrecht eingestellten\nTaschengeldzahlungen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Klager sind beide ehemalige Asylbewerber und derzeit im Besitz von\nDuldungen nach § 60a Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (vom 30. Juli 2004, BGBl I\n1950 - AufenthG). Sie gehoren damit zum Kreis der Leistungsberechtigten. Ihnen\nstehen grundsatzlich Leistungen gemaß § 3 Abs. 1 AsylbLG einschließlich eines\nTaschengeldes nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG zu. Dieser Anspruch durfte nicht\nauf der Grundlage des § 1a Nr. 2 AsylbLG beschrankt werden. Nach dieser\nVorschrift erhalten Leistungsberechtigte Leistungen nur, soweit dies im\nEinzelfall nach den Umstanden unabweisbar geboten ist, wenn aus von ihnen zu\nvertretenden Grunden aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden\nkonnen. Diese Voraussetzungen liegen entgegen der Auffassung des Beklagten und\ndes SG fur beide Klager nicht vor. \n--- \n| 24 \n--- \n| Was den Klager angeht, beruht dies auf Folgendem: Die vom zustandigen RP\nangeordnete Vorsprache bei der Botschaft der Republik Aserbaidschan konnte zu\nkeinem Erfolg fuhren, da dem Aufforderungsschreiben ein fehlerhaftes Formular\nbeigefugt war, das von der Botschaft nicht ausgefullt werden konnte. Dieser\nFehler kann dem Klager nicht zugerechnet werden. Er ist der deutschen Sprache\nnur unzureichend machtig und musste davon ausgehen, dass das ihm ubergebene\nFormular das richtige sei. Die zweite Aufforderung des RP hat der Klager\nbefolgt und dabei - wie er fur den Senat glaubhaft in Übereinstimmung mit\nseinem fruheren Vorbringen angegeben hat - wegen der infolge des Fehlers des\nRP unzureichenden Bescheinigung Beschimpfungen uber sich ergehen lassen\nmussen. \n--- \n| 25 \n--- \n| Was die weitere Aufforderung zur Vorsprache bei der Botschaft angeht (vom\n11. Oktober 2003), gibt es zwar einen Zustellungsnachweis (16. Oktober 2003)\nin den Akten; dieser bezieht sich jedoch auf ein anderes Aktenzeichen und auf\nein Schreiben vom 9. Oktober 2003 und damit offenbar nicht auf den Bescheid\nvom 11. Oktober. Der Klager hat den Zugang dieser Aufforderung stets verneint,\nwas ihm angesichts seines sonst gezeigten Verhaltens geglaubt werden kann.\nDazu kommt, dass diese Aufforderung mit der Androhung der Vorfuhrung beim\nGeneralkonsulat der Russischen Foderation erneut einen Fehler enthalt, der die\nMitarbeitsbereitschaft der aserbaidschanischen Botschaft nicht befordern\ndurfte. Das RP ist auf der Grundlage der bisherigen vergeblichen Bemuhungen\nauch dazu ubergegangen, den Klager aufzufordern, entsprechende Formulare\nauszufullen und selber die Ruckreisepapiere zu beantragen. Bei diesen\nBemuhungen hat der Klager die von ihm verlangten Angaben gemacht. Das heißt\naber, dass die fur die Abschiebung zustandige Behorde eine weitere Mitwirkung\ndes Klagers in Form von Vorsprachen bei der Botschaft nicht mehr verlangt.\nAngesichts der geschilderten Vorgeschichte musste es sich ihm nicht\naufdrangen, dass er gleichwohl aus eigenem Antrieb noch einmal bei der\nVertretung seines Landes vorsprechen sollte, wie es der Beklagte offenbar\nmeint. \n--- \n| 26 \n--- \n| Nach Ansicht des Senats kann dem Klager dieses Unterlassen nicht als\nObliegenheitsverletzung vorgehalten werden. Damit fehlt es aber an einem\nzurechenbaren Verhalten, das zu dem derzeitigen Zustand der Passlosigkeit und\ndamit der fehlenden Moglichkeit der Aufenthaltsbeendigung gefuhrt hat. \n--- \n| 27 \n--- \n| Dazu kommt ein weiteres: Eine Ausreise nach Aserbaidschan zum derzeitigen\nZeitpunkt wurde den Klager voraussichtlich definitiv von seiner minderjahrigen\nTochter, der Klagerin, trennen. Unabhangig von deren offenbar nicht geklarter\nStaatsangehorigkeit existiert ihr gegenuber eine Abschiebungsandrohung des\nBundesamtes in die Russische Foderation. Offensichtlich bemuht sich weder das\nRP noch die allgemeine Auslanderbehorde, Ruckreisepapiere fur die Klagerin\nnach Aserbaidschan zu beschaffen. Bei dieser Sachlage fuhrte die Ausreise des\nKlagers notwendig zur Trennung von seiner minderjahrigen Tochter, der\ngegenuber er personensorgeberechtigt und -verpflichtet ist. Die verlangte\nAusreise stellte mithin eine Verletzung seines aus Artikel 6 Grundgesetz\nfolgenden Elternrechts dar. Angesichts dieser Situation ist es auch unter\ndiesem Gesichtspunkt nicht im Sinne des § 1a AsylbLG vom Klager zu vertreten,\ndass derzeit aufenthaltsbeendende Maßnahmen ihm gegenuber nicht vollzogen\nwerden konnen. Dies beruht vielmehr auf anderen Grunden. Die vom Beklagten\nzitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes gibt fur eine andere\nBeurteilung nichts her. Zum einen geht es dort um (erwachsene) Ehegatten und\nnicht um die Personensorge fur ein minderjahriges Kind, vor allem aber war die\npostulierte Trennung der Ehegatten im Zielstaat der Abschiebung nicht\nentscheidungstragend, wie sich aus dem letzten Absatz des Beschlusses ergibt\n(Beschluss vom 3. November 1998, Inf AuslR 1999, 330). \n--- \n| 28 \n--- \n| Was die Klagerin angeht, so liegen die Voraussetzungen des § 1a Nr. 2\nAsylbLG - unabhangig von der Frage der Zurechenbarkeit des Verhaltens ihres\nVaters - schon deshalb nicht vor, weil bisher nicht klar ist, in welcher Weise\nder Klager fur eine Ausreise der Klagerin nach Aserbaidschan oder in die\nRussische Foderation sorgen konnen soll. Zwar behauptet der Beklagte, die\nKlagerin habe auch die aserbaidschanische Staatsangehorigkeit. Fest steht fur\ndas Gericht jedoch, dass sie jedenfalls die der Russischen Foderation hat und\ndass ihr derzeit die Abschiebung dorthin angedroht ist. Auch in ihrem Falle\nkommt hinzu, dass eine freiwillige Ausreise nach Aserbaidschan - so sie denn\nuberhaupt moglich ware - sie notwendig von ihrer leiblichen Mutter trennen\nwurde, die ebenfalls personensorgeberechtigt ist. Hinsichtlich der Klagerin\nfehlt es damit unter jedem Gesichtspunkt an einem fur die derzeitige Situation\nkausalen Verhalten. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Klager haben deshalb weiterhin Anspruch auf die Grundleistungen nach §\n3 AsylbLG einschließlich des dort geregelten Taschengeldes auch uber den 15.\nDezember 2004 hinaus. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 31 \n--- \n| Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfur nicht\nvorliegen (§ 160 Abs. 2 SGG). \n---\n\n |
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142,581 | vghbw-2006-10-25-a-3-s-4606 | 161 | Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg | vghbw | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | A 3 S 46/06 | 2006-10-25 | 2019-01-09 09:14:35 | 2019-01-17 12:02:44 | Urteil | ## Tenor\n\nAuf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts\nKarlsruhe vom 05. Oktober 2005 - A 11 K 11032/05 - geandert. Die Klage wird\nabgewiesen.\n\nDie Klager tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden\nRechtszugen.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager zu 1 ist am ....1977 in Atsch\'Choi-Martan (sudlich von Grosny)\ngeboren und nach seinen Angaben ein tschetschenischer Volkszugehoriger. Seine\nEhefrau, die Klagerin zu 2 ist am ....1982 ebenfalls in Atsch\'Choi-Martan\ngeboren, wo die Eheleute nach ihren Angaben zuletzt auch ihren Wohnort hatten.\nAm 20.01.2004 reisten die Klager zusammen mit der Klagerin zu 3, ihrer am\n....2003 geborenen Tochter, aus. Am 27.01.2004 wurden sie um 2.05 Uhr,\nversehen mit einer Bahnfahrkarte nach Belgien, in Dortmund aufgegriffen und\nsuchten um Asyl nach. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin zu 2 war im Besitz eines am 08.05.2003 ausgestellten\nrussischen Inlandspasses (neu). Der Klager fuhrte hingegen keinen neuen\nrussischen Inlandspass mit, sondern nur eine vorlaufige Bescheinigung, eine\nArt Passersatz, die ihm der Schlepper abgenommen hatte. Ansonsten hatte der\nKlager an Dokumenten einen Fuhrerschein, ein Schulzeugnis, eine\nHeiratsurkunde, die Geburtsurkunde seiner Tochter sowie eine Bescheinigung\nuber die bestandene Fahrprufung dabei. \n--- \n| 3 \n--- \n| Bei der Anhorung vor dem Bundesamt gab der Klager an, er habe von\nHerbst/Winter 1996 bis Juni 1997 in einer Spezialeinheit von Maschadow\ngedient, die in einer ehemaligen Bleistiftfabrik in Atsch\'Choi-Martan\nuntergebracht gewesen sei. Danach sei er zur Bahnpolizei gekommen und habe\ndort bis 1999 in Grosny gearbeitet. Im letzten Jahr habe er von der\nLandwirtschaft gelebt. Im Sommer 2001 habe er eine Vorladung zur Miliz in\nAtsch\'Choi-Martan erhalten. Er habe ein Gesprach mit drei russischen\nMilizoffizieren gefuhrt, die von ihm verlangt hatten, wieder bei der Miliz zu\narbeiten. Außerdem hatten sie Informationen daruber gefordert, wer noch Waffen\nbesitzen konnte und wer fruher noch bei der Miliz gearbeitet habe. Er habe\nzahlreiche Formulare mitgenommen und sei ohne sich festzulegen gegangen. Sein\nVater habe ihm danach geraten, diese Sache bleiben zu lassen, obwohl er 1.000\nDollar bekommen hatte. Im September 2001 sei es nachts zu einer\nSauberungsaktion gekommen, bei der einige Personen festgenommen worden seien,\ndarunter auch er. Sie hatten nach Alchasur Dasajew gesucht, ihn dabei auch\ngefasst und in einem anderen Zimmer verhort. Er - der Klager - sei erniedrigt,\nbeschimpft, geschlagen und nach Waffen befragt worden. Danach sei er mit 10\nLeuten in eine Zelle gesperrt worden. Auch die drei Bruder D. seien bei ihm in\nder Zelle gewesen. Diese seien abgeholt, schwer misshandelt und dann wieder\nzuruck in die Zelle gebracht worden. Ihn selbst habe man in Ruhe gelassen,\nweil er sich beim Treppensteigen die Rippen gebrochen habe. Drei Nachte habe\ner in dieser Zelle verbracht, dann habe ihn sein Vater freigekauft. In der\nZeit danach habe er ein einigermaßen friedliches Leben gefuhrt, im Garten und\nder Landwirtschaft gearbeitet und auch Kontakte zu seinen ehemaligen Kameraden\naufrechterhalten. Am 12.12.2003 seien gegen 10.00 Uhr oder 11.00 Uhr\nvormittags zwei ehemalige Kameraden, Leibwachter von Dudajew, zu ihm nach\nHause gekommen. Sie hatten ihn gebeten, ihr Motorrad mit Beiwagen zu\nverstecken, in dem sich vermutlich Utensilien zum Bau einer Bombe befunden\nhatten. Er habe nicht Nein sagen konnen. Nachmittags gegen 3.00 Uhr oder 4.00\nUhr habe er seine Frau zu seinen Schwiegereltern geschickt, weil er ein\nkomisches Gefuhl gehabt habe. Er habe an diesem Abend lange gewartet, aber\nseine Kameraden seien nicht zuruckgekommen. Um 0.00 Uhr sei er ins Bett\ngegangen, gegen 3.00 Uhr oder 4.00 Uhr morgens seien die Militars gekommen,\neinige maskiert, und hatten das Haus gesturmt. Ihn hatten sie verprugelt und\nfestgenommen. Auch sein Vater und sein Bruder M. seien verprugelt worden, das\nMotorrad hatten sie beschlagnahmt. Wohin ihn die Militars gebracht hatten,\nwisse er nicht, er sei dort in einer Zelle sieben bis acht Tage eingesperrt\ngewesen. Ca. 5 bis 6 Tage nach seiner Inhaftierung habe man ihn nach einer\nhalbstundigen Fahrt an einen Ort, nicht weit von Schami-Jurt, einem\nNachbardorf, gebracht. Dort habe er die beiden Freunde R. N. und H. Z.\ngetroffen. Alle drei hatten sie Handschellen getragen und seien mit einer\nVideo-Kamera aufgenommen worden, was wohl als Beweis dafur habe dienen sollen,\ndass sie an dieser Stelle hatten eine Bombe zunden wollen. Nachdem er 8 Tage\nbeim Militar inhaftiert gewesen sei, habe man ihn fur 15 Tage zur Miliz\ngebracht, bevor ihn sein Vater wiederum habe freikaufen konnen. Dies sei am\n04.01.2004 vormittags gewesen. Am 05.01. habe ihn ein Cousin zu der\nVerwandtschaft seiner Frau fur acht Tage nach Walerik gebracht, anschließend\nsei er noch ein paar Tage bei seiner Tante in Walerik geblieben. Vom 17.01.\nbis zum 20.01. habe er sich bei seinem Cousin in Atsch\'Choi-Martan\naufgehalten. Seine Ausreise habe sein Vater organisiert. \n--- \n| 4 \n--- \n| Bei ihrer Anhorung vor dem Bundesamt bestatigte die Klagerin zu 2, dass der\nKlager zu 1 am 12.12.2003 festgenommen worden sei. Sie sei nicht zu Hause\ngewesen, denn ihr Mann habe sie nachmittags zu ihren Eltern geschickt. Er sei\ndann am 04.01.2004 wieder freigekommen, nachdem ihn ihr Schwiegervater\nfreigekauft habe. Weiter berichtete sie, dass der Klager nicht immer zu Hause\ngewesen sei, sondern mal in Inguschetien und in Walerik gelebt habe. Vom\nSeptember bis Dezember 2003 habe er in Inguschetien eine Wohnung gemietet\ngehabt, eigentlich schon von Juni ab, und sei dort in Nasran als Bauarbeiter\nbeschaftigt gewesen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Bescheid vom 18.07.2005 lehnte das Bundesamt fur Migration und\nFluchtlinge die Asylantrage ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des\n§ 60 Abs. 1 des AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des\nAufenthG nicht vorliegen. Außerdem wurden die Klager aufgefordert, die\nBundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der\nEntscheidung bzw. dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu\nverlassen. Im Falle einer nicht freiwilligen Ausreise wurde ihre Abschiebung\nin die Russische Foderation oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen\ndurfen oder der zu ihrer Rucknahme verpflichtet ist, angedroht. Zur Begrundung\nwurde im Wesentlichen ausgefuhrt, eine Asylanerkennung gem. Art. 16 a Abs. 1\nGG scheitere schon daran, dass die Klager das Bundesgebiet auf dem Landweg\nerreicht hatten. Es bestunde aber auch kein Abschiebungsverbot im Sinne des §\n60 Abs. 1 AufenthG, denn die Klager seien nicht individuell vorverfolgt\nausgereist. Die vom Klager vorgetragene Verfolgungsgeschichte sei nicht\nglaubhaft. Wenn es tatsachlich zugetroffen hatte, dass sich in dem bei ihm\nuntergestellten Motorrad samt Beiwagen Utensilien fur den Bau einer Bombe\nbefunden hatten, ware er mit Sicherheit von der russischen Armee nicht mehr\nauf freien Fuß gesetzt worden. Ein weiteres Indiz dafur, dass er nicht die\nWahrheit gesagt habe, sei seine Aussage, wonach er im letzten Jahr von der\nLandwirtschaft gelebt habe, wahrend seine Ehefrau angegeben habe, er sei von\nSeptember bis Dezember 2003 in Inguschetien gewesen, habe dort eine Wohnung\ngemietet und sei einer Beschaftigung als Bauarbeiter nachgegangen. Offenbar\nhabe er von Inguschetien aus seine Ausreise betrieben. Dass diese\nlangerfristig geplant gewesen sei, beweise die Vielzahl der Unterlagen,\nbesonders sein Schulzeugnis, das er mitgefuhrt habe. Seine Festnahme im Rahmen\neiner Sauberungsaktion im Jahr 2001 konne als wahr unterstellt werden, stehe\njedoch nicht mehr im kausalen Zusammenhang mit der Ausreise. Nach seinen\neigenen Angabe habe er danach langere Zeit unbehelligt leben konnen. Auch die\nallgemeine Lage in der russischen Teilrepublik Tschetschenien fuhre zu keiner\nanderen Einschatzung des Asylantrags. Es werde nicht verkannt, dass eine\nRuckkehr in die russische Teilrepublik Tschetschenien auf Grund der\nderzeitigen allgemeinen Lage den Auslandern nur schwerlich zugemutet werden\nkonne. Die Klager konnten ihren Aufenthalt aber in anderen Teilen der\nRussischen Foderation nehmen. Vor allem in Sudrussland sei eine Registrierung\nund der fur die Registrierung notwendige Wohnraum eher moglich als in den\ngroßen Stadten, wie etwa in den Regionen Stawropol oder der Wolgaregion. Da\ndie Familie nicht in das Blickfeld der russischen Sicherheitsorgane geraten\nsei und die Klager somit auch nicht als potentielle Unterstutzer der\ntschetschenischen Sache angesehen wurden, sei eine Wohnsitznahme außerhalb\nTschetscheniens durchaus moglich, wie vom Klager bereits unter Beweis gestellt\nworden sei. Dieser konne durch Arbeiten am Bau oder durch Mitarbeit in der\nLandwirtschaft den Lebensunterhalt seiner Familie sicherstellen. Grunde fur\nein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 AufenthG seien ebenfalls nicht\nersichtlich. Der schwierige Prozess des Wiederaufbaus einer funktionstuchtigen\nWirtschaft habe in den neunziger Jahren zu einem sinkenden Lebensstandard und\neiner angespannten sozialen Lage in der Russischen Foderation gefuhrt. Der\n1999 einsetzende Wirtschaftsaufschwung habe eine allmahliche Verbesserung\nbewirkt. Die Grundversorgung der Bevolkerung mit Nahrungsmitteln sei vom\nNahrungsmittelangebot her gewahrleistet und es gebe staatliche Unterstutzung,\nz.B. Sozialhilfe fur bedurftige Personen auf sehr niedrigem Niveau (AA,\nLagebericht vom 26.03.2004). Dieser Bescheid wurde den Klagern am 20.07.2005\nzugestellt. \n--- \n| 6 \n--- \n| Bereits am 19.07.2005 haben die Klager Klage erhoben. In der mundlichen\nVerhandlung vor dem Verwaltungsgericht haben sie am 05.10.2005 ihr\nKlagebegehren dahingehend beschrankt, dass sie nunmehr unter Aufhebung des\nBescheids des Bundesamts fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge vom\n18.07.2005 die Feststellung begehren, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1\nAufenthG erfullt sind; hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen des\n§ 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG vorliegen, weiter hilfsweise festzustellen, dass\ndie Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG gegeben sind. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Urteil vom 05.10.2005 - A 11 K 11032/05 - hat das Verwaltungsgericht\nKarlsruhe der Klage stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, festzustellen,\ndass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AuslG vorliegen. Zur Begrundung hat\nes ausgefuhrt, das Gericht sei davon uberzeugt, dass die Klager\ntschetschenische Volkszugehorige seien. Es habe zwar nicht die Überzeugung\ngewinnen konnen, dass die Klager individuell vorverfolgt ausgereist seien,\nindessen sei die Kriegsfuhrung der russischen Seite im und seit dem 2.\nTschetschenienkrieg sowie die Übergriffe der in Tschetschenien stationierten\nrussischen Streitkrafte und der pro-russischen Sicherheitskrafte zur\nÜberzeugung des Gerichts gegenuber der tschetschenischen Zivilbevolkerung als\nGruppenverfolgung zu bewerten, von der die in Tschetschenien verbliebene\ntschetschenische Bevolkerung betroffen sei. Auf eine inlandische\nFluchtalternative in den restlichen Gebieten der russischen Foderation konnten\ndie Klager nicht verwiesen werden, denn ihnen drohe im Zeitpunkt der\nmundlichen Verhandlung in der russischen Foderation außerhalb Tschetscheniens\nebenfalls mit hinreichender Sicherheit politische Verfolgung, namlich durch\ndie in ihrem Fall zu erwartende Verweigerung der Registrierung und deren\nFolgen. Weder in Inguschetien, noch in Kabardino-Balkarien oder Krasnador und\nStawropol sei hinreichend gewahrleistet, dass die Klager dort einen legalen\nAufenthalt begrunden konnten. Auch in den ubrigen Teilen der Russischen\nFoderation konne nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden,\ndass die Klager eine Registrierung fanden, und dass sie ohne registriert zu\nsein, nicht in eine ausweglose Lage gerieten. Das Fehlen der Registrierung\nsperre den Zugang zum Gesundheits- und Schulwesen, zum freien Wohnungs- und in\nder Regel auch zum Arbeitsmarkt fur unselbstandige Tatigkeiten. Ein Aufenthalt\nin der Russischen Foderation, ohne registriert zu sein, sei generell geeignet,\ndie Klager aus der Rechtsgemeinschaft des Staates, auszugrenzen und in eine\nausweglose Lage zu bringen. Eine solche Maßnahme sei asylerheblich. Ob den\nKlagern ein Leben in der Illegalitat zumutbar sei, hange von der Prognose uber\ndie zu erwartenden Folgen und Beeintrachtigungen ab. Maßgebend hierfur seien\netwa die Vermogensverhaltnisse des Betroffenen und seiner Familie und seine\nFahigkeiten, etwa erlernte Berufe und bisherige Beschaftigungen sowie Kontakte\nzu ansassig gewordenen Tschetschenen, mittels denen der Betreffende seinen\nLebensunterhalt bestreiten konne. Solche Besonderheiten seien fur die gesamte\nFamilie vorliegend nicht gegeben. Diese existenzielle Gefahrdung sei auch\nverfolgungsbedingt, denn die Klager hatten sich in Tschetschenien, wenn sie es\nnicht verfolgungsbedingt hatten verlassen mussen, weiterhin und wie bisher in\ndem vertrauten Umfeld ihrer Heimat mit dem Existenznotwendigen versorgen\nkonnen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Gegen das ihr am 17.10.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am\n19.10.2005 beim Verwaltungsgericht die Zulassung der Berufung beantragt. \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Beschluss vom 11.01.2006 - A 3 S 990/05 - hat der Senat die Berufung\nwegen grundsatzlicher Bedeutung der (Tatsachen)Frage zugelassen, ob\ntschetschenische Volkszugehorige in Tschetschenien einer Gruppenverfolgung\nunterliegen und ob fur sie in den restlichen Gebieten der Russischen\nFoderation eine inlandische Fluchtalternative besteht. Der Beschluss ist der\nBeklagten am 19.01.2006 zugestellt worden. \n--- \n| 10 \n--- \n| Am 07.02.2006 hat die Beklagte die Berufung begrundet, in dem sie auf die\nAusfuhrungen in der Antragsschrift auf Zulassung der Berufung vom 19.10.2005\nsowie auf die Ausfuhrungen im Zulassungsbeschluss vom 11.01.2006 verwiesen\nhat. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 12 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 05.10.2005 - A 11 K\n11032/05 - zu andern und die Klage abzuweisen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Klager beantragen, \n--- \n| 14 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen, \n--- \n| 15 \n--- \n| hilfsweise, zusatzlich festzustellen, dass die Voraussetzungen des Art. 15\nc RL 2004/83/EG vorliegen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Zur Begrundung beziehen sie sich auf die Ausfuhrungen im Urteil des\nVerwaltungsgerichts. \n--- \n| 17 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung ist der Klager zu den Grunden seines\nAsylantrags angehort worden. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhorung wird\nauf die daruber gefertigte Niederschrift verwiesen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug\ngenommen auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Behordenakten und die\nErkenntnismittel, aufgelistet in der den Beteiligten mit Schreiben vom\n28.09.2006 ubermittelten Erkenntnisquellenliste Russische Foderation (Stand:\n28.09.2006) sowie die Gerichts- und Behordenakten im Verfahren der Tochter der\nKlager zu 1 und 2 (- A 3 S 48/06 -). Diese Unterlagen waren Gegenstand der\nmundlichen Verhandlung und Beratung, ebenso wie der Bericht von MEMORIAL\n„Menschen aus Tschetschenien in der Russischen Foderation, Juli 2005 bis Juli\n2006". \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Berufung des Beklagten ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und\nauch sonst zulassig. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 6\nSatz 1 und 3, Abs. 3 Satz 4 VwGO erfullt, wonach die Berufungsbegrundung einen\nbestimmten Antrag und die im Einzelnen anzufuhrenden Berufungsgrunde enthalten\nmuss. Welche Mindestanforderungen danach an die Berufungsbegrundung zu stellen\nsind, hangt wesentlich von den Umstanden des konkreten Einzelfalls ab. Das\ngesetzliche Erfordernis der Einreichung eines Schriftsatzes zur\nBerufungsbegrundung kann grundsatzlich auch eine auf die erfolgreiche\nBegrundung des Zulassungsantrags verweisende Begrundung erfullen, wenn damit\nhinreichend zum Ausdruck gebracht werden kann, dass und weshalb das\nerstinstanzliche Urteil weiterhin angefochten wird. In asylrechtlichen\nStreitigkeiten genugt eine Berufungsbegrundung den Anforderungen des § 124 a\nAbs. 6 VwGO regelmaßig etwa dann, wenn sie zu einer entscheidungserheblichen\nFrage ihre von der Vorinstanz abweichende Beurteilung deutlich macht, was auch\ndurch die Bezugnahme auf die Begrundung des insoweit erfolgreichen\nZulassungsantrags und auf den Zulassungsbeschluss geschehen kann (st.\nRechtspr. des BVerwG, z.B. Urteil vom 18.07.2006 - 1 C 15.05 - <juris>; VGH\nBad.-Wurtt., Urteil vom 27.11.1997 - A 16 S 193/97 -, NVwZ 1998, 1089 f.). Dem\nwird die auf den Berufungszulassungsantrag sowie den Zulassungsbeschluss des\nerkennenden Senats verweisende Berufungsbegrundung der Beklagten vom\n02.02.2006 gerecht. \n--- \n**II.** \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Berufung ist auch begrundet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte\nmit dem angefochtenen Urteil zu Unrecht verpflichtet, festzustellen, dass die\nVoraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG erfullt sind und daher auch zu\nUnrecht den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Den Klagern steht namlich der\nmit der Berufung weiterverfolgte Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen\ndes § 60 Abs. 1 AufenthG nicht zu, und die Beklagte kann auch nicht zur\n(hilfsweise beantragten) Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs.\n2 bis 5 AufenthG, § 60 Abs. 7 AufenthG und Art. 15 c RL 2004/83/EG\nverpflichtet werden (siehe § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). \n--- \n| 21 \n--- \n| 1\\. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Auslander in Anwendung der\nGenfer Fluchtlingskonvention (Abkommen vom 28.07.1951 uber die Rechtstellung\nder Fluchtlinge, BGBl. 1953 II, S. 559 - GFK -) nicht in einen Staat\nabgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse,\nReligion, Staatsangehorigkeit seiner Zugehorigkeit zu einer bestimmten\nsozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach\nSatz 4 dieser Bestimmung kann eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 ausgehen\nvom Staat selbst, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder\nwesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder von nichtstaatliche\nAkteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler\nOrganisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind,\nSchutz vor der Verfolgung zu bieten; dies gilt nach der gesetzlichen Regelung\nunabhangig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden\nist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche\nFluchtalternative. Eine Verfolgung liegt vor, wenn dem Einzelnen in Anknupfung\nan eines der genannten Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefugt werden,\ndie ihn ihrer Intensitat nach aus der ubergreifenden Friedensordnung der\nstaatlichen Einheit ausgrenzen (siehe grundsatzlich: BVerfG, Urteil vom\n10.07.1989 - 2 BvR 502, 1000 und 961/86 -, BVerfGE 80, 315, S. 339 und\nHailbronner, Kommentar zum Auslanderrecht, Stand Oktober 2006, RdNr. 41 zu §\n60 AufenthG). \n--- \n| 22 \n--- \n| Bei Auslegung und Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG ist die Richtlinie\n2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004, ABl. vom 30.09.2004 L 304/12\n(Qualifikationsrichtlinie) zu berucksichtigen, denn am 10.10.2006 ist gemaß\nArt. 38 Abs. 1 RL 2004/83/EG die Umsetzungsfrist fur diese Richtlinie\nabgelaufen. Nach der Rechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs kommt nicht\nfristgerecht umgesetzten Richtlinien im Recht der Mitgliedstaaten eine\nunmittelbare Wirkung zu, wenn die Richtlinie von ihrem Inhalt her unbedingt\nund hinreichend bestimmt ist, um im Einzelfall angewandt zu werden, und sie\ndem Einzelnen subjektiv-offentliche Rechte einraumt oder jedenfalls seine\nrechtlichen Interessen schutzen will (vgl. EuGH, Urteile vom 05.04.1979 - Rs.\n148/78 - <Ratti>, Slg. 1979, 1629 Rn. 23; Ruffert, in: Callies/Ruffert,\nEUV/EGV, Kommentar, 2. Aufl. (2002), Art. 249 EGV RdNr. 73 ff.). Diese\nVoraussetzungen liegen im Fall der Qualifikationsrichtlinie vor; die darin\nenthaltenen Regelungen erfullen zum ganz uberwiegenden Teil diese\nVoraussetzungen. Dies hat zur Folge, dass die nationalen Bestimmungen unter\nBerucksichtigung der Richtlinienbestimmung richtlinienkonform auszulegen sind,\nund im Falle des Entgegenstehens der nationalen Bestimmung die\nRichtlinienbestimmung unmittelbare Anwendung findet (vgl. auch Hinweise des\nBundesministerium des Innern vom 13.09.2006 zur Anwendung der Richtlinie\n2004/83/EG, S. 2 - kunftig: Hinweise des BMI -). Hierbei sind die\nAnforderungen an die Verfolgungsmotivation und an die in Betracht kommenden\n(staatlichen und nichtstaatlichen) Verfolgungssubjekte in der RL 2004/83/EG\nund in dem ihr insoweit nachgebildeten § 60 Abs. 1 AufenthG deckungsgleich\ngeregelt. \n--- \n| 23 \n--- \n| Ob und inwieweit sich bei anderen Verfolgungsmerkmalen Abweichungen bei den\nVoraussetzungen und beim Verfolgungsmaßstab zwischen § 60 Abs. 1 AufenthG und\nder RL 2004/83/EG ergeben konnten, kann der Senat weitgehend offen lassen.\nDenn auch wenn von der fur die Klager jeweils gunstigsten tatsachlichen und\nrechtlichen Konstellation hinsichtlich einer Vorverfolgung in Tschetschenien\nvor der Ausreise ausgegangen wird (dazu 1.) und der Senat zudem auch ihre\nVerfolgung in Tschetschenien im Falle der Ruckkehr unterstellt , konnen sie\nFluchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AuslG und nach der RL 2004/83/EG jedenfalls\ndeswegen nicht erhalten, weil ihnen jedenfalls eine inlandische\nFluchtalternative i.S.v. § 60 Abs. 1 Satz 4 c) AufenthG bzw. interner Schutz\nim Sinne von Art. 8 der Qualifikationsrichtlinie in Gebieten außerhalb\nTschetscheniens zur Verfugung steht (dazu 2.). \n--- \n| 24 \n--- \n| 1\\. Einem Asylbewerber, der bereits einmal politisch verfolgt war, kommt\nnach nationalem Recht wie nach der RL 2004/83/EG ein herabgestufter\nVerfolgungsmaßstab zugute. Nach nationalem Recht kann ihm eine Ruckkehr in\nseine Heimat nur zugemutet werden, wenn die Wiederholung von\nVerfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist\n(vgl. BVerwGE 70, 169 <170 f.>). Nach diesem Maßstab wird nicht verlangt, dass\ndie Gefahr erneuter Übergriffe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit\nausgeschlossen werden kann. Vielmehr ist - uber die theoretische Moglichkeit,\nOpfer eines Übergriffs zu werden, hinaus - erforderlich, dass objektive\nAnhaltspunkte einen Übergriff als nicht ganz entfernt und damit als durchaus\nreale Moglichkeit erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.09.1992 - 9 C\n62/91 -, NVwZ 1993 S. 191). Dem entspricht im Ergebnis Art. 4 Abs. 4 der\nQualifikationsrichtlinie, wonach die Tatsache einer bereits eingetretenen oder\nunmittelbar drohenden Verfolgung als ernsthafter Hinweis darauf zu werten ist,\ndass die Furcht des Schutzsuchenden vor Verfolgung begrundet ist. \n--- \n| 25 \n--- \n| Der Senat unterstellt zugunsten der Klager, dass sie vor der Ausreise aus\nTschetschenien dort von einer derartigen Verfolgung in Form einer regionalen\nGruppenverfolgung betroffen waren. Ob dies tatsachlich der Fall war - ob\nmithin tschetschenische Volkszugehorige aus Tschetschenien dort aus\nasylerheblichen Grunden (wegen ihres Volkstums oder ihrer politischen\nÜberzeugung) in der erforderlichen Verfolgungsdichte und -intensitat von\nstaatlichen russischen Stellen verfolgt wurden - braucht demgemaß nicht\nentschieden zu werden. Allerdings folgt der Senat dem Verwaltungsgericht\ndarin, dass die Klager jedenfalls eine individuelle Vorverfolgung nicht\nbelegen konnen. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann zunachst auf die\nuberzeugenden Ausfuhrungen des Verwaltungsgerichts hierzu verwiesen werden.\nAuch der Senat hat in der mundlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass\nder Klager jedenfalls hinsichtlich des Vorfalls im Jahre 2003, der Ausloser\nfur seine Flucht gewesen sein soll, von Geschehnissen berichtet hat, die er\nnicht selbst erlebt hat. Zu oberflachlich und unbeteiligt geriet seine\nSchilderung. Auch soweit er erstmals in der mundlichen Verhandlung vor dem\nerkennenden Senat von sexuellen Erniedrigungen und Demutigungen berichtet hat,\nzeigte er keine Emotionen und vermittelte dem Senat einen durchweg\nunbeteiligten Eindruck. Hinzu kommt, dass es sich hierbei um eine deutliche\nSteigerung seines Vorbringens handelt, und er nicht plausibel erklaren konnte,\nweshalb er diese Geschehnisse nicht bereits bei seiner Anhorung vor dem\nBundesamt oder dem Verwaltungsgericht offenbart hat. Seine Einlassung auf den\nVorhalt des Gerichts, es sei ihm schwer gefallen, die sexuellen Demutigungen\nund Erniedrigungen einem Richter gegenuber zu bekunden, weil es sich bei den\nSoldaten ja um Manner gehandelt habe, uberzeugen den Senat schon deshalb\nnicht, weil der Klager sich in einer Art und Weise geaußert hat, die eine\nwirkliche Betroffenheit vermissen ließ. \n--- \n| 26 \n--- \n| 2\\. Auf der Grundlage der (unterstellten) (Gruppen-) Vorverfolgung der\nKlager ware ein Anspruch auf Fluchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG dann\ngegeben, wenn sie zum einen auch bei einer Ruckkehr nach Tschetschenien wegen\nihrer tschetschenischen Volkszugehorigkeit einer (regionalen)\nGruppenverfolgung - mit der erforderlichen Verfolgungsmotivation und\nVerfolgungsdichte - unterlagen, wobei sie sich auf einen herabgestuften\nWahrscheinlichkeitsmaßstab berufen konnten, und wenn ihnen zum anderen eine\nzumutbare inlandische Fluchtalternative in anderen Landesteilen Russlands\nnicht zur Verfugung stunde. Ob die erstgenannte Voraussetzung\n(Gruppenverfolgung in Tschetschenien, hinreichende Sicherheit) gegeben ist,\nbraucht der Senat ebenfalls nicht zu entscheiden. Denn auch wenn er diesen\nVerfolgungssachverhalt zu Gunsten der Klager unterstellt, konnen sich die\nKlager jedenfalls an einen Ort innerhalb der Russischen Foderation begeben, an\ndem sie eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4\nc) AufenthG nach Maßgabe der Auslegungskriterien nach Art. 8 RL 2004/83/EG\n(interner Schutz) finden konnen. \n--- \n| 27 \n--- \n| a) Gemaß Art. 8 Abs. 1 RL 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) konnen die\nMitgliedsstaaten bei der Prufung des Antrags auf internationalen Schutz\nfeststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benotigt,\nsofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begrundete Furcht vor\nVerfolgung bzw. keine tatsachliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu\nerleiden, besteht, und von dem Antragsteller vernunftigerweise erwartet werden\nkann, dass er sich in diesem Landesteil aufhalt. Gemaß Art. 8 Abs. 2 RL\n2004/83/EG berucksichtigen die Mitgliedsstaaten bei der Prufung der Frage, ob\nein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Abs. 1 erfullt, die\ndortigen allgemeinen Gegebenheiten und die personlichen Umstande des\nAntragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung uber den Antrag. Art. 8 RL\n2004/83/EG ermachtigt die Mitgliedsstaaten zunachst grundsatzlich, den\ninternationalen Schutz einzuschranken, wenn die betreffende Person in einem\nTeil des Herkunftslandes unter zumutbaren Umstanden Schutz vor Verfolgung\ngefunden hat oder findet. Wie Art. 1 Nr. 38 a) bb) und cc) des Gesetzentwurfs\nder Bundesregierung zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien\nder Europaischen Union (Stand: 13.03.2006) zeigt, werden diese Vorgaben in der\nNeufassung des § 60 Abs. 1 AufenthG aufgegriffen und umgesetzt. \n--- \n| 28 \n--- \n| Nach Art. 8 Abs. 2 RL 2004/83/EG kommt es nunmehr auf die am Ort des\ninternen Schutzes bestehenden „allgemeinen Gegebenheiten" und zusatzlich auch\nauf die „personlichen Umstande" des Asylsuchenden im Zeitpunkt der\nEntscheidung uber den Antrag an (so auch die Begrundung des oben genannten\nGesetz-Entwurfs zu Art. 1, Nr. 38 zur Auslegung von Art. 8 RL 2004/83/EG, S.\n193 f.). Zur Interpretation des Begriffs der personlichen Umstande kann auf\nArt. 4 Abs. 3 Buchst. c RL 2004/83/EG zuruckgegriffen werden, wonach die\nindividuelle Lage und die personlichen Umstande des Asylsuchenden\neinschließlich solcher Faktoren wie familiarer und sozialer Hintergrund,\nGeschlecht und Alter, bei der Entscheidung zugrunde zu legen sind. Zu fragen\nist sodann auf der Grundlage dieses gemischt objektiv-individuellen Maßstabs,\nob von einem Antragsteller vernunftigerweise erwartet werden kann, dass er\nsich am Ort der internen Fluchtalternative aufhalt. Erforderlich hierfur ist ,\ndass er am Zufluchtsort unter personlich zumutbaren Bemuhungen jedenfalls sein\nExistenzminimum sichern kann. Fehlt es an einer solchen Moglichkeit der\nExistenzsicherung, ist eine interne Schutzmoglichkeit nicht gegeben. \n--- \n| 29 \n--- \n| Dies entspricht im Kern der geltenden Rechtsprechung zu den\nMindestanforderungen einer inlandischen Fluchtalternative. Das\nBundesverwaltungsgericht hat hierbei auch bisher schon die individuellen\nUmstande des Asylsuchenden in den Blick genommen. So hat es eine inlandische\nFluchtalternative beispielsweise dann verneint, wenn fur einen vorverfolgten\nFluchtling am Zufluchtsort das wirtschaftliche Existenzminimum wegen in seiner\nPerson liegender Merkmale - etwa wegen Behinderung oder wegen hohen Alters -\nnicht gewahrleistet ist oder wenn der Vorverfolgte am Ort der\nFluchtalternative keine Verwandten oder Freunde hat, bei denen er Obdach oder\nUnterstutzung finden konnte, und ohne eine solche Unterstutzung dort kein\nLeben uber dem Existenzminimum moglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.1993 -\n9 C 45.92 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 166). In einer neuen Entscheidung\nhat sich das Bundesverwaltungsgericht ferner mit der Frage auseinandergesetzt,\nwas dem Betroffenen am Ort der Fluchtalternative an Tatigkeiten zumutbar ist,\num seinen Lebensunterhalt zu sichern (Beschluss vom 31.08.2006 - 1 B 96/06 -\n<juris>) und hat damit Erwagungen angestellt, die auch den Anforderungen des\nArt. 8 RL 2004/83/EG Rechnung tragen. Nach den Ausfuhrungen des\nBundesverwaltungsgerichts, denen der Senat folgt, bietet ein\nverfolgungssicherer Ort erwerbsfahigen Personen das wirtschaftliche\nExistenzminimum grundsatzlich dann, wenn sie dort - was grundsatzlich zumutbar\nist - durch eigene und notfalls auch weniger attraktive und ihrer Vorbildung\nnicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls\nnach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt\nunbedingt Notwendige erlangen konnen. Zu den regelmaßig zumutbaren Arbeiten\ngehoren dabei auch Tatigkeiten, fur die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen\nArbeitsmarkt gibt, die nicht uberkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil\nsie keinerlei besondere Fahigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur\nDeckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeubt werden konnen, auch soweit diese\nArbeiten im Bereich einer "Schatten- oder Nischenwirtschaft" stattfinden. Der\nVerweis auf eine entwurdigende oder eine kriminelle Arbeit - etwa durch\nBeteiligung an Straftaten im Rahmen „mafioser" Strukturen - ist dagegen nicht\nzumutbar (BVerwG, Beschluss vom 17.05.2005 - 1 B 100/05 - <juris>). Maßgeblich\nist grundsatzlich auch nicht, ob der Staat den Fluchtlingen einen durchgehend\nlegalen Aufenthaltsstatus gewahren wurde, vielmehr ist in tatsachlicher\nHinsicht zu fragen, ob das wirtschaftliche Existenzminimum zur Verfugung steht\n(vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.08.2006 - 1 B 96/06 - a.a.O.; a.A. OVG\nMagdeburg, Urteil v. 31.03.2006 - 2 L 40/06 - <juris>, d.h. ob mit den\nerlangten Mitteln auch die notwendigsten Aufwendungen fur Leben und Gesundheit\naufgebracht werden konnen. \n--- \n| 30 \n--- \n| b) Gemessen an diesen Grundsatzen ist es den Klagern - nach der\ngegenwartigen Sachlage (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG sowie Art. 8 Abs. 2 RL\n2004/83/EG) - zuzumuten und kann von ihnen daher auch vernunftigerweise\nerwartet werden, dass sie ihren Aufenthalt in einem anderen Landesteil der\nRussischen Foderation nehmen, an dem sie vor Verfolgung sicher sind und wo ihr\nsoziales und wirtschaftliches Existenzminimum gewahrleistet ist. Selbst wenn\ndabei mit dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Hess. VGH, Urteil vom\n18.05.2006 - 3 UE 177/04.A - <juris>) und dem Bayerischen\nVerwaltungsgerichtshof (Bay.VGH, Urteil vom 31.01.2005 - 11 B 02.31597 -\n<juris>) die Regionen Inguschetien, Kabardino-Balkarien, Krasnodar und\nStawropol als Orte/Raume einer inlandischen Fluchtalternative ebenso\nausgenommen werden wie die russische Hauptstadt Moskau und Petersburg, hat\nzumindest die Klagerin zu 2 gegenwartig die Moglichkeit, in der\ntschetschenischen Diaspora innerhalb Russlands eine Registrierung zu erhalten\nund mit ihrer Registrierung fur die ganze Familie das soziale und\nwirtschaftliche Existenzminimum zu sichern, denn sie verfugt uber einen neuen\ngultigen russischen Inlandspass, der u.a. Voraussetzung fur eine Registrierung\nist. Hierzu ist im Einzelnen folgendes auszufuhren: \n--- \n| 31 \n--- \n| Art. 27 der russischen Verfassung von 1993 garantiert zwar die\nNiederlassungsfreiheit. Dieses Recht ist indessen strikt begrenzt durch\nregionale und lokale Bestimmungen und durch das de facto vielerorts noch\ngultige Propiska-System, das vor dem mit dem Foderationsgesetz im Jahre 1993\neingefuhrten Registrierungssystem galt und das nicht nur eine Meldung durch\nden Burger, sondern auch die Gestattung oder Verweigerung durch die Behorden\nvorsah. Nach dem Registrierungssystem ist nunmehr Voraussetzung fur eine\ndauerhafte Registrierung, dass der Antragsteller einen Wohnraumnachweis fuhren\nkann und uber einen russischen Inlandspass verfugt. Ein in Deutschland\nausgestelltes Passersatzpapier reicht fur eine dauerhafte Registrierung nicht\naus (AA, Lagebericht vom 18.08.2006, S. 26). Trotz der Systemumstellung durch\ndas Foderationsgesetz wenden viele Regionalbehorden der Russischen Foderation\nrestriktive ortliche Vorschriften oder Verwaltungspraktiken an, weshalb\nTschetschenen außerhalb Tschetscheniens erhebliche Schwierigkeiten haben, eine\noffizielle Registrierung zu erhalten. Besonders in Moskau haben zuruckgefuhrte\nTschetschenen in der Regel nur dann eine Chance, in der Stadt Aufnahme zu\nfinden, wenn sie uber genugend Geld verfugen oder auf ein Netzwerk von\nBekannten oder Verwandten zuruckgreifen konnen. Hierbei haben sich die\nadministrativen Schwierigkeiten und auch die Behordenwillkur nach der\nGeiselnahme im Oktober 2002 gegenuber - besonderes auch ruckkehrenden -\nTschetschenen verstarkt; daran durfte sich auf absehbare Zeit angesichts der\nweiterhin fortbestehenden Terrorgefahr auch nichts andern (AA, Lagebericht vom\n18.08.2006, S. 26). \n--- \n| 32 \n--- \n| Die genannten Registrierungsvoraussetzungen gelten im ganzen Land.\nGleichwohl ist eine offizielle Registrierung in anderen Regionen der\nRussischen Foderation, vor allem in Sudrussland, grundsatzlich leichter\nmoglich als in Moskau, unter anderem weil Wohnraum - eine der\nRegistrierungsvoraussetzungen - dort erheblich billiger ist als in der\nrussischen Hauptstadt mit ihren hohen Mieten. Neben Moskau, wo etwa 200.000\nTschetschenen leben und den oben genannten, als Ort des internen Schutzes\nmoglicherweise nicht in Betracht kommenden Regionen, ist es Tschetschenen auch\ngelungen, sich im Gebiet Rostow (70.000), in der Wolgaregion (50.000), in\nNordossetien (4.000) und in Karatschajewo-Tscherkessien (23.000) anzusiedeln\n(AA, Lagebericht vom 18.08.2006, S. 18). \n--- \n| 33 \n--- \n| c) Zur Überzeugung des Senats wird es auch der Klagerin zu 2, die im Besitz\neines neuen gultigen russischen Inlandspasses ist, gelingen, in diesen\ntschetschenischen Siedlungsgebieten Wohnraum fur sich und ihre Familie zu\nerlangen und damit grundsatzlich die geforderten Rechtsvoraussetzungen fur\neine Registrierung zu erfullen. Im Hinblick auf die Moglichkeit, eine\nRegistrierung zu erhalten bzw. ohne eine solche zu leben, fuhrt MEMORIAL in\nseinem Schreiben vom 16.10.2005 allerdings aus, dass es sich auch an kleinen\nOrten nicht ohne Registrierung leben lasse, denn diese werde an jedem Ort\nbenotigt. Hinzu komme, dass in kleinen Ortschaften alles sichtbar sei und man\nnicht „mit der großen Masse verschmelzen" konne. Der Senat geht gleichwohl\nnicht davon aus, dass die Klagerin zu 2 an einem solchen Ort ohne\nRegistrierung wird leben mussen. Trotz aller Schwierigkeiten, vor die sich die\nAngehorigen der tschetschenischen Volksgruppe bei Registrierungen gestellt\nsehen, ist nach Auskunft des Auswartigen Amtes eine Registrierung in vielen\nLandesteilen moglich, wenn auch oft erst nach Intervention von Nicht-\nRegierungsorganisationen, Duma-Abgeordneten oder anderen einflussreichen\nPersonlichkeiten oder durch Bestechung (Lagebericht des AA vom 18.08.2006,\nStand Juli 2006, S. 27). Bei ihren diesbezuglichen Bemuhungen kann die\nKlagerin zu 2 auch auf die Unterstutzung ihres Ehemannes zahlen. Auch wenn\ndieser selbst uber keinen gultigen Inlandspass verfugt und damit die\nRegistrierungsvoraussetzungen fur seine Person nicht erfullt, wird es ihm\ngelingen, in der stark mannlich dominierten tschetschenischen Diaspora\nWohnraum zu organisieren und fur sich selbst - auch ohne eigene Registrierung\n(dazu sogleich) - zumindest in der so genannten „Schattenwirtschaft" eine\nArbeit zu finden, die es ihm ermoglicht, das wirtschaftliche Existenzminimum\nfur sich und seine Familie zu sichern. Darauf, ob er sich selbst registrieren\nlassen kann - wofur mangels eines gultigen Passes wenig spricht - und ob es\nihm zumutbar ware, zunachst nach Tschetschenien zuruckzukehren, um sich einen\nneuen Pass zu beschaffen (dazu AA vom 22.11.2005 an VG Berlin), kommt es\nvorliegend nicht an. Denn fur ihn als Angehorigen einer grundsatzlich\nregistrierungsberechtigten Ehefrau ist auch ohne gultigen Pass eine\nAufenthaltsnahme in einer als Ort des internen Schutzes in Betracht kommenden\nanderen Region der Russischen Foderation moglich und zumutbar (vgl. hierzu\nauch Hess. VGH, Urteil vom 18.05.2006 - 3 UE 177/04.A- <juris> Nr. 53 des\nDokuments; fur den Fall eines 35jahrigen allein stehenden Mannes). \n--- \n| 34 \n--- \n| Der Senat verkennt nicht, dass die Konsequenzen einer Nichtregistrierung\ngravierend sind und Rechtspositionen sowie eine Reihe sozialer Leistungen von\nder Registrierung abhangen, so das Recht auf Beschaftigung, auf medizinische\nVersorgung und Ausbildung. Gleichwohl werden sich die Klager nach den\nbesonderen Umstanden des Falles in den Zufluchtgebieten mit zumutbaren\nAnstrengungen eine ausreichende Lebensgrundlage schaffen konnen ( zu den\ngenerellen Verhaltnissen nicht registrierter Tschetschenen vgl. zuletzt AA,\nLagebericht vom 18.08.2006, S. 27). Entscheidend ist, dass die Klagerin zu 2\nuber einen gultigen russischen Inlandspass verfugt. Damit wird es ihr nach\nEinschatzung des Senats moglich sein, in der Russischen Foderation - außerhalb\nder oben angefuhrten Regionen, die als Orte des internen Schutzes nicht in\nBetracht kommen - eine Registrierung zu erhalten. Jedenfalls auf Grundlage\ndieser Registrierung wird es den Klagern im Familienverbund gelingen, sich\ndurch eine Tatigkeit des Klagers in der in der Russischen Foderation weit\nverbreiteten sog. „Schattenwirtschaft" eine ausreichende Lebensgrundlage zu\nschaffen. Der Klager ist ersichtlich gesund und zu korperlicher Arbeit in der\nLage. Er hat auch bereits in der Landwirtschaft gearbeitet und beim Bau\nmitgeholfen. Darauf, ob der Familie auch ohne Registrierung\n„vernunftigerweise" angesonnen werden konnte, sich in einer der\nZufluchtsregionen aufzuhalten - laut MEMORIAL („Menschen aus Tschetschenien in\nder Russischen Foderation, Juli 2005 bis Juli 2006", S. 35) ist seit\nInkrafttreten des Gesetzes Nr. 122 der Empfang von staatlichen\nUnterstutzungsgeldern und Renten bei fehlender Registrierung nicht moglich und\nwird der Besuch des Kindergartens und manchmal sogar der Schulbesuch erschwert\n- kommt es nicht an. \n--- \n**III.** \n--- \n| 35 \n--- \n| Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG\nvor, wobei fur die Auslegung Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 und die Art. 6\nbis 8 RL 2004/83/EG jeweils heranzuziehen sind (vgl. Hinweise des BMI, S.15).\nDer Senat hat keine Anhaltspunkte dafur, dass den Klagern bei einer Ruckkehr\nin die Russische Foderation Folter (§ 60 Abs. 2 AufenthG), die Todesstrafe (§\n60 Abs. 3 AufenthG) oder insbesondere eine unmenschliche Behandlung im Sinne\nvon Art. 3 der EMRK (§ 60 Abs. 5 AufenthG) droht. Art. 2 e RL 2004/83/EG\ndefiniert die „Person mit Anspruch auf subsidiaren Schutz" als\nDrittstaatsangehorigen oder Staatenlosen, der bei einer Ruckkehr Gefahr liefe,\neinen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie zu erleiden.\nAuch fur diese Personen sieht Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG vor, dass fur sie -\nfalls sie bereits vor ihrer Ausreise einen sonstigen ernsthaften Schaden\nerlitten haben -, der herab gestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab Anwendung\nfindet. Auch wenn der Senat dessen Vorliegen auch hier bei den Klagern\nunterstellt, scheidet ein Anspruch aus den oben genannten Grunden aus. \n--- \n| 36 \n--- \n| Auch fur eine Schutzgewahrung nach § 60 Abs. 7 AufenthG gilt\nentsprechendes. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines\nAuslanders in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort fur diesen\nAuslander eine erhebliche konkrete Gefahr fur Leib, Leben oder Freiheit\nbesteht. Mit Blick auf die Qualifikationsrichtlinie ist von der Abschiebung\neines Auslanders in einen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehoriger der\nZivilbevolkerung einer erheblichen individuellen Gefahr fur Leib oder Leben im\nRahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt ist.\nBei der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG\ngelten Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 und die Art. 6 bis 8 der Richtlinie\n2004/83/EG. Soweit die Klager in der mundlichen Verhandlung vor dem Senat im\nHinblick auf die Tatsache, dass die Umsetzungsfrist fur die\nQualifikationsrichtlinie mittlerweile abgelaufen ist, hilfsweise beantragt\nhaben, zusatzlich festzustellen, dass die Voraussetzungen des Art. 15 c RL\n2004/83/EG vorliegen, konnen sie damit gleichfalls nicht durchdringen, denn\nArt. 15 c RL 2004/83/EG ist ein Unterfall des § 60 Abs. 7 AufenthG und regelt\ndie subsidiare Schutzgewahrung in Fallen willkurlicher Gewalt im Zusammenhang\nmit bewaffneten Konflikten. Ob diese Voraussetzungen im konkreten Fall auf die\nSituation in Tschetschenien zutreffen, kann dahinstehen, denn auch hier gilt,\ndass den Klagern nach den obigen Ausfuhrungen eine zumutbare interne\nSchutzalternative zur Verfugung steht, diese auch erreichbar ist und von ihnen\nvernunftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich dort aufhalten. \n--- \n**IV.** \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO, § 83\nb AsylVfG. \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132\nAbs. 2 VwGO gegeben ist. Insbesondere kommt es auf die Frage, ob (und welche)\ntschetschenische Volkszugehorige in Tschetschenien einer (regionalen)\nGruppenverfolgung ausgesetzt sind, wegen der besonderen Umstande des\nEinzelfalls nicht an. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Berufung des Beklagten ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und\nauch sonst zulassig. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 6\nSatz 1 und 3, Abs. 3 Satz 4 VwGO erfullt, wonach die Berufungsbegrundung einen\nbestimmten Antrag und die im Einzelnen anzufuhrenden Berufungsgrunde enthalten\nmuss. Welche Mindestanforderungen danach an die Berufungsbegrundung zu stellen\nsind, hangt wesentlich von den Umstanden des konkreten Einzelfalls ab. Das\ngesetzliche Erfordernis der Einreichung eines Schriftsatzes zur\nBerufungsbegrundung kann grundsatzlich auch eine auf die erfolgreiche\nBegrundung des Zulassungsantrags verweisende Begrundung erfullen, wenn damit\nhinreichend zum Ausdruck gebracht werden kann, dass und weshalb das\nerstinstanzliche Urteil weiterhin angefochten wird. In asylrechtlichen\nStreitigkeiten genugt eine Berufungsbegrundung den Anforderungen des § 124 a\nAbs. 6 VwGO regelmaßig etwa dann, wenn sie zu einer entscheidungserheblichen\nFrage ihre von der Vorinstanz abweichende Beurteilung deutlich macht, was auch\ndurch die Bezugnahme auf die Begrundung des insoweit erfolgreichen\nZulassungsantrags und auf den Zulassungsbeschluss geschehen kann (st.\nRechtspr. des BVerwG, z.B. Urteil vom 18.07.2006 - 1 C 15.05 - <juris>; VGH\nBad.-Wurtt., Urteil vom 27.11.1997 - A 16 S 193/97 -, NVwZ 1998, 1089 f.). Dem\nwird die auf den Berufungszulassungsantrag sowie den Zulassungsbeschluss des\nerkennenden Senats verweisende Berufungsbegrundung der Beklagten vom\n02.02.2006 gerecht. \n--- \n**II.** \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Berufung ist auch begrundet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte\nmit dem angefochtenen Urteil zu Unrecht verpflichtet, festzustellen, dass die\nVoraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG erfullt sind und daher auch zu\nUnrecht den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Den Klagern steht namlich der\nmit der Berufung weiterverfolgte Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen\ndes § 60 Abs. 1 AufenthG nicht zu, und die Beklagte kann auch nicht zur\n(hilfsweise beantragten) Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs.\n2 bis 5 AufenthG, § 60 Abs. 7 AufenthG und Art. 15 c RL 2004/83/EG\nverpflichtet werden (siehe § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). \n--- \n| 21 \n--- \n| 1\\. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Auslander in Anwendung der\nGenfer Fluchtlingskonvention (Abkommen vom 28.07.1951 uber die Rechtstellung\nder Fluchtlinge, BGBl. 1953 II, S. 559 - GFK -) nicht in einen Staat\nabgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse,\nReligion, Staatsangehorigkeit seiner Zugehorigkeit zu einer bestimmten\nsozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach\nSatz 4 dieser Bestimmung kann eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 ausgehen\nvom Staat selbst, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder\nwesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder von nichtstaatliche\nAkteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler\nOrganisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind,\nSchutz vor der Verfolgung zu bieten; dies gilt nach der gesetzlichen Regelung\nunabhangig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden\nist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche\nFluchtalternative. Eine Verfolgung liegt vor, wenn dem Einzelnen in Anknupfung\nan eines der genannten Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefugt werden,\ndie ihn ihrer Intensitat nach aus der ubergreifenden Friedensordnung der\nstaatlichen Einheit ausgrenzen (siehe grundsatzlich: BVerfG, Urteil vom\n10.07.1989 - 2 BvR 502, 1000 und 961/86 -, BVerfGE 80, 315, S. 339 und\nHailbronner, Kommentar zum Auslanderrecht, Stand Oktober 2006, RdNr. 41 zu §\n60 AufenthG). \n--- \n| 22 \n--- \n| Bei Auslegung und Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG ist die Richtlinie\n2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004, ABl. vom 30.09.2004 L 304/12\n(Qualifikationsrichtlinie) zu berucksichtigen, denn am 10.10.2006 ist gemaß\nArt. 38 Abs. 1 RL 2004/83/EG die Umsetzungsfrist fur diese Richtlinie\nabgelaufen. Nach der Rechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs kommt nicht\nfristgerecht umgesetzten Richtlinien im Recht der Mitgliedstaaten eine\nunmittelbare Wirkung zu, wenn die Richtlinie von ihrem Inhalt her unbedingt\nund hinreichend bestimmt ist, um im Einzelfall angewandt zu werden, und sie\ndem Einzelnen subjektiv-offentliche Rechte einraumt oder jedenfalls seine\nrechtlichen Interessen schutzen will (vgl. EuGH, Urteile vom 05.04.1979 - Rs.\n148/78 - <Ratti>, Slg. 1979, 1629 Rn. 23; Ruffert, in: Callies/Ruffert,\nEUV/EGV, Kommentar, 2. Aufl. (2002), Art. 249 EGV RdNr. 73 ff.). Diese\nVoraussetzungen liegen im Fall der Qualifikationsrichtlinie vor; die darin\nenthaltenen Regelungen erfullen zum ganz uberwiegenden Teil diese\nVoraussetzungen. Dies hat zur Folge, dass die nationalen Bestimmungen unter\nBerucksichtigung der Richtlinienbestimmung richtlinienkonform auszulegen sind,\nund im Falle des Entgegenstehens der nationalen Bestimmung die\nRichtlinienbestimmung unmittelbare Anwendung findet (vgl. auch Hinweise des\nBundesministerium des Innern vom 13.09.2006 zur Anwendung der Richtlinie\n2004/83/EG, S. 2 - kunftig: Hinweise des BMI -). Hierbei sind die\nAnforderungen an die Verfolgungsmotivation und an die in Betracht kommenden\n(staatlichen und nichtstaatlichen) Verfolgungssubjekte in der RL 2004/83/EG\nund in dem ihr insoweit nachgebildeten § 60 Abs. 1 AufenthG deckungsgleich\ngeregelt. \n--- \n| 23 \n--- \n| Ob und inwieweit sich bei anderen Verfolgungsmerkmalen Abweichungen bei den\nVoraussetzungen und beim Verfolgungsmaßstab zwischen § 60 Abs. 1 AufenthG und\nder RL 2004/83/EG ergeben konnten, kann der Senat weitgehend offen lassen.\nDenn auch wenn von der fur die Klager jeweils gunstigsten tatsachlichen und\nrechtlichen Konstellation hinsichtlich einer Vorverfolgung in Tschetschenien\nvor der Ausreise ausgegangen wird (dazu 1.) und der Senat zudem auch ihre\nVerfolgung in Tschetschenien im Falle der Ruckkehr unterstellt , konnen sie\nFluchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AuslG und nach der RL 2004/83/EG jedenfalls\ndeswegen nicht erhalten, weil ihnen jedenfalls eine inlandische\nFluchtalternative i.S.v. § 60 Abs. 1 Satz 4 c) AufenthG bzw. interner Schutz\nim Sinne von Art. 8 der Qualifikationsrichtlinie in Gebieten außerhalb\nTschetscheniens zur Verfugung steht (dazu 2.). \n--- \n| 24 \n--- \n| 1\\. Einem Asylbewerber, der bereits einmal politisch verfolgt war, kommt\nnach nationalem Recht wie nach der RL 2004/83/EG ein herabgestufter\nVerfolgungsmaßstab zugute. Nach nationalem Recht kann ihm eine Ruckkehr in\nseine Heimat nur zugemutet werden, wenn die Wiederholung von\nVerfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist\n(vgl. BVerwGE 70, 169 <170 f.>). Nach diesem Maßstab wird nicht verlangt, dass\ndie Gefahr erneuter Übergriffe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit\nausgeschlossen werden kann. Vielmehr ist - uber die theoretische Moglichkeit,\nOpfer eines Übergriffs zu werden, hinaus - erforderlich, dass objektive\nAnhaltspunkte einen Übergriff als nicht ganz entfernt und damit als durchaus\nreale Moglichkeit erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.09.1992 - 9 C\n62/91 -, NVwZ 1993 S. 191). Dem entspricht im Ergebnis Art. 4 Abs. 4 der\nQualifikationsrichtlinie, wonach die Tatsache einer bereits eingetretenen oder\nunmittelbar drohenden Verfolgung als ernsthafter Hinweis darauf zu werten ist,\ndass die Furcht des Schutzsuchenden vor Verfolgung begrundet ist. \n--- \n| 25 \n--- \n| Der Senat unterstellt zugunsten der Klager, dass sie vor der Ausreise aus\nTschetschenien dort von einer derartigen Verfolgung in Form einer regionalen\nGruppenverfolgung betroffen waren. Ob dies tatsachlich der Fall war - ob\nmithin tschetschenische Volkszugehorige aus Tschetschenien dort aus\nasylerheblichen Grunden (wegen ihres Volkstums oder ihrer politischen\nÜberzeugung) in der erforderlichen Verfolgungsdichte und -intensitat von\nstaatlichen russischen Stellen verfolgt wurden - braucht demgemaß nicht\nentschieden zu werden. Allerdings folgt der Senat dem Verwaltungsgericht\ndarin, dass die Klager jedenfalls eine individuelle Vorverfolgung nicht\nbelegen konnen. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann zunachst auf die\nuberzeugenden Ausfuhrungen des Verwaltungsgerichts hierzu verwiesen werden.\nAuch der Senat hat in der mundlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass\nder Klager jedenfalls hinsichtlich des Vorfalls im Jahre 2003, der Ausloser\nfur seine Flucht gewesen sein soll, von Geschehnissen berichtet hat, die er\nnicht selbst erlebt hat. Zu oberflachlich und unbeteiligt geriet seine\nSchilderung. Auch soweit er erstmals in der mundlichen Verhandlung vor dem\nerkennenden Senat von sexuellen Erniedrigungen und Demutigungen berichtet hat,\nzeigte er keine Emotionen und vermittelte dem Senat einen durchweg\nunbeteiligten Eindruck. Hinzu kommt, dass es sich hierbei um eine deutliche\nSteigerung seines Vorbringens handelt, und er nicht plausibel erklaren konnte,\nweshalb er diese Geschehnisse nicht bereits bei seiner Anhorung vor dem\nBundesamt oder dem Verwaltungsgericht offenbart hat. Seine Einlassung auf den\nVorhalt des Gerichts, es sei ihm schwer gefallen, die sexuellen Demutigungen\nund Erniedrigungen einem Richter gegenuber zu bekunden, weil es sich bei den\nSoldaten ja um Manner gehandelt habe, uberzeugen den Senat schon deshalb\nnicht, weil der Klager sich in einer Art und Weise geaußert hat, die eine\nwirkliche Betroffenheit vermissen ließ. \n--- \n| 26 \n--- \n| 2\\. Auf der Grundlage der (unterstellten) (Gruppen-) Vorverfolgung der\nKlager ware ein Anspruch auf Fluchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG dann\ngegeben, wenn sie zum einen auch bei einer Ruckkehr nach Tschetschenien wegen\nihrer tschetschenischen Volkszugehorigkeit einer (regionalen)\nGruppenverfolgung - mit der erforderlichen Verfolgungsmotivation und\nVerfolgungsdichte - unterlagen, wobei sie sich auf einen herabgestuften\nWahrscheinlichkeitsmaßstab berufen konnten, und wenn ihnen zum anderen eine\nzumutbare inlandische Fluchtalternative in anderen Landesteilen Russlands\nnicht zur Verfugung stunde. Ob die erstgenannte Voraussetzung\n(Gruppenverfolgung in Tschetschenien, hinreichende Sicherheit) gegeben ist,\nbraucht der Senat ebenfalls nicht zu entscheiden. Denn auch wenn er diesen\nVerfolgungssachverhalt zu Gunsten der Klager unterstellt, konnen sich die\nKlager jedenfalls an einen Ort innerhalb der Russischen Foderation begeben, an\ndem sie eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4\nc) AufenthG nach Maßgabe der Auslegungskriterien nach Art. 8 RL 2004/83/EG\n(interner Schutz) finden konnen. \n--- \n| 27 \n--- \n| a) Gemaß Art. 8 Abs. 1 RL 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) konnen die\nMitgliedsstaaten bei der Prufung des Antrags auf internationalen Schutz\nfeststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benotigt,\nsofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begrundete Furcht vor\nVerfolgung bzw. keine tatsachliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu\nerleiden, besteht, und von dem Antragsteller vernunftigerweise erwartet werden\nkann, dass er sich in diesem Landesteil aufhalt. Gemaß Art. 8 Abs. 2 RL\n2004/83/EG berucksichtigen die Mitgliedsstaaten bei der Prufung der Frage, ob\nein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Abs. 1 erfullt, die\ndortigen allgemeinen Gegebenheiten und die personlichen Umstande des\nAntragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung uber den Antrag. Art. 8 RL\n2004/83/EG ermachtigt die Mitgliedsstaaten zunachst grundsatzlich, den\ninternationalen Schutz einzuschranken, wenn die betreffende Person in einem\nTeil des Herkunftslandes unter zumutbaren Umstanden Schutz vor Verfolgung\ngefunden hat oder findet. Wie Art. 1 Nr. 38 a) bb) und cc) des Gesetzentwurfs\nder Bundesregierung zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien\nder Europaischen Union (Stand: 13.03.2006) zeigt, werden diese Vorgaben in der\nNeufassung des § 60 Abs. 1 AufenthG aufgegriffen und umgesetzt. \n--- \n| 28 \n--- \n| Nach Art. 8 Abs. 2 RL 2004/83/EG kommt es nunmehr auf die am Ort des\ninternen Schutzes bestehenden „allgemeinen Gegebenheiten" und zusatzlich auch\nauf die „personlichen Umstande" des Asylsuchenden im Zeitpunkt der\nEntscheidung uber den Antrag an (so auch die Begrundung des oben genannten\nGesetz-Entwurfs zu Art. 1, Nr. 38 zur Auslegung von Art. 8 RL 2004/83/EG, S.\n193 f.). Zur Interpretation des Begriffs der personlichen Umstande kann auf\nArt. 4 Abs. 3 Buchst. c RL 2004/83/EG zuruckgegriffen werden, wonach die\nindividuelle Lage und die personlichen Umstande des Asylsuchenden\neinschließlich solcher Faktoren wie familiarer und sozialer Hintergrund,\nGeschlecht und Alter, bei der Entscheidung zugrunde zu legen sind. Zu fragen\nist sodann auf der Grundlage dieses gemischt objektiv-individuellen Maßstabs,\nob von einem Antragsteller vernunftigerweise erwartet werden kann, dass er\nsich am Ort der internen Fluchtalternative aufhalt. Erforderlich hierfur ist ,\ndass er am Zufluchtsort unter personlich zumutbaren Bemuhungen jedenfalls sein\nExistenzminimum sichern kann. Fehlt es an einer solchen Moglichkeit der\nExistenzsicherung, ist eine interne Schutzmoglichkeit nicht gegeben. \n--- \n| 29 \n--- \n| Dies entspricht im Kern der geltenden Rechtsprechung zu den\nMindestanforderungen einer inlandischen Fluchtalternative. Das\nBundesverwaltungsgericht hat hierbei auch bisher schon die individuellen\nUmstande des Asylsuchenden in den Blick genommen. So hat es eine inlandische\nFluchtalternative beispielsweise dann verneint, wenn fur einen vorverfolgten\nFluchtling am Zufluchtsort das wirtschaftliche Existenzminimum wegen in seiner\nPerson liegender Merkmale - etwa wegen Behinderung oder wegen hohen Alters -\nnicht gewahrleistet ist oder wenn der Vorverfolgte am Ort der\nFluchtalternative keine Verwandten oder Freunde hat, bei denen er Obdach oder\nUnterstutzung finden konnte, und ohne eine solche Unterstutzung dort kein\nLeben uber dem Existenzminimum moglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.1993 -\n9 C 45.92 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 166). In einer neuen Entscheidung\nhat sich das Bundesverwaltungsgericht ferner mit der Frage auseinandergesetzt,\nwas dem Betroffenen am Ort der Fluchtalternative an Tatigkeiten zumutbar ist,\num seinen Lebensunterhalt zu sichern (Beschluss vom 31.08.2006 - 1 B 96/06 -\n<juris>) und hat damit Erwagungen angestellt, die auch den Anforderungen des\nArt. 8 RL 2004/83/EG Rechnung tragen. Nach den Ausfuhrungen des\nBundesverwaltungsgerichts, denen der Senat folgt, bietet ein\nverfolgungssicherer Ort erwerbsfahigen Personen das wirtschaftliche\nExistenzminimum grundsatzlich dann, wenn sie dort - was grundsatzlich zumutbar\nist - durch eigene und notfalls auch weniger attraktive und ihrer Vorbildung\nnicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls\nnach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt\nunbedingt Notwendige erlangen konnen. Zu den regelmaßig zumutbaren Arbeiten\ngehoren dabei auch Tatigkeiten, fur die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen\nArbeitsmarkt gibt, die nicht uberkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil\nsie keinerlei besondere Fahigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur\nDeckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeubt werden konnen, auch soweit diese\nArbeiten im Bereich einer "Schatten- oder Nischenwirtschaft" stattfinden. Der\nVerweis auf eine entwurdigende oder eine kriminelle Arbeit - etwa durch\nBeteiligung an Straftaten im Rahmen „mafioser" Strukturen - ist dagegen nicht\nzumutbar (BVerwG, Beschluss vom 17.05.2005 - 1 B 100/05 - <juris>). Maßgeblich\nist grundsatzlich auch nicht, ob der Staat den Fluchtlingen einen durchgehend\nlegalen Aufenthaltsstatus gewahren wurde, vielmehr ist in tatsachlicher\nHinsicht zu fragen, ob das wirtschaftliche Existenzminimum zur Verfugung steht\n(vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.08.2006 - 1 B 96/06 - a.a.O.; a.A. OVG\nMagdeburg, Urteil v. 31.03.2006 - 2 L 40/06 - <juris>, d.h. ob mit den\nerlangten Mitteln auch die notwendigsten Aufwendungen fur Leben und Gesundheit\naufgebracht werden konnen. \n--- \n| 30 \n--- \n| b) Gemessen an diesen Grundsatzen ist es den Klagern - nach der\ngegenwartigen Sachlage (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG sowie Art. 8 Abs. 2 RL\n2004/83/EG) - zuzumuten und kann von ihnen daher auch vernunftigerweise\nerwartet werden, dass sie ihren Aufenthalt in einem anderen Landesteil der\nRussischen Foderation nehmen, an dem sie vor Verfolgung sicher sind und wo ihr\nsoziales und wirtschaftliches Existenzminimum gewahrleistet ist. Selbst wenn\ndabei mit dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Hess. VGH, Urteil vom\n18.05.2006 - 3 UE 177/04.A - <juris>) und dem Bayerischen\nVerwaltungsgerichtshof (Bay.VGH, Urteil vom 31.01.2005 - 11 B 02.31597 -\n<juris>) die Regionen Inguschetien, Kabardino-Balkarien, Krasnodar und\nStawropol als Orte/Raume einer inlandischen Fluchtalternative ebenso\nausgenommen werden wie die russische Hauptstadt Moskau und Petersburg, hat\nzumindest die Klagerin zu 2 gegenwartig die Moglichkeit, in der\ntschetschenischen Diaspora innerhalb Russlands eine Registrierung zu erhalten\nund mit ihrer Registrierung fur die ganze Familie das soziale und\nwirtschaftliche Existenzminimum zu sichern, denn sie verfugt uber einen neuen\ngultigen russischen Inlandspass, der u.a. Voraussetzung fur eine Registrierung\nist. Hierzu ist im Einzelnen folgendes auszufuhren: \n--- \n| 31 \n--- \n| Art. 27 der russischen Verfassung von 1993 garantiert zwar die\nNiederlassungsfreiheit. Dieses Recht ist indessen strikt begrenzt durch\nregionale und lokale Bestimmungen und durch das de facto vielerorts noch\ngultige Propiska-System, das vor dem mit dem Foderationsgesetz im Jahre 1993\neingefuhrten Registrierungssystem galt und das nicht nur eine Meldung durch\nden Burger, sondern auch die Gestattung oder Verweigerung durch die Behorden\nvorsah. Nach dem Registrierungssystem ist nunmehr Voraussetzung fur eine\ndauerhafte Registrierung, dass der Antragsteller einen Wohnraumnachweis fuhren\nkann und uber einen russischen Inlandspass verfugt. Ein in Deutschland\nausgestelltes Passersatzpapier reicht fur eine dauerhafte Registrierung nicht\naus (AA, Lagebericht vom 18.08.2006, S. 26). Trotz der Systemumstellung durch\ndas Foderationsgesetz wenden viele Regionalbehorden der Russischen Foderation\nrestriktive ortliche Vorschriften oder Verwaltungspraktiken an, weshalb\nTschetschenen außerhalb Tschetscheniens erhebliche Schwierigkeiten haben, eine\noffizielle Registrierung zu erhalten. Besonders in Moskau haben zuruckgefuhrte\nTschetschenen in der Regel nur dann eine Chance, in der Stadt Aufnahme zu\nfinden, wenn sie uber genugend Geld verfugen oder auf ein Netzwerk von\nBekannten oder Verwandten zuruckgreifen konnen. Hierbei haben sich die\nadministrativen Schwierigkeiten und auch die Behordenwillkur nach der\nGeiselnahme im Oktober 2002 gegenuber - besonderes auch ruckkehrenden -\nTschetschenen verstarkt; daran durfte sich auf absehbare Zeit angesichts der\nweiterhin fortbestehenden Terrorgefahr auch nichts andern (AA, Lagebericht vom\n18.08.2006, S. 26). \n--- \n| 32 \n--- \n| Die genannten Registrierungsvoraussetzungen gelten im ganzen Land.\nGleichwohl ist eine offizielle Registrierung in anderen Regionen der\nRussischen Foderation, vor allem in Sudrussland, grundsatzlich leichter\nmoglich als in Moskau, unter anderem weil Wohnraum - eine der\nRegistrierungsvoraussetzungen - dort erheblich billiger ist als in der\nrussischen Hauptstadt mit ihren hohen Mieten. Neben Moskau, wo etwa 200.000\nTschetschenen leben und den oben genannten, als Ort des internen Schutzes\nmoglicherweise nicht in Betracht kommenden Regionen, ist es Tschetschenen auch\ngelungen, sich im Gebiet Rostow (70.000), in der Wolgaregion (50.000), in\nNordossetien (4.000) und in Karatschajewo-Tscherkessien (23.000) anzusiedeln\n(AA, Lagebericht vom 18.08.2006, S. 18). \n--- \n| 33 \n--- \n| c) Zur Überzeugung des Senats wird es auch der Klagerin zu 2, die im Besitz\neines neuen gultigen russischen Inlandspasses ist, gelingen, in diesen\ntschetschenischen Siedlungsgebieten Wohnraum fur sich und ihre Familie zu\nerlangen und damit grundsatzlich die geforderten Rechtsvoraussetzungen fur\neine Registrierung zu erfullen. Im Hinblick auf die Moglichkeit, eine\nRegistrierung zu erhalten bzw. ohne eine solche zu leben, fuhrt MEMORIAL in\nseinem Schreiben vom 16.10.2005 allerdings aus, dass es sich auch an kleinen\nOrten nicht ohne Registrierung leben lasse, denn diese werde an jedem Ort\nbenotigt. Hinzu komme, dass in kleinen Ortschaften alles sichtbar sei und man\nnicht „mit der großen Masse verschmelzen" konne. Der Senat geht gleichwohl\nnicht davon aus, dass die Klagerin zu 2 an einem solchen Ort ohne\nRegistrierung wird leben mussen. Trotz aller Schwierigkeiten, vor die sich die\nAngehorigen der tschetschenischen Volksgruppe bei Registrierungen gestellt\nsehen, ist nach Auskunft des Auswartigen Amtes eine Registrierung in vielen\nLandesteilen moglich, wenn auch oft erst nach Intervention von Nicht-\nRegierungsorganisationen, Duma-Abgeordneten oder anderen einflussreichen\nPersonlichkeiten oder durch Bestechung (Lagebericht des AA vom 18.08.2006,\nStand Juli 2006, S. 27). Bei ihren diesbezuglichen Bemuhungen kann die\nKlagerin zu 2 auch auf die Unterstutzung ihres Ehemannes zahlen. Auch wenn\ndieser selbst uber keinen gultigen Inlandspass verfugt und damit die\nRegistrierungsvoraussetzungen fur seine Person nicht erfullt, wird es ihm\ngelingen, in der stark mannlich dominierten tschetschenischen Diaspora\nWohnraum zu organisieren und fur sich selbst - auch ohne eigene Registrierung\n(dazu sogleich) - zumindest in der so genannten „Schattenwirtschaft" eine\nArbeit zu finden, die es ihm ermoglicht, das wirtschaftliche Existenzminimum\nfur sich und seine Familie zu sichern. Darauf, ob er sich selbst registrieren\nlassen kann - wofur mangels eines gultigen Passes wenig spricht - und ob es\nihm zumutbar ware, zunachst nach Tschetschenien zuruckzukehren, um sich einen\nneuen Pass zu beschaffen (dazu AA vom 22.11.2005 an VG Berlin), kommt es\nvorliegend nicht an. Denn fur ihn als Angehorigen einer grundsatzlich\nregistrierungsberechtigten Ehefrau ist auch ohne gultigen Pass eine\nAufenthaltsnahme in einer als Ort des internen Schutzes in Betracht kommenden\nanderen Region der Russischen Foderation moglich und zumutbar (vgl. hierzu\nauch Hess. VGH, Urteil vom 18.05.2006 - 3 UE 177/04.A- <juris> Nr. 53 des\nDokuments; fur den Fall eines 35jahrigen allein stehenden Mannes). \n--- \n| 34 \n--- \n| Der Senat verkennt nicht, dass die Konsequenzen einer Nichtregistrierung\ngravierend sind und Rechtspositionen sowie eine Reihe sozialer Leistungen von\nder Registrierung abhangen, so das Recht auf Beschaftigung, auf medizinische\nVersorgung und Ausbildung. Gleichwohl werden sich die Klager nach den\nbesonderen Umstanden des Falles in den Zufluchtgebieten mit zumutbaren\nAnstrengungen eine ausreichende Lebensgrundlage schaffen konnen ( zu den\ngenerellen Verhaltnissen nicht registrierter Tschetschenen vgl. zuletzt AA,\nLagebericht vom 18.08.2006, S. 27). Entscheidend ist, dass die Klagerin zu 2\nuber einen gultigen russischen Inlandspass verfugt. Damit wird es ihr nach\nEinschatzung des Senats moglich sein, in der Russischen Foderation - außerhalb\nder oben angefuhrten Regionen, die als Orte des internen Schutzes nicht in\nBetracht kommen - eine Registrierung zu erhalten. Jedenfalls auf Grundlage\ndieser Registrierung wird es den Klagern im Familienverbund gelingen, sich\ndurch eine Tatigkeit des Klagers in der in der Russischen Foderation weit\nverbreiteten sog. „Schattenwirtschaft" eine ausreichende Lebensgrundlage zu\nschaffen. Der Klager ist ersichtlich gesund und zu korperlicher Arbeit in der\nLage. Er hat auch bereits in der Landwirtschaft gearbeitet und beim Bau\nmitgeholfen. Darauf, ob der Familie auch ohne Registrierung\n„vernunftigerweise" angesonnen werden konnte, sich in einer der\nZufluchtsregionen aufzuhalten - laut MEMORIAL („Menschen aus Tschetschenien in\nder Russischen Foderation, Juli 2005 bis Juli 2006", S. 35) ist seit\nInkrafttreten des Gesetzes Nr. 122 der Empfang von staatlichen\nUnterstutzungsgeldern und Renten bei fehlender Registrierung nicht moglich und\nwird der Besuch des Kindergartens und manchmal sogar der Schulbesuch erschwert\n- kommt es nicht an. \n--- \n**III.** \n--- \n| 35 \n--- \n| Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG\nvor, wobei fur die Auslegung Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 und die Art. 6\nbis 8 RL 2004/83/EG jeweils heranzuziehen sind (vgl. Hinweise des BMI, S.15).\nDer Senat hat keine Anhaltspunkte dafur, dass den Klagern bei einer Ruckkehr\nin die Russische Foderation Folter (§ 60 Abs. 2 AufenthG), die Todesstrafe (§\n60 Abs. 3 AufenthG) oder insbesondere eine unmenschliche Behandlung im Sinne\nvon Art. 3 der EMRK (§ 60 Abs. 5 AufenthG) droht. Art. 2 e RL 2004/83/EG\ndefiniert die „Person mit Anspruch auf subsidiaren Schutz" als\nDrittstaatsangehorigen oder Staatenlosen, der bei einer Ruckkehr Gefahr liefe,\neinen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie zu erleiden.\nAuch fur diese Personen sieht Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG vor, dass fur sie -\nfalls sie bereits vor ihrer Ausreise einen sonstigen ernsthaften Schaden\nerlitten haben -, der herab gestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab Anwendung\nfindet. Auch wenn der Senat dessen Vorliegen auch hier bei den Klagern\nunterstellt, scheidet ein Anspruch aus den oben genannten Grunden aus. \n--- \n| 36 \n--- \n| Auch fur eine Schutzgewahrung nach § 60 Abs. 7 AufenthG gilt\nentsprechendes. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines\nAuslanders in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort fur diesen\nAuslander eine erhebliche konkrete Gefahr fur Leib, Leben oder Freiheit\nbesteht. Mit Blick auf die Qualifikationsrichtlinie ist von der Abschiebung\neines Auslanders in einen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehoriger der\nZivilbevolkerung einer erheblichen individuellen Gefahr fur Leib oder Leben im\nRahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt ist.\nBei der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG\ngelten Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 und die Art. 6 bis 8 der Richtlinie\n2004/83/EG. Soweit die Klager in der mundlichen Verhandlung vor dem Senat im\nHinblick auf die Tatsache, dass die Umsetzungsfrist fur die\nQualifikationsrichtlinie mittlerweile abgelaufen ist, hilfsweise beantragt\nhaben, zusatzlich festzustellen, dass die Voraussetzungen des Art. 15 c RL\n2004/83/EG vorliegen, konnen sie damit gleichfalls nicht durchdringen, denn\nArt. 15 c RL 2004/83/EG ist ein Unterfall des § 60 Abs. 7 AufenthG und regelt\ndie subsidiare Schutzgewahrung in Fallen willkurlicher Gewalt im Zusammenhang\nmit bewaffneten Konflikten. Ob diese Voraussetzungen im konkreten Fall auf die\nSituation in Tschetschenien zutreffen, kann dahinstehen, denn auch hier gilt,\ndass den Klagern nach den obigen Ausfuhrungen eine zumutbare interne\nSchutzalternative zur Verfugung steht, diese auch erreichbar ist und von ihnen\nvernunftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich dort aufhalten. \n--- \n**IV.** \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO, § 83\nb AsylVfG. \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132\nAbs. 2 VwGO gegeben ist. Insbesondere kommt es auf die Frage, ob (und welche)\ntschetschenische Volkszugehorige in Tschetschenien einer (regionalen)\nGruppenverfolgung ausgesetzt sind, wegen der besonderen Umstande des\nEinzelfalls nicht an. \n---\n\n |
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142,681 | vg-sigmaringen-2006-11-16-7-k-228005 | 159 | Verwaltungsgericht Sigmaringen | vg-sigmaringen | Sigmaringen | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 7 K 2280/05 | 2006-11-16 | 2019-01-09 09:15:38 | 2019-01-17 12:02:50 | Urteil | ## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen\nKosten des Beigeladenen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager wendet sich gegen die Androhung eines Zwangsgeldes. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager ist Eigentumer des Grundstucks Flst.-Nr. ... in N., das in\nseinem vorderen Teil mit einem Wohnhaus bebaut ist. Ausweislich eines\nPachtvertrages vom 26.09.2000 hat der Klager den ruckwartigen Teil des\nGrundstucks Flst.-Nr. ... an den Beigeladenen verpachtet. Zwischen den\nBeteiligten ist unstreitig, dass die verpachtete Flache, die eine Große von\nca. 0,31 ha hat, im Außenbereich liegt. Im Oktober 2001 wurde eine\ntransportable Weidehutte auf dem verpachteten Teil des Grundstucks\naufgestellt. Die Weidehutte weist eine Große von ca. 3m x 6m x 2,5m\n(Raumvolumen ca. 45 m 3 ) auf, wobei die den Transport ermoglichenden Rader\nsowie die Deichsel abmontiert sind. Die Weidehutte dient wahrend der\nSommermonate als Unterstand fur die beiden Pferde des Klagers, wobei sich der\nBeigeladene in dem Vertrag vom 26.09.2000 zur Einstellung, Pflege und\nFutterung dieser Pferde verpflichtet hat. Der Beigeladene besitzt ca 7 km vom\nGrundstuck des Klagers entfernt einen landwirtschaftlichen Betrieb. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Nach einer Baukontrolle im November 2001 verfugte das Landratsamt A. mit\nBescheid vom 05.03.2002 gegenuber dem Klager den Abbruch der Weidehutte und\nden Abtransport der verwendeten Baumaterialien. Zur Begrundung fuhrte das\nLandratsamt aus, dass die Weidehutte formell und materiell baurechtswidrig\nsei, da sie trotz Genehmigungspflichtigkeit ohne Genehmigung erbaut worden\nsei, eine Genehmigung des Vorhabens aber wegen seiner Lage im Außenbereich und\ndes Fehlens von Privilegierungstatbestanden ausscheide. Denn die Weidehutte\ndiene nicht einem landwirtschaftlichen Betrieb, sondern der Hobbytierhaltung\ndes Klagers, so dass sie nicht als privilegiertes Vorhaben im Sinne des\nBaugesetzbuches (BauGB) angesehen werden konne. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Gegen diese Verfugung legte der Klager am 19.03.2002 Widerspruch beim\nLandratsamt A. ein, den er damit begrundete, dass er das Grundstuck\nlangfristig an den Beigeladen verpachtet habe und einen\nPensionstierhaltungsvertrag bezuglich der beiden Pferde mit diesem geschlossen\nhabe. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Widerspruch des Klagers wurde mit Widerspruchsbescheid des\nRegierungsprasidiums T. vom 16.08.2002 zuruckgewiesen. Der im\nWiderspruchsverfahren erstmals erhobene Einwand, der Grundstucksteil sei an\nden Beigeladenen verpachtet, wurde vom Regierungsprasidiums T. als unglaubhaft\nangesehen. Selbst bei Annahme der Richtigkeit des Einwands sei das Vorhaben im\nAußenbereich jedoch unzulassig, weil es nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb\ndes Beigeladenen, sondern der Hobbytierhaltung des Klagers diene. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Klager erhob hiergegen Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen (7 K\n1923/02). Das damalige Verfahren wurde durch einen in der mundlichen\nVerhandlung vom 01.04.2003 zwischen dem Klager und dem beklagten Land\ngeschlossenen Vergleich beendet. Darin verpflichtete sich das beklagte Land,\nden Pferdeunterstand bis auf Widerruf zu dulden und im Falle von Beschwerden\nDritter erneut zu prufen, ob Vollstreckungsmaßnahmen getroffen werden. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Nachdem sich in der Folgezeit ein Nachbar des Klagers uber die Weidehutte\nbeschwert hatte, forderte das Landratsamt A. mit Bescheid vom 30.09.2003 den\nKlager unter Hinweis auf die Abbruchverfugung vom 05.03.2002 zur Entfernung\nder Weidehutte bis zum 31.10.2003 auf und drohte fur den Fall der\nNichtbefolgung der Anordnung ein Zwangsgeld in Hohe von 800 EUR an. Den\nhiergegen gerichteten Widerspruch nahm der Klager am 13.11.2003 zuruck,\nnachdem die Weidehutte zwischenzeitlich entfernt worden war. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Im Fruhjahr des Jahres 2004 wurde die Weidehutte durch den Beigeladenen\nwieder auf das Grundstuck verbracht und an einer anderen, weiter von der\nWohnbebauung entfernten Stelle wieder aufgebaut. Daraufhin setzte das\nLandratsamt A. dem Klager mit Bescheid vom 27.05.2004 erneut eine Frist zur\nBeseitigung der Weidehutte (bis zum 09.06.2004) und drohte ihm ein Zwangsgeld\nin Hohe von 500 EUR an. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Widerspruch vom 07.06.2004 machte der Klager geltend, dass nicht er,\nsondern der Beigeladene die Weidehutte wieder aufgebaut habe, nachdem das\nEigentum an der Weidehutte auf den Beigeladenen ubergegangen sei. Mit Bescheid\nvom 23.06.2004 half das Landratsamt dem Widerspruch des Klagers ab.\nGleichzeitig ersuchte das Landratsamt das Amt fur Landwirtschaft in U. um eine\numfassende Prufung der Frage, ob die durch den Beigeladenen wieder errichtete\nWeidehutte als nach dem Baugesetzbuch im Außenbereich privilegiertes Vorhaben\nangesehen werden konne. Diese Frage wurde durch das Amt fur Landwirtschaft\nabschlagig beurteilt, da die Weidehutte faktisch nicht dem\nlandwirtschaftlichen Betrieb des Beigeladenen, sondern nur der\nHobbytierhaltung des Klagers diene. Eine dienende Funktion der Weidehutte fur\nden landwirtschaftlichen Betrieb des Beigeladenen scheide wegen der Entfernung\nvon 7 km zwischen Hofstelle und dem Grundstuck in N. sowie auf Grund der\ngeringen Große desselben von nur 0,31 ha aus. Dies auch deshalb, weil dem\nBetrieb des Beigeladenen Futterflachen in ausreichendem Maß in M. zur\nVerfugung stunden. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit Bescheid vom 08.07.2005 (zugestellt am 13.07.2005) gab das Landratsamt\ndem Beigeladenen auf, den Abbruch der Weidehutte und die Zwangsvollstreckung\ngegen den Klager zu dulden. Zudem ordnete das Landratsamt die sofortige\nVollziehbarkeit der Duldungsverfugung an. Zur Begrundung wurde ausgefuhrt,\ndass die Duldung durch den Beigeladenen notwendig sei, um die Vollstreckung\nder bestandskraftigen Abbruchverfugung gegen den Klager durchfuhren zu konnen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Mit Bescheid vom 11.07.2005 (zugestellt am 13.07.2005) drohte das\nLandratsamt A. dem Klager die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Hohe von\n500,00 EUR fur den Fall an, dass er die Weidehutte nicht bis zum 15.08.2005\nbeseitige. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Gegen die Zwangsgeldandrohung legte der Klager am 11.08.2005 Widerspruch\nein und machte geltend, dass die Zwangsgeldandrohung die gegenwartigen Pacht-\nund Besitzverhaltnisse an Grundstuck und Weidehutte unberucksichtigt lasse. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Das Regierungsprasidium T. wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid\nvom 22.11.2005, zugestellt am 23.11.2005, zuruck. Zur Begrundung fuhrte das\nRegierungsprasidium aus, dass die Abbruchverfugung vom 05.03.2002 durch den\nverwaltungsgerichtlichen Vergleich bestandskraftig geworden sei, so dass die\nallgemeinen Voraussetzungen fur die Verwaltungsvollstreckung vorlagen. Auf\nGrund der anhaltenden Beschwerden des Nachbarn des Klagers sei ein\nEinschreiten der Behorde auch unter Berucksichtigung des gerichtlichen\nVergleichs sachgerecht. Die bestandskraftige Abbruchverfugung habe sich auch\nnicht erledigt, da der Klager als Eigentumer des Grundstucks weiterhin\nZustandsstorer sei und zudem seine Haftung als Handlungsstorer auf Grund der\nErrichtung der Weidehutte weiter fortwirke. Dieser Verantwortung konne sich\nder Klager nicht dadurch entziehen, dass er das Eigentum an der Hutte und den\nBesitz am Grundstuck einem Dritten uberlasse und die Wiedererrichtung durch\ndiesen dulde. Zudem habe sich die Abbruchverfugung vom 05.03.2002 auch nicht\ndadurch erledigt, dass die Weidehutte im Oktober 2003 entfernt und erst im\nFruhjahr 2004 wieder aufgebaut worden sei. Denn von einer Erledigung der\nVerfugung sei nur dann auszugehen, wenn der mit der Verfugung bezweckte Erfolg\nendgultig eingetreten sei. Insoweit beinhalte die Abbruchverfugung auch die\nstillschweigende, sich aus Sinn und Zweck der Verfugung ergebende\nVerpflichtung, einen Wiederaufbau der Hutte zu unterlassen. Auch habe das\nLandratsamt die Besitz- oder Eigentumsrechte des Beigeladenen zutreffend in\nder Form berucksichtigt, dass es die Duldungsverfugung vom 08.07.2005 gegen\nden Beigeladenen erlasse habe. Weiter sei auch die Wahl des konkreten\nZwangsmittels sachgerecht, da ein Zwangsgeld sowohl den Klager als auch die\nAllgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeintrachtigen werde. Schließlich\nsei auch die Hohe des Zwangsgeldes verhaltnismaßig und die einmonatige Dauer\nder Frist zur Beseitigung der Weidehutte angemessen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Klager hat am 21.12.2005 Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen\nerhoben, zu deren Begrundung er in Erganzung zur Argumentation im\nVerwaltungsverfahren geltend macht, dass sich die Abbruchverfugung vom\n05.03.2002 erledigt habe, da die Weidehutte 2003 von dem Grundstuck entfernt\nworden und der Abbruchverfugung somit Folge geleistet worden sei. Wenn nun der\nBeigeladene als neuer Eigentumer der Weidehutte diese wieder auf das an ihn\nverpachtete Grundstuck verbringe, so liege dies außerhalb des Einflussbereichs\ndes Klagers. Erledigung sei zudem auch im Hinblick darauf eingetreten, dass\ndie Weidehutte 2004 nicht an ihrem ursprunglichen Standort, sondern an einer\nanderen Stelle wieder aufgebaut worden sei. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| den Bescheid des Landratsamts A. vom 11.07.2005 und den\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums T. vom 22.11.2005 aufzuheben. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Zur Begrundung wird auf die streitgegenstandlichen Bescheide verwiesen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Mit Beschluss vom 06.10.2006 hat die Kammer den Pachter des hinteren\nGrundstucksteils des Klagers (Flst.-Nr. ...) beigeladen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Dem Gericht liegen die Behordenakten bezuglich des Klagers (auch\nhinsichtlich der Zwangsgeldfestsetzung, die Gegenstand des Verfahrens 7 K\n549/06 ist) sowie des Verfahrens des Beigeladenen (7 K 532/06) vor. Auf diese\nsowie auf die Gerichtsakten - auch der Verfahren 7 K 532/06 und 7 K 549/06 -\nwird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 23 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. Die angefochtenen Bescheide sind\nrechtmaßig und verletzen den Klager nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz\n1 VwGO). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Zwangsgeldandrohung hat ihre Ermachtigungsgrundlage in §§ 18, 19 Abs. 1\nNr. 1, 20 Abs. 1 LVwVG. Gemaß § 18 LVwVG werden Verwaltungsakte, die zu einer\nHandlung verpflichten, durch Zwangsmittel vollstreckt. Voraussetzung der\nbehordlichen Zwangsvollstreckung ist dabei die Vollziehbarkeit des zu\nvollstreckenden Verwaltungsaktes (§ 2 LVwVG), die Beachtung des Grundsatzes\nder Verhaltnismaßigkeit (§ 19 Abs. 2 und 3 LVwVG) und das Fehlen von\nVollstreckungshindernissen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Diesen Anforderungen wird die angefochtene Verfugung gerecht. Der Klager\nist Adressat der Abbruchverfugung des Landratsamts A. vom 05.03.2002, die ihm\naufgibt, die auf seinem Grundstuck errichtete Weidehutte sowie die dafur\nverwendeten Baumaterialien von dem Grundstuck zu entfernen. Diese\nAbbruchverfugung wurde in Folge der vergleichsweisen Beendigung des gegen die\nAbbruchverfugung gerichteten Verfahrens (7 K 1923/02) bestandskraftig und\nsomit unanfechtbar. Damit liegen die Voraussetzungen des § 2 Nr. 1 LVwVG vor. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Durch die zwischenzeitliche Entfernung der Weidehutte vom Grundstuck des\nKlagers ist auch keine Erledigung der Abbruchverfugung (vgl. § 43 Abs. 2\nLVwVfG) eingetreten. Soll eine behordliche Maßnahme das Verhalten des\nBetroffenen nicht nur einmalig, sondern auf Dauer steuern, erledigt sie sich\nnicht schon dann, wenn der Betroffene ihr zwar nachgekommen ist, seine\nDispositionen aber jederzeit wieder ruckgangig machen kann. Selbst im Falle\nder Vollstreckung eines Verwaltungsakts tritt keine Erledigung ein, wenn der\ndamit geschaffene Zustand wieder ruckgangig gemacht werden kann (vgl. BVerwG,\nBeschluss vom 17.11.1998 - 4 B 100/98 -, juris). Vorliegend hat das\nLandratsamt A. den Klager mit Verfugung vom 05.03.2002 angewiesen, die nach -\nzutreffender - Auffassung der Behorde nicht genehmigungsfahige Weidehutte\n(vgl. dazu Urteil der Kammer vom 16.11.2006 - 7 K 532/06 -) einschließlich der\nverwendeten Baumaterialien von seinem Grundstuck zu entfernen. Eine solche\nAbbruchverfugung, die das Ziel verfolgt, rechtmaßige Zustande herzustellen,\nist entsprechend ihrem Sinn und Zweck nicht auf ein einmaliges Verhalten\ngerichtet, sondern darauf, das Verhalten des Adressaten auf Dauer zu steuern.\nInsbesondere in Fallen wie dem vorliegenden, in denen die Abbruchverfugung\neine bauliche Anlage betrifft, die ohne großen Aufwand abtransportiert werden\nkann, ist der Anordnung daher das Gebot immanent, nach der Beseitigung der\nbaurechtswidrigen Anlage ihre Wiederaufstellung bzw. die erneute Verbringung\nauf das Grundstuck zu unterlassen (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom\n22.08.1986 - 3 TH 2137/86 -, NVwZ 1987, 427; der Fall betraf einen Wohnwagen).\nDenn nur auf diese Weise kann eine effektive Gefahrenabwehr gewahrleistet und\nein baurechtsgemaßer Zustand dauerhaft hergestellt werden. Gerade bei\ntransportablen uberwiegend ortsfest benutzten Anlagen wurde eine Abbruch- oder\nBeseitigungsverfugung leerlaufen, wenn bei der ersten Entfernung der Anlage\ndie Verfugung erledigt ware. Hiervon ausgehend ist die Abbruchverfugung vom\n05.03.2002 durch die Entfernung der Weidehutte vom Grundstuck des Beigeladenen\nim Oktober 2003 nicht gegenstandslos geworden. Vielmehr begrundete sie\nweiterhin die Verpflichtung des Klagers, die Weidehutte nicht wieder auf\nseinem Grundstuck aufzustellen oder aufstellen zu lassen. Hierbei folgt\nbereits aus der Grundstucksbezogenheit der Abbruchverfugung, dass die\nVerpflichtung des Klagers keineswegs darauf beschrankt war, nur einen\nWiederaufbau am vorherigen Standort der Weidehutte zu unterlassen, sondern\ndass vielmehr eine Wiedererrichtung auf dem Grundstuck uberhaupt zu\nunterbleiben hatte. Auch aus der Begrundung der Anordnung ergibt sich, dass\nsie zum Ziel hat, den Außenbereich von der Weidehutte freizuhalten und nicht\nnur die Entfernung von einem bestimmten Standort erreichen wollte. Folglich\nverstoßt auch die Wiedererrichtung am jetzigen Standort der Hutte gegen die\nAbbruchverfugung vom 05.03.2002. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Klager kann auch nicht mit Erfolg einwenden, dass sich die Sach- und\nRechtslage nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abbruchverfugung geandert\nhabe. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Adressat einer\nAbbruchverfugung Änderungen der Sach- und Rechtslage zu seinen Gunsten als\nEinwendungen im Vollstreckungsverfahren geltend machen kann, wenn diese\nEinwendungen erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des zu vollstreckenden\nBescheides entstanden sind. Voraussetzung fur den Erfolg einer solchen\nEinwendung ist aber ihre Entscheidungserheblichkeit, mithin also, dass die\nKenntnis der geanderten Lage vor Eintritt der Unanfechtbarkeit zu einer\nabweichenden Sachentscheidung hatte fuhren mussen (VGH Baden-Wurttemberg,\nUrteil vom 20.02.1980 - III 1333/79 -, BauR 1980, 346). Auf diese\nRechtsprechung kann sich der Klager aber weder im Hinblick auf die bestehenden\nPacht- und Besitzverhaltnisse an Grundstuck und Weidehutte noch im Hinblick\nauf den vom Klager behaupteten Übergang des Eigentums an der Weidehutte auf\nden Beigeladenen mit Erfolg berufen. Denn der Klager hat bereits in dem die\nAbbruchverfugung betreffenden Widerspruchsverfahren geltend gemacht, dass er\nden hinteren Teil seines Grundstucks einschließlich der Weidehutte an den\nBeigeladenen verpachtet habe, so dass es insoweit bereits an einer nach\nUnanfechtbarwerden der Abbruchverfugung eingetretenen Änderung der Sachlage\nfehlt. Auch soweit der Klager vortragt, dass die Weidehutte nach Eintritt der\nUnanfechtbarkeit der Abbruchverfugung in das Eigentum des Beigeladenen\nubergegangen und von diesem erneut auf das Grundstuck verbracht worden sei,\nkann er mit seiner Einwendung nicht durchdringen. Denn die\nbauordnungsrechtliche Verantwortlichkeit des Klagers lasst sich nicht nur an\ndie Errichtung und den Besitz oder das Eigentum an der Weidehutte knupfen,\nsondern unabhangig hiervon auch an die Verantwortlichkeit des Klagers als\nEigentumer des baurechtswidrig bebauten Grundstucks (§§ 65 LBO, 7 PolG).\nInsofern ist der Klager nach wie vor Zustandsstorer. Denn der Umstand, dass\nnicht der Klager, sondern der Beigeladene die Weidehutte wieder errichtet hat,\nandert - selbst wenn man unterstellen wollte, dass dies weder auf Veranlassung\nnoch mit Billigung des Klagers geschah - nichts daran, dass der Klager als\nEigentumer des Grundstucks fur dessen Zustand verantwortlich ist. Die\nZustandsverantwortlichkeit des Eigentumers findet ihre Grenze nur dort, wo dem\nEigentumer die Moglichkeit genommen wurde auf die Sache einzuwirken, weil ihm\ndiese gegen seinen Willen entzogen wurde (vgl. VGH Baden-Wurttemberg, Urteil\nvom 11.10.1985 - 5 S 1738/85 -, DÖV 1986, 249). Dagegen beruhrt die\nVerpachtung oder Vermietung einer Sache die Zustandsverantwortlichkeit des\nEigentumers nicht, da er auf Grund der zivilrechtlichen\nEinwirkungsmoglichkeiten weiterhin die rechtliche Sachherrschaft inne hat. Der\nKlager ist als Eigentumer somit auch dann bauordnungsrechtlich fur den Zustand\nseines Grundstucks verantwortlich, wenn er dieses verpachtet hat. Vor diesem\nHintergrund ware die Kenntnis der nachtraglichen Änderung der\nEigentumsverhaltnisse an der Weidehutte fur den Erlass der Abbruchverfugung\nnicht entscheidungserheblich gewesen, da ihr Bekanntsein nicht zu einer\nanderen Sachentscheidung hatte fuhren mussen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Entsprechendes gilt auch im Hinblick auf die Frage der Zulassigkeit der\nWeidehutte als im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiertes Vorhaben.\nDie Verpachtung des Grundstucks und der Weidehutte an den Beigeladenen war\nbereits im Widerspruchsverfahren bezuglich der Abbruchverfugung bekannt, so\ndass insoweit keine nachtragliche Änderung der Sachlage eingetreten ist.\nSoweit vom Klager nunmehr ein Übergang des Eigentums an der Weidehutte auf den\nBeigeladenen behauptet wird, so stellt dies keine entscheidungserhebliche\nÄnderung der Sachlage dar. Denn fur die bauplanungsrechtliche Beurteilung der\nFrage, ob ein Bauvorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne von § 35\nAbs. 1 Nr. 1 BauGB dient, kommt es, solange wie im hier vorliegenden Fall die\nEigentumsverhaltnisse an Grundstuck und Bauvorhaben auseinander fallen konnen,\nweil es sich bei der baulichen Anlage nicht um einen im Sinne von § 94 BGB\nwesentlichen Bestandteil des Grundstucks handelt (vgl. dazu das Urteil der\nKammer im Verfahren des Beigeladenen vom 16.11.1006 - 7 K 532/06 -), nicht\nentscheidend auf die Eigentumsverhaltnisse an der baulichen Anlage an (vgl.\naber zur Bedeutung der Frage, ob das Grundstuck selbst im Eigentum des\nLandwirts steht oder nur gepachtet ist: BVerwG, Urteil vom 03.11.1972 - IV C\n9.70 -, BVerwGE 41, 138, 143). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Vollstreckung der Abbruchverfugung steht auch kein\nVollstreckungshindernis entgegen, insbesondere hindert das Eigentumsrecht des\nBeigeladenen an der Weidehutte und dessen Besitzrecht hinsichtlich des\ngepachteten Grundstucksteils nicht die Vollstreckung gegenuber dem Klager.\nZwar ist anerkannt, dass im Rahmen der Vollstreckung von Verwaltungsakten, die\nzur Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verpflichten, nur\nsolche Handlungen erzwungen werden konnen, zu denen der Verpflichtete\nrechtlich und tatsachlich in der Lage ist. Es kann von dem Pflichtigen mithin\nalso nicht verlangt werden kann, dass er - gegen deren Willen - in Rechte\nDritter eingreift. Das Vollstreckungshindernis, das durch den\nentgegenstehenden Willen des Dritten begrundet wird, in dessen Rechte durch\ndie Vornahme der zu erzwingenden Handlung eingegriffen werden muss, wird aber\nuberwunden, wenn der Dritte durch die Behorde zur Duldung der zu erzwingenden\nHandlung verpflichtet wird (vgl. VGH Baden-Wurttemberg, Urteil vom 01.12.1972\n- VIII 1040/71 -, BRS 25 Nr. 206). Dabei reicht es aus, wenn die\nDuldungsverfugung zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung, der gemaß § 79\nAbs. 1 Nr. 1 VwGO auch fur die Rechtmaßigkeit der Zwangsgeldandrohung\nmaßgebend ist, vollziehbar ist (vgl. VGH Baden-Wurttemberg, Urteil vom\n24.11.1997 - 5 S 3409/95 -, Vensa). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Vorliegend hat das Landratsamt A. mit (rechtmaßiger, vgl. Urteil der Kammer\nvom 16.11.2006 - 7 K 532/06 -) Verfugung vom 08.07.2005 den Beigeladenen dazu\nverpflichtet, den vollstandigen Abbruch der Weidehutte auf dem Grundstuck des\nKlagers sowie Zwangsmittel, die zur Vollstreckung des Abbruchs gegenuber dem\nKlager ergehen, zu dulden. Die sofortige Vollziehbarkeit der Duldungsverfugung\nwurde angeordnet. Die Duldungsverfugung wurde dem Beigeladenen am selben Tag\n(13.07.2005) zugestellt wie dem Klager die Zwangsgeldandrohung, also deutlich\nvor Erlass des Widerspruchsbescheides uber die Zwangsgeldandrohung. Da somit\nder Beigeladene vollziehbar zur Duldung der Beseitigung der Weidehutte durch\nden Klager verpflichtet ist, stehen - zum maßgeblichen Zeitpunkt der\nWiderspruchsentscheidung uber die Zwangsgeldandrohung - weder das\nEigentumsrecht des Beigeladenen an der Weidehutte noch sein Besitzrecht auf\nGrund des Grundstuckspachtvertrags der Vollstreckung der Abbruchverfugung vom\n05.03.2002 entgegen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Von seinem Ermessen (§ 19 LVwVG) hat das Landratsamts A. als zustandige\nVollstreckungsbehorde (§ 4 Abs. 1 LVwVG) in nicht zu beanstandender Weise\nGebrauch gemacht. Insbesondere ist sowohl die Wahl des Zwangmittels Zwangsgeld\nals auch die Bemessung der Zwangsgeldhohe verhaltnismaßig und angemessen (§ 19\nAbs. 2 und 3 LVwVG). Denn zwischen Zwangsgeld und Ersatzvornahme besteht in\nBaden-Wurttemberg weder nach dem Gesetz noch nach der Rechtsprechung des\nVerwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttemberg ein gesetzlicher Vorrang eines der\nbeiden Zwangsmittel (vgl. VGH Baden-Wurttemberg, Urteil vom 04.12.2003 - 5 S\n2781/02 -, Vensa). Das Zwangsgeld ist der Hohe nach im unteren Bereich des\nMoglichen angesiedelt (vgl. § 23 LVwVG), jedoch nicht so gering bemessen, dass\nes nicht mehr geeignet erscheint, den Klager zur Vornahme der Handlung zu\nveranlassen. Schließlich ist auch die zur Erfullung der Abbruchverfugung\neingeraumte Frist (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 2 LVwVG) nicht zu beanstanden. Die\nWeidehutte ist nach Aussage des Klagers transportabel und leicht auf- und\nabzubauen, so dass die Frist zur Beseitigung der Weidehutte bis zum\n15.08.2005, die in der am 13.07.2005 zugestellten Zwangsgeldandrohung\neingeraumt wurde, vollig ausreichend ist. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.\nNachdem der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, entspricht es der\nBilligkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst tragt. Von der\nMoglichkeit, das Urteil hinsichtlich der Kosten fur vorlaufig vollstreckbar zu\nerklaren (§ 167 Abs. 2 VwGO), macht die Kammer keinen Gebrauch. Grunde fur\neine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich (§§ 124, 124 a VwGO). \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 23 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. Die angefochtenen Bescheide sind\nrechtmaßig und verletzen den Klager nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz\n1 VwGO). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Zwangsgeldandrohung hat ihre Ermachtigungsgrundlage in §§ 18, 19 Abs. 1\nNr. 1, 20 Abs. 1 LVwVG. Gemaß § 18 LVwVG werden Verwaltungsakte, die zu einer\nHandlung verpflichten, durch Zwangsmittel vollstreckt. Voraussetzung der\nbehordlichen Zwangsvollstreckung ist dabei die Vollziehbarkeit des zu\nvollstreckenden Verwaltungsaktes (§ 2 LVwVG), die Beachtung des Grundsatzes\nder Verhaltnismaßigkeit (§ 19 Abs. 2 und 3 LVwVG) und das Fehlen von\nVollstreckungshindernissen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Diesen Anforderungen wird die angefochtene Verfugung gerecht. Der Klager\nist Adressat der Abbruchverfugung des Landratsamts A. vom 05.03.2002, die ihm\naufgibt, die auf seinem Grundstuck errichtete Weidehutte sowie die dafur\nverwendeten Baumaterialien von dem Grundstuck zu entfernen. Diese\nAbbruchverfugung wurde in Folge der vergleichsweisen Beendigung des gegen die\nAbbruchverfugung gerichteten Verfahrens (7 K 1923/02) bestandskraftig und\nsomit unanfechtbar. Damit liegen die Voraussetzungen des § 2 Nr. 1 LVwVG vor. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Durch die zwischenzeitliche Entfernung der Weidehutte vom Grundstuck des\nKlagers ist auch keine Erledigung der Abbruchverfugung (vgl. § 43 Abs. 2\nLVwVfG) eingetreten. Soll eine behordliche Maßnahme das Verhalten des\nBetroffenen nicht nur einmalig, sondern auf Dauer steuern, erledigt sie sich\nnicht schon dann, wenn der Betroffene ihr zwar nachgekommen ist, seine\nDispositionen aber jederzeit wieder ruckgangig machen kann. Selbst im Falle\nder Vollstreckung eines Verwaltungsakts tritt keine Erledigung ein, wenn der\ndamit geschaffene Zustand wieder ruckgangig gemacht werden kann (vgl. BVerwG,\nBeschluss vom 17.11.1998 - 4 B 100/98 -, juris). Vorliegend hat das\nLandratsamt A. den Klager mit Verfugung vom 05.03.2002 angewiesen, die nach -\nzutreffender - Auffassung der Behorde nicht genehmigungsfahige Weidehutte\n(vgl. dazu Urteil der Kammer vom 16.11.2006 - 7 K 532/06 -) einschließlich der\nverwendeten Baumaterialien von seinem Grundstuck zu entfernen. Eine solche\nAbbruchverfugung, die das Ziel verfolgt, rechtmaßige Zustande herzustellen,\nist entsprechend ihrem Sinn und Zweck nicht auf ein einmaliges Verhalten\ngerichtet, sondern darauf, das Verhalten des Adressaten auf Dauer zu steuern.\nInsbesondere in Fallen wie dem vorliegenden, in denen die Abbruchverfugung\neine bauliche Anlage betrifft, die ohne großen Aufwand abtransportiert werden\nkann, ist der Anordnung daher das Gebot immanent, nach der Beseitigung der\nbaurechtswidrigen Anlage ihre Wiederaufstellung bzw. die erneute Verbringung\nauf das Grundstuck zu unterlassen (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom\n22.08.1986 - 3 TH 2137/86 -, NVwZ 1987, 427; der Fall betraf einen Wohnwagen).\nDenn nur auf diese Weise kann eine effektive Gefahrenabwehr gewahrleistet und\nein baurechtsgemaßer Zustand dauerhaft hergestellt werden. Gerade bei\ntransportablen uberwiegend ortsfest benutzten Anlagen wurde eine Abbruch- oder\nBeseitigungsverfugung leerlaufen, wenn bei der ersten Entfernung der Anlage\ndie Verfugung erledigt ware. Hiervon ausgehend ist die Abbruchverfugung vom\n05.03.2002 durch die Entfernung der Weidehutte vom Grundstuck des Beigeladenen\nim Oktober 2003 nicht gegenstandslos geworden. Vielmehr begrundete sie\nweiterhin die Verpflichtung des Klagers, die Weidehutte nicht wieder auf\nseinem Grundstuck aufzustellen oder aufstellen zu lassen. Hierbei folgt\nbereits aus der Grundstucksbezogenheit der Abbruchverfugung, dass die\nVerpflichtung des Klagers keineswegs darauf beschrankt war, nur einen\nWiederaufbau am vorherigen Standort der Weidehutte zu unterlassen, sondern\ndass vielmehr eine Wiedererrichtung auf dem Grundstuck uberhaupt zu\nunterbleiben hatte. Auch aus der Begrundung der Anordnung ergibt sich, dass\nsie zum Ziel hat, den Außenbereich von der Weidehutte freizuhalten und nicht\nnur die Entfernung von einem bestimmten Standort erreichen wollte. Folglich\nverstoßt auch die Wiedererrichtung am jetzigen Standort der Hutte gegen die\nAbbruchverfugung vom 05.03.2002. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Klager kann auch nicht mit Erfolg einwenden, dass sich die Sach- und\nRechtslage nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abbruchverfugung geandert\nhabe. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Adressat einer\nAbbruchverfugung Änderungen der Sach- und Rechtslage zu seinen Gunsten als\nEinwendungen im Vollstreckungsverfahren geltend machen kann, wenn diese\nEinwendungen erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des zu vollstreckenden\nBescheides entstanden sind. Voraussetzung fur den Erfolg einer solchen\nEinwendung ist aber ihre Entscheidungserheblichkeit, mithin also, dass die\nKenntnis der geanderten Lage vor Eintritt der Unanfechtbarkeit zu einer\nabweichenden Sachentscheidung hatte fuhren mussen (VGH Baden-Wurttemberg,\nUrteil vom 20.02.1980 - III 1333/79 -, BauR 1980, 346). Auf diese\nRechtsprechung kann sich der Klager aber weder im Hinblick auf die bestehenden\nPacht- und Besitzverhaltnisse an Grundstuck und Weidehutte noch im Hinblick\nauf den vom Klager behaupteten Übergang des Eigentums an der Weidehutte auf\nden Beigeladenen mit Erfolg berufen. Denn der Klager hat bereits in dem die\nAbbruchverfugung betreffenden Widerspruchsverfahren geltend gemacht, dass er\nden hinteren Teil seines Grundstucks einschließlich der Weidehutte an den\nBeigeladenen verpachtet habe, so dass es insoweit bereits an einer nach\nUnanfechtbarwerden der Abbruchverfugung eingetretenen Änderung der Sachlage\nfehlt. Auch soweit der Klager vortragt, dass die Weidehutte nach Eintritt der\nUnanfechtbarkeit der Abbruchverfugung in das Eigentum des Beigeladenen\nubergegangen und von diesem erneut auf das Grundstuck verbracht worden sei,\nkann er mit seiner Einwendung nicht durchdringen. Denn die\nbauordnungsrechtliche Verantwortlichkeit des Klagers lasst sich nicht nur an\ndie Errichtung und den Besitz oder das Eigentum an der Weidehutte knupfen,\nsondern unabhangig hiervon auch an die Verantwortlichkeit des Klagers als\nEigentumer des baurechtswidrig bebauten Grundstucks (§§ 65 LBO, 7 PolG).\nInsofern ist der Klager nach wie vor Zustandsstorer. Denn der Umstand, dass\nnicht der Klager, sondern der Beigeladene die Weidehutte wieder errichtet hat,\nandert - selbst wenn man unterstellen wollte, dass dies weder auf Veranlassung\nnoch mit Billigung des Klagers geschah - nichts daran, dass der Klager als\nEigentumer des Grundstucks fur dessen Zustand verantwortlich ist. Die\nZustandsverantwortlichkeit des Eigentumers findet ihre Grenze nur dort, wo dem\nEigentumer die Moglichkeit genommen wurde auf die Sache einzuwirken, weil ihm\ndiese gegen seinen Willen entzogen wurde (vgl. VGH Baden-Wurttemberg, Urteil\nvom 11.10.1985 - 5 S 1738/85 -, DÖV 1986, 249). Dagegen beruhrt die\nVerpachtung oder Vermietung einer Sache die Zustandsverantwortlichkeit des\nEigentumers nicht, da er auf Grund der zivilrechtlichen\nEinwirkungsmoglichkeiten weiterhin die rechtliche Sachherrschaft inne hat. Der\nKlager ist als Eigentumer somit auch dann bauordnungsrechtlich fur den Zustand\nseines Grundstucks verantwortlich, wenn er dieses verpachtet hat. Vor diesem\nHintergrund ware die Kenntnis der nachtraglichen Änderung der\nEigentumsverhaltnisse an der Weidehutte fur den Erlass der Abbruchverfugung\nnicht entscheidungserheblich gewesen, da ihr Bekanntsein nicht zu einer\nanderen Sachentscheidung hatte fuhren mussen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Entsprechendes gilt auch im Hinblick auf die Frage der Zulassigkeit der\nWeidehutte als im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiertes Vorhaben.\nDie Verpachtung des Grundstucks und der Weidehutte an den Beigeladenen war\nbereits im Widerspruchsverfahren bezuglich der Abbruchverfugung bekannt, so\ndass insoweit keine nachtragliche Änderung der Sachlage eingetreten ist.\nSoweit vom Klager nunmehr ein Übergang des Eigentums an der Weidehutte auf den\nBeigeladenen behauptet wird, so stellt dies keine entscheidungserhebliche\nÄnderung der Sachlage dar. Denn fur die bauplanungsrechtliche Beurteilung der\nFrage, ob ein Bauvorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne von § 35\nAbs. 1 Nr. 1 BauGB dient, kommt es, solange wie im hier vorliegenden Fall die\nEigentumsverhaltnisse an Grundstuck und Bauvorhaben auseinander fallen konnen,\nweil es sich bei der baulichen Anlage nicht um einen im Sinne von § 94 BGB\nwesentlichen Bestandteil des Grundstucks handelt (vgl. dazu das Urteil der\nKammer im Verfahren des Beigeladenen vom 16.11.1006 - 7 K 532/06 -), nicht\nentscheidend auf die Eigentumsverhaltnisse an der baulichen Anlage an (vgl.\naber zur Bedeutung der Frage, ob das Grundstuck selbst im Eigentum des\nLandwirts steht oder nur gepachtet ist: BVerwG, Urteil vom 03.11.1972 - IV C\n9.70 -, BVerwGE 41, 138, 143). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Vollstreckung der Abbruchverfugung steht auch kein\nVollstreckungshindernis entgegen, insbesondere hindert das Eigentumsrecht des\nBeigeladenen an der Weidehutte und dessen Besitzrecht hinsichtlich des\ngepachteten Grundstucksteils nicht die Vollstreckung gegenuber dem Klager.\nZwar ist anerkannt, dass im Rahmen der Vollstreckung von Verwaltungsakten, die\nzur Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verpflichten, nur\nsolche Handlungen erzwungen werden konnen, zu denen der Verpflichtete\nrechtlich und tatsachlich in der Lage ist. Es kann von dem Pflichtigen mithin\nalso nicht verlangt werden kann, dass er - gegen deren Willen - in Rechte\nDritter eingreift. Das Vollstreckungshindernis, das durch den\nentgegenstehenden Willen des Dritten begrundet wird, in dessen Rechte durch\ndie Vornahme der zu erzwingenden Handlung eingegriffen werden muss, wird aber\nuberwunden, wenn der Dritte durch die Behorde zur Duldung der zu erzwingenden\nHandlung verpflichtet wird (vgl. VGH Baden-Wurttemberg, Urteil vom 01.12.1972\n- VIII 1040/71 -, BRS 25 Nr. 206). Dabei reicht es aus, wenn die\nDuldungsverfugung zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung, der gemaß § 79\nAbs. 1 Nr. 1 VwGO auch fur die Rechtmaßigkeit der Zwangsgeldandrohung\nmaßgebend ist, vollziehbar ist (vgl. VGH Baden-Wurttemberg, Urteil vom\n24.11.1997 - 5 S 3409/95 -, Vensa). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Vorliegend hat das Landratsamt A. mit (rechtmaßiger, vgl. Urteil der Kammer\nvom 16.11.2006 - 7 K 532/06 -) Verfugung vom 08.07.2005 den Beigeladenen dazu\nverpflichtet, den vollstandigen Abbruch der Weidehutte auf dem Grundstuck des\nKlagers sowie Zwangsmittel, die zur Vollstreckung des Abbruchs gegenuber dem\nKlager ergehen, zu dulden. Die sofortige Vollziehbarkeit der Duldungsverfugung\nwurde angeordnet. Die Duldungsverfugung wurde dem Beigeladenen am selben Tag\n(13.07.2005) zugestellt wie dem Klager die Zwangsgeldandrohung, also deutlich\nvor Erlass des Widerspruchsbescheides uber die Zwangsgeldandrohung. Da somit\nder Beigeladene vollziehbar zur Duldung der Beseitigung der Weidehutte durch\nden Klager verpflichtet ist, stehen - zum maßgeblichen Zeitpunkt der\nWiderspruchsentscheidung uber die Zwangsgeldandrohung - weder das\nEigentumsrecht des Beigeladenen an der Weidehutte noch sein Besitzrecht auf\nGrund des Grundstuckspachtvertrags der Vollstreckung der Abbruchverfugung vom\n05.03.2002 entgegen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Von seinem Ermessen (§ 19 LVwVG) hat das Landratsamts A. als zustandige\nVollstreckungsbehorde (§ 4 Abs. 1 LVwVG) in nicht zu beanstandender Weise\nGebrauch gemacht. Insbesondere ist sowohl die Wahl des Zwangmittels Zwangsgeld\nals auch die Bemessung der Zwangsgeldhohe verhaltnismaßig und angemessen (§ 19\nAbs. 2 und 3 LVwVG). Denn zwischen Zwangsgeld und Ersatzvornahme besteht in\nBaden-Wurttemberg weder nach dem Gesetz noch nach der Rechtsprechung des\nVerwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttemberg ein gesetzlicher Vorrang eines der\nbeiden Zwangsmittel (vgl. VGH Baden-Wurttemberg, Urteil vom 04.12.2003 - 5 S\n2781/02 -, Vensa). Das Zwangsgeld ist der Hohe nach im unteren Bereich des\nMoglichen angesiedelt (vgl. § 23 LVwVG), jedoch nicht so gering bemessen, dass\nes nicht mehr geeignet erscheint, den Klager zur Vornahme der Handlung zu\nveranlassen. Schließlich ist auch die zur Erfullung der Abbruchverfugung\neingeraumte Frist (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 2 LVwVG) nicht zu beanstanden. Die\nWeidehutte ist nach Aussage des Klagers transportabel und leicht auf- und\nabzubauen, so dass die Frist zur Beseitigung der Weidehutte bis zum\n15.08.2005, die in der am 13.07.2005 zugestellten Zwangsgeldandrohung\neingeraumt wurde, vollig ausreichend ist. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.\nNachdem der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, entspricht es der\nBilligkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst tragt. Von der\nMoglichkeit, das Urteil hinsichtlich der Kosten fur vorlaufig vollstreckbar zu\nerklaren (§ 167 Abs. 2 VwGO), macht die Kammer keinen Gebrauch. Grunde fur\neine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich (§§ 124, 124 a VwGO). \n---\n\n |
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142,897 | olgkarl-2006-11-23-16-wf-19206 | 146 | Oberlandesgericht Karlsruhe | olgkarl | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 16 WF 192/06 | 2006-11-23 | 2019-01-09 14:32:34 | 2019-02-12 13:11:14 | Beschluss | ## Tenor\n\nDas Verfahren wird dem Senat vorgelegt.\n\nAuf die sofortige Beschwerde des Vaters wird der Beschluss des Amtsgerichts -\nFamiliengericht - Mannheim vom 27.10.2006 aufgehoben.\n\nDem Vater wird Prozesskostenhilfe fur den ersten Rechtszug unter Beiordnung\nvon Rechtsanwalt T., Mannheim fur die Dauer seiner formellen Beteiligung am\nUnterbringungsverfahren bewilligt.\n\nRatenzahlung unterbleibt.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Beschwerdefuhrer ist der Vater der am 28.9.1990 geborenen J.. Fur J.\nhat das Amtsgericht -Familiengericht- Mannheim in einem Verfahren nach § 1631b\nBGB mit Beschluss vom 12.08.2005 fur die Dauer eines Jahres die geschlossene\nUnterbringung genehmigt. Inhaber der Personensorge fur J. ist das\nStadtjugendamt Mannheim. \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Schriftsatz ihres Pflegers vom 02.06.2006 wurde die Verlangerung der\nUnterbringungsmaßnahme um ein halbes Jahr beantragt. Der Schriftsatz wurde den\nEltern ubersandt. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Beschluss vom 14.06.2006 hat das Amtsgericht die Einholung eines\nSachverstandigengutachtens angeordnet und Termin zur Anhorung von J. bestimmt.\nDer Beschluss wurde dem Vater zugestellt. Dieser wurde als Beteiligter im\nRubrum aufgenommen und zum Anhorungstermin geladen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 16.06.2006 hat der Vater, vertreten durch seinen\nVerfahrensbevollmachtigten, mitgeteilt, dass er dem Antrag nicht entgegen\ntrete und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Einem Antrag auf\nTerminsverlegung wegen Verhinderung des Verfahrensbevollmachtigten wurde\nentsprochen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Beschluss vom 28.07.2006 hat das Amtsgericht - Familiengericht -\nMannheim dem Vater mitgeteilt, er sei nicht Verfahrensbeteiligter, da er nicht\nsorgeberechtigt sei. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Beschluss vom 27.10.2006, zugestellt am 03.11.2006, hat das Amtsgericht\n- Familiengericht - den Antrag des Vaters auf Bewilligung von\nProzesskostenhilfe zuruckgewiesen. Da dem Vater die elterliche Sorge entzogen\nworden sei, sei er nicht verfahrensbeteiligt. \n--- \n| 7 \n--- \n| Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 08.11.2006 beim Amtsgericht\neingegangene sofortige Beschwerde des Vaters, mit der er die Bewilligung von\nProzesskostenhilfe fur den Zeitraum vom 14.06.2006 bis 01.09.2006 begehrt.\nNachdem das Amtsgericht den Vater formlich am Verfahren beteiligt habe, sei\nihm Prozesskostenhilfe zu gewahren. \n--- \n| 8 \n--- \n| Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem\nSenat vorgelegt. \n--- \nII. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die gemaß §§ 14 FGG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde\nist zulassig und begrundet. \n--- \n| 10 \n--- \n| Zwar hat das Familiengericht den Vater mit Schreiben vom 28.07.2006 zu\nRecht darauf hingewiesen, dass er kein Beteiligter des\nUnterbringungsverfahrens ist. \n--- \n| 11 \n--- \n| Beteiligter ist materiell, wer durch das Verfahren in seinen Rechten\nbetroffen werden kann. Dies ist bei dem Vater nicht der Fall. Untergebracht\nwerden soll seine Tochter. Auch in seinem Elternrecht ist er nicht betroffen,\nweil ihm die Personensorge nicht zusteht. Auch aus einem Beschwerderecht nach\n§ 70 m FGG kann er nicht seine Stellung als Beteiligter ableiten. Denn ihm\nsteht keine Beschwerde zu, da er nicht zu dem in §§ 70 m, 70 d FGG genannten\nPersonenkreis gehort. Die Tochter lebt und lebte nicht bei Einleitung des\nVerfahrens bei ihm (§ 70 d Abs. 1 Nr. 2 FGG). Er hat auch gegenwartig nicht\ndie Personensorge (§ 70 d Abs. 2 FGG). \n--- \n| 12 \n--- \n| Formell Beteiligter wird, wer sich zur Wahrung tatsachlicher oder\nvermeintlicher Rechte am Verfahren beteiligt. Tatsachliche Rechte hat der\nVater gegenwartig nicht. Zur Wahrung vermeintlicher Rechte ist die Bewilligung\nder Prozesskostenhilfe ausgeschlossen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Formell Beteiligter wird auch, wer vom Gericht zur Wahrung tatsachlicher\noder vermeintlicher Rechte beigezogen wird. Zu unterscheiden davon ist, dass\ndas Gericht einer Person nach § 70 d FGG Gelegenheit zur Äußerung gibt oder\nsie personlich anhort. Damit kommt das Gericht nur seiner Pflicht zur\nSachaufklarung nach; der schriftlich oder personlich Angehorte wird dadurch\nnoch nicht Beteiligter. Auch die Anhorung anderer, als in § 70 d FGG genannter\nPersonen macht diese noch nicht zu Beteiligten. Deren Anhorung ist durch § 70\nd FGG nicht ausgeschlossen, sodass ein Umkehrschluss („Wer nicht unter § 70 d\nFGG fallt und gleichwohl angehort wird, ist formell Beteiligter") nicht\nmoglich ist. In diesen Fallen beruht die Anhorung auf § 12 FGG. \n--- \n| 14 \n--- \n| Zu berucksichtigen ist jedoch, dass das Familiengericht den Vater bei\nEinleitung des Verfahrens als Beteiligten in das Verfahren einbezogen hat. Ihm\nwurde der einleitende Antrag des Pflegers formlos zur Kenntnis gegeben. Damit\nwurde der Anschein erweckt, ihm solle rechtliches Gehor gewahrt werden.\nZugestellt wurde ihm sodann der die Anordnung eines Sachverstandigengutachtens\nenthaltende Beschluss vom 14. Juni 2006, in welchem er als Beteiligter\naufgefuhrt ist. Weiter wurde er zu einem Anhorungstermin geladen. Damit ist\nder Vater formell Verfahrensbeteiligter geworden. Er durfte auch aus dem\nVerhalten des Gerichts den Schluss ziehen, dass es auf die Wahrnehmung\nvaterlicher Rechte ankomme. Dass die Verfahrensbeteiligung fehlerhaft erfolgt\nist, ist insoweit ohne Belang. Nachdem er durch das Gericht am Verfahren\nformell beteiligt worden ist und sich als materiell Beteiligter ansehen\ndurfte, konnte er sich anwaltlicher Hilfe bedienen und hierfur\nProzesskostenhilfe in Anspruch nehmen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Vater hat auch seine vermeintlichen Rechte sachgerecht wahrzunehmen\nversucht. Er ist dem Antrag des Pflegers auf Verlangerung der Unterbringung\nnicht entgegen getreten. Ebenso wie beim Verfahren nach § 1666 BGB (hierzu:\nSenat, FamRZ 2004, 706), hat ein Elternteil die Moglichkeit - und durfte der\nVater eine solche Moglichkeit fur sich in Anspruch nehmen -, erforderliche\nMaßnahmen durch Zustimmung hierzu vor Gericht zu unterstutzen. Hierfur ist ihm\nfolgerichtig auch Prozesskostenhilfe zu bewilligen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Geltend machen kann der Verfahrensbevollmachtigte des Beschwerdefuhrers\nnach Bewilligung von Prozesskostenhilfe eine Verfahrensgebuhr nach Nr. 6302 VV\nRVG in Hohe von 108 EUR. Diese ist wahrend der Dauer der Beteiligung des\nBeschwerdefuhrers am Verfahren entstanden. \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Senat hat das Vorliegen der personlichen und wirtschaftlichen\nVoraussetzungen fur die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gepruft. Danach ist\ndem Vater ratenfreie Prozesskostenhilfe zu bewilligen. \n---\n\n |
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142,967 | olgkarl-2006-12-14-16-uf-15506 | 146 | Oberlandesgericht Karlsruhe | olgkarl | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 16 UF 155/06 | 2006-12-14 | 2019-01-09 14:33:26 | 2019-02-12 13:11:19 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung der Klagerin wird das Urteil des Amtsgerichts --\nFamiliengericht -- Mannheim -- vom 18.08.2006 (Az.: 5 F 195/05) aufgehoben.\n\n2\\. Der Rechtsstreit wird an das ortlich und sachlich zustandige Amtsgericht\nM. verwiesen, dem auch die Entscheidung uber die Kosten der Berufung obliegt.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n## Gründe\n\n| | A. \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien sind seit dem ... 2003 verheiratet. \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 18.04.2005 -- eingegangen beim Amtsgericht Mannheim am\n20.04.2005 -- hat die Klagerin eine Stufenklage auf Trennungsunterhalt\neingereicht, die dem Beklagten nach Entscheidung uber die von der Klagerin\nbeantragte Prozesskostenhilfe am 14.07.2006 (sic) am 28.07.2006 zugestellt\nwurde (Az 5 F 195/05) . Mit Beschluss vom 25.07.2006 ordnete das Amtsgericht\nMannheim das schriftliche Verfahren an und bestimmte einen Verkundungstermin\nauf den 18.08.2006. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 09.05.2006 -- eingegangen am 10.05.2006 und der\nKlagerin nach Entscheidung uber die beantragte Prozesskostenhilfe zugestellt\nam 19.07.2006 -- beantragte der Beklagte beim Amtsgericht Mannheim die\nScheidung (Az.: 5 F 138/06) . Aufgrund zwischenzeitlich gewonnener\nErkenntnisse vertrat das Amtsgericht Mannheim in dieser Scheidungssache mit\nVerfugung vom 08.08.2006 die Ansicht, es sei ortlich unzustandig, da der\nBeklagte _vor Rechtsh angigkeit,_ namlich bereits am 13.04.2006 nach S.\nverzogen sei und bei Eintritt der Rechtshangigkeit kein Ehegatte mehr in\nMannheim gelebt habe. Es hat den Beklagten als Antragsteller zur Vermeidung\neiner Abweisung des Scheidungsantrages als unzulassig zu einem\nVerweisungsantrag aufgefordert. \n--- \n| 4 \n--- \n| Einen ahnlichen Hinweis enthalt in der Trennungsunterhaltssache die\nVerfugung vom 14.08.2006. Die Ehesache konne nur auf Antrag des Beklagten\nverwiesen werden. Werde der Verweisungsantrag nicht gestellt und in der\nUnterhaltssache nicht der Verweisungsantrag der Klagerin, musse die\nUnterhaltsklage als unzulassig abgewiesen werden. \n--- \n| 5 \n--- \n| Nachdem der Beklagte in der Scheidungssache mit Faxschreiben vom 23.08.2006\neinen Verweisungsantrag gestellt hatte, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom\ngleichen Tage das Scheidungsverfahren an das Amtsgericht -- Familiengericht --\nM. wegen ortlicher Unzustandigkeit verwiesen. Das Amtsgericht M. hat erklart,\ndas Verfahren anzunehmen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Im Unterhaltsverfahren hat die Klagerin mit Schriftsatz vom 17.08.2006\nerklart, der Beklagte habe bislang keinen Verweisungsantrag gestellt, so dass\nbeide Klagen beim gleichen Gericht anhangig seien. Das Unterhaltsverfahren sei\njedoch zuerst anhangig gewesen. Einen Verweisungsantrag hat sie nicht\ngestellt. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Urteil vom 18.08.2006 (vor der Verweisung der Ehesache nach M.) hat das\nAmtsgericht Mannheim die Unterhaltsklage 5 F 195/05 als unzulassig abgewiesen.\nZur Begrundung hat es im Wesentlichen ausgefuhrt, es sei fur das\nScheidungsverfahren ortlich unzustandig. Dies habe auch die Unzustandigkeit\nfur das Unterhaltsverfahren zur Folge, denn es konne nicht darauf ankommen, wo\nsich die Akten gerade befanden. Ein isoliertes Unterhaltsverfahren sei nach §\n621 Abs.3 ZPO _von Amts wegen_ an das fur die Ehesache zustandige Gericht der\nEhesache abzugeben, die Ehesache selbst nur auf Antrag. Werde ein\nVerweisungsantrag im Ehescheidungsverfahren und im Unterhaltsverfahren nicht\ngestellt, sei auch im Unterhaltsverfahren die ortliche Unzustandigkeit\nfestzustellen und die dann unzulassige Klage durch Prozessurteil abzuweisen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Grunde der amtsgerichtlichen\nEntscheidung verwiesen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Gegen das ihr am 22.08.2006 zugestellte Urteil hat die Klagerin mit\nSchriftsatz vom 23.08.2006 -- eingegangen beim OLG am 24.08.2006 -- Berufung\neingelegt, mit der sie beantragt, \n--- \n| 10 \n--- \n| das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 18.08.2006 aufzuheben und den\nBeklagten zu verurteilen, an die Klagerin Unterhalt in Hohe von monatlich 500\nEUR, zahlbar jeweils zum 05. des Monats im Voraus, beginnend mit dem Monat\nApril 2005 zu zahlen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Zur Begrundung fuhrt sie in der Berufungsbegrundung vom 23.08.2006 aus, bis\nzum Zeitpunkt der Berufungsbegrundung liege kein Verweisungsantrag des\nBeklagten im Scheidungsverfahren vor. Das Amtsgericht Mannheim sei daher nach\nwie vor zustandig. An dieser Rechtsansicht hat die Klagerin auch der\nVerweisung des Scheidungsverfahrens zunachst festgehalten, auf Hinweis des\nSenats jedoch einen hilfsweisen Verweisungsantrag gestellt. \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Beklagte hat beantragt, \n--- \n| 13 \n--- \n| auf die Berufung ist das Urteil aufzuheben und an das Amtsgericht Mannheim\nzuruckzuweisen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Zur Erganzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der\nSchriftsatze und die gerichtlichen Protokolle Bezug genommen. \n--- \nB. \n--- \n| 15 \n--- \n| Ob im Zeitpunkt der Verkundung des angefochtenen Urteils das Amtsgericht\nMannheim noch in der Unterhaltssache zustandig war, kann dahinstehen. Auch\ndas, wie hier, in der Ehesache unzustandige Gericht ist bis zur Verweisung\nderselben an das fur die Ehesache zustandige Gericht moglicherweise auch fur\ndie in § 621 Abs. 2 ZPO genannten Familiensachen zustandig ( _Z oller /\nPhilippi_ , ZPO, 26. Aufl. Rnr. 86b). So kann am ehesten gewahrleistet werden,\ndass Ehesache und die in § 621 Abs. 2 ZPO genannten Familiensachen stets bei\ndemselben Gericht anhangig sind und bei Unzustandigkeit desselben gemeinsam an\ndas zustandige Gericht verwiesen werden konnen. Letztlich kann dies an dieser\nStelle dahinstehen. Nachdem das Scheidungsverfahren auf Antrag des Beklagten\ngemaß §§ 606 Abs. 2, 281 ZPO an das Amtsgericht M. verwiesen wurde, diese\nVerweisung bindend ist und das Amtsgericht M. erklart hat, das Verfahren zu\nubernehmen, muss fur das weitere Scheidungsverfahren von einer ortlichen\nZustandigkeit des Amtsgerichts M. ausgegangen werden. Dem Rechtsgedanken des §\n621 Abs. 3 ZPO folgend ist deshalb davon auszugehen, dass das Amtsgericht M.\ndamit auch jetzt fur das Unterhaltsverfahren zustandig ist. Der vorliegende\nSachverhalt fallt zwar nicht unter den Wortlaut dieser Vorschrift, denn diese\ngeht davon aus, dass die nachtragliche Rechtshangigkeit der Scheidungssache\nbei einem _anderen_ _Gericht_ eintritt, was hier in Mannheim nicht der Fall\nwar. Andererseits verlangt eben dieser Wortlaut der Vorschrift nicht, dass das\nin der Ehesache angegangene Gericht auch ortlich zustandig sein muss. Ist es\nunzustandig, wird es, wie hier, die Ehesache verweisen. Es sind dann die\nubrigen Familiensachen an das andere Gericht mitzuverweisen. Sinn und Zweck\ndes § 623 Abs. 3 ZPO wurden verfehlt, wenn die gleichzeitige Anhangigkeit von\nEhesache und Unterhalts- oder sonstiger in § 621 As. 2 ZPO beschriebener\nFamilienache bei einer Unzustandigkeit des in der Ehesache angerufenen\nGerichts dazu fuhren wurde, dass letztlich zwei verschiedene Gerichte zur\nEntscheidung berufen waren. In entsprechender Anwendung des § 621 Abs. 3 ZPO\nist deshalb das Unterhaltsverfahren jedenfalls auf Antrag der Klagerin an das\nAmtsgericht M. zu verweisen. \n--- \nC. \n--- \n| 16 \n--- \n| Da bereits ein Urteil vorliegt, setzt die Verweisung eine Aufhebung dieses\nUrteils voraus. Die Aufhebung selbst kann nur durch Urteil ausgesprochen\nwerden, in welchem gleichzeitig die Verweisung anzuordnen ist (BGH NJW 1986,\n1995 fur den Fall einer Abgabe nach § 46 WEG unter Hinweis auf BGHZ 10, 155 (\n163) = NJW 1953, 1508 = LM § 276 ZPO; _Z oller / Greger,_ a.a.O., § 281 Rdnr.\n9). \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Entscheidung uber die Kosten obliegt dem Gericht erster Instanz (vgl.\n_Z oller / Gummer / Heßler,_ a.a.O., § 538 Rn. 58 ff fur den vergleichbaren\nFall des § 538 ZPO). Zur vorlaufigen Vollstreckbarkeit vgl. _Z oller / Gummer\n/ Heßler,_ a.a.O., § 538 Rn. 59. Die Voraussetzungen fur die Zulassung der\nRevision liegen nicht vor. \n---\n\n |
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143,012 | vghbw-2007-05-22-9-s-301306 | 161 | Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg | vghbw | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 9 S 3013/06 | 2007-05-22 | 2019-01-09 15:00:52 | 2019-01-17 12:03:10 | Beschluss | ## Tenor\n\nNach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache wird das Verfahren\neingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 07. Juli 2006 -\n10 K 305/05 - ist unwirksam.\n\nDie Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszugen tragt der Klager.\n\nDer Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 15.000.- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Nachdem die Beteiligten in der mundlichen Verhandlung vom 22.05.2007\nubereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache fur erledigt erklart haben,\nist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO\neinzustellen, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im ersten Rechtszug fur\nunwirksam zu erklaren und gemaß § 161 Abs. 2 VwGO durch Beschluss uber die\nKosten des Verfahrens unter Berucksichtigung des bisherigen Sach- und\nStreitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Billigem Ermessen in diesem Sinne entspricht es, dem Klager die Kosten des\nVerfahrens in beiden Rechtszugen aufzuerlegen. Zwar hat sich der Beklagte in\nder mundlichen Verhandlung bereit erklart, die in der Zweiten Juristischen\nStaatsprufung erreichte Endpunktzahl des Klagers unter Zugrundelegung einer\nBewertung der Aufsichtsarbeit Nr. 5 mit drei Punkten neu zu berechnen und dem\nKlager ein geandertes Zeugnis uber die Zweite Juristische Staatsprufung zu\nerteilen. Diese auf Anregung des Klagers erfolgte Erklarung gab er jedoch nur\ndeshalb ab, weil der Klager seinerseits erklarte, auf jegliche Rechtsmittel\ngegen eine solche von ihm bisher ebenfalls fur unzutreffend gehaltene\nBewertung der Aufsichtsarbeit Nr. 5 und auch auf alle etwaigen weiteren\nAnspruche zu verzichten. Ist danach die zu treffende Kostenentscheidung am\nvoraussichtlichen Verfahrensausgang auszurichten, sind die Kosten des\nVerfahrens in beiden Rechtszugen dem Klager aufzuerlegen, weil die Berufung\ndes Beklagten voraussichtlich Erfolg gehabt hatte. Die Vergabe der\nSanktionsnote ungenugend (0 Punkte) fur die Aufsichtsarbeit Nr. 5, weil der\nKlager diese nicht rechtzeitig abgegeben habe, ware entgegen der Ansicht des\nVerwaltungsgerichts wohl nicht zu beanstanden gewesen. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 JAG, §§ 50 Abs. 4 Satz 2, 14 Abs. 3 JAPrO vom\n08.10.2002 (GBl. S. 391) erteilt das Landesjustizprufungsamt - bei der\nBewertung einer Aufsichtsarbeit - die Note ungenugend (0 Punkte), wenn eine\nArbeit nicht oder nicht rechtzeitig abgegeben wird. Nach § 50 Abs. 2 JAPrO\nbetragt die Bearbeitungszeit funf Stunden. Ausgabe der Arbeit Nr. 5 war laut\nder Niederschrift vom 08.06.2004 um 8.30 Uhr. Die Bearbeitungszeit war danach\num 13.30 Uhr abgelaufen. Nachdem auf den Ablauf der Bearbeitungszeit bereits\nfunf Minuten vorher hingewiesen worden war, wurden das Ende der\nBearbeitungszeit um 13.30 Uhr bekannt gegeben und den Pruflingen die Hinweise\nzur Abgabe der Arbeiten, wie sie auch bereits in dem ihnen vor der Prufung\nausgehandigten Hinweisblatt enthalten waren, erteilt. Den Aufsichtfuhrenden\nausgehandigt hatte der Klager seine Arbeit aber fruhestens um 13.35 Uhr, also\nfunf Minuten nach diesem Zeitpunkt, wobei unstreitig war, dass er bis kurz vor\ndiesem Zeitpunkt noch inhaltliche Ausfuhrungen in der Aufsichtsarbeit gemacht\nhatte. Der Beklagte ist der Auffassung, dass sich bereits aus diesen Umstanden\ndas Fehlen einer rechtzeitigen Abgabe der Aufsichtsarbeit Nr. 5 ergebe. Der\nSenat hat aber zur ahnlichen Vorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 1 AOÄ in seinem\nUrteil vom 12.05.1992 - 9 S 1210/92 -, NVwZ-RR 1992, 630, ausgefuhrt, dass\ngegen die Anknupfung an den bloßen Ablauf der Prufungszeit bzw. dessen\nBekanntgabe der Wortlaut der - wegen ihres belastenden Charakters im Zweifel\nrestriktiv zu interpretierenden - Sanktionsvorschrift spreche. Der Begriff der\nAbgabe der Aufsichtsarbeit habe nach allgemeinem Sprachgebrauch einen\ntatsachlichen Vorgang zum Inhalt, namlich die Übergabe der Arbeit an das\nAufsichtspersonal. Bei diesem Ansatz ware die Rechtzeitigkeit der Abgabe auf\ndas konkrete Übergabeverlangen des die Aufsichtsarbeit einsammelnden Personals\nzu beziehen und ein Weiterarbeiten bis zu diesem Zeitpunkt zwar weisungswidrig\nund ein Verstoß gegen die Arbeitszeitvorgabe des § 23 Abs. 1 Satz 2 AOÄ,\njedoch noch nicht sanktionsbewehrt. Sinn und Zweck der Vorschrift sei\nandererseits vor allem die Gewahrleistung gleicher Prufungsbedingungen, d.h.\nder Chancengleichheit, was fur eine moglichst weitgehende Vorverlagerung des\nAnknupfungspunktes, zum Ende der festgelegten Prufungszeit hin, spreche.\nSpatester Zeitpunkt fur eine rechtzeitige Abgabe sei danach grundsatzlich\njedenfalls derjenige, zu dem der Prufling die seinerseits erforderliche\nÜbergabe der Arbeit vorzunehmen habe, bei Einsammlung der Arbeiten durch das\nAufsichtspersonal am Sitzplatz der Pruflinge also das erstmalige Erscheinen\ndes Aufsichtsfuhrenden nach dem Ende der Arbeitszeit. Die eigenmachtige\nGestattung oder Duldung einer spateren Abgabe durch einen Aufsichtsfuhrenden\n(etwa auf dem "Ruckweg") sei grundsatzlich rechtswidrig; dies folge schon aus\nder alleinigen Zustandigkeit des Prufungsamtes fur Verlangerungen der\nArbeitszeit (vgl. § 19 Abs. 2 AOÄ). Der Senat halte gleichwohl ein solches\nVerhalten eines Aufsichtsfuhrenden nicht von vornherein fur rechtlich\nunbeachtlich (vgl. § 44 LVwVfG), weshalb eine Prufung im Einzelfall unter den\nGesichtspunkten des Vertrauensschutzes und der Verhaltnismaßigkeit\nerforderlich sein konne. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Legt man diese auch den Grundsatz der Verhaltnismaßigkeit in den Blick\nnehmenden Erwagungen im vorliegenden Fall der Auslegung des § 14 Abs. 3 JAPrO\n- gegen dessen Vereinbarkeit mit hoherrangigem Recht im Übrigen dann\ngrundsatzlich keine Bedenken bestehen durften (vgl. auch BayVGH, Beschluss vom\n19.02.1981 - 3.B - 1829/79 -, BayVBl 1981, 687) - zugrunde, so durften an\neiner nicht rechtzeitigen Abgabe der Aufsichtsarbeit Nr. 5 keinerlei Zweifel\nbestehen. Unstreitig war, dass der Klager beim erstmaligen Erscheinen des\nAufsichtsfuhrenden an seinem Platz als dem grundsatzlich spatesten Zeitpunkt\nfur eine rechtzeitige Abgabe weder seine Aufsichtsarbeit in dem dafur\nvorgesehen Umschlagbogen zum Einsammeln bereitgelegt gehabt hatte, noch hatte\ner selbst die Arbeit ausgehandigt. Vielmehr hat er noch am Text der Arbeit\nweitergeschrieben und dieses Schreiben trotz ausdrucklicher Aufforderung durch\nden Aufsichtfuhrenden auch nicht sofort eingestellt. Schon danach ist eine\nrechtzeitige Abgabe im Sinne von § 14 Abs. 3 JAPrO nach Vorstehendem nicht\nerfolgt. Ein besonderer Einzelfall, der eine andere Beurteilung unter den\nGesichtspunkten des Vertrauensschutzes und der Verhaltnismaßigkeit\nrechtfertigen konnte, lag nicht vor. Neben der allgemeinen Aufforderung nach\nAblauf der Bearbeitungszeit mit entsprechenden Hinweisen zur Abgabe bedurfte\nes einer nochmaligen besonderen ausdrucklichen Aufforderung zur Abgabe beim\nErscheinen des Aufsichtsfuhrenden am Platz des Klagers, dem diese nochmalige\nAufforderung im Übrigen immanent ist, nicht. Vielmehr muss die Arbeit, beim\nErscheinen des Aufsichtfuhrenden zum Einsammeln bereits bereitliegen oder\njedenfalls vom Prufling von sich aus unverzuglich ausgehandigt werden. Auch\ndass der Aufsichtfuhrende, der den Klager ausdrucklich zum Einstellen des\nSchreibens aufgefordert hatte, kommentarlos nach der Nichtabgabe weiterging,\nrechtfertigt eine andere Beurteilung nicht. Hieraus hatte der Klager, wenn\nuberhaupt, allenfalls schließen durfen, nach sofortiger Einstellung des\nSchreibens am Text mit Anbringung der Kennzahl allein noch auf die Abgabe\ngerichtete Handlungen vornehmen zu durfen, also etwa noch die Seitenzahlen\nanzubringen, Reinschrift und Konzept zu ordnen, die Arbeit in den\nUmschlagbogen einzulegen und diesen fur ein Einsammeln auf dem „Ruckweg"\nbereitzulegen. Keinesfalls hatte er jedoch die Klausur weiter bearbeiten und\nmit dem Beginn der auf eine Abgabe gerichteten Handlungen bis zur Ruckkehr\nzuwarten durfen, zumal ihn ein weiterer Aufsichtsfuhrender zwischenzeitlich\nebenfalls zum Einstellen des Schreibens und zur Abgabe aufgefordert hatte.\nUnerheblich ware entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ferner gewesen,\nob zum Zeitpunkt der Vermerkankundigung durch den Aufsichtfuhrenden etwa\neinzelne andere Pruflinge ebenfalls noch nicht abgegeben gehabt hatten, ohne\ndass diese mit einer Sanktion belegt worden seien. Denn abgesehen von den\nUmstanden solcher etwaiger Einzelfalle konnte mit Blick auf den Grundsatz der\nChancengleichheit fur die sich prufungsordnungsgemaß verhaltenden Pruflinge,\ndessen Gewahrleistung § 14 Abs. 3 JAPrO unter anderem gerade dient, ein\nAbsehen von einer Sanktion fur beharrliches prufungsordnungswidriges Verhalten\nkeinesfalls unter Berufung auf ebenfalls gegen den Grundsatz der\nChancengleichheit verstoßendes, prufungsordnungswidriges Verhalten verlangt\nwerden. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Festsetzung des Streitwerts fur das Berufungsverfahren beruht auf §§ 47\nAbs. 1, 52 Abs. 1 GKG. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n |
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143,171 | vghbw-2007-07-17-5-s-13006 | 161 | Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg | vghbw | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 5 S 130/06 | 2007-07-17 | 2019-01-09 15:02:31 | 2019-01-17 12:03:20 | Urteil | ## Tenor\n\nDie Klagen werden abgewiesen.\n\nDer Klager zu 1 tragt 6/7, der Klager zu 2 tragt 1/7 der Kosten des\nVerfahrens.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klager wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des\nRegierungsprasidiums Stuttgart vom 24.11.2005 fur den zweibahnigen und\nvierstreifigen Aus- und Neubau der B 14 im bisher zweistreifig gefuhrten\nAbschnitt Nellmersbach - Backnang. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die B 14 ist fur die Regionen Stuttgart und Franken eine wichtige\nHauptverkehrsstraße. Sie verbindet die Mittel- und Unterzentren Backnang,\nWinnenden, Waiblingen und Fellbach mit dem Oberzentrum Stuttgart. Der seit\nlangem geplante vierstreifige Aus- und Neubau der B 14 zwischen Winnenden und\nBacknang soll u.a. der Entlastung der Ortsdurchfahrten von Backnang-Waldrems\nund Backnang-Maubach dienen, die 1994 von etwa 25.000 Kfz/24 h befahren\nwurden. Bei einem geplanten durchgehend dreistreifigen Ausbau der L 1115, die\nvon Backnang zur A 81 bei Mundelsheim fuhrt, werden fur die B 14 neu bis zu\n47.500 Kfz/24 h prognostiziert. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Entsprechend dem Bundesverkehrswegeplan 2003 ist der Aus- und Neubau der B\n14 zwischen Winnenden und Backnang in den durch Gesetz festgelegten\nBedarfsplan fur die Bundesfernstraßen als vordringlich aufgenommen. Fur den\nsudlichen Abschnitt von Winnenden bis zur gemeinsamen Grenze der Gemarkungen\nLeutenbach-Nellmersbach und Backnang (1. Bauabschnitt) liegt ein\nbestandskraftiger Planfeststellungsbeschluss vor; dieser Abschnitt ist im Bau. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss umfasst den nordlich\nanschließenden, 7,54 km langen Bauabschnitt von km 5 + 460 bis km 13 + 000\neinschließlich der Anschlussstellen Backnang-Waldrems, Backnang-Sud, Backnang-\nMitte und Backnang-West (2. Bauabschnitt). Dieser endet kurz hinter der\nAnschlussstelle Backnang-West, wo er in die zweistreifige B 14 alt ubergeht.\nDie Anschlussstelle Backnang-West verknupft die B 14 mit der L 1115. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Trasse folgt von Suden kommend bis Backnang-Waldrems der B 14 alt.\nSodann wird sie zuerst nach Westen und dann, bei Backnang-Maubach, nach Osten\nverschwenkt. In diesem Bereich wird sie im Einschnitt und teilweise auch\nuberdeckt gefuhrt. Etwa ab der Anschlussstelle Backnang-Sud folgt sie wiederum\nder Trasse der B 14 alt. Der Querschnitt der als Kraftfahrstraße mit einer\nEntwurfsgeschwindigkeit von 100 km/h ausgelegten B 14 neu soll abweichend vom\nRegelquerschnitt von 26 m (RQ 26) nur 24 m betragen (SQ 24). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Zu dem planfestgestellten Vorhaben gehoren eine Reihe von Folgemaßnahmen.\nU.a wird zur Erschließung des geplanten Wohngebiets „Entwicklungsmaßnahme\nBacknang - Wohnen IV" (Satzungsbeschluss vom 21.07.2005) im Gewann „Lange\nÄcker" bei Backnang-Maubach ein knapp 150 m langer Anschluss an die B 14 alt\nplanfestgestellt. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Klager zu 1 fuhrt einen landwirtschaftlichen Betrieb. Dessen Flache\numfasst etwa 70 ha. Zu ihm gehoren 100 Mastbullenplatze, ferner - nach den\nAngaben des Klagers - 30 Mastkalberplatze und 100 Mastschweineplatze mit\nAufzucht. Von dem Vorhaben werden etwa 6 ha Betriebsflache (davon etwa 3,33 ha\nEigentums- und etwa 2,75 ha Pachtflachen), mit Zerschneidungsverlusten\ninsgesamt etwa 8 ha, dauerhaft und etwa 0,5 ha vorubergehend in Anspruch\ngenommen. Der Klager ist ferner Eigentumer des Grundstucks Flst.Nr. 6... der\nGemarkung Maubach, das mit einem Wohnhaus (M. ) und zwei Gewachshausern bebaut\nist. Auf dem Grundstuck wurde bis 1999 - in Pacht - eine Gartnerei betrieben.\nDas Grundstuck wird fur das Vorhaben mit einer Flache von 2.235 m² dauerhaft\nund mit einer Flache von 205 m² vorubergehend in Anspruch genommen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Klager zu 2, ein eingetragener Verein, der den Namen „..." tragt, ist\nEigentumer des Grundstucks Flst.Nr. 22.../1 der Gemarkung Backnang. Er hat es\nim Jahr 2002 vom Klager zu 1 im Wege der Schenkung erworben. Der\nSchenkungsvertrag enthalt eine Ruckubertragungsverpflichtung fur den Fall,\ndass der Klager zu 2 aufgelost wird oder ohne Zustimmung des Schenkers uber\nden Vertragsgegenstand verfugt. Der bedingte Ruckubertragungsanspruch ist\ndurch Vormerkung im Grundbuch gesichert. Das Grundstuck ist 342 m² groß und\nwurde vor dem Erwerb landwirtschaftlich genutzt. Der Klager zu 2 hat auf ihm\neinen Teich angelegt und Baume und Straucher gepflanzt. Das Grundstuck wird\nvon dem Vorhaben vollstandig in Anspruch genommen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Dem Planfeststellungsbeschluss liegt folgendes Verfahren zugrunde: Auf\nAntrag des Regierungsprasidiums Stuttgart - Abteilung Straßenwesen und Verkehr\n- vom 22.08.2002 leitete dieses als Planfeststellungsbehorde am 06.09.2002 das\nPlanfeststellungsverfahren ein. Die Planunterlagen lagen nach vorausgegangener\noffentlicher Bekanntmachung am 06.09.2002 u. a. im Rathaus der Stadt Backnang\nvom 23.09.2002 bis 22.10.2002 offentlich aus. Die Klager erhoben jeweils am\n04.11.2002 Einwendungen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens ergab sich, dass\ndie L 1115 fruher als zunachst vorgesehen zwischen Backnang und der\nAutobahnanschlussstelle Mundelsheim weitgehend dreistreifig ausgebaut werden\nsollte. Die daraufhin uberarbeiteten Planunterlagen wurden nach\nvorausgegangener Bekanntmachung am 03.12.2002 u. a. in Backnang vom 08.12.2003\nbis 07.01.2004 ausgelegt. Die Klager erhoben jeweils am 20.01.2004 nochmals\nEinwendungen. Die gegen die Planung erhobenen Einwendungen und die\neingegangenen Stellungnahmen der Trager offentlicher Belange wurden vom 06.\nbis 08.07.2004 mit dem Vorhabentrager, den Tragern offentlicher Belange, den\nEinwendern und Betroffenen erortert. Im Anschluss daran wurden im\nEinverstandnis mit den Betroffenen das Konzept des naturschutzrechtlichen\nAusgleichs sowie der landschaftspflegerische Begleitplan im\nforstwirtschaftlichen Bereich teilweise geandert. Der\nPlanfeststellungsbeschluss vom 24.11.2005 wurde den Klagern am 17.12.2005\nzugestellt. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Klager haben am 16.01.2006 Klage erhoben. Sie tragen vor: In den\nPlanunterlagen sei die Grundstucksbetroffenheit des Klagers zu 1 nicht voll\nerfasst. Betroffen sei er auch durch die planfestgestellte Folgemaßnahme,\ndurch die das Gebiet der Entwicklungsmaßnahme „Wohnen IV" an die B 14 alt\nangeschlossen werden solle; denn er werde fur die Erschließung des kunftigen\nBaugebiets im Übrigen weitere landwirtschaftlich genutzte Flache zur Verfugung\nstellen mussen. - Zu Unrecht habe die Bundesanstalt fur Immobilienaufgaben\neine Existenzgefahrdung fur seinen landwirtschaftlichen Betrieb unter Hinweis\nauf sein Alter von 64 (heute 66) Jahren verneint. Es sei auch nicht\nausgeschlossen, dass sein Sohn den Betrieb ubernehme. - Aus dem gesetzlichen\nBedarfsplan ergebe sich die erforderliche Planrechtfertigung nicht, da darin\nnur ein vierstreifiger Aus- bzw. Neubau der B 14 vorgesehen sei;\nplanfestgestellt sei aber zwischen der Anschlussstelle Backnang-Waldrems bis\nzur Anschlussstelle Backnang-Sud eine sechsstreifige Bundesfernstraße. Dort\nbleibe die B 14 alt als (zweistreifige) Bundesfernstraße neben der\nvierstreifigen B 14 neu erhalten. Ein Bedarf fur sechs Fahrstreifen lasse sich\nnicht begrunden. Im Planfeststellungsbeschluss werde nicht nachgewiesen, dass\nder vorhandene zweistreifige Querschnitt nicht mehr ausreichend und die B 14\nuberlastet seien. Die erwartete Zunahme des Verkehrs in der Zukunft werde sich\nnicht nachteilig auswirken, weil der Gesamtverkehr besser uber den Tag\nverteilt sein werde. Zu Unrecht nehme der Planfeststellungsbeschluss an, dass\ndie Ortsdurchfahrten Backnang-Waldrems und Backnang-Maubach deutlich entlastet\nwurden. Zweifelhaft seien auch die Verkehrsvorteile fur den regionalen und\nlokalen Verkehr; auf innerortlichen Straßen des nachgeordneten Netzes wurden\nzusatzliche Belastungen auftreten. Die Verkehrssicherheit werde sich nicht\nverbessern. - Fehlerhaft sei der Planfeststellungsbeschluss auch hinsichtlich\nder Alternativenprufung. Die von ihnen eingewandten Alternativen seien nicht\ngepruft worden. Die Planfeststellungsbehorde hatte sie aber optimieren und\nsodann untersuchen und zur planfestgestellten Trasse vergleichend gewichten\nmussen. In diesem Falle hatte sich jede der Alternativtrassen als\nvorzugswurdig gegenuber der planfestgestellten Trasse aufgedrangt. - Auch\nsonst sei der Planfeststellungsbeschluss abwagungsfehlerhaft. Die\nPlanfeststellungsbehorde habe den Bedarf fur das Vorhaben uberschatzt. Soweit\nsie eine Existenzgefahrdung u. a. des Klagers zu 1 unterstelle, fehle es an\neiner konkreten Gewichtung der betroffenen Belange. - Zu Unrecht gehe der\nPlanfeststellungsbeschluss ferner davon aus, dass es sich bei dem Anschluss an\ndie B 14 alt fur die „Entwicklungsmaßnahme Backnang - Wohnen IV" um eine\nnotwendige Folgemaßnahme handele. - Zumindest habe der Klager zu 1 Anspruch\nauf zusatzliche Auflagen zum Planfeststellungsbeschluss. Hinsichtlich seines\nGartnereibetriebs seien die Probleme nicht ausreichend bewaltigt, die sich aus\nden Eingriffen in das Grund- und Schichtwasser, aus der Dauer und dem Umfang\nder Bauarbeiten und der dabei auftretenden Immissionen und Erschutterungen\nergaben; nicht berucksichtigt sei ferner die Gefahr von Setzungen fur die\nBauwerke auf dem Grundstuck Flst.Nr. 6... der Gemarkung Maubach. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Klager beantragen, \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| den Planfeststellungsbeschluss des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 24.\nNovember 2005 zum Neubau der B 14 Winnenden - Backnang, 2. Bauabschnitt\nNellmersbach - Backnang, aufzuheben, \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Klager zu 1 beantragt hilfsweise, \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| den Planfeststellungsbeschluss insoweit aufzuheben, als er den Anschluss an\ndas Plangebiet „Entwicklungsmaßnahme - Wohnen IV" der Stadt Backnang vorsieht, \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| sowie den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss um\nAuflagen zu erganzen, die sein Grundstuck Flst.Nr. 6... und die darauf\nerrichteten Gebaude gegen mogliche Schaden infolge des Baus der B 14 neu durch\nRutschungen, Erschutterungen, Setzungen sowie Grundwasserabsenkungen sichern. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| die Klagen abzuweisen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Er tragt vor: Es treffe nicht zu, dass die Planunterlagen die bezeichneten\nweiteren Grundstucke des Klagers zu 1 nicht als betroffen auffuhrten (mit\nAusnahme des Grundstucks Flst.Nr. 7... der Gemarkung Maubach, welches der\nKlager wohl erst wahrend des Verfahrens erworben habe). Durch die Feststellung\ndes Anschlusses an die B 14 alt fur das Plangebiet „Entwicklungsmaßnahme\nBacknang - Wohnen IV" sei der Klager zu 1 nicht betroffen. Es handele sich im\nÜbrigen um eine in den Planfeststellungsbeschluss aufzunehmende Folgemaßnahme,\nweil mit dem Vorhaben die Verbindung der Kitzbuheler Straße/Maubacher Straße\nmit der B 14 neu entfalle. Ihre Lage entspreche den Vorgaben der Stadt\nBacknang. - Die Inanspruchnahme landwirtschaftlich genutzter Flachen fuhre\nnicht zu einer Existenzgefahrdung des Klagers zu 1. Das habe das Bundesamt fur\nImmobilienaufgaben in einer erganzenden Stellungnahme bestatigt. Das Gleiche\ngelte hinsichtlich der seit 1999 nicht mehr betriebenen Gartnerei; der\nPlanfeststellungsbeschluss trage im Übrigen den Belangen des Klagers zu 1 als\nEigentumer dieses Grundstucks, vor Baularm, Grundwasserabsenkungen,\nRutschgefahr u. a. geschutzt zu sein, hinreichend Rechnung. - Das Vorhaben\nentspreche den Angaben im Bedarfsplan fur die Bundesfernstraßen. Die B 14\nwerde an keiner Stelle sechsstreifig ausgebaut. Soweit die B 14 alt neben der\nTrasse der B 14 neu erhalten bleibe, werde sie zur Kreis- bzw. Gemeindestraße\nabgestuft werden. Unabhangig hiervon sei das Vorhaben mit den im\nPlanfeststellungsbeschluss angefuhrten Zielen planerisch gerechtfertigt. Eine\nVerkehrsuberlastung der B 14 alt bestehe schon jetzt. Die zu erwartenden\nVerkehrszunahmen fuhrten zu Steigerungen auch in den Hauptverkehrszeiten. Die\nOrtsdurchfahrten von Backnang-Waldrems und Backnang-Maubach wurden vom Verkehr\ndeutlich entlastet. Die B 14 neu rucke außerdem von der Bebauung in Backnang-\nWaldrems und Backnang-Maubach weiter ab. Auch die Verkehrsverhaltnisse wurden\nverbessert. Zwar wirke sich die B 14 neu auf die Kernstadt von Backnang\nvergleichsweise gering aus. Es ergaben sich aber raumlich weitreichende\nVerkehrsentlastungen im nachgeordneten Netz. Die geanderte Verknupfung der\nnachgeordneten Straßen mit der B 14 fuhre auf jenen zwar teilweise zu\nVerkehrszunahmen, teilweise aber auch zu Abnahmen. Die Verkehrssicherheit\nwerde sich erhohen. - Die von den Klagern angefuhrten Alternativtrassen\ngenugten nicht den Zielen fur eine Fernstraßenplanung. Eine weitere, vertiefte\nUntersuchung sei deshalb nicht erforderlich gewesen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Dem Senat liegen die einschlagigen Akten des Regierungsprasidiums Stuttgart\nvor. Auf sie und die gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen wird wegen der\nweiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten\nBezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 20 \n--- \n| Die auf die umfassende Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses,\nhilfsweise auf Teilaufhebung und Planerganzung gerichtete Klage des\nunmittelbar in seinem Grundstuckseigentum betroffenen Klagers zu 1 ist\nstatthaft und auch sonst zulassig. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Dagegen ist die Klage des Klagers zu 2 unzulassig. Ihm fehlt die\nKlagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO). Denn er hat das Grundstuck Flst.Nr. 22.../1\nder Gemarkung Backnang vom Klager zu 1 nur erworben, um die formalen\nVoraussetzungen fur eine Prozessfuhrung zu schaffen, die dem Eigentumer\nvorbehalten ist. Wird auf diese Weise eine dingliche Rechtsstellung letztlich\nnur vorgeschoben, um der Sache nach im Wege der Prozessstandschaft fremde\nAbwehrrechte zu verteidigen, so erschopft sich ihr materieller Gehalt in einer\nbloßen, im Klageverfahren gegen einen Planfeststellungsbeschluss nicht\nschutzwurdigen Scheinposition. Davon ist auszugehen, wenn die konkreten\nUmstande ohne weiteres erkennen lassen, dass an der erworbenen Rechtsstellung,\nwelche die Klagebefugnis vermitteln soll, kein uber das Fuhren eines\nerwarteten Rechtsstreits hinausgehendes Interesse gegeben ist (vgl. BVerwG,\nUrt. v. 27.10.2000 - 4 A 10.99 - BVerwGE 112, 135 = NVwZ 2001, 427). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Dass es dem Klager zu 2 nicht (auch) darum ging und geht, die mit dem\nEigentum an dem Grundstuck verbundenen Gebrauchsmoglichkeiten zu nutzen,\nergibt sich daraus, dass er das Grundstuck nach dem Bekanntwerden des\nTrassenverlaufs gemaß dem vorgelegten notariellen Schenkungsvertrag vom\n30.04.2002 unentgeltlich erhalten und sich verpflichtet hat, es auf den\nSchenker zuruck zu ubertragen, wenn er als Verein aufgelost wird oder wenn er\nohne Zustimmung des Schenkers uber das Grundstuck verfugt; insoweit ist auch\neine Vormerkung bewilligt und in das Grundbuch eingetragen worden. Der\nSchenker hat sich zwar fur die Zwischenzeit, in der der Klager zu 2 Eigentumer\nsein soll, nicht auch die Nutzung des Grundstuck vorbehalten; auch hat der\nKlager zu 2 das in einem Wiesengelande gelegene Grundstuck u.a. mit einigen\nStrauchern bepflanzt und einen kleinen Teich angelegt. Ein eigenes im\nKlageverfahren schutzwurdiges Gebrauchsinteresse ergibt sich daraus aber\nnicht. Ob dies schon daraus folgt, dass der Klager zu 2 das Grundstuck nicht\nbewirtschaftet, kann dahinstehen (vgl. darauf abhebend OVG Saarland, Urt. v.\n20.08.2001 - 2 N 1/00 - BRS 64 Nr. 39; Nieders. OVG, Beschl. v. 12.12.2005 - 7\nMS 91/05 - NuR 2006, 185). Denn jedenfalls ist die vom Klager zu 2 ausgeubte\nNutzung nicht schutzwurdig. Sie dient bei objektiver Sicht nicht etwa der\nlangfristigen okologischen Aufwertung des Grundstucks, sondern soll nur die\nBedeutung des Grundstuck als „Sperrgrundstuck" unterstreichen. Dies schließt\nder Senat daraus, dass die Ruckgabe des Grundstucks an den Schenker gemaß den\nentsprechenden Klauseln des Schenkungsvertrags absehbar und fur diesen Fall\nnicht etwa der fortdauernde Bestand eines angelegten oder projektierten\n„Biotops" vereinbart ist. Auch hat der Klager zu 2 im Rahmen seiner\nEinwendungen gegen den Planentwurf vom 04.11.2002 nicht etwa substantiiert\ngeltend gemacht, insoweit wurde in einen angelegten bzw. damals bereits\nprojektierten „Biotop" eingegriffen. Lediglich allgemein heißt es im\nEinwendungsschreiben vom 04.11.2002, das Grundstuck sei „Baustein unserer\nNaturschutzkonzeption und wurde bei der baulichen Umsetzung dieser Planung\nkomplett zerstort bzw. unserem Eigentum entzogen". Erstmals in der\nKlagebegrundung vom 25.04.2006 hat der Klager zu 2 - wiederum nur allgemein -\nausgefuhrt, er habe u.a. einen Teich angelegt und mehrere Baume und Straucher\ngepflanzt, um das bisher landwirtschaftlich genutzte Grundstuck okologisch\naufzuwerten. Dafur, dass diese Maßnahme im Rahmen eines Konzepts und\nnachhaltig angelegt ware, ist nichts ersichtlich. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die somit allein zulassige Klage des Klagers zu 1 ist nicht begrundet. Aus\ndenselben Grunden konnte auch die unzulassige Klage des Klagers zu 2 keinen\nErfolg haben. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verletzt die Klager nicht in\nihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insoweit ist wegen der\nenteignungsrechtlichen Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses seine\numfassende objektiv-rechtliche Prufung geboten; ausgenommen sind insoweit nur\nRechtsmangel, die fur die enteignende Inanspruchnahme der Grundstucke der\nKlager nicht kausal sind (BVerwG, Beschl. v. 10.07.1995 - 4 B 94.95 - NVwZ-RR\n1996, 188). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| 1\\. Das Vorhaben ist planerisch gerechtfertigt. Dass es diesem in § 17 Abs.\n1 FStrG verwurzelten (ungeschriebenen) Erfordernis (vgl. allgemein zur\nFachplanung BVerwG, Urt. v. 16.03.2006 - 4 A 1075.04 - <Berlin-Schonefeld>\nRdNr. 179 f.) entspricht, ergibt sich bereits aus dem gesetzlichen Bedarfsplan\nfur den Bundesfernstraßenbau. In der Anlage zum 5. Gesetz zur Änderung des\nFernstraßenausbaugesetzes (FStrAbG) vom 04.10.2004 (Anlageband zum BGBl. Teil\nI Nr. 54 v. 15.10.2004), die als Karte gestaltet ist, wird der vierstreifige\nAus- und Neubau der B 14 im Abschnitt Winnenden - Backnang dem vordringlichen\nBedarf zugeordnet. Diese Bedarfsfeststellung ist fur die Planfeststellung nach\n§ 17 FStrG verbindlich (§ 1 Abs. 2 Satz 2 FStrAbG; vgl. BVerwG, Urt. v.\n19.05.1998 - 4 C 11.96 - NVwZ 1999, 528; Urt. v. 17.01.2007 - 9 A 20.05 -\n<Westumfahrung Halle> NuR 2007, 336, RdNr. 23 ff.). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Dies gilt, worauf die Klager selbst zutreffend hinweisen, auch fur die im\nBedarfsplan vorgesehene Dimensionierung (Kapazitat) der Straße (BVerwG, Urt.\nv. 21.03.1996 - BVerwGE 100, 370; Urt. v. 26.03.1998 - 4 A 7.97 - NuR 1998,\n605). Die gesetzliche Feststellung des Bedarfs auch insoweit stellen die\nKlager ausdrucklich nicht in Frage (vgl., zur gerichtlichen Überprufbarkeit in\neinem solchen Fall, BVerwG, Urt. v. 17.01.2007 - 9 A 20.05 - <Westumfahrung\nHalle> RdNr. 24 f. a.a.O.). Die Einwande der Klager zu den Verkehrsprognosen\ngelten allein den Ausfuhrungen des Planfeststellungsbeschlusses zur Frage, ob\nsich eine andere Alternative als vorzugswurdig aufdrange und ob der\nStraßenquerschnitt unter Beibehaltung von vier Fahrstreifen nicht verringert\nwerden musse. Diese Einwande betreffen aber nicht die planerische\nRechtfertigung des Vorhabens, sondern allein die Abwagung. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Ihren in der Klagebegrundung noch erhobenen Einwand, das Vorhaben gehe uber\ndie im Bedarfsplan fur den Fernstraßenausbau vorgesehene Dimensionierung von\nvier Fahrstreifen hinaus, weil die B 14 alt insbesondere zwischen Backnang-\nWaldrems und Backnang-Sud uber einen langeren Abschnitt hin als zweistreifige\nBundesstraße erhalten bleibe und neben der vierstreifigen B 14 neu gefuhrt\nwerde, so dass in diesem Bereich letztlich eine sechsstreifige Bundesstraße\nvorhanden sei, haben die Klager in der mundlichen Verhandlung zu Recht fallen\ngelassen. Selbst wenn die B 14 alt nicht alsbald in dem betreffenden Abschnitt\nzur Kreis- oder Gemeindestraße abgestuft wurde, was allerdings nach dem\nplausiblen Vortrag des Beklagten zu erwarten ist, anderte die Planung nichts\nan dem Charakter einer vierstreifigen Bundesstraße. Nach ihrer Fertigstellung\nkann von ihr nur uber die Anschlussstellen Backnang-Waldrems und Backnang-Sud\nauf die B 14 alt aufgefahren werden. Diese Gestaltung entspricht nicht einer\nErweiterung der Fahrbahn auf jeweils drei Streifen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| 2\\. Der Planfeststellungsbeschluss leidet auch nicht an einem erheblichen\nAbwagungsmangel. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Bei der Planfeststellung sind die von dem Vorhaben beruhrten offentlichen\nund privaten Belange einschließlich der Umweltvertraglichkeit im Rahmen der\nAbwagung zu berucksichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG). Mangel der Abwagung\nder von dem Vorhaben beruhrten offentlichen und privaten Belange sind jedoch\nnur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwagungsergebnis von\nEinfluss gewesen sind (§ 17 Abs. 6c Satz 1 FStrG). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| 2.1 Entgegen der Auffassung der Klager drangt sich keine der von ihnen im\ngerichtlichen Verfahren angefuhrten Alternativen als vorzugswurdig auf. Es ist\nrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte diese Alternativen im\nPlanfeststellungsverfahren nicht naher betrachtet, sondern, soweit sie dort\nuberhaupt nach den Einwendungen der Klager in Frage standen, schon aufgrund\neiner Grobanalyse als ungeeignet verworfen hat. Auszugehen ist insoweit von\nFolgendem: \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Eine Planfeststellungsbehorde handelt nicht schon dann abwagungsfehlerhaft,\nwenn eine von ihr verworfene Trassenfuhrung ebenfalls mit guten Grunden\nvertretbar gewesen ware. Die Grenzen planerischer Gestaltungsfreiheit sind\nerst dann uberschritten, wenn eine andere als die gewahlte Linienfuhrung sich\nunter Berucksichtigung aller abwagungserheblichen Belange eindeutig als die\nbessere, weil offentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen\nwurde, wenn sich mit anderen Worten diese Losung der Behorde hatte aufdrangen\nmussen. Trassenvarianten, die sich auf der Grundlage einer Grobanalyse als\nweniger geeignet erweisen, konnen schon in einem fruhen Verfahrensstadium oder\nauf vorangegangenen Planungsebenen ausgeschieden werden. Die jeweilige\nUntersuchungstiefe hangt vor allem vom Grad der Beeintrachtigung offentlicher\nund privater Belange ab; je schwerwiegender die Beeintrachtigung anderer\nBelange ist, umso weitgehender sind die Anforderungen an die\nAlternativenprufung. Dies gilt auch fur Alternativen, die sich nicht „auf den\nersten Blick" anbieten oder aufdrangen (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v.\n14.11.2002 - 4 A 15.02 - <B 173 Lichtenfels - Kronach> BVerwGE 117, 149 = NVwZ\n2003, 485; Urt. v. 09.06.2004 - 9 A 11.03 <Ortsumgehung Michendorf> \\- NVwZ\n2004, 1487; Urt. v. 24.11.2004 - 9 A 42.03 - <B 180 - Ortsumgehung Stollberg\n-> juris). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Planfestgestellt ist die Trasse 88 L (vgl. Erlauterungsbericht S. 13 ff.,\nPlanfeststellungsbeschluss S. 81 ff.). Neben dieser Trasse sind die\nBestandstrasse B 14 alt, die Nullvariante sowie die Trassen 87 B, 86 P und 88\nS naher untersucht worden (Erlauterungsbericht S. 18 ff., Karte S. 34;\nPlanfeststellungsbeschluss s. 83 ff.; zur Variante S+T vgl.\nPlanfeststellungsbeschluss S. 89 ff. sowie Planunterlagen Nr. 12.0.2). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Klager halten keine dieser Alternativtrassen fur vorzugswurdig. Sie\nwenden vielmehr ein, der Planfeststellungsbeschluss befasse sich nicht\nhinreichend mit weiteren Alternativen, namlich einer Bahnbundelungstrasse\n(BBT) und mit zwei alternativen Bestandstrassen (88 L-B). \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Das trifft im Ausgangspunkt nicht zu. Der Planfeststellungsbeschluss verhalt\nsich durchaus zu sonstigen Alternativtrassen (S. 90 letzter Absatz ff.). Es\nfinden sich dort allerdings kaum zusatzliche Erwagungen, wenn es heißt, die\ngeforderten zwei- oder dreispurigen Losungen oder auch Kombinationsmodelle\nwurden insbesondere den verkehrs- und sicherheitsrelevanten Anforderungen\nnicht gerecht oder scheiterten an den raumlichen Verhaltnissen. Dazu ist im\nEinzelnen auszufuhren: \n--- \n| 35 \n--- \n| Die von den Klagern in den Vordergrund gestellte Bahnbundelungstrasse\n(Klagebegrundung S. 45 f. mit Skizze, Anlage K 14) soll die Trasse der B 14\nalt mit zwei Fahrspuren nordlich des Gewerbegebiets Backnang-Waldrems Richtung\nWesten verlassen und entlang der Bahnstrecke Winnenden - Backnang, diese\nmehrfach querend, bis zur Anschlussstelle Backnang-Mitte gefuhrt werden. Die\nbeiden jeweils außeren Fahrstreifen der bis zum Gewerbegebiet Backnang-\nWaldrems vierstreifig gefuhrten B 14 neu sollen bis zur Anschlussstelle\nBacknang-Mitte der Bestandstrasse der B 14 alt folgen. Als Variante wird in\nder Stellungnahme von Dipl.-Ing. K. vom 05.07.2007 (S. 20) auch eine\nvierstreifige Bahnbundelungstrasse vorgeschlagen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die - beiden - alternativen Bestandstrassen (Klagebegrundung S. 47 f.)\nunterscheiden sich wie folgt: Im einen Fall soll die B 14 alt lediglich\n„modernisiert", d. h. weiter zweistreifig mit einem Querschnitt von 11,5 m\ngefuhrt werden. In der zweiten Variante, welche die Klager in der mundlichen\nVerhandlung erlautert haben und die in der Stellungnahme von Dipl.-Ing. K. vom\n05.07.2007 naher beschrieben ist (S. 18 ff.), wird die B 14 alt bis sudlich\nBacknang-Waldrems um zwei Fahrstreifen auf den Regelquerschnitt 18 m erganzt\nund ab der Anschlussstelle Backnang-Waldrems auf der zweistreifigen\nBestandsstrasse sowie in einem zweistreifigen, ggf. auch vierstreifigen Tunnel\nweitergefuhrt; Backnang soll mit einer tief liegenden zweistreifigen Trasse\nfur den Schwer- und Durchgangsverkehr umfahren werden, wahrend zwei neue\nFahrstreifen auf Bestandsniveau dem ortlichen Verkehr dienen sollen. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Es ist bereits fraglich, ob es sich bei den von den Klagern angefuhrten\nanderen Trassen noch um Alternativen oder nicht schon um andere Vorhaben\nhandelt, mit denen die der Planung vorgegebenen Ziele nicht mehr erreicht\nwerden konnen. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Von einer dem Vorhabentrager zumutbaren Alternative kann dann nicht mehr die\nRede sein, wenn eine Planungsvariante auf ein anderes Projekt hinauslauft,\nweil die vom Vorhabentrager in zulassiger Weise verfolgten Ziele nicht mehr\nverwirklicht werden konnten; zumutbar ist es nur, Abstriche vom\nZielerfullungsgrad in Kauf zu nehmen (vgl., allerdings zur Alternativenprufung\ngemaß Art. 6 Abs. 4 FFH-RL, BVerwG, Urt. v. 17.01.2007 - 9 A 20.05 -\n<Westumfahrung Halle> a.a.O. RdNr. 143; vgl. schon BVerwG, Urt. v. 15.01.2004\n- 4 A 11. 02 - <A 73 - Suhl-Lichtenfels> BVerwGE 120, 1 = NVwZ 2004, 732\nm.w.N.). Insoweit hat es das Bundesverwaltungsgericht bislang offen gelassen,\nob ein entgegen dem Bedarfsplan nicht vollstandig vierstreifiger Ausbau im\nEinzelfall noch eine Alternative ist. Es hat darauf hingewiesen, dass gewisse\n(hinnehmbare) Abstriche am Grad der Zielvollkommenheit als typische Folge des\nAbwagungsgebots, Alternativen zu nutzen, hinnehmbar seien (vgl. schon BVerwG,\nUrt. v. 17.05.2002 - 4 A 28.01 - <A 44 Hessisch-Lichtenau> BVerwGE 116, 254 =\nNVwZ 2002, 254 Rdnr. 42). Frage sei stets, ob es sich um ein „anderes\nVerkehrsprojekt" handele. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Ob dies der Fall ist, ist insbesondere und zunachst daran zu messen, ob die\nals Alternativen bezeichneten Trassen den Vorgaben des gesetzlichen\nBedarfsplans genugen. Insoweit ist sicher richtig, dass die\nVerknupfungsfunktion der B 14 neu auch mit den von den Klagern angefuhrten\nAlternativen erreicht wird. Nicht als zwingende Vorgabe ist es wohl auch zu\nsehen, dass im Bedarfsplan die B 14 neu ostlich der Bestandstrasse, also\nostlich von Backnang-Maubach, verlauft; dem entspricht es, dass der\nVorhabentrager selbst auch Trassen westlich von Backnang-Maubach untersucht\nhat. Der gesetzliche Bedarfsplan bestimmt im Bereich Backnang-Waldrems und\nBacknang-Maubach aber ausdrucklich den vierstreifigen Neubau, wahrend er\nsudlich Richtung Nellmersbach und nordlich rund um die Kernstadt von Backnang\nnur den zweistreifigen Anbau an die Trasse der B 14 alt vorsieht. Die\nunterschiedliche Darstellung der kapazitiven Erweiterung des\nFernstraßennetzes, Neubau einerseits und Anbau zusatzlicher Fahrstreifen\nandererseits, ist ein Strukturelement des zeichnerischen Bedarfsplans; von\ndaher spricht einiges dafur, der auch auf einem vergleichsweise kurzen\nStreckenabschnitt unterschiedlichen Darstellung von Aus- und Neubau die\nBedeutung beizumessen, dass der Gesetzgeber neben der Verknupfung von Orten\nund neben der Vierstreifigkeit auch jeweils die Bundelung der vier\nFahrstreifen vorgeben will. Dies wurde bedeuten, dass Vorschlage, die zwei\nzusatzlichen Fahrstreifen uber mehrere Kilometer auf einer anderen Trasse als\nder der verbleibenden zweistreifigen B 14 alt zu fuhren, seinem Willen nicht\nentsprechen. Aus den gleichen Grunden konnte auch die von den Klagern\nbevorzugte Bestandstrasse trotz der engen Fuhrung der beiden zusatzlichen\nFahrstreifen entlang den auf der alten Trasse gefuhrten zwei Fahrstreifen als\nnicht bedarfsgerecht angesehen werden. Denn eine durchgehend vierstreifige\nBundesfernstraße bietet eine viel großere Durchlassigkeit fur den weitraumigen\nVerkehr als zwei uber eine Strecke von mehreren Kilometern gefuhrte jeweils\nzweistreifige Abschnitte, auf denen kaum Überholmoglichkeiten bestehen und auf\ndenen insbesondere der uberortliche Schwerverkehr ein Hindernis bildet. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Sollten die von den Klagern bevorzugten Trassen nach den dargelegten\nGrundsatzen (noch) als Alternativen zu beurteilen sein, drangten sie sich\njedenfalls nicht als vorzugswurdig auf. Dies zu erkennen, bedurfte es keiner\nOptimierung und vertieften vergleichenden Betrachtung mit der\nplanfestgestellten Trasse. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Hinsichtlich der Bahnbundelungstrasse ergibt sich dies schon daraus, dass\ndie B 14 neu uber eine Strecke von mehreren Kilometern nicht vierstreifig,\nsondern als zwei voneinander getrennte zweistreifige Straßen im\nBegegnungsverkehr gefuhrt werden soll. Dies beeintrachtigt, wie schon\ndargelegt, die Durchlassigkeit der Straße gerade fur den weitraumigen Verkehr\nschwerwiegend. Es fuhrt zwangslaufig dazu, dass die B 14 neu in diesem Bereich\nnur mit einer - fur eine im Wesentlichen außerhalb geschlossener Ortschaften\nverlaufenden Bundesstraße vergleichsweise - niedrigen Geschwindigkeit befahren\nwerden konnte. Vorgegeben ware dies auch von der Topographie, welche wie die\nmehrfache Querung der Bahngleise und wie der Anschluss bei Backnang-West zu\nengeren Radien zwingen wurde. Die Klager stellen dies nicht in Frage. Sie\nheben diesen Umstand sogar als Vorteil einer Bahnbundelungstrasse hervor,\nindem sie betonen, dass sowohl Sicherheits- als auch Gesundheits-, Siedlungs-\nund Umweltaspekte fur eine (uberwachte) Beschrankung der\nFahrtgeschwindigkeiten von ca. 50 km/h bis 60 km/h in Siedlungsnahe und von 80\nkm/h (Pkw) bzw. 60 km/h (Lkw) außerhalb von Siedlungen sprechen wurden.\nInsoweit geht es ihnen vor allem auch darum, zu vermeiden, dass in Folge des\nAus- und Neubaus der B 14 letztlich eine weitraumige vierspurige Ostumfahrung\nvon Stuttgart fur den Fernverkehr entsteht. Eine solche Einschrankung der\nGeschwindigkeiten widerspricht aber gerade dem legitimen Ziel der Planung, den\nin den Hauptverkehrszeiten an Kapazitatsgrenzen gestoßenen Verkehr zu\nbeschleunigen und Ausweichverkehre auf die B 14 neu zuruck zu leiten. Soweit\ndie Klager dem entgegen halten, auch auf der planfestgestellten Trasse werde\nwegen der zahlreichen, in kurzen Abstanden aufeinanderfolgenden\nAnschlussstellen nicht schneller gefahren werden konnen, hat dem der Beklagte\nin der mundlichen Verhandlung uberzeugend entgegnet, die Anschlussstellen\nseien so gestaltet, dass der durchfahrende Verkehr nicht behindert werde. Zu\nden weiteren ausschlaggebenden Nachteilen der Bahnbundelungstrasse gehort,\ndass die mehrfache Querung der Eisenbahntrasse mit einem besonderen Aufwand\nverbunden ware und insbesondere der Anschluss an die Anschlussstelle Backnang-\nMitte schwierig, deshalb aufwandig und im Ergebnis verkehrlich unbefriedigend\nware, weil der von Suden kommende uberortliche Verkehr sich gezwungen sahe,\nsich in die ab hier wieder vierstreifige B 14 neu einzufadeln. Der bei\nBacknang-Maubach aus der Sicht der Klager aus Grunden des Larmschutzes\nnotwendig werdende Tunnel brachte nicht nur zusatzliche Kosten mit sich;\nvielmehr musste auch die Geschwindigkeit wegen des Begegnungsverkehrs im\nTunnel zur Gefahrenminimierung gesenkt werden. Außerdem hat die Stadt Backnang\n- ohne dass die Beurteilung hierauf maßgebend gestutzt werden musste -\nunwidersprochen darauf hingewiesen, dass die Bahnbundelungstrasse im Bereich\nder Anschlussstelle Backnang-Mitte ein seit langerem geplantes Gewerbegebiet\ndurchschneiden wurde. Demgegenuber ist nicht ersichtlich, dass eine\nBahnbundelungstrasse Vorteile bieten konnte, welche die dargestellten\nNachteile deutlich uberwiegen wurden. Auch sie nahme in großem Umfang\nlandwirtschaftliche Flachen in Anspruch, zumal die Topographie sudlich von\nBacknang-Maubach tiefere und damit breitere Gelandeeinschnitte erforderte;\nferner verursachte sie bei landwirtschaftlichen Flachen ebenfalls\nbetrachtliche zusatzliche Zerschneidungsverluste. Auch die Beeintrachtigung\nder Landschaft ware trotz der Fuhrung entlang der Bahntrasse erheblich. Gegen\neine als Untervariante bezeichnete vierstreifige Bahnbundelungstrasse\nbestunden weitgehend die gleichen Einwande. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Auch die sogenannte Bestandstrasse kann schon bei einer Grobanalyse als\nnicht vorzugswurdig verworfen werden. Ihre verkehrliche Eignung ist wegen der\nFuhrung der Fahrstreifen fur den uberortlichen und den ortlichen Verkehr auf\ngetrennten Trassen in gleicher Weise wie die der Bahnbundelungstrasse\ngemindert. Auch sie bietet im betroffenen Streckenabschnitt nicht die Vorzuge\neiner vierstreifigen Bundesstraße. Überholmoglichkeiten fehlten im gesamten\nVerlauf der Trassentrennung. Der vorwiegend uberortliche Schwerverkehr musste\nan den Stellen, an denen die Trassen aufgeteilt werden, jeweils auf die innere\nFahrbahn wechseln, was Behinderungen und Gefahrdungen zur Folge hatte. Der aus\nder Sicht der Klager erforderlich werdende Tunnel bei Maubach wurde im\nBegegnungsverkehr befahren, weshalb die Geschwindigkeit dort herabgesetzt\nwerden musste und es ebenfalls zu zusatzlichen Gefahrdungen kame. Dass diese\nNachteile durch wesentliche Vorteile einer Bestandstrasse deutlich uberwogen\nwurden, haben die Klager nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| 2.2 In beachtlicher Weise fehlerhaft ist der Planfeststellungsbeschluss auch\nnicht, soweit er in der Abwagung die Belange des Klagers zu 1 am Erhalt seines\nlandwirtschaftlichen Betriebs und des (ehemaligen) Gartnereibetriebs auf\nseinem Grundstuck Flst.Nr. 6... der Gemarkung Maubach zuruckstellt. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| 2.2.1 Soweit der Klager zu 1 mit der Klagebegrundung geltend gemacht hat,\nder Planfeststellungsbeschluss fuhre nicht alle von dem Vorhaben erfassten in\nseinem Eigentum stehenden bzw. gepachteten Betriebsflachen auf, hat er daran\nnach den Hinweisen des Beklagten auf die Planunterlagen in der Klageerwiderung\nnicht mehr festgehalten. Unklar geblieben ist nur das Eigentum am Grundstuck\nFlst.Nr. 7... der Gemarkung Maubach mit einer Flache von 2.637 m², welches im\nZeitpunkt der Erstellung der Planunterlagen Frau H. gehort hatte und zu einem\nnicht naher genannten Zeitpunkt vom Klager zu 1 erworben worden ist. Dass die\nBerucksichtigung dieses Grundstucks bei der Abwagung unter dem Aspekt der\nBetriebsgefahrdung wesentlich ware, ist angesichts eines Flachenverlusts von\ninsgesamt etwa 80.000 m² ausgeschlossen. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| 2.2.2 Der Planfeststellungsbeschluss verneint zwar mit einer rechtlich\nfehlerhaften Begrundung, dass die Existenz dieses Betriebs wegen der\nFlachenverluste gefahrdet wurde, geht aber zulassig in einem zweiten Schritt\ndavon aus, dass eine angenommene Gefahrdung der Existenz des Klagers wie auch\nweiterer Landwirte trotz des hohen Gewichts der damit verbundenen Eingriffe\nhingenommen werden musste, weil dem bedarfsgerechten Ausbau der B 14 als\nregional besonders bedeutsamer Verkehrsverbindung eine uberragende Bedeutung\nzukomme. Erganzend und außerhalb der Abwagung weist er darauf hin, dass der\nVorhabentrager zwar derzeit uber keine Grundstucke verfuge, die als Ersatzland\nangeboten werden konnten, es erfahrungsgemaß aber gelingen werde, bei der\nRealisierung des Vorhabens Tauschgelande zu erwerben, mit dem sich die\njeweilige individuelle Betroffenheit mildern lasse. Es werde auch darauf\nhingewirkt, dass ein nicht in die Abwagung eingestelltes\nUnternehmensflurbereinigungsverfahren eingeleitet werde. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Fur die Einschatzung, die Existenz des landwirtschaftlichen Betriebs des\nKlagers zu 1 sei nicht gefahrdet, geht der Planfeststellungsbeschluss von der\nStellungnahme der Bundesanstalt fur Immobilienaufgaben vom 03.03.2005, mit\neiner Erganzung vom 12.05.2005, aus. In dieser wird festgestellt, dass der zu\nerwartende Flachenverlust von bis zu 8 ha (einschließlich\nZerschneidungsverlusten) den Betrieb grundsatzlich in eine bedrohliche\nSituation bringen konne, wenn Zukauf oder Zupacht nicht moglich seien. Das\nZahlenwerk im Anhang der Stellungnahme weist einen jahrlichen\nEinkommensverlust von ... EUR aus gegenuber einem Einkommen vor Verwirklichung\ndes Vorhabens von … EUR mit der Folge, dass die Eigenkapitalbildung (nach\nAbzug der Entnahme von … EUR) gegen Null geht und die Nettorentabilitat von\n103 % auf 93 % sinkt. Verneint wird die Existenzgefahrdung des Klagers aber\nwegen seines Alters und der nicht zu erwartenden familiaren Nachfolge. Weder\nseine Kinder noch deren Kinder wurden den Hof voraussichtlich ubernehmen\nwollen. Der Klager stehe mit seinen 64 Jahren (heute 66 Jahren) am Ende seines\nBerufslebens, so dass seine Existenz nicht mehr gefahrdet werden konne. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Eine Gefahrdung der Existenzfahigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebs\nlasst sich jedoch nicht mit der Erwagung verneinen, der Inhaber stehe am Ende\nseines Berufslebens. Denn diese Erwagung betrifft die wirtschaftlichen\nVerhaltnisse des Betriebsinhabers insgesamt, nicht aber die objektivierten\nGegebenheiten des zu beurteilenden Betriebs, in den mit der Planung\neingegriffen wird. Auf letztere ist aber allein abzustellen. Ob eine\nlangfristige Existenzfahigkeit eines Betriebs vorliegt, ist danach zu\nbeurteilen, ob in ihm außer einem angemessenen Lebensunterhalt fur den\nBetriebsleiter und seine Familie auch ausreichende Rucklagen fur die\nSubstanzerhaltung und fur Neuanschaffungen erwirtschaftet werden konnen. Dabei\ndarf zwar die besondere Struktur und Arbeitsweise des einzelnen Betriebes\nnicht ganzlich außer Acht bleiben. Jedoch konnen die individuellen Bedurfnisse\nder einzelnen Landwirte nicht ausschlaggebend sein (vgl. BVerwG, Beschl. v.\n31.10.1990 - 4 C 25.90 u.a. - Juris; Senatsurt. v. 05.04.1990 - 5 S 2119/89 -\nVBlBW 1991, 144; zuletzt auch BVerwG, Urt. v. 21.06.2006 - 9 A 28/05 -\n<Ortsumgehung Stralsund> BVerwGE 126, 166 Rdnr. 68 ff.). \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Unerheblich ist insoweit auch, ob das Einkommen des Klagers wegen der ihm\nzustehenden Entschadigung unverandert bliebe (vgl. BVerwG, Beschl. v.\n31.10.1990 - 4 C 25.90 u.a. - a.a.O., Juris Rdnr. 26). Aus der jungeren\nRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich nichts anderes\n(BVerwG, Urt. v. 05.11.1997 - 11 A 54.96 - NuR 1998, 604 und Beschl. v.\n30.09.1998 - 4 VR 9.98 - NVwZ-RR 1999, 164; a.A. VGH Bad.-Wurtt., Urt. v.\n25.05.2000 - 8 S 1525/99 - VENSA, UA S. 20). \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Unerheblich fur das Vorliegen einer Existenzgefahrdung ist auch, dass der\nKlager uber weiteres Einkommen aus anderen Quellen verfugt (vgl. BVerwG,\nBeschl. v. 31.10.1990 - 4 C 25.90 u.a. - a.a.O., Juris Rdnr. 28), soweit diese\nanderen Einkommensquellen nicht zum landwirtschaftlichen Betrieb gehoren. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| 2.2.3 Zu Recht geht der Planfeststellungsbeschluss davon aus, dass eine\nExistenzgefahrdung des Gartnereibetriebs auf dem Grundstuck Flst.Nr. 6... der\nGemarkung Maubach, auf dem neben einem Wohnhaus zwei Gewachshauser und zwei\nGaragen stehen, nicht angenommen werden kann, weil dieser Betrieb 1999\naufgegeben worden ist. Der Planfeststellungsbeschluss fuhrt insoweit im\nAnschluss an eine Stellungnahme der Bundesanstalt fur Immobilienaufgaben aus,\ndass der jetzige Zustand des Grundstucks eine gartenbauliche Nutzung, wie sie\nunter heutigen Gesichtspunkten betrieben werden musste, nicht zulasse. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Substantiiert bestritten hat der Klager zu 1 dies nicht. Es mag sein, dass\nder letzte Pachter die Gartnerei auch mit Blick auf den sich abzeichnenden\nVerlauf der B 14 neu aufgegeben hat. Dies andert aber nichts daran, dass es im\nmaßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses keine\nkonkreten Anhaltspunkte dafur gab, dass eine entsprechende Nutzung wieder\naufgenommen werden wurde, falls die Betriebsflache von der Straßenplanung\nverschont bliebe. Der Umstand allein, dass dort bis 1999 eine Gartnerei\nbetrieben wurde, besagt nicht hinreichend, dass sich die Betriebsflache auch\nin Zukunft fur einen Gartnereibetrieb nach heutigen Anforderungen eignen\nwurde. Nahere Angaben zur Rentabilitat einer Gartnerei auf dem ehemaligen\nBetriebsgelande hat der Klager nicht gemacht. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| 2.2.4 Dass der Planfeststellungsbeschluss hilfsweise eine Existenzgefahrdung\ndes landwirtschaftlichen Betriebs des Klagers und weiterer Landwirte\nunterstellt und auf dieser Grundlage seine Abwagungsentscheidung trifft, ist\nnicht zu beanstanden. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Damit werden die angenommenen Eingriffe in die Existenz landwirtschaftlicher\nBetriebe mit ungeschmalertem Gewicht eingestellt. Diese Vorgehensweise\nentspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats.\nDie Planfeststellungsbehorde hat die dabei zu beachtenden Voraussetzungen\nbeachtet, wozu insbesondere gehort, dass die Frage der Existenzgefahrdung\nsachverstandig untersucht werden muss (BVerwG, Urt. v. 11.01.2001 - 4 A 13.99\n- NVwZ 2001, 1154; VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 13.12.2000 - 5 S 2716/99 - <B 29 -\nOrtsumgehung Mogglingen> VBlBW 2001, 362). \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| 2.2.5 Dass die Gewichtung der Belange - unterstellte Existenzgefahrdung\neiniger Landwirte einerseits und Bedarf fur den Aus- und Neubau der B 14\nandererseits - fehlerhaft ware und die Bevorzugung der Verkehrsbelange am Aus-\nund Neubau der B 14 objektiv außer Verhaltnis stunde, vermag der Senat nicht\nzu erkennen. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Solche wegen der notwendigen Inanspruchnahme großer Flachen fur Verkehrswege\neinschließlich naturschutzrechtlicher Ausgleichsmaßnahmen nicht selten\nunvermeidliche Eingriffe sind nicht grundsatzlich unverhaltnismaßig (vgl.\nBVerwG, Urt. v. 05.11.1997 - 11 A 54.96 - NuR 1998, 604, Juris Rdnr. 67; Urt.\nv. 11.01.2001 - 4 A 13.99 - a.a.O.; VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 13.12.2000 - 5 S\n2716/99 - <B 29 - Ortsumgehung Mogglingen> a.a.O.; Juris Rdnr. 74; VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 25.05.2000 - 8 S 1525/99 - a.a.O. UA S. 22). Auch im\nvorliegenden Fall haben die Belange der betroffenen Landwirte nicht das\nGewicht, dass dahinter der Aus- und Neubau der B 14 zurucktreten musste. Fur\ndas Vorhaben spricht der vom Gesetzgeber bindend festgestellte Bedarf an einer\nvierstreifigen Bundesstraße im maßgeblichen Abschnitt (§ 1 Abs. 2 Satz 2\nFStrAbG). Die von den Klagern angefuhrten Alternativen drangen sich - wie oben\nausgefuhrt - jedenfalls nicht als vorzugswurdig auf. Sofern im Rahmen der\nAbwagung die Bedeutung des verkehrlichen Bedarfs und die seiner Feststellung\nzu Grunde liegenden Verkehrsprognosen noch in Zweifel gezogen werden konnen\n(vgl. BVerwG, Urt. v. 17.01.2007 - 9 A 20.05 - <Westumfahrung Halle> a.a.O.\nRdnr. 131 ff., 135 ff. zur Abwagung mit Naturschutzbelangen im Rahmen der\nAbweichungsentscheidung entsprechend § 34 Abs. 3 BNatSchG), wurde dies am\ndeutlich uberwiegenden offentlichen Interesse am Aus- und Neubau der B 14\nnichts andern. Denn aus den von den Klagern angefuhrten Grunden ergibt sich\nnicht, dass die dem Planfeststellungsbeschluss zu Grunde liegenden\nVerkehrsuntersuchungen, die von verschiedenen Verkehrsgutachtern stammen und\nim Wesentlichen in den Ergebnissen ubereinstimmen, nicht nachvollziehbar oder\nmethodisch fehlerhaft waren. Der von den Klagern in der mundlichen Verhandlung\nbeigezogene Dipl.-Ing. K. hat dies ausdrucklich bestatigt. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| In Zweifel gezogen haben die Klager im Wesentlichen nur die Aussagekraft\ndieser Verkehrsgutachten fur die Zukunft. Selbst wenn insoweit im maßgeblichen\nZeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses Zweifel begrundet\ngewesen sein sollten, stand damals doch nicht in Frage, dass jedenfalls die B\n14 als zweistreifige Straße in den Hauptverkehrszeiten uberlastet war, im\nPlanungsfall 0 in den Hauptverkehrszeiten uberlastet bleiben wurde, und die B\n14 neu bei einem vierspurigen Aus- und Neubau Verkehre bundeln und ihr\ninsbesondere infolge des geplanten weitgehend dreistreifigen Ausbaus der L\n1115 zusatzlicher Verkehr in erheblichem Umfang zugefuhrt wurde. Die Klager\nhaben diese zusatzlichen Faktoren nicht in beachtlicher Weise in Zweifel\ngezogen. Hierfur reichen ihre Hinweise auf Verkehrszahlungen an der B 14 in\njungerer Zeit und auf ein geandertes Verkehrsverhalten in Zukunft nicht aus. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Im Einzelnen ergibt sich dies aus Folgendem: Der Planfeststellungsbeschluss\nstutzt sich auf die Verkehrsuntersuchung B 14 neu des Buros B., 2. Auflage\n2002 (Planunterlage 15.3). Das spater unter B. firmierende Buro hat diese\nUntersuchung mit mehreren Schreiben an das Regierungsprasidium Stuttgart auf\ndie Einwande der Klager hin erganzt. Die Verkehrsuntersuchung greift fur die\nVerkehrsanalyse auf Erhebungsdaten aus dem Jahr 1994 zuruck. Sie enthalt eine\nPrognose fur den Horizont 2010/2012 sowie darauf bezogene\nPlanungsfallberechnungen. In der Neuauflage der Verkehrsuntersuchung im Jahr\n2002 wird ausgefuhrt, dass sie aktuell bleibe: Die Zuwachsraten fur den\nVerkehr in den Jahren 1994 bis 2000 nach Auswertung der Daten aus den\nautomatischen Dauerzahlstellen des Landes fur die erfassten Bundes- und\nLandesstraßen hatten jeweils 6 % betragen; das entspreche den in der\nVerkehrsuntersuchung zu Grunde gelegten Entwicklungen. Zu erwarten sei aber\nauch, dass wegen Überlastungen der B 14 die Verkehrsverlagerungen in das\nnachgeordnete Straßennetz weiter zunahmen. Maßgebende Veranderungen bei den\ngrundlegenden verkehrserzeugenden Parametern (Verkehrsinfrastruktur,\nSiedlungs- und Gewerbeentwicklung, Freizeit- und Versorgungseinrichtungen,\nMotorisierung etc.) seien nicht absehbar. Auch die seit 1995 erfolgten\nModifikationen der Planung fuhrte nicht zu nennenswerten Änderungen. Im\nPlanungsfall 0 werde der durchschnittliche tagliche Verkehr auf dem Abschnitt\nder B 14 zwischen K 1907 bei Backnang-Waldrems und der K 1906 bei Backnang-\nMaubach ausgehend von dem Jahr 1994 um 20,7 % auf 25.700 und nordlich der K\n1906 um 31,1 % auf 27.800 Kfz/24 h zunehmen. Im (spater planfestgestellten)\nPlanungsfall 1a ermittelt die Verkehrsuntersuchung fur die B 14 neu zwischen\nden Anschlussstellen Backnang-Waldrems und Backnang-Sud eine Verkehrsbelastung\nvon 25.800 Kfz/24 h (hinzu kommt der auf der B 14 alt verbleibende lokale\nVerkehr) und zwischen den Anschlussstellen Backnang-Sud und Backnang-Mitte von\n37.600 Kfz/24 h. Hierbei war der zunachst noch nicht absehbare dreistreifige\nAusbau der L 1115 noch nicht berucksichtigt. Unter Heranziehung der Ergebnisse\nder verkehrswirtschaftlichen Untersuchung Nord-Ost-Quadrant Stuttgart des\nBuros B. mit dem Prognosehorizont 2010 (Planunterlage 15.3.1) haben B. unter\ndem 10.08.2005 ihre Betrachtung auf den Prognosehorizont 2016/2017 erweitert\n(Planunterlage 15.3.2). Unter Einbeziehung des nun zu erwartenden\ndreistreifigen Ausbaus der L 1115 gehen B. von deutlich hoheren\nVerkehrsbelastungen in den maßgebenden Abschnitten aus, namlich von 37.200\nKfz/24 h zwischen den Anschlussstellen Backnang-Waldrems und Backnang-Sud und\nvon 44.400 Kfz/24 h zwischen den Anschlussstellen Backnang-Sud und Backnang-\nMitte. Auf ahnliche Werte kommt die Verkehrsuntersuchung, die dem\nVerkehrsentwicklungsplan der Stadt Backnang und der vereinbarten\nVerwaltungsgemeinschaft Backnang bei einem Prognosehorizont 2015 zu Grunde\nliegt (34.500 bzw. 43.500 Kfz/24 h). Hieraus haben B. abgeleitet, dass die\nMitte der Neunziger Jahre in den Verkehrsuntersuchungen B 14 neu und Nord-Ost-\nQuadrant bis 2010 angesetzten verkehrlich relevanten Entwicklungen aus\nheutiger Sicht (2005) selbst bis 2015 nicht in gleichem Umfang anzunehmen\nseien. Dies wird im Einzelnen ausgefuhrt und sodann zusammenfassend im\nSchreiben vom 10.08.2005 an das Regierungsprasidium Stuttgart festgestellt.\nDort heißt es, dass die bisherigen, auf den Zeitraum 2010 bis 2012 zielenden\nPrognosen insgesamt so hoch uber den aus heutiger Sicht anzunehmenden\nEntwicklungen lagen, dass sie mit ausreichender Sicherheit einerseits eher zu\ngering angesetzte Tendenzen (Motorisierung) und andererseits weitere\nEntwicklungen (abnehmender Bevolkerungszuwachs, Ruckgang der Beschaftigung)\nuber 2010/2012 hinaus abdeckten. \n--- \n| 58 \n--- \n| Soweit die Klager hiergegen einwenden, es sei nicht belegt, dass das\nnachgeordnete Straßennetz von den Belastungen (der Überlastung) der B 14\nbetroffen sei, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Entgegen der Auffassung\nder Klager enthalt die Verkehrsuntersuchung B 14 neu hinreichende Nachweise\nfur ihre (bei den gegebenen Belastungszahlen naheliegende) Entlastungswirkung\nfur das nachgeordnete Straßennetz. Sie ergeben sich aus einem Vergleich der\nWerte fur zahlreiche Landes- und Kreisstraßen im Planungsfall 0 (S. 41, 42)\nund im Planungsfall 1 bzw. 1a (S. 43 ff.). Wahrend im Planungsfall 0 Zunahmen\nvon bis zu 147,8 % (von 2.300 auf 5.700 Kfz/24 h) auf der K 1846 nordlich der\nK 1845 angegeben werden, bleibt der Zuwachs dort im Planungsfall 1 bzw. 1a\nvergleichsweise gering (von 2.300 auf 2.600 Kfz/24 h), auf anderen\nNebenstrecken ist sogar eine Abnahme zu verzeichnen. Auch aus den vom\nBeklagten vorgelegten Anlagen zur Verkehrsuntersuchung Nord-Ost-Quadrant\nStuttgart ergibt sich ohne Weiteres, dass es infolge des vierstreifigen Neu-\nund Ausbaus der B 14 im hier maßgebenden Abschnitt und bei einem\ndreistreifigen Ausbau der L 1115 auf zahlreichen Landes- und Kreisstraßen zu\nerheblichen Verkehrsabnahmen kommen wird (Differenzplan 3180-23). \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Die Klager haben nicht dargelegt, dass die der Verkehrsuntersuchung B 14 neu\n2002 zu Grunde liegenden Verkehrserhebungen bei Erlass des\nPlanfeststellungsbeschlusses „zu alt" gewesen waren. In den Ausfuhrungen zur\nAktualitat der Verkehrsuntersuchung B 14 neu in der 2. Auflage 2002 und in den\njungeren Stellungnahmen des Buros B. wird uberzeugend ausgefuhrt, dass sich\ndie maßgebenden Parameter nicht ausschlaggebend geandert haben. Etwas anderes\nzeigen auch die Klager nicht auf. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Soweit sie die Tauglichkeit der Befragung von Verkehrsteilnehmern der\nAutobahn A 8 ostlich der Anschlussstelle Merklingen in Frage stellen, ist dies\nschon deshalb unerheblich, weil sich aus dieser Befragung ergeben hat, dass\ndas Verlagerungspotential von der A 8 (in Richtung A 81, Anschlussstelle\nMundelsheim) bei einem Aus- und Neubau der B 14 allein mit 600 Kfz/24h gering\nsein wird; nichts anderes gilt bei einem zusatzlichen Ausbau der L 1115. Fur\ndiesen Fall haben B. das Verlagerungspotential auf der Grundlage der\nVerkehrsuntersuchung Nord-Ost-Quadrant Stuttgart einen durch die schnellere\nVerbindung angelockten zusatzlichen Verkehr von der A 81 zur A 8 von insgesamt\n1.000 Kfz/24h prognostiziert (Schreiben vom 25.07.2005 an das\nRegierungsprasidium Stuttgart). Dies bestatigt die aus der Verkehrsbefragung\nermittelte geringe Zahl. Fur die Gesamt-Belastungszahlen auf der B 14 neu ist\ndieser zusatzliche Verkehr nicht von erheblichem Gewicht. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| Auch der Vergleich mit den Ergebnissen der amtlichen manuellen Zahlungen an\ndrei Zahlstellen an der B 14 alt im Planfeststellungsabschnitt in den Jahren\n1995/2000/2005 kann die Grundlagen der Verkehrsprognose nicht in Zweifel\nziehen. Bei diesen Zahlen ergibt sich nur teilweise eine Stagnation des\nVerkehrs in den Jahren 1995 bis 2005. Die Klager bezeichnen die Zahlen selbst\nals uneinheitlich. Unmittelbar vergleichbar mit den Analysezahlen aus dem Jahr\n1994 und den Zahlen der Verkehrsuntersuchung B 14 neu fur den Prognosefall 0\nim Jahr 2010/2012 (bzw. der Verkehrsuntersuchung Nord-Ost-Quadrant Stuttgart\nim Prognosejahr 2010) sind diese Zahlen ohnehin nicht, weil die manuellen\nZahlstellen nicht ohne Weiteres die Querschnitte der B 14, die in der\nVerkehrsuntersuchung angegeben werden, abbilden und allenfalls mit den\nErgebnissen anderer Zahlungen (am selben Ort und zu vergleichbarer Zeit)\nvergleichbar sind (vgl. auch S. 74 des Planfeststellungsbeschlusses), nicht\naber mit prognostizierten Zahlen. Zum Ausdruck kommt dies auch darin, dass die\nErgebnisse der manuellen Zahlungen 1995 von den 1994 ebenfalls durch Zahlungen\nermittelten Analysezahlen fur die Querschnitte in diesem Bereich teilweise\nerheblich abweichen. Im Übrigen ergeben sich auch bei den an den manuellen\nZahlstellen ermittelten Zahlen in dem Querschnittsbereich, fur den die\nVerkehrsuntersuchung B 14 neu im Planfall 0 mit 31,1 % die großte Steigerung\nbis 2010/2012 erwartet (nordlich der Einmundung der K 1906 in die B 14 alt bei\nBacknang-Maubach), eine Verkehrszunahme von 19.907 (1995) auf 22.634 (2005),\nwas immerhin fast 14 % entspricht. Auch aktuelle Zahlungen an anderen Stellen\nim Einwirkungsbereich der B 14 alt haben laut B. deutliche\nVerkehrssteigerungen ergeben; so hat der Gutachter Sch. in der mundlichen\nVerhandlung ausgefuhrt, der Verkehr habe auf der K 1845 von 1994 bis 2006 um\n50 % auf 9.500 Kfz/24h und auf der L 1127 von 1994 bis 2007 von 5.800 Kfz/24h\nauf 9.500 Kfz/24h zugenommen. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| Dabei steht eine teilweise Änderung der Prognosegrundlagen gar nicht in\nFrage. Der Verkehrsgutachter selbst hat in seinem Schreiben vom 10.08.2005 an\ndas Regierungsprasidium Stuttgart (Planunterlage 15.3.2) erlautert, dass die\nMitte der Neunziger Jahre angesetzten verkehrlich relevanten Entwicklungen aus\nheutiger Sicht selbst bis 2015 nicht in gleichem Umfang anzunehmen seien;\ninsoweit hat er u.a. auf den geringer als angenommen verlaufenden\nBevolkerungsanstieg verwiesen mit der Folge, dass im Bereich Backnang die\nPrognose aus der Verkehrsuntersuchung Nord-Ost-Quadrant eher zu hoch sei, die\nVerkehrsuntersuchung B 14 neu die Entwicklung bis 2010 aber sehr genau\nabbilde. Bei einer weiter rucklaufigen Bevolkerungszunahme konnten so die\nZahlen der Verkehrsuntersuchung B 14 neu gut auf den Prognosezeitraum\n2016/2017 „ausgedehnt" werden. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| Dass die Verkehrsprognose mit dieser Fortschreibung auf einen spateren\nPrognosehorizont im Sinne einer Abschatzung der Auswirkungen von Änderungen\nbei einzelnen Faktoren eine gewisse Unscharfe erhalt, fuhrt nicht dazu, dass\nsie nicht mehr tragfahig ware. Denn diese Abschatzung ist methodisch nicht zu\nbeanstanden und fuhrt zu einer Großenordnung des Verkehrs, der sowohl den\nvierstreifigen Ausbau als auch den (Sonder-)Querschnitt von 24 m rechtfertigt. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| Maßgeblich fur die Prognosezahlen fur die B 14 neu sind namlich nicht nur\ndie Faktoren, die einen allgemeinen Anstieg des Verkehrs im Prognosenullfall\nbewirken, sondern vor allem auch die Bundelungswirkung der vierstreifigen B 14\nneu (und zusatzlich die Bundelungswirkung einer dreistreifig ausgebauten L\n1115), die nur entsteht, wenn die Verkehrswiderstande auf ihr durch eine\nErweiterung auf vier Streifen beseitigt werden. So ist die insgesamt sich\nergebende Zunahme des Verkehrs auf einer vierstreifigen B 14 neu mit\nSicherheit so groß, dass ihr vierstreifiger Ausbau im maßgeblichen Zeitpunkt\ndes Erlasses des Planfeststellungsbeschluss verkehrlich geboten war und ihm\neine hohe verkehrliche Bedeutung zukommt. Davon gehen im Grunde auch die\nKlager aus. In der von ihnen vorgelegten Stellungnahme von Dipl.-Ing. K. vom\n05.07.2007 wird bemerkt (S. 13), dass auf der B 14 alt in den\nHauptverkehrszeiten die anhand des Handbuchs fur die Bemessung von\nStraßenverkehrsanlagen (2001) bestimmte Qualitat von zweistreifigen\nLandstraßen bereits heute soweit absinken konne, das es zu Kolonnenfahrt mit\ndeutlich reduziertem Geschwindigkeitsniveau ( < 60 km/h) kommen konne; dabei\nwurde das von ihnen fur moglich gehaltene Absinken bis auf die Qualitatsstufe\nF sogar bedeuten, dass das zufließende Verkehrsaufkommen großer als die\nKapazitat ist, so dass der Verkehr zusammenbricht und es zu Stillstand und\nStau im Wechsel mit Stop-and-go-Verkehr kommt, also zur einer Überlastung der\nStrecke. Diese schon heute gegebenen Qualitatseinbußen sind letztlich auch der\nGrund dafur, dass die Klager selbst Alternativen vorschlagen, die aus ihrer\nSicht einem vierstreifigen Aus- und Neubau entsprechen. \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| Nicht als abwagungsfehlerhaft zu beanstanden vermag der Senat auch die Wahl\neines (Sonder-)Querschnitts von 24 m. Nach der bundesweiten Planungspraxis,\ndie in den Richtlinien fur die Anlage von Straßen, Teil: Querschnitte, Ausgabe\n1996 - RAS-Q 96 - Ausdruck gefunden hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.01.2007 - 9 A\n20.05 - <Westumfahrung Halle> a.a.O. Rdnr. 138 m.w.N.), setzt der\nRegelquerschnitt RQ 26 bereits bei unter 20.000 Kfz/24h ein (Nr. 3.1.3, Bild\n5). Der Einsatzbereich des nachst geringeren Regelquerschnitts RQ 20 endet bei\neiner maximalen Verkehrsstarke von 30.000 Kfz/24h. Bei hoheren Verkehrsstarken\nist von einer Anwendung dieses Querschnitts in der Regel abzusehen, da\naufgrund des fehlenden Standstreifens keine Moglichkeit besteht, den Verkehr\nbei Arbeitsstellen auf einer Richtungsfahrbahn zweistreifig zu fuhren (Nr.\n3.1.3 Abs. 1 Satz 3 und 4). \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| Der Planfeststellungsbeschluss fuhrt zur Dimensionierung der B 14 neu aus,\nein geringerer als ein vierstreifiger Ausbau werde der Verkehrsbelastung nicht\ngerecht. Bei einer Gesamtverkehrsbelastung von bis zu 47.500 Kfz/24h in\neinzelnen Abschnitten des Planfeststellungsabschnitts sei der\n(Sonder-)Querschnitt SQ 24 sachlich gerechtfertigt. Er entspreche dem\nQuerschnitt des sudlich anschließenden Abschnitts. Auf den Regelquerschnitt RQ\n26 werde wegen der schwierigen topographischen Situation, der stadtnahen Lage\nmit den daraus folgenden engen Platzverhaltnissen und unter Beachtung der\nlandschaftspflegerisch wertvollen Raume verzichtet. Zu Recht gehe der\nVorhabentrager davon aus, dass es sich bei der B 14 neu in ihrer Gesamtheit um\nein „Mischprodukt" handele, das im Wesentlichen gemaß den Kategorien der RAS-Q\n96 die Funktion einer anbaufreien Straße außerhalb bebauter Gebiete (A) mit -\nallerdings untergeordneten - Annaherungen an eine anbaufreie Straße innerhalb\nbebauter Gebiete (B) erfulle (vgl. Nr. 1.1 RAS-Q, Tabelle 1 sowie RAS-L\nTabelle 2). Unabhangig von der Einstufung in die Kategorie A oder B ergebe\nsich jedoch der RQ 26. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| Diese Erwagungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Im maßgeblichen\nPlanfeststellungsabschnitt verlauft die B 14 neu weitgehend außerhalb bebauter\nGebiete und kann deshalb der Kategorie der uberregionalen/regionalen\nanbaufreien Straßen außerhalb bebauter Gebiete mit maßgebender\nVerbindungsfunktion (A II) mit einer Entwurfsgeschwindigkeit von 100 km/h\nzugeordnet werden. Das gilt insbesondere fur den Streckenabschnitt zwischen\nder Anschlussstelle Nellmersbach bis zur Anschlussstelle Backnang-Sud.\nUnabhangig von dieser Einstufung - maßgeblich sind insoweit allein die\nVerkehrsstarken - lasst der jedenfalls die Schwelle von 30.000 Kfz/24h\ndeutlich uberschreitende prognostizierte Verkehr einen geringeren Querschnitt\nals RQ 26 und damit insbesondere einen Verzicht auf Standstreifen nur\nausnahmsweise zu. Dass der Beklagte den nach den RAS-Q 96 ermittelten\nQuerschnitt noch weiter als bis auf 24 m hatte absenken mussen - die Klager\nhalten einen Sonderquerschnitt von 18,5 m unter Verzicht auf Seitenstreifen (2\nm), Schmalerung der Rand- (1,50 m) und des Mittelstreifens (3 m) fur moglich -\n, ist nach den Vorgaben der RAS-Q 96 nicht ersichtlich. Angesichts der\nVerkehrserfordernisse ist dies auch nicht deshalb geboten, weil\nlandwirtschaftliche Flachen in erheblichem Umfang bis zur unterstellten\nExistenzgefahrdung beim Betrieb des Klagers zu 1 und weniger anderer Landwirte\nin Anspruch genommen werden muss. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| 2.2.6 Der Klager zu 1 hat in der mundlichen Verhandlung nochmals betont, die\nB 14 neu musse - wie in einer fruhen Phase der Planung (1990) noch vorgesehen\n- zur Schonung landwirtschaftlicher Flachen bei Maubach in einem 1.500 m\nlangen Tunnel verlaufen (vgl. Stellungnahme von Dipl.-Ing. K. vom 05.07.2007\nS. 17). Insoweit enthalt der Planfeststellungsbeschluss zwar keine Erwagungen.\nEs ist aber rechtlich nicht zu beanstanden, dass der\nPlanfeststellungsbeschluss sich mit dieser Forderung, die der Vorhabentrager\nfruh im Planungsverfahren wegen der mit dem Tunnelbau verbundenen erheblichen\nMehrkosten abgelehnt hatte, nicht (erneut) befasst. Soweit der Klager zu 1\ndiese Mehrkosten mit der Erwagung verringern will, ein zweistreifiger Tunnel\noder ein vierstreifiger Tunnel mit verringertem Querschnitt seien ausreichend,\ngeht er von Annahmen aus, die der Senat - wie oben ausgefuhrt - nicht teilt.\nDass unverhaltnismaßig hohe Kosten einer durchgehend steileren und damit\nflachensparenden Ausgestaltung der Boschungen mit Gabionen oder „bewehrter\nErde" entgegenstehen, liegt ebenfalls auf der Hand. Inwiefern von den Klagern\nim Anhorungsverfahren vorgebrachte Varianten fur die Anschlussstellen der K\n1897 (Anschlussstelle Backnang-Mitte) und der L 1115 (Anschlussstelle\nBacknang-West) zur Einsparung von Flachen fuhren wurden, ohne dass\nverkehrliche Belange beeintrachtigt wurden, legen die Klager im Klageverfahren\nnicht naher dar. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Planung insoweit\nfur eine Eigentumsbeeintrachtigung der Klager kausal ware; ein Rechtsfehler\ninsoweit konnte den von ihnen geltend gemachten Aufhebungsanspruch nicht\nbegrunden. \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| 2.2.7 Ohne Erfolg wenden die Klager weiter ein, der Anschluss von der B 14\nalt an das Bebauungsplangebiet „Entwicklungsmaßnahme Backnang - Wohnen IV" sei\nkeine notwendige Folgemaßnahme zum Aus- und Neubau der B 14 und habe deshalb\nnicht gemaß § 75 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG mit dieser planfestgestellt werden\ndurfen; zumindest musste gesichert sein, dass mit der Ausfuhrung dieses\nAnschlusses erst begonnen wurde, wenn die Verwirklichung des Bebauungsplans\nnicht mehr - durch eine gerichtliche Unwirksamerklarung - verhindert werden\nkonnte. Denn ein Rechtsmangel hinsichtlich der Planfeststellung des\nAnschlusses an das Bebauungsplangebiet wurde keinen Anspruch der Klager,\ninsbesondere nicht des Klagers zu 1, auf Aufhebung des angefochtenen\nPlanfeststellungsbeschlusses begrunden. Es ist nicht ersichtlich, dass eine\nfehlerhafte Einbeziehung dieses Anschlusses in den Planfeststellungsbeschluss\nfur die Inanspruchnahme von Eigentum des Klagers zu 1 kausal ware. Der Klager\nzu 1 besitzt keine Grundstucke in der Trasse des planfestgestellten\nAnschlusses. Dass die im Bebauungsplan festgesetzte Fortsetzung des\nAnschlusses u.a. uber mehrere seiner Grundstucke verlauft, ist insoweit\nunerheblich. Diese Festsetzung kann der Klager zu 1 in einem\nNormenkontrollverfahren oder inzident, mit einer Klage gegen Maßnahmen zur\nDurchsetzung der Festsetzung, angreifen. Dabei musste er sich nicht\nentgegenhalten lassen, dass der Anschluss von der B 14 alt bereits\nplanfestgestellt und somit unabanderlich ware. Somit muss zu seinem\nRechtsschutz nicht die „Zwangspunkt-Rechtsprechung" angewandt werden, die es\neinem Eigentumer ermoglicht, sich gegen eine Planung zu wenden, die im\nfestgestellten Abschnitt noch nicht sein Eigentum unmittelbar betrifft, wohl\naber zwangslaufig im absehbar folgenden Planabschnitt (vgl. BVerwG, Beschl. v.\n01.07.2003 - 4 VR 1.03 u.a. - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 3 =\nJuris Rdnr. 3). \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| Im Übrigen teilt der Senat die Auffassung der Planfeststellungsbehorde, dass\nes sich bei dem Anschluss des Plangebiets an die B 14 alt um eine notwendige\nFolgemaßnahme des Aus- und Neubaus der B 14 handelt. Denn durch das Vorhaben\nentfallt der vorhandene Anschluss des Plangebiets an die B 14 alt uber die\nKitzbuheler und in ihrer Fortsetzung die Maubacher Straße, die die B 14 neu in\nRichtung der Kernstadt von Backnang kreuzungsfrei quert. Diese Problematik der\naußeren Erschließung des Baugebiets, welche durch die mit der\nStraßenbauverwaltung abgestimmte Bebauungsplanung im Zeitpunkt des Erlasses\ndes Planfeststellungsbeschlusses vorgezeichnet war, bedurfte der Bewaltigung\nim Planfeststellungsverfahren. \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| Somit ist auch der auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses\nhinsichtlich des erwahnten Anschlusses beschrankte erste Hilfsantrag des\nKlagers zu 1 unbegrundet. \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| 2.2.8. Abwagungsfehlerhaft ist die Planung auch nicht, soweit sie mittelbar\nAuswirkungen auf das Grundstuck des Klagers zu 1 Flst.Nr. 6... der Gemarkung\nMaubach hat. Der Klager hat keinen entsprechenden Anspruch auf Planerganzung.\nDemzufolge ist seine Klage auch mit dem weiteren Hilfsantrag abzuweisen. \n--- \n--- \n| 73 \n--- \n| Soweit der Klager begehrt, dass im Planfeststellungsbeschluss ein\nBeweissicherungsverfahren wegen der Gefahr von Senkungen angeordnet wird, hat\ndies der Beklagte in der mundlichen Verhandlung zugesagt. \n--- \n--- \n| 74 \n--- \n| Im Übrigen hat der Beklagte zu den Befurchtungen des Klagers eine erganzende\ngeotechnische Stellungnahme von Prof. Dipl.-Geol. H. vom 31.05.2006 vorgelegt,\nin der diese im Einzelnen ausgeraumt werden. Danach ist nicht zu erwarten,\ndass durch den Boschungseinschnitt das Grundwasser auf dem Grundstuck des\nKlagers abgesenkt wird. Es wird begrundet, weshalb die Boschung standsicher\nsein wird. Die beim Bau der B 14 neu fur das Grundstuck des Klagers zu\nerwartenden Erschutterungsimmissionen werden wegen der geologischen\nVerhaltnisse als normal i. S. von zumutbar bezeichnet; ferner wird darauf\nhingewiesen, dass die der Boschung nachstgelegenen Gewachshauser als wenig\nerschutterungsempfindlich einzustufen seien; mit einer Überschreitung der\nSchwellenwerte der DIN 4150 fur die Einwirkung von Erschutterungen auf\nbauliche Anlagen werde nicht gerechnet. Die von den Klagern vorgelegte\nfachtechnische Stellungnahme von Dipl.-Ing. K. vom 05.07.2007 und ihre Replik\nvom 06.07.2007 gehen auf diese Ausfuhrungen nicht ein. Auch in der mundlichen\nVerhandlung haben sich keine Gesichtspunkte ergeben, welche die Beurteilung\nvon Prof. Dipl.-Geol. H. als fehlerhaft erscheinen lassen konnten. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. §\n100 Abs. 1 ZPO. Die Kostenanteile folgen dabei dem im nachstehenden Beschluss\nbestimmten unterschiedlichen Streitwert der Klagen des Klagers zu 1 und des\nKlagers zu 2. \n--- \n--- \n| 76 \n--- \n| Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfur gemaß §\n132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. \n--- \n--- \n| 77 \n--- \n| **Beschluss** \n--- \n| 78 \n--- \n| **vom 16. Juli 2007** \n--- \n| 79 \n--- \n| Der Streitwert wird endgultig auf 105.000 EUR festgesetzt. \n--- \n--- \n| 80 \n--- \n| **Gr unde** \n--- \n| 81 \n--- \n| Der Streitwert des Verfahrens bemisst sich nach der sich aus dem Antrag\nergebenden Bedeutung der Sache fur den Klager (§ 52 Abs. 1 GKG). Die Werte\nmehrerer Streitgegenstande sind zusammenzurechnen (§ 39 Abs. 1 GKG). \n--- \n--- \n| 82 \n--- \n| Was den Klager zu 1 betrifft, werden nach seinen Angaben in der\nKlagebegrundung Eigentums- und Pachtflachen im Umfang von insgesamt 67.595 m²\nunmittelbar durch das Vorhaben in Anspruch genommen. Zu Grunde zu legen ist\nmit Blick auf die enteignungsrechtliche Vorwirkung des\nPlanfeststellungsbeschlusses die Halfte des Verkehrswerts dieser Flachen, den\nder Senat auch im Hinblick auf die vorwiegende Nutzung als Wiesenland auf 2\nEUR/m² schatzt. Hieraus folgt ein Einzelstreitwert insoweit von 67.595 EUR.\nHinzu kommt das Abwehrinteresse des Klagers hinsichtlich der vorubergehenden\nInanspruchnahme von Eigentums- und Pachtflachen von insgesamt 9.754 m², der\neintretenden Zerschneidungsverluste von knapp 2 ha sowie hinsichtlich der\nbefurchteten mittelbaren Einwirkungen auf das Anwesen M. ... ... (ehemalige\nGartnerei) und das vom Klager nicht naher bezeichnete Interesse an der\nAufhebung der planfestgestellten Folgemaßnahme betreffend den Bebauungsplan\n„Entwicklungsmaßnahme Backnang - Wohnen IV". Der Senat schatzt nach allem das\nwirtschaftliche Interesse des Klagers insgesamt auf 90.000 EUR. \n--- \n--- \n| 83 \n--- \n| Fur die Klage des Klagers zu 2 betragt der anzusetzende Einzelstreitwert\n15.000 EUR. Insoweit kann nicht allein auf den Verkehrswert der Flache des in\nAnspruch genommenen Grundstucks abgestellt werden. Denn der Klager verfolgt\nmittels dieses Grundstucks ein umfassendes, allgemeines Abwehrinteresse. \n--- \n--- \n| 84 \n--- \n| Der Beschluss ist unanfechtbar. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 20 \n--- \n| Die auf die umfassende Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses,\nhilfsweise auf Teilaufhebung und Planerganzung gerichtete Klage des\nunmittelbar in seinem Grundstuckseigentum betroffenen Klagers zu 1 ist\nstatthaft und auch sonst zulassig. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Dagegen ist die Klage des Klagers zu 2 unzulassig. Ihm fehlt die\nKlagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO). Denn er hat das Grundstuck Flst.Nr. 22.../1\nder Gemarkung Backnang vom Klager zu 1 nur erworben, um die formalen\nVoraussetzungen fur eine Prozessfuhrung zu schaffen, die dem Eigentumer\nvorbehalten ist. Wird auf diese Weise eine dingliche Rechtsstellung letztlich\nnur vorgeschoben, um der Sache nach im Wege der Prozessstandschaft fremde\nAbwehrrechte zu verteidigen, so erschopft sich ihr materieller Gehalt in einer\nbloßen, im Klageverfahren gegen einen Planfeststellungsbeschluss nicht\nschutzwurdigen Scheinposition. Davon ist auszugehen, wenn die konkreten\nUmstande ohne weiteres erkennen lassen, dass an der erworbenen Rechtsstellung,\nwelche die Klagebefugnis vermitteln soll, kein uber das Fuhren eines\nerwarteten Rechtsstreits hinausgehendes Interesse gegeben ist (vgl. BVerwG,\nUrt. v. 27.10.2000 - 4 A 10.99 - BVerwGE 112, 135 = NVwZ 2001, 427). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Dass es dem Klager zu 2 nicht (auch) darum ging und geht, die mit dem\nEigentum an dem Grundstuck verbundenen Gebrauchsmoglichkeiten zu nutzen,\nergibt sich daraus, dass er das Grundstuck nach dem Bekanntwerden des\nTrassenverlaufs gemaß dem vorgelegten notariellen Schenkungsvertrag vom\n30.04.2002 unentgeltlich erhalten und sich verpflichtet hat, es auf den\nSchenker zuruck zu ubertragen, wenn er als Verein aufgelost wird oder wenn er\nohne Zustimmung des Schenkers uber das Grundstuck verfugt; insoweit ist auch\neine Vormerkung bewilligt und in das Grundbuch eingetragen worden. Der\nSchenker hat sich zwar fur die Zwischenzeit, in der der Klager zu 2 Eigentumer\nsein soll, nicht auch die Nutzung des Grundstuck vorbehalten; auch hat der\nKlager zu 2 das in einem Wiesengelande gelegene Grundstuck u.a. mit einigen\nStrauchern bepflanzt und einen kleinen Teich angelegt. Ein eigenes im\nKlageverfahren schutzwurdiges Gebrauchsinteresse ergibt sich daraus aber\nnicht. Ob dies schon daraus folgt, dass der Klager zu 2 das Grundstuck nicht\nbewirtschaftet, kann dahinstehen (vgl. darauf abhebend OVG Saarland, Urt. v.\n20.08.2001 - 2 N 1/00 - BRS 64 Nr. 39; Nieders. OVG, Beschl. v. 12.12.2005 - 7\nMS 91/05 - NuR 2006, 185). Denn jedenfalls ist die vom Klager zu 2 ausgeubte\nNutzung nicht schutzwurdig. Sie dient bei objektiver Sicht nicht etwa der\nlangfristigen okologischen Aufwertung des Grundstucks, sondern soll nur die\nBedeutung des Grundstuck als „Sperrgrundstuck" unterstreichen. Dies schließt\nder Senat daraus, dass die Ruckgabe des Grundstucks an den Schenker gemaß den\nentsprechenden Klauseln des Schenkungsvertrags absehbar und fur diesen Fall\nnicht etwa der fortdauernde Bestand eines angelegten oder projektierten\n„Biotops" vereinbart ist. Auch hat der Klager zu 2 im Rahmen seiner\nEinwendungen gegen den Planentwurf vom 04.11.2002 nicht etwa substantiiert\ngeltend gemacht, insoweit wurde in einen angelegten bzw. damals bereits\nprojektierten „Biotop" eingegriffen. Lediglich allgemein heißt es im\nEinwendungsschreiben vom 04.11.2002, das Grundstuck sei „Baustein unserer\nNaturschutzkonzeption und wurde bei der baulichen Umsetzung dieser Planung\nkomplett zerstort bzw. unserem Eigentum entzogen". Erstmals in der\nKlagebegrundung vom 25.04.2006 hat der Klager zu 2 - wiederum nur allgemein -\nausgefuhrt, er habe u.a. einen Teich angelegt und mehrere Baume und Straucher\ngepflanzt, um das bisher landwirtschaftlich genutzte Grundstuck okologisch\naufzuwerten. Dafur, dass diese Maßnahme im Rahmen eines Konzepts und\nnachhaltig angelegt ware, ist nichts ersichtlich. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die somit allein zulassige Klage des Klagers zu 1 ist nicht begrundet. Aus\ndenselben Grunden konnte auch die unzulassige Klage des Klagers zu 2 keinen\nErfolg haben. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verletzt die Klager nicht in\nihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insoweit ist wegen der\nenteignungsrechtlichen Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses seine\numfassende objektiv-rechtliche Prufung geboten; ausgenommen sind insoweit nur\nRechtsmangel, die fur die enteignende Inanspruchnahme der Grundstucke der\nKlager nicht kausal sind (BVerwG, Beschl. v. 10.07.1995 - 4 B 94.95 - NVwZ-RR\n1996, 188). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| 1\\. Das Vorhaben ist planerisch gerechtfertigt. Dass es diesem in § 17 Abs.\n1 FStrG verwurzelten (ungeschriebenen) Erfordernis (vgl. allgemein zur\nFachplanung BVerwG, Urt. v. 16.03.2006 - 4 A 1075.04 - <Berlin-Schonefeld>\nRdNr. 179 f.) entspricht, ergibt sich bereits aus dem gesetzlichen Bedarfsplan\nfur den Bundesfernstraßenbau. In der Anlage zum 5. Gesetz zur Änderung des\nFernstraßenausbaugesetzes (FStrAbG) vom 04.10.2004 (Anlageband zum BGBl. Teil\nI Nr. 54 v. 15.10.2004), die als Karte gestaltet ist, wird der vierstreifige\nAus- und Neubau der B 14 im Abschnitt Winnenden - Backnang dem vordringlichen\nBedarf zugeordnet. Diese Bedarfsfeststellung ist fur die Planfeststellung nach\n§ 17 FStrG verbindlich (§ 1 Abs. 2 Satz 2 FStrAbG; vgl. BVerwG, Urt. v.\n19.05.1998 - 4 C 11.96 - NVwZ 1999, 528; Urt. v. 17.01.2007 - 9 A 20.05 -\n<Westumfahrung Halle> NuR 2007, 336, RdNr. 23 ff.). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Dies gilt, worauf die Klager selbst zutreffend hinweisen, auch fur die im\nBedarfsplan vorgesehene Dimensionierung (Kapazitat) der Straße (BVerwG, Urt.\nv. 21.03.1996 - BVerwGE 100, 370; Urt. v. 26.03.1998 - 4 A 7.97 - NuR 1998,\n605). Die gesetzliche Feststellung des Bedarfs auch insoweit stellen die\nKlager ausdrucklich nicht in Frage (vgl., zur gerichtlichen Überprufbarkeit in\neinem solchen Fall, BVerwG, Urt. v. 17.01.2007 - 9 A 20.05 - <Westumfahrung\nHalle> RdNr. 24 f. a.a.O.). Die Einwande der Klager zu den Verkehrsprognosen\ngelten allein den Ausfuhrungen des Planfeststellungsbeschlusses zur Frage, ob\nsich eine andere Alternative als vorzugswurdig aufdrange und ob der\nStraßenquerschnitt unter Beibehaltung von vier Fahrstreifen nicht verringert\nwerden musse. Diese Einwande betreffen aber nicht die planerische\nRechtfertigung des Vorhabens, sondern allein die Abwagung. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Ihren in der Klagebegrundung noch erhobenen Einwand, das Vorhaben gehe uber\ndie im Bedarfsplan fur den Fernstraßenausbau vorgesehene Dimensionierung von\nvier Fahrstreifen hinaus, weil die B 14 alt insbesondere zwischen Backnang-\nWaldrems und Backnang-Sud uber einen langeren Abschnitt hin als zweistreifige\nBundesstraße erhalten bleibe und neben der vierstreifigen B 14 neu gefuhrt\nwerde, so dass in diesem Bereich letztlich eine sechsstreifige Bundesstraße\nvorhanden sei, haben die Klager in der mundlichen Verhandlung zu Recht fallen\ngelassen. Selbst wenn die B 14 alt nicht alsbald in dem betreffenden Abschnitt\nzur Kreis- oder Gemeindestraße abgestuft wurde, was allerdings nach dem\nplausiblen Vortrag des Beklagten zu erwarten ist, anderte die Planung nichts\nan dem Charakter einer vierstreifigen Bundesstraße. Nach ihrer Fertigstellung\nkann von ihr nur uber die Anschlussstellen Backnang-Waldrems und Backnang-Sud\nauf die B 14 alt aufgefahren werden. Diese Gestaltung entspricht nicht einer\nErweiterung der Fahrbahn auf jeweils drei Streifen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| 2\\. Der Planfeststellungsbeschluss leidet auch nicht an einem erheblichen\nAbwagungsmangel. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Bei der Planfeststellung sind die von dem Vorhaben beruhrten offentlichen\nund privaten Belange einschließlich der Umweltvertraglichkeit im Rahmen der\nAbwagung zu berucksichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG). Mangel der Abwagung\nder von dem Vorhaben beruhrten offentlichen und privaten Belange sind jedoch\nnur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwagungsergebnis von\nEinfluss gewesen sind (§ 17 Abs. 6c Satz 1 FStrG). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| 2.1 Entgegen der Auffassung der Klager drangt sich keine der von ihnen im\ngerichtlichen Verfahren angefuhrten Alternativen als vorzugswurdig auf. Es ist\nrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte diese Alternativen im\nPlanfeststellungsverfahren nicht naher betrachtet, sondern, soweit sie dort\nuberhaupt nach den Einwendungen der Klager in Frage standen, schon aufgrund\neiner Grobanalyse als ungeeignet verworfen hat. Auszugehen ist insoweit von\nFolgendem: \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Eine Planfeststellungsbehorde handelt nicht schon dann abwagungsfehlerhaft,\nwenn eine von ihr verworfene Trassenfuhrung ebenfalls mit guten Grunden\nvertretbar gewesen ware. Die Grenzen planerischer Gestaltungsfreiheit sind\nerst dann uberschritten, wenn eine andere als die gewahlte Linienfuhrung sich\nunter Berucksichtigung aller abwagungserheblichen Belange eindeutig als die\nbessere, weil offentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen\nwurde, wenn sich mit anderen Worten diese Losung der Behorde hatte aufdrangen\nmussen. Trassenvarianten, die sich auf der Grundlage einer Grobanalyse als\nweniger geeignet erweisen, konnen schon in einem fruhen Verfahrensstadium oder\nauf vorangegangenen Planungsebenen ausgeschieden werden. Die jeweilige\nUntersuchungstiefe hangt vor allem vom Grad der Beeintrachtigung offentlicher\nund privater Belange ab; je schwerwiegender die Beeintrachtigung anderer\nBelange ist, umso weitgehender sind die Anforderungen an die\nAlternativenprufung. Dies gilt auch fur Alternativen, die sich nicht „auf den\nersten Blick" anbieten oder aufdrangen (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v.\n14.11.2002 - 4 A 15.02 - <B 173 Lichtenfels - Kronach> BVerwGE 117, 149 = NVwZ\n2003, 485; Urt. v. 09.06.2004 - 9 A 11.03 <Ortsumgehung Michendorf> \\- NVwZ\n2004, 1487; Urt. v. 24.11.2004 - 9 A 42.03 - <B 180 - Ortsumgehung Stollberg\n-> juris). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Planfestgestellt ist die Trasse 88 L (vgl. Erlauterungsbericht S. 13 ff.,\nPlanfeststellungsbeschluss S. 81 ff.). Neben dieser Trasse sind die\nBestandstrasse B 14 alt, die Nullvariante sowie die Trassen 87 B, 86 P und 88\nS naher untersucht worden (Erlauterungsbericht S. 18 ff., Karte S. 34;\nPlanfeststellungsbeschluss s. 83 ff.; zur Variante S+T vgl.\nPlanfeststellungsbeschluss S. 89 ff. sowie Planunterlagen Nr. 12.0.2). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Klager halten keine dieser Alternativtrassen fur vorzugswurdig. Sie\nwenden vielmehr ein, der Planfeststellungsbeschluss befasse sich nicht\nhinreichend mit weiteren Alternativen, namlich einer Bahnbundelungstrasse\n(BBT) und mit zwei alternativen Bestandstrassen (88 L-B). \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Das trifft im Ausgangspunkt nicht zu. Der Planfeststellungsbeschluss verhalt\nsich durchaus zu sonstigen Alternativtrassen (S. 90 letzter Absatz ff.). Es\nfinden sich dort allerdings kaum zusatzliche Erwagungen, wenn es heißt, die\ngeforderten zwei- oder dreispurigen Losungen oder auch Kombinationsmodelle\nwurden insbesondere den verkehrs- und sicherheitsrelevanten Anforderungen\nnicht gerecht oder scheiterten an den raumlichen Verhaltnissen. Dazu ist im\nEinzelnen auszufuhren: \n--- \n| 35 \n--- \n| Die von den Klagern in den Vordergrund gestellte Bahnbundelungstrasse\n(Klagebegrundung S. 45 f. mit Skizze, Anlage K 14) soll die Trasse der B 14\nalt mit zwei Fahrspuren nordlich des Gewerbegebiets Backnang-Waldrems Richtung\nWesten verlassen und entlang der Bahnstrecke Winnenden - Backnang, diese\nmehrfach querend, bis zur Anschlussstelle Backnang-Mitte gefuhrt werden. Die\nbeiden jeweils außeren Fahrstreifen der bis zum Gewerbegebiet Backnang-\nWaldrems vierstreifig gefuhrten B 14 neu sollen bis zur Anschlussstelle\nBacknang-Mitte der Bestandstrasse der B 14 alt folgen. Als Variante wird in\nder Stellungnahme von Dipl.-Ing. K. vom 05.07.2007 (S. 20) auch eine\nvierstreifige Bahnbundelungstrasse vorgeschlagen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die - beiden - alternativen Bestandstrassen (Klagebegrundung S. 47 f.)\nunterscheiden sich wie folgt: Im einen Fall soll die B 14 alt lediglich\n„modernisiert", d. h. weiter zweistreifig mit einem Querschnitt von 11,5 m\ngefuhrt werden. In der zweiten Variante, welche die Klager in der mundlichen\nVerhandlung erlautert haben und die in der Stellungnahme von Dipl.-Ing. K. vom\n05.07.2007 naher beschrieben ist (S. 18 ff.), wird die B 14 alt bis sudlich\nBacknang-Waldrems um zwei Fahrstreifen auf den Regelquerschnitt 18 m erganzt\nund ab der Anschlussstelle Backnang-Waldrems auf der zweistreifigen\nBestandsstrasse sowie in einem zweistreifigen, ggf. auch vierstreifigen Tunnel\nweitergefuhrt; Backnang soll mit einer tief liegenden zweistreifigen Trasse\nfur den Schwer- und Durchgangsverkehr umfahren werden, wahrend zwei neue\nFahrstreifen auf Bestandsniveau dem ortlichen Verkehr dienen sollen. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Es ist bereits fraglich, ob es sich bei den von den Klagern angefuhrten\nanderen Trassen noch um Alternativen oder nicht schon um andere Vorhaben\nhandelt, mit denen die der Planung vorgegebenen Ziele nicht mehr erreicht\nwerden konnen. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Von einer dem Vorhabentrager zumutbaren Alternative kann dann nicht mehr die\nRede sein, wenn eine Planungsvariante auf ein anderes Projekt hinauslauft,\nweil die vom Vorhabentrager in zulassiger Weise verfolgten Ziele nicht mehr\nverwirklicht werden konnten; zumutbar ist es nur, Abstriche vom\nZielerfullungsgrad in Kauf zu nehmen (vgl., allerdings zur Alternativenprufung\ngemaß Art. 6 Abs. 4 FFH-RL, BVerwG, Urt. v. 17.01.2007 - 9 A 20.05 -\n<Westumfahrung Halle> a.a.O. RdNr. 143; vgl. schon BVerwG, Urt. v. 15.01.2004\n- 4 A 11. 02 - <A 73 - Suhl-Lichtenfels> BVerwGE 120, 1 = NVwZ 2004, 732\nm.w.N.). Insoweit hat es das Bundesverwaltungsgericht bislang offen gelassen,\nob ein entgegen dem Bedarfsplan nicht vollstandig vierstreifiger Ausbau im\nEinzelfall noch eine Alternative ist. Es hat darauf hingewiesen, dass gewisse\n(hinnehmbare) Abstriche am Grad der Zielvollkommenheit als typische Folge des\nAbwagungsgebots, Alternativen zu nutzen, hinnehmbar seien (vgl. schon BVerwG,\nUrt. v. 17.05.2002 - 4 A 28.01 - <A 44 Hessisch-Lichtenau> BVerwGE 116, 254 =\nNVwZ 2002, 254 Rdnr. 42). Frage sei stets, ob es sich um ein „anderes\nVerkehrsprojekt" handele. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Ob dies der Fall ist, ist insbesondere und zunachst daran zu messen, ob die\nals Alternativen bezeichneten Trassen den Vorgaben des gesetzlichen\nBedarfsplans genugen. Insoweit ist sicher richtig, dass die\nVerknupfungsfunktion der B 14 neu auch mit den von den Klagern angefuhrten\nAlternativen erreicht wird. Nicht als zwingende Vorgabe ist es wohl auch zu\nsehen, dass im Bedarfsplan die B 14 neu ostlich der Bestandstrasse, also\nostlich von Backnang-Maubach, verlauft; dem entspricht es, dass der\nVorhabentrager selbst auch Trassen westlich von Backnang-Maubach untersucht\nhat. Der gesetzliche Bedarfsplan bestimmt im Bereich Backnang-Waldrems und\nBacknang-Maubach aber ausdrucklich den vierstreifigen Neubau, wahrend er\nsudlich Richtung Nellmersbach und nordlich rund um die Kernstadt von Backnang\nnur den zweistreifigen Anbau an die Trasse der B 14 alt vorsieht. Die\nunterschiedliche Darstellung der kapazitiven Erweiterung des\nFernstraßennetzes, Neubau einerseits und Anbau zusatzlicher Fahrstreifen\nandererseits, ist ein Strukturelement des zeichnerischen Bedarfsplans; von\ndaher spricht einiges dafur, der auch auf einem vergleichsweise kurzen\nStreckenabschnitt unterschiedlichen Darstellung von Aus- und Neubau die\nBedeutung beizumessen, dass der Gesetzgeber neben der Verknupfung von Orten\nund neben der Vierstreifigkeit auch jeweils die Bundelung der vier\nFahrstreifen vorgeben will. Dies wurde bedeuten, dass Vorschlage, die zwei\nzusatzlichen Fahrstreifen uber mehrere Kilometer auf einer anderen Trasse als\nder der verbleibenden zweistreifigen B 14 alt zu fuhren, seinem Willen nicht\nentsprechen. Aus den gleichen Grunden konnte auch die von den Klagern\nbevorzugte Bestandstrasse trotz der engen Fuhrung der beiden zusatzlichen\nFahrstreifen entlang den auf der alten Trasse gefuhrten zwei Fahrstreifen als\nnicht bedarfsgerecht angesehen werden. Denn eine durchgehend vierstreifige\nBundesfernstraße bietet eine viel großere Durchlassigkeit fur den weitraumigen\nVerkehr als zwei uber eine Strecke von mehreren Kilometern gefuhrte jeweils\nzweistreifige Abschnitte, auf denen kaum Überholmoglichkeiten bestehen und auf\ndenen insbesondere der uberortliche Schwerverkehr ein Hindernis bildet. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Sollten die von den Klagern bevorzugten Trassen nach den dargelegten\nGrundsatzen (noch) als Alternativen zu beurteilen sein, drangten sie sich\njedenfalls nicht als vorzugswurdig auf. Dies zu erkennen, bedurfte es keiner\nOptimierung und vertieften vergleichenden Betrachtung mit der\nplanfestgestellten Trasse. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Hinsichtlich der Bahnbundelungstrasse ergibt sich dies schon daraus, dass\ndie B 14 neu uber eine Strecke von mehreren Kilometern nicht vierstreifig,\nsondern als zwei voneinander getrennte zweistreifige Straßen im\nBegegnungsverkehr gefuhrt werden soll. Dies beeintrachtigt, wie schon\ndargelegt, die Durchlassigkeit der Straße gerade fur den weitraumigen Verkehr\nschwerwiegend. Es fuhrt zwangslaufig dazu, dass die B 14 neu in diesem Bereich\nnur mit einer - fur eine im Wesentlichen außerhalb geschlossener Ortschaften\nverlaufenden Bundesstraße vergleichsweise - niedrigen Geschwindigkeit befahren\nwerden konnte. Vorgegeben ware dies auch von der Topographie, welche wie die\nmehrfache Querung der Bahngleise und wie der Anschluss bei Backnang-West zu\nengeren Radien zwingen wurde. Die Klager stellen dies nicht in Frage. Sie\nheben diesen Umstand sogar als Vorteil einer Bahnbundelungstrasse hervor,\nindem sie betonen, dass sowohl Sicherheits- als auch Gesundheits-, Siedlungs-\nund Umweltaspekte fur eine (uberwachte) Beschrankung der\nFahrtgeschwindigkeiten von ca. 50 km/h bis 60 km/h in Siedlungsnahe und von 80\nkm/h (Pkw) bzw. 60 km/h (Lkw) außerhalb von Siedlungen sprechen wurden.\nInsoweit geht es ihnen vor allem auch darum, zu vermeiden, dass in Folge des\nAus- und Neubaus der B 14 letztlich eine weitraumige vierspurige Ostumfahrung\nvon Stuttgart fur den Fernverkehr entsteht. Eine solche Einschrankung der\nGeschwindigkeiten widerspricht aber gerade dem legitimen Ziel der Planung, den\nin den Hauptverkehrszeiten an Kapazitatsgrenzen gestoßenen Verkehr zu\nbeschleunigen und Ausweichverkehre auf die B 14 neu zuruck zu leiten. Soweit\ndie Klager dem entgegen halten, auch auf der planfestgestellten Trasse werde\nwegen der zahlreichen, in kurzen Abstanden aufeinanderfolgenden\nAnschlussstellen nicht schneller gefahren werden konnen, hat dem der Beklagte\nin der mundlichen Verhandlung uberzeugend entgegnet, die Anschlussstellen\nseien so gestaltet, dass der durchfahrende Verkehr nicht behindert werde. Zu\nden weiteren ausschlaggebenden Nachteilen der Bahnbundelungstrasse gehort,\ndass die mehrfache Querung der Eisenbahntrasse mit einem besonderen Aufwand\nverbunden ware und insbesondere der Anschluss an die Anschlussstelle Backnang-\nMitte schwierig, deshalb aufwandig und im Ergebnis verkehrlich unbefriedigend\nware, weil der von Suden kommende uberortliche Verkehr sich gezwungen sahe,\nsich in die ab hier wieder vierstreifige B 14 neu einzufadeln. Der bei\nBacknang-Maubach aus der Sicht der Klager aus Grunden des Larmschutzes\nnotwendig werdende Tunnel brachte nicht nur zusatzliche Kosten mit sich;\nvielmehr musste auch die Geschwindigkeit wegen des Begegnungsverkehrs im\nTunnel zur Gefahrenminimierung gesenkt werden. Außerdem hat die Stadt Backnang\n- ohne dass die Beurteilung hierauf maßgebend gestutzt werden musste -\nunwidersprochen darauf hingewiesen, dass die Bahnbundelungstrasse im Bereich\nder Anschlussstelle Backnang-Mitte ein seit langerem geplantes Gewerbegebiet\ndurchschneiden wurde. Demgegenuber ist nicht ersichtlich, dass eine\nBahnbundelungstrasse Vorteile bieten konnte, welche die dargestellten\nNachteile deutlich uberwiegen wurden. Auch sie nahme in großem Umfang\nlandwirtschaftliche Flachen in Anspruch, zumal die Topographie sudlich von\nBacknang-Maubach tiefere und damit breitere Gelandeeinschnitte erforderte;\nferner verursachte sie bei landwirtschaftlichen Flachen ebenfalls\nbetrachtliche zusatzliche Zerschneidungsverluste. Auch die Beeintrachtigung\nder Landschaft ware trotz der Fuhrung entlang der Bahntrasse erheblich. Gegen\neine als Untervariante bezeichnete vierstreifige Bahnbundelungstrasse\nbestunden weitgehend die gleichen Einwande. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Auch die sogenannte Bestandstrasse kann schon bei einer Grobanalyse als\nnicht vorzugswurdig verworfen werden. Ihre verkehrliche Eignung ist wegen der\nFuhrung der Fahrstreifen fur den uberortlichen und den ortlichen Verkehr auf\ngetrennten Trassen in gleicher Weise wie die der Bahnbundelungstrasse\ngemindert. Auch sie bietet im betroffenen Streckenabschnitt nicht die Vorzuge\neiner vierstreifigen Bundesstraße. Überholmoglichkeiten fehlten im gesamten\nVerlauf der Trassentrennung. Der vorwiegend uberortliche Schwerverkehr musste\nan den Stellen, an denen die Trassen aufgeteilt werden, jeweils auf die innere\nFahrbahn wechseln, was Behinderungen und Gefahrdungen zur Folge hatte. Der aus\nder Sicht der Klager erforderlich werdende Tunnel bei Maubach wurde im\nBegegnungsverkehr befahren, weshalb die Geschwindigkeit dort herabgesetzt\nwerden musste und es ebenfalls zu zusatzlichen Gefahrdungen kame. Dass diese\nNachteile durch wesentliche Vorteile einer Bestandstrasse deutlich uberwogen\nwurden, haben die Klager nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| 2.2 In beachtlicher Weise fehlerhaft ist der Planfeststellungsbeschluss auch\nnicht, soweit er in der Abwagung die Belange des Klagers zu 1 am Erhalt seines\nlandwirtschaftlichen Betriebs und des (ehemaligen) Gartnereibetriebs auf\nseinem Grundstuck Flst.Nr. 6... der Gemarkung Maubach zuruckstellt. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| 2.2.1 Soweit der Klager zu 1 mit der Klagebegrundung geltend gemacht hat,\nder Planfeststellungsbeschluss fuhre nicht alle von dem Vorhaben erfassten in\nseinem Eigentum stehenden bzw. gepachteten Betriebsflachen auf, hat er daran\nnach den Hinweisen des Beklagten auf die Planunterlagen in der Klageerwiderung\nnicht mehr festgehalten. Unklar geblieben ist nur das Eigentum am Grundstuck\nFlst.Nr. 7... der Gemarkung Maubach mit einer Flache von 2.637 m², welches im\nZeitpunkt der Erstellung der Planunterlagen Frau H. gehort hatte und zu einem\nnicht naher genannten Zeitpunkt vom Klager zu 1 erworben worden ist. Dass die\nBerucksichtigung dieses Grundstucks bei der Abwagung unter dem Aspekt der\nBetriebsgefahrdung wesentlich ware, ist angesichts eines Flachenverlusts von\ninsgesamt etwa 80.000 m² ausgeschlossen. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| 2.2.2 Der Planfeststellungsbeschluss verneint zwar mit einer rechtlich\nfehlerhaften Begrundung, dass die Existenz dieses Betriebs wegen der\nFlachenverluste gefahrdet wurde, geht aber zulassig in einem zweiten Schritt\ndavon aus, dass eine angenommene Gefahrdung der Existenz des Klagers wie auch\nweiterer Landwirte trotz des hohen Gewichts der damit verbundenen Eingriffe\nhingenommen werden musste, weil dem bedarfsgerechten Ausbau der B 14 als\nregional besonders bedeutsamer Verkehrsverbindung eine uberragende Bedeutung\nzukomme. Erganzend und außerhalb der Abwagung weist er darauf hin, dass der\nVorhabentrager zwar derzeit uber keine Grundstucke verfuge, die als Ersatzland\nangeboten werden konnten, es erfahrungsgemaß aber gelingen werde, bei der\nRealisierung des Vorhabens Tauschgelande zu erwerben, mit dem sich die\njeweilige individuelle Betroffenheit mildern lasse. Es werde auch darauf\nhingewirkt, dass ein nicht in die Abwagung eingestelltes\nUnternehmensflurbereinigungsverfahren eingeleitet werde. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Fur die Einschatzung, die Existenz des landwirtschaftlichen Betriebs des\nKlagers zu 1 sei nicht gefahrdet, geht der Planfeststellungsbeschluss von der\nStellungnahme der Bundesanstalt fur Immobilienaufgaben vom 03.03.2005, mit\neiner Erganzung vom 12.05.2005, aus. In dieser wird festgestellt, dass der zu\nerwartende Flachenverlust von bis zu 8 ha (einschließlich\nZerschneidungsverlusten) den Betrieb grundsatzlich in eine bedrohliche\nSituation bringen konne, wenn Zukauf oder Zupacht nicht moglich seien. Das\nZahlenwerk im Anhang der Stellungnahme weist einen jahrlichen\nEinkommensverlust von ... EUR aus gegenuber einem Einkommen vor Verwirklichung\ndes Vorhabens von … EUR mit der Folge, dass die Eigenkapitalbildung (nach\nAbzug der Entnahme von … EUR) gegen Null geht und die Nettorentabilitat von\n103 % auf 93 % sinkt. Verneint wird die Existenzgefahrdung des Klagers aber\nwegen seines Alters und der nicht zu erwartenden familiaren Nachfolge. Weder\nseine Kinder noch deren Kinder wurden den Hof voraussichtlich ubernehmen\nwollen. Der Klager stehe mit seinen 64 Jahren (heute 66 Jahren) am Ende seines\nBerufslebens, so dass seine Existenz nicht mehr gefahrdet werden konne. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Eine Gefahrdung der Existenzfahigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebs\nlasst sich jedoch nicht mit der Erwagung verneinen, der Inhaber stehe am Ende\nseines Berufslebens. Denn diese Erwagung betrifft die wirtschaftlichen\nVerhaltnisse des Betriebsinhabers insgesamt, nicht aber die objektivierten\nGegebenheiten des zu beurteilenden Betriebs, in den mit der Planung\neingegriffen wird. Auf letztere ist aber allein abzustellen. Ob eine\nlangfristige Existenzfahigkeit eines Betriebs vorliegt, ist danach zu\nbeurteilen, ob in ihm außer einem angemessenen Lebensunterhalt fur den\nBetriebsleiter und seine Familie auch ausreichende Rucklagen fur die\nSubstanzerhaltung und fur Neuanschaffungen erwirtschaftet werden konnen. Dabei\ndarf zwar die besondere Struktur und Arbeitsweise des einzelnen Betriebes\nnicht ganzlich außer Acht bleiben. Jedoch konnen die individuellen Bedurfnisse\nder einzelnen Landwirte nicht ausschlaggebend sein (vgl. BVerwG, Beschl. v.\n31.10.1990 - 4 C 25.90 u.a. - Juris; Senatsurt. v. 05.04.1990 - 5 S 2119/89 -\nVBlBW 1991, 144; zuletzt auch BVerwG, Urt. v. 21.06.2006 - 9 A 28/05 -\n<Ortsumgehung Stralsund> BVerwGE 126, 166 Rdnr. 68 ff.). \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Unerheblich ist insoweit auch, ob das Einkommen des Klagers wegen der ihm\nzustehenden Entschadigung unverandert bliebe (vgl. BVerwG, Beschl. v.\n31.10.1990 - 4 C 25.90 u.a. - a.a.O., Juris Rdnr. 26). Aus der jungeren\nRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich nichts anderes\n(BVerwG, Urt. v. 05.11.1997 - 11 A 54.96 - NuR 1998, 604 und Beschl. v.\n30.09.1998 - 4 VR 9.98 - NVwZ-RR 1999, 164; a.A. VGH Bad.-Wurtt., Urt. v.\n25.05.2000 - 8 S 1525/99 - VENSA, UA S. 20). \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Unerheblich fur das Vorliegen einer Existenzgefahrdung ist auch, dass der\nKlager uber weiteres Einkommen aus anderen Quellen verfugt (vgl. BVerwG,\nBeschl. v. 31.10.1990 - 4 C 25.90 u.a. - a.a.O., Juris Rdnr. 28), soweit diese\nanderen Einkommensquellen nicht zum landwirtschaftlichen Betrieb gehoren. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| 2.2.3 Zu Recht geht der Planfeststellungsbeschluss davon aus, dass eine\nExistenzgefahrdung des Gartnereibetriebs auf dem Grundstuck Flst.Nr. 6... der\nGemarkung Maubach, auf dem neben einem Wohnhaus zwei Gewachshauser und zwei\nGaragen stehen, nicht angenommen werden kann, weil dieser Betrieb 1999\naufgegeben worden ist. Der Planfeststellungsbeschluss fuhrt insoweit im\nAnschluss an eine Stellungnahme der Bundesanstalt fur Immobilienaufgaben aus,\ndass der jetzige Zustand des Grundstucks eine gartenbauliche Nutzung, wie sie\nunter heutigen Gesichtspunkten betrieben werden musste, nicht zulasse. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Substantiiert bestritten hat der Klager zu 1 dies nicht. Es mag sein, dass\nder letzte Pachter die Gartnerei auch mit Blick auf den sich abzeichnenden\nVerlauf der B 14 neu aufgegeben hat. Dies andert aber nichts daran, dass es im\nmaßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses keine\nkonkreten Anhaltspunkte dafur gab, dass eine entsprechende Nutzung wieder\naufgenommen werden wurde, falls die Betriebsflache von der Straßenplanung\nverschont bliebe. Der Umstand allein, dass dort bis 1999 eine Gartnerei\nbetrieben wurde, besagt nicht hinreichend, dass sich die Betriebsflache auch\nin Zukunft fur einen Gartnereibetrieb nach heutigen Anforderungen eignen\nwurde. Nahere Angaben zur Rentabilitat einer Gartnerei auf dem ehemaligen\nBetriebsgelande hat der Klager nicht gemacht. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| 2.2.4 Dass der Planfeststellungsbeschluss hilfsweise eine Existenzgefahrdung\ndes landwirtschaftlichen Betriebs des Klagers und weiterer Landwirte\nunterstellt und auf dieser Grundlage seine Abwagungsentscheidung trifft, ist\nnicht zu beanstanden. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Damit werden die angenommenen Eingriffe in die Existenz landwirtschaftlicher\nBetriebe mit ungeschmalertem Gewicht eingestellt. Diese Vorgehensweise\nentspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats.\nDie Planfeststellungsbehorde hat die dabei zu beachtenden Voraussetzungen\nbeachtet, wozu insbesondere gehort, dass die Frage der Existenzgefahrdung\nsachverstandig untersucht werden muss (BVerwG, Urt. v. 11.01.2001 - 4 A 13.99\n- NVwZ 2001, 1154; VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 13.12.2000 - 5 S 2716/99 - <B 29 -\nOrtsumgehung Mogglingen> VBlBW 2001, 362). \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| 2.2.5 Dass die Gewichtung der Belange - unterstellte Existenzgefahrdung\neiniger Landwirte einerseits und Bedarf fur den Aus- und Neubau der B 14\nandererseits - fehlerhaft ware und die Bevorzugung der Verkehrsbelange am Aus-\nund Neubau der B 14 objektiv außer Verhaltnis stunde, vermag der Senat nicht\nzu erkennen. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Solche wegen der notwendigen Inanspruchnahme großer Flachen fur Verkehrswege\neinschließlich naturschutzrechtlicher Ausgleichsmaßnahmen nicht selten\nunvermeidliche Eingriffe sind nicht grundsatzlich unverhaltnismaßig (vgl.\nBVerwG, Urt. v. 05.11.1997 - 11 A 54.96 - NuR 1998, 604, Juris Rdnr. 67; Urt.\nv. 11.01.2001 - 4 A 13.99 - a.a.O.; VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 13.12.2000 - 5 S\n2716/99 - <B 29 - Ortsumgehung Mogglingen> a.a.O.; Juris Rdnr. 74; VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 25.05.2000 - 8 S 1525/99 - a.a.O. UA S. 22). Auch im\nvorliegenden Fall haben die Belange der betroffenen Landwirte nicht das\nGewicht, dass dahinter der Aus- und Neubau der B 14 zurucktreten musste. Fur\ndas Vorhaben spricht der vom Gesetzgeber bindend festgestellte Bedarf an einer\nvierstreifigen Bundesstraße im maßgeblichen Abschnitt (§ 1 Abs. 2 Satz 2\nFStrAbG). Die von den Klagern angefuhrten Alternativen drangen sich - wie oben\nausgefuhrt - jedenfalls nicht als vorzugswurdig auf. Sofern im Rahmen der\nAbwagung die Bedeutung des verkehrlichen Bedarfs und die seiner Feststellung\nzu Grunde liegenden Verkehrsprognosen noch in Zweifel gezogen werden konnen\n(vgl. BVerwG, Urt. v. 17.01.2007 - 9 A 20.05 - <Westumfahrung Halle> a.a.O.\nRdnr. 131 ff., 135 ff. zur Abwagung mit Naturschutzbelangen im Rahmen der\nAbweichungsentscheidung entsprechend § 34 Abs. 3 BNatSchG), wurde dies am\ndeutlich uberwiegenden offentlichen Interesse am Aus- und Neubau der B 14\nnichts andern. Denn aus den von den Klagern angefuhrten Grunden ergibt sich\nnicht, dass die dem Planfeststellungsbeschluss zu Grunde liegenden\nVerkehrsuntersuchungen, die von verschiedenen Verkehrsgutachtern stammen und\nim Wesentlichen in den Ergebnissen ubereinstimmen, nicht nachvollziehbar oder\nmethodisch fehlerhaft waren. Der von den Klagern in der mundlichen Verhandlung\nbeigezogene Dipl.-Ing. K. hat dies ausdrucklich bestatigt. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| In Zweifel gezogen haben die Klager im Wesentlichen nur die Aussagekraft\ndieser Verkehrsgutachten fur die Zukunft. Selbst wenn insoweit im maßgeblichen\nZeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses Zweifel begrundet\ngewesen sein sollten, stand damals doch nicht in Frage, dass jedenfalls die B\n14 als zweistreifige Straße in den Hauptverkehrszeiten uberlastet war, im\nPlanungsfall 0 in den Hauptverkehrszeiten uberlastet bleiben wurde, und die B\n14 neu bei einem vierspurigen Aus- und Neubau Verkehre bundeln und ihr\ninsbesondere infolge des geplanten weitgehend dreistreifigen Ausbaus der L\n1115 zusatzlicher Verkehr in erheblichem Umfang zugefuhrt wurde. Die Klager\nhaben diese zusatzlichen Faktoren nicht in beachtlicher Weise in Zweifel\ngezogen. Hierfur reichen ihre Hinweise auf Verkehrszahlungen an der B 14 in\njungerer Zeit und auf ein geandertes Verkehrsverhalten in Zukunft nicht aus. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Im Einzelnen ergibt sich dies aus Folgendem: Der Planfeststellungsbeschluss\nstutzt sich auf die Verkehrsuntersuchung B 14 neu des Buros B., 2. Auflage\n2002 (Planunterlage 15.3). Das spater unter B. firmierende Buro hat diese\nUntersuchung mit mehreren Schreiben an das Regierungsprasidium Stuttgart auf\ndie Einwande der Klager hin erganzt. Die Verkehrsuntersuchung greift fur die\nVerkehrsanalyse auf Erhebungsdaten aus dem Jahr 1994 zuruck. Sie enthalt eine\nPrognose fur den Horizont 2010/2012 sowie darauf bezogene\nPlanungsfallberechnungen. In der Neuauflage der Verkehrsuntersuchung im Jahr\n2002 wird ausgefuhrt, dass sie aktuell bleibe: Die Zuwachsraten fur den\nVerkehr in den Jahren 1994 bis 2000 nach Auswertung der Daten aus den\nautomatischen Dauerzahlstellen des Landes fur die erfassten Bundes- und\nLandesstraßen hatten jeweils 6 % betragen; das entspreche den in der\nVerkehrsuntersuchung zu Grunde gelegten Entwicklungen. Zu erwarten sei aber\nauch, dass wegen Überlastungen der B 14 die Verkehrsverlagerungen in das\nnachgeordnete Straßennetz weiter zunahmen. Maßgebende Veranderungen bei den\ngrundlegenden verkehrserzeugenden Parametern (Verkehrsinfrastruktur,\nSiedlungs- und Gewerbeentwicklung, Freizeit- und Versorgungseinrichtungen,\nMotorisierung etc.) seien nicht absehbar. Auch die seit 1995 erfolgten\nModifikationen der Planung fuhrte nicht zu nennenswerten Änderungen. Im\nPlanungsfall 0 werde der durchschnittliche tagliche Verkehr auf dem Abschnitt\nder B 14 zwischen K 1907 bei Backnang-Waldrems und der K 1906 bei Backnang-\nMaubach ausgehend von dem Jahr 1994 um 20,7 % auf 25.700 und nordlich der K\n1906 um 31,1 % auf 27.800 Kfz/24 h zunehmen. Im (spater planfestgestellten)\nPlanungsfall 1a ermittelt die Verkehrsuntersuchung fur die B 14 neu zwischen\nden Anschlussstellen Backnang-Waldrems und Backnang-Sud eine Verkehrsbelastung\nvon 25.800 Kfz/24 h (hinzu kommt der auf der B 14 alt verbleibende lokale\nVerkehr) und zwischen den Anschlussstellen Backnang-Sud und Backnang-Mitte von\n37.600 Kfz/24 h. Hierbei war der zunachst noch nicht absehbare dreistreifige\nAusbau der L 1115 noch nicht berucksichtigt. Unter Heranziehung der Ergebnisse\nder verkehrswirtschaftlichen Untersuchung Nord-Ost-Quadrant Stuttgart des\nBuros B. mit dem Prognosehorizont 2010 (Planunterlage 15.3.1) haben B. unter\ndem 10.08.2005 ihre Betrachtung auf den Prognosehorizont 2016/2017 erweitert\n(Planunterlage 15.3.2). Unter Einbeziehung des nun zu erwartenden\ndreistreifigen Ausbaus der L 1115 gehen B. von deutlich hoheren\nVerkehrsbelastungen in den maßgebenden Abschnitten aus, namlich von 37.200\nKfz/24 h zwischen den Anschlussstellen Backnang-Waldrems und Backnang-Sud und\nvon 44.400 Kfz/24 h zwischen den Anschlussstellen Backnang-Sud und Backnang-\nMitte. Auf ahnliche Werte kommt die Verkehrsuntersuchung, die dem\nVerkehrsentwicklungsplan der Stadt Backnang und der vereinbarten\nVerwaltungsgemeinschaft Backnang bei einem Prognosehorizont 2015 zu Grunde\nliegt (34.500 bzw. 43.500 Kfz/24 h). Hieraus haben B. abgeleitet, dass die\nMitte der Neunziger Jahre in den Verkehrsuntersuchungen B 14 neu und Nord-Ost-\nQuadrant bis 2010 angesetzten verkehrlich relevanten Entwicklungen aus\nheutiger Sicht (2005) selbst bis 2015 nicht in gleichem Umfang anzunehmen\nseien. Dies wird im Einzelnen ausgefuhrt und sodann zusammenfassend im\nSchreiben vom 10.08.2005 an das Regierungsprasidium Stuttgart festgestellt.\nDort heißt es, dass die bisherigen, auf den Zeitraum 2010 bis 2012 zielenden\nPrognosen insgesamt so hoch uber den aus heutiger Sicht anzunehmenden\nEntwicklungen lagen, dass sie mit ausreichender Sicherheit einerseits eher zu\ngering angesetzte Tendenzen (Motorisierung) und andererseits weitere\nEntwicklungen (abnehmender Bevolkerungszuwachs, Ruckgang der Beschaftigung)\nuber 2010/2012 hinaus abdeckten. \n--- \n| 58 \n--- \n| Soweit die Klager hiergegen einwenden, es sei nicht belegt, dass das\nnachgeordnete Straßennetz von den Belastungen (der Überlastung) der B 14\nbetroffen sei, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Entgegen der Auffassung\nder Klager enthalt die Verkehrsuntersuchung B 14 neu hinreichende Nachweise\nfur ihre (bei den gegebenen Belastungszahlen naheliegende) Entlastungswirkung\nfur das nachgeordnete Straßennetz. Sie ergeben sich aus einem Vergleich der\nWerte fur zahlreiche Landes- und Kreisstraßen im Planungsfall 0 (S. 41, 42)\nund im Planungsfall 1 bzw. 1a (S. 43 ff.). Wahrend im Planungsfall 0 Zunahmen\nvon bis zu 147,8 % (von 2.300 auf 5.700 Kfz/24 h) auf der K 1846 nordlich der\nK 1845 angegeben werden, bleibt der Zuwachs dort im Planungsfall 1 bzw. 1a\nvergleichsweise gering (von 2.300 auf 2.600 Kfz/24 h), auf anderen\nNebenstrecken ist sogar eine Abnahme zu verzeichnen. Auch aus den vom\nBeklagten vorgelegten Anlagen zur Verkehrsuntersuchung Nord-Ost-Quadrant\nStuttgart ergibt sich ohne Weiteres, dass es infolge des vierstreifigen Neu-\nund Ausbaus der B 14 im hier maßgebenden Abschnitt und bei einem\ndreistreifigen Ausbau der L 1115 auf zahlreichen Landes- und Kreisstraßen zu\nerheblichen Verkehrsabnahmen kommen wird (Differenzplan 3180-23). \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Die Klager haben nicht dargelegt, dass die der Verkehrsuntersuchung B 14 neu\n2002 zu Grunde liegenden Verkehrserhebungen bei Erlass des\nPlanfeststellungsbeschlusses „zu alt" gewesen waren. In den Ausfuhrungen zur\nAktualitat der Verkehrsuntersuchung B 14 neu in der 2. Auflage 2002 und in den\njungeren Stellungnahmen des Buros B. wird uberzeugend ausgefuhrt, dass sich\ndie maßgebenden Parameter nicht ausschlaggebend geandert haben. Etwas anderes\nzeigen auch die Klager nicht auf. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Soweit sie die Tauglichkeit der Befragung von Verkehrsteilnehmern der\nAutobahn A 8 ostlich der Anschlussstelle Merklingen in Frage stellen, ist dies\nschon deshalb unerheblich, weil sich aus dieser Befragung ergeben hat, dass\ndas Verlagerungspotential von der A 8 (in Richtung A 81, Anschlussstelle\nMundelsheim) bei einem Aus- und Neubau der B 14 allein mit 600 Kfz/24h gering\nsein wird; nichts anderes gilt bei einem zusatzlichen Ausbau der L 1115. Fur\ndiesen Fall haben B. das Verlagerungspotential auf der Grundlage der\nVerkehrsuntersuchung Nord-Ost-Quadrant Stuttgart einen durch die schnellere\nVerbindung angelockten zusatzlichen Verkehr von der A 81 zur A 8 von insgesamt\n1.000 Kfz/24h prognostiziert (Schreiben vom 25.07.2005 an das\nRegierungsprasidium Stuttgart). Dies bestatigt die aus der Verkehrsbefragung\nermittelte geringe Zahl. Fur die Gesamt-Belastungszahlen auf der B 14 neu ist\ndieser zusatzliche Verkehr nicht von erheblichem Gewicht. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| Auch der Vergleich mit den Ergebnissen der amtlichen manuellen Zahlungen an\ndrei Zahlstellen an der B 14 alt im Planfeststellungsabschnitt in den Jahren\n1995/2000/2005 kann die Grundlagen der Verkehrsprognose nicht in Zweifel\nziehen. Bei diesen Zahlen ergibt sich nur teilweise eine Stagnation des\nVerkehrs in den Jahren 1995 bis 2005. Die Klager bezeichnen die Zahlen selbst\nals uneinheitlich. Unmittelbar vergleichbar mit den Analysezahlen aus dem Jahr\n1994 und den Zahlen der Verkehrsuntersuchung B 14 neu fur den Prognosefall 0\nim Jahr 2010/2012 (bzw. der Verkehrsuntersuchung Nord-Ost-Quadrant Stuttgart\nim Prognosejahr 2010) sind diese Zahlen ohnehin nicht, weil die manuellen\nZahlstellen nicht ohne Weiteres die Querschnitte der B 14, die in der\nVerkehrsuntersuchung angegeben werden, abbilden und allenfalls mit den\nErgebnissen anderer Zahlungen (am selben Ort und zu vergleichbarer Zeit)\nvergleichbar sind (vgl. auch S. 74 des Planfeststellungsbeschlusses), nicht\naber mit prognostizierten Zahlen. Zum Ausdruck kommt dies auch darin, dass die\nErgebnisse der manuellen Zahlungen 1995 von den 1994 ebenfalls durch Zahlungen\nermittelten Analysezahlen fur die Querschnitte in diesem Bereich teilweise\nerheblich abweichen. Im Übrigen ergeben sich auch bei den an den manuellen\nZahlstellen ermittelten Zahlen in dem Querschnittsbereich, fur den die\nVerkehrsuntersuchung B 14 neu im Planfall 0 mit 31,1 % die großte Steigerung\nbis 2010/2012 erwartet (nordlich der Einmundung der K 1906 in die B 14 alt bei\nBacknang-Maubach), eine Verkehrszunahme von 19.907 (1995) auf 22.634 (2005),\nwas immerhin fast 14 % entspricht. Auch aktuelle Zahlungen an anderen Stellen\nim Einwirkungsbereich der B 14 alt haben laut B. deutliche\nVerkehrssteigerungen ergeben; so hat der Gutachter Sch. in der mundlichen\nVerhandlung ausgefuhrt, der Verkehr habe auf der K 1845 von 1994 bis 2006 um\n50 % auf 9.500 Kfz/24h und auf der L 1127 von 1994 bis 2007 von 5.800 Kfz/24h\nauf 9.500 Kfz/24h zugenommen. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| Dabei steht eine teilweise Änderung der Prognosegrundlagen gar nicht in\nFrage. Der Verkehrsgutachter selbst hat in seinem Schreiben vom 10.08.2005 an\ndas Regierungsprasidium Stuttgart (Planunterlage 15.3.2) erlautert, dass die\nMitte der Neunziger Jahre angesetzten verkehrlich relevanten Entwicklungen aus\nheutiger Sicht selbst bis 2015 nicht in gleichem Umfang anzunehmen seien;\ninsoweit hat er u.a. auf den geringer als angenommen verlaufenden\nBevolkerungsanstieg verwiesen mit der Folge, dass im Bereich Backnang die\nPrognose aus der Verkehrsuntersuchung Nord-Ost-Quadrant eher zu hoch sei, die\nVerkehrsuntersuchung B 14 neu die Entwicklung bis 2010 aber sehr genau\nabbilde. Bei einer weiter rucklaufigen Bevolkerungszunahme konnten so die\nZahlen der Verkehrsuntersuchung B 14 neu gut auf den Prognosezeitraum\n2016/2017 „ausgedehnt" werden. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| Dass die Verkehrsprognose mit dieser Fortschreibung auf einen spateren\nPrognosehorizont im Sinne einer Abschatzung der Auswirkungen von Änderungen\nbei einzelnen Faktoren eine gewisse Unscharfe erhalt, fuhrt nicht dazu, dass\nsie nicht mehr tragfahig ware. Denn diese Abschatzung ist methodisch nicht zu\nbeanstanden und fuhrt zu einer Großenordnung des Verkehrs, der sowohl den\nvierstreifigen Ausbau als auch den (Sonder-)Querschnitt von 24 m rechtfertigt. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| Maßgeblich fur die Prognosezahlen fur die B 14 neu sind namlich nicht nur\ndie Faktoren, die einen allgemeinen Anstieg des Verkehrs im Prognosenullfall\nbewirken, sondern vor allem auch die Bundelungswirkung der vierstreifigen B 14\nneu (und zusatzlich die Bundelungswirkung einer dreistreifig ausgebauten L\n1115), die nur entsteht, wenn die Verkehrswiderstande auf ihr durch eine\nErweiterung auf vier Streifen beseitigt werden. So ist die insgesamt sich\nergebende Zunahme des Verkehrs auf einer vierstreifigen B 14 neu mit\nSicherheit so groß, dass ihr vierstreifiger Ausbau im maßgeblichen Zeitpunkt\ndes Erlasses des Planfeststellungsbeschluss verkehrlich geboten war und ihm\neine hohe verkehrliche Bedeutung zukommt. Davon gehen im Grunde auch die\nKlager aus. In der von ihnen vorgelegten Stellungnahme von Dipl.-Ing. K. vom\n05.07.2007 wird bemerkt (S. 13), dass auf der B 14 alt in den\nHauptverkehrszeiten die anhand des Handbuchs fur die Bemessung von\nStraßenverkehrsanlagen (2001) bestimmte Qualitat von zweistreifigen\nLandstraßen bereits heute soweit absinken konne, das es zu Kolonnenfahrt mit\ndeutlich reduziertem Geschwindigkeitsniveau ( < 60 km/h) kommen konne; dabei\nwurde das von ihnen fur moglich gehaltene Absinken bis auf die Qualitatsstufe\nF sogar bedeuten, dass das zufließende Verkehrsaufkommen großer als die\nKapazitat ist, so dass der Verkehr zusammenbricht und es zu Stillstand und\nStau im Wechsel mit Stop-and-go-Verkehr kommt, also zur einer Überlastung der\nStrecke. Diese schon heute gegebenen Qualitatseinbußen sind letztlich auch der\nGrund dafur, dass die Klager selbst Alternativen vorschlagen, die aus ihrer\nSicht einem vierstreifigen Aus- und Neubau entsprechen. \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| Nicht als abwagungsfehlerhaft zu beanstanden vermag der Senat auch die Wahl\neines (Sonder-)Querschnitts von 24 m. Nach der bundesweiten Planungspraxis,\ndie in den Richtlinien fur die Anlage von Straßen, Teil: Querschnitte, Ausgabe\n1996 - RAS-Q 96 - Ausdruck gefunden hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.01.2007 - 9 A\n20.05 - <Westumfahrung Halle> a.a.O. Rdnr. 138 m.w.N.), setzt der\nRegelquerschnitt RQ 26 bereits bei unter 20.000 Kfz/24h ein (Nr. 3.1.3, Bild\n5). Der Einsatzbereich des nachst geringeren Regelquerschnitts RQ 20 endet bei\neiner maximalen Verkehrsstarke von 30.000 Kfz/24h. Bei hoheren Verkehrsstarken\nist von einer Anwendung dieses Querschnitts in der Regel abzusehen, da\naufgrund des fehlenden Standstreifens keine Moglichkeit besteht, den Verkehr\nbei Arbeitsstellen auf einer Richtungsfahrbahn zweistreifig zu fuhren (Nr.\n3.1.3 Abs. 1 Satz 3 und 4). \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| Der Planfeststellungsbeschluss fuhrt zur Dimensionierung der B 14 neu aus,\nein geringerer als ein vierstreifiger Ausbau werde der Verkehrsbelastung nicht\ngerecht. Bei einer Gesamtverkehrsbelastung von bis zu 47.500 Kfz/24h in\neinzelnen Abschnitten des Planfeststellungsabschnitts sei der\n(Sonder-)Querschnitt SQ 24 sachlich gerechtfertigt. Er entspreche dem\nQuerschnitt des sudlich anschließenden Abschnitts. Auf den Regelquerschnitt RQ\n26 werde wegen der schwierigen topographischen Situation, der stadtnahen Lage\nmit den daraus folgenden engen Platzverhaltnissen und unter Beachtung der\nlandschaftspflegerisch wertvollen Raume verzichtet. Zu Recht gehe der\nVorhabentrager davon aus, dass es sich bei der B 14 neu in ihrer Gesamtheit um\nein „Mischprodukt" handele, das im Wesentlichen gemaß den Kategorien der RAS-Q\n96 die Funktion einer anbaufreien Straße außerhalb bebauter Gebiete (A) mit -\nallerdings untergeordneten - Annaherungen an eine anbaufreie Straße innerhalb\nbebauter Gebiete (B) erfulle (vgl. Nr. 1.1 RAS-Q, Tabelle 1 sowie RAS-L\nTabelle 2). Unabhangig von der Einstufung in die Kategorie A oder B ergebe\nsich jedoch der RQ 26. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| Diese Erwagungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Im maßgeblichen\nPlanfeststellungsabschnitt verlauft die B 14 neu weitgehend außerhalb bebauter\nGebiete und kann deshalb der Kategorie der uberregionalen/regionalen\nanbaufreien Straßen außerhalb bebauter Gebiete mit maßgebender\nVerbindungsfunktion (A II) mit einer Entwurfsgeschwindigkeit von 100 km/h\nzugeordnet werden. Das gilt insbesondere fur den Streckenabschnitt zwischen\nder Anschlussstelle Nellmersbach bis zur Anschlussstelle Backnang-Sud.\nUnabhangig von dieser Einstufung - maßgeblich sind insoweit allein die\nVerkehrsstarken - lasst der jedenfalls die Schwelle von 30.000 Kfz/24h\ndeutlich uberschreitende prognostizierte Verkehr einen geringeren Querschnitt\nals RQ 26 und damit insbesondere einen Verzicht auf Standstreifen nur\nausnahmsweise zu. Dass der Beklagte den nach den RAS-Q 96 ermittelten\nQuerschnitt noch weiter als bis auf 24 m hatte absenken mussen - die Klager\nhalten einen Sonderquerschnitt von 18,5 m unter Verzicht auf Seitenstreifen (2\nm), Schmalerung der Rand- (1,50 m) und des Mittelstreifens (3 m) fur moglich -\n, ist nach den Vorgaben der RAS-Q 96 nicht ersichtlich. Angesichts der\nVerkehrserfordernisse ist dies auch nicht deshalb geboten, weil\nlandwirtschaftliche Flachen in erheblichem Umfang bis zur unterstellten\nExistenzgefahrdung beim Betrieb des Klagers zu 1 und weniger anderer Landwirte\nin Anspruch genommen werden muss. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| 2.2.6 Der Klager zu 1 hat in der mundlichen Verhandlung nochmals betont, die\nB 14 neu musse - wie in einer fruhen Phase der Planung (1990) noch vorgesehen\n- zur Schonung landwirtschaftlicher Flachen bei Maubach in einem 1.500 m\nlangen Tunnel verlaufen (vgl. Stellungnahme von Dipl.-Ing. K. vom 05.07.2007\nS. 17). Insoweit enthalt der Planfeststellungsbeschluss zwar keine Erwagungen.\nEs ist aber rechtlich nicht zu beanstanden, dass der\nPlanfeststellungsbeschluss sich mit dieser Forderung, die der Vorhabentrager\nfruh im Planungsverfahren wegen der mit dem Tunnelbau verbundenen erheblichen\nMehrkosten abgelehnt hatte, nicht (erneut) befasst. Soweit der Klager zu 1\ndiese Mehrkosten mit der Erwagung verringern will, ein zweistreifiger Tunnel\noder ein vierstreifiger Tunnel mit verringertem Querschnitt seien ausreichend,\ngeht er von Annahmen aus, die der Senat - wie oben ausgefuhrt - nicht teilt.\nDass unverhaltnismaßig hohe Kosten einer durchgehend steileren und damit\nflachensparenden Ausgestaltung der Boschungen mit Gabionen oder „bewehrter\nErde" entgegenstehen, liegt ebenfalls auf der Hand. Inwiefern von den Klagern\nim Anhorungsverfahren vorgebrachte Varianten fur die Anschlussstellen der K\n1897 (Anschlussstelle Backnang-Mitte) und der L 1115 (Anschlussstelle\nBacknang-West) zur Einsparung von Flachen fuhren wurden, ohne dass\nverkehrliche Belange beeintrachtigt wurden, legen die Klager im Klageverfahren\nnicht naher dar. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Planung insoweit\nfur eine Eigentumsbeeintrachtigung der Klager kausal ware; ein Rechtsfehler\ninsoweit konnte den von ihnen geltend gemachten Aufhebungsanspruch nicht\nbegrunden. \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| 2.2.7 Ohne Erfolg wenden die Klager weiter ein, der Anschluss von der B 14\nalt an das Bebauungsplangebiet „Entwicklungsmaßnahme Backnang - Wohnen IV" sei\nkeine notwendige Folgemaßnahme zum Aus- und Neubau der B 14 und habe deshalb\nnicht gemaß § 75 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG mit dieser planfestgestellt werden\ndurfen; zumindest musste gesichert sein, dass mit der Ausfuhrung dieses\nAnschlusses erst begonnen wurde, wenn die Verwirklichung des Bebauungsplans\nnicht mehr - durch eine gerichtliche Unwirksamerklarung - verhindert werden\nkonnte. Denn ein Rechtsmangel hinsichtlich der Planfeststellung des\nAnschlusses an das Bebauungsplangebiet wurde keinen Anspruch der Klager,\ninsbesondere nicht des Klagers zu 1, auf Aufhebung des angefochtenen\nPlanfeststellungsbeschlusses begrunden. Es ist nicht ersichtlich, dass eine\nfehlerhafte Einbeziehung dieses Anschlusses in den Planfeststellungsbeschluss\nfur die Inanspruchnahme von Eigentum des Klagers zu 1 kausal ware. Der Klager\nzu 1 besitzt keine Grundstucke in der Trasse des planfestgestellten\nAnschlusses. Dass die im Bebauungsplan festgesetzte Fortsetzung des\nAnschlusses u.a. uber mehrere seiner Grundstucke verlauft, ist insoweit\nunerheblich. Diese Festsetzung kann der Klager zu 1 in einem\nNormenkontrollverfahren oder inzident, mit einer Klage gegen Maßnahmen zur\nDurchsetzung der Festsetzung, angreifen. Dabei musste er sich nicht\nentgegenhalten lassen, dass der Anschluss von der B 14 alt bereits\nplanfestgestellt und somit unabanderlich ware. Somit muss zu seinem\nRechtsschutz nicht die „Zwangspunkt-Rechtsprechung" angewandt werden, die es\neinem Eigentumer ermoglicht, sich gegen eine Planung zu wenden, die im\nfestgestellten Abschnitt noch nicht sein Eigentum unmittelbar betrifft, wohl\naber zwangslaufig im absehbar folgenden Planabschnitt (vgl. BVerwG, Beschl. v.\n01.07.2003 - 4 VR 1.03 u.a. - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 3 =\nJuris Rdnr. 3). \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| Im Übrigen teilt der Senat die Auffassung der Planfeststellungsbehorde, dass\nes sich bei dem Anschluss des Plangebiets an die B 14 alt um eine notwendige\nFolgemaßnahme des Aus- und Neubaus der B 14 handelt. Denn durch das Vorhaben\nentfallt der vorhandene Anschluss des Plangebiets an die B 14 alt uber die\nKitzbuheler und in ihrer Fortsetzung die Maubacher Straße, die die B 14 neu in\nRichtung der Kernstadt von Backnang kreuzungsfrei quert. Diese Problematik der\naußeren Erschließung des Baugebiets, welche durch die mit der\nStraßenbauverwaltung abgestimmte Bebauungsplanung im Zeitpunkt des Erlasses\ndes Planfeststellungsbeschlusses vorgezeichnet war, bedurfte der Bewaltigung\nim Planfeststellungsverfahren. \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| Somit ist auch der auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses\nhinsichtlich des erwahnten Anschlusses beschrankte erste Hilfsantrag des\nKlagers zu 1 unbegrundet. \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| 2.2.8. Abwagungsfehlerhaft ist die Planung auch nicht, soweit sie mittelbar\nAuswirkungen auf das Grundstuck des Klagers zu 1 Flst.Nr. 6... der Gemarkung\nMaubach hat. Der Klager hat keinen entsprechenden Anspruch auf Planerganzung.\nDemzufolge ist seine Klage auch mit dem weiteren Hilfsantrag abzuweisen. \n--- \n--- \n| 73 \n--- \n| Soweit der Klager begehrt, dass im Planfeststellungsbeschluss ein\nBeweissicherungsverfahren wegen der Gefahr von Senkungen angeordnet wird, hat\ndies der Beklagte in der mundlichen Verhandlung zugesagt. \n--- \n--- \n| 74 \n--- \n| Im Übrigen hat der Beklagte zu den Befurchtungen des Klagers eine erganzende\ngeotechnische Stellungnahme von Prof. Dipl.-Geol. H. vom 31.05.2006 vorgelegt,\nin der diese im Einzelnen ausgeraumt werden. Danach ist nicht zu erwarten,\ndass durch den Boschungseinschnitt das Grundwasser auf dem Grundstuck des\nKlagers abgesenkt wird. Es wird begrundet, weshalb die Boschung standsicher\nsein wird. Die beim Bau der B 14 neu fur das Grundstuck des Klagers zu\nerwartenden Erschutterungsimmissionen werden wegen der geologischen\nVerhaltnisse als normal i. S. von zumutbar bezeichnet; ferner wird darauf\nhingewiesen, dass die der Boschung nachstgelegenen Gewachshauser als wenig\nerschutterungsempfindlich einzustufen seien; mit einer Überschreitung der\nSchwellenwerte der DIN 4150 fur die Einwirkung von Erschutterungen auf\nbauliche Anlagen werde nicht gerechnet. Die von den Klagern vorgelegte\nfachtechnische Stellungnahme von Dipl.-Ing. K. vom 05.07.2007 und ihre Replik\nvom 06.07.2007 gehen auf diese Ausfuhrungen nicht ein. Auch in der mundlichen\nVerhandlung haben sich keine Gesichtspunkte ergeben, welche die Beurteilung\nvon Prof. Dipl.-Geol. H. als fehlerhaft erscheinen lassen konnten. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. §\n100 Abs. 1 ZPO. Die Kostenanteile folgen dabei dem im nachstehenden Beschluss\nbestimmten unterschiedlichen Streitwert der Klagen des Klagers zu 1 und des\nKlagers zu 2. \n--- \n--- \n| 76 \n--- \n| Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfur gemaß §\n132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. \n--- \n--- \n| 77 \n--- \n| **Beschluss** \n--- \n| 78 \n--- \n| **vom 16. Juli 2007** \n--- \n| 79 \n--- \n| Der Streitwert wird endgultig auf 105.000 EUR festgesetzt. \n--- \n--- \n| 80 \n--- \n| **Gr unde** \n--- \n| 81 \n--- \n| Der Streitwert des Verfahrens bemisst sich nach der sich aus dem Antrag\nergebenden Bedeutung der Sache fur den Klager (§ 52 Abs. 1 GKG). Die Werte\nmehrerer Streitgegenstande sind zusammenzurechnen (§ 39 Abs. 1 GKG). \n--- \n--- \n| 82 \n--- \n| Was den Klager zu 1 betrifft, werden nach seinen Angaben in der\nKlagebegrundung Eigentums- und Pachtflachen im Umfang von insgesamt 67.595 m²\nunmittelbar durch das Vorhaben in Anspruch genommen. Zu Grunde zu legen ist\nmit Blick auf die enteignungsrechtliche Vorwirkung des\nPlanfeststellungsbeschlusses die Halfte des Verkehrswerts dieser Flachen, den\nder Senat auch im Hinblick auf die vorwiegende Nutzung als Wiesenland auf 2\nEUR/m² schatzt. Hieraus folgt ein Einzelstreitwert insoweit von 67.595 EUR.\nHinzu kommt das Abwehrinteresse des Klagers hinsichtlich der vorubergehenden\nInanspruchnahme von Eigentums- und Pachtflachen von insgesamt 9.754 m², der\neintretenden Zerschneidungsverluste von knapp 2 ha sowie hinsichtlich der\nbefurchteten mittelbaren Einwirkungen auf das Anwesen M. ... ... (ehemalige\nGartnerei) und das vom Klager nicht naher bezeichnete Interesse an der\nAufhebung der planfestgestellten Folgemaßnahme betreffend den Bebauungsplan\n„Entwicklungsmaßnahme Backnang - Wohnen IV". Der Senat schatzt nach allem das\nwirtschaftliche Interesse des Klagers insgesamt auf 90.000 EUR. \n--- \n--- \n| 83 \n--- \n| Fur die Klage des Klagers zu 2 betragt der anzusetzende Einzelstreitwert\n15.000 EUR. Insoweit kann nicht allein auf den Verkehrswert der Flache des in\nAnspruch genommenen Grundstucks abgestellt werden. Denn der Klager verfolgt\nmittels dieses Grundstucks ein umfassendes, allgemeines Abwehrinteresse. \n--- \n--- \n| 84 \n--- \n| Der Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n |
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149,200 | olgstut-2007-08-15-8-w-23907 | 147 | Oberlandesgericht Stuttgart | olgstut | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 8 W 239/07 | 2007-08-15 | 2019-01-09 18:34:55 | 2019-02-12 13:26:57 | Beschluss | ## Tenor\n\n1\\. Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 und 2 /\nKostenschuldner gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts\nTubingen vom 23. Mai 2007, Az. 5 T 108/06, wird\n\n**zur uckgewiesen.**\n\n2\\. Die Beteiligten Ziff. 1 und 2 / Kostenschuldner haben die gerichtlichen\nKosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten\nwerden nicht erstattet.\n\nBeschwerdewert: 675,12 Euro\n\n## Gründe\n\n| | **1.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Am 5. Februar 2003 beurkundete der Beteiligte Ziff. 3 / Kostenglaubiger in\nUR Nr. .... des Notariats I Tubingen eine Erganzung zum fruher beurkundeten\nErbvertrag der Kostenschuldner vom 15. Januar 1998 und rechnete hierfur eine\n10/10-Gebuhr nebst Auslagen und Mehrwertsteuer nach § 42 KostO in Hohe von\ninsgesamt 679,86 EUR ab. Auf Beanstandung des Bezirksrevisors anderte er\ndiesen Kostenansatz am 14. Marz 2005 dahin ab, dass nach § 46 KostO eine\n20/10-Gebuhr nebst Auslagen und Mehrwertsteuer von insgesamt 1.354,98 EUR\nangefallen und deshalb die Differenz von 675,12 EUR nachzuerheben sei. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die hiergegen von den Kostenschuldnern erhobene Beschwerde wurde durch\nBeschluss des Landgerichts Tubingen vom 23. Mai 2007 zuruckgewiesen unter\ngleichzeitiger Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde zum\nOberlandesgericht wegen der Frage der Anwendbarkeit des § 42 KostO auf die\nBeurkundung von Änderungen von Verfugungen von Todes wegen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Gegen die am 5. Juni 2007 zugestellte Entscheidung haben die Kostenschuldner\nper Telefax am 18. Juni 2007 (Eingang der Urschrift am 19. Juni 2007) weitere\nBeschwerde eingelegt und am 18. Juli 2007 damit begrundet, dass § 42 KostO als\nallgemeine Regelung auch im Rahmen des § 46 KostO anwendbar sei. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Beteiligte Ziff. 4 erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Fur diese ist\nder Bezirksrevisor dem Rechtsmittel entgegengetreten. \n--- \n**2.** \n--- \n| 5 \n--- \n| Die sofortige weitere Beschwerde der Kostenschuldner ist infolge Zulassung\ndurch das Landgericht statthaft, sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt\nworden (§ 156 Abs. 2 Satz 1 und 2, Abs. 4 Satz 1 KostO). \n--- \n| 6 \n--- \n| Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Entscheidung des Landgerichts, die nur auf eine Verletzung des Rechts\nuberpruft werden darf (§ 156 Abs. 2 Satz 3 KostO), halt dieser rechtlichen\nNachprufung stand. \n--- \n| 8 \n--- \n| Wird gegen die Kostenberechnung des Notars Beschwerde eingelegt (§ 156 Abs.\n1 Satz 1 KostO), so bestimmt der Beschwerdefuhrer durch seine Beanstandungen\nden Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung (BayObLG JurBuro 1990, 84 m. w.\nN.; Landgericht Dresden NotBZ 2003, 363). In vorliegender Sache ist dies die\nFrage der Anwendbarkeit des § 42 KostO auf die Beurkundung von Änderungen von\nVerfugungen von Todes wegen (§ 46 KostO). \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Kostenordnung unterscheidet im ersten Teil (Gerichtskosten), zweiter\nAbschnitt (Gebuhren in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) unter\nZiffer 1. (Beurkundungen und ahnliche Geschafte) zwischen den Beurkundungen\nein- oder mehrseitiger Erklarungen unter Lebenden (§§ 36 bis 44), der\nBeglaubigung von Unterschriften (§ 45), den Beurkundungen von\nrechtsgeschaftlichen Erklarungen von Todes wegen (§ 46) und der Beurkundung\nvon tatsachlichen Vorgangen (§§ 47 bis 54); vgl. hierzu: Bengel/Tiedtke in\nKorintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 16. Aufl. 2005, Vorbem. zu §§ 36 bis\n59 Rdnr. 2; Ackermann JurBuro 1967, 949. \n--- \n| 10 \n--- \n| Nach dieser Gesetzessystematik kommt eine Anwendung des § 42 KostO, der bei\nErganzungen und Änderungen beurkundeter Erklarungen eine Beschrankung auf eine\n10/10-Gebuhr vorsieht, auf entsprechende Nachtrage zu Verfugungen von Todes\nwegen nicht in Betracht, da diese der besonderen Gebuhrenvorschrift des § 46\nKostO unterliegen (Rohs in Rohs/Wedewer, KostO, 2. Aufl., 96. Aktualisierung,\nApril 2007, § 36 Rdnr. 2). \n--- \n| 11 \n--- \n| Hierauf weist das Landgericht in seiner Begrundung zutreffend hin sowie\ndarauf, dass der Gesetzgeber in § 46 Abs. 2 KostO fur die meisten "Änderungen"\neiner Verfugung von Todes wegen eine besondere Gebuhrenprivilegierung\nvorgesehen habe, ohne auf § 42 KostO zu verweisen, woraus geschlossen werden\nkonne, dass § 46 Abs. 2 KostO bezuglich "Änderungen" eine abschließende\nRegelung enthalte. \n--- \n| 12 \n--- \n| Sonstige Änderungen und Erganzungen konnen danach nur unter § 46 Abs. 1\nKostO fallen, der gerade bei der Beurkundung eines Erbvertrags oder eines\ngemeinschaftlichen Testaments das Doppelte der vollen Gebuhr vorsieht, weil\ndie Erklarungen zweier Personen beurkundet werden (aus der amtlichen\nBegrundung zu § 46 KostO in Rohs/Wedewer, a. a. O., § 46 Rdnr. 1). Diese\nRechtfertigung fur den doppelten Gebuhrenansatz besteht aber gleichermaßen bei\nNachtragen der vorliegenden Art zu einem Erbvertrag, an dem ebenfalls\nmindestens zwei Personen beteiligt sind. \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Argumentation der Kostenschuldner, § 46 KostO enthalte keinerlei\nRegelungen bezuglich Erganzungen oder Änderungen eines bereits beurkundeten\nErbvertrages oder gemeinschaftlichen Testaments, weswegen auf § 42 KostO\nzuruckgegriffen werden musse, kann nicht gefolgt werden. \n--- \n| 14 \n--- \n| Denn die abschließend aufgefuhrten Gebuhrenprivilegierungen des § 46 Abs. 2\nKostO erfassen gerade eine Vielzahl von Änderungen letztwilliger Verfugungen\nin Form des Widerrufs, der Aufhebung, der Anfechtung, des Rucktritts und der\nErsetzung einer widerrufenen oder aufgehobenen Verfugung durch eine neu\nerrichtete. \n--- \n| 15 \n--- \n| Es liegt nahe, dass der Gesetzgeber, hatte er eine generelle Privilegierung\nvon Änderungen gewollt, dies durch eine Bezugnahme auf § 42 KostO geregelt\nhatte. Das Fehlen einer entsprechenden Regelung, kann nicht als ungewollte\nGesetzeslucke behandelt werden, die einen systemwidrigen Ruckgriff auf § 42\nKostO erlaubt, obwohl § 46 KostO den besonderen Gebuhrentatbestand darstellt.\nUnter dessen Abs. 1 konnen Erganzungen und Änderungen von letztwilligen\nVerfugungen zudem ohne weiteres subsumiert werden, so dass sie unter keine\nGebuhrenprivilegierung fallen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Senat schließt sich aus diesen Grunden der ganz herrschenden Meinung zur\nNichtanwendbarkeit des § 42 KostO auf die Beurkundung von Änderungen und\nErganzungen im Rahmen des § 46 KostO an (Rohs, a. a. O. § 42 Rdnr. 2;\nBengel/Tiedtke, a. a. O., § 42 Rdnr. 2; Reimann in\nKorintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, a. a. O., § 46 Rdnr. 4; „Streifzug durch\ndie Kostenordnung", 5. Aufl. 2002, Rdnr. 18, 68, 347, 1252; Ackermann, a. a.\nO., S. 950/951; je m. w. N.). \n--- \n| 17 \n--- \n| Soweit Hartmann in Kostengesetze, 37. Aufl. 2007, § 46 KostO Rdnr. 6, ohne\nweitere Begrundung ausfuhrt, dass die Änderung beim Erbvertrag nur eine volle\nGebuhr gem. § 42 KostO „kostet", fuhrt er - sich selbst widersprechend - unter\n§ 42 KostO Rdnr. 5 zum Stichwort "Erbvertrag" und "Testament" aus, dass § 42\nKostO hier ** un ** anwendbar ist. \n--- \n| 18 \n--- \n| Das Landgericht hat deswegen zu Recht die Anwendbarkeit des § 42 KostO auf\nBeurkundungen von Änderungen und Erganzungen letztwilliger Verfugungen\nverneint und bei dem hier vorgenommenen Nachtrag zu einem Erbvertrag die\nNachberechnung einer weiteren 10/10-Gebuhr mit Auslagen und Mehrwertsteuer in\nHohe von insgesamt 675,12 EUR unter Zuruckweisung der Beschwerde der\nKostenschuldner bestatigt. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die hiergegen zugelassene sofortige weitere Beschwerde war damit als\nunbegrundet zuruckzuweisen. \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 156 Abs. 5 Satz 2, 131 Abs. 1 Satz 1\nNr. 1 KostO. \n--- \n| 21 \n--- \n| Ein Ausspruch uber eine Kostenerstattung gem. § 156 Abs. 4 Satz 4 KostO i.\nV. m. § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG war nicht veranlasst, weil lediglich den mit\nihrem Rechtsmittel unterlegenen Kostenschuldnern außergerichtliche Kosten\nentstanden sind. \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Geschaftswert der Rechtsbeschwerde ergibt sich aus der streitigen\nNachberechnung von 675,12 EUR (§§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO). \n---\n\n |
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151,804 | sg-freiburg-2007-09-28-s-12-as-344505 | 148 | Sozialgericht Freiburg | sg-freiburg | Freiburg | Baden-Württemberg | Sozialgerichtsbarkeit | S 12 AS 3445/05 | 2007-09-28 | 2019-01-09 21:09:38 | 2019-01-17 12:04:30 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Der Bescheid der Beklagten vom 16.06.2005 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 27.07.2007 wird aufgehoben.\n\n2\\. Die Beklagte tragt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klagers\ndem Grunde nach.\n\n3\\. Die Berufung wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten uber die Rechtmaßigkeit eines Sanktionsbescheids\nnach § 31 Abs. 2 SGB II. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager, geboren am ... und wohnhaft in S. (Landkreis Lorrach), bezieht\nseit dem 1.1.2005 von der Beklagten Leistungen der Grundsicherung fur\nArbeitsuchende nach dem SGB II. Im Rahmen dieser Leistungsbeziehung\nubersendete die Beklagte dem Klager am 23.5.2005 eine Meldeaufforderung nach §\n59 SGB II, § 309 SGB III fur einen Termin am 16.6.2005. Ob der Klager diese\nAufforderung erhalten hat, ist zwischen den Beteiligten streitig. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Nachdem der Klager zu dem Termin am 16.6.2005 nicht erschienen war, stellte\ndie Beklagte mit Bescheid vom gleichen Tag nach § 31 Abs. 2, Abs. 6 SGB II\neine Absenkung der dem Klager zustehenden Leistungen um 10 vom Hundert der\nRegelleistung fur den Zeitraum vom 1.7. - 30.9.2005 fest. Der Verfugungssatz\ndes Bescheids vom 16.6.2005 hat folgenden Wortlaut: \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| _„ Der Ihnen zustehende Anteil des Arbeitslosengeldes II wird fur die Zeit\nvom 1.7.2005 bis 30.9.2005 um 10 vom Hundert der Regelleistung, hochstens\njedoch in Hohe des Ihnen zustehenden Auszahlungsbetrages, abgesenkt. Daraus\nergibt sich eine maximale Absenkung in Hohe von 34,50 Euro. Im Einzelnen sind\nvon der Absenkung betroffen: Arbeitslosengeld II."_ \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager legte am 21.6.2005 gegen diese Entscheidung Widerspruch ein, den\ner damit begrundete, dass er die Einladung zum Meldetermin nicht erhalten\nhabe. Er fuhre dies darauf zuruck, dass es Probleme bei der Postzustellung\ngegeben habe. Fruher habe es fur das Haus, in dem er wohne, einen\ngemeinschaftlichen Briefkasten gegeben. Deswegen sei in der Vergangenheit\nofters an ihn gerichtete Post verlorengegangen. Er habe daher mittlerweile\neinen separaten Briefkasten eingerichtet. Jedoch konne es vorkommen, dass der\nZusteller Briefe fur ihn noch in den Gemeinschaftsbriefkasten einwerfe, so\ndass er diese dann nicht erhalte. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 27.7.2005 wies die Beklagte den Widerspruch\nals unbegrundet zuruck. Die Beklagte gehe davon aus, dass der Klager das\nEinladungsschreiben erhalten habe, da er auch andere Schreiben der Beklagten\nbisher problemlos erhalten habe und auch hinsichtlich des Schreibens vom\n23.5.2005 kein Postrucklauf erfolgt sei. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit seiner am 17.8.2005 beim Sozialgericht Freiburg erhobenen Klage\nverfolgt der Klager sein Ziel weiter. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Klager beantragt sinngemaß, \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| den Bescheid der Beklagten vom 16.6.2005 in Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 27.7.2005 aufzuheben. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Sie halt die mit der Klage angefochtenen Bescheide fur rechtsfehlerfrei. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie\nder den Klager betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten und der\nBundesagentur fur Arbeit, die das Gericht zum Verfahren beigezogen hat, Bezug\ngenommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 14 \n--- \n| Das Gericht konnte uber die vorliegende Klage ohne mundliche Verhandlung\nentscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG), da die Beteiligten ubereinstimmend ihr\nEinverstandnis damit erklart haben (Schriftsatz des Klagers vom 3.2.2006, Bl.\n9 der Gerichtsakte; Schriftsatz des Betreuers des Klagers vom 12.7.2006, Bl.\n13 der Gerichtsakte; Schriftsatz der Beklagten vom 7.8.2006, Bl. 16 der\nGerichtsakte). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben und\nstatthaft als Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Klage ist auch begrundet. Der Sanktionsbescheid der Beklagten vom\n16.6.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2005 ist rechtswidrig\nund verletzt den Klager daher in seinen Rechten. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Kommt ein erwerbsfahiger Hilfebedurftiger trotz schriftlicher Belehrung\nuber die Rechtsfolgen einer Aufforderung des zustandigen Tragers, sich dort zu\nmelden, nicht nach und weist er keinen wichtigen Grund fur sein Verhalten\nnach, wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB\nII in einer ersten Stufe um 10 vom Hundert der fur den Betroffenen\nmaßgeblichen Regelleistung abgesenkt, § 31 Abs. 2 SGB II. Die Absenkung tritt\nmit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des\nVerwaltungsakts, der die Absenkung feststellt, folgt, § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB\nII. Die Absenkung dauert drei Monate, § 31 Abs. 6 Satz 2 SGB II. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Beklagte hatte mit der angefochtenen Entscheidung beabsichtigt, das dem\nKlager zustehende Arbeitslosengeld II fur die Monate Juli, August und\nSeptember 2005 um jeweils 34,50 EUR abzusenken, da er der Meldeaufforderung\nvom 23.5.2005 nicht nachgekommen war und nach Auffassung der Beklagten keinen\nwichtigen Grund dafur darlegen konnte, insbesondere nicht, dass er die\nEinladung nicht erhalten habe. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Der von der Beklagten zu diesem Zweck getroffenen Entscheidung fehlt es\njedoch an einer hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit im Sinne des § 33 Abs.\n1 SGB X. Sie ist daher rechtswidrig. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Verfugungssatz des Bescheids vom 16.6.2005 lasst nicht erkennen, um\nwelchen Betrag genau die Leistungen abgesenkt werden bzw. welcher Betrag dem\nKlager nach der Absenkung noch zusteht. Angegeben sind nur die theoretisch\nmoglichen Maximalbetrage. Der Inhalt des Verfugungssatzes ist auch nicht aus\nsich selbst heraus, d. h. anhand der darin angegebenen Informationen,\nbestimmbar, denn er enthalt Eventualitaten „hochstens jedoch in Hohe des\nzustehenden Auszahlungsbetrages", ohne dass der zustehende Auszahlungsbetrag\nder Hohe nach benannt waren. Der Klager konnte also weder aus dem\nVerfugungssatz unmittelbar erkennen, um welchen Betrag seine Leistungen\nabgesenkt wurden, noch konnte er dies aus den sonstigen darin enthaltenen\nInformationen ableiten oder errechnen. Der genaue Inhalt der von der Beklagten\nbeabsichtigten Regelung erschließt sich also nicht aus dem Bescheid selbst.\nDies ist aber im Rahmen einer Sanktion nach § 31 SGB II aber gerade\nerforderlich (LSG Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 17.10.2006, Az. L 8 AS\n4922/06 ER-B - _juris_ ). Dem Betroffen muss ermoglicht werden, sich darauf\neinzustellen, dass er in naher Zukunft mit niedrigeren Leistungen zur\nSicherung des Lebensunterhalts rechnen muss. Da mit den Leistungen nach dem\nSGB II der laufende Bedarf fur das soziokulturelle Existenzminimum gedeckt\nwerden soll, muss es ihm moglich sein, auf eine Absenkung zu reagieren und im\nvorhinein zu entscheiden, auf welche Weise er ggf. den fehlenden Betrag decken\nkann. Dazu muss ihm insbesondere von vornherein klar sein, in welcher Hohe er\neine Absenkung hinzunehmen hat (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom\n14.6.2007, Az. L 26 B 907/07 AS ER, Beschluss vom 29.6.2007, Az. L 28 B 889/07\nAS ER und Beschluss vom 12.7.2007, Az. L 28 B 1087/07 AS ER - alle\nveroffentlich in _juris_ ). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Wegen seiner mangelnden Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit handelt es sich\nbei dem von der Beklagten verwendeten Verfugungssatz also nicht um eine\n„Regelung eines Einzelfalles" im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X. Er ware auch\nnicht vollziehbar. Vielmehr handelt es sich lediglich um eine Wiederholung des\nabstrakten Gesetzestextes des § 31 Abs. 2 SGB II, ohne dass dieser auf den\nkonkreten Fall des Klagers gewendet worden ware. Dies ist auch im\nWiderspruchsbescheid vom 27.7.2005 nicht nachgeholt worden. Die mit der Klage\nangefochtenen Bescheide der Beklagten ist daher mangels inhaltlicher\nBestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit rechtswidrig und waren daher aufzuheben. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die mangelnde Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit der angefochtenen Bescheide\nkann - anders als eine etwa fehlende Begrundung - auch nicht im laufenden\nKlageverfahren nach § 41 SGB X durch die Beklagten geheilt werden, da es sich\nnicht um einen Formfehler handelt, sondern um einen inhaltlichen Mangel (LSG\nBerlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.6.2007, Az. L 26 B 907/07 AS ER und\nBeschluss vom 29.6.2007, Az. L 28 B 889/07 AS ER - beide veroffentlicht in\n_juris_ ). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Darauf, ob der Klager die Meldeaufforderung vom 23.5.2005 uberhaupt\nerhalten hat oder - wie er vortragt - nicht, kommt es daher nicht an. Weitere\nAusfuhrungen zu dieser Frage erubrigen sich ebenso wie Ausfuhrungen zu den\nweiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2, Abs. 6 SGB II. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des\nRechtsstreits in der Hauptsache. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Berufung war nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache\ngrundsatzliche Bedeutung hat und bisher obergerichtlich nicht geklart ist. Dem\nGericht bekannt sind lediglich die oben zitierten Beschlusse des LSG Baden-\nWurttemberg und des LSG Berlin-Brandenburg, die allerdings samtlich in\nEilverfahren nach § 86b Abs. 1 SGG ergangen sind. Obergerichtliche\nHauptsacheentscheidungen zu dieser Thematik sind dem erkennenden Gericht nicht\nbekannt. Daher war den Beteiligten die Moglichkeit zu eroffnen, eine\nobergerichtliche Klarung herbeizufuhren. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 14 \n--- \n| Das Gericht konnte uber die vorliegende Klage ohne mundliche Verhandlung\nentscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG), da die Beteiligten ubereinstimmend ihr\nEinverstandnis damit erklart haben (Schriftsatz des Klagers vom 3.2.2006, Bl.\n9 der Gerichtsakte; Schriftsatz des Betreuers des Klagers vom 12.7.2006, Bl.\n13 der Gerichtsakte; Schriftsatz der Beklagten vom 7.8.2006, Bl. 16 der\nGerichtsakte). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben und\nstatthaft als Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Klage ist auch begrundet. Der Sanktionsbescheid der Beklagten vom\n16.6.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2005 ist rechtswidrig\nund verletzt den Klager daher in seinen Rechten. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Kommt ein erwerbsfahiger Hilfebedurftiger trotz schriftlicher Belehrung\nuber die Rechtsfolgen einer Aufforderung des zustandigen Tragers, sich dort zu\nmelden, nicht nach und weist er keinen wichtigen Grund fur sein Verhalten\nnach, wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB\nII in einer ersten Stufe um 10 vom Hundert der fur den Betroffenen\nmaßgeblichen Regelleistung abgesenkt, § 31 Abs. 2 SGB II. Die Absenkung tritt\nmit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des\nVerwaltungsakts, der die Absenkung feststellt, folgt, § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB\nII. Die Absenkung dauert drei Monate, § 31 Abs. 6 Satz 2 SGB II. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Beklagte hatte mit der angefochtenen Entscheidung beabsichtigt, das dem\nKlager zustehende Arbeitslosengeld II fur die Monate Juli, August und\nSeptember 2005 um jeweils 34,50 EUR abzusenken, da er der Meldeaufforderung\nvom 23.5.2005 nicht nachgekommen war und nach Auffassung der Beklagten keinen\nwichtigen Grund dafur darlegen konnte, insbesondere nicht, dass er die\nEinladung nicht erhalten habe. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Der von der Beklagten zu diesem Zweck getroffenen Entscheidung fehlt es\njedoch an einer hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit im Sinne des § 33 Abs.\n1 SGB X. Sie ist daher rechtswidrig. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Verfugungssatz des Bescheids vom 16.6.2005 lasst nicht erkennen, um\nwelchen Betrag genau die Leistungen abgesenkt werden bzw. welcher Betrag dem\nKlager nach der Absenkung noch zusteht. Angegeben sind nur die theoretisch\nmoglichen Maximalbetrage. Der Inhalt des Verfugungssatzes ist auch nicht aus\nsich selbst heraus, d. h. anhand der darin angegebenen Informationen,\nbestimmbar, denn er enthalt Eventualitaten „hochstens jedoch in Hohe des\nzustehenden Auszahlungsbetrages", ohne dass der zustehende Auszahlungsbetrag\nder Hohe nach benannt waren. Der Klager konnte also weder aus dem\nVerfugungssatz unmittelbar erkennen, um welchen Betrag seine Leistungen\nabgesenkt wurden, noch konnte er dies aus den sonstigen darin enthaltenen\nInformationen ableiten oder errechnen. Der genaue Inhalt der von der Beklagten\nbeabsichtigten Regelung erschließt sich also nicht aus dem Bescheid selbst.\nDies ist aber im Rahmen einer Sanktion nach § 31 SGB II aber gerade\nerforderlich (LSG Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 17.10.2006, Az. L 8 AS\n4922/06 ER-B - _juris_ ). Dem Betroffen muss ermoglicht werden, sich darauf\neinzustellen, dass er in naher Zukunft mit niedrigeren Leistungen zur\nSicherung des Lebensunterhalts rechnen muss. Da mit den Leistungen nach dem\nSGB II der laufende Bedarf fur das soziokulturelle Existenzminimum gedeckt\nwerden soll, muss es ihm moglich sein, auf eine Absenkung zu reagieren und im\nvorhinein zu entscheiden, auf welche Weise er ggf. den fehlenden Betrag decken\nkann. Dazu muss ihm insbesondere von vornherein klar sein, in welcher Hohe er\neine Absenkung hinzunehmen hat (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom\n14.6.2007, Az. L 26 B 907/07 AS ER, Beschluss vom 29.6.2007, Az. L 28 B 889/07\nAS ER und Beschluss vom 12.7.2007, Az. L 28 B 1087/07 AS ER - alle\nveroffentlich in _juris_ ). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Wegen seiner mangelnden Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit handelt es sich\nbei dem von der Beklagten verwendeten Verfugungssatz also nicht um eine\n„Regelung eines Einzelfalles" im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X. Er ware auch\nnicht vollziehbar. Vielmehr handelt es sich lediglich um eine Wiederholung des\nabstrakten Gesetzestextes des § 31 Abs. 2 SGB II, ohne dass dieser auf den\nkonkreten Fall des Klagers gewendet worden ware. Dies ist auch im\nWiderspruchsbescheid vom 27.7.2005 nicht nachgeholt worden. Die mit der Klage\nangefochtenen Bescheide der Beklagten ist daher mangels inhaltlicher\nBestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit rechtswidrig und waren daher aufzuheben. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die mangelnde Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit der angefochtenen Bescheide\nkann - anders als eine etwa fehlende Begrundung - auch nicht im laufenden\nKlageverfahren nach § 41 SGB X durch die Beklagten geheilt werden, da es sich\nnicht um einen Formfehler handelt, sondern um einen inhaltlichen Mangel (LSG\nBerlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.6.2007, Az. L 26 B 907/07 AS ER und\nBeschluss vom 29.6.2007, Az. L 28 B 889/07 AS ER - beide veroffentlicht in\n_juris_ ). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Darauf, ob der Klager die Meldeaufforderung vom 23.5.2005 uberhaupt\nerhalten hat oder - wie er vortragt - nicht, kommt es daher nicht an. Weitere\nAusfuhrungen zu dieser Frage erubrigen sich ebenso wie Ausfuhrungen zu den\nweiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2, Abs. 6 SGB II. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des\nRechtsstreits in der Hauptsache. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Berufung war nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache\ngrundsatzliche Bedeutung hat und bisher obergerichtlich nicht geklart ist. Dem\nGericht bekannt sind lediglich die oben zitierten Beschlusse des LSG Baden-\nWurttemberg und des LSG Berlin-Brandenburg, die allerdings samtlich in\nEilverfahren nach § 86b Abs. 1 SGG ergangen sind. Obergerichtliche\nHauptsacheentscheidungen zu dieser Thematik sind dem erkennenden Gericht nicht\nbekannt. Daher war den Beteiligten die Moglichkeit zu eroffnen, eine\nobergerichtliche Klarung herbeizufuhren. \n---\n\n |
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151,939 | vg-stuttgart-2007-11-09-9-k-319907 | 160 | Verwaltungsgericht Stuttgart | vg-stuttgart | Stuttgart | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | 9 K 3199/07 | 2007-11-09 | 2019-01-09 21:10:56 | 2019-01-17 12:04:38 | Urteil | ## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDie Kosten des Verfahrens tragt der Klager.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager wendet sich gegen seine Ausweisung und die Androhung seiner\nAbschiebung durch den Beklagten. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Er wurde im Jahr 1985 auf den Philippinen geboren. Seine Eltern trennten\nsich; seine Mutter wanderte 1992 nach Deutschland aus, sein Vater nach Japan.\nDer Klager und zwei jungere Geschwister wuchsen zunachst bei einer\nStiefschwester, spater bei der zweiten Frau seines Vaters auf. Auf den\nPhilippinen besuchte er die Schule bis zur dritten Klasse. Nachdem seine\nMutter im Bundesgebiet ein zweites Mal geheiratet hatte, holte sie den Klager\nund seine beiden Geschwister im Oktober 1995 im Wege des Familiennachzuges ins\nBundesgebiet. Der Klager wuchs in der Folge mit seinen beiden jungeren\nGeschwistern im Haushalt seiner Mutter und seines deutschen Stiefvaters auf\nund wurde in die dritte Klasse der Grundschule eingeschult. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 24.6.1996 erhielt er erstmals von der zustandigen unteren\nAuslanderbehorde eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die in der Folgezeit\nmehrfach befristet verlangert wurde. Am 21.3.2005 erteilte ihm die untere\nAuslanderbehorde eine Niederlassungserlaubnis. Den Besuch der Hauptschule\nbrach der Klager in der neunten Klasse ohne Abschluss ab. Im ab September 2002\nbesuchten Berufsvorbereitungsjahr erreichte er den Hauptschulabschluss. Die\nsich ab September 2003 anschließende Berufsfachschule der Fachrichtung Metall\nbrach er im Januar 2004 ab. Anschließend war er bei einem Schnellimbiss\nbeschaftigt. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Im Jahr 2004 wurde der Klager wegen Diebstahlsdelikten erstmals\nstrafrechtlich auffallig. Mit Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 13.7.2005\nwurde der Klager des Diebstahls in zwei Fallen schuldig gesprochen und zur\nAbleistung von 40 Stunden gemeinnutziger Arbeit verpflichtet. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 21.10.2005 kam er erstmals in Untersuchungshaft. Grundlage war der\nHaftbefehl des Amtsgerichts Heilbronn vom 20.10.2005 wegen des Verdachts der\nBegehung eines gemeinschaftlichen Bankraubs am 13.10.2005. Im Haftbefehl war\nunter anderem ausgefuhrt, dass der Klager nur uber geringe personliche\nBindungen in Deutschland verfuge. Am 22.12.2005 wurde der Haftbefehl außer\nVollzug gesetzt. Mit Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 20.4.2006,\nrechtskraftig seit 28.4.2006, wurde der Klager zu einer Jugendstrafe von einem\nJahr und drei Monaten wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes verurteilt. Die\nVollstreckung der Strafe wurde zur Bewahrung ausgesetzt. Im Urteil ist unter\nanderem ausgefuhrt, der Klager habe sich zum Zeitpunkt der Tatbegehung in\neiner finanziell angespannten Situation befunden. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Am 7.3.2006 kam der Klager erneut in Untersuchungshaft. Grundlage war der\nHaftbefehl des Amtsgerichts Heilbronn vom 8.3.2006 wegen des Verdachts auf\ngemeinschaftlichen versuchten Mord. Mit Urteil des Landgerichts Heilbronn vom\n15.8.2006, rechtskraftig seit 23.8.2006, wurde der Klager wegen\ngemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit gemeinschaftlicher\ngefahrlicher Korperverletzung unter Einbeziehung des Urteils vom 20.4.2006 zu\neiner einheitlichen Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.\nDem lag zugrunde, dass der Klager mit anderen in der Nacht vom 10. auf den 11.\nSeptember 2005 zwei wertvolle Kraftfahrzeuge von einem Firmengelande\nentwendete. Wie von vornherein besprochen, wurde der auf seinem Rundgang\nvorbeikommende Wachmann ausgeschaltet, in dem er brutal zusammengeschlagen,\ngefesselt und dann trotz der Witterung seinem Schicksal uberlassen wurde. Der\nWachmann wurde erst am folgenden Morgen in einem lebenskritischen Zustand\nentdeckt und musste mehrere Tage in ein kunstliches Koma versetzt werden. In\nden Grunden des Urteils ist unter anderem ausgefuhrt, zugunsten des Klagers\nund seiner Mitangeklagten gehe die Kammer davon aus, dass die Angeklagten\ndarauf vertrauten, ihr Opfer werde rechtzeitig gefunden und gerettet, so dass\nein Totungsvorsatz nicht bestanden habe. Nach der Verhaftung des Klagers und\nseiner Mittater auf Grund des Bankuberfalls vom 13.10.2005 am 20.10.2005\nhatten erste polizeiliche Ermittlungen zwar den Verdacht ergeben hatten, die\nGruppe habe auch den Raub der Fahrzeuge am 10./11.9.2005 verubt. Dieser\nVerdacht habe sich aber zunachst nicht erhartet. Erst als ein Abgleich von\nDNA-Spuren eine Übereinstimmung bei einem anderen Mittater ergeben habe, habe\ndieser am 6.3.2006 ein Gestandnis abgelegt. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Eine Ausfertigung des Urteils vom 15.8.2006 samt Rechtskraftvermerk ging dem\nRegierungsprasidium Stuttgart am 14.11.2006 zu. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Schreiben vom 5.4.2006 hatte das Regierungsprasidium den Klager bereits\nzur beabsichtigten Ausweisung angehort. Zwar mandatierte sich im September\n2006 eine Rechtsanwaltin und erbat Akteneinsicht. Eine Stellungnahme erfolgte\njedoch nicht. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Verfugung vom 3.4.2007 wies das Regierungsprasidium den Klager (unter\nAnordnung des Sofortvollzuges) aus dem Bundesgebiet aus und drohte ihm seine\nAbschiebung ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise an; die\nAbschiebung wurde auf den Zeitpunkt der Haftentlassung angekundigt. Zur\nBegrundung wurde ausgefuhrt, der Klager habe auf Grund der rechtskraftigen\nVerurteilung durch das Landgericht Heilbronn den zwingenden\nAusweisungstatbestand des § 53 Nr. 1 AufenthG verwirklicht. Ihm stunden aber\ndie Ausweisungsschutzvorschriften des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und zumindest\nNr. 2 AufenthG zur Seite, so dass er nur aus schwerwiegenden Grunden der\noffentlichen Sicherheit ausgewiesen werden konne (§ 56 Abs. 1 Satz 2\nAufenthG). Das Vorliegen dergestalt gewichtiger Grunde werde im Fall des\nKlagers uber § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG vermutet. Eine Ausnahme von der\ngesetzlichen Regelvermutung sei nicht erkennbar, da auch ohne das Bestehen der\nRegelvermutung vielmehr von einem schwerwiegenden Ausweisungsanlass\nausgegangen werden musse. Denn die begangene Straftat sei zumindest der\nmittleren Kriminalitat zuzuordnen und im Falle des Klagers bestehe eine\ndeutlich gesteigerte Wiederholungsgefahr, wie die rasche Begehung von zwei\nTaten im Jahr 2005 unmittelbar im Anschluss an eine erste Verurteilung belege.\nZudem sei keine Ausnahmesituation Tatanlass gewesen, sondern der stets\nmogliche Geldmangel. Über den somit spezialpraventiv zu begrundenden\nAusweisungsanlass hinaus bestehe aber in Fallen von Gewaltkriminalitat wie dem\nvorliegenden auch ein generalpraventives Ausweisungsbedurfnis. \n--- \n| 10 \n--- \n| Das Vorliegen besonderen Ausweisungsschutzes fuhre zudem uber die Bestimmung\ndes § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG dazu, dass sich die in § 53 AufenthG\nvorgesehene zwingende Ausweisung in eine Regelausweisung wandele. Es sei daher\nzu prufen, ob atypische Umstande vorliegen wurden, was aber zu verneinen sei.\nWeder aus der Tatbegehung, noch aus den Lebensumstanden einschließlich der\nlangen Aufenthaltsdauer ließen sich solche Umstande entnehmen. Selbst wenn\ndoch solche Umstande vorliegen sollten, wurde dies noch nicht zur\nUnzulassigkeit der Ausweisung fuhren, sondern nur dazu, dass uber die\nAusweisung des Klagers nach Ermessen entschieden werden musse, was ansonsten\nnicht der Fall sein, insbesondere da der Klager auf Grund seines Alters bei\nErlass der Ausweisungsverfugung nicht mehr dem Schutzbereich des § 56 Abs. 2\nAufenthG unterfalle. Auch dann wurden die spezial- und generalpraventiven\noffentlichen Interessen das private Interesse des Klagers am weiteren Verbleib\nim Bundesgebiet uberwiegen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Schließlich verstoße die Ausweisung auch nicht gegen die Bestimmung des Art.\n8 EMRK. Zwar konne schon die Ausweisung als solche einen Eingriff nach der\nMenschenrechtskonvention darstellen. Doch verfolge die Ausweisung hier ein\nlegitimes Ziel und sei auch nicht unverhaltnismaßig. Denn der Klager sei\nvolljahrig und nicht mehr in besondere Weise auf die Hilfe seiner\nFamilienangehorigen angewiesen. Zudem sei seine Integration in die hiesige\nGesellschaft bisher durftig. Insbesondere fehle ihm eine gesicherte berufliche\nExistenz. Dagegen musse der Klager auf Grund des Verbringens seiner ersten\nzehn Lebensjahr auf den Philippinen noch Kenntnisse der dortigen Sprache\nbesitzen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Da die Ausweisung zum Erloschen des Aufenthaltstitels gefuhrt habe, sei der\nKlager vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Ihm konne die Abschiebung\nangedroht werden. Abschiebungsverbote seien nicht erkennbar. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Am 30.4.2007 hat der Klager Klage erhoben. Zur Begrundung fuhrt er im\nWesentlichen aus, uber seine Ausweisung konne nur nach Ermessen entschieden\nwerden. Denn dem Regierungsprasidium sei der KfZ-Raub spatestens im April 2006\nbekannt gewesen, gleichwohl habe es noch ein Jahr gedauert, bis er ausgewiesen\nworden sei. Im Ermessen hatte man dann aber auch berucksichtigen mussen, dass\ner auf den Philippinen uber keine Verwandte mehr verfuge: Sein Vater sei\nerschossen worden, die Großeltern seien verstorben, die Geschwister der Mutter\nalle ausgewandert. Die dortige Sprache beherrsche er uberhaupt nicht mehr.\nSchließlich beabsichtige er beim Eintreffen der notwendigen Papiere seine\ndeutsche Verlobte zu heiraten. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 15 \n--- \n| die Verfugung des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 3.4.2007 aufzuheben. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 17 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Er stutzt sich uber das in der Verfugung Ausgefuhrte hinaus unter anderem\ndarauf, dass dem Klager ein Neuanfang auf den Philippinen moglich sei. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Im Termin zur mundlichen Verhandlung hat der Klager unter anderem\nausgefuhrt, er habe die Schule wohl bis zur dritten Klasse und wohl auch einen\nKindergarten besucht. Zu Hause habe man Philippino, also Tagalog, gesprochen.\nNach seinem Nachzug nach Deutschland sei sein Stiefvater streng darauf bedacht\ngewesen, dass nur Deutsch gesprochen werde. Den Hauptschulabschluss habe er\nzunachst nicht geschafft, weil er faul gewesen sei. In der Hauptschule sei\nauch Englisch unterrichtet worden. Die Ausbildung in der Fachrichtung Metall\nhabe er abgebrochen, weil U-Stahl nichts fur ihn gewesen sei. Nach seiner\nVerhaftung habe ihm seine Verteidigerin geraten, nur wenig einzuraumen. Seine\njetzige Verlobte kenne er seit 2003. Er wisse auch nicht mehr genau, welche\nPapiere zur Heirat noch fehlten, aber das Standesamt habe gesagt, es dauere\nnoch funf Monate. Straftaten werde er kunftig nicht mehr begehen, da er durch\ndie Haft und den seine Familie zugefugten Stress gelernt habe. In der Haft\nhabe er Englisch nachgeholt und eine Ausbildung zum Maler und Lackierer\nbegonnen. Im Falle einer Entlassung habe er einen Arbeitsplatz zugesagt. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle\nder Kammer zugestimmt. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und\nder dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakten des Regierungsprasidiums\nStuttgart - einschließlich jener der unteren Auslanderbehorde - Bezug\ngenommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klage, uber die der Berichterstatter entscheiden kann (§ 87a Abs. 2 u. 3\nVwGO), ist zulassig (vgl. u.a. § 6a Satz 1 AGVwGO), aber unbegrundet. Denn\nsowohl die Ausweisung des Klagers (dazu I.) als auch die Androhung seiner\nAbschiebung (dazu II.) in der Verfugung des Regierungsprasidiums Stuttgart (im\nFolgenden: Regierungsprasidium) vom 3.4.2007 entsprechen dem Gesetz und konnen\ndaher trotz moglicherweise einschneidender Folgen den Klager nicht in seinen\nRechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Maßgeblich ist insoweit beim\nKlager als europarechtlich nicht privilegiertem Auslander die Sach- und\nRechtslage im Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfugung (vgl. dazu VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 25.4.2007, InfAuslR 2007, 357). Lediglich bei der Prufung\nder Vereinbarkeit der Ausweisung mit Art. 8 EMRK ist auf den Zeitpunkt der\ngerichtlichen Entscheidung abzustellen (so EGMR, Urt. v. 28.6.2007 - Kaya -,\nInfAuslR 2007, 325; VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 25.4.2007, a.a.O.). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| **I.** Die Ausweisung des Klagers ist rechtmaßig. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Denn ein Ermachtigungsgrundlage (§ 53 Nr. 1 AufenthG) liegt vor und der\nKlager kann sich von den im Aufenthaltsgesetz enthaltenen\nAusweisungsschutzvorschriften lediglich auf § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, nicht\naber § 56 Abs. 2 AufenthG berufen (dazu 1.). Eine Widerlegung der in seinem\nFall bestehenden doppelten Regelvermutung des § 56 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4\nAufenthG ist dem Klager nicht gelungen (dazu 2.) Schließlich ist seine\nAusweisung auch mit Art. 8 EMRK vereinbar (dazu 3.). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| 1\\. Von den im Aufenthaltsgesetz enthaltenen Vorschriften vermag nur § 56\nAbs. 1 Satz 1 dem Klager Ausweisungsschutz zu vermitteln. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Denn im auch insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der\nAusweisungsverfugung war der Klager bereits 22 Jahre alt und damit nicht mehr\nHeranwachsender. Der Schutz des § 56 Abs. 2 Satz 1 AufenthG (a.F.) kam ihm\ndamit nicht mehr zugute. Es kann offen bleiben, was zu gelten hat, wenn das\nRegierungsprasidium den Erlass einer Ausweisungsverfugung bewusst verschleppt,\num dadurch Ausweisungsschutz herabzusetzen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v.\n19.11.1996, InfAuslR 1997, 152 sowie GK-AuslR, § 48 Rn. 116 zur vergleichbaren\nVorgangervorschrift § 48 Abs 2 AuslG). Hier war es jedoch so, dass zwar der\nVerdacht einer erheblichen Straftat des Klagers dem Regierungsprasidium\nfruhzeitig bekannt geworden war, die in Betracht kommende\nAusweisungsvorschrift, § 53 Nr. 1 AufenthG, aber eine rechtskraftige\nVerurteilung voraussetzt. Das Regierungsprasidium war also gehalten, nicht nur\nden Urteilserlass, sondern auch die Rechtskraftmitteilung abzuwarten (so auch\nBVerwG, Urt. v. 19.11.1996, a.a.O., wo auf „Kenntnis von der rechtskraftigen\nVerurteilung" abgestellt wird). Diese ging beim Regierungsprasidium erst 12\nTage vor dem 22. Geburtstag des Klagers ein. Zu diesem Zeitpunkt war noch\nnicht einmal klar, ob die damalige Bevollmachtigte des Klagers nicht noch\nStellung nehmen wurde, so dass von einer Verschleppung der Entscheidung nicht\nausgegangen werden kann. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| 2\\. Eine Widerlegung der im Falle des Klagers bestehenden doppelten\nRegelvermutung des § 56 Abs. 1 Satz 3 und 4 AufenthG ist ihm nicht gelungen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Der nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bestehende besondere Ausweisungsschutz\nerhoht sich nicht deswegen, weil der Klager wohl mehrere in Satz 1 genannten\nTatbestande verwirklicht (vgl. dazu VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 31.3.2003, VBlBW\n2004, 66 zur Rechtslage unter Geltung des AuslG). Er lost aber zwei Folgen\naus: Zum einen kann der Klager nach § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nur aus\nschwerwiegenden Grunden der offentlichen Sicherheit ausgewiesen werden, deren\nVorliegen nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG vermutet wird, zum anderen wird die\nnach § 53 AufenthG zwingende Ausweisung uber die Bestimmung des § 56 Abs. 1\nSatz 4 AufenthG zur Regelausweisung herabgestuft. Beruft sich ein Auslander in\ndieser Fallkonstellation auf das Vorliegen eines atypischen Ausnahmefalles,\nist zu beachten, dass er sich einer zweifachen gesetzlichen Regelvermutung\ngegenuber sieht: Sofern atypische Ausnahmefalle nicht erkennbar sind, wird\nsowohl das Vorliegen „schwerwiegender Grunde" im Sinne eines schwerwiegenden\nAusweisungsanlasses vermutet, als auch die Gebotenheit einer Ausweisung ohne\nErmessensausubung. Bei der Prufung eines atypischen Ausnahmefalls von der\n(ersten) Regelvermutung des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG finden (nur) solche\nbesonderen (tatbezogenen) Umstande des Einzelfalles Berucksichtigung, die dazu\nfuhren, dass die spezial- und generalpraventiven Zwecke des § 53 AufenthG\nnicht im erforderlichen Ausmaß zum Tragen kommen. Demgegenuber sind alle\nsonstigen Besonderheiten, also personliche Umstande wie etwa familiare\nBindungen, im Rahmen der Prufung nach § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG zu\nberucksichtigen (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 18.1.2006 - 11 S 2370/05 -;\nUrt. v. 16.3.2005 - 11 S 2885/04 -, FamRZ 2005, 1907 <LS> zur Rechtslage unter\nGeltung des Auslandergesetzes). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| a) Wird diese Systematik beachtet, ist festzuhalten, dass der Klager\ntatbezogene Umstande, welche die Regelvermutung des § 56 Abs. 1 Satz 3\nAufenthG widerlegen konnten, schon nicht geltend macht. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Solche sind auch nicht erkennbar. Insoweit nimmt das Gericht auf die\nausfuhrlichen und zutreffenden Ausfuhrungen im Bescheid des\nRegierungsprasidiums zum Bestehen eines spezial- und generalpraventiven\nAusweisungsbedurfnisses Bezug (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO). Insbesondere geht auch\nder Berichterstatter von einer deutlich gesteigerten Wiederholungsgefahr beim\nKlager aus, ohne dass diese Feststellung einer Beiziehung der Strafakten\nbedurfte. Denn schon aus den Grunden der Strafurteile lasst sich hinreichend\ndeutlich entnehmen, dass er seine Straftaten nicht in psychischen\nAusnahmesituationen, sondern jeweils aus einem jederzeit wieder moglichen\nGeldmangel begangen hat. Ebenso spricht die rasche Folge der Begehung der\nTaten fur sich (Ahndung von Diebstahlsvergehen am 10.7.2005; Raub von\nKraftfahrzeugen am 10./11.9.2005, Bankraub am 13.9.2005). Besonders\nhervorzuheben ist, dass der Klager nicht etwa nach einer ersten Verhaftung am\n20.9.2005 wegen des Bankraubs „reinen Tisch gemacht" und auch den damals noch\nnicht aufgeklarten Raub der Kraftfahrzeuge gestanden hat. Vielmehr hat er\ndiese Tat bis zu den Gestandnissen von Mittatern verschwiegen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| b) Personliche Umstande, die eine Ausnahme von der Regelvermutung des § 56\nAbs. 1 Satz 4 i.V.m. § 54 AufenthG rechtfertigen konnten, liegen nicht vor. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Das bedarf an dieser Stelle keiner Ausfuhrungen, da insoweit keine\nstrengeren Kriterien gelten konnen, als bei der Prufung der Vereinbarkeit der\nAusweisung des Klagers mit Art. 8 EMRK (vgl. dazu nachfolgend 3.). Die\nVoraussetzungen dieser Norm der Menschenrechtskonvention sind nicht etwa bei\nder Prufung der Regel-Ausnahmevermutung des § 54 AufenthG vorzunehmen. In der\nEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.5.2007 (InfAuslR 2007, 275)\nwird zwar ausgefuhrt: \n--- \n| 33 \n--- \n| „Bei der daran anschließenden Frage, ob ein Regelfall im Sinne des § 54\nAufenthG vorliegt, ist zu prufen, ob eine Regel-Ausweisung einen\nverhaltnismaßigen Eingriff in das Recht des Beschwerdefuhrers auf Achtung\nseines Privatlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK darstellt; wenn dies zu\nverneinen ist, liegt ein Ausnahmefall im Sinne des § 54 AufenthG vor und eine\nAusweisung muss unterbleiben (vgl. Discher, GK-AufenthG, Vor §§ 53 ff., Januar\n2007, Rn. 886; Hailbronner, Auslanderrecht, § 54 AufenthG, 43. Aktualisierung\nOktober 2005, Rn. 55 f.; s. auch Oldenburg, InfAuslR 1999, S. 174 <177>)." \n--- \n| 34 \n--- \n| Diese Auffassung verkennt jedoch, dass das Vorliegen eines Ausnahmefalles\nnach ganz uberwiegender Auffassung gerade nicht zu einem Ausweisungsverbot\nfuhrt, sondern nur zur Eroffnung eines sonst nicht gegebenen Ermessens (vgl.\ndazu etwa BVerwG, Beschl. v. 13.11.1995, InfAuslR 1996, 103 zu § 47 Abs. 2\nAuslG; VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 5.10.1994 - 11 S 1202/94 - zu § 47 Abs. 2\nAuslG; Discher in GK-AufenthG, § 54 Rn. 117; Albrecht in: Storr/Wenger u.a.,\nKomm. z. ZuwG, § 54 Rn. 3.). Dagegen ergibt sich aus einer Unvereinbarkeit\neiner Ausweisung mit Art. 8 EMRK deren unbedingte Unzulassigkeit. Daher ist\ndie Vereinbarkeit einer Ausweisung mit Art. 8 EMRK jeweils außerhalb des\nSystems der §§ 53 ff. AufenthG zu prufen, gerade um dieser Bestimmung\numfassend Rechnung tragen zu konnen. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| 3\\. Die Ausweisung des Klagers ist auch unter Berucksichtigung seiner\npersonlichen Situation mit Art. 8 EMRK vereinbar . \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Der einschlagige Passus des Artikels 8 der Konvention fur Menschenrechte und\nGrundfreiheiten (BGBl. II, 2002, S. 1054) lautet wie folgt: \n--- \n| 37 \n--- \n| „(1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens\n(...) (2) Eine Behorde darf in die Ausubung dieses Rechts nur eingreifen,\nsoweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen\nGesellschaft notwendig ist fur die nationale oder offentliche Sicherheit, fur\ndas wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur\nVerhutung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum\nSchutz der Rechte und Freiheiten anderer." \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs fur Menschenrechte\nhaben die Vertragsstaaten zur Erfullung ihrer Aufgabe, die offentliche Ordnung\naufrecht zu erhalten, die Befugnis, einen strafrechtlich verurteilten\nAuslander auszuweisen. Ihre Entscheidungen auf diesem Gebiet mussen jedoch,\nsofern sie in ein nach § 8 Abs. 1 geschutztes Recht eingreifen, gesetzlich\nvorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, d.h. einem\ndringenden sozialen Bedurfnis entsprechen und insbesondere in einem\nangemessenen Verhaltnis zum verfolgten Ziel stehen (vgl. insbesondere die\nUrteile des EGMR v. 28.6.2007 - Kaya -, a.a.O.; v. 22.3.2007 - Maslov -,\nInfAuslR 2007, 221; v. 18.10.2006 - Üner -, DVBl 2007, 689; v. 2.8.2001 -\nBoultif -, InfAuslR 2001, 476). \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| a) Ohne Frage greift die Ausweisung des Klagers in sein Recht auf\nPrivatleben (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. EMRK) ein. Da der Europaische\nGerichtshof fur Menschenrechte seinen Entscheidungen wohl einen weiten\nFamilienbegriff zugrundelegt (vgl. etwa Urt. v. 18.2.1991 - Moustaquim -,\nInfAuslR 1991, 149), ist trotz der Volljahrigkeit des Klagers auch von einem\nEingriff in sein Familienleben im Verhaltnis zu seinen Eltern und Geschwistern\nauszugehen; ahnliches durfte fur das Familienleben im Hinblick auf seine\nVerlobte gelten. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| b) Ebenso fraglos ist die Ausweisung eine in der Bundesrepublik gesetzlich\nvorgesehene Maßnahme. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| c) Zu prufen bleibt jedoch, ob die Ausweisung in einer demokratischen\nGesellschaft notwendig ist und in einem angemessenen Verhaltnis zum verfolgten\nZiel steht. Anerkannte Prufungskriterien sind hierbei (vgl. nochmals die\ngenannten Urteile des EGMR): \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| \n--- \n| \\- die Art und Schwere der vom Auslander begangenen Straftat, \n--- \n| \\- die Dauer des Aufenthalts des Auslanders in dem Land, aus dem er\nausgewiesen werden soll, \n--- \n| \\- die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiaren Bindungen zum\nGastland und zum Zielland, \n--- \n| \\- die seit der Tatzeit verstrichene Zeitspanne und das Verhalten des\nAuslanders in dieser Zeit, \n--- \n| \\- die Staatsangehorigkeit der verschiedenen Betroffenen, \n--- \n| \\- die familiare Situation des Auslanders, wie die Dauer der Ehe und andere\nFaktoren, die die Effektivitat des Familienlebens eines Paares zum Ausdruck\nbringen, \n--- \n| \\- den Umstand, ob der Gatte bzw. die Gattin uber die Straftat informiert\nwar, als die familiare Beziehung aufgenommen wurde, \n--- \n| \\- den Umstand, ob aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind, und wenn ja,\nderen Alter, und \n--- \n| \\- das Ausmaß der Schwierigkeiten, denen der Gatte bzw. die Gattin in dem\nLand, in das der Auslander abgeschoben werden soll, voraussichtlich begegnen\nwird. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Im Blick auf diese Kriterien ist die Ausweisung des Klagers noch\nverhaltnismaßig, auch wenn nicht verkannt werden darf, dass der Start zu einem\nvorubergehenden Aufenthalt auf den Philippinen uberaus schwierig werden kann.\nDenn zunachst hat der Klager - neben anderen Straftaten - eine schwere\nStraftat begangen, die einen anderen Menschen an den Rand des Todes gebracht\nhat. Er ist auch nicht im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen, sondern\nverbrachte die ersten 9 Jahre seines Lebens auf den Philippinen und besuchte\ndort die ersten drei Schulklassen. Im Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR\n(vgl. dazu insbes. Urt. v. 22.3.2007 - Maslov -, a.a.O.) und auch nach\nVernehmung seiner Mutter als Zeugin in der mundlichen Verhandlung geht der\nBerichterstatter davon aus, dass auf Grund dieser Sozialisation nicht jede\nKenntnis der Herkunftssprache Philippino (Tagalog) verschuttet sein kann. Zwar\nhat die Zeugin ausgesagt, man habe unmittelbar nach Einreise des Klagers auf\nWunsch des deutschen Ehemannes nur noch Deutsch miteinander gesprochen. Doch\nwaren selbst die heutigen Deutschkenntnisse der Mutter des Klagers 15 Jahre\nnach ihrer Einreise nicht so, dass es vorstellbar gewesen ware, sie habe mit\ndem Klager von Anfang an nur deutsch sprechen konnen (die Angaben der Zeugin\nsind, wie im Protokoll vermerkt, nur sinngemaß wiedergegeben worden; manche\nFragen mussten mehrfach gestellt werden). Zudem betont das Auswartige Amt in\nseiner Landerinformation Philippinen, dass die allgemeine Verkehrssprache dort\nohnehin Englisch sei, welches der Klager einigermaßen beherrscht. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| In Deutschland hat er inzwischen zwar den Hauptschulabschluss erreicht, aber\nnoch keine Berufsausbildung. Die strafgerichtlichen Urteile und Haftbefehle\nheben hervor, dass die soziale Integration des Klagers weitgehend in der\nspater kriminellen Clique stattgefunden habe. Daruber hinaus sei er wenig\nintegriert. Eine Integration in Vereine, Kirchengemeinden etc. konnte er auch\nin der mundlichen Verhandlung nicht darlegen. Seine deutsche Freundin hat er\nschon vor den Straftaten kennengelernt; eine Eheschließung ist bislang noch\nnicht erfolgt. Wenn sie in Kurze erfolgen wird, wie der Klager betont, erfolgt\nsie nicht nur in Kenntnis der Straftaten, sondern auch der drohenden\nAbschiebung. Andererseits sichert diese Eheschließung dem Klager eine\nRuckkehrmoglichkeit und eine gunstige Befristungsentscheidung, da der\nkunftigen Ehegattin als deutscher Staatsangehorigen eine Ausreise auf die\nPhilippinen nicht zumutbar ist. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| **II.** Auch die Androhung der Abschiebung des Klagers entspricht dem\nGesetz. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Der Klager ist auf Grund des Erloschens seiner Niederlassungserlaubnis durch\ndie wirksame Ausweisung ausreisepflichtig (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG; § 50\nAbs. 1 AufenthG). Auf eine Fristsetzung in der Androhung konnte ungeachtet der\nFormulierung des § 59 Abs. 1 AufenthG schon vor Inkrafttreten von § 59 Abs. 5\nAufenthG n.F. verzichtet werden (vgl. etwa Storr/Wenger, Komm. z. ZuwG, § 59\nRn. 3). Die gegenteilige Auffassung verkennt, dass die Warnfunktion der\nAndrohung auch durch die - vom Regierungsprasidium verfugte -\nAbschiebungsankundigung erreicht wird. Abschiebungsverbote, welche der\nBezeichnung des Zielstaates entgegenstehen konnten, sind weder geltend\ngemacht, noch erkennbar. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Da der Klager unterliegt, hat er die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154\nAbs. 1 VwGO). \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Grunde, die eine Berufungszulassung durch das Verwaltungsgericht ermoglichen\n(§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO), sind nicht erkennbar. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klage, uber die der Berichterstatter entscheiden kann (§ 87a Abs. 2 u. 3\nVwGO), ist zulassig (vgl. u.a. § 6a Satz 1 AGVwGO), aber unbegrundet. Denn\nsowohl die Ausweisung des Klagers (dazu I.) als auch die Androhung seiner\nAbschiebung (dazu II.) in der Verfugung des Regierungsprasidiums Stuttgart (im\nFolgenden: Regierungsprasidium) vom 3.4.2007 entsprechen dem Gesetz und konnen\ndaher trotz moglicherweise einschneidender Folgen den Klager nicht in seinen\nRechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Maßgeblich ist insoweit beim\nKlager als europarechtlich nicht privilegiertem Auslander die Sach- und\nRechtslage im Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfugung (vgl. dazu VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 25.4.2007, InfAuslR 2007, 357). Lediglich bei der Prufung\nder Vereinbarkeit der Ausweisung mit Art. 8 EMRK ist auf den Zeitpunkt der\ngerichtlichen Entscheidung abzustellen (so EGMR, Urt. v. 28.6.2007 - Kaya -,\nInfAuslR 2007, 325; VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 25.4.2007, a.a.O.). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| **I.** Die Ausweisung des Klagers ist rechtmaßig. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Denn ein Ermachtigungsgrundlage (§ 53 Nr. 1 AufenthG) liegt vor und der\nKlager kann sich von den im Aufenthaltsgesetz enthaltenen\nAusweisungsschutzvorschriften lediglich auf § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, nicht\naber § 56 Abs. 2 AufenthG berufen (dazu 1.). Eine Widerlegung der in seinem\nFall bestehenden doppelten Regelvermutung des § 56 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4\nAufenthG ist dem Klager nicht gelungen (dazu 2.) Schließlich ist seine\nAusweisung auch mit Art. 8 EMRK vereinbar (dazu 3.). \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| 1\\. Von den im Aufenthaltsgesetz enthaltenen Vorschriften vermag nur § 56\nAbs. 1 Satz 1 dem Klager Ausweisungsschutz zu vermitteln. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Denn im auch insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der\nAusweisungsverfugung war der Klager bereits 22 Jahre alt und damit nicht mehr\nHeranwachsender. Der Schutz des § 56 Abs. 2 Satz 1 AufenthG (a.F.) kam ihm\ndamit nicht mehr zugute. Es kann offen bleiben, was zu gelten hat, wenn das\nRegierungsprasidium den Erlass einer Ausweisungsverfugung bewusst verschleppt,\num dadurch Ausweisungsschutz herabzusetzen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v.\n19.11.1996, InfAuslR 1997, 152 sowie GK-AuslR, § 48 Rn. 116 zur vergleichbaren\nVorgangervorschrift § 48 Abs 2 AuslG). Hier war es jedoch so, dass zwar der\nVerdacht einer erheblichen Straftat des Klagers dem Regierungsprasidium\nfruhzeitig bekannt geworden war, die in Betracht kommende\nAusweisungsvorschrift, § 53 Nr. 1 AufenthG, aber eine rechtskraftige\nVerurteilung voraussetzt. Das Regierungsprasidium war also gehalten, nicht nur\nden Urteilserlass, sondern auch die Rechtskraftmitteilung abzuwarten (so auch\nBVerwG, Urt. v. 19.11.1996, a.a.O., wo auf „Kenntnis von der rechtskraftigen\nVerurteilung" abgestellt wird). Diese ging beim Regierungsprasidium erst 12\nTage vor dem 22. Geburtstag des Klagers ein. Zu diesem Zeitpunkt war noch\nnicht einmal klar, ob die damalige Bevollmachtigte des Klagers nicht noch\nStellung nehmen wurde, so dass von einer Verschleppung der Entscheidung nicht\nausgegangen werden kann. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| 2\\. Eine Widerlegung der im Falle des Klagers bestehenden doppelten\nRegelvermutung des § 56 Abs. 1 Satz 3 und 4 AufenthG ist ihm nicht gelungen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Der nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bestehende besondere Ausweisungsschutz\nerhoht sich nicht deswegen, weil der Klager wohl mehrere in Satz 1 genannten\nTatbestande verwirklicht (vgl. dazu VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 31.3.2003, VBlBW\n2004, 66 zur Rechtslage unter Geltung des AuslG). Er lost aber zwei Folgen\naus: Zum einen kann der Klager nach § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nur aus\nschwerwiegenden Grunden der offentlichen Sicherheit ausgewiesen werden, deren\nVorliegen nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG vermutet wird, zum anderen wird die\nnach § 53 AufenthG zwingende Ausweisung uber die Bestimmung des § 56 Abs. 1\nSatz 4 AufenthG zur Regelausweisung herabgestuft. Beruft sich ein Auslander in\ndieser Fallkonstellation auf das Vorliegen eines atypischen Ausnahmefalles,\nist zu beachten, dass er sich einer zweifachen gesetzlichen Regelvermutung\ngegenuber sieht: Sofern atypische Ausnahmefalle nicht erkennbar sind, wird\nsowohl das Vorliegen „schwerwiegender Grunde" im Sinne eines schwerwiegenden\nAusweisungsanlasses vermutet, als auch die Gebotenheit einer Ausweisung ohne\nErmessensausubung. Bei der Prufung eines atypischen Ausnahmefalls von der\n(ersten) Regelvermutung des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG finden (nur) solche\nbesonderen (tatbezogenen) Umstande des Einzelfalles Berucksichtigung, die dazu\nfuhren, dass die spezial- und generalpraventiven Zwecke des § 53 AufenthG\nnicht im erforderlichen Ausmaß zum Tragen kommen. Demgegenuber sind alle\nsonstigen Besonderheiten, also personliche Umstande wie etwa familiare\nBindungen, im Rahmen der Prufung nach § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG zu\nberucksichtigen (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 18.1.2006 - 11 S 2370/05 -;\nUrt. v. 16.3.2005 - 11 S 2885/04 -, FamRZ 2005, 1907 <LS> zur Rechtslage unter\nGeltung des Auslandergesetzes). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| a) Wird diese Systematik beachtet, ist festzuhalten, dass der Klager\ntatbezogene Umstande, welche die Regelvermutung des § 56 Abs. 1 Satz 3\nAufenthG widerlegen konnten, schon nicht geltend macht. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Solche sind auch nicht erkennbar. Insoweit nimmt das Gericht auf die\nausfuhrlichen und zutreffenden Ausfuhrungen im Bescheid des\nRegierungsprasidiums zum Bestehen eines spezial- und generalpraventiven\nAusweisungsbedurfnisses Bezug (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO). Insbesondere geht auch\nder Berichterstatter von einer deutlich gesteigerten Wiederholungsgefahr beim\nKlager aus, ohne dass diese Feststellung einer Beiziehung der Strafakten\nbedurfte. Denn schon aus den Grunden der Strafurteile lasst sich hinreichend\ndeutlich entnehmen, dass er seine Straftaten nicht in psychischen\nAusnahmesituationen, sondern jeweils aus einem jederzeit wieder moglichen\nGeldmangel begangen hat. Ebenso spricht die rasche Folge der Begehung der\nTaten fur sich (Ahndung von Diebstahlsvergehen am 10.7.2005; Raub von\nKraftfahrzeugen am 10./11.9.2005, Bankraub am 13.9.2005). Besonders\nhervorzuheben ist, dass der Klager nicht etwa nach einer ersten Verhaftung am\n20.9.2005 wegen des Bankraubs „reinen Tisch gemacht" und auch den damals noch\nnicht aufgeklarten Raub der Kraftfahrzeuge gestanden hat. Vielmehr hat er\ndiese Tat bis zu den Gestandnissen von Mittatern verschwiegen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| b) Personliche Umstande, die eine Ausnahme von der Regelvermutung des § 56\nAbs. 1 Satz 4 i.V.m. § 54 AufenthG rechtfertigen konnten, liegen nicht vor. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Das bedarf an dieser Stelle keiner Ausfuhrungen, da insoweit keine\nstrengeren Kriterien gelten konnen, als bei der Prufung der Vereinbarkeit der\nAusweisung des Klagers mit Art. 8 EMRK (vgl. dazu nachfolgend 3.). Die\nVoraussetzungen dieser Norm der Menschenrechtskonvention sind nicht etwa bei\nder Prufung der Regel-Ausnahmevermutung des § 54 AufenthG vorzunehmen. In der\nEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.5.2007 (InfAuslR 2007, 275)\nwird zwar ausgefuhrt: \n--- \n| 33 \n--- \n| „Bei der daran anschließenden Frage, ob ein Regelfall im Sinne des § 54\nAufenthG vorliegt, ist zu prufen, ob eine Regel-Ausweisung einen\nverhaltnismaßigen Eingriff in das Recht des Beschwerdefuhrers auf Achtung\nseines Privatlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK darstellt; wenn dies zu\nverneinen ist, liegt ein Ausnahmefall im Sinne des § 54 AufenthG vor und eine\nAusweisung muss unterbleiben (vgl. Discher, GK-AufenthG, Vor §§ 53 ff., Januar\n2007, Rn. 886; Hailbronner, Auslanderrecht, § 54 AufenthG, 43. Aktualisierung\nOktober 2005, Rn. 55 f.; s. auch Oldenburg, InfAuslR 1999, S. 174 <177>)." \n--- \n| 34 \n--- \n| Diese Auffassung verkennt jedoch, dass das Vorliegen eines Ausnahmefalles\nnach ganz uberwiegender Auffassung gerade nicht zu einem Ausweisungsverbot\nfuhrt, sondern nur zur Eroffnung eines sonst nicht gegebenen Ermessens (vgl.\ndazu etwa BVerwG, Beschl. v. 13.11.1995, InfAuslR 1996, 103 zu § 47 Abs. 2\nAuslG; VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 5.10.1994 - 11 S 1202/94 - zu § 47 Abs. 2\nAuslG; Discher in GK-AufenthG, § 54 Rn. 117; Albrecht in: Storr/Wenger u.a.,\nKomm. z. ZuwG, § 54 Rn. 3.). Dagegen ergibt sich aus einer Unvereinbarkeit\neiner Ausweisung mit Art. 8 EMRK deren unbedingte Unzulassigkeit. Daher ist\ndie Vereinbarkeit einer Ausweisung mit Art. 8 EMRK jeweils außerhalb des\nSystems der §§ 53 ff. AufenthG zu prufen, gerade um dieser Bestimmung\numfassend Rechnung tragen zu konnen. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| 3\\. Die Ausweisung des Klagers ist auch unter Berucksichtigung seiner\npersonlichen Situation mit Art. 8 EMRK vereinbar . \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Der einschlagige Passus des Artikels 8 der Konvention fur Menschenrechte und\nGrundfreiheiten (BGBl. II, 2002, S. 1054) lautet wie folgt: \n--- \n| 37 \n--- \n| „(1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens\n(...) (2) Eine Behorde darf in die Ausubung dieses Rechts nur eingreifen,\nsoweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen\nGesellschaft notwendig ist fur die nationale oder offentliche Sicherheit, fur\ndas wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur\nVerhutung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum\nSchutz der Rechte und Freiheiten anderer." \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs fur Menschenrechte\nhaben die Vertragsstaaten zur Erfullung ihrer Aufgabe, die offentliche Ordnung\naufrecht zu erhalten, die Befugnis, einen strafrechtlich verurteilten\nAuslander auszuweisen. Ihre Entscheidungen auf diesem Gebiet mussen jedoch,\nsofern sie in ein nach § 8 Abs. 1 geschutztes Recht eingreifen, gesetzlich\nvorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, d.h. einem\ndringenden sozialen Bedurfnis entsprechen und insbesondere in einem\nangemessenen Verhaltnis zum verfolgten Ziel stehen (vgl. insbesondere die\nUrteile des EGMR v. 28.6.2007 - Kaya -, a.a.O.; v. 22.3.2007 - Maslov -,\nInfAuslR 2007, 221; v. 18.10.2006 - Üner -, DVBl 2007, 689; v. 2.8.2001 -\nBoultif -, InfAuslR 2001, 476). \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| a) Ohne Frage greift die Ausweisung des Klagers in sein Recht auf\nPrivatleben (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. EMRK) ein. Da der Europaische\nGerichtshof fur Menschenrechte seinen Entscheidungen wohl einen weiten\nFamilienbegriff zugrundelegt (vgl. etwa Urt. v. 18.2.1991 - Moustaquim -,\nInfAuslR 1991, 149), ist trotz der Volljahrigkeit des Klagers auch von einem\nEingriff in sein Familienleben im Verhaltnis zu seinen Eltern und Geschwistern\nauszugehen; ahnliches durfte fur das Familienleben im Hinblick auf seine\nVerlobte gelten. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| b) Ebenso fraglos ist die Ausweisung eine in der Bundesrepublik gesetzlich\nvorgesehene Maßnahme. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| c) Zu prufen bleibt jedoch, ob die Ausweisung in einer demokratischen\nGesellschaft notwendig ist und in einem angemessenen Verhaltnis zum verfolgten\nZiel steht. Anerkannte Prufungskriterien sind hierbei (vgl. nochmals die\ngenannten Urteile des EGMR): \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| \n--- \n| \\- die Art und Schwere der vom Auslander begangenen Straftat, \n--- \n| \\- die Dauer des Aufenthalts des Auslanders in dem Land, aus dem er\nausgewiesen werden soll, \n--- \n| \\- die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiaren Bindungen zum\nGastland und zum Zielland, \n--- \n| \\- die seit der Tatzeit verstrichene Zeitspanne und das Verhalten des\nAuslanders in dieser Zeit, \n--- \n| \\- die Staatsangehorigkeit der verschiedenen Betroffenen, \n--- \n| \\- die familiare Situation des Auslanders, wie die Dauer der Ehe und andere\nFaktoren, die die Effektivitat des Familienlebens eines Paares zum Ausdruck\nbringen, \n--- \n| \\- den Umstand, ob der Gatte bzw. die Gattin uber die Straftat informiert\nwar, als die familiare Beziehung aufgenommen wurde, \n--- \n| \\- den Umstand, ob aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind, und wenn ja,\nderen Alter, und \n--- \n| \\- das Ausmaß der Schwierigkeiten, denen der Gatte bzw. die Gattin in dem\nLand, in das der Auslander abgeschoben werden soll, voraussichtlich begegnen\nwird. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Im Blick auf diese Kriterien ist die Ausweisung des Klagers noch\nverhaltnismaßig, auch wenn nicht verkannt werden darf, dass der Start zu einem\nvorubergehenden Aufenthalt auf den Philippinen uberaus schwierig werden kann.\nDenn zunachst hat der Klager - neben anderen Straftaten - eine schwere\nStraftat begangen, die einen anderen Menschen an den Rand des Todes gebracht\nhat. Er ist auch nicht im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen, sondern\nverbrachte die ersten 9 Jahre seines Lebens auf den Philippinen und besuchte\ndort die ersten drei Schulklassen. Im Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR\n(vgl. dazu insbes. Urt. v. 22.3.2007 - Maslov -, a.a.O.) und auch nach\nVernehmung seiner Mutter als Zeugin in der mundlichen Verhandlung geht der\nBerichterstatter davon aus, dass auf Grund dieser Sozialisation nicht jede\nKenntnis der Herkunftssprache Philippino (Tagalog) verschuttet sein kann. Zwar\nhat die Zeugin ausgesagt, man habe unmittelbar nach Einreise des Klagers auf\nWunsch des deutschen Ehemannes nur noch Deutsch miteinander gesprochen. Doch\nwaren selbst die heutigen Deutschkenntnisse der Mutter des Klagers 15 Jahre\nnach ihrer Einreise nicht so, dass es vorstellbar gewesen ware, sie habe mit\ndem Klager von Anfang an nur deutsch sprechen konnen (die Angaben der Zeugin\nsind, wie im Protokoll vermerkt, nur sinngemaß wiedergegeben worden; manche\nFragen mussten mehrfach gestellt werden). Zudem betont das Auswartige Amt in\nseiner Landerinformation Philippinen, dass die allgemeine Verkehrssprache dort\nohnehin Englisch sei, welches der Klager einigermaßen beherrscht. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| In Deutschland hat er inzwischen zwar den Hauptschulabschluss erreicht, aber\nnoch keine Berufsausbildung. Die strafgerichtlichen Urteile und Haftbefehle\nheben hervor, dass die soziale Integration des Klagers weitgehend in der\nspater kriminellen Clique stattgefunden habe. Daruber hinaus sei er wenig\nintegriert. Eine Integration in Vereine, Kirchengemeinden etc. konnte er auch\nin der mundlichen Verhandlung nicht darlegen. Seine deutsche Freundin hat er\nschon vor den Straftaten kennengelernt; eine Eheschließung ist bislang noch\nnicht erfolgt. Wenn sie in Kurze erfolgen wird, wie der Klager betont, erfolgt\nsie nicht nur in Kenntnis der Straftaten, sondern auch der drohenden\nAbschiebung. Andererseits sichert diese Eheschließung dem Klager eine\nRuckkehrmoglichkeit und eine gunstige Befristungsentscheidung, da der\nkunftigen Ehegattin als deutscher Staatsangehorigen eine Ausreise auf die\nPhilippinen nicht zumutbar ist. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| **II.** Auch die Androhung der Abschiebung des Klagers entspricht dem\nGesetz. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Der Klager ist auf Grund des Erloschens seiner Niederlassungserlaubnis durch\ndie wirksame Ausweisung ausreisepflichtig (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG; § 50\nAbs. 1 AufenthG). Auf eine Fristsetzung in der Androhung konnte ungeachtet der\nFormulierung des § 59 Abs. 1 AufenthG schon vor Inkrafttreten von § 59 Abs. 5\nAufenthG n.F. verzichtet werden (vgl. etwa Storr/Wenger, Komm. z. ZuwG, § 59\nRn. 3). Die gegenteilige Auffassung verkennt, dass die Warnfunktion der\nAndrohung auch durch die - vom Regierungsprasidium verfugte -\nAbschiebungsankundigung erreicht wird. Abschiebungsverbote, welche der\nBezeichnung des Zielstaates entgegenstehen konnten, sind weder geltend\ngemacht, noch erkennbar. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Da der Klager unterliegt, hat er die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154\nAbs. 1 VwGO). \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Grunde, die eine Berufungszulassung durch das Verwaltungsgericht ermoglichen\n(§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO), sind nicht erkennbar. \n---\n\n |
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160,093 | lsgbw-2008-06-26-l-12-as-586307 | 128 | Landessozialgericht Baden-Württemberg | lsgbw | Baden-Württemberg | Sozialgerichtsbarkeit | L 12 AS 5863/07 | 2008-06-26 | 2019-01-10 11:48:37 | 2019-01-17 12:04:55 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts\nKarlsruhe vom 30.11.2007 wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Klager im\nBerufungsverfahren zu erstatten.\n\n3\\. Die Revision wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Zwischen den Beteiligten ist die Gewahrung von Leistungen zur\nGrundsicherung fur Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB\nII) vom 06.12.2006 bis zum 04.01.2007 im Streit. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die beiden miteinander verheirateten Klager zu Ziff. 1 (geboren 1961) und\nzu Ziff. 2 (geboren 1966) sind erwerbsfahig und leben mit ihrem im Jahr 2000\ngeborenen Sohn in einer 80 qm großen Mietwohnung. Am 06.12.2006 beantragten\nsie bei der Beklagten die Gewahrung von Leistungen nach dem SGB II. Als\neinziges Einkommen gaben sie das Kindergeld in Hohe von 154,00 EUR monatlich\nan. Der Klager zu Ziff. 1 leidet an einem Diabetes mellitus, fur den ein\nMehrbedarf fur kostenaufwendige Ernahrung geltend gemacht wurde. An Mietkosten\nfielen ein monatlicher Mietzins von 374,00 EUR, eine\nBetriebskostenvorauszahlung von 85,00 EUR, eine Heizkostenvorauszahlung von\n37,00 EUR und eine Kabelgebuhr von 4,60 EUR monatlich an. Die\nBedarfsgemeinschaft besaß ein Girokonto auf den Namen des Klagers zu Ziff. 1\n(2.807,00 EUR), Bargeld (66,40 EUR), ein Sparbuch (6.855,00 EUR) sowie einen\nAktienfond (5.106,00 EUR), wobei alle Konten auf den Namen des Klagers zu\nZiff. 1 eingetragen sind. Außerdem gaben die Klager einen Pkw der Marke Kia\nmit einem Wert von ca. 1.000,00 EUR an. \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Klager belegte die Hohe seiner Konten zum Zeitpunkt der Antragstellung\nwie folgt: Am 16.11.2006 befanden sich auf dem Sparbuch 8.261,12 EUR, was sich\nam 04.01.2007 durch Abhebung von 2.000,00 EUR - bei gleichzeitiger Gutschrift\nvon Zinsen - auf einen Betrag von 6.855,31 EUR reduzierte. Der Wert des\nSparbuchs wurde dann am selben Tag auf das Girokonto einer Postbank\neingezahlt, welches zuvor am 04.12.2006 ein Guthaben von 1.971,83 EUR aufwies.\nAm 03.01.2007 war insoweit nur noch ein Betrag von 1.528,20 EUR und nach Abzug\nder Miete ein Betrag von 992,60 EUR vorhanden. Der Fond bei der U. I. Bank\nenthielt 5.106,00 EUR. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Beklagte lehnte die Bewilligung von Leistungen mit Bescheid vom\n16.01.2007 ab, weil die Klager aufgrund ihres Vermogens nicht hilfebedurftig\nseien. Eine Berechnung enthalt dieser Bescheid nicht. \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Klager trug mit seinem Widerspruch vor, dass die Berechnung der\nBeklagten nicht nachvollziehbar sei. Er verlange einen begrundeten und\nnachvollziehbaren Bescheid. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Bescheid vom 01.03.2007 bewilligte die Beklagte nach einer Berechnung\ndes Leistungsanspruchs dann Leistungen vom 04.01.2007 bis 31.01.2007 in Hohe\nvon 1117,77 EUR, fur Februar 2007 in Hohe von 1282,60 EUR, fur Marz 2007 in\nHohe von 1276,60 EUR und fur die Monate April bis Juni 2007 in Hohe von\nmonatlich 1240,60 EUR. Erst ab dem 04.01.2007 sei aufgrund von Abbuchungen der\nVermogensfreibetrag unterschritten worden. Der Freibetrag belaufe sich auf\n15.000 EUR fur die Bedarfsgemeinschaft insgesamt und ergebe sich aus einem\nFreibetrag fur den Klager zu Ziff. 1 in Hohe von 6.750,00 EUR, fur die\nKlagerin zu Ziff. 2 in Hohe von 6.000,00 EUR und einem Freibetrag fur\nnotwendige Anschaffungen in Hohe von 750,00 EUR pro Person. \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Klager wandte sich gegen diese Art der Berechnung und machte geltend,\ndass sein Sohn, der Klager zu Ziff. 3 ebenfalls bei den Freibetragen zu\nberucksichtigen sei. Die Familie wirtschafte „aus einem Topf", ohne dass das\nVermogen einer bestimmten Person zugeordnet sei. Zur Vermeidung einer nach\nArt. 6 GG unzulassigen Benachteiligung von Familien sei daher fur seinen Sohn\nein Freibetrag zu berucksichtigen (unter Hinweis auf BSG vom 09.12.2004 - B 7\nAL 44/04 R - und vom 14.09.2005 - B 11/11a AL 71/04 R - sowie SG Aurich vom\n15.02.2006 - S 15 AS 107/05). Die entgegenstehende Verwaltungsvorschrift der\nBeklagten Nr. 12.10 Abs. 2 zu § 12 SGB II sei verfassungswidrig. Außerdem\nseien die anerkannten Unterkunftskosten zu niedrig. \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Änderungsbescheid vom 16.05.2007 erhohte die Beklagte die Leistungen\naufgrund der Berucksichtigung hoherer Heiz- und Nebenkosten. Vom 04.01.2007\nbis 31.01.2007 wurden 1144,95 EUR, fur Februar 2007 1311,73 EUR, fur Marz 2007\n1305,73 EUR und fur die Monate April bis Juni 2007 monatlich 1269,73 EUR\nbewilligt. Die Kosten der Unterkunft wurden damit im vollen von den Klagern\nbegehrten Umfang ubernommen. Leistungen fur die Zeit vor dem 04.01.2007 wurden\nweiterhin nicht gewahrt, weil die Beklagte an ihrer Auffassung festhielt, dass\nfur den Klager zu Ziff. 3 mangels eigenen Vermogens kein Freibetrag\neinzuraumen sei. \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2007 wies die Beklagte den Widerspruch\nim Übrigen zuruck. Ein Freibetrag fur den Klager zu Ziff. 3 konne nicht\nanerkannt werden, weil ein solcher nur als Freibetrag auf eigenes Vermogen des\nKlagers zu Ziff. 3 in Betracht komme (unter Bezugnahme auf SG Dusseldorf vom\n24.11.2006 - S 23 AS 104/06 - und SG Reutlingen vom 19.02.2007 - S 2 AS 565/07\nER -). \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Klager haben am 15.06.2007 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage\nerhoben. Auch nach dem Merkblatt der Beklagten zur Grundsicherung fur\nArbeitsuchende sei ein Freibetrag von 3.100,00 EUR zusatzlich zu den\nFreibetragen fur die erwerbsfahigen Hilfebedurftigen anzurechnen. Die Klager\nzu Ziff. 1 und zu Ziff. 2 haben am 31.07.2007 gegenuber dem SG erklart, dass\ndie Klage im Namen aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erhoben sei. \n--- \n| 11 \n--- \n| Das SG hat die Beklagte nach Anhorung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid\nvom 30.11.2007 unter Abanderung des Bescheides vom 16.01.2007 in der Gestalt\nder Änderungsbescheide vom 01.03. und 16.05.2007 sowie des\nWiderspruchsbescheides vom 21.05.2007 verurteilt, den Klagern als\nBedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II Leistungen zur Grundsicherung fur\nArbeitsuchende bereits ab dem 06.12.2006 zu gewahren. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1\nSGB II seien vom Vermogen ein Grundfreibetrag in Hohe von 150,00 EUR je\nvollendetem Lebensjahr des volljahrigen Hilfebedurftigen und seines Partners,\nmindestens jeweils 3.100,00 EUR, weiterhin ein Grundfreibetrag in Hohe von\n3.100,00 EUR fur jedes hilfebedurftige minderjahrige Kind und ein Freibetrag\nfur notwendige Anschaffungen in Hohe von 750,00 EUR fur jeden in der\nBedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedurftigen abzusetzen. Nach diesen\nKriterien seien die Klager bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung am\n06.12.2006 hilfebedurftig gewesen, da sie zu diesem Zeitpunkt ein Vermogen von\nlediglich 15.738,95 EUR besessen hatten. Dem von der Beklagten fur die Klager\nzu Ziff. 1 und Ziff. 2 zutreffend festgesetzten Freibetrag von 15.000,00 EUR\nsei ein weiterer Grundfreibetrag in Hohe von 3.100,00 EUR fur den Klager zu\nZiff. 3 hinzuzufugen (unter Hinweis auf SG Aurich, Urteil vom 15.02.2006 - S\n15 AS 105/05 - sowie LSG Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 01.08.2005 - L 7 AS\n2875/05 ER-B -). Zwar liege vorliegend kein Vermogen des Klagers zu Ziff. 3\nvor, weswegen auch die Auffassung der Beklagten in der Literatur vertreten\nwerde, dass ein uber das Vermogen des Kindes hinausgehender Freibetrag nicht\nbei den Eltern berucksichtigt werden konne. Nach Überzeugung des SG sei jedoch\nder Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II fur jedes Kind zunachst fur\ndessen eigenes Vermogen und ein uberschießender Freibetrag dann bei dem mit\ndem Kind in Bedarfsgemeinschaft lebenden Eltern zu berucksichtigen. Dies folge\ndaraus, dass § 12 Abs. 1 SGB II den Begriff des Vermogens nicht naher\ndefiniere und nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II fur die Frage der\nHilfebedurftigkeit eines Kindes auch das Vermogen des mit ihm in einer\nBedarfsgemeinschaft lebenden Elternteiles zu berucksichtigen sei. Daher sei es\nauch konsequent, dass in anderer Richtung von dem Vermogen eines Elternteils\nauch der Grundfreibetrag von 3.100,00 EUR fur ein hilfebedurftiges Kind\nabgesetzt werde. Sofern Vermogen nur bei seinem Inhaber mit Freibetragen\nbelegt konne, werde dies im Gesetz außerdem auch ausdrucklich so geregelt, so\netwa in § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II fur den Inhaber von Altersvorsorgevermogen.\nDemgegenuber sehe der Wortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II einen\nGrundfreibetrag fur „jedes" hilfebedurftige minderjahrige Kind vor, was dafur\nspreche, dass jedes hilfebedurftige minderjahrige Kind beim Vermogen der\ngesamten Bedarfsgemeinschaft zu berucksichtigen sei. Es sei auch\nwiderspruchlich, einerseits die Eltern bis zum vollendeten 25. Lebensjahr fur\nihre Kinder zu verpflichten, ihnen andererseits keinen Vermogensfreibetrag im\nSinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II einzuraumen. Eine derartig enge Auslegung\nstoße auch im Hinblick auf Art. 6 GG auf verfassungsrechtliche Bedenken. Denn\nFamilien mit Kindern hatten insofern einen erhohten Bedarf an Schonvermogen\nzur Sicherung von Ausbildung und Beruf der zu betreuenden Kinder. Schließlich\nsei es auch entscheidendes Motiv fur die Regelungen der Bedarfsgemeinschaft in\n§ 7 SGB II gewesen, dass in dieser Art von Gemeinschaften regelmaßig „aus\neinem Topf gewirtschaftet" werde. Die Entscheidung des SG wurde der Beklagten\nam 06.12.2007 zugestellt. \n--- \n| 12 \n--- \n| Am 12.12.2007 hat die Beklagte beim Landessozialgericht Berufung eingelegt.\nDa der Klager zu Ziff. 3 nicht uber eigenes Vermogen verfuge, konne bei ihm\nkein Freibetrag angesetzt werden. Ein Übertragung des Freibetrages auf die\nEltern sehe das SGB II nicht vor. Auch die Begrundung des Gesetzesentwurfes\nerwahne ausdrucklich, dass der Freibetrag „allen hilfebedurftigen Kindern zur\nVerfugung stehe" und nicht, dass der Freibetrag fur Kinder zu gewahren sei.\nDie Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II sei ferner im Zusammenhang mit § 9\nAbs. 2 Satz 2 SGB II zu sehen. Dort sei ausdrucklich geregelt, dass bei der\nBerechnung des Bedarfs von minderjahrigen Kindern, die Angehorige einer\nBedarfsgemeinschaft seien, auch das Einkommen und Vermogen der Eltern zu\nberucksichtigen sei, nicht aber umgekehrt eine Unterstutzung der Eltern durch\nihre Kinder. Konsequenterweise konne den Eltern auch nicht ein Grundfreibetrag\nbezuglich des Vermogens ihrer Kinder zugute kommen (unter Hinweis auf Urteil\nSG Dusseldorf vom 24.11.2006 - S 23 AS 104/06 -; SG Reutlingen vom 19.02.2007\n- S 2 AS 565/07 ER -). Die erste Fassung des SGB II habe den\nVermogensfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II fur jedes hilfebedurftige\nminderjahrige Kind noch nicht enthalten. Dies habe zur Folge gehabt, dass\nminderjahrige Kinder bereits mit einem 750,00 EUR ubersteigenden Vermogen\nnicht hilfebedurftig im Sinne des SGB II gewesen seien und fur diese keine\nLeistungen hatten gewahrt werden konnen. Um dies zu vermeiden, sei vom\nGesetzgeber der Freibetrag nach der Nr. 1a aufgenommen worden, welcher\ndeswegen allein dem Kind zuzuordnen sei. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 14 \n--- \n| den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.11.2007 aufzuheben\nund die Klage abzuweisen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Klager beantragen, \n--- \n| 16 \n--- \n| die Berufung der Beklagten zuruckzuweisen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Klager halten den angefochtenen Gerichtsbescheid fur rechtmaßig. \n--- \n| 18 \n--- \n| Fur die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der\nBeteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie\ndie Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 19 \n--- \n| Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und\nzulassige Berufung der Beklagten ist nicht begrundet. Der Senat hat vorliegend\nmit dem Einverstandnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne\nmundliche Verhandlung entschieden. \n--- \n| 20 \n--- \n| Das SG hat die einschlagigen Rechtsgrundlagen zutreffend benannt und\nangewendet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf\ndie ausfuhrlichen Entscheidungsgrunde in dem angegriffenen Gerichtsbescheid\ndes SG Bezug genommen, denen der Senat sich ausdrucklich anschließt. \n--- \n| 21 \n--- \n| Nach § 12 Abs. 1 SGB II in der vom 01.08.2006 bis zum 31.12.2007 geltenden\nFassung sind als Vermogen alle verwertbaren Vermogensgegenstande zu\nberucksichtigen. Nach Abs. 2 der Vorschrift sind vom Vermogen abzusetzen \n--- \n| 22 \n--- \n| 1\\. ein Grundfreibetrag in Hohe von 150 Euro je vollendetem Lebensjahr des\nvolljahrigen Hilfebedurftigen und seines Partners, mindestens aber jeweils\n3.100 Euro; der Grundfreibetrag darf fur den volljahrigen Hilfebedurftigen und\nseinen Partner jeweils 9.750 Euro nicht ubersteigen, \n--- \n| 23 \n--- \n| 1a. ein Grundfreibetrag in Hohe von 3.100 Euro fur jedes hilfebedurftige\nminderjahrige Kind, \n--- \n| 24 \n--- \n| 2\\. Altersvorsorge in Hohe des nach Bundesrecht ausdrucklich als\nAltersvorsorge geforderten Vermogens einschließlich seiner Ertrage und der\ngeforderten laufenden Altersvorsorgebeitrage, soweit der Inhaber das\nAltersvorsorgevermogen nicht vorzeitig verwendet, \n--- \n| 25 \n--- \n| 3\\. geldwerte Anspruche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber\nsie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen\nVereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Anspruche 250\nEuro je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfahigen Hilfebedurftigen und seines\nPartners, hochstens jedoch jeweils 16.250 Euro nicht ubersteigt, \n--- \n| 26 \n--- \n| 4\\. ein Freibetrag fur notwendige Anschaffungen in Hohe von 750 Euro fur\njeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedurftigen. \n--- \n| 27 \n--- \n| Es ist nicht ersichtlich und wird im Übrigen auch nicht geltend gemacht,\ndass die Bedarfsgemeinschaft bei der Antragstellung am 06.12.2006 einen\nhoheren Betrag als das mitgeteilte Vermogen von 15.738,95 EUR besaß. Da\ninsofern ein Freibetrag von weiteren 3.100 EUR zu dem von der Beklagten\nansonsten zutreffend berechneten Freibetrag von 15.000 EUR hinzuzurechnen war,\nlag bereits am 06.12.2006 die Bedurftigkeit der Bedarfsgemeinschaft im Sinne\ndes SGB II vor. \n--- \n| 28 \n--- \n| Es ist umstritten, wie die in § 12 Abs. 2 SGB II geregelte\nFreibetragsregelung bei aus Eltern und hilfebedurftigen Kindern bestehenden\nBedarfsgemeinschaften anzuwenden ist. Teils wird die Ansicht vertreten, der\nFreibetrag aus § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II konne nur auf Vermogen der Kinder\nangerechnet werden, weil es sich nicht um einen „Kinderfreibetrag" handele,\nder auch den Eltern zu Gute komme (SG Reutlingen, Beschluss vom 19.02.2007 - S\n2 AS 565/07 ER -; SG Aachen, Urteil vom 07.11.2006 - S 11 AS 34/06 -; SG\nBerlin, Urteil vom 29.03.2006 - S 55 AS 7521/05 -). Hierbei wird aber auch\nbereits von Anhangern dieser Auslegung eingeraumt, dass nach dem Wortlaut der\nVorschrift auch ein bei einem Erwachsenen der Bedarfsgemeinschaft zu\nberucksichtigender Freibetrag angenommen werden konnte (Mecke in Eicher in\nEicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 12 Rn. 42). \n--- \n| 29 \n--- \n| Diese Auffassung kann sich auf die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 15/3674\nS. 11: „Die Regelung stellt klar, dass allen hilfebedurftigen minderjahrigen\nKindern, die Anspruch auf Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II haben, ab ihrer\nGeburt ein Grundfreibetrag von 4.100 Euro zur Verfugung steht. Dies bedeutet,\ndass jedwedes Vermogen - sei es aus Sparvermogen oder etwa\nAusbildungsversicherungen - in dieser Hohe bei der Berechnung des\nArbeitslosengeldes II/Sozialgeldes fur das Kind geschutzt bleibt") stutzen,\nwonach davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber Vermogen privilegieren\nwollte, von welchem das Kind nicht nur tatsachlich profitiert, sondern welches\ndem Kind auch tatsachlich formalrechtlich zugeordnet ist. Als weitere\nFallgruppe konnen hier bedeutende Zuwendungen von Verwandten, etwa zur\nKommunion oder Konfirmation, genannt werden, die nach der in der breiten\nÖffentlichkeit gefuhrten Diskussion zu der Hartz IV-Gesetzgebung vor dem\nZugriff der Sozialleistungstrager geschutzt werden sollten. \n--- \n| 30 \n--- \n| Auf der anderen Seite wird die Ansicht vertreten, es liege ein fur die\ngesamte Bedarfsgemeinschaft geltender Gesamtfreibetrag fur Familien mit der\nFolge vor, dass Vermogensfreibetrage der Kinder auch auf Vermogen der Eltern\nangerechnet werden konnen (SG Aurich, Urteil vom 15.02.2006 - S 15 AS 107/05\n-; ohne nahere Begrundung im Ergebnis auch LSG Baden-Wurttemberg, Beschluss\nvom 01.08.2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B). \n--- \n| 31 \n--- \n| Das SG weist zutreffend darauf hin, dass § 12 Abs. 1 SGB II den Begriff des\nVermogens nicht naher definiert und dass nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II fur die\nFrage der Hilfebedurftigkeit eines Kindes auch das Vermogen des mit ihm in\neiner Bedarfsgemeinschaft lebenden Elternteiles zu berucksichtigen sei. Daher\nist es tatsachlich nur konsequent, wenn in anderer Richtung von dem Vermogen\neines Elternteils auch der Grundfreibetrag von 3.100,00 EUR fur ein\nhilfebedurftiges Kind abgesetzt wird. Auch das gesetzessystematische Argument\ndes SG, dass an anderer Stelle im Gesetz außerdem auch eine ausdruckliche\nRegelung erfolge, sofern Vermogen nur bei seinem Inhaber mit Freibetragen\nbelegt konne (vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II fur den Inhaber von\nAltersvorsorgevermogen) stutzt diese Auffassung. Demgegenuber sieht der\nWortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II einen Grundfreibetrag fur „jedes"\nhilfebedurftige minderjahrige Kind vor, worin sich keinerlei Unterscheidung\nzwischen Kindern mit und Kindern ohne eigenes Vermogen erkennen lasst. \n--- \n| 32 \n--- \n| Hierbei ist auch zu berucksichtigen, dass minderjahrige Kinder nach § 7\nAbs. 3 Nr. 4 SGB II uberhaupt nur dann zur Bedarfsgemeinschaft gehoren, wenn\nsie hilfebedurftig sind, also nicht aus eigenem Einkommen und Vermogen ihren\nLebensunterhalt bestreiten konnen. Es ist davon auszugehen, dass dem\nGesetzgeber bei der Formulierung des § 12 Abs. 2 SGB II dieser Zusammenhang\nbekannt war. Die Regelung in Abs. 1a ware jedoch bei der Lesart der Beklagten\nfragwurdig, weil sie nur die Kinder privilegieren konnte, die gar nicht mehr\nzu der Bedarfsgemeinschaft gehoren; hier hatte der Gesetzgeber aber dann\ndeutlicher herausstellen mussen, dass abweichend von der Grundkonstruktion der\nBedarfsgemeinschaft eine isolierte Berucksichtigung des Kinderfreibetrages nur\nfur den Fall erfolgen solle, dass insoweit Vermogen des Kindes vorhanden ist.\nEs erscheint mit der Argumentation des SG auch widerspruchlich, einerseits die\nEltern bis zum vollendeten 25. Lebensjahr fur ihre Kinder zu verpflichten,\nihnen andererseits keinen Vermogensfreibetrag im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1a\nSGB II einzuraumen. \n--- \n| 33 \n--- \n| Dies spricht insgesamt bereits aus „einfachgesetzlichen" Erwagungen dafur,\ndass jedes hilfebedurftige minderjahrige Kind mit einem eigenen Freibetrag\nbeim Vermogen der gesamten Bedarfsgemeinschaft zu berucksichtigen ist. \n--- \n| 34 \n--- \n| Dieses Ergebnis wird auch durch verfassungsrechtliche Erwagungen gestutzt.\nDer allgemeine Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG verbietet, wesentlich\nGleiches ungleich, und gebietet, wesentlich Ungleiches entsprechend seiner\nEigenart ungleich zu behandeln. Dabei liegt es grundsatzlich in der\nZustandigkeit des Gesetzgebers, die Sachverhalte auszuwahlen, an die er\ndieselbe Rechtsfolge knupft, die er also im Rechtssinne als gleich ansehen\nwill. Der Gesetzgeber muss allerdings seine Auswahl sachgerecht treffen. Was\ndabei in Anwendung des Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd\nist, lasst sich nicht abstrakt und allgemein feststellen, sondern stets nur in\nBezug auf die Eigenart des konkreten Sachbereichs, der geregelt werden soll\n(vgl. BVerfGE 93, 319 <348 f.> m.w.N.). Art. 3 Abs. 1 GG ist danach verletzt,\nwenn die (un)gleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit\nGesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am\nGerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar\nist, also bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich und seine\nEigenart ein vernunftiger, einleuchtender Grund fur die gesetzliche Regelung\nfehlt (vgl. BVerfGE 76, 256 <329>). \n--- \n| 35 \n--- \n| Sofern bei „vermogenden" Kindern einer Bedarfsgemeinschaft der Freibetrag\ndes § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II gewahrt wird, wird ein Schonvermogen des Kindes\nanerkannt, welches dieses frei verwenden kann und uber dessen Verwendung\ngegenuber der Sozialverwaltung keine weitere Rechtfertigung zu erfolgen hat.\nAndererseits wird in der Vergleichsgruppe der Kinder ohne Schonvermogen im\nSinne dieser Vorschrift ein Betrag in gleicher Hohe gegenuber der Beklagten\nals rechenschaftspflichtig bezeichnet, ohne dass eine entsprechende Rucklage\nfur die Erziehung und Ausbildung des Kindes anerkannt wird. Dies erscheint im\nHinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG deswegen als nicht hinnehmbar, weil die Eltern\nbeider Kinder diesen gegenuber zum umfassenden Unterhalt verpflichtet sind und\nnicht erkennbar ist, weswegen die Bedarfsgemeinschaft ohne das Kind mit\nSchonvermogen insofern weniger bedurftig ist. Da es auch ein entscheidendes\nMotiv fur die Regelungen der Bedarfsgemeinschaft in § 7 SGB II gewesen ist,\ndass in dieser Art von Gemeinschaften regelmaßig „aus einem Topf\ngewirtschaftet" wird, erscheint es fragwurdig, eine Abgrenzung von\nVermogensbestandteilen von Kindern im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II\nallein nach dem formalen Kriterium der Vermogensinhaberschaft vorzunehmen\n(vgl. BT-Drucks. 15/1516 S. 53: „Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der\ngesamte Bedarf aus eigenen Kraften und Mitteln gedeckt, ist jede Person der\nBedarfsgemeinschaft im Verhaltnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf an der\nHilfebedurftigkeit beteiligt"). \n--- \n| 36 \n--- \n| Abgesehen davon, dass sich von der Vorschrift bei der engen Auslegung durch\ndie Beklagte ein zufalliger Schutz fur das Familienvermogen ergibt, konnte\nhierdurch auch Veranlassung gegeben werden, Vermogensgegenstande innerhalb der\nFamilie so zu verschieben, dass die Freibetrage moglichst ausgeschopft werden.\nDies konnte letztlich auch zu Vermogensubertragungen von den Kindern auf die\nEltern fuhren, wenn das Vermogen eines Kindes dessen Freibetrag ubersteigt,\nwas nicht Sinn und Zweck des § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II sein durfte (SG Aachen,\nUrteil vom 11.09.2007 - S 11 AS 124/07 -). \n--- \n| 37 \n--- \n| Das gilt auch fur die Anwendung von Art. 6 Abs. 1 GG, wonach Ehe und\nFamilie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung stehen. Dadurch,\ndass nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II Kinderfreibetrage nicht auf ihre Eltern\nubertragbar waren, nach Abs. 1 der Vorschrift aber ohne nahere Begrundung fur\neine Differenzierung Partnerfreibetrage immer ubertragen werden, erfolgt eine\nnicht gerechtfertigte Benachteiligung von Personen, die fur Kindern\nverantwortlich sind, gegenuber Personen, die nur fur ihren Lebenspartner\nverantwortlich sind (so auch SG Aurich a.a.O.; SG Aachen a.a.O.). \n--- \n| 38 \n--- \n| Im Ergebnis wurde dies eine Benachteiligung von Familien darstellen, die\ndadurch noch weniger verstandlich wird, dass die Kinder in diesem Fall anders\nals der Partner im Regelfall prinzipiell nicht in der Lage sind, selbst durch\nErwerbsarbeit fur ihren Lebensunterhalt aufzukommen. Familien mit Kindern\nhaben zudem auch einen erhohten tatsachlichen Bedarf an Schonvermogen zur\nSicherung von Ausbildung und Beruf der Kinder. \n--- \n| 39 \n--- \n| Im anderen großen Umverteilungssystem neben dem Sozialrecht, dem\nSteuerrecht, werden Kinderfreibetrage grundsatzlich auch bei fehlendem\nVermogen der Kinder bei den Eltern berucksichtigt, was direkt aus Art. 6 GG\nabgeleitet wird. So ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts\n(BVerfGE 99, 216; 99, 246; 99, 268; 99, 273) der Familienlastenausgleich\ngrundlegend weiterentwickelt worden (vgl. BVerfGE 112, 164): Der\nKinderfreibetrag ist fur das sachliche Existenzminimum seit den Jahren 2000\nbzw. 2002 um einen Freibetrag fur den Betreuungs- und Erziehungs- oder\nAusbildungsbedarf erganzt worden (vgl. § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG). Der\nHaushaltsfreibetrag (§ 32 Abs. 7 EStG) wurde aufgehoben und 2004 durch einen\nEntlastungsbetrag fur Alleinerziehende (§ 24b EStG) ersetzt. Der Sonderbedarf\nfur ein volljahriges Kind, das sich in der Berufsausbildung befindet und\nauswartig untergebracht ist, wird daruber hinaus mit einem weiteren Freibetrag\nabgegolten (§ 33a Abs. 2 EStG). \n--- \n| 40 \n--- \n| Auch wenn insofern andere Maßstabe gelten, weil das Existenzminimum im\nFalle des SGB II erst noch gewahrt werden soll, erscheint es aus den oben\ndargelegten Grunden nicht veranlasst, insofern eine entgegengesetzte\nBetrachtungsweise zu praktizieren. \n--- \n| 41 \n--- \n| Die Rechtsauffassung der Beklagte ist auch nicht in sich schlussig, weil\ndie vorhanden Vermogenswerte vorliegend alleine dem Klager zu Ziff. 1 gehoren\nund dennoch jedenfalls fur die Klagerin zu Ziff. 2 ein Freibetrag\nberucksichtigt wird. Aus der bloß formell getrennten Regelung in Abs. 1 und\nAbs. 1 Buchstabe a des § 12 SGB II lasst sich hierfur kein ausreichendes\nArgument ableiten, weil die nicht erwerbsfahigen hilfebedurftigen Kinder einer\nBedarfsgemeinschaft von dem alleinigen Vermogensinhaber einer\nBedarfsgemeinschaft sogar noch in hoherem Maße wirtschaftlich abhangig sind\nals der erwerbsfahige Partner. \n--- \n| 42 \n--- \n| Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass die Rechtsauffassung des SG und der\nKlager auch von einigen Tragern der Grundsicherung fur Arbeitsuchende geteilt\nund praktiziert wird (vgl. etwa den der Entscheidung LSG Niedersachsen-Bremen\nvom 11.03.2008 - L 7 AS 143/07 - zugrunde liegenden Verwaltungsvorgang). \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 44 \n--- \n| Die Revision wird wegen der grundsatzlichen Bedeutung der Rechtssache\nzugelassen. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 19 \n--- \n| Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und\nzulassige Berufung der Beklagten ist nicht begrundet. Der Senat hat vorliegend\nmit dem Einverstandnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne\nmundliche Verhandlung entschieden. \n--- \n| 20 \n--- \n| Das SG hat die einschlagigen Rechtsgrundlagen zutreffend benannt und\nangewendet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf\ndie ausfuhrlichen Entscheidungsgrunde in dem angegriffenen Gerichtsbescheid\ndes SG Bezug genommen, denen der Senat sich ausdrucklich anschließt. \n--- \n| 21 \n--- \n| Nach § 12 Abs. 1 SGB II in der vom 01.08.2006 bis zum 31.12.2007 geltenden\nFassung sind als Vermogen alle verwertbaren Vermogensgegenstande zu\nberucksichtigen. Nach Abs. 2 der Vorschrift sind vom Vermogen abzusetzen \n--- \n| 22 \n--- \n| 1\\. ein Grundfreibetrag in Hohe von 150 Euro je vollendetem Lebensjahr des\nvolljahrigen Hilfebedurftigen und seines Partners, mindestens aber jeweils\n3.100 Euro; der Grundfreibetrag darf fur den volljahrigen Hilfebedurftigen und\nseinen Partner jeweils 9.750 Euro nicht ubersteigen, \n--- \n| 23 \n--- \n| 1a. ein Grundfreibetrag in Hohe von 3.100 Euro fur jedes hilfebedurftige\nminderjahrige Kind, \n--- \n| 24 \n--- \n| 2\\. Altersvorsorge in Hohe des nach Bundesrecht ausdrucklich als\nAltersvorsorge geforderten Vermogens einschließlich seiner Ertrage und der\ngeforderten laufenden Altersvorsorgebeitrage, soweit der Inhaber das\nAltersvorsorgevermogen nicht vorzeitig verwendet, \n--- \n| 25 \n--- \n| 3\\. geldwerte Anspruche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber\nsie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen\nVereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Anspruche 250\nEuro je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfahigen Hilfebedurftigen und seines\nPartners, hochstens jedoch jeweils 16.250 Euro nicht ubersteigt, \n--- \n| 26 \n--- \n| 4\\. ein Freibetrag fur notwendige Anschaffungen in Hohe von 750 Euro fur\njeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedurftigen. \n--- \n| 27 \n--- \n| Es ist nicht ersichtlich und wird im Übrigen auch nicht geltend gemacht,\ndass die Bedarfsgemeinschaft bei der Antragstellung am 06.12.2006 einen\nhoheren Betrag als das mitgeteilte Vermogen von 15.738,95 EUR besaß. Da\ninsofern ein Freibetrag von weiteren 3.100 EUR zu dem von der Beklagten\nansonsten zutreffend berechneten Freibetrag von 15.000 EUR hinzuzurechnen war,\nlag bereits am 06.12.2006 die Bedurftigkeit der Bedarfsgemeinschaft im Sinne\ndes SGB II vor. \n--- \n| 28 \n--- \n| Es ist umstritten, wie die in § 12 Abs. 2 SGB II geregelte\nFreibetragsregelung bei aus Eltern und hilfebedurftigen Kindern bestehenden\nBedarfsgemeinschaften anzuwenden ist. Teils wird die Ansicht vertreten, der\nFreibetrag aus § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II konne nur auf Vermogen der Kinder\nangerechnet werden, weil es sich nicht um einen „Kinderfreibetrag" handele,\nder auch den Eltern zu Gute komme (SG Reutlingen, Beschluss vom 19.02.2007 - S\n2 AS 565/07 ER -; SG Aachen, Urteil vom 07.11.2006 - S 11 AS 34/06 -; SG\nBerlin, Urteil vom 29.03.2006 - S 55 AS 7521/05 -). Hierbei wird aber auch\nbereits von Anhangern dieser Auslegung eingeraumt, dass nach dem Wortlaut der\nVorschrift auch ein bei einem Erwachsenen der Bedarfsgemeinschaft zu\nberucksichtigender Freibetrag angenommen werden konnte (Mecke in Eicher in\nEicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 12 Rn. 42). \n--- \n| 29 \n--- \n| Diese Auffassung kann sich auf die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 15/3674\nS. 11: „Die Regelung stellt klar, dass allen hilfebedurftigen minderjahrigen\nKindern, die Anspruch auf Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II haben, ab ihrer\nGeburt ein Grundfreibetrag von 4.100 Euro zur Verfugung steht. Dies bedeutet,\ndass jedwedes Vermogen - sei es aus Sparvermogen oder etwa\nAusbildungsversicherungen - in dieser Hohe bei der Berechnung des\nArbeitslosengeldes II/Sozialgeldes fur das Kind geschutzt bleibt") stutzen,\nwonach davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber Vermogen privilegieren\nwollte, von welchem das Kind nicht nur tatsachlich profitiert, sondern welches\ndem Kind auch tatsachlich formalrechtlich zugeordnet ist. Als weitere\nFallgruppe konnen hier bedeutende Zuwendungen von Verwandten, etwa zur\nKommunion oder Konfirmation, genannt werden, die nach der in der breiten\nÖffentlichkeit gefuhrten Diskussion zu der Hartz IV-Gesetzgebung vor dem\nZugriff der Sozialleistungstrager geschutzt werden sollten. \n--- \n| 30 \n--- \n| Auf der anderen Seite wird die Ansicht vertreten, es liege ein fur die\ngesamte Bedarfsgemeinschaft geltender Gesamtfreibetrag fur Familien mit der\nFolge vor, dass Vermogensfreibetrage der Kinder auch auf Vermogen der Eltern\nangerechnet werden konnen (SG Aurich, Urteil vom 15.02.2006 - S 15 AS 107/05\n-; ohne nahere Begrundung im Ergebnis auch LSG Baden-Wurttemberg, Beschluss\nvom 01.08.2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B). \n--- \n| 31 \n--- \n| Das SG weist zutreffend darauf hin, dass § 12 Abs. 1 SGB II den Begriff des\nVermogens nicht naher definiert und dass nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II fur die\nFrage der Hilfebedurftigkeit eines Kindes auch das Vermogen des mit ihm in\neiner Bedarfsgemeinschaft lebenden Elternteiles zu berucksichtigen sei. Daher\nist es tatsachlich nur konsequent, wenn in anderer Richtung von dem Vermogen\neines Elternteils auch der Grundfreibetrag von 3.100,00 EUR fur ein\nhilfebedurftiges Kind abgesetzt wird. Auch das gesetzessystematische Argument\ndes SG, dass an anderer Stelle im Gesetz außerdem auch eine ausdruckliche\nRegelung erfolge, sofern Vermogen nur bei seinem Inhaber mit Freibetragen\nbelegt konne (vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II fur den Inhaber von\nAltersvorsorgevermogen) stutzt diese Auffassung. Demgegenuber sieht der\nWortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II einen Grundfreibetrag fur „jedes"\nhilfebedurftige minderjahrige Kind vor, worin sich keinerlei Unterscheidung\nzwischen Kindern mit und Kindern ohne eigenes Vermogen erkennen lasst. \n--- \n| 32 \n--- \n| Hierbei ist auch zu berucksichtigen, dass minderjahrige Kinder nach § 7\nAbs. 3 Nr. 4 SGB II uberhaupt nur dann zur Bedarfsgemeinschaft gehoren, wenn\nsie hilfebedurftig sind, also nicht aus eigenem Einkommen und Vermogen ihren\nLebensunterhalt bestreiten konnen. Es ist davon auszugehen, dass dem\nGesetzgeber bei der Formulierung des § 12 Abs. 2 SGB II dieser Zusammenhang\nbekannt war. Die Regelung in Abs. 1a ware jedoch bei der Lesart der Beklagten\nfragwurdig, weil sie nur die Kinder privilegieren konnte, die gar nicht mehr\nzu der Bedarfsgemeinschaft gehoren; hier hatte der Gesetzgeber aber dann\ndeutlicher herausstellen mussen, dass abweichend von der Grundkonstruktion der\nBedarfsgemeinschaft eine isolierte Berucksichtigung des Kinderfreibetrages nur\nfur den Fall erfolgen solle, dass insoweit Vermogen des Kindes vorhanden ist.\nEs erscheint mit der Argumentation des SG auch widerspruchlich, einerseits die\nEltern bis zum vollendeten 25. Lebensjahr fur ihre Kinder zu verpflichten,\nihnen andererseits keinen Vermogensfreibetrag im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1a\nSGB II einzuraumen. \n--- \n| 33 \n--- \n| Dies spricht insgesamt bereits aus „einfachgesetzlichen" Erwagungen dafur,\ndass jedes hilfebedurftige minderjahrige Kind mit einem eigenen Freibetrag\nbeim Vermogen der gesamten Bedarfsgemeinschaft zu berucksichtigen ist. \n--- \n| 34 \n--- \n| Dieses Ergebnis wird auch durch verfassungsrechtliche Erwagungen gestutzt.\nDer allgemeine Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG verbietet, wesentlich\nGleiches ungleich, und gebietet, wesentlich Ungleiches entsprechend seiner\nEigenart ungleich zu behandeln. Dabei liegt es grundsatzlich in der\nZustandigkeit des Gesetzgebers, die Sachverhalte auszuwahlen, an die er\ndieselbe Rechtsfolge knupft, die er also im Rechtssinne als gleich ansehen\nwill. Der Gesetzgeber muss allerdings seine Auswahl sachgerecht treffen. Was\ndabei in Anwendung des Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd\nist, lasst sich nicht abstrakt und allgemein feststellen, sondern stets nur in\nBezug auf die Eigenart des konkreten Sachbereichs, der geregelt werden soll\n(vgl. BVerfGE 93, 319 <348 f.> m.w.N.). Art. 3 Abs. 1 GG ist danach verletzt,\nwenn die (un)gleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit\nGesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am\nGerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar\nist, also bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich und seine\nEigenart ein vernunftiger, einleuchtender Grund fur die gesetzliche Regelung\nfehlt (vgl. BVerfGE 76, 256 <329>). \n--- \n| 35 \n--- \n| Sofern bei „vermogenden" Kindern einer Bedarfsgemeinschaft der Freibetrag\ndes § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II gewahrt wird, wird ein Schonvermogen des Kindes\nanerkannt, welches dieses frei verwenden kann und uber dessen Verwendung\ngegenuber der Sozialverwaltung keine weitere Rechtfertigung zu erfolgen hat.\nAndererseits wird in der Vergleichsgruppe der Kinder ohne Schonvermogen im\nSinne dieser Vorschrift ein Betrag in gleicher Hohe gegenuber der Beklagten\nals rechenschaftspflichtig bezeichnet, ohne dass eine entsprechende Rucklage\nfur die Erziehung und Ausbildung des Kindes anerkannt wird. Dies erscheint im\nHinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG deswegen als nicht hinnehmbar, weil die Eltern\nbeider Kinder diesen gegenuber zum umfassenden Unterhalt verpflichtet sind und\nnicht erkennbar ist, weswegen die Bedarfsgemeinschaft ohne das Kind mit\nSchonvermogen insofern weniger bedurftig ist. Da es auch ein entscheidendes\nMotiv fur die Regelungen der Bedarfsgemeinschaft in § 7 SGB II gewesen ist,\ndass in dieser Art von Gemeinschaften regelmaßig „aus einem Topf\ngewirtschaftet" wird, erscheint es fragwurdig, eine Abgrenzung von\nVermogensbestandteilen von Kindern im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II\nallein nach dem formalen Kriterium der Vermogensinhaberschaft vorzunehmen\n(vgl. BT-Drucks. 15/1516 S. 53: „Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der\ngesamte Bedarf aus eigenen Kraften und Mitteln gedeckt, ist jede Person der\nBedarfsgemeinschaft im Verhaltnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf an der\nHilfebedurftigkeit beteiligt"). \n--- \n| 36 \n--- \n| Abgesehen davon, dass sich von der Vorschrift bei der engen Auslegung durch\ndie Beklagte ein zufalliger Schutz fur das Familienvermogen ergibt, konnte\nhierdurch auch Veranlassung gegeben werden, Vermogensgegenstande innerhalb der\nFamilie so zu verschieben, dass die Freibetrage moglichst ausgeschopft werden.\nDies konnte letztlich auch zu Vermogensubertragungen von den Kindern auf die\nEltern fuhren, wenn das Vermogen eines Kindes dessen Freibetrag ubersteigt,\nwas nicht Sinn und Zweck des § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II sein durfte (SG Aachen,\nUrteil vom 11.09.2007 - S 11 AS 124/07 -). \n--- \n| 37 \n--- \n| Das gilt auch fur die Anwendung von Art. 6 Abs. 1 GG, wonach Ehe und\nFamilie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung stehen. Dadurch,\ndass nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II Kinderfreibetrage nicht auf ihre Eltern\nubertragbar waren, nach Abs. 1 der Vorschrift aber ohne nahere Begrundung fur\neine Differenzierung Partnerfreibetrage immer ubertragen werden, erfolgt eine\nnicht gerechtfertigte Benachteiligung von Personen, die fur Kindern\nverantwortlich sind, gegenuber Personen, die nur fur ihren Lebenspartner\nverantwortlich sind (so auch SG Aurich a.a.O.; SG Aachen a.a.O.). \n--- \n| 38 \n--- \n| Im Ergebnis wurde dies eine Benachteiligung von Familien darstellen, die\ndadurch noch weniger verstandlich wird, dass die Kinder in diesem Fall anders\nals der Partner im Regelfall prinzipiell nicht in der Lage sind, selbst durch\nErwerbsarbeit fur ihren Lebensunterhalt aufzukommen. Familien mit Kindern\nhaben zudem auch einen erhohten tatsachlichen Bedarf an Schonvermogen zur\nSicherung von Ausbildung und Beruf der Kinder. \n--- \n| 39 \n--- \n| Im anderen großen Umverteilungssystem neben dem Sozialrecht, dem\nSteuerrecht, werden Kinderfreibetrage grundsatzlich auch bei fehlendem\nVermogen der Kinder bei den Eltern berucksichtigt, was direkt aus Art. 6 GG\nabgeleitet wird. So ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts\n(BVerfGE 99, 216; 99, 246; 99, 268; 99, 273) der Familienlastenausgleich\ngrundlegend weiterentwickelt worden (vgl. BVerfGE 112, 164): Der\nKinderfreibetrag ist fur das sachliche Existenzminimum seit den Jahren 2000\nbzw. 2002 um einen Freibetrag fur den Betreuungs- und Erziehungs- oder\nAusbildungsbedarf erganzt worden (vgl. § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG). Der\nHaushaltsfreibetrag (§ 32 Abs. 7 EStG) wurde aufgehoben und 2004 durch einen\nEntlastungsbetrag fur Alleinerziehende (§ 24b EStG) ersetzt. Der Sonderbedarf\nfur ein volljahriges Kind, das sich in der Berufsausbildung befindet und\nauswartig untergebracht ist, wird daruber hinaus mit einem weiteren Freibetrag\nabgegolten (§ 33a Abs. 2 EStG). \n--- \n| 40 \n--- \n| Auch wenn insofern andere Maßstabe gelten, weil das Existenzminimum im\nFalle des SGB II erst noch gewahrt werden soll, erscheint es aus den oben\ndargelegten Grunden nicht veranlasst, insofern eine entgegengesetzte\nBetrachtungsweise zu praktizieren. \n--- \n| 41 \n--- \n| Die Rechtsauffassung der Beklagte ist auch nicht in sich schlussig, weil\ndie vorhanden Vermogenswerte vorliegend alleine dem Klager zu Ziff. 1 gehoren\nund dennoch jedenfalls fur die Klagerin zu Ziff. 2 ein Freibetrag\nberucksichtigt wird. Aus der bloß formell getrennten Regelung in Abs. 1 und\nAbs. 1 Buchstabe a des § 12 SGB II lasst sich hierfur kein ausreichendes\nArgument ableiten, weil die nicht erwerbsfahigen hilfebedurftigen Kinder einer\nBedarfsgemeinschaft von dem alleinigen Vermogensinhaber einer\nBedarfsgemeinschaft sogar noch in hoherem Maße wirtschaftlich abhangig sind\nals der erwerbsfahige Partner. \n--- \n| 42 \n--- \n| Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass die Rechtsauffassung des SG und der\nKlager auch von einigen Tragern der Grundsicherung fur Arbeitsuchende geteilt\nund praktiziert wird (vgl. etwa den der Entscheidung LSG Niedersachsen-Bremen\nvom 11.03.2008 - L 7 AS 143/07 - zugrunde liegenden Verwaltungsvorgang). \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 44 \n--- \n| Die Revision wird wegen der grundsatzlichen Bedeutung der Rechtssache\nzugelassen. \n--- \n---\n\n |
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160,997 | olgstut-2008-07-07-8-wf-9708 | 147 | Oberlandesgericht Stuttgart | olgstut | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 8 WF 97/08 | 2008-07-07 | 2019-01-10 12:10:42 | 2019-02-12 12:21:57 | Beschluss | ## Tenor\n\n1\\. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der\nFamilienrichterin des Amtsgerichts Besigheim - Familiengericht - vom 14. April\n2008, Az. 4 F 367/06 (UG),\n\n**abge andert:**\n\n_Auf die Erinnerung des Antragstellers wird der Kostenansatz der Kostenbeamtin\ndes Amtsgerichts Besigheim vom 7. Januar 2008, Az. 4 F 367/06, in H ohe von\n7.719,71 Euro_\n\n**_aufgehoben. _**\n\n2\\. Das Erinnerungsverfahren und das Beschwerdeverfahren sind\ngerichtsgebuhrenfrei. Außergerichtliche Kosten werden in beiden Verfahren\nnicht erstattet.\n\n## Gründe\n\n| | **1.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Mit dem Kostenansatz des Amtsgerichts Besigheim vom 7. Januar 2008\n(Kostenrechnung der Landesoberkasse Baden-Wurttemberg vom 24. Januar 2008)\nwurden die in dem Verfahren wegen Regelung des Umgangs mit dem\ngemeinschaftlichen Kind bislang angefallenen Auslagen fur Zustellungen nach §\n137 Abs. 1 Nr. 2 KostO (4,28 Euro), fur an den Verfahrenspfleger gezahlte\nBetrage nach § 137 Abs. 1 Nr. 16 KostO (1.293,30 Euro) und fur die\nSachverstandigenvergutung nach § 137 Abs. 1 Nr. 5 KostO (6.422,13 Euro),\ninsgesamt 7.719,71 Euro, gegenuber dem Antragsteller zur Abrechnung gebracht. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung vom 20. Juni 2007 hatten die Eltern eine\nvorlaufige Vereinbarung zur Umgangsregelung getroffen. Danach wurde\nantragsgemaß das Ruhen des Verfahrens zur langsamen Umsetzung des unbetreuten\nUmgangs des Antragstellers mit dem Kind angeordnet. Nach Wiederanruf des\nVerfahrens wurde erneut auf Antrag beider Eltern mit Beschluss vom 12. Marz\n2008 das Ruhen des Verfahrens angeordnet, das von diesen seither nicht\nweiterbetrieben wird. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Erinnerung des Antragstellers gegen den Kostenansatz wurde durch\nBeschluss der Familienrichterin vom 14. April 2008 als unbegrundet\nzuruckgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat die Amtsrichterin ohne\nAbhilfe dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Vertreterin der\nStaatskasse wurde am Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren beteiligt. \n--- \n--- \n**2.** \n--- \n| 4 \n--- \n| Die unbefristete Beschwerde ist gem. § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs.\n3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 und 2, Abs. 6 Satz 1 und 4, Abs. 7 Satz 1 KostO\nzulassig und in der Sache auch begrundet. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Eine ausdruckliche Beschrankung der Rechtsbehelfe auf die\nSachverstandigenkosten wurde vom Antragsteller nicht vorgenommen, sodass uber\nsamtliche in Ansatz gebrachten Auslagen entschieden wird. Zumal die nicht\nbefristeten Rechtsbehelfe - sich ausdehnend auf die weiteren Auslagen -\njederzeit nachgeholt werden konnten. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Familienrichterin stutzt sich zur Begrundung ihrer Auffassung, dass § 94\nAbs. 3 Satz 2 KostO nur die gerichtlichen Gebuhren erfasse, nicht aber die\nAuslagen nach § 137 KostO und dass die Vorschrift einer erweiterten Anwendung\nnicht zuganglich sei, auf die Entscheidung des OLG Nurnberg vom 15. Mai 2001,\nAz. 10 WF 958/01, veroffentlicht in FPR 2001, 396 = OLGR Nurnberg 2001, 370 =\nNJW-RR 2002, 77. Sie verkennt dabei, dass die bis 31. Dezember 2001 geltende\nFassung der KostO in § 94 Abs. 3 Satz 2 das Wort "Gebuhr" verwendete, wahrend\nes ab 1. Januar 2002 heißt: "Kosten". \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Rechtsprechung des OLG Nurnberg und weiterer Obergerichte zur alten\nFassung der KostO, die uberwiegend in § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO nur eine\nRechtsgrundlage sah fur eine Entscheidung uber die Gerichtsgebuhren, nicht\naber uber die gerichtlichen Auslagen, die nach § 2 Nr. 2 KostO beim\nInteresseschuldner zu erheben waren, ist damit uberholt (Waldner in\nRohs/Wedewer, Kostenordnung, 2. Auflage Dezember 2006, § 94 Rdnr. 26 mit\nRechtsprechungsubersicht). \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Seit das Gewaltschutzgesetz den Begriff "Gebuhr" durch "Kosten" ersetzt hat,\nist klargestellt, dass Gebuhren und Auslagen (Definition der Kosten in § 1\nKostO) erlassen werden konnen und von der Vorschrift des § 94 Abs. 3 Satz 2\nKostO insgesamt erfasst werden. \n--- \n| 9 \n--- \n| Diese Auffassung wurde vom Senat im ubrigen schon vor der Gesetzesanderung\nvertreten (JurBuro 1987, 1530 = Die Justiz 1987; JurBuro 1997, 606 = Die\nJustiz 1997, 341 = FamRZ 1998, 40) und nach dieser beibehalten (Beschluss vom\n26. Februar 2004, Az. 8 WF 103/03). \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Gem. § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO ist danach in den Fallen des Absatzes 1 Nr. 3\nbis 6 (hier: Entscheidung gem. § 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB i. S. v. § 94 Abs. 1\nNr. 4 KostO) nur der Beteiligte zahlungspflichtig, den das Gericht nach\nbilligem Ermessen bestimmt. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der\nKosten abzusehen ist. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Nachdem die Vorschrift Gebuhren und Auslagen i. S. v. § 1 KostO erfasst, ist\nes Aufgabe des Richters, im Rahmen einer Kostengrundentscheidung daruber zu\nbefinden, welcher der Beteiligten nach billigem - pflichtgemaßem - Ermessen in\nwelchem Umfang diese zu tragen hat (OLG Zweibrucken FamRZ 2005, 229; OLGR\nDusseldorf 2003, 347; OLG Koblenz Rpfleger 2003, 693; OLG Karlsruhe Rpfleger\n2005, 385; OLG Zweibrucken FGPrax 2005, 234). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Im Anwendungsbereich des § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO greift § 2 KostO nicht ein\n(OLG Nurnberg FamRZ 2004, 391 und FamRZ 2005, 1000; OLG Munchen Rpfleger 2005,\n488). Der Kostenbeamte kann nicht seine Beurteilung, wer als\nInteresseschuldner in Anspruch genommen wird (§ 2 Nr. 2 KostO), mangels einer\nKostengrundentscheidung des Richters an dessen Ermessensausubung bezuglich der\nZahlungspflicht eines Beteiligten oder des Absehens von der Erhebung der\nKosten stellen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Eine Einschrankung dieser richterlichen Bestimmungskompetenz auf die Falle\neiner Vornahmeentscheidung, in denen eine Gebuhr entsteht (OLG Zweibrucken -\nBeschluss vom 3. Februar 2004 - FamRZ 2007, 847; OLG Koblenz JurBuro 2007, 599\nmit ablehnender Anmerkung von Mathias), entspricht nicht dem Zweck des\nGesetzes, die Ermessensausubung und Entscheidungsbefugnis dem Richter zu\nubertragen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Am Erlass einer Kostengrundentscheidung nach § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO\nbesteht auch dann ein rechtsschutzwurdiges Interesse, wenn zwar keine\nGerichtsgebuhr entstanden ist - die ohnehin im Vergleich zu den Auslagen fur\nden Sachverstandigen und den Verfahrenspfleger unbeachtlich ist -, fur die\nVerfahrensbeteiligten aber bei Anwendung von § 2 KostO mit einer Belastung mit\ndiesen gerichtlichen Auslagen in erheblichem Umfang zu rechnen ist. Über die\nTragung gerichtlicher Auslagen ist deshalb nach § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO\nselbst dann zu entscheiden, wenn nach Rucknahme gestellter Antrage oder\nsonstiger Erledigung des Verfahrens eine Entscheidung in der Hauptsache nicht\nergeht. Auch in diesen Fallen ist eine an der Billigkeit und dem\nVerfahrensausgang orientierte richterliche Aufteilung der gerichtlichen\nAuslagen auf die Verfahrensbeteiligten vorzunehmen oder von der Erhebung\nsolcher Kosten abzusehen, d. h. eine Kostengrundentscheidung zu treffen,\nsodass kein Raum fur § 2 KostO gegeben ist (OLG Stuttgart FamRZ 2006, 139;\nMotzer in FamRZ 2006, 73/82). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Vorliegend ist jedoch eine solche Kostengrundentscheidung weder zusammen mit\neiner abschließenden Hauptsacheentscheidung noch isoliert erfolgt, da eine\nVerfahrensbeendigung bislang nicht vorliegt, vielmehr das Ruhen des Verfahrens\nangeordnet ist. Es besteht in diesem "Schwebezustand" nicht die Moglichkeit,\ndie von der Staatskasse verauslagten Kosten fur Zustellungen, den\nVerfahrenspfleger und den Sachverstandigen nach § 2 Nr. 2 KostO von den\nBeteiligten, hier vom Antragsteller allein, einzufordern (Senat, Die Justiz\n1997, 341). Es bedarf hierfur vielmehr einer abschließenden Hauptsache- und\nKostenentscheidung oder einer sonstigen Verfahrensbeendigung, die zu einer\nisolierten richterlichen Kostengrundentscheidung gem. § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO\nberechtigt, in dessen Anwendungsbereich § 2 KostO nicht eingreift. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Damit hat die Beschwerde des Antragstellers in vollem Umfang Erfolg und\nunter Abanderung der angefochtenen Entscheidung der Familienrichterin vom 14.\nApril 2008 war der Kostenansatz der Kostenbeamtin vom 7. Januar 2008\naufzuheben. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 14 Abs. 9 KostO. \n---\n\n |
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161,110 | olgstut-2008-08-05-17-uf-4208 | 147 | Oberlandesgericht Stuttgart | olgstut | Baden-Württemberg | Oberlandesgericht | 17 UF 42/08 | 2008-08-05 | 2019-01-10 12:12:02 | 2019-02-12 12:22:02 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufungen beider Parteien wird das Urteil des Amtsgerichts -\nFamiliengericht - Oberndorf vom 1. Februar 2008 - 4 F 162/05 -\n\n**abge andert:**\n\nDer Beklagte wird verurteilt, der Klagerin nachehelichen Ehegattenunterhalt zu\nzahlen wie folgt:\n\n> a) fur den Zeitraum von August 2005 bis April 2007 in Hohe von 9.933,- EUR\n>\n> b) fur den Monat Mai 2007 in Hohe von 531,- EUR,\n>\n> c) fur den Monat Juni 2007 in Hohe von 552,- EUR,\n>\n> d) fur die Monate Juli bis Dezember 2007 in Hohe von jeweils 419,- EUR,\n>\n> e) sowie ab dem Monat Januar 2008 bis einschließlich Dezember 2009 in Hohe\n> von monatlich jeweils 438,- EUR.\n\nDie jeweils weitergehende Berufung wird zuruckgewiesen, die weitergehende\nKlage abgewiesen.\n\n2\\. Die Kosten des Verfahrens werden in beiden Rechtszugen gegeneinander\naufgehoben.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen,\ndie Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Hohe\nvon 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die\nKlagerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Hohe leistet.\n\n4\\. Die Revision wird zugelassen.\n\nBerufungsstreitwert: 9.370,79 EUR.\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien streiten um nachehelichen Ehegattenunterhalt betreffend die\nZeit ab August 2005. Ihre am 12. Juni 1981 geschlossene Ehe wurde auf den am\n12. Juni 2002 zugestellten Scheidungsantrag durch Urteil vom 26. Marz 2003\ngeschieden, rechtskraftig seit demselben Tage. Aus der Ehe sind die Tochter\nN., geboren am 29. November 1983, und N., geboren am 27. Mai 1986,\nhervorgegangen. Die Klagerin ist am 30. Marz 1961 geboren, jetzt also 47 Jahre\nalt. Der Beklagte ist wieder verheiratet. Unstreitig verfugt seine Ehefrau\nuber bedarfsdeckende Einkunfte. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Das Familiengericht hat den Beklagten verurteilt, der Klagerin ruckstandigen\nund laufenden Aufstockungsunterhalt zu zahlen, namlich im Umfang von 15.652,-\nEUR fur die Zeit von August 2005 bis April 2007, in Hohe von 757,- EUR fur den\nMonat Mai 2007, in Hohe von jeweils 845,- EUR fur die Monate Juni bis\nSeptember 2007, von jeweils 904,- EUR fur die Monate Oktober bis Dezember 2007\nund ab dem Monat Januar 2008 herabgesetzt auf monatlich 500,- EUR. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Dagegen wenden sich beide Parteien mit der Berufung. Der Beklagte erstrebt,\ndass die Klage insgesamt abgewiesen wird. Die Klagerin ihrerseits stutzt den\nUnterhalt auf eine andere Anspruchsgrundlage als durch das Familiengericht\ngeschehen. Sie begehrt den Unterhalt als Krankheitsunterhalt. Ihr Rechtsmittel\nzielt ferner darauf ab, dass sie einerseits hoheren Unterhalt zugesprochen\nerhalt, und andererseits dessen Absenkung entfallt. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Durch Vergleich des Amtsgerichts - Familiengericht - Kirchheim unter Teck\nvom 26. Marz 2003 - 2 F 203/02 - war fur die Zeit ab rechtskraftiger\nEhescheidung geregelt worden, dass der Klagerin kein Ehegattenunterhalt\nzustehe, solange der Ehemann weiterhin Zahlungen auf bestehende\nVerbindlichkeiten (monatlich 1.261,91 EUR) sowie Kindesunterhalt fur die\nTochter N. in Hohe von monatlich 327,- EUR leiste. Zu den Verbindlichkeiten\nist dort klarstellend formuliert: _Der Antragsteller verpflichtet sich, die\nZahlung von Verbindlichkeiten in H ohe von mindestens EUR 1.261,91 jeweils\nvierteljahrlich nachzuweisen, erstmals zum 1.6.2003. Die Parteien sind sich\nhierbei daruber einig, dass zu den Verbindlichkeiten auch Zahlungen auf\nverbrauchsabhangige und verbrauchsunabhangige Nebenkosten fur das Haus H. in\nL. gehoren."_ Entspreche der seinerzeitige Antragsteller und nunmehrige\nBeklagte seiner Verpflichtung nicht, die genannten Zahlungen nachzuweisen, so\nkonne _„ die Antragsgegnerin nachehelichen Unterhalt ohne weitere\nInverzugsetzung in dann noch zu berechnender Hohe fordern."_ Weiter ist in die\nVergleichsgrundlagen des vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Kirchheim\nunter Teck geschlossenen Vergleichs aufgenommen, der Ehemann erziele ein\nNettoeinkommen von monatsdurchschnittlich 2.556,74 EUR, von welchem die\nBerufskosten mit 5 % abzuziehen seien. Der Kindesunterhalt wurde in der\nFolgezeit durch Vergleich des Amtsgerichts - Familiengericht - Esslingen vom\n23. Februar 2005 - 2 F 596/04 - fur die Zeit von Februar 2005 bis Mai 2007 auf\nmonatlich 250,- EUR abgesenkt. Seit Juni 2007 wird kein Kindesunterhalt mehr\ngezahlt, weil die Tochter N. ihre Lehre beendet hat. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Ihr Hausgrundstuck veraußerten die Parteien nach den durch das\nFamiliengericht getroffenen Feststellungen zum Jahreswechsel 2003/2004 mit\nverbleibenden Restschulden zu einem Preis von 240.000,- EUR. Zum 30. Juni 2002\nbestanden fur die Finanzierung des Hausgrundstucks Verbindlichkeiten in Hohe\nvon 243.354,32 EUR. Hinzu kamen weitere Verbindlichkeiten, welche aus einer\nselbststandigen Erwerbstatigkeit des Beklagten ruhrten. Der Schuldenstand\nbelief sich danach auf insgesamt 358.177,66 EUR. Auf Antrag der Klagerin wurde\nuber ihr Vermogen ein Insolvenzverfahren eroffnet. Der Beklagte seinerseits\nbefindet sich in Verhandlungen mit seinen Glaubigern, welche er mit dem Ziel\neiner außergerichtlichen Schuldenbereinigung fuhrt. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Beklagte war vormals in abhangiger Beschaftigung bei der Fa. tatig\ngewesen. Seit dem 15. Dezember 2003 geht er einer selbststandigen\nErwerbstatigkeit nach. Fur die Aufgabe des Arbeitsplatzes erhielt er von der\nFa. eine Abfindung in Hohe von brutto 82.466,29 EUR = netto 56.028,41 EUR,\nwelche er zur Tilgung der auf ihn entfallenden Verbindlichkeiten einsetzte. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit der Begrundung, die Finanzierungslasten seien nunmehr entfallen,\nverlangt die Klagerin mit Wirkung ab dem Monat August 2005 die Zahlung\nnachehelichen Ehegattenunterhalts. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Wegen mehrerer Bandscheibenvorfalle sah sich die Klagerin krankheitsbedingt\nzur Ausubung einer Erwerbstatigkeit zunachst nicht in der Lage, auch nunmehr\nsei ihr eine Arbeit nur unter Inkaufnahme erheblicher Belastungen ermoglicht. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Den ersten Bandscheibenvorfall erlitt sie im Jahre 1999. Noch im selben Jahr\nunterzog sie sich deswegen einer Operation in der Klinik in L. Ein halbes Jahr\nspater folgten weitere Bandscheibenvorfalle nach. Am 20. Dezember 2005 wurde\nsie krankgeschrieben, im Fruhjahr 2006 ereignete sich ein weiterer\nBandscheibenvorfall mit anschließender Schmerztherapie. Vom 17. Mai bis zum\n21. Juni 2006 unterzog sich die Klagerin einer Rehabilitationsmaßnahme. Durch\ndas zustandige Versorgungsamt ist ihr ein Grad der Behinderung (GdB) in Hohe\nvon 20 % zuerkannt. Rentenantrage wurden wiederholt abgelehnt. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Bis zur Geburt des ersten Kindes im Jahre 1983 hatte die Klagerin als\nArzthelferin in einer Kinderklinik gearbeitet. In der Ehezeit hatte der\nEhemann, bei bestehendem Beschaftigungsverhaltnis mit der Fa., eine Firma T.\nund spater eine Firma I. gegrundet.Seit dem Jahre 1993 war die Klagerin in dem\nunter wechselnder Firma gefuhrten Unternehmen des Beklagten angestellt. Sie\nhat dort zuletzt monatlich brutto 3.000,- DM verdient und die Geschafte der\nGmbH abgewickelt, als das Gewerbe nicht mehr weitergefuhrt werden sollte. Vom\n1. Juli 2000 bis zum 30. April 2003 war sie bei einer Fa. Hausverwaltung S.\nangestellt, vom 1. September bis zum 1. Dezember 2004 sowie ab dem 1. Januar\n2005 bei einer Firma R., wo sie im Umfang einer 2/3 - 3/4 -Tatigkeit einer\nMontagearbeit nachging. Am 20. Dezember 2005 wurde sie krankgeschrieben. Vom\n17. Mai 2006 bis zum 21. Juni 2006 bezog sie Krankengeld sowie - fur die Dauer\neiner Rehabilitationsmaßnahme - Übergangsgeld. Der Krankengeldbezug endete\nwegen Erreichens der Hochstdauer von 78 Wochen am 25. Juni 2007. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Ab dem Monat Juli 2007 bezog sie Leistungen nach dem SGB II. Seit dem Monat\nSeptember 2007 versah sie daneben einen sogenannten 1,50 EUR-Job bei einer\nSozialeinrichtung. Ihre Aufgabe bestand hierbei darin, aus Altteilen Computer\nneu zusammenzusetzen sowie aufzurusten. Seit dem 9. Juni 2008 ist sie im\nUmfang einer an 20 Wochenstunden auszuubenden Erwerbstatigkeit bei der Firma\nE., befristet fur zwei Jahre, angestellt. Soweit Unterhaltsanspruche auf\noffentliche Trager ubergegangen sind, sind jene an die Klagerin zuruck\nubertragen worden. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Das Familiengericht hat die durch den Beklagten vormals bei der Fa.\nerzielten Einkunfte auf Grundlage der bis November 2003 aufgelaufenen\nJahressummen mit monatlich 2.660,50 EUR ermittelt. Dass er inzwischen uber\ngeringere Einkunfte verfuge, sei weder vorgetragen noch sonst erkennbar.\nUnterhaltsanspruche der nunmehrigen Ehefrau gingen den Anspruchen der Klagerin\nim Range nach. Dem Wegfall der seitherigen Verbindlichkeiten und Zahlungen sei\nmit Rucksicht auf stets wandelbare Lebensverhaltnisse Rechnung zu tragen. Die\nKlagerin sei an der Ausubung einer Erwerbstatigkeit nicht aus gesundheitlichen\nGrunden gehindert. Der durch das Familiengericht hinzugezogene Sachverstandige\nDr. med. S. halte in seinem Gutachten vom 28. September 2007 eine\nvollschichtige Erwerbstatigkeit fur moglich, auch bezogen auf in der\nVergangenheit liegende Zeitraume. Allerdings seien Einschrankungen fur schwere\nArbeiten, Zwangshaltungen sowie unter anderem fur Tatigkeiten zu beachten,\nwelche mit dem Heben und Tragen schwerer Lasten einhergingen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Das Familiengericht hat des Weiteren darauf abgestellt, die Klagerin habe\nzwar den Beruf einer Arzthelferin erlernt. Bereits seit langer Zeit ube sie\ndiesen Beruf jedoch nicht mehr aus. Auch wenn das Berufsbild nicht uberwiegend\neine Konfrontation mit technischen Neuerungen aufweise, musse sie bei Aufnahme\neiner entsprechenden Tatigkeit erst eingelernt werden, einer Berufsanfangerin\nvergleichbar. Sie konne deshalb als in der Lage angesehen werden, ein\nEinkommen in der Großenordnung von monatlich netto 1.000,- EUR zu erzielen\n(bei steuerklassenbedingten Schwankungen im Übrigen). Die Einkunfte seien\nwegen erwiesener Erwerbsfahigkeit fur den gesamten Zeitraum fiktiv zugrunde zu\nlegen. Die lange Berufspause fuhre zu fortwirkenden ehebedingten Nachteilen.\nEine Unterhaltsbefristung komme im Hinblick hierauf und die lange Ehedauer\nnicht in Betracht. Als der Beklagte einen selbststandig ausgeubten Nebenerwerb\n(GmbH) aufgegeben habe, habe ihm die Klagerin auch dadurch den Rucken\nfreigehalten, dass sie das Gewerbe abgewickelt habe. Nach einer - bereits\nverstrichenen - Übergangsfrist sei der laufende Unterhalt aber auf monatlich\n500,- EUR herabzusetzen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Beklagte rugt die Zulassigkeit der Klage. Seiner Auffassung gemaß ware\nanstelle der erhobenen Leistungsklage eine Abanderungsklage statthaft. Im\nÜbrigen tragt er vor, die ehelichen Lebensverhaltnisse seien durch seine\numfanglichen Zahlungsverpflichtungen gepragt gewesen. Der Klagerin stehe kein\nhoherer Bedarf zu als derjenige, der dem damaligen Zuschnitt der Ehe und der\nLebensfuhrung der Eheleute entspreche. Daran musse sie sich nach wie vor\nfesthalten lassen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Krankheitsbedingte Erwerbseinschrankungen seien zu bestreiten. Außerdem\nseien der Klagerin monatliche Betrage in Hohe von 250,- EUR zuzurechnen, die\ndiese von der Tochter N. als Beteiligung an Wohn- und Lebenshaltungskosten\nerhalten habe. Erst jetzt habe er zudem in Erfahrung gebracht, dass die\nKlagerin wahrend attestierter Krankheitszeiten auf den Namen der Tochter N.\nbei der Hausverwaltung S. und der Fa. gearbeitet habe, was bislang\nverschwiegen worden sei. Der Klagerin stehe ein Unterhalt nicht zu. Jedenfalls\nsei dieser zu befristen. In der mundlichen Verhandlung berichtete er uber eine\nDarmoperation, welcher er sich am 13. Marz 2008 habe unterziehen mussen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| unter Abanderung des am 1.2.2008 verkundeten Urteils des Amtsgerichts\nOberndorf die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Klagerin beantragt: \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| 1\\. Die Berufung des Beklagten wird kostenpflichtig abgewiesen. \n--- \n| 20 \n--- \n| 2\\. Das Urteil des AG - Familiengericht - Oberndorf vom 01.02.2008 AZ 4 F\n162/05 wird wie folgt abgeandert: \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| a) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin ruckstandigen nachehelichen\nEhegattenunterhalt zu bezahlen fur die Zeit von August 2005 bis April 2007 in\nHohe von 16.735,58 EUR. \n--- \n| 22 \n--- \n| b) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin vom 01.05. bis 30.09.2007\nnachehelichen Unterhalt zu bezahlen in Hohe von je 845,00 EUR sowie ab\n01.10.2007 in Hohe von monatlich 1.000,- EUR. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Sie bestreitet den Vortrag des Beklagten. Sowohl den Tatsachenfeststellungen\nals auch den Schlussfolgerungen des Sachverstandigen Dr. med. S. tritt sie\nentgegen. Zum einen beurteilten die sie behandelnden Ärzte den\ngesundheitlichen Zustand der Klagerin anders. Zum anderen seien nicht allein\ndie erlittenen Bandscheibenvorfalle in Betracht zu ziehen. Vielmehr leide sie\nwegen der ihr verordneten Medikation unter Einschluss von Morphinpraparaten an\nsolch erheblichen Nebenwirkungen, dass sie bereits nach einer vierstundigen\nErwerbstatigkeit vollig erschopft sei. Die Medikation sei wegen starker\nSchmerzen erforderlich. Nach Aufnahme ihrer regelmaßigen Erwerbstatigkeit sei\ndie Dosierung erhoht worden. Zu einer vollschichtig auszuubenden\nErwerbstatigkeit sehe sie sich nicht der Lage. Realistischer Weise bestehe fur\nsie auf dem Arbeitsmarkt auch keine Chance auf Erlangung einer Anstellung.\nIhre Bewerbungen seien vergeblich geblieben. Der Beklagte sei zur Zahlung des\ngeforderten Unterhalts ohne Weiteres in der Lage. Eine durch ihn fur das\nWirtschaftsjahr 2005 vorgelegte Bilanz habe einen Gewinn von 175.000,- EUR\nausgewiesen. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Beklagte stellt den weiteren Antrag: \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Berufung der Klagerin wird abgewiesen. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung vom 29. Juli 2008 hat der Sachverstandige Dr.\nmed. S. dem Senat sein schriftlich erstattetes Gutachten erlautert. Der\nSachverstandige fuhrte unter Inbezugnahme dieses Gutachtens aus, fur das Jahr\n2003 sei bei der Klagerin keine Wurzelreizung feststellbar gewesen.\nRuckschlusse auf ein behandlungsbedurftiges Wirbelsaulenleiden\n(Bandscheibenvorfall) seien, bezogen auf diesen Zeitpunkt, deshalb nicht in\nBetracht zu ziehen. Aufgrund der durch die Klagerin beschriebenen Medikation\nhabe der Sachverstandige ihren Morphinspiegel untersucht. Diese Untersuchung\nhabe zu dem Ergebnis gefuhrt, dass die Nachweisgrenze nicht erreicht worden\nsei. Dies wiederum leite zu der Folgerung, eine Erwerbseinschrankung sei im\nHinblick auf die Einnahme von Morphinen nicht gegeben. Ohnehin sei, wie\nbereits im schriftlichen Gutachten ausgefuhrt, die Medikation zu hinterfragen,\neher zu einem Entzug zu raten. Fur die (einschrankende) Beurteilung der\nErwerbsfahigkeit habe er diese Medikation jedoch berucksichtigt.\nGegebenenfalls konne bei der Klagerin eine so genannte Somatisierungsstorung\nvorliegen. Deren „Kristallisationskeim" konne fur die Zeit der Ehescheidung in\nBetracht kommen. Hinreichende Anhaltspunkte fur das Vorliegen der\nbeschriebenen Somatisierungsstorung fehlten aber bislang. \n--- \n**II.** \n--- \n| 27 \n--- \n| Beide Rechtsmittel sind nach § 511 ZPO statthaft, gemaß §§ 517, 519 und 520\nZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begrundet worden. In der Sache\nhaben sie einen jeweils teilweisen Erfolg. \n--- \n| 28 \n--- \n| **1.** Soweit der Beklagte allerdings rugt, die durch die Klagerin gewahlte\nKlageart sei nicht statthaft, tragt dieser Einwand nicht. Zwar ist durch den\nVergleich des Amtsgerichts - Familiengericht - Kirchheim unter Teck vom 26.\nMarz 2003 eine Vereinbarung uber den nachehelichen Ehegattenunterhalt\ngetroffen. Soweit dieser indes seinerzeit nicht geschuldet war, war er neu\ndurch eine Leistungsklage geltend zu machen (vgl. BGH, FamRZ 2007, 983, 985). \n--- \n| 29 \n--- \n| **2.** Die Klagerin vermag den Unterhaltsanspruch nicht als\nKrankheitsunterhalt gemaß § 1572 BGB, sondern allein im Wege des\nAufstockungsunterhalts nach Maßgabe des § 1573 Abs. 2 BGB geltend zu machen. \n--- \n| 30 \n--- \n| **a)** Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen,\nsoweit von ihm vom Zeitpunkt der Scheidung an wegen Krankheit oder anderer\nGebrechen oder Schwache seiner korperlichen oder geistigen Krafte eine\nErwerbstatigkeit nicht erwartet werden kann (§ 1572 Nr. 1 BGB). Diese\nVoraussetzungen sind nicht gegeben. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Von einer krankheitsbedingten - vollen oder teilweisen - Erwerbsunfahigkeit\nunmittelbar vom Zeitpunkt der Scheidung an kann nicht ausgegangen werden.\nDamit scheidet auch die Moglichkeit aus, den Eintritt der Erwerbsunfahigkeit\ndeshalb noch dem Zeitpunkt der Scheidung zuzurechnen, weil sich ein zu dieser\nZeit bereits vorhandenes, die Erwerbsfahigkeit minderndes Leiden verschlimmert\nund schließlich zur vollstandigen Erwerbsunfahigkeit gefuhrt hatte (vgl. BGH,\nFamRZ 2001, 1291, 1293). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| **aa)** Die Bandscheibenvorfalle erfolgten im Jahre 1999 und, wie die\nKlagerin dem Sachverstandigen gegenuber bekundete, ein halbes Jahr spater. Nur\nder erste Vorfall wurde operativ behandelt. Wie der Sachverstandige bereits in\nseinem schriftlichen Gutachten vom 28. September 2007 dargelegt hat, fuhrten\nweder die Auswertungen arztlicher Stellungnahmen noch die Untersuchung der\nKlagerin zu dem Befund von Wurzelreizungen, welche auf das Bestehen eines\nBandscheiben- oder Ruckenleidens zuruckzufuhren gewesen waren. In der\nmundlichen Verhandlung vor dem Senat bekraftige der Sachverstandige, von\nWurzelreizungen sei auch fur das Jahr der Ehescheidung, das Jahr 2003, nicht\nauszugehen. Dies steht im Einklang mit der tatsachlichen Erwerbsausubung durch\ndie Klagerin. So war sie in der Ehezeit bis zur Ehescheidung und daruber\nhinausgehend erwerbstatig. Im Zeitraum vom1. Juli 2000 bis zum 30. April\n2003war sie bei einer Hausverwaltung S. angestellt, wo sie laut ihren eigenen\nAusfuhrungen am Computer Kontoauszuge verbucht hat. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Angeschlossen hat sich ab dem 1. Dezember 2004 eine Tatigkeit bei einer Fa.,\nwo sie im Umfang einer 2/3 - 3/4 -Tatigkeit einer Montagearbeit nachging.\n(Erst) am 20. Dezember 2005 wurde sie krankgeschrieben. Die vorgetragenen\nBandscheibenvorfalle standen mithin im Zeitpunkt der Ehescheidung einer\nErwerbstatigkeit nicht entgegen. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| **bb)** Entsprechendes gilt fur die von ihrer Medikation ausgehenden\nNebenwirkungen, welche die Klagerin zugleich als Begrundung fur\nErwerbseinschrankungen heranzieht. Der Sachverstandige hat derartige\nEinschrankungen bereits in seinem schriftlichen Gutachten weitgehend\nausgeschlossen, soweit namlich die durchgefuhrten Untersuchungen zu dem\nErgebnis fuhrten, dass der Morphinspiegel unterhalb der Nachweisgrenze lag.\nSeine hieraus abgeleiteten Folgerungen hat er dem Senat gegenuber uberzeugend\nerlautert. Soweit ein durch ihn als ratsam erachteter Entzug nicht erfolgt\nsei, stehe das fur sich genommen einer vollschichtig auszuubenden\nErwerbstatigkeit nicht entgegen. Den sich hieraus fur Art und Umfang einer\nanzusinnenden Tatigkeit ergebenden Einschrankungen hat der Sachverstandige in\nseinem Gutachten Rechnung getragen. \n--- \n| 35 \n--- \n| **cc)** Fur die Entstehung eines Unterhaltsanspruchs nach § 1572 BGB wird es\nzwar ferner als ausreichend erachtet, wenn eine Krankheit zu einem der\nEinsatzzeitpunkte nur latent vorhanden war, in einem nahen zeitlichen\nZusammenhang damit ausgebrochen ist und zur Erwerbsunfahigkeit gefuhrt hat\n(Nachweise bei BGH, FamRZ 2001, 1291, 1293, auch zur Gegenmeinung). \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Ein solcher Zusammenhang besteht auch nicht hinsichtlich der\nSomatisierungsstorungen, welche der Sachverstandige in Betracht gezogen hat.\nSomatisierungsstorungen konnen zu Schmerzen ohne nachweisbare organische\nUrsache fuhren. Eine aus solchen Storungen folgende Erwerbsunfahigkeit konnte\nindes nicht mehr dem Zeitpunkt der Scheidung zugerechnet werden (vgl. BGH,\na.a.O.). Weder hat sich im Übrigen die Klagerin, auch auf Hinweis des Senats,\nauf das Vorliegen solcher Storungen berufen noch fuhren diese grundsatzlich zu\nEinschrankungen in der Erwerbsfahigkeit. Auch hierzu hat der Sachverstandige\ndem Senat berichtet. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| **dd)** Als Einsatzzeitpunkt fur einen Krankheitsunterhalt kann auch der\nZeitpunkt dienen, in welchem die Pflege oder die Erziehung eines\ngemeinschaftlichen Kindes endet (§ 1572 Nr. 2 BGB). Indes bestand im Zeitpunkt\nder Ehescheidung kein Anspruch auf Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) mehr.\nGrunde der Kindesbetreuung schrankten die fur die Klagerin bestehenden\nErwerbsmoglichkeiten nicht ein. N. war zu diesem Zeitpunkt bereits volljahrig,\nN. vollendete knapp zwei Monate spater ihr 17. Lebensjahr. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| **b)** Die Klagerin vermag ihren Unterhalt nach alledem als\nAufstockungsunterhalt gemaß § 1573 Abs. 2 BGB zu verlangen. Ihre eigenen\nEinkunfte reichten zur Deckung ihres nach den ehelichen Lebensverhaltnissen\nbemessenen Unterhalts nicht aus. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Soweit der Beklagte die Auffassung vertreten hat, nach der Ehescheidung habe\ndie Klagerin ihren Bedarf nachhaltig gedeckt, vermag der Senat dem nicht zu\nfolgen. Wie die Parteien selbst in dem vor dem Amtsgericht - Familiengericht -\nKirchheim unter Teck am 26. Marz 2003 geschlossenen Vergleich zum Ausdruck\ngebracht haben, konnte aus damaliger Sicht ein Ehegattenunterhalt weder\ngefordert noch gezahlt werden, weil der Beklagte hierzu bei Berucksichtigung\nder weiteren finanziellen Verpflichtungen zu einer Unterhaltszahlung nicht in\nder Lage war. Ungeachtet dessen waren die Parteien von einem auf ihr\njeweiliges Einkommen bezogenen Gefalle ausgegangen. So nahmen sie fur den\nBeklagten monatliche Nettoeinkunfte von 2.556,74 EUR an. In einer\nentsprechenden Großenordnung waren fur die Klagerin als gelernter Arzthelferin\nEinkunfte nicht erzielbar (gewesen). Sie hat deshalb dem Grunde nach einen\nAnspruch darauf, dass das bestehende Einkommensgefalle ausgeglichen wird. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhaltnissen\n(§ 1578 Abs. 1 BGB). \n--- \n| 41 \n--- \n| **3\\. Unterhaltsrelevante Eink unfte des Beklagten** \n--- \n| 42 \n--- \n| **a)** Im familiengerichtlichen Vergleich hatten sich die Parteien auf ein\nEntgelt des Beklagten verstandigt und dieses als Grundlage einbezogen, hier:\nmit monatlich 2.556,74 EUR.Dabei bewendet es ungeachtet etwa inzwischen\nmoglicher Gehaltssteigerungen. Beruft sich eine Partei auf eine - positive\noder negative - Abweichung hiervon, hatte sie geltend zu machen, dass insoweit\nzumutbarer Weise nicht mehr am Vergleich und seinen Grundlagen festzuhalten\nsei (§ 313 BGB). \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Daran fehlt es. Unerheblich bleibt deshalb, dass die Parteien vor dem\nFamiliengericht zunachst unstreitig von einem Einkommen des Beklagten in Hohe\nvon 2.660,50 EUR ausgegangen waren, er seinerseits dann aber lediglich noch\neinen monatsdurchschnittlichen Nettobetrag von 2.438,32 EUR als berechtigt\nansah. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| **b)** Der Beklagte hat eine Abfindung fur die Aufgabe des Arbeitsplatzes\nerhalten. Eine Abfindung dient unterhaltsrechtlich als Entgeltersatz (SudL Nr.\n1.2; BGH, FamRZ 2007, 983, 987). Wird etwa wegen einer Kundigung ein\ngeringeres Einkommen erzielt, so wird die Abfindung auf einen angemessenen\nZeitraum umgelegt und dient in dieser Weise dazu, etwa eine Differenz zwischen\nfruherem Gehalt und Arbeitslosengeld aufzufullen. Diese Situation besteht\nvorliegend nicht. Der Beklagte beruft und berief sich zu keiner Zeit darauf,\nweniger zu verdienen als vormals. Die Abfindung steht also,\nunterhaltsrechtlich betrachtet, zunachst zusatzlich zum laufenden Einkommen\nzur Verfugung. Daran vermag der unterhaltsberechtigte Teil, die Klagerin,\nnicht teil zu haben. Eine Situation, wonach die ehelichen Lebensverhaltnisse\neine Berucksichtigung der Abfindung erforderten, etwa indem deren Erhalt\nbereits damals angelegt oder voraussehbar gewesen ware (vgl. BGH, FamRZ 2008,\n968, 971 f. m. Anm. _Maurer_ ), ist nicht gegeben. Die Abfindung stand den\nehelichen Lebensverhaltnissen zu keiner Zeit zur Verfugung. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| **c)** Das Einkommen ist um berucksichtigungsfahige Zahlungen zu bereinigen,\nsoweit diese auf bestehende Verbindlichkeiten geleistet werden. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| **aa)** In ihrem vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Kirchheim unter\nTeck geschlossenen Vergleich haben sich die Parteien insoweit _auch_ auf die\nFinanzierung und Unterhaltung ihres vormaligen Familienheims bezogen. Das\nbedeutet, dass diese Verbindlichkeiten berucksichtigungsfahig sind, zudem\nsamtliche damals weiter bestehenden („auch"). Zu diesem Befund fuhrte zudem\ndie gemaß §§ 242, 157 gebotene Auslegung. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| **bb)** Die ehelichen Lebensverhaltnisse sind stets wandelbar (vgl. BGH,\nFamRZ 2008, 968, 971 f. m. Anm. _Maurer_ ). Das bedeutet, dass zwangslaufig\nwegfallende Verbindlichkeiten die fur Unterhaltszwecke zur Verfugung stehende\nMasse erhohen, auch bereits auf der Bedarfsebene. Denn ein vorhersehbarer\nWegfall solcher Schulden ist berucksichtigungsfahig. Erfolgen hierauf keine\nZahlungen mehr, so beeinflusst dieses die ehelichen Lebensverhaltnisse ebenso\nwie andere, etwa Einkommens- Änderungen „nach oben oder nach unten." Eine\nAusnahme gilt wegen solcher Entwicklungen, die derart von der Lebensplanung\nabweichen, dass sie nicht voraussehbar, in der Lebensgestaltung nicht angelegt\nund deshalb auch nicht zu berucksichtigen sind (BGH, a.a.O.). \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| **cc)** Soweit der Beklagte unter Verwendung der ihm zugeflossenen Abfindung\nsamtliche Verbindlichkeiten zuruckgefuhrt hatte, hatte das nicht auch der\nKlagerin zugute zu kommen (s. oben). Zur vollstandigen Ablosung der Schulden\nhatte indes selbst der Abfindungsbetrag von netto 56.028,41 EUR nicht\nhingereicht. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Zum Stand vom 30. Juni 2002 belief sich der Schuldenstand auf insgesamt\n358.117,- EUR, wobei hiervon auf die Finanzierung des Hausgrundstucks H. in G.\nein Anteil von 243.354,32 EUR entfiel. Auch nach Veraußerung dieses\nHausgrundstucks zu einem Kaufpreis von 240.000,- EUR verblieb also ein\nSchuldenstand von (358.117,- EUR ./. 240.000,- EUR =) 118.117,- EUR.\nUnerheblich ware, zu welchen Anteilen die Parteien anschließend diese\nverbliebenen Schulden unter sich aufgeteilt haben mogen. Wie ausgefuhrt, hatte\ndie Klagerin an einem Einsatz der dem Beklagten zugeflossenen Abfindung nicht\nteil. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| **dd)** Auch der Ansatz des Beklagten geht fehl. Denn die Vorschrift des §\n1578 Abs. 1 BGB enthalt auch eine objektive Komponente. Zwar ist an den Bedarf\nnach den ehelichen Lebensverhaltnissen anzuknupfen. Umfassende Einschrankungen\nin Ausgabeverhalten und Lebensfuhrung weichen indes einem objektiv\nanzulegenden Maßstab(BGH, FamRZ 2007, 1532). Ein solcher Maßstab ist hier\nangezeigt und aus Rechtsgrunden geboten. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Über das Vermogen der Klagerin wurde antragsgemaß ein Insolvenzverfahren\neroffnet; Restschuldbefreiung ist angekundigt. Damit die Restschuldbefreiung\ngewahrt wird, ist der pfandbare Teil der Bezuge auf eine Laufzeit an den\nTreuhander abzutreten (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO). Anders als fur die Klagerin\nist uber das Vermogen des Beklagten bislang kein Insolvenzverfahren eroffnet\nworden. Vielmehr betrieb und betreibt er mit seinen Glaubigern eine\naußergerichtliche Schuldenbereinigung (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO), welche noch\nnicht abgeschlossen ist. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Wie der zu den Akten gelangte Schriftverkehr belegt, hatte jedoch auch er\ndie Eroffnung eines Insolvenzverfahrens angestrebt.Zudem ist ein\nSchuldenbereinigungsplan hierzu zu dienen bestimmt. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Beantragen beide Ehegatten nach rechtskraftiger Ehescheidung die Eroffnung\neines Insolvenzverfahrens, so sind nach Auffassung des Senats ehebedingte\nVerbindlichkeiten auf beiden Seiten nur noch im Umfang der pfandbaren Betrage\nberucksichtigungsfahig. Die Differenz zwischen pfandfreiem Betrag und\nunterhaltsrechtlichem Selbstbehalt fuhrt zu einer erhohten,\n„vollstreckungsrechtlichen" Leistungsfahigkeit ( _Hau ß_ , in: Melchers/Hauß,\nUnterhalt und Verbraucherinsolvenz, Rn. 172). \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Dieses beeinflusst vorliegend zugleich die Ebene der Bedarfsbemessung. Auf\ndie unterhaltsrechtliche Berucksichtigung derjenigen Betrage, welche im Rahmen\ndes Insolvenzverfahrens gepfandet werden konnen, musste sich die Klagerin\neinstellen und angesichts der nachehelichen Solidaritat einlassen. Dieses gilt\nangesichts der bereits dargestellten Schuldenlast bis zur Restschuldbefreiung\nnach sechs Jahren, hier: jedenfalls bis zum Ablauf des Jahres 2009. In einem\nan die Kreissparkasse E. gerichteten Schreiben vom 19. Februar 2004 ist ein\nauf das Hausgrundstuck bezogener Kaufvertrag vom 23. Dezember 2003 in Bezug\ngenommen. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| In deren Schreiben vom 6. August 2004 ist der Eingang eines Teilerloses zum\n18. Mai 2004 mitgeteilt. Wie der Beklagte ferner vortragen ließ, habe ihm sein\nSteuerberater im Laufe des Jahres 2004 die Einleitung eines\nInsolvenzverfahrens angeraten. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Der Zeitpunkt, zu welchem ein Insolvenzverfahren tatsachlich eroffnet wird,\nhangt von verschiedenen Erfordernissen und Gegebenheiten ab. Darauf kann es\nfur die Berucksichtigungsfahigkeit von Verbindlichkeiten nicht ankommen. Fur\ndie gebotene Gleichbehandlung der Parteien ist deshalb die Frage zu\nbeantworten, zu welchem Zeitpunkt von beidseits erfolgter Insolvenzeroffnung\nausgegangen werden konne. Dann aber bleibt unerheblich, dass sich der Beklagte\nnach wie vor in außergerichtlichen Verhandlungen mit seinen Glaubigern\nbefindet. Stellte man bei den vorliegenden Gegebenheiten lediglich formal auf\nden Zeitpunkt der Insolvenzeroffnung ab, so fuhrte dies zu einer weiterhin\nungeschmalerten Berucksichtigung noch bestehender Verbindlichkeiten. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Dieses ware angesichts des tatsachlichen Verhaltens beider Parteien nicht zu\nrechtfertigen. Dass den Schuldner des Trennungsunterhalts oder des\nnachehelichen Unterhalts regelmaßig keine Obliegenheit zur Einleitung der\nVerbraucherinsolvenz trifft (BGH, FamRZ 2008, 497, 499 m. Anm. _Hau ß_ ),\nfuhrt dann - wird auf das tatsachlich geubte Verhalten abgestellt - zu keiner\nabweichenden Beurteilung. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Die unterhaltsrechtliche Berucksichtigungsfahigkeit richtet sich deshalb\nnach den pfandbaren Betragen. Diese sind nach der jeweiligen Pfandungstabelle\nund der Anzahl der Unterhaltsberechtigten zu ermitteln. Als\nUnterhaltsberechtigte sind die Klagerin und die Tochter N. anzusehen (letztere\nbis zum Ende ihrer Lehre im Mai 2007), nicht aber die neue Ehefrau. Sie\nverfugt uber bedarfsdeckendes Einkommen. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Vom Nettoeinkommen in Hohe von 2.556,74 EUR waren demnach monatlich\npfandbar: \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| \n--- \n| \\- gemaß aktueller Pfandungstabelle, Stand 1. Juli 2005 (s. _Z oller/Stober_\n, ZPO, 26. Auflage, Anhang zu § 850 c, bei 2 Unterhaltsberechtigten): **395,01\nEUR** \n--- \n| \\- ab Juni 2007 (nur noch 1 Unterhaltsverpflichtung): **597,05 EUR.** \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| **ee)** Dass mit dem Ende der Unterhaltszahlungen fur die Tochter N. hohere\nBetrage fur die Schuldenzahlung berucksichtigt werden, liegt systematisch in\nder Natur der Sache. Den Kindesunterhalt selbst haben die Parteien bislang\noffenbar stets im Umfang des sich nach dem Kindergeldabzug ergebenden\nZahlbetrags eingestellt. Auch aus den Grundlagen des vor dem Amtsgericht -\nFamiliengericht - Kirchheim unter Teck ergibt sich dieses. Die\nBerucksichtigung von Zahlbetragen ist zutreffend. Denn N. ist ab Anbeginn des\nStreitzeitraums volljahrig (zum Vorwegabzug des Zahlbetrags bei Volljahrigen\ns. BGH, FamRZ 2008, 963, 967 m. Anm. _B uttner_ ). \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| **4\\. Unterhaltsrelevante Eink unfte der Klagerin** \n--- \n| 63 \n--- \n| **a)** Zu Beginn des streitgegenstandlichen Zeitraums (August 2005) war die\nBeklagte bei der Fa. beschaftigt. Nach erfolgter Krankmeldung zahlte der\nArbeitgeber im gesetzlichen Umfang Entgelt fort, bevor die Klagerin ab dem 10.\nFebruar 2006 fur die (Hochst-) Dauer von 78 Wochen, namlich bis zum 25. Juni\n2007, Krankengeld bezog. In der Zeit vom 17. Mai bis zum 21. Juni 2006 wurde\nfur die Dauer einer Reha-Maßnahme Überbruckungsgeld gewahrt. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| **aa)** Gemaß der fur das Kalenderjahr 2005 vorgelegten\nLohnsteuerbescheinigung erzielte sie seinerzeit ein Jahresbruttoeinkommen in\nHohe von insgesamt 12.060,- EUR, ohne dort allerdings vollschichtig\nbeschaftigt zu sein. Auf Grundlage von Lohnsteuerklasse II und 0,5\nKinderfreibetragen sowie anfallender Sozialabgaben leitet der Senat hieraus (§\n287 ZPO) monatsdurchschnittliche Nettoeinkunfte von 785, 42 EUR ab: \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| \n--- \n| Jahresbruttoeinkommen: \n--- \n| 12.060,00 EUR \n--- \n| davon steuerpflichtig: \n--- \n| 12.060,00 EUR \n--- \n| davon sozialversicherungspflichtig: \n--- \n| 12.060,00 EUR \n--- \n| **Gesamtmonatseinkommen (brutto):** \n--- \n| **1.005,00 EUR** \n--- \n| Rentenversicherung p.M. aus 1.005,00 EUR: \n--- \n| 97,99 EUR \n--- \n| Arbeitslosenversicherung p.M.: \n--- \n| 32,66 EUR \n--- \n| Krankenversicherung p.M. aus 1.005,00 EUR \n(Beitragssatz 14,2 % + 0,9 % AN-Zuschl.): \n--- \n| 80,39 EUR \n--- \n| Pflegeversicherung p.M. aus 1.005,00 EUR \n(Beitragssatz 1,7 %): \n--- \n| 8,54 EUR \n--- \n| **Summe der Sozialabgaben je Monat:** \n--- \n| **219,58 EUR** \n--- \n| Lohnsteuerklasse: \n--- \n| 2 \n--- \n| Allgemeine Lohnsteuertabelle (Steuerjahr 2005) \n--- \n| \n--- \n| Kinderfreibetrag: \n--- \n| 0,5 \n--- \n| Lohnsteuer aus 1.005,00 EUR p.M.: \n--- \n| 0,00 EUR \n--- \n| Solidaritatszuschlag p.M.: \n--- \n| 0,00 EUR \n--- \n| Kirchensteuer p.M.: \n--- \n| 0,00 EUR \n--- \n| **Summe der Steuern je Monat:** \n--- \n| **0,00 EUR** \n--- \n| **Monatsnettoeinkommen:** \n--- \n| **785,42 EUR** \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| **bb)** Wie bereits ausgefuhrt, beruhen diese Einkunfte nicht auf einer\nvollschichtigen Erwerbstatigkeit. Im Monat Dezember 2004 erzielte die Klagerin\nfur 150 bezahlte Stunden ein Bruttoentgelt in Hohe von 1.270,- EUR. Von diesem\ntatsachlichen Einkommen geht der Senat auch fur die Folgezeit bis zur\nKrankschreibung aus. Einerseits wird dadurch nicht bereits der Umfang einer\nvollschichtigen Tatigkeit erreicht, welchen einen monatlichen Einsatz von\nknapp 174 Stunden erforderte. Andererseits besteht fur den Senat bei\nrealistischer Betrachtung von Erwerbsmoglichkeiten und -fahigkeiten kein\nzureichender Grund, der Klagerin fur den genannten Zeitraum im Wege einer\nweitergehenden Fiktion daruber hinausgehende Einkunfte zuzurechnen. Nach den\ngenannten abgabenrechtlichen Grundlagen schatzt der Senat, dass aus dem\ngenannten Brutto- ein monatliches Nettoeinkommen in Hohe von **1.073,- EUR**\nfolgt. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| **b)** Die gezahlten Krankengeldleistungen sind durch die Bescheide der GEK\nR. vom 17. Januar sowie vom 1. Februar 2007 belegt; das fur die Zeit der Reha-\nMaßnahme gezahlte Übergangsgeld tritt hinzu: \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| \n--- \n**Zeitraum** | | **Summe** \n--- \n| \n--- \n10.2.06-16.5.06 | | 2.039,65 EUR \n--- \n| Krankengeld \n--- \n17.5.06-21.6.06 | | 634,90 EUR \n--- \n| Übergangsgeld \n--- \n22.6.06-31.12.06 | | 4.060,23 EUR \n--- \n| Krankengeld \n--- \nSumme 2006: | | 6.734,78 EUR \n--- \n| \n--- \n: 12 | | **561,23 EUR** \n--- \n| \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| Zu Beginn des Jahres 2006 hat der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung in Hohe von\n880,- EUR fur den Monat Januar und bis zum Beginn des Krankengeldbezugs am 10.\nFebruar den Betrag von 320,- EUR gezahlt. Die Zahlungen werden mit ihrem\nNominalbetrag, also brutto = netto, zugerechnet. Denn auch unter\nBerucksichtigung des Progressionsvorbehalts nach § 32 b EStG sind fur das Jahr\n2006 keine Abgaben anzusetzen. Fur den Monat Januar 2006 ist deshalb ein\nunterhaltsrelevanter Betrag von 880,- EUR einzustellen, fur den Monat Februar\n2006 ein solcher von (561,23 EUR + 320,- EUR =) 881,23 EUR. Wegen teilweiser\nEntgeltfortzahlung setzt der Senat fur den Monat Februar noch zugunsten der\nKlagerin Berufskosten und einen Erwerbstatigenbonus an, fur die nachfolgende\nZeit des Kranken- und Übergangsgeldbezugs hingegen nicht. \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| Fur die Zeiten des Bezugs von Kranken- und Übergangsgeld rechnet der Senat\nkeine fiktiven Erwerbseinkunfte zu. Zwar hat der Sachverstandige in seinem\nGutachten eine grundsatzlich vollschichtige Erwerbstatigkeit auch fur die\nVergangenheit angenommen. Die Zurechnung fiktiver Einkunfte setzt indes ein\nunterhaltsbezogen vorwerfbares oder leichtfertiges Verhalten voraus (vgl. BGH,\nFamRZ 2008, 968 m. Anm. _Maurer_ ). Diese Voraussetzung erachtet der Senat als\nnicht gegeben, so ein Unterhaltsberechtigter oder -verpflichteter die\ngenannten Entgeltersatzleistungen bezieht. Vielmehr muss die Partei bei\nobjektiver Betrachtung davon ausgehen, sie sei zu Recht krankgeschrieben\nund/oder unterziehe sich zu Recht einer ihr verordneten Maßnahme der\ngesundheitlichen Rehabilitation. \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| **c)** Fur das Jahr 2007 sind folgende Krankengeldzahlungen belegt: \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| \n--- \n| 01.1.07 - 15.1.07 \n--- \n| 281,70 EUR \n--- \n| 16.1.07 - 29.1.07 \n--- \n| 262,92 EUR \n--- \n| 30.1.07 - 14.2.07 \n--- \n| 281,70 EUR \n--- \n| 15.2.07 - 28.2.07 \n--- \n| 300,48 EUR \n--- \n| 01.3.07 - 14.3.07 \n--- \n| 262,92 EUR \n--- \n| Summe: \n--- \n| 1.389,72 EUR \n--- \n| : 2,5 Monate \n--- \n| **555,89 EUR** \n--- \n--- \n| 73 \n--- \n| Indem der Krankengeldbezug gemaß Bescheid der GEK R. vom 1. Februar 2007 bis\nzum 25. Juni 2007 in Aussicht gestellt ist, werden die vorstehend ermittelten\nBetrage bis zum Ende des Monats Juni 2007 fortgeschrieben. Denn die fur ihre\nBedurftigkeit darlegungs- und beweisbelastete Klagerin hat nicht zu einem\nvorzeitigen Ende des Krankengeldbezugs vorgetragen. In der mundlichen\nVerhandlung vor dem Familiengericht sprach die Klagerin selbst von „zwei\nkurzen Zeitraumen", die dazu gekommen seien. \n--- \n--- \n| 74 \n--- \n| **d)** Ab dem der Reha-Maßnahme folgenden Zeitraum, mithin ab Juli 2007,\nsind fiktive Erwerbseinkunfte zugrunde zu legen. Der Sachverstandige Dr. med.\nS. erachtet die Klagerin als vollschichtig erwerbsfahig, wenn auch mit\nEinschrankungen. Das entspricht der Einschatzung von Dr. med. G., der mit der\ngutachterlichen Stellungnahme zu einem durch die Klagerin gestellten\nRentenantrag befasst war und die Klagerin am 23. November 2006 untersucht\nhatte. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| Der Hausarzt Dr. med. S. rat in seiner arztlichen Stellungnahme bereits vom\n16. Februar 2005 aus gesundheitlichen Grunden von einer Ganztagstatigkeit ab,\naus der Reha-Maßnahme wurde die Klagerin am 21. Juni 2006 als arbeitsunfahig\nentlassen. Das gilt aber lediglich wegen der bis dahin ausgeubten Tatigkeit,\nbei welcher die Klagerin mit dem Fuß ein Pedal bedienen musste. Das ist sie\nauch nach Einschatzung des Sachverstandigen Dr. med. S. nicht zu leisten in\nder Lage. Im Übrigen, also mit Einschrankungen, gelangt auch der genannte\nEntlassungsbericht zu der Annahme einer vollschichtigen Erwerbsfahigkeit. Auf\ndie bereits oben dargestellten Erwagungen des Sachverstandigen in dessen\nGutachten vom 28. September 2007 sowie seinen Erlauterungen in der mundlichen\nVerhandlung nimmt der Senat erganzend Bezug. \n--- \n--- \n| 76 \n--- \n| Allerdings ist der Senat nach dem von der Klagerin gewonnenen Eindruck davon\nuberzeugt, dass sie bei realistischer Betrachtung des Arbeitsmarkts und den in\ngesundheitlicher Hinsicht zu beachtenden Einschrankungen keine Anstellung im\nvormals ausgeubten Beruf als Arzthelferin zu finden vermag. Das\nFamiliengericht bezieht sich in der angefochtenen Entscheidung auf eine lange\nBerufspause, die einem Einstieg in den fruher ausgeubten Beruf als\nArzthelferin zwar nicht entgegenstehe, dann aber „bei null" ansetze. Die\nKlagerin ubt ihren erlernten Beruf seit dem Jahre 1983 nicht mehr aus. Einer\nTatigkeit im pflegerischen Bereich, die derzeit zweifellos gefragt ware, wird\nsie wegen ihrer Bandscheibenproblematik nicht nachgehen konnen. Nach den\nnachvollziehbaren Erwagungen des Sachverstandigen ist insbesondere ein\nschweres Heben und Tragen zu vermeiden, auch wenn Wurzelreizungen nicht mehr\nfeststellbar waren oder sind. \n--- \n--- \n| 77 \n--- \n| Ihre weitere Vita (Montagetatigkeiten; Arbeit in einer Hausverwaltung und im\nselbststandigen Nebengewerbe des Ehemanns) belegt, dass die Klagerin auch im\nLaufe von Ehe und Kinderbetreuung berufliche Erfahrungen und Fahigkeiten\ngewonnen hat. Inzwischen befasst sie sich mit der Montage von Computern. \n--- \n--- \n| 78 \n--- \n| Seit dem 9. Juni 2008 steht sie in einem befristeten Arbeitsverhaltnis mit\nder Firma E. Als wochentliche Arbeitsleistung ist ein Umfang von 20 Stunden\nvereinbart, als Gegenleistung eine Bruttovergutung von 594,94 EUR. Wie die\nKlagerin in der mundlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt hat, sieht sie\nfur sich eine Arbeitsleistung im Umfang von 20 bis 30 Wochenstunden als\nermoglicht. Dem ist jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zu\nfolgen. Die derzeit ausgeubte Tatigkeit tragt den durch den Sachverstandigen\nDr. med. S., auch mit Rucksicht auf die tatsachliche Medikation, fur angezeigt\nerachteten Erwerbseinschrankungen Rechnung. Das gilt allerdings lediglich in\nqualitativer Hinsicht. Hieran anknupfend gebietet die vollschichtige\nErwerbsobliegenheit eine entsprechende Hochrechnung. Erzielt die Klagerin an\n20 Wochenstunden das genannte Bruttoeinkommen von 594,94 EUR, so ist fur eine\nvollschichtige Tatigkeit - der Großenordnung nach - ein doppelter Betrag\ndessen zu schatzen. Diesen rundet der Senat unter Abwagung des personlichen\nEindrucks von der Klagerin auf einen monatlichen Bruttobetrag von 1.200,- EUR.\nEin Bruttoeinkommen in diesem Umfang ist die Klagerin nach der in der\nmundlichen Verhandlung sowie durch die Beweisaufnahme gebildeten Überzeugung\nzu erzielen in der Lage und verpflichtet. \n--- \n--- \n| 79 \n--- \n| Unzureichend bleiben die vorgetragenen, lediglich vereinzelt unternommenen\n(zwei) Erwerbsbemuhungen. Anderenfalls hatte die Klagerin nach der Überzeugung\ndes Senats eine ihren Fahigkeiten und Moglichkeiten entsprechende\nArbeitsstelle zu erlangen vermocht. \n--- \n--- \n| 80 \n--- \n| Auf fiktiver Grundlage rechnet der Senat der Klagerin deshalb das vorstehend\nermittelte Einkommen ab dem Monat Juli 2007 zu. Der zwischenzeitlich zugleich\nausgeubte „1,50 EUR-Job", wiederum bei der E., tritt nicht hinzu, sondern\nbleibt wegen bereits vollschichtiger Fiktion unberucksichtigt. \n--- \n--- \n| 81 \n--- \n| Bei sechsmonatigem Bezug von Juli bis Dezember 2007 errechnen sich aus einem\nfiktiven Bruttoeinkommen von 1.200,- (Gesamtsumme: 1.200,- EUR * 6 = 7.200,-\nEUR) folgende Abzugsbetrage: Rentenversicherung (19,9 %): 716,40 EUR,\nArbeitslosenversicherung (3,3 %): 118,80 EUR, Krankenversicherung\n(Arbeitnehmeranteil 13,9 % / 2 + 0,9 %): 565,20 EUR sowie Pflegeversicherung\n(Arbeitnehmeranteil 0,85 %): 61,20 EUR. Lohnsteuer fallt keine an. Es\nverbleiben dann bei sechs Monaten Nettobetrage in Hohe von jeweils 956,40 EUR.\nEine Steuerlast ergibt sich unter weiterer Beachtung des\nProgressionsvorbehalts fur die Zeiten des Krankengeldbezugs (§ 32 b Abs 1 Nr.\n1 b EStG). Der Senat rundet deshalb die errechneten Nettobetrage auf monatlich\n950,- EUR ab. Die Krankengeldbetrage von monatlich 555,89 EUR reduzieren sich\nin gleicher Weise auf monatlich geschatzt 545,- EUR. \n--- \n--- \n| 82 \n--- \n| **e)** Fur den Zeitraum ab dem Jahr 2008 ermittelt der Senat die (fiktiven)\nErwerbseinkunfte wie folgt: \n--- \n--- \n| 83 \n--- \n| \n--- \n| Bruttoeinkommen: \n--- \n| 1.200,00 EUR \n--- \n| Bezugszeitraum: \n--- \n| 1 Monat \n--- \n| = Jahresbruttoeinkommen: \n--- \n| 14.400,00 EUR \n--- \n| davon steuerpflichtig: \n--- \n| 14.400,00 EUR \n--- \n| davon sozialversicherungspflichtig: \n--- \n| 14.400,00 EUR \n--- \n| **Gesamtmonatseinkommen (brutto):** \n--- \n| **1.200,00 EUR** \n--- \n| Rentenversicherung p.M. aus 1.200,00 EUR: \n--- \n| 119,40 EUR \n--- \n| Arbeitslosenversicherung p.M.: \n--- \n| 19,80 EUR \n--- \n| Krankenversicherung p.M. aus 1.200,00 EUR \n(Beitragssatz 13,9 % + 0,9 % AN-Zuschl.): \n--- \n| 94,20 EUR \n--- \n| Pflegeversicherung p.M. aus 1.200,00 EUR \n(Beitragssatz 1,95 %): \n--- \n| 11,70 EUR \n--- \n| **Summe der Sozialabgaben je Monat:** \n--- \n| **245,10 EUR** \n--- \n| Lohnsteuerklasse: \n--- \n| 1 \n--- \n| Allgemeine Lohnsteuertabelle \n--- \n| \n--- \n| Kinderfreibetrag: \n--- \n| 0,0 \n--- \n| Kirchensteuersatz: \n--- \n| 0 % \n--- \n| Steuerfreibetrag pro Jahr: \n--- \n| 0,00 EUR \n--- \n| Lohnsteuer aus 1.200,00 EUR p.M.: \n--- \n| 49,08 EUR \n--- \n| Solidaritatszuschlag p.M.: \n--- \n| 0,00 EUR \n--- \n| Kirchensteuer p.M.: \n--- \n| 0,00 EUR \n--- \n| **Summe der Steuern je Monat:** \n--- \n| **49,08 EUR** \n--- \n| **Monatsnettoeinkommen:** \n--- \n| **905,82 EUR** \n--- \n--- \n| 84 \n--- \n| **f)** Die Zuwendungen fur Kost und Logis der Tochter N., monatlich 250,-\nEUR, rechnet der Senat nicht zu den Einkunften der Klagerin. Die Tochter N.\nabsolvierte eine Lehre und bekam wahrend dieser Zeit Unterhalt vom beklagten\nVater. Seit Mai 2004 ist N. volljahrig. Dass sie ihrer Mutter etwas (von ihrer\nAusbildungsvergutung und ihrem Unterhalt) abgibt, ist auf einen in keiner\nWeise zu beanstandenden Aufwendungsersatz zuruckzufuhren. \n--- \n--- \n| 85 \n--- \n| **5.** Nach alledem ergibt sich folgende **Unterhaltsberechnung:** \n--- \n--- \n![](http://lrbw.juris.de/grafiken/bgh/kore221722008/bild1.jpg) \n--- \n--- \n| 86 \n--- \n| **6.** Der Unterhalt ist entgegen dem Vorbringen des Beklagten nicht gemaß §\n1579 Nrn. 5, 7 BGB n.F. verwirkt. Seine Einwendung, die Klagerin habe wahrend\nihrer Krankheitszeiten „auf den Namen der Tochter N." gearbeitet, betrifft die\nJahre 2002 bis 2004. Krankgeschrieben wurde die Klagerin hingegen erst am 20.\nDezember 2005. \n--- \n--- \n| 87 \n--- \n| **7.** Der Unterhalt ist gemaß § 1578 b Abs. 2 BGB zu befristen. Der\nUnterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist auf den angemessenen\nLebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhaltnissen\norientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange\neines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten\ngemeinschaftlichen Kindes unbillig ware. Dabei ist insbesondere zu\nberucksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die\nMoglichkeit eingetreten sind, fur den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche\nNachteile konnen sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines\ngemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsfuhrung und\nErwerbstatigkeit wahrend der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578 b\nAbs. 1 BGB). Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist zeitlich zu\nbegrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter\nWahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung\nanvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig ware (§ 1578 b Abs. 2 Satz 1\nBGB). So liegt es hier. \n--- \n--- \n| 88 \n--- \n| **a)** Fur den Unterhaltszeitraum ab dem Monat Januar 2008 kommt gemaß § 36\nNr. 2 EGZPO eine Unterhaltsbefristung ohne die Beschrankungen der §§ 323 Abs.\n2, 767 Abs. 2 ZPO in Betracht. Der im Zusammenhang mit der Ehescheidung\ngetroffene Unterhaltsvergleich datiert bereits aus dem Jahre 2003. Die Ehe der\nParteien wahrte bis zur Rechtshangigkeit des Scheidungsantrags 21 Jahre. Unter\ndiesen Voraussetzungen entsprach seinerzeit, im Jahre 2003, eine\nUnterhaltsbegrenzung oder -befristung nicht der Praxis (vgl. _Dose_ , FuR\n2007, 1289, 1296). Der Beklagte ist im Hinblick hierauf nicht gehindert, sich\nnunmehr darauf zu berufen, der Unterhalt sei nicht unbefristet zuzusprechen. \n--- \n--- \n| 89 \n--- \n| **b)** Die Darlegungs- und Beweislast fur das Eingreifen des\nAusnahmetatbestands § 1578 b BGB (Fassung durch das\nUnterhaltsrechtsanderungsgesetz - UÄndG -) tragt zwar der\nUnterhaltsverpflichtete. Hat er allerdings Tatsachen vorgetragen, die - wie\ndie Aufnahme einer vollschichtigen Erwerbstatigkeit in dem vom\nUnterhaltsberechtigten erlernten Beruf - einen Wegfall ehebedingter Nachteile\nnahe legen, obliegt es dem Unterhaltsberechtigten, Umstande darzulegen und zu\nbeweisen, die gegen eine Unterhaltsbegrenzung oder fur eine langere\n„Schonfrist" sprechen (BGH, FamRZ 2008, 134). \n--- \n--- \n| 90 \n--- \n| Grundsatzlich stellt es keinen ehebedingten Nachteil dar, wenn der\nunterhaltsberechtigte Ehegatte nach der Ehescheidung in einen Beruf\nzuruckkehrt, der seiner Ausbildung entspricht (BGH, a.a.O.; BGH, FamRZ 2008,\n1325 m. Anm. _Borth)_ . \n--- \n--- \n| 91 \n--- \n| Ob die Klagerin im Zeitpunkt der rechtskraftigen Ehescheidung eine\nAnstellung im erlernten Beruf hatte erlangen konnen, ist durch sie nicht\nvorgetragen. Das Familiengericht hat in der angefochtenen Entscheidung\nErwagungen angestellt, wie das Erwerbsleben der Klagerin ohne die\nEheschließung und ihre Schwangerschaften hypothetisch verlaufen ware. Als sie\nim Jahre 1983 ihren Beruf aufgab und sich fortan der Familie widmete, war die\nKlagerin 22 Jahre alt, stand also am Beginn ihres Berufslebens. Im Zeitpunkt\nder Ehescheidung bestand, wie bereits ausgefuhrt, eine vollschichtige\nErwerbsobliegenheit. Aus der tatsachlich ausgeubten Tatigkeit erzielte sie\n(tatsachlich oder fiktiv, s. oben) ein monatliches Bruttogehalt in Hohe von\n1.270,- EUR. Der Senat ist der Überzeugung, dass sie auch als Arzthelferin ein\nGehalt in vergleichbarer Großenordnung erzielt hatte. Wahlte sie eine andere\nTatigkeit, so etwa wegen der zuruckliegenden Bandscheibenvorfalle oder infolge\nzwischenzeitlich veranderter Neigungen und Erfahrungen, so bewendet es nicht\nbei der Festlegung auf einen fruher, im jungen Erwachsenenalter gewahlten\nBeruf. Die Tatsache oder auch nur die Moglichkeit einer Tatigkeit im erlernten\nBeruf ist deshalb allein als Indiz fur das Fehlen ehebedingter Nachteile\nanzusehen. \n--- \n--- \n| 92 \n--- \n| Die durch die Klagerin erlittenen Bandscheibenvorfalle, aus welchen auch\nnach sachverstandigenseits getroffener Einschatzung gewisse Einschrankungen\nder Erwerbsfahigkeiten resultieren, stellen fur sich genommen schicksalhafte\nEreignisse und grundsatzlich keine ehebedingten Nachteile dar, fur welche der\nUnterhaltsverpflichtete einzutreten hatte. Der Klagerin ist deshalb\nanzusinnen, nach einer Übergangsfrist durch eigenes Einkommen fur ihren\nUnterhalt zu sorgen. \n--- \n--- \n| 93 \n--- \n| **c)** Fur die Bemessung der Übergangsfrist weist die Gesetzesbegrundung zum\nUÄndG der Dauer der Ehe eine entscheidende - aber nicht die einzige -\nBedeutung zu ( _Hollinger,_ in: Strohal/Viefhues, Das neue Unterhaltsrecht, §\n1578 b BGB Rn. 64 unter Hinweis auf BT-Drs. 16/1830 S. 19; _Borth,_\nUnterhaltsrechtsanderungsgesetz, Rn. 144). Bis zur Rechtshangigkeit des\nScheidungsantrags waren die Parteien, wie ausgefuhrt, 21 Jahre lang\nverheiratet. Wahrend dieser Zeit hat die Klagerin die gemeinsamen Kinder\nbetreut und dem Beklagten „den Rucken freigehalten", indem sie uberdies fur\nsein selbststandig ausgeubtes Nebengewerbe tatig war. Die Ehescheidung\nerfolgte im Jahr 2003. Zu diesem Zeitpunkt verfugte die Klagerin uber eigene\nEinkunfte. Nachehelichen Ehegattenunterhalt vermochte sie - vereinbarungsgemaß\n- nicht durchzusetzen, solange und soweit der Beklagte seine Zahlungen auf die\nbestehenden Verbindlichkeiten nachwies. Erst die spater im Rahmen der stets\nwandelbaren Lebensverhaltnisse eintretenden wirtschaftlichen Veranderungen\nrechtfertigten die erstmalige Geltendmachung von Geschiedenenunterhalt. \n--- \n--- \n| 94 \n--- \n| Fur die Bemessung der Übergangsfrist ist der Zeitraum in Betracht zu ziehen,\nin welchem Unterhaltsleistungen bezogen werden. Dem hat jedoch der Umstand\ngleichzustehen, dass die unterhaltsverpflichtete Partei gemeinsame Schulden\ntilgt. Im Zeitpunkt der Ehescheidung stand die Klagerin kurz vor der\nVollendung ihres 42. Lebensjahrs. Inzwischen ist sie 47 Jahre alt. Soweit sie\nsich einer angegriffenen Gesundheit ausgesetzt sieht, ist dies zwar bei der\nBemessung fiktiv zuzurechnender Einkunfte berucksichtigt. Jedoch ist der\nUmstand, dass sie lediglich leichte oder leichtere Arbeiten zu verrichten\nvermag, auch fur die Bemessung der Übergangszeit von Belang. \n--- \n--- \n| 95 \n--- \n| Der Beklagte berief sich seinerseits auf eine zuruckliegende Darmoperation,\nohne aber Naheres hierzu auszufuhren. Wie klagerseits ausgefuhrt ist, sind\nseine Einkommens- und Vermogensverhaltnisse als durchaus gut zu bezeichnen.\nNach unwidersprochenem Vortrag belief sich der bilanzielle Gewinn seines\nUnternehmens im Wirtschaftsjahr 2005 auf 175.000,- EUR (offenbar vor Steuern\nund zu leistenden Vorsorgeaufwendungen). Berucksichtigt man weiter eine etwa\nnach dem Jahre 2009 gemaß § 287 InsO ermoglichte Restschuldbefreiung, so\nwerden fur beide Parteien in dem darauf folgenden Jahr, dem Jahr 2010, Mittel\nfur die Belange des eigenen Unterhalts frei. \n--- \n--- \n| 96 \n--- \n| Aus samtlichen genannten Grunden erachtet der Senat als angemessen, den der\nKlagerin gemaß § 1573 Abs. 2 BGB zustehenden Unterhalt auf den Ablauf des\nJahres 2009 zu befristen (§ 1578 b Abs. 2 BGB). Die Ehescheidung der Parteien\nliegt dann 6 ½ Jahre zuruck. Nach diesem Zeitraum braucht der Beklagte\nangesichts der gegebenen Umstande selbst im Lichte der nachehelichen\nSolidaritat nicht weiterhin fur den Unterhalt der fruheren Ehefrau\neinzustehen. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 97 \n--- \n| Die Nebenentscheidungen folgen aus entsprechender Anwendung des § 93 a Abs.\n1 Satz 1 ZPO sowie der §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Das Maß des jeweiligen\nObsiegens und Unterliegens rechtfertigen, auf eine Aufhebung der Kosten zu\nerkennen. \n--- \n--- \n| 98 \n--- \n| Fur die Bemessung des Berufungsstreitwerts ist zunachst auf die Anhangigkeit\nder Klage (Prozesskostenhilfeantrag und Stufenklage) am 28. April 2005\nabzustellen. Dieses ist der fur die Anwendung des § 42 Abs. 5 GKG maßgebliche\nZeitpunkt. Der Unterhalt wird ab dem Monat August 2005 beziffert.\nUnterhaltsruckstande im Sinne von § 42 Abs. 5 GKG bestehen deshalb nicht. Fur\nden Zeitraum der ersten zwolf Unterhaltsmonate (§ 42 Abs. 1 GKG) weicht die\nBerechnung der Klagerin von der angefochtenen Entscheidung nicht ab. Das\nergibt sich aus ihrer Bezifferung im Schriftsatz vom 18. April 2007. Die\nErmittlung des Berufungsstreitwerts lasst sich wie folgt darstellen: \n--- \n--- \n| 99 \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| Antrag 1. Instanz \n--- \n| Verurteilung \n--- \n| 1\\. Berufung \n--- \n| 2\\. Berufung \n--- \n| 08/05 - 12/05 \n--- \n| 3.791,30 EUR \n--- \n| 3.791,30 EUR \n--- \n| 0,00 EUR \n--- \n| 3.791,30 EUR \n--- \n| 01/06 - 07/06 \n--- \n| 5.579,49 EUR \n--- \n| 5.579,49 EUR \n--- \n| 0,00 EUR \n--- \n| 5.579,49 EUR \n--- \n| gesamt \n--- \n| 9.370,79 EUR \n--- \n| 9.370,79 EUR \n--- \n| 0,00 EUR \n--- \n| … \n--- \n| Differenz \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| **9.370,79 EUR** \n--- \n| **0** \n--- \n--- \n| 100 \n--- \n| Die Revision wird gemaß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen. Zur Sicherung\neiner einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts\nerforderlich, dies insbesondere im Hinblick auf die Frage der Befristung des\nUnterhaltsanspruchs nach § 1578 b Abs. 2 BGB. \n---\n\n |
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161,212 | vghbw-2008-09-16-pl-15-s-53308 | 161 | Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg | vghbw | Baden-Württemberg | Verwaltungsgerichtsbarkeit | PL 15 S 533/08 | 2008-09-16 | 2019-01-16 06:39:43 | 2019-01-17 12:06:15 | Beschluss | ## Tenor\n\nDie Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des\nVerwaltungsgerichts Karlsruhe vom 1. Februar 2008 - PL 14 K 2502/07 - wird\nzuruckgewiesen.\n\nDie Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Antragsteller begehrt die Auflosung des zwischen ihm und dem weiteren\nBeteiligten zu 1 begrundeten Arbeitsverhaltnisses. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der weitere Beteiligte zu 1 begann auf Grund eines mit dem Antragsteller\ngeschlossenen Berufsausbildungsvertrags am 01.09.2004 beim Staatlichen\nVermessungsamt Mosbach seine Ausbildung zum Vermessungstechniker. Nach\nÜbergang der von den Staatlichen Vermessungsamtern wahrgenommenen Aufgaben auf\ndie Landratsamter als untere Verwaltungsbehorden mit Wirkung vom 01.01.2005\ngemaß Art. 1 Abs. 8 des Gesetzes zur Reform der Verwaltungsstruktur, zur\nJustizreform und zur Erweiterung des kommunalen Handlungsspielraums\n(Verwaltungsstruktur-Reformgesetz - VRG -) vom 01.07.2004 (GBl. S. 469) wurde\ner zum Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis versetzt. Dort war er bis Dezember\n2007 Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Mit Schreiben vom\n23.03.2007 teilte ihm das Landesvermessungsamt mit, dass im Anschluss an seine\nAusbildung eine Übernahme in ein Arbeitsverhaltnis beim Land Baden-Wurttemberg\nals tariflich Beschaftigter nicht beabsichtigt sei. Daraufhin verlangte er mit\nSchreiben vom 16.05.2007 als Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung\nseine Weiterbeschaftigung gemaß § 9 Abs. 2 BPersVG nach Beendigung des\nBerufsausbildungsverhaltnisses. Am 31.07.2007 beendete er erfolgreich seine\nAusbildung. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Bereits am 18.06.2007 hatte der Antragsteller das Verwaltungsgericht\nKarlsruhe angerufen und zunachst die Feststellung begehrt, dass ein\nArbeitsverhaltnis mit dem weiteren Beteiligten zu 1 im Anschluss an seine\nAusbildung zum Vermessungstechniker nicht begrundet wird. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Beschluss vom 01.02.2008 hat das Verwaltungsgericht antragsgemaß das\nArbeitsverhaltnis des weiteren Beteiligten zu 1 mit dem Antragsteller\naufgelost. In den Grunden heißt es: Da sich der weitere Beteiligte zu 1 auf\nein fur unbestimmte Zeit begrundetes Arbeitsverhaltnis gemaß § 9 Abs. 1 und 2\nBPersVG berufe, konne der Antragsteller als Arbeitgeber gemaß § 9 Abs. 4\nBPersVG die Auflosung verlangen, wenn Tatsachen vorlagen, auf Grund derer ihm\nunter Berucksichtigung aller Umstande die Weiterbeschaftigung nicht zugemutet\nwerden konne. Das sei hier der Fall, da der Antragsteller als offentlicher\nArbeitgeber dem weiteren Beteiligten zu 1 als Jugendvertreter zum Zeitpunkt\nder Beendigung der Berufsausbildung keinen ausbildungsadaquaten, auf Dauer\nangelegten Arbeitsplatz bereitstellen konne. Hierfur komme es allein auf den\nBereich der Ausbildungsdienststelle an. Schutzzweck des § 9 BPersVG sei\nnamlich, Auszubildende vor Personalmaßnahmen zu bewahren, die sie an der\nAusubung ihrer Personalrats- und Jugendvertreterarbeit hindern oder ihre\nUnabhangigkeit in dieser Arbeit beeintrachtigen konnten. Indem die Regelung\ndie amtierenden Jugend- und Auszubildendenvertretungen vor dauernden oder\nvorubergehenden Änderungen ihrer Zusammensetzung schutze, diene sie zugleich\nder Kontinuitat der Gremienarbeit. Das kollektivrechtliche Element des\nSchutzzwecks werde aber nicht erreicht, wenn der Auszubildende in einer\nanderen Dienststelle weiterbeschaftigt werde. Denn damit erlosche seine\nMitgliedschaft in der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Daher sei\nunerheblich, ob dem Antragsteller beim Landesvermessungsamt im Sommer 2007\neine freie Stelle fur einen Vermessungstechniker zur Verfugung gestanden habe.\nDieses Amt sei nicht Ausbildungsdienststelle des weiteren Beteiligten zu 1\ngewesen, auch wenn der Antragsteller Arbeitgeber geblieben sei. An der neuen\nAusbildungsdienststelle habe der Antragsteller dem weiteren Beteiligten zu 1\nzum maßgebenden Zeitpunkt schon deshalb keinen Arbeitsplatz bereitstellen\nkonnen, weil er hierzu rechtlich nicht in der Lage gewesen sei. Nach den\nRegelungen des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes habe fur die in Frage\nkommenden Arbeitsplatze inzwischen der Landkreis die Personalhoheit. Nach Art.\n8 § 2 VRG i.V.m. § 52 Abs. 1 LKrO sei mit dem Übergang der Aufgaben der\nStaatlichen Vermessungsamter auf die Landratsamter die Personalverantwortung\nfur deren Angestellte und Arbeiter mit Wirkung vom 01.01.2005 auf die\nLandkreise ubergegangen. Hiervon ausgenommen seien gemaß Art. 8 § 2 Abs. 1\nHalbsatz 1 VRG die zur Ausbildung beschaftigten Arbeitnehmer gewesen. Damit\nsei der Antragsteller gehindert, Vermessungstechnikerstellen bei den\nLandratsamtern zu besetzen. Dies fuhre zwingend zur Unzumutbarkeit i. S. des §\n9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG. Fraglich konne nur sein, ob es in diesen Fallen dem\nAntragsteller als weiterhin fur die Ausbildung Verantwortlichem zur Pflicht\ngemacht werden konne, im Rahmen von Versetzungen oder Abordnungen seiner\nAuszubildenden dafur Sorge zu tragen, dass der jeweilige Landkreis bei der\nBesetzung von ausbildungsadaquaten freien Stellen § 9 BPersVG beachte. Diese\nFrage bedurfe jedoch keiner Vertiefung, da der Neckar-Odenwald-Kreis auch als\nArbeitgeber nicht hatte anders handeln konnen. Der Antragsteller habe\nsubstantiiert dargelegt, dass auch beim Neckar-Odenwald-Kreis im Sommer 2007\nkeine freien Stellen fur Vermessungstechniker im Angestelltenverhaltnis zu\nvergeben gewesen seien. Der Einwand, ein Beamter der Vermessungsverwaltung sei\ndamals beim Landratsamt in Altersteilzeit gegangen, stelle dies nicht in\nAbrede, denn es gehe vorliegend nicht um Beamtenstellen. Dafur gebe es die\nfortfuhrende Ausbildung im mittleren vermessungstechnischen Dienst, die auch\ndem weiteren Beteiligten zu 1 offenstehe. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Gegen den am 12.02.2008 zugestellten Beschluss hat der weitere Beteiligte zu\n1 am 18.02.2008 Beschwerde eingelegt und diese am 08.04.2008 begrundet. Er\nbeantragt, \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 1. Februar 2008 - PL 14\nK 2502/07 - zu andern und den Antrag abzulehnen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Er macht geltend: Der Antragsteller habe nicht hinreichend vorgetragen, dass\nbeim Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis im maßgeblichen Zeitpunkt kein\nausbildungsadaquater Arbeitsplatz als Vermessungstechniker zur Verfugung\ngestanden habe. Zudem ware es darauf angekommen, ob beim Antragsteller selbst\neine freie Stelle fur einen Vermessungstechniker im Sommer 2007 vorhanden\ngewesen sei. Ferner ware es Pflicht des Antragstellers gewesen, in der durch\ndas Verwaltungsstruktur-Reformgesetz bedingten Konstellation\n(Auseinanderfallen von Ausbildungsdienststellen und Arbeitgeberseite) dafur\nSorge zu tragen, dass der jeweils betroffene Landkreis als\nAusbildungsdienststelleninhaber bei der Besetzung von ausbildungsadaquaten\nfreien Stellen § 9 BPersVG beachte, was der Neckar-Odenwald-Kreis nicht getan\nhabe. Arbeitgeber i. S. des § 9 Abs. 1 BPersVG sei vorliegend der\nAntragsteller, da der Ausbildungsvertrag mit ihm abgeschlossen worden sei. § 9\nAbs. 1 BPersVG sei eine arbeitsvertragliche Norm, so dass der Antragsteller\nnicht auf einen Übernahmeanspruch gegenuber dem Landratsamt Neckar-Odenwald-\nKreis verweisen konne. In seinem Beschluss vom 10.05.2004 - PL 15 S 1844/03 -\nhabe der Senat ausgefuhrt, dass bei einem Auseinanderfallen von Arbeitgeber\nund tatsachlicher Dienstausubungsstelle auf die maßgebliche\narbeitsvertragliche Stellung abzustellen sei, da § 9 Abs. 2 BPersVG eine\narbeitsvertragliche Norm darstelle. Damit sei der Schutzzweck des § 9 BPersVG\ntangiert. Der Antragsteller sei fur die Aufgabenerfullung durch den Neckar-\nOdenwald-Kreis auch verantwortlich und habe insoweit Weisungsrechte, was die\nÄmter fur Flurneuordnung und Landentwicklung als untere Sonderbehorden\nbetreffe. Diese seien durch das Verwaltungsstruktur-Reformgesetz aufgelost und\nihre Aufgaben auf die Landratsamter ubertragen worden. Diese nahmen die\nAufgaben als Staatsbehorden wahr. Fur den Jugendvertreter bestehe die Gefahr,\ndass er vom Antragsteller als seinem eigentlichen Arbeitgeber keinen\nArbeitsvertrag erhalte. Dieser potentiellen Gefahr wolle § 9 BPersVG begegnen.\nEs sei darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller allen Auszubildenden, die\nihre Abschlussprufung bestanden hatten, einen Arbeitsvertrag, befristet auf\ndie Dauer eines Jahres, angeboten habe; ihm gegenuber sei dieses Angebot\njedoch nicht gemacht worden. Der Antragsteller verfuge auch uber freie\nStellen. Trotz aller Streichungen habe er Stellen ausgebracht und einen\nEinstellungskorridor geschaffen. Eine dieser freien Stellen hatte er fur ihn\nals zu ubernehmenden Jugendvertreter verwenden mussen. Im Jahr 2006 seien in\nder Flurordnungsverwaltung insgesamt 67 Auszubildende zum Vermessungstechniker\nin der Ausbildung gewesen. Nach organisatorischer Vorarbeit durch das\nLandesamt fur Flurneuordnung im Regierungsprasidium Stuttgart erfolge die\njahrliche Einstellung der Auszubildenden durch alle Regierungsprasidien. Die\nfachpraktische Ausbildung werde bei den unteren Flurbereinigungsbehorden der\nLandratsamter durchgefuhrt. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Antragsteller beantragt, \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| die Beschwerde zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und fuhrt erganzend aus: Der\nWeiterbeschaftigungsanspruch nach § 9 Abs. 2 BPersVG bestehe nur in Bezug auf\ndiejenige Dienststelle, in welcher der Jugendvertreter seine Berufsausbildung\nerhalten habe. Ausbildungsdienststelle fur den weiteren Beteiligten zu 1 sei\ndas Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis und nicht das Landesvermessungsamt\ngewesen, so dass es gerade nicht erheblich sei, ob bei dieser Behorde selbst\nim maßgeblichen Zeitraum eine freie Stelle fur einen Vermessungstechniker zur\nVerfugung gestanden habe, was auch nicht der Fall gewesen sei. Aber auch beim\nLandratsamt Neckar-Odenwald-Kreis habe nach dessen Angaben im Zeitraum Mai bis\nJuli 2007 keine Stelle fur einen Vermessungstechniker zur Verfugung gestanden,\ndie unbefristet zu besetzen gewesen ware. Klarstellend sei darauf hinzuweisen,\ndass der weitere Beteiligte zu 1 nicht dem Amt fur Flurneuordnung und\nLandentwicklung, sondern dem Fachbereich Vermessung beim Landratsamt Neckar-\nOdenwald-Kreis angehort habe; das Landesvermessungsamt sei lediglich\nFachaufsichtsbehorde fur diesen Bereich; fur den Bereich Flurneuordnung und\nLandentwicklung habe dagegen das Regierungsprasidium die Fachaufsicht. Daruber\nhinaus habe er (uber das Landesvermessungsamt) kein Weisungsrecht gegenuber\nden Landkreisen bezuglich der Einstellung von Personal. Die Planstellen der\nLandkreise seien in deren jeweiligem Haushalt veranschlagt und wurden dort in\neigener Zustandigkeit gefuhrt. Auch wenn die Landkreise im Bereich des\nVermessungswesens staatliche Aufgaben wahrnahmen, unterliege die Art und Weise\nder Aufgabenerfullung der alleinigen Zustandigkeit des Landratsamts, so dass\ndas Landesvermessungsamt den jeweiligen Landkreis nicht zur Einstellung von\nPersonal verpflichten konne. Das Landesvermessungsamt habe lediglich die\nFachaufsicht uber die Ämter und Fachbereiche fur Vermessung bei den\nLandratsamtern, wahrend die Dienstaufsicht bei den Landratsamtern liege. Die\nRegelung des § 9 BPersVG diene keinesfalls dazu, einen Einstellungsanspruch,\nder gegebenenfalls ihm gegenuber bestunde, auf das Landratsamt zu verlagern.\nDie vom weiteren Beteiligten zu 1 in Bezug genommene Senatsentscheidung sei\nnicht einschlagig, da sie keinerlei Feststellungen zur hier maßgeblichen\nVorschrift des § 9 BPersVG enthalte. Die behaupteten befristeten\nArbeitsvertrage habe nicht er angeboten. Vielmehr habe der Landkreis seinen\nAuszubildenden ab 01.01.2008 im Anschluss an das Ausbildungsverhaltnis eine\nleistungsorientiert gestaffelte Anschlussbeschaftigung von drei bis sechs\nMonaten ermoglicht. Ob dies auch gegenuber dem weiteren Beteiligten zu 1\ngeschehen sei, sei nicht bekannt, aber auch unerheblich, da es sich bei einem\nsolchen Zeitvertrag um keinen auf Dauer angelegten und gesicherten\nArbeitsplatz handele. Im Übrigen habe der Landkreis fur Absolventen der\nAusbildung zum Vermessungstechniker alternativ eine Ausbildung im mittleren\nvermessungstechnischen Dienst zugelassen; von einem entsprechenden Angebot\nhabe der weitere Beteiligte zu 1 jedoch keinen Gebrauch gemacht. Beim\nLandesvermessungsamt gebe es auch keinen Einstellungskorridor; diese Behorde\nhabe fur das Jahr 2007 ihre Einsparverpflichtung nur knapp erbracht; freie\nStellen fur Neueinstellungen seien nicht vorhanden (gewesen), so dass auch im\nJahr 2007 keine Neueinstellung erfolgt sei. Soweit der weitere Beteiligte zu 1\nauf die Poolstellen des Geschaftsbereichs Flurneuordnung und Landentwicklung\nbei den Regierungsprasidien verweise, bestehe keine Verbindung zum\nLandesvermessungsamt, dem keinerlei Zustandigkeit obliege. Der Aspekt sei auch\nirrelevant, da der weitere Beteiligte zu 1 im Bereich der Vermessung und nicht\nim Bereich der Flurneuordnung und Landentwicklung bei den Regierungsprasidien\ntatig gewesen sei. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die weiteren Beteiligten zu 2 und 4 unterstutzen die Beschwerde und tragen\nvor: Normalerweise wurden beim Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis Auszubildende\nnach erfolgreicher Beendigung der Ausbildung fur ein halbes Jahr\nweiterbeschaftigt. Dieses Angebot sei dem weiteren Beteiligten zu 1 ebenso\nwenig unterbreitet worden wie das vom Antragsteller erwahnte Angebot, eine\nAusbildung alternativ im mittleren nichttechnischen Dienst zu absolvieren. Im\nÜbrigen habe der weitere Beteiligte zu 1 nach Beendigung seiner Ausbildung am\n01. und 02.08.2007 gearbeitet, so dass faktisch von der Entstehung eines\nunbefristeten Arbeitsverhaltnisses auszugehen sei. Trotz der\nStelleneinsparauflage habe es im Bereich des Landesvermessungsamts auch im\nJahr 2007 unbefristete Einstellungen gegeben. Auch beim Landratsamt Neckar-\nOdenwald-Kreis hatten in den Monaten Mai bis Juli 2007 freie und besetzbare\nArbeitsplatze fur Vermessungstechniker zur Verfugung gestanden, so dass mit\ndem weiteren Beteiligten zu 1 ein unbefristetes Beschaftigungsverhaltnis hatte\nbegrundet werden konnen; dies gelte insbesondere fur die frei gewordene Stelle\ndes Beamten G., der in Altersteilzeit gegangen sei. Daruber hinaus verfuge der\nAntragsteller unstreitig uber einen Einstellungskorridor von ca. 100\nPlanstellen, von denen eine fur den zu ubernehmenden weiteren Beteiligten zu 1\nhatte verwendet werden mussen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Dem Senat liegen die einschlagigen Akten des Verwaltungsgerichts vor.\nHierauf sowie auf die Akten des Beschwerdeverfahrens wird erganzend Bezug\ngenommen. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die weiteren Beteiligten\nzu 2 und 3 zum Anhorungstermin nicht erschienen sind. Denn sie sind in der\nordnungsgemaßen Ladung auf diese Moglichkeit hingewiesen worden (§ 86 Abs. 2\nLPVG i.V.m. §§ 90 Abs. 2, 83 Abs. 4 Satz 2 ArbGG). \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 ist nach § 86 Abs. 2 LPVG\ni.V.m. § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und auch sonst zulassig. Sie ist\ninsbesondere in der nach § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG vorgeschriebenen Form und\nnach §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. Satz 1 ArbGG fristgerecht erhoben und\nbegrundet worden. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat das\nzwischen dem Antragsteller und dem weiteren Beteiligten zu 1 begrundete\nArbeitsverhaltnis zu Recht aufgelost. Der Senat folgt der Begrundung der\nangefochtenen Entscheidung, die er sich nach Maßgabe der folgenden\nAusfuhrungen zu eigen macht (§ 86 Abs. 2 LPVG i.V.m. §§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 6\nSatz 1 ArbGG und § 540 Abs. 1 ZPO). Das Beschwerdevorbringen des weiteren\nBeteiligten zu 1 - unterstutzt von den weiteren Beteiligten zu 2 und 4 -\nrechtfertigt keine andere Entscheidung. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Das streitige Auflosungsbegehren richtet sich nach § 9 BPersVG. Dessen\nentsprechende Anwendung in den Landern bestimmt § 107 Satz 2 BPersVG. Daraus\nsowie aus der Kapiteluberschrift „unmittelbar fur die Lander geltende\nVorschriften" ergibt sich, dass § 9 BPersVG unmittelbar fur die Lander gilt\n(vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.11.2005 - 6 P 3.05 -, BVerwGE 124, 292 = NVwZ\n2006, 344). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Anwendungsbereich des § 9 BPersVG ist eroffnet. Der weitere Beteiligte\nzu 1 gehort zu dem in § 9 Abs. 1 BPersVG bezeichneten Personenkreis. Als\nAuszubildender in dem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf\nVermessungstechniker stand er in einem Berufsausbildungsverhaltnis nach dem\nBerufsbildungsgesetz (vgl. den Berufsausbildungsvertrag vom 20.10.2003),\nwelches mit dem Bestehen der Prufung am 31.07.2007 endete. Zu diesem Zeitpunkt\nwar er Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Er hat innerhalb der\nletzten drei Monate vor Ausbildungsende, namlich mit Schreiben vom 16.05.2007,\nvom Antragsteller seine Weiterbeschaftigung verlangt, wie es § 9 Abs. 2\nBPersVG fur die Begrundung eines unbefristeten Arbeitsverhaltnisses vorsieht. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Gemaß § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG kann der Arbeitgeber spatestens bis\nzum Ablauf von zwei Wochen nach Beendigung des Berufsausbildungsverhaltnisses\nbeim Verwaltungsgericht beantragen, das bereits nach § 9 Abs. 2 BPersVG\nbegrundete Arbeitsverhaltnis aufzulosen. Einen solchen Antrag hat der\nAntragsteller wirksam gestellt. Zwar hat er bereits am 18.06.2007 - und damit\nvor Beendigung des Ausbildungsverhaltnisses - beim Verwaltungsgericht zunachst\ndie Feststellung begehrt, dass ein Arbeitsverhaltnis mit dem weiteren\nBeteiligten zu 1 im Anschluss an dessen Ausbildung zum Vermessungstechniker\nnicht begrundet wird. Wird ein solcher Feststellungsantrag nach § 9 Abs. 4\nSatz 1 Nr. 1 BPersVG gestellt, aber nicht schon vor Begrundung eines\nArbeitsverhaltnisses nach § 9 Abs. 2 BPersVG rechtskraftig entschieden, so\nkann er angesichts seiner vorbeugenden Zielsetzung nicht aufrechterhalten\nwerden. Vielmehr wandelt er sich in einen Auflosungsantrag nach § 9 Abs. 4\nSatz 1 Nr. 2 BPersVG um, ohne dass es insoweit einer formlichen\nAntragsanderung bedarf (vgl. Senatsbeschluss vom 29.11.2007 - PL 15 S 1/06 -\nm.w.N., Juris). \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Geltendmachung des Auflosungsbegehrens nach § 9\nAbs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG sind erfullt. Der Antragsteller ist Arbeitgeber im\nSinne dieser Regelung. Unstreitig wurde aufgrund des Berufsausbildungsvertrags\nvom 20.10.2003 zwischen dem Antragsteller (als Arbeitgeber) und dem weiteren\nBeteiligten zu 1 ein Berufsausbildungsverhaltnis - beginnend am 01.09.2004 -\nmit dem Ziel der Ausbildung zum Vermessungstechniker beim Staatlichen\nVermessungsamt Mosbach begrundet. An dieser vertraglichen Beziehung und damit\nan der Aktivlegitimation des Antragstellers (als Arbeitgeber) fur ein\nAuflosungsbegehren nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG hat sich durch das am\n01.01.2005 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Verwaltungsstruktur, zur\nJustizreform und zur Erweiterung des kommunalen Handlungsspielraums\n(Verwaltungsstruktur-Reformgesetz - VRG -) vom 01.07.2004 (GBl. S. 469) nichts\ngeandert. Zwar sind nach Art. 1 Abs. 8 VRG die bisher von den Staatlichen\nVermessungsamtern wahrgenommenen Aufgaben (nach Maßgabe der folgenden\nVorschriften) jeweils fur das Gebiet des Landkreises auf die Landratsamter als\nuntere Verwaltungsbehorden ubergegangen. Dementsprechend ist der weitere\nBeteiligte zu 1 zum Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis als Ausbildungsstelle\nversetzt worden. Ein Arbeitgeberwechsel hat damit jedoch nicht stattgefunden.\nAllerdings sind die Landkreise nach Art. 8 § 2 Abs. 1 Halbsatz 1 VRG\nverpflichtet (gewesen), anteilig die Arbeitnehmer der Behorden, die von der\nÜbertragung nach diesem Gesetz auf die Landratsamter betroffen (gewesen) sind,\nmit Zustimmung des jeweiligen Fachministeriums zum 01.01.2005 zu ubernehmen.\nDies galt jedoch gemaß Halbsatz 2 der Regelung nicht fur die zur Ausbildung\nbeschaftigten Arbeitnehmer (und bei den Landkreisen fur die den Beamten des\nhoheren Dienstes vergleichbaren Angestellten). Auch nach Inkrafttreten des\nVerwaltungsstruktur-Reformgesetzes zum 01.01.2005 ist der weitere Beteiligte\nzu 1 also in einem Ausbildungsverhaltnis zum Antragsteller (als Arbeitgeber)\nverblieben und nicht als Auszubildender in den Dienst des Neckar-Odenwald-\nKreises „ubergetreten". Folglich ist auch das durch sein\nWeiterbeschaftigungsverlangen nach § 9 Abs. 2 BPersVG begrundete unbefristete\nArbeitsverhaltnis nicht mit dem Landkreis, sondern mit dem Antragsteller\nzustande gekommen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Auflosungsantrag nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG ist begrundet,\nwenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Arbeitgeber unter\nBerucksichtigung aller Umstande die Weiterbeschaftigung nicht zugemutet werden\nkann. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom\n01.11.2005, a.a.O.) ist die Fortsetzung des Arbeitsverhaltnisses dann\nunzumutbar, wenn der Arbeitgeber dem Jugendvertreter zum Zeitpunkt der\nBeendigung der Berufsausbildung (hier: 31.07.2007) keinen auf Dauer angelegten\nArbeitsplatz bereitstellen kann, der dessen Ausbildung entspricht und ihn\nsowohl hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung des Arbeitsverhaltnisses als\nauch der Vergutung und der beruflichen Entwicklungsmoglichkeiten einem\nBeschaftigten gleichstellt, der vom Arbeitgeber fur eine vergleichbare\nTatigkeit ausgewahlt und eingestellt worden ist. Dabei kommt es fur die Frage,\nob ein ausbildungsadaquater Dauerarbeitsplatz fur den Jugendvertreter zur\nVerfugung steht, allein auf den Bereich der Ausbildungsdienststelle an. Der\nArbeitgeber des Jugendvertreters ist - entgegen der Forderung des weiteren\nBeteiligten zu 1 - nicht verpflichtet, diesem einen Arbeitsplatz in einer\nanderen Dienststelle seines Zustandigkeits- und Verantwortungsbereiches\nzuzuweisen. Der Weiterbeschaftigungsanspruch nach § 9 Abs. 2 BPersVG besteht\nnicht bundes- oder landesweit, sondern nur in Bezug auf diejenige\nDienststelle, in welcher der Jugendvertreter seine Berufsausbildung erhalten\nhat. Fur die Dienststellenbezogenheit spricht in diesem Zusammenhang, dass\nauch die personalvertretungsrechtlichen Funktionen, deren Schutz § 9 BPersVG\nbezweckt, dienststellenbezogen sind, und dass es der Kontinuitat der\nGremienarbeit als kollektivrechtlichem Element des Schutzzwecks gerade nicht\ndienlich ist, wenn der Jugendvertreter an einer anderen Dienststelle\nweiterbeschaftigt wird. Denn damit erlischt seine Mitgliedschaft im\nPersonalrat bzw. in der Jugend- und Auszubildendenvertretung (§§ 29 Abs. 1 Nr.\n4, 60 Abs. 4 BPersVG und §§ 29 Abs. 1 Nr. 4, 60 Abs. 2 Satz 2 LPVG). Das\nAuflosungsbegehren des offentlichen Arbeitgebers kann also keinesfalls mit der\nBegrundung abgelehnt werden, der Jugendvertreter konne außerhalb der\nAusbildungsstelle weiterbeschaftigt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom\n11.03.2008 - 6 PB 16.07 -, Juris). Ware der offentliche Arbeitgeber gehalten,\njeden freien ausbildungsadaquaten Dauerarbeitsplatz, der im jeweiligen\nZeitpunkt der Beendigung der Berufsausbildung in irgendeiner seiner\nDienststellen verfugbar ist, fur Auszubildende mit\npersonalvertretungsrechtlichen Funktionen zu reservieren, so kame dies in den\nFallen, in denen der Bund oder ein Land Arbeitgeber ist, faktisch einer\nBeschaftigungsgarantie nahe, weil sich bei Bund und Landern mit ihren\nzahlreichen Dienststellen zumeist eine Stelle finden wird, die der\nQualifikation des jeweiligen Jugendvertreters adaquat ist. Dadurch wurde der\nGrundsatz in Frage gestellt, wonach die Regelung des § 9 BPersVG kein totales\nEinstellungsgebot beinhaltet, sondern das Ergebnis einer Abwagung auch sein\nkann, dass die Weiterbeschaftigung dem Arbeitgeber unzumutbar ist. Zudem\nbedeutete eine arbeitgeberbezogene Betrachtungsweise eine erhebliche\nPrivilegierung der Jugendvertreter in Bund und Landern gegenuber denjenigen\nbei anderen offentlichen und privaten Arbeitgebern, ohne dass hierfur eine\nsachliche Rechtfertigung ersichtlich ware (vgl. BVerwG, Beschluss vom\n01.11.2005, a.a.O.). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Allein in den Blick zu nehmende Ausbildungsdienststelle - bei der im\nZeitpunkt der Beendigung der Berufsausbildung (am 31.07.2007) ein\nausbildungsadaquater Dauerarbeitsplatz hatte vorhanden sein mussen - ist\nvorliegend also das Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis, an dem der weitere\nBeteiligte zu 1 nach Auflosung der Staatlichen Vermessungsamter seine\nAusbildung fortgefuhrt und erfolgreich beendet hat, und nicht das\nLandesvermessungsamt Baden-Wurttemberg. Diese Behorde war auch nicht deshalb\nAusbildungsdienststelle, weil der Antragsteller nach der Versetzung des\nweiteren Beteiligten zu 1 an das Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis im Zuge der\nVerwaltungsreform gemaß Art. 8 § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VRG Arbeitgeber\ngeblieben und insoweit durch das Landesvermessungsamt als verantwortliche\nStelle (wie schon beim Abschluss des Berufsausbildungsvertrags vom 20.10.2003)\nvertreten worden ist. Aus diesem Grund kann der weitere Beteiligte zu 1 fur\neine Weiterbeschaftigungsmoglichkeit auch nicht auf Poolstellen im\nGeschaftsbereich Flurneuordnung und Landentwicklung bei den\nRegierungsprasidien verweisen, abgesehen davon, dass er nicht in diesem\nVerwaltungsbereich seine Ausbildung zum Vermessungstechniker erfolgreich\nabgeschlossen hat. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Soweit die weiteren Beteiligten zu 2 und 4 darauf hinweisen, dass auch beim\nLandratsamt Neckar-Odenwald-Kreis (Ausbildungsdienststelle) in den Monaten Mai\nbis Juli 2007 freie und besetzbare Arbeitsplatze fur Vermessungstechniker zur\nVerfugung gestanden hatten - insbesondere gelte dies fur die freigewordene\nStelle eines Beamten, der in Altersteilzeit gegangen sei -, bedarf dies keiner\nweiteren Klarung. Denn der Antragsteller als Arbeitgeber des weiteren\nBeteiligten zu 1 ist bereits aus Rechtsgrunden nicht in der Lage gewesen,\neinen derartigen (ausbildungsadaquaten und auf Dauer angelegten) Arbeitsplatz\nfur den weiteren Beteiligten zu 1 bereitzustellen. Hierbei handelte es sich\nnamlich nicht um einen Arbeitsplatz des Antragstellers, sondern um eine\nStelle, fur die dem Landkreis die Personalhoheit zusteht. Dies ergibt sich als\nFolge des zum 01.01.2005 in Kraft getretenen Verwaltungsstruktur-\nReformgesetzes. Mit dem Übergang der bisher von den Staatlichen\nVermessungsamtern wahrgenommenen Aufgaben - jeweils fur das Gebiet des\nLandkreises - auf die Landratsamter als untere Verwaltungsbehorden nach Art. 1\nAbs. 8 VRG sind die Landkreise nach Art. 8 § 2 Abs. 1 Halbsatz 1 VRG\nverpflichtet (gewesen), anteilig die Arbeitnehmer der Behorden, die von der\nAufgabenubertragung nach diesem Gesetz auf die Landratsamter betroffen\n(gewesen) sind, mit Zustimmung des jeweiligen Fachministeriums zum 01.01.2005\nzu ubernehmen. Insoweit ist daher auch die Personalhoheit auf den jeweiligen\nLandkreis ubergegangen ist (§ 52 Abs. 1 Satz 1 LKrO). Ausgenommen hiervon sind\n- wie bereits erwahnt - nach Art. 8 § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VRG (neben\nden bei den Landkreisen den Beamten des hoheren Dienstes vergleichbaren\nAngestellten) nur die zur Ausbildung beschaftigten Arbeitnehmer (gewesen), fur\ndie der Antragsteller weiterhin Arbeitgeber mit entsprechender Personalhoheit\ngeblieben ist. Soweit die Personalverantwortung im Übrigen auf den Landkreis\nubergegangen ist (§ 52 Abs. 1 Satz 1 LKrO), erweist sich dies als rechtliches\nHindernis fur den Antragsteller, die Stelle eines Vermessungstechnikers bei\neinem Landratsamt zu besetzen. Mangels Personalhoheit ist der Antragsteller\nalso gar nicht (mehr) in der Lage (gewesen), dem weiteren Beteiligten zu 1 im\nAnschluss an seine Berufsausbildung beim Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis\neinen ausbildungsadaquaten Dauerarbeitsplatz bereitzustellen. Dies kommt einem\ngesetzlichen Einstellungshindernis gleich, das anerkanntermaßen zur\nUnzumutbarkeit der Weiterbeschaftigung fur den Arbeitgeber im Sinne des § 9\nAbs. 4 Satz 1 BPersVG fuhrt (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 02.11.1994 - 6\nP 39.93 -, BVerwGE 97, 68 = NVwZ-RR 1995, 333). Die im maßgebenden Zeitpunkt\nder Beendigung der Berufsausbildung fehlende Rechtsmacht des Antragstellers\nzur Bereitstellung eines ausbildungsadaquaten Dauerarbeitsplatzes fur den\nweiteren Beteiligten zu 1 beim Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis ist nicht\ndeshalb unbeachtlich, weil sich damit das Auseinanderfallen von\nAusbildungsdienststelle und Arbeitgeberstellung wahrend des\nAusbildungsverhaltnisses im Zuge des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes im\nRahmen des § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG nachteilig fur den Jugendvertreter\nauswirkt. Auch sonst konnen anderweitig getroffene verbindliche Regelungen\ndessen Weiterbeschaftigung entgegenstehen. So hat daruber, ob in der\nAusbildungsdienststelle ein geeigneter und besetzbarer Arbeitsplatz, namlich\nein ausbildungsadaquater Dauerarbeitsplatz, zur Verfugung steht, primar der\nHaushaltsgesetzgeber zu entscheiden, der etwa auch einen Einstellungsstopp\noder auch nur globale Vorgaben zur Personaleinsparung in bestimmten\nRessortbereichen verfugen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 02.11.1994, a. a\nO.), wie uberhaupt nicht alle Instrumente des Haushaltsrechts ausgeschopft\nwerden mussen, um dem Jugendvertreter einen Arbeitsplatz zu verschaffen (vgl.\nBVerwG, Beschluss vom 01.11.2005, a.a.O.). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| So wie der Antragsteller keine Personalhoheit (mehr) zur Besetzung einer\nVermessungstechnikerstelle beim Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis mit dem\nweiteren Beteiligten zu 1 als ehemaligem Jugendvertreter hat, so wenig kann\naus dem Auseinanderfallen von Arbeitgeberstellung und Ausbildungsdienststelle\nals Folge des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes eine sonstige\nVerantwortlichkeit und Berechtigung des Antragstellers dahingehend hergeleitet\nwerden, dass er - wie die Beschwerde meint - dafur Sorge zu tragen hatte, dass\nder jeweils betroffene Landkreis als „Inhaber" der Ausbildungsdienststelle bei\nder Besetzung eines freien ausbildungsadaquaten Arbeitsplatzes § 9 BPersVG\nbeachtet. Insbesondere gibt es auch kein Weisungsrecht des Antragstellers\ngegenuber dem Landkreis hinsichtlich der Besetzung von Stellen im\nVerwaltungsbereich Vermessung. Dass die Landratsamter die auf sie\nubergegangenen Vermessungsaufgaben als untere Verwaltungsbehorden wahrnehmen\nund insoweit gemaß § 8 Abs. 3 VermG der Fachaufsicht durch das\nLandesvermessungsamt als oberer Vermessungsbehorde (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 VermG)\nunterliegen, genugt nicht. Das Weisungsrecht als Instrument der Fachaufsicht\nbetrifft nur die inhaltlich sachgerechte Erledigung der (ubergegangenen)\nVerwaltungsaufgaben selbst und rechtfertigt keine „Übergriffe" in den von § 52\nAbs. 1 Satz 1 LKrO erfassten, dem Landkreis vorbehaltenen Bereich der\nPersonalplanung und Personalgestellung zur Erfullung von Weisungsaufgaben. Im\nÜbrigen ist nicht ersichtlich, dass und wie eine gleichwohl anzunehmende\nWeisungsbefugnis oder Verantwortlichkeit des Antragstellers fur eine\nWeiterbeschaftigung des weiteren Beteiligten zu 1 beim Landkreis erfolgreich\ngegenuber dem Auflosungsbegehren des Antragstellers nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr.\n2 BPersVG eingewandt werden konnte mit der Folge, dass das nach § 9 Abs. 2\nBPersVG begrundete Arbeitsverhaltnis mit dem Antragsteller weiterbestunde. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Rechtsbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen,\nda die Voraussetzungen hierfur nicht vorliegen (§ 86 Abs. 2 LPVG i.V.m. §§ 92\nAbs. 1 Satz 2, 72 ArbGG). \n---\n\n |
|||
161,278 | sg-ulm-2008-10-09-s-10-as-97007 | 155 | Sozialgericht Ulm | sg-ulm | Ulm | Baden-Württemberg | Sozialgerichtsbarkeit | S 10 AS 970/07 | 2008-10-09 | 2019-01-16 06:40:13 | 2019-01-17 12:06:19 | Urteil | ## Tenor\n\n1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n2\\. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.\n\nDie Berufung wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten um die Rechtmaßigkeit eines Sanktionsbescheids. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Bescheid vom 01.08.2006 wurden dem 1970 geborenen Klager von der\nBeklagten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) fur die\nZeit vom 01.08.2006 bis 31.01.2007 in Hohe von insgesamt 608,13 EUR monatlich\ngewahrt. In diesem Betrag war der Zuschlag nach § 24 SGB II in Hohe von 42,00\nEUR enthalten. Mit weiterem Bescheid vom 17.01.2007 bewilligte die Beklagte\ndem Klager Leistungen nach dem SGB II fur die Zeit vom 01.02.2007 bis\n31.07.2007 in Hohe von 587,13 EUR inkl. des Zuschlags nach § 24 SGB II in Hohe\nvon 24,00 EUR, wobei allerdings in der Zeit von 01.02.07 bis 30.04.07 aufgrund\nvon Sanktionen der Bewilligungsbetrag auf 358,33 EUR abgesenkt worden war. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 09.10.2006 wurde der Klager als Reifenmonteur in Vollzeit bei der Firma\nS. in G. eingestellt. Die Beschaftigung war auf einen Monat befristet. Mit\nSchreiben vom 13.10.2006 kundigte die Firma S. den Vertrag mit dem Klager\nfristlos, da dieser seinen Arbeitsplatz unentschuldigt verlassen haben soll.\nGegen diese fristlose Kundigung erhob der Klager Kundigungsschutzklage zum\nArbeitsgericht Stuttgart, die durch gerichtlichen Vergleich vom 10.01.2007\nerledigt wurde. Im gerichtlichen Vergleich kamen die Parteien u.a. uberein,\ndass das Arbeitsverhaltnis des Klagers auf die ordentliche Kundigung der Firma\nS. vom 13.10.06 mit Ablauf des 15.11.06 endete. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 23.10.2006 schloss der Klager den, von der Firma F. im gerichtlichen\nVerfahren vorgelegten, Arbeitsvertrag ab, nachdem er sich aus eigenem Antrieb\nbei der Firma F. beworben hatte. Im Rahmen der Vertragsanbahnung fullte der\nKlager ein Bewerbungsformular aus. Hierin beantwortete er die Frage, ob er\nsich derzeit in einem Arbeitsverhaltnis befindet, mit „nein". Als\nKundigungsgrund der letzten Beschaftigung gab der Klager „Ende vom Vertrag"\nan. Als Arbeitsbeginn war der 24.10.2006, 13:45 Uhr vereinbart. Zu diesem\nTermin ist der Klager nicht erschienen. Daraufhin wurde dem Klager mit\nSchreiben der Firma F. vom 24.10.2006 fristlos gekundigt. Über diesen\nSachverhalt informierte die Firma F. telefonisch die Beklagte. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Dem Klager wurde mit Schreiben vom 07.11.2006 durch die Beklagte\nGelegenheit gegeben zu diesem Sachverhalt Stellung zu nehmen. Die Beklagte\nerließ unter dem 17.01.2007 einen Sanktionsbescheid. Dem Klager wurde fur die\nZeit vom 01.02.2007 bis 30.04.2007 die ihm zustehende monatliche Regelleistung\num 30 v.H. abgesenkt. Dies entspricht einem Absenkungsbetrag von 104,00 EUR\nmonatlich. Zur Begrundung fuhrte die Beklagte aus, der Klager habe trotz\nBelehrung uber die Rechtsfolgen die Arbeit als gewerbliche Hilfskraft bei der\nFirma F. aufgegeben, obwohl eine Fortfuhrung der Tatigkeit fur ihn zumutbar\ngewesen ware. Grunde, die dieses Verhalten erklaren und als wichtig im Sinne\nder Vorschriften des SGB II anerkannt werden konnten, seien nach den\nvorliegenden Unterlagen nicht erkennbar. Als Ermachtigungsgrundlage fur diesen\nBescheid wurde § 31 Abs. 1 Nr. 1c SGB II genannt. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Am 06.02.2007 erhob der Klager zur Niederschrift bei der Beklagten gegen\nden Sanktionsbescheid vom 17.01.2007 Widerspruch, den er damit begrundete,\ngedacht zu haben, nicht zwei Arbeitsverhaltnisse haben zu konnen. Zudem habe\nihm ein Rechtsanwalt gesagt, er konne nur eine Vollzeitstelle annehmen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2007 wurde der Widerspruch\nzuruckgewiesen. Dies begrundete die Beklagte damit, dass ein Fall des § 31\nAbs. 1 und Abs. 4 Nr. 3b SGB II i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 SGB III\nvorliege. Hiernach sei eine Absenkung der Regelleistung um 30 v.H. fur die\nDauer von drei Monaten gerechtfertigt, wenn der erwerbsfahige Hilfebedurftige\nsich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafur einen wichtigen Grund zu\nhaben. Versicherungswidriges Verhalten liege beim Klager vor, da er durch ein\narbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass fur die Losung des\nBeschaftigungsverhaltnisses gegeben habe und dadurch vorsatzlich oder grob\nfahrlassig seine Arbeitslosigkeit herbeigefuhrt habe. Zum Vorbringen des\nKlagers in seinem Widerspruch fuhrt die Beklagte aus, dass zum Zeitpunkt des\nAbschlusses des Arbeitsvertrags ein Arbeitsgerichtsverfahren wegen der\nBeendigung des Arbeitsverhaltnisses bei der Firma S. anhangig gewesen sei. Das\nArbeitsverhaltnis sei seitens des Arbeitgebers am 13.10.2006 fristlos\ngekundigt worden. Trotz des Arbeitsgerichtsverfahrens ware es dem Klager\njedoch moglich gewesen, seinerseits das Arbeitsverhaltnis bei der Firma S. zu\nkundigen und am 24.10.2006 die Beschaftigung bei der Firma F. aufzunehmen.\nDamit seien die Voraussetzungen fur den Eintritt einer Sperrzeit gegeben und\nfolglich die Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 30 v.H. der maßgebenden\nRegelleistung gerechtfertigt. Zudem sei der Wegfall des Zuschlages nach § 24\nSGB II in Hohe von 42 EUR monatlich bzw. ab dem 05.02.2007 in Hohe von 21 EUR\nmonatlich gerechtfertigt. Auch sei § 31 Abs. 6 SGB II Genuge getan, der\nbestimme, dass Absenkung und Sanktion mit Wirkung des Kalendermonats\neintreten, der auf das Wirksamwerden des die Absenkung oder den Wegfall\nfeststellenden Verwaltungsakts folgt und die Sanktion drei Monate andauere. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten wendet sich der Klager mit\nseiner am 09.03.2007 zum Sozialgericht Ulm erhobenen Klage. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Er ist der Auffassung, dass es keinerlei Veranlassung gegeben habe, das\nArbeitsverhaltnis bei der Firma S. von sich aus zu beenden bzw. zu kundigen,\num bei der Firma F. am 24.10.2006 eine Beschaftigung mit zudem schlechterer\nBezahlung aufzunehmen. Zudem sei mit der Firma S. eine vergleichsweise\nEinigung getroffen worden, wonach das Arbeitsverhaltnis fristgerecht mit\nAblauf des 15.11.2006 enden solle. Bis zum 15.11.2006 sei er also in einem\nArbeitsverhaltnis gestanden und hatte keinerlei Veranlassung gehabt, ein\nzweites Vollzeitarbeitsverhaltnis einzugehen. Daruber hinaus hatte ihm die\nSekretarin der Firma F. gesagt, dass er nicht doppelt arbeiten konne, eine\nDoppelbeschaftigung sei nicht moglich. Der Geschaftsfuhrer der Firma F., Herr\nF., hatte sich die Sache ebenfalls angeschaut und gesagt, er solle sich doch\nspater nochmals bewerben. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag habe er nicht\nerhalten. Ein Arbeitsverhaltnis sei demnach nicht zustande gekommen. Er ist\nder Auffassung, dass ihn kein Verschulden trifft, da er mit der Firma F.\nkeinen Arbeitsvertrag geschlossen hatte und somit kein Arbeitsverhaltnis dort\nbeginnen konnte. Eine Anhorung hatte nicht stattgefunden. Zudem sei er nicht\nordnungsgemaß uber die Folgen eines eventuell Nichtsantritts der Arbeit\nbelehrt worden. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Weiterhin tragt der Klager vor, dass die fristlose Kundigung von ihm nicht\nam 24.10.2006 unterzeichnet worden sei und ihm auch nicht an diesem Tag\nubergeben worden ware. Vielmehr sei die Empfangsbestatigung vordatiert worden. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| **den Bescheid der Beklagten vom 17.01.2007 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheids vom 14.02.2007 aufzuheben.** \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| **die Klage abzuweisen.** \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beklagte legt die Akten vor und verweist auf den Inhalt des\nWiderspruchsbescheids. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Auskunften bei der Firma\nF., der Firma S. und die Einvernahme des Zeugen F., dem Geschaftsfuhrer der\nFirma F.. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des\nVorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene\nVerwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren\nGegenstand der Verhandlung, Beratung und Entscheidung. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 18 \n--- \n| Die form- und fristgereicht erhobene Klage ist unbegrundet. Die\nangefochtenen Bescheide sind rechtmaßig und verletzten den Klager nicht in\nseinen Rechten. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| 1\\. Gem. § 31 Abs. 1 SGB II kann einem erwerbsfahigen Hilfebedurftigen, der\nLeistungen nach dem SGB II erhalt, die Regelleistung in einer ersten Stufe um\n30 v.H. der fur ihn maßgebenden Regelleistung abgesenkt werden, wenn der\nLeistungsempfanger einen der enumerativ aufgezahlten Pflichtverstoße\nverwirklicht. Liegen die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 SGB II vor, kommt es\nauch zum Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die in § 31 Abs. 1 SGB II genannten Pflichtverstoße fuhren jedoch nur dann\nzu einer Sanktion, wenn der Leistungsempfanger zuvor uber die Rechtsfolgen\nseines Verhaltens belehrt wurde. Trotz der Tatsache, dass im Ausgangsbescheid\ndavon die Rede ist, dass eine solche Rechtsfolgenbelehrung stattgefunden\nhatte, lag eine solche nicht vor. Eine Belehrung uber die Rechtsfolgen war\nauch nicht moglich, da sich der Klager die Arbeitsstelle bei der Firma F.\nselbst suchte und die Beklagte von diesem Arbeitsverhaltnis erst nach der\nKundigung durch die Firma F. erfuhr. Demnach kann eine Sanktionierung des\nVerhaltens des Klagers nicht, wie der Ausgangsbescheid meint, auf die Norm des\n§ 31 Abs. 1 SGB II gestutzt werden. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| 2\\. a) Gem. § 31 Abs. 4 SGB II sind die Absatze 1 bis 3 des § 31 SGB II\nentsprechend in weiteren enumerativ aufgezahlten Fallen anwendbar. Die\nRechtsfolgen der Absenkung bzw. des Wegfalls werden somit auf weitere\nTatbestande erweitert. Umstritten ist hierbei die Frage, ob die Absatze 1 und\n4 gleichberechtigt nebeneinander Anwendung finden oder ob es sich bei der\nRegelung des Absatz 1 um eine Spezialregelung handelt. Die Beantwortung dieser\nFrage ist vorliegend streitentscheidend, da der Sanktionsbescheid nur auf § 31\nAbs. 4 Nrn. 3b SGB II i.V.m. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III gestutzt werden kann.\nHiernach liegt ein versicherungswidriges Verhalten vor, wenn der Arbeitslose\ndas Beschaftigungsverhaltnis gelost oder durch ein arbeitsvertragswidriges\nVerhalten Anlass fur die Losung des Beschaftigungsverhaltnisses gegeben und\ndadurch vorsatzlich oder grob fahrlassig die Arbeitslosigkeit herbeigefuhrt\nhat. Eine Rechtsfolgenbelehrung ist hier - anders als bei allen anderen\nTatbestanden - nicht erforderlich. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Hinsichtlich der Vorschrift des § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II wird teilweise\nvertreten, dass § 31 Abs. 1 SGB II vorrangig anwendbar ist. Begrundet wird\ndies damit, dass eine andere Auslegung zu einer Doppelung der Absenkungs- und\nWegfallvoraussetzungen bei jenen Personen fuhren kann, die bereits im\nLeistungsbezug nach dem SGB II stehen (so Berlitt, in: LPK - SGB II, 2.\nAuflage 2007, § 31 Rdnr. 126 f; Rixen, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2.\nAuflage 2008. § 31 Rdnr. 31a). Folgte man dieser Auffassung, ware der\nangefochtene Bescheid rechtswidrig, da es an einer Rechtsfolgenbelehrung\nfehlt. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Kammer folgt dieser Auffassung jedoch nicht. Denn es handelt sich bei\nder Vorschrift des § 31 Abs. 4 Nr. 3b um eine neben Absatz 1 parallel\nanwendbare Rechtsvorschrift mit der Konsequenz, dass ein Ruckgriff auf § 144\nAbs. 1 Nr. 1 SGB III, der keine Rechtsfolgenbelehrung erfordert, moglich ist.\nHierfur spricht insbesondere, dass eine andere Sichtweise zu einer\nBesserstellung von Beziehern von Arbeitslosengeld II gegenuber\nLeistungsberechtigten nach dem SGB III fuhren wurde, da ein Empfanger von\nLeistungen nach dem SGB III bei einem identischen Sachverhalt durch die\nVerhangung einer Sperrzeit sanktioniert wurde, wahrend ein Empfanger von\nLeistungen nach dem SGB II eine Sanktionierung - trotz Verwirklichung eines\nidentischen Sachverhalts - nicht zu furchten brauchte. Fur eine derartige\nBesserstellung fehlt es an sachlichen Grunden (so auch Sonnhoff, in: Juris PK\n- SGB II, 2. Auflage 2007, § 31 Rdnr. 226). Dies ist insbesondere deshalb von\nBedeutung, weil es sich sowohl bei Leistungen nach dem SGB II, als auch bei\nsolchen nach dem SGB III um Leistungen wegen Arbeitslosigkeit handelt und\nsomit eine besondere Sachnahe zwischen beiden Leistungen vorliegt. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Des weiteren sprechen sowohl Systematik, Wortlaut und Sinn und Zweck der\nNorm gegen eine Vorrangigkeit des Abs. 1 gegenuber dem Abs. 4. Es ist nicht\nersichtlich, dass der Gesetzgeber einen Unterschied zwischen den\nPflichtenverstoßen des § 144 Abs. 1 SGB III und den in § 31 Abs. 1 SGB II\nbezeichneten Pflichtenverstoße machen wollte. Vielmehr missbilligt er die\ngenannten Pflichtverstoße gleichermaßen. Der Gesetzgeber hat lediglich darauf\nverzichtet, die sieben verschiedenen Pflichtenverstoße des § 144 Abs. 1 SGB\nIII unmittelbar in die Vorschrift des § 31 SGB II zu ubernehmen. Dass es\nhierbei zu Überschneidungen kommt, ist letztlich nicht vermeidbar, aber vor\ndem Hintergrund der Gesetzesvereinfachung hinzunehmen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Durch die uneingeschrankte Bezugnahme in § 31 Abs. 4 SGB II auf die Absatze\n1 bis 3 verdeutlicht der Gesetzgeber nach Auffassung der Kammer ebenfalls,\ndass er beide Vorschriften nebeneinander angewendet sehen will. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Fur den hier zu prufenden Fall des Sanktionstatbestandes des § 31 Abs. 4 Nr.\n3b SGB II i.V.m. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III geht inzwischen auch ein großerer\nTeil der Rechtssprechung zu Recht davon aus, dass mehr fur als gegen eine\numfassende Einbeziehung und Anwendung der Sperrzeitregelung auch wahrend des\nLeistungsbezugs von Leistungen nach dem SGB II spricht (SG Hamburg, Beschluss\nv. 08.09.2006, Az. S 56 AS 1727/06 ER; SG Hamburg, Beschluss v. 27.02.2006,\nAz. S 55 AS 147/06 ER; LSG Schleswig- Holstein, Beschluss v. 24.01.2007, Az. L\n10 B 563/06 AS ER). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| b) Die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III sind im vorliegenden\nFall gegeben. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Zunachst erfordert der Tatbestand, dass eine wirksame Kundigung vorliegt. An\nder von der Firma F. ausgesprochenen Kundigung bestehen keine Zweifel. Zwar\ntragt der Klager vor, dass es gar nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrages\ngekommen sei. Dies ist jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht\nhaltbar. Der schriftliche Arbeitsvertrag, den die Firma F. der Kammer\nvorlegte, ist zum einen mit der Unterschrift des Klagers versehen. Zum anderen\nhat der Zeuge F., an dessen Glaubwurdigkeit die Kammer keine Zweifel hegt,\nglaubhaft versichert, dass mit dem Klager am 23.10.2006 ein Arbeitsvertrag\ngeschlossen wurde. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Des weiteren muss eine Vertragsverletzung seitens des Klagers vorgelegen\nhaben. Der Zeuge F. hat glaubhaft bekundet, dass mit dem Klager eine\nVereinbarung derart getroffen wurde, dass dieser sich am 24.10.2006 um 13.45\nUhr bei der Firma F. einzufinden habe. Dies wird vom Klager nicht in Abrede\ngestellt. Zum vereinbarten Zeitpunkt erschien der Klager jedoch nicht bei der\nFirma F.. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die durch die Vertragsverletzung bedingte Kundigung muss zudem kausal im\nHinblick auf den erneuten Bezug von Arbeitslosengeld II des Klagers gewesen\nsein. Ware der Klager seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung nachgekommen,\nhatte er entsprechend der vertraglichen Vereinbarung 7 EUR pro Arbeitsstunde\nerhalten. Bei einer durchschnittlichen wochentlichen Arbeitszeit von 35\nStunden hatte der Klager einen Gesamtbetrag von 980,- EUR erhalten und hatte\nseinen Bedarf - zumindest teilweise - durch die nicht selbstandige\nBeschaftigung decken konnen, sodass die Vertragsverletzung bzw. die Kundigung\nkausal fur den weiteren Bezug von Alg II war. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Den Klager muss ein Verschulden in Form von Vorsatz oder grober\nFahrlassigkeit treffen. Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Klager die\nKundigung seines Arbeitsverhaltnisses grob fahrlassig verursacht hat. Die\nBegrundung, er habe gedacht, nicht zwei Vollzeitbeschaftigungsverhaltnisse\nnebeneinander haben zu konnen, kann nicht dazu fuhren das Verhalten des\nKlagers als nur einfach fahrlassig erscheinen zu lassen. Dem Arbeitsantritt\neinfach fernzubleiben stellt nach Auffassung der Kammer vielmehr eine\nSorgfaltspflichtverletzung ungewohnlich hohen Ausmaßes dar. Der Umstand, dass\ndas Verhalten des Klagers unweigerlich zur Kundigung fuhrt, war fur diesen\nauch vorhersehbar. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Fur den Klager war musste es offenkundig sein, dass einer Arbeitsaufnahme\nbei der Firma F. nichts entgegensteht. Das im Hintergrund schwebende\nKundigungsschutzverfahren rechtfertigt keine andere Auffassung. Dem Klager\nwurde seitens der Firma S. fristlos gekundigt. Er konnte nicht damit rechnen,\ndass er von Seiten der Firma S. eine Aufforderung zur Aufnahme der Arbeit\nerhalt. Insbesondere der Umstand, dass mit der Firma F. vereinbart war, am\n24.10.06 erst um 13.45 Uhr zur Arbeitsaufnahme zu erscheinen und sich bis zu\ndieser Uhrzeit die Firma S. nicht bei ihm gemeldet hatte, zeigt, dass sich der\nKlager hier in eine Schutzbehauptung fluchtet. Dem Klager war vielmehr klar,\ndass die Firma S. ihn nicht mehr zur Arbeitsaufnahme auffordern wird. Trotzdem\nblieb er der Arbeit bei der Firma F. fern. \n--- \n| 33 \n--- \n| Der weitere Einwand des Klagers, die Sekretarin und der Geschaftsfuhrer der\nFirma F. hatten ihm gesagt, er solle sich spater nochmals bewerben, weil zwei\nVollzeitbeschaftigungsverhaltnisse nebeneinander nicht gingen, konnte im\nRahmen der Beweisaufnahme ebenfalls widerlegt werden. Der Klager selbst gab\nzu, erst nachdem er die Kundigung durch die Firma F. erhielt, mit der\nSekretarin gesprochen zu haben, sodass deren Aussage keinesfalls kausal fur\ndas Verhalten des Klagers war. Zudem bekundete der Zeuge F. glaubhaft, dass er\nnicht mit dem Klager uber ein weiteres Arbeitsverhaltnis gesprochen hat. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Der Klager selbst gab im Bewerbungsformular der Firma F. an, dass er nicht\nin einem weiteren Arbeitsverhaltnis steht. Um so unerklarlicher ist daher die\nTatsache, dass der Klager den Umstand, vermeintlich ein weiteres\nArbeitsverhaltnis innezuhaben, nur einen Tag spater also so wesentlich\nerachtete, dass er sich nicht zur Arbeitsaufnahme einfand. Nach alledem\nbestehen keine Zweifel an dem grob fahrlassigen Verhalten des Klagers. Einen\nwichtigen Grund konnte er ebenfalls nicht vorbringen. Insbesondere die schon\nim Rahmen der Verschuldensprufung vorgetragenen Grunde stellen keinen\nwichtigen Grund im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III dar. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| 3\\. Gem. § 31 Abs. 1 SGB II konnte die Beklagte somit die Regelleistung des\nKlagers um 30 % absenken und den Zuschlag nach § 24 SGB II wegfallen lassen.\nDie Hohe des Absenkungsbetrags und des Wegfallbetrags sind zutreffend\nerrechnet worden. Ebenso wurde die Vorschrift des § 31 Abs. 6 SGB II\nberucksichtigt und der Sanktionszeitraum dementsprechend gewahlt. Eine\nAnhorung fand, entgegen der Auffassung, des Klagers statt, wie das Schreiben\nder Beklagten vom 07.11.2006 belegt. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Berufung war zuzulassen, da die parallele Anwendbarkeit des § 31 Abs. 4\nNr. 3b SGB II neben § 31 Abs. 1 SGB II noch nicht hochstrichterlich geklart\nwurde. \n--- \n--- \n**IV.** \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 18 \n--- \n| Die form- und fristgereicht erhobene Klage ist unbegrundet. Die\nangefochtenen Bescheide sind rechtmaßig und verletzten den Klager nicht in\nseinen Rechten. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| 1\\. Gem. § 31 Abs. 1 SGB II kann einem erwerbsfahigen Hilfebedurftigen, der\nLeistungen nach dem SGB II erhalt, die Regelleistung in einer ersten Stufe um\n30 v.H. der fur ihn maßgebenden Regelleistung abgesenkt werden, wenn der\nLeistungsempfanger einen der enumerativ aufgezahlten Pflichtverstoße\nverwirklicht. Liegen die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 SGB II vor, kommt es\nauch zum Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die in § 31 Abs. 1 SGB II genannten Pflichtverstoße fuhren jedoch nur dann\nzu einer Sanktion, wenn der Leistungsempfanger zuvor uber die Rechtsfolgen\nseines Verhaltens belehrt wurde. Trotz der Tatsache, dass im Ausgangsbescheid\ndavon die Rede ist, dass eine solche Rechtsfolgenbelehrung stattgefunden\nhatte, lag eine solche nicht vor. Eine Belehrung uber die Rechtsfolgen war\nauch nicht moglich, da sich der Klager die Arbeitsstelle bei der Firma F.\nselbst suchte und die Beklagte von diesem Arbeitsverhaltnis erst nach der\nKundigung durch die Firma F. erfuhr. Demnach kann eine Sanktionierung des\nVerhaltens des Klagers nicht, wie der Ausgangsbescheid meint, auf die Norm des\n§ 31 Abs. 1 SGB II gestutzt werden. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| 2\\. a) Gem. § 31 Abs. 4 SGB II sind die Absatze 1 bis 3 des § 31 SGB II\nentsprechend in weiteren enumerativ aufgezahlten Fallen anwendbar. Die\nRechtsfolgen der Absenkung bzw. des Wegfalls werden somit auf weitere\nTatbestande erweitert. Umstritten ist hierbei die Frage, ob die Absatze 1 und\n4 gleichberechtigt nebeneinander Anwendung finden oder ob es sich bei der\nRegelung des Absatz 1 um eine Spezialregelung handelt. Die Beantwortung dieser\nFrage ist vorliegend streitentscheidend, da der Sanktionsbescheid nur auf § 31\nAbs. 4 Nrn. 3b SGB II i.V.m. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III gestutzt werden kann.\nHiernach liegt ein versicherungswidriges Verhalten vor, wenn der Arbeitslose\ndas Beschaftigungsverhaltnis gelost oder durch ein arbeitsvertragswidriges\nVerhalten Anlass fur die Losung des Beschaftigungsverhaltnisses gegeben und\ndadurch vorsatzlich oder grob fahrlassig die Arbeitslosigkeit herbeigefuhrt\nhat. Eine Rechtsfolgenbelehrung ist hier - anders als bei allen anderen\nTatbestanden - nicht erforderlich. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Hinsichtlich der Vorschrift des § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II wird teilweise\nvertreten, dass § 31 Abs. 1 SGB II vorrangig anwendbar ist. Begrundet wird\ndies damit, dass eine andere Auslegung zu einer Doppelung der Absenkungs- und\nWegfallvoraussetzungen bei jenen Personen fuhren kann, die bereits im\nLeistungsbezug nach dem SGB II stehen (so Berlitt, in: LPK - SGB II, 2.\nAuflage 2007, § 31 Rdnr. 126 f; Rixen, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2.\nAuflage 2008. § 31 Rdnr. 31a). Folgte man dieser Auffassung, ware der\nangefochtene Bescheid rechtswidrig, da es an einer Rechtsfolgenbelehrung\nfehlt. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Kammer folgt dieser Auffassung jedoch nicht. Denn es handelt sich bei\nder Vorschrift des § 31 Abs. 4 Nr. 3b um eine neben Absatz 1 parallel\nanwendbare Rechtsvorschrift mit der Konsequenz, dass ein Ruckgriff auf § 144\nAbs. 1 Nr. 1 SGB III, der keine Rechtsfolgenbelehrung erfordert, moglich ist.\nHierfur spricht insbesondere, dass eine andere Sichtweise zu einer\nBesserstellung von Beziehern von Arbeitslosengeld II gegenuber\nLeistungsberechtigten nach dem SGB III fuhren wurde, da ein Empfanger von\nLeistungen nach dem SGB III bei einem identischen Sachverhalt durch die\nVerhangung einer Sperrzeit sanktioniert wurde, wahrend ein Empfanger von\nLeistungen nach dem SGB II eine Sanktionierung - trotz Verwirklichung eines\nidentischen Sachverhalts - nicht zu furchten brauchte. Fur eine derartige\nBesserstellung fehlt es an sachlichen Grunden (so auch Sonnhoff, in: Juris PK\n- SGB II, 2. Auflage 2007, § 31 Rdnr. 226). Dies ist insbesondere deshalb von\nBedeutung, weil es sich sowohl bei Leistungen nach dem SGB II, als auch bei\nsolchen nach dem SGB III um Leistungen wegen Arbeitslosigkeit handelt und\nsomit eine besondere Sachnahe zwischen beiden Leistungen vorliegt. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Des weiteren sprechen sowohl Systematik, Wortlaut und Sinn und Zweck der\nNorm gegen eine Vorrangigkeit des Abs. 1 gegenuber dem Abs. 4. Es ist nicht\nersichtlich, dass der Gesetzgeber einen Unterschied zwischen den\nPflichtenverstoßen des § 144 Abs. 1 SGB III und den in § 31 Abs. 1 SGB II\nbezeichneten Pflichtenverstoße machen wollte. Vielmehr missbilligt er die\ngenannten Pflichtverstoße gleichermaßen. Der Gesetzgeber hat lediglich darauf\nverzichtet, die sieben verschiedenen Pflichtenverstoße des § 144 Abs. 1 SGB\nIII unmittelbar in die Vorschrift des § 31 SGB II zu ubernehmen. Dass es\nhierbei zu Überschneidungen kommt, ist letztlich nicht vermeidbar, aber vor\ndem Hintergrund der Gesetzesvereinfachung hinzunehmen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Durch die uneingeschrankte Bezugnahme in § 31 Abs. 4 SGB II auf die Absatze\n1 bis 3 verdeutlicht der Gesetzgeber nach Auffassung der Kammer ebenfalls,\ndass er beide Vorschriften nebeneinander angewendet sehen will. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Fur den hier zu prufenden Fall des Sanktionstatbestandes des § 31 Abs. 4 Nr.\n3b SGB II i.V.m. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III geht inzwischen auch ein großerer\nTeil der Rechtssprechung zu Recht davon aus, dass mehr fur als gegen eine\numfassende Einbeziehung und Anwendung der Sperrzeitregelung auch wahrend des\nLeistungsbezugs von Leistungen nach dem SGB II spricht (SG Hamburg, Beschluss\nv. 08.09.2006, Az. S 56 AS 1727/06 ER; SG Hamburg, Beschluss v. 27.02.2006,\nAz. S 55 AS 147/06 ER; LSG Schleswig- Holstein, Beschluss v. 24.01.2007, Az. L\n10 B 563/06 AS ER). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| b) Die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III sind im vorliegenden\nFall gegeben. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Zunachst erfordert der Tatbestand, dass eine wirksame Kundigung vorliegt. An\nder von der Firma F. ausgesprochenen Kundigung bestehen keine Zweifel. Zwar\ntragt der Klager vor, dass es gar nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrages\ngekommen sei. Dies ist jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht\nhaltbar. Der schriftliche Arbeitsvertrag, den die Firma F. der Kammer\nvorlegte, ist zum einen mit der Unterschrift des Klagers versehen. Zum anderen\nhat der Zeuge F., an dessen Glaubwurdigkeit die Kammer keine Zweifel hegt,\nglaubhaft versichert, dass mit dem Klager am 23.10.2006 ein Arbeitsvertrag\ngeschlossen wurde. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Des weiteren muss eine Vertragsverletzung seitens des Klagers vorgelegen\nhaben. Der Zeuge F. hat glaubhaft bekundet, dass mit dem Klager eine\nVereinbarung derart getroffen wurde, dass dieser sich am 24.10.2006 um 13.45\nUhr bei der Firma F. einzufinden habe. Dies wird vom Klager nicht in Abrede\ngestellt. Zum vereinbarten Zeitpunkt erschien der Klager jedoch nicht bei der\nFirma F.. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die durch die Vertragsverletzung bedingte Kundigung muss zudem kausal im\nHinblick auf den erneuten Bezug von Arbeitslosengeld II des Klagers gewesen\nsein. Ware der Klager seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung nachgekommen,\nhatte er entsprechend der vertraglichen Vereinbarung 7 EUR pro Arbeitsstunde\nerhalten. Bei einer durchschnittlichen wochentlichen Arbeitszeit von 35\nStunden hatte der Klager einen Gesamtbetrag von 980,- EUR erhalten und hatte\nseinen Bedarf - zumindest teilweise - durch die nicht selbstandige\nBeschaftigung decken konnen, sodass die Vertragsverletzung bzw. die Kundigung\nkausal fur den weiteren Bezug von Alg II war. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Den Klager muss ein Verschulden in Form von Vorsatz oder grober\nFahrlassigkeit treffen. Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Klager die\nKundigung seines Arbeitsverhaltnisses grob fahrlassig verursacht hat. Die\nBegrundung, er habe gedacht, nicht zwei Vollzeitbeschaftigungsverhaltnisse\nnebeneinander haben zu konnen, kann nicht dazu fuhren das Verhalten des\nKlagers als nur einfach fahrlassig erscheinen zu lassen. Dem Arbeitsantritt\neinfach fernzubleiben stellt nach Auffassung der Kammer vielmehr eine\nSorgfaltspflichtverletzung ungewohnlich hohen Ausmaßes dar. Der Umstand, dass\ndas Verhalten des Klagers unweigerlich zur Kundigung fuhrt, war fur diesen\nauch vorhersehbar. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Fur den Klager war musste es offenkundig sein, dass einer Arbeitsaufnahme\nbei der Firma F. nichts entgegensteht. Das im Hintergrund schwebende\nKundigungsschutzverfahren rechtfertigt keine andere Auffassung. Dem Klager\nwurde seitens der Firma S. fristlos gekundigt. Er konnte nicht damit rechnen,\ndass er von Seiten der Firma S. eine Aufforderung zur Aufnahme der Arbeit\nerhalt. Insbesondere der Umstand, dass mit der Firma F. vereinbart war, am\n24.10.06 erst um 13.45 Uhr zur Arbeitsaufnahme zu erscheinen und sich bis zu\ndieser Uhrzeit die Firma S. nicht bei ihm gemeldet hatte, zeigt, dass sich der\nKlager hier in eine Schutzbehauptung fluchtet. Dem Klager war vielmehr klar,\ndass die Firma S. ihn nicht mehr zur Arbeitsaufnahme auffordern wird. Trotzdem\nblieb er der Arbeit bei der Firma F. fern. \n--- \n| 33 \n--- \n| Der weitere Einwand des Klagers, die Sekretarin und der Geschaftsfuhrer der\nFirma F. hatten ihm gesagt, er solle sich spater nochmals bewerben, weil zwei\nVollzeitbeschaftigungsverhaltnisse nebeneinander nicht gingen, konnte im\nRahmen der Beweisaufnahme ebenfalls widerlegt werden. Der Klager selbst gab\nzu, erst nachdem er die Kundigung durch die Firma F. erhielt, mit der\nSekretarin gesprochen zu haben, sodass deren Aussage keinesfalls kausal fur\ndas Verhalten des Klagers war. Zudem bekundete der Zeuge F. glaubhaft, dass er\nnicht mit dem Klager uber ein weiteres Arbeitsverhaltnis gesprochen hat. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Der Klager selbst gab im Bewerbungsformular der Firma F. an, dass er nicht\nin einem weiteren Arbeitsverhaltnis steht. Um so unerklarlicher ist daher die\nTatsache, dass der Klager den Umstand, vermeintlich ein weiteres\nArbeitsverhaltnis innezuhaben, nur einen Tag spater also so wesentlich\nerachtete, dass er sich nicht zur Arbeitsaufnahme einfand. Nach alledem\nbestehen keine Zweifel an dem grob fahrlassigen Verhalten des Klagers. Einen\nwichtigen Grund konnte er ebenfalls nicht vorbringen. Insbesondere die schon\nim Rahmen der Verschuldensprufung vorgetragenen Grunde stellen keinen\nwichtigen Grund im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III dar. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| 3\\. Gem. § 31 Abs. 1 SGB II konnte die Beklagte somit die Regelleistung des\nKlagers um 30 % absenken und den Zuschlag nach § 24 SGB II wegfallen lassen.\nDie Hohe des Absenkungsbetrags und des Wegfallbetrags sind zutreffend\nerrechnet worden. Ebenso wurde die Vorschrift des § 31 Abs. 6 SGB II\nberucksichtigt und der Sanktionszeitraum dementsprechend gewahlt. Eine\nAnhorung fand, entgegen der Auffassung, des Klagers statt, wie das Schreiben\nder Beklagten vom 07.11.2006 belegt. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Berufung war zuzulassen, da die parallele Anwendbarkeit des § 31 Abs. 4\nNr. 3b SGB II neben § 31 Abs. 1 SGB II noch nicht hochstrichterlich geklart\nwurde. \n--- \n--- \n**IV.** \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n---\n\n |
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193,616 | arbg-trier-2008-12-16-3-ca-109208 | 897 | Arbeitsgericht Trier | arbg-trier | Trier | Rheinland-Pfalz | Arbeitsgerichtsbarkeit | 3 Ca 1092/08 | 2008-12-16 | 2019-02-12 09:24:15 | 2019-02-12 14:02:53 | Urteil | ECLI:DE:ARBGTRI:2008:1216.3CA1092.08.0A | #### Tenor\n\n \n\n \n\n1\\. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin 225,00 € nebst Zinsen in\nHohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2008 zu\nzahlen.\n\n \n\n \n\n2\\. Der Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n \n\n \n\n3\\. Der Streitwert wird auf 225,00 € festgesetzt.\n\n \n\n \n\n4\\. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Klagerin, welche ein Alten- und Pflegeheim betreibt, schloss mit dem\nBeklagten am 14.05.2008 einen als "Befristeter Arbeitsvertrag" uberschriebenen\nVertrag, der eine Beschaftigung des Beklagten als Praktikant fur ein Jahr (vom\n01.08.2008 bis 31.07.2009) vorsah bei einer monatlichen Bruttovergutung von\n450,00 €. Dieser Vertrag lautet auszugsweise wie folgt:\n\n \n\n2\n\n \n--- \n**"Befristeter Arbeitsvertrag** \n**...** \n**§ 1 Aufgaben und Beginn des befristeten Arbeitsverhaltnisses** \nDer Arbeitnehmer wird ab dem 01.08.2008 als Praktikant in der Altenpflege\nbefristet eingestellt. … \n**§ 3 Beginn und Ende des Arbeitsverhaltnisses (Befristung)** \n… Die ersten 6 Monate gelten als Probezeit. Wahrend dieser Zeit konnen die\nVertragsparteien das Arbeitsverhaltnis mit einer Frist von 2 Wochen kundigen.\n… \n**§ 15 Vertragsstrafe** \nIm Falle der schuldhaften Nichtaufnahme oder vertragswidrigen Beendigung der\nTatigkeit verpflichtet sich der Arbeitnehmer, dem Arbeitgeber eine\nVertragsstrafe zu zahlen. Die Hohe der Vertragsstrafe bemisst sich nach der\nvertragsgemaßen Kundigungsfrist und betragt in den ersten 6 Monaten ein halbes\nMonatsbrutto-Grundgehalt und danach ein Monatsbrutto-Grundgehalt. Der\nArbeitgeber ist berechtigt, einen weitergehenden Schaden geltend zu machen." \n \n \n\n3\n\n \n\nAm 28.07.2008 erfuhr der Beklagte, dass er zum 01.08.2008 eine Ausbildung im\nAlten- und Pflegeheim V in U beginnen konne. Daraufhin teilte er der Klagerin\nnoch am selben Tage mit, er werde seine Stelle als Praktikant bei ihr nicht\nantreten, sondern die ihm nunmehr angebotene Ausbildungsstelle annehmen. Die\nKlagerin forderte den Beklagten sodann umgehend zur Zahlung der unter § 15 des\nArbeitsvertrages vereinbarten Vertragsstrafe in Hohe eines halben\nBruttomonatsgehaltes (= 225,00 €) bis zum 15.08.2008 auf. Nachdem der Beklagte\neine Zahlung abgelehnt hatte, erhob die Klagerin mit Schriftsatz vom\n21.08.2008 Klage, in welcher sie beantragte,\n\n \n\n4\n\n \n\n**den Beklagten zu verurteilen, an sie 225,00 € nebst Zinsen in Hohe von 5\nProzentpunkten uber dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2008 zu zahlen.**\n\n \n\n5\n\n \n\n**Der Beklagte beantragt,**\n\n \n\n6\n\n \n\n**die Klage abzuweisen.**\n\n \n\n7\n\n \n\nEr vertritt die Auffassung, die Vertragsstrafe sei schon nicht wirksam\nvereinbart worden. Zum einen sei die dort vorgesehene Vertragsstrafe uberhoht,\nzumal die von der Klagerin behaupteten Kosten fur die bereits erfolgte\nErstellung eines Dienstplans, einer Personalakte, einer Zeiterfassungskarte\nsowie eines Namensschildes auch bei kurzfristiger Erkrankung des Beklagten\nangefallen waren und die fur ihn bereitgestellte Dienstkleidung weiter\nverwendbar sei. Zum anderen handele es sich um eine uberraschende Klausel im\nSinne von § 305 c Abs. 1 BGB. Hierzu tragt der Beklagte vor, der mit der\nKlagerin geschlossene Arbeitsvertrag stelle fur ihn das erste umfassende\nVertragswerk nach seiner Schulausbildung dar, sodass er noch dementsprechend\nunerfahren gewesen sei; ferner habe ihn die Klagerin auf die\nVertragsstrafenklausel nicht gesondert hingewiesen. Im Übrigen sei die\nVertragsstrafe aber auch nicht verwirkt, da sie auf ein schuldhaftes Verhalten\nabstelle und dem Beklagten nicht vorgeworfen werden konne, dass er eine\n"echte" Ausbildungsstelle seiner Praktikantenstelle vorgezogen habe.\n\n \n\n8\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den\nInhalt der Gerichtsakten verwiesen.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n \n\n \n\n**A.**\n\n9\n\n \n\nDie Klage ist zulassig und begrundet. Der geltend gemachte Anspruch steht der\nKlagerin zu, da die in § 15 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages\nvorgesehene Vertragsstrafe wirksam vereinbart und vom Beklagten verwirkt\nwurde.\n\n \n\n10\n\n \n\n1\\. Die zwischen den Parteien vereinbarte Vertragsstrafenregelung halt\ninsbesondere einer Inhaltskontrolle gemaß den §§ 307 ff. BGB stand. Bei der\nVereinbarung handelt es sich - jedenfalls uber § 310 Abs. 3 BGB - um eine\nallgemeine Geschaftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB, welche auch\nkontrollfahig im Sinne von § 307 Abs. 3 BGB ist.\n\n \n\n11\n\n \n\na) Nach der hochstrichterlichen Rechtsprechung, welcher sich die erkennende\nKammer anschließt, begrundet das besondere Klauselverbot ohne\nWertungsmoglichkeit des § 309 Nr. 6 BGB infolge der gemaß § 310 Abs. 4 S. 2\nBGB zu berucksichtigenden Besonderheiten des Arbeitsrechts keine generelle\nUnwirksamkeit formularmaßig vereinbarter Vertragsstrafen in Arbeitsvertragen\n(vgl. dazu grundlegend BAG 04.03.2004, NZA 2004, 727 ff.).\n\n \n\n12\n\n \n\nb) Allerdings hat nach wie vor eine Inhaltskontrolle im Sinne von § 307 Abs. 1\nBGB zu erfolgen. Danach sind Bestimmungen in allgemeinen Geschaftsbedingungen\nunwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten\nvon Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Dabei meint unangemessen im\narbeitsvertraglichen Kontext jede Beeintrachtigung eines rechtlich anerkannten\nInteresses des Arbeitnehmers, die nicht durch begrundete und billigenswerte\nInteressen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige\nVorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen\nBenachteiligung setzt eine wechselseitige Berucksichtigung und Bewertung der\nrechtlich anzuerkennenden Interessen der Vertragspartner voraus, wobei es\neiner umfassenden Wurdigung beider Positionen unter Berucksichtigung von Treu\nund Glauben bedarf. Dabei ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall\nlosgeloster Maßstab anzulegen und zu prufen, ob der Klauselinhalt bei der in\nRede stehenden Art des Rechtsgeschafts generell unter Berucksichtigung der\ntypischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene\nBenachteiligung des Vertragspartners ergibt (BAG 04.03.2004, NZA 2004, 727,\n732 f.).\n\n \n\n13\n\n \n\naa) Auch im Rahmen von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB benachteiligen\nVertragsstrafenabreden den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen. Die\nVertragsstrafe sichert das berechtigte Bedurfnis des Arbeitgebers, eine\narbeitsvertragswidrige und schuldhafte Nichtaufnahme der Arbeitstatigkeit\nseitens des Arbeitnehmers zu verhindern. Dem gegenuber hat der Arbeitnehmer in\nder Regel weder ein Recht noch ein schutzenwertes Interesse daran, den\nArbeitsvertrag zu brechen, sodass er durch eine Vertragsstrafenregelung fur\nden schuldhaften Nichtantritt der Arbeit nicht unangemessen benachteiligt\nwird, da es an ihm liegt, seine Hauptpflichten zu erbringen (vgl. BAG\n04.03.2004, NZA 2004, 727, 733 mwN; 21.04.05, NZA 2005, 1053, 1056; LAG\nSchleswig-Holstein 02.02.2005, NZA-RR 2005, 351, 352).\n\n \n\n14\n\n \n\nbb) Eine unangemessene Benachteiligung des Beklagten folgt auch nicht aus der\nHohe der vereinbarten Vertragsstrafe. Fur die Frage nach der angemessenen Hohe\neiner Vertragsstrafe kommt es wiederum auf eine typisierende Betrachtungsweise\nan, in deren Mittelpunkt ein beliebiger Arbeitnehmer oder ggf. eine\nArbeitnehmergruppe steht, die Adressat der jeweiligen Vertragsstrafe sein\nkonnten (BAG 04.03.2004, NZA 2004, 727, 733; Thusing, BB 2004, 42, 45). Aus\ndiesem Grunde konnen in der Regel auch nur die einer generalisierenden\nBetrachtungsweise zuganglichen Maßstabe herangezogen werden wie insbesondere\ndie Bruttomonatsvergutung des Arbeitnehmers, da diese im Normalfall dessen\nfinanzielle Leistungsfahigkeit hinreichend berucksichtigt und damit als\ngeeigneter Maßstab angesehen werden kann (BAG 04.03.2004, NZA 2004, 727, 733;\nLeder/Morgenroth, NZA 2002, 952, 957). Maßgebliche Bedeutung erlangt in diesem\nZusammenhang die fur den Arbeitnehmer einschlagige Kundigungsfrist, da hierin\nzum Ausdruck kommt, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitgeber vom\nArbeitnehmer Arbeitsleistungen verlangen kann und welches Interesse der\nArbeitgeber an seiner Arbeitsleistung hat. Aus diesem Grunde sind die\nKundigungsfristen, die durch den Vertragsbruch vom Arbeitnehmer nicht beachtet\nwurden, ein relevanter Abwagungsgesichtspunkt zur Feststellung der\nangemessenen Vertragsstrafenhohe (BAG 04.03.2004, NZA 2004, 727, 734; Heinze,\nNZA 1994, 244, 251), weswegen insgesamt die Hohe der Arbeitnehmerbezuge bis\nzum Ablauf der ordentlichen Kundigungsfrist fur den Fall des Nichtantritts der\nArbeit grundsatzlich einen angemessenen Rahmen fur die Vertragsstrafenhohe zu\nGunsten des Arbeitgebers liefert (BAG 04.03.2004, NZA 2004, 727, 733 f.).\n\n \n\n15\n\n \n\nAusgehend von diesen Grundsatzen ist die in § 15 des zwischen den Parteien\ngeschlossenen Arbeitsvertrages vereinbarte Vertragsstrafenregelung nicht\nuberhoht. Sie sieht fur die Dauer der ersten sechs Monate (Probezeit) ein\nhalbes Bruttomonatsgehalt vor. In diesem Zeitraum kann das Arbeitsverhaltnis\ngemaß § 3 des Vertrages mit einer Frist von zwei Wochen gekundigt werden.\nDamit entspricht das in der Vertragsstrafenregelung (auch) zum Ausdruck\nkommende wirtschaftliche Interesse der Klagerin ihrer durch die\nKundigungsfrist konkretisierten Bindungsmoglichkeit in Bezug auf den\nBeklagten. Zwar hat dieser eingewendet, das wirtschaftliche Interesse der\nKlagerin sei deutlich geringer, da insbesondere die von ihr geltend gemachten\nAufwendungen fur das Anlegen einer Personalakte, die Erstellung einer\nZeiterfassungskarte und eines Namensschildes sowie die Bereitstellung\nentsprechender Dienstkleidung den Betrag von 225,00 € deutlich unterschritten\nund ihr entsprechende Aufwendungen auch beispielsweise bei kurzfristiger\nErkrankung des Beklagten entstanden waren. Hiermit vermag der Beklagte jedoch\nnicht durchzudringen. Selbst wenn dies in tatsachlicher Hinsicht zutreffen\nmag, so fuhrt das Fehlen eines "Schadens" fur sich genommen noch nicht zur\nUnwirksamkeit der Vertragsstrafenregelung, da diese nicht in erster Linie\neinen tatsachlich entstandenen Schaden kompensieren soll, sondern primar\nvielmehr darauf gerichtet ist, einen wirkungsvollen Druck auf den Schuldner,\nalso hier den Arbeitnehmer, auszuuben, damit dieser seine vertragliche\nVerpflichtung einhalt und seine Arbeit antritt; die Vertragsstrafe dient damit\ngerade auch der Sicherung der Arbeitsaufnahme (BAG 04.03.2004, NZA 2004, 727,\n733; LAG Schleswig-Holstein 02.02.2005, NZA-RR 2005, 351, 352; DLW/Dorner,\nHandbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 7. Auflage 2008, C 455; Singer, RdA\n2003, 194, 202). Daher ist die vereinbarte Vertragsstrafe auch nicht wegen\nunangemessener Benachteiligung unter dem Gesichtspunkt der Überhohung\nunwirksam.\n\n \n\n16\n\n \n\ncc) Ebenso wenig ergibt sich eine unangemessene Benachteiligung aus einer\nVerletzung des in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verankerten Transparenzgebots. Nach\nder genannten Norm kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus\nergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verstandlich ist. Die\ntatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen mussen so genau beschrieben\nwerden, dass fur den Verwender (hier den Arbeitgeber) keine ungerechtfertigten\nBeurteilungsspielraume entstehen, sondern die Rechte und Pflichten des\nVertragspartners des Klauselverwenders (hier des Arbeitnehmers) im Rahmen des\nrechtlich und tatsachlich Zumutbaren so klar und prazise wie moglich benannt\nwerden. Dies setzt zum einen voraus, dass die sanktionierte Pflichtverletzung\nso klar bestimmt ist, dass sich der Versprechende in seinem Verhalten darauf\neinstellen kann, zum anderen, dass die zu leistende Strafe ihrer Hohe nach\nklar und bestimmt ist (vgl. dazu BAG 21.04.2005, NZA 2005, 1053, 1055;\n14.08.2007, NZA 2008, 170, 171 f.).\n\n \n\n17\n\n \n\nDiesen Anforderungen genugt die zwischen den Parteien getroffene\nVertragsstrafenabrede. Die als Tatbestandsvoraussetzung genannte schuldhafte\nNichtaufnahme der Tatigkeit verdeutlicht dem Beklagten, dass er die\nVertragsstrafe zu zahlen hat, wenn er aus selbst verschuldeten Grunden seine\nArbeitsstelle nicht antritt. Dabei ist es nicht erforderlich, den Begriff des\nVerschuldens naher zu beschreiben, da dem Arbeitgeber insoweit angesichts der\nUnzahl denkbarer Fallgestaltungen eine weitere Aufschlusselung nicht\nabverlangt werden kann. Auch die drohende Rechtsfolge ist klar und\nverstandlich formuliert: In den ersten sechs Monaten soll die Vertragsstrafe\nein halbes Bruttomonatsgehalt betragen.\n\n \n\n18\n\n \n\n2\\. Bei der Vertragsstrafenabrede handelt es sich auch nicht um eine\nuberraschende Klausel im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB. Nach dieser Norm werden\nBestimmungen in allgemeinen Geschaftsbedingungen, die nach den Umstanden,\ninsbesondere nach dem außeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewohnlich\nsind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen vernunftigerweise\nnicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Dabei sind uberraschende\nKlauseln durch einen ihnen innewohnenden "Überrumpelungs- oder\nÜbertolpelungseffekt" gekennzeichnet. Es muss ein deutlicher Widerspruch\nzwischen der durch die Umstande bei Vertragsschluss begrundeten Erwartung und\ndem tatsachlichen Vertragsinhalt bestehen, wobei samtliche Umstande zu\nberucksichtigen sind wie insbesondere auch das außere Erscheinungsbild des\nVertrages. Daher kann ein ungewohnlicher außerer Zuschnitt einer Klausel oder\nihre Unterbringung an unerwarteter Stelle die Bestimmung zu einer\nungewohnlichen und damit uberraschenden Klausel machen (BAG 15.02.2007, NZA\n2007, 614, 616 f.; 08.08.2007 - 7 AZR 605/06; 14.08.2007, NZA 2008, 170, 171;\nLAG Schleswig-Holstein 02.02.2005, NZA-RR 2005, 351, 353). Dies ist hier nicht\nder Fall, da die zwischen den Parteien vereinbarte Vertragsstrafenabrede weder\ninhaltlich noch ihrem außeren Erscheinungsbild nach uberraschend im Sinne des\n§ 305 c Abs. 1 BGB ist.\n\n \n\n19\n\n \n\nVertragsstrafenabreden sind im Arbeitsleben ublich und werden haufig in\nArbeitsvertragen vereinbart; dies geschieht insbesondere vor dem Hintergrund,\ndass dem Arbeitgeber angesichts der Regelung des § 888 Abs. 3 ZPO im Gegensatz\nzu anderen Glaubigern die Moglichkeit fehlt, den vertraglichen Primaranspruch\nauf die Arbeitsleistung zwangsweise durchzusetzen, sodass er ein besonderes\nBedurfnis nach entsprechenden Sanktionierungsinstrumenten besitzt, um den\nArbeitnehmer zur Erfullung seiner vertraglichen Hauptpflicht anzuhalten (vgl.\nhierzu nur BAG 04.03.2004, NZA 2004, 727, 731 f. mwN). Ob der Beklagte mit\neiner solchen Klausel gerechnet hat oder nicht, spielt in diesem Zusammenhang\nkeine entscheidende Rolle. Zum einen bedarf es der _objektiven_\nUngewohnlichkeit der Klausel (ErfK/Preis, 9. Auflage 2009, §§ 305 - 310 BGB\nRn. 29), welche hier nicht vorliegt, zum anderen ware dem Beklagten, gerade\nwenn es sich um sein erstes umfassenderes Vertragswerk handelt - noch dazu von\neiner solchen Bedeutung wie der eines Arbeitsvertrages -, zuzumuten, dass er\nsich den Vertrag einmal genau durchliest. Er ware dann unweigerlich auf dessen\n§ 15 und die dort in wenigen, klar und verstandlich formulierten Satzen\nvorgesehene Vertragsstrafenvereinbarung gestoßen (das subjektive\nÜberraschungsmoment daher sogar regelmaßig verneinend ErfK/Preis, §§ 305 - 310\nBGB Rn. 29).\n\n \n\n20\n\n \n\nAuch steht die Vertragsstrafenregelung weder an unubersichtlicher noch an\nversteckter oder sachlich ungerechtfertigter Stelle (etwa unter einer\nfehlleitenden Überschrift). Der gesamte Arbeitsvertrag weist ein geordnetes\nSchriftbild auf, in dem die einzelnen Paragraphen einschließlich der\nÜberschrift jeweils durch Fettdruck hervorgehoben sind und auch der in\nNormaldruck geschriebene Text ubersichtlich in einzelne Abschnitte mit\nentsprechenden Leerraumen dazwischen gestaltet ist. Insbesondere die\nÜberschrift des § 15 " Vertragsstrafe" weist genau auf das hin, was sodann im\nText folgt. Daher kann keine Rede davon sein, dass das außere Erscheinungsbild\ndes Vertrages bezogen auf die Vertragsstrafenregelung irgendwelche\nÜberraschungsmomente in sich birgt.\n\n \n\n21\n\n \n\n3\\. Einer generellen Wirksamkeit der Vertragsstrafenregelung steht weiterhin\nnicht entgegen, dass der Beklagte bei der Klagerin als Jahrespraktikant tatig\nwerden und damit gewissermaßen erste Einblicke in die Anforderungen der\ndortigen Tatigkeit erlangen sollte. Das fur den Bereich der Berufsausbildung\ngeltende Verbot von Vertragsstrafen (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 BBiG) gilt gemaß § 26\nBBiG nicht, soweit ein Arbeitsverhaltnis zwischen den Parteien vereinbart ist.\nDies ist hier der Fall. Zum einen spricht der als "Befristeter Arbeitsvertrag"\nbezeichnete Vertrag regelmaßig von "Arbeitsvertrag", "Arbeitnehmer",\n"Arbeitsort", "Arbeitsverhaltnis" und "monatlichem Bruttogehalt". Zum anderen\nwird gemaß § 1 des Vertrages "der Arbeitnehmer … ab dem 01.08.2008 als\nPraktikant ... eingestellt." Von einem Ausbildungsverhaltnis, einem\nAusbildungszweck oder einer Ausbildungsvergutung ist dagegen an keiner Stelle\ndes Vertrages die Rede.\n\n \n\n22\n\n \n\n4\\. Der Beklagte hat die Vertragsstrafe auch verwirkt. Der Nichtantritt zur\nArbeit durch den Beklagten am 01.08.2008 erfolgte schuldhaft im Sinne der\nVertragsstrafenregelung. Auch wenn man es bezogen auf den Beklagten\nnachvollziehen mag, dass dieser die kurzfristig angebotene Ausbildungsstelle\nim Hinblick auf seinen weiteren beruflichen Werdegang dem Praktikantenplatz\nbei der Klagerin vorgezogen hat, so vermag dies nicht dazu zu fuhren, seinen\nNichtantritt der Arbeit bei der Klagerin als unverschuldet erscheinen zu\nlassen. Der Beklagte hat sich in einem Vertrag der Klagerin gegenuber zur\nArbeitsleistung und fur den Fall des schuldhaften Nichtantritts zu einer\nentsprechenden Vertragsstrafe verpflichtet. Daher ist der Verschuldensbegriff\nnicht isoliert auf die Interessen des Beklagten bezogen zu verstehen, sondern\nvielmehr im Kontext des vertraglichen Gefuges, was dazu fuhrt, dass gerade\nauch die berechtigten Interessen der Klagerin als des anderen Teils und\nGlaubigers der Arbeitsleistung angemessen zu berucksichtigen sind. Fur diese\nspielt es aber grundsatzlich keine Rolle, aus welchen Grunden der Arbeitnehmer\nsich dazu entschließt, seine Arbeitsstelle nicht anzutreten, solange er dies\n"aus freien Stucken" tut und nicht etwa wegen plotzlicher, unverschuldeter\nArbeitsunfahigkeit nicht anders kann. Ein rechtlich geschutztes Interesse,\neine Arbeitsstelle deswegen nicht anzutreten, weil man zwischenzeitlich ein\nbesseres Angebot erhalten hat, besteht grundsatzlich nicht. Eine - ohne\nweiteres vereinbare - anderweitige Regelung fur diesen Fall haben die Parteien\nnicht getroffen. Demgegenuber besteht ein anerkennenswertes, schutzenswertes\nund durch den Beklagten letztlich auch bestatigtes (namlich unterschriebenes)\nInteresse der Klagerin daran, die vom Beklagten zugesagte Arbeitsleistung zu\nerhalten. Im Verhaltnis zur Klagerin als dem anderen Teil - und darauf kommt\nes in einem Vertrag entscheidend an - war das Verhalten des Beklagten somit\nschuldhaft.\n\n \n\n23\n\n \n\nSonstige Einwendungen gegen den geltend gemachten Anspruch sind nicht\nersichtlich, so dass der Klage statt zu geben war.\n\n \n\n**B.**\n\n24\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.\n\n \n\n**C.**\n\n25\n\n \n\nDie Berufung war nicht gesondert zuzulassen, da es hierfur an den\nVoraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG fehlt.\n\n \n\n26\n\n \n\nGegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.\n\n |
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194,016 | lagrlp-2008-07-28-9-ta-11808 | 899 | Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz | lagrlp | Rheinland-Pfalz | Arbeitsgerichtsbarkeit | 9 Ta 118/08 | 2008-07-28 | 2019-02-12 09:36:22 | 2019-02-12 14:03:57 | Beschluss | ECLI:DE:LAGRLP:2008:0728.9TA118.08.0A | #### Tenor\n\n \n\n \n\n1\\. Auf die sofortige Beschwerde der Klagerin wird der Beschluss des\nArbeitsgerichts Trier vom 30.05.2008, Az.: 2 Ca 570/08 dahingehend abgeandert,\ndass die Klagerin aus ihrem Einkommen monatliche Teilbetrage in Hohe von 60,--\n€ zu leisten hat.\n\n \n\n \n\n2\\. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.\n\n \n\n#### Grunde\n\n \n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nMit ihrer am 22.04.2008 beim Arbeitsgericht Trier im Ausgangsverfahren\neingegangenen Klage wendete sich die Klagerin gegen die fristlose Kundigung\nihres Arbeitsverhaltnisses durch die Beklagte gemaß Schreiben vom 01.04.2008,\nzugegangen am 04.04.2008. Zugleich beantragte sie ihr unter Beiordnung ihres\nProzessbevollmachtigten Prozesskostenhilfe zu bewilligen.\n\n \n\n2\n\n \n\nIn der arbeitsgerichtlichen Guteverhandlung vom 13.05.2008 schlossen die\nParteien einen Vergleich, dem zufolge das Arbeitsverhaltnis unter Einhaltung\nder tarifvertraglichen Kundigungsfrist zum 30.06.2008 sein Ende fand. Ziffer 2\ndes Vergleiches sieht vor, dass die Klagerin bis zum 30.06.2008 von der\nVerpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergutung und unter\nAnrechnung von Urlaubs- und Überstundenanspruchen freigestellt wird. Mit\nBeschluss vom 30.05.2008 hat das Arbeitsgericht der Klagerin unter Beiordnung\nihres Prozessbevollmachtigten Prozesskostenhilfe mit der Maßgabe bewilligt,\ndass die Klagerin aus ihrem Einkommen monatliche Teilbetrage von 135,-- € zu\nleisten habe. Bei Berechnung des im Rahmen des § 115 Abs. 2 ZPO zu\nberucksichtigenden Einkommens ließ das Arbeitsgericht hierbei den Freibetrag\nfur Erwerbstatige nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b) ZPO unberucksichtigt.\n\n \n\n3\n\n \n\nMit ihrer am 16.06.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen\nBeschwerde erstrebt die Klagerin eine Herabsetzung der monatlichen Raten auf\n60,-- €. Sie ist der Auffassung, der Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1\nb) ZPO sei in Ansatz zu bringen, wenn Einkunfte aus Erwerbstatigkeit erzielt\nwurden. Hieran andere auch die im Vergleich vorgesehene Freistellung nichts.\nAuch sei sie nicht unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt worden,\nso dass der Beklagte jederzeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhaltnisses die\nArbeitsleistung habe einfordern konnen. Unter Berucksichtigung des demnach in\nAnsatz zu bringenden Freibetrages ergebe sich lediglich eine monatliche\nRatenbelastung in Hohe von 60,-- €.\n\n \n\n4\n\n \n\nMit Beschluss vom 20.06.2008 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht\nabgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.\nZur Begrundung hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, im Hinblick auf die\nim Vergleich vorgesehene Freistellung der Klagerin sei ein Abzug eines\nFreibetrags fur Erwerbstatige nicht gerechtfertigt.\n\n \n\n5\n\n \n\nDie im Beschwerdeverfahren vor dem Landesarbeitsgericht beteiligte\nBezirksrevisorin hat fur die Landeskasse angeregt, die Beschwerde deshalb\nzuruckzuweisen, da die Klagerin durch den Vergleich vom 13.05.2008 von der\nVerpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt wurde.\n\n \n\n6\n\n \n\nHinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug\ngenommen.\n\n \n\n \n\n**II.**\n\n7\n\n \n\nDie sofortige Beschwerde ist zulassig. Sie ist gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO an\nsich statthaft und wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.\n\n \n\n8\n\n \n\nDas Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des\nArbeitsgerichts ist im Rahmen der Errechnung des nach § 115 Abs. 2 ZPO zu\nberucksichtigen Einkommens der Erwerbestatigenfreibetrag nach § 115 Abs. 1\nSatz 3 Nr. 1 b) ZPO in Ansatz zu bringen. Es errechnet sich damit ein nach §\n115 Abs. 2 ZPO berucksichtigungsfahiges Einkommen der Klagerin in Hohe von\n194,-- €, so dass die Festsetzung von monatlichen Teilzahlungen in Hohe von\nlediglich 60,-- € zu erfolgen hat.\n\n \n\n9\n\n \n\nGemaß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b) ZPO ist der dort genannte Freibetrag vom\nEinkommen fur Parteien abzusetzen, die ein Einkommen aus Erwerbstatigkeit\nerzielen. Erwerbseinkommen ist aber insbesondere auch ein Einkommen aus\nArbeitsentgelt. Ein derartiges Einkommen hat die Klagerin ungeachtet ihrer\nFreistellung erzielt. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des\nVergleiches, dem zufolge die Klagerin gerade unter Fortzahlung der Vergutung\nvon der Arbeitsleistung freigestellt wurde. Bei dem demnach von der Klagerin\nwahrend der Freistellung erzielten Einkommen handelt es sich damit um die\narbeitsvertraglich vereinbarte Vergutung und nicht etwa wie im Falle des\nKrankengeldes (vgl. dazu LAG Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 27.06.2007 - 9\nTa 8/07; LAG R.-P. Beschluss vom 21.033.2006 - 2 Ta 25/06) um ein Einkommen,\nwelches an die Stelle der Arbeitsvergutung tritt.\n\n \n\n10\n\n \n\nDer Berucksichtigung des Freibetrages steht nicht entgegen, dass die Klagerin\nin Folge der im Vergleich vorgesehenen Freistellung bis zur Beendigung des\nArbeitsverhaltnisses keine Arbeitsleistung mehr zu erbringen hatte und im\nFreistellungszeitraum moglicherweise keine konkreten, durch das\nArbeitsverhaltnis bedingten Aufwendungen mehr tatigen musste. § 115 Abs. 1\nSatz 3 Nr. 1 b) ZPO tragt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts\n(BVerfGE 87, 173 ff.) Rechnung, wonach zum Mindestbedarf des Lebensunterhalts\nein Mehraufwand, der mit einer Erwerbstatigkeit verbunden ist, gehort, der\ndurch den Werbungskostenabzug nicht ausreichend berucksichtigt wird (vgl. LAG\nBaden-Wurttemberg, a. a. O.). Der Gesetzgeber hat sich hierzu einer\nPauschalierung bedient, deren Zweck darin besteht, den mit einer\nErwerbstatigkeit verbundenen Mehraufwand uber die nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr.\n1 a) ZPO i. V. m. § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII zu berucksichtigenden konkreten\nmit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben zu\nberucksichtigen. Hinzu kommt, dass berufsbezogene Aufwendungen nicht\nnotwendiger Weise in zeitlicher Parallelitat zur Ausubung der Erwerbstatigkeit\nund damit zeitabschnittsweise anfallen. Im Falle der Nichterbringung von\nArbeitsleistung entfallen beispielsweise Fahrtkosten zwar haufig, aber nicht\nzwingend, weil beispielsweise eine einmal gekaufte Jahreskarte trotzdem zu\nzahlen ist (LAG Baden-Wurttemberg, a. a. O.).\n\n \n\n11\n\n \n\nDie Beschwerdekammer lasst offen, ob die vorstehenden Grundsatze auch dann\ngelten, wenn es sich um eine Freistellung mit damit verbundener\nVergutungsfortzahlung von erheblicher Dauer handelt. So hat die 2. Kammer des\nLandesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 21.03.2006, a. a. O.)\netwa in einem Fall, in dem die Prozesskostenhilfe beantragende Partei schon\nseit langer Zeit ihre Arbeitsleistung nicht erbracht hat und auch keine\nAnhaltspunkte ersichtlich waren, dass dies in absehbarer Zeit geschehe,\nBedenken geaußert, ob in einem derartigen Fall der Erwerbstatigenfreibetrag in\nAnsatz zu bringen sei. Von einem in diesem Sinne langen Zeitraum kann\njedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn sich - wie im vorliegenden Fall\n- der Zeitraum der Freistellung nur auf die anwendbare Kundigungsfrist\nerstreckt.\n\n \n\n12\n\n \n\nDer angefochtene Beschluss war daher wie geschehen abzuandern. Die Zulassung\nder Rechtsbeschwerde erfolgt nach § 78 Satz 2 i. V. m. § 72 Abs. 2 ArbGG.\n\n |
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109,260 | arbg-kiel-2006-02-09-od-5-ca-1995-d05 | 1,058 | Arbeitsgericht Kiel | arbg-kiel | Kiel | Schleswig-Holstein | Arbeitsgerichtsbarkeit | ö.D. 5 Ca 1995 d/05 | 2006-02-09 | 2018-11-26 07:30:24 | 2019-01-17 11:34:39 | Urteil | ECLI:DE:ARBGKIE:2006:0209.OE.D.5CA1995D05.0A | #### Tenor\n\n \n\n1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n \n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des Rechtsstreits\n\n \n\n3\\. Der Wert des Streitgegenstands betragt 7.371,00 Euro.\n\n \n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDer Klager begehrt eine Entschadigungszahlung wegen Diskriminierung seiner\nPerson als schwerbehinderten Stellenbewerber in einem Bewerbungsverfahren nach\n§ 81 SBG IX.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer Klager ist 41 Jahre alt und ledig. Er hat keine unterhaltsberechtigten\nPersonen zu versorgen. Der Klager ist seit einem Jahr als selbststandiger\nRechtsanwalt tatig.\n\n \n\n3\n\n \n\nDie Beklagte suchte per Stellenausschreibung im Internet eine/einen Jurist(in)\nfur A…. In der Stellenbeschreibung wurde eine engagierte Kraft fur die\nTatigkeit in der Widerspruchsstelle der A… gesucht. Arbeitsort: R…. Gern\nBewerber/innen aus dem Raum S.-H./HH, da Befristung vorerst bis 31.12.2005\ngeplant. Bitte nur schriftliche Bewerbungen bis 31.03.2005 an die Agentur fur\nArbeit Rendsburg.\n\n \n\n4\n\n \n\nFruhestes Eintrittsdatum: sofort Dotierung: BAT Vb (vgl. die\nStellenausschreibung, Bl. 10 d. A.).\n\n \n\n5\n\n \n\nDies entspricht einem monatlichen Bruttogehalt in Hohe von 2.454 Euro.\n\n6\n\n \n\nAuf die Stelle bewarben sich ca. 60 Personen.\n\n \n\n7\n\n \n\nUnter dem 18.03.2005 bewarb sich auch der schwerbehinderte Klager (GdB 50,\nGehbehinderung), auf die ausgeschriebene Position als Sachbearbeiter in der\nWiderspruchsstelle der A… der Beklagten (Bl. 8. d. A.). Im unteren Teil seiner\nBewerbung wies er auf seine Schwerbehinderung hin und markerte diesen Teil\nauffallig. Des Weiteren heftete er eine Kopie seines\nSchwerbehindertenausweises an sein Bewerbungsschreiben (Bl. 9 d. A.).\n\n \n\n8\n\n \n\nDer Klager ist Volljurist und derzeit als selbststandiger Rechtsanwalt tatig.\nEr war vorher in der offentlichen Verwaltung im Rechtsamt der Stadt … von 1997\nbis 2001 aufgrund mehrerer befristeter Vertrage und als\nRechtsschutzstellenleiter des Sozialverbandes … von 2002 - 2003 tatig (vgl.\ndie Zeugnisse des Klagers Bl. 15 - 18 d. A.).\n\n \n\n9\n\n \n\nMit Schreiben vom 25.04.2005 sandte die Beklagte die Bewerbungsunterlagen des\nKlagers zuruck, ohne diese Absage naher zu begrunden (Bl. 11 d. A.).\n\n \n\n10\n\n \n\nMit Schreiben vom 30.04.2005 bat der Klager um Mitteilung der tragenden Grunde\nfur die Nichtberucksichtigung seiner Bewerbung und der unterbliebenen\nEinladung zu einem Vorstellungsgesprach (Bl. 12 d. A.).\n\n11\n\n \n\nMit Schreiben vom 14.06.2005 antwortete die Beklagte dem Klager und raumte\nein, die Schwerbehinderteneigenschaft des Klagers bei der Besetzung der Stelle\ndes Sachbearbeiters ubersehen zu haben. Es handele sich hierbei um einen\nbedauerlichen Fluchtigkeitsfehler. In diesem Schreiben wurde dem Klager\nmitgeteilt, dass die Beklagte einen Juristen fur die Widerspruchsstelle in der\nA… suche und den Klager gern in das Auswahlverfahren mit einbeziehen mochte.\nDie an diese Beschaftigung zu stellenden Anforderungen deckten sich\nvollstandig mit dem Profil des Sachbearbeiters in der Widerspruchsstelle der\n…. Diese Stelle war ebenfalls auf ein Jahr befristet. Es sei vorgesehen am\n20.06.2005 ein Vorstellungsgesprach durchzufuhren (Bl. 13 - 14 d. A.).\n\n \n\n12\n\n \n\nMit Schreiben vom 21. Juni 2005 bot die Beklagte dem Klager nochmals an sich\nin ihrem Hause vorzustellen (Bl. 46 d. A.).\n\n13\n\n \n\nDieses Angebot der Beklagten nahm der Klager nicht wahr. Er nahm nicht an dem\nVorstellungsgesprach teil.\n\n \n\n14\n\n \n\nDie Beklagte beschaftigt 14,8 % Schwerbehinderte.\n\n \n\n15\n\n \n\nDer Klager ist der Auffassung, dass ihm ein Entschadigungsanspruch gemaß § 81\nAbs. 2 Satz 2 Nr. 2, § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB IX in Hohe von 5.140 Euro\nzustunde. Die Beklagte sei als offentlicher Arbeitgeber gemaß § 82 Satz 2 SGB\nIX verpflichtet alle fachlich geeigneten Stellenbewerber zu einem\nVorstellungsgesprach einzuladen. Allein der objektive Verstoß gegen diese\nVerpflichtung begrunde die Entschadigungspflicht. Daran andere auch der von\nder Beklagten behauptete Fluchtigkeitsfehler nichts. Im Übrigen werde\nbestritten, dass die Beklagte seine Schwerbehinderung ubersehen habe. Die\nBeklagte musse sich ein etwaiges Fehlverhalten ihrer Angestellten zurechnen\nlassen.\n\n \n\n16\n\n \n\nEr sei auf den Verdienst auf dieser Stelle eines Sachbearbeiters angewiesen,\nda sein Einkommen als Rechtsanwalt nicht hoch sei.\n\n \n\n17\n\n \n\nDie nachtragliche Einladung zu einem Vorstellungsgesprach sei in\nrechtsmissbrauchlicher Absicht erfolgt, um sich der\nEntschadigungsverpflichtung zu entledigen. Die Stellenausschreibung sei auch\ngar nicht ernst zu nehmen gewesen, da diese Stelle nicht im Internet\nausgeschrieben gewesen sei.\n\n \n\n18\n\n \n\nEr sei auch deswegen diskriminiert worden, da in dem streitgegenstandlichen\nBewerbungsverfahren nicht die Schwerbehindertenvertretung und der Personalrat\nbeteiligt worden sei. Auch dieser Verstoß begrunde die Vermutung einer\ndiskriminierenden Auswahlentscheidung zu seinen Lasten.\n\n \n\n19\n\n \n\nIm Übrigen verteidigt sich der Klager mit Rechtsausfuhrungen.\n\n \n\n20\n\n \n\nDer Klager beantragt,\n\n \n\n21\n\n \n\ndie Beklagte zu verurteilen, eine in das Ermessen des Gerichts gestellte\nEntschadigung nebst Zinsen in Hohe von funf Prozentpunkten uber dem\nBasiszinssatz der Europaischen Zentralbank seit dem 07.06.2005 an den Klager\nzu zahlen.\n\n \n\n22\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n23\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n24\n\n \n\nEine Entschadigungspflicht besteht nach Auffassung der Beklagten nicht.\nNachdem die Bewerbungsfrist am 31.03.2005 abgelaufen sei, habe sich die\nzustandige Sachbearbeiterin, die Zeugin K…, angesichts der Vielzahl der\nBewerbungen und der Vorgaben im Stellenprofil gehalten gesehen, eine\nVorauswahl durchzufuhren. Hierzu seien zunachst samtliche Bewerbungen gleich\nqualifizierter Bewerber anhand der Anschrift gesichtet und nach dem Kriterium\nder Wohnortnahe zum Arbeitsplatz vorsortiert worden. Da sich eine ganze Reihe\nvon Bewerbern aus dem Raum Schleswig-Holstein und Hamburg auf die Stelle\nbeworben hatten und der Klager seinen Wohn- und Kanzleisitz in O… hatte, sei\nseine Bewerbung ohne weitere Prufung zunachst zuruckgestellt worden.\nAngesichts der Vielzahl der Bewerbungen habe die zustandige Sachbearbeiterin\nim Rahmen der Sicherung der Adressen die Anschreiben der Bewerbungen zunachst\nnicht weiter gelesen, weshalb sie die vom Klager im unteren Bereich seines\nAnschreibens erwahnte Schwerbehinderung nicht zur Kenntnis genommen habe.\n\n \n\n25\n\n \n\nSie sei erstmals mit dem Schreiben des Klagers vom 30.04.2005 auf den\nSchwerbehindertenstatus des Klagers aufmerksam geworden. Sogleich sei von\nSeiten der Personalstelle in Abstimmung mit der Schwerbehindertenvertretung\ngepruft worden, wie den Belangen des Klagers am besten Rechnung getragen\nwerden konne. Da das ursprungliche Bewerbungsverfahren abgeschlossen war, habe\nman den Klager auf die identische Stelle eines Sachbearbeiters in der\nWiderspruchsstelle Neumunster eingeladen.\n\n \n\n26\n\n \n\nVor dem Hintergrund des tatsachlichen Geschehensablaufs habe der Klager keinen\nEntschadigungsanspruch. Der Klager sei nicht bei der Begrundung des\nArbeitsverhaltnisses wegen seiner Behinderung benachteiligt worden. Zwar lage\ndie vom Gesetzgeber geforderte gesetzliche Vermutung fur die Diskriminierung\ndes Klagers vor, diese konne sie, die Beklagte, allerdings widerlegen. Eine\nBenachteiligung des Klagers habe mangels Kenntnis von selbiger gar nicht\nerfolgen konnen. Damit fehle es an der fur den Schadensersatzanspruch\nerforderlichen kausalen Verknupfung der Diskriminierung aufgrund der\nBehinderung mit der ablehnenden Entscheidung.\n\n \n\n27\n\n \n\nDie Behinderung des Klagers bestehe im Übrigen in einer Gehbehinderung, die\nbei der Ausubung der Tatigkeit der ausgeschriebenen Stelle im Vergleich zu\neinem nicht behinderten Bewerber keinerlei Einschrankung bedeutet habe. Auch\naus dieser Tatsache ergebe sich, dass die unterbliebene Einladung des Klagers\nnicht auf dessen Schwerbehinderung beruht habe.\n\n \n\n28\n\n \n\nDer Klager habe durch sein Verhalten auch selbst eine Schadensvertiefung\nherbeigefuhrt. Hatte der Klager an dem nachfolgenden Bewerbungsverfahren der\nidentischen Position in der Widerspruchsstelle der A…teilgenommen, ware der\nangebliche Schaden und auch die wirtschaftlichen Folgen gemindert worden.\n\n \n\n29\n\n \n\nEs sei auch davon auszugehen, dass der Klager als Rechtsanwalt aus seiner\nfreiberuflichen Tatigkeit Einnahmen erziele. Hatte der Klager die\nausgeschriebene Stelle angenommen, hatte er seine Tatigkeit als Rechtsanwalt\nruhen lassen mussen. Er hatte somit wahrend dieser Zeit keine Einnahmen aus\nseiner Beschaftigung erzielen konnen. Damit es nicht zu einer Besserstellung\ndes Klagers komme, mussten die vermeintlichen Einnahmen dem\nSchadensersatzanspruch gegenuber gestellt werden und bei der Bemessung eines\nSchadensersatzanspruches berucksichtigt werden.\n\n \n\n30\n\n \n\nDas Gericht hat gemaß Beweisbeschluss vom 09.02.2006 Beweis uber die\nBehauptung der Beklagten erhoben, es sei zu einem vorzeitigen Ausschluss des\nKlagers und der mangelhaften Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung an\ndem Verfahren gekommen, weil bei der Vorauswahl die eingegangenen Bewerbungen\nanhand der Adressen der Bewerber zunachst nach den in der Stellenbeschreibung\nangesprochenen Kriterien der Arbeitsplatznahe vorsortiert worden waren. Die\nSchwerbehinderung des Klagers, auf die dieser am Ende seines Antrages\nhingewiesen hat, sei somit nicht zur Kenntnis genommen worden. Das Gericht hat\ndie Zeugin Frau K… vernommen. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug\ngenommen.\n\n \n\n31\n\n \n\nWegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen\neingereichten Schriftsatze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der\nmundlichen Verhandlungen vom 28.10.2005 und vom 09.02.2006 verwiesen.\n\n \n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n32\n\n \n\nDie Klage ist unbegrundet.\n\n \n\n33\n\n \n\nDer Klager hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte zur Zahlung einer\nangemessenen Entschadigung verurteilt wird.\n\n \n\n34\n\n \n\nDie Anspruchsgrundlage fur die Entschadigungsleistung ist § 81 Abs. 2 Nr. 2\nSGB IX. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber einem schwerbehinderten\nBewerber, den er bei der Begrundung eines Arbeitsverhaltnisses entgegen dem in\n§ 81 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX statuierten Benachteiligungsverbot benachteiligt hat,\neine angemessene Entschadigung in Geld zu zahlen. Dieses gilt auch dann, wenn\nder schwerbehinderte Bewerber selbst bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht\neingestellt worden ware; in diesem Fall ist lediglich die Hohe der\nEntschadigungsleistung auf drei Monatsverdienste beschrankt, § 81 Abs. 2 Nr. 3\nSatz 1 SGB IX. Letzteren Entschadigungsanspruch macht der Klager vorliegend\ngeltend.\n\n \n\n35\n\n \n\n**a)** Nach den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln muss der\nschwerbehinderte Bewerber, der eine Entschadigungszahlung wegen Verstoßes\ngegen das Diskriminierungsverbot geltend macht, darlegen, dass er beim\nAuswahl- bzw. Einstellungsverfahren wegen seiner Schwerbehinderung\nbenachteiligt worden ist. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn\neine Person wegen ihrer Schwerbehinderteneigenschaft eine weniger gunstige\nBehandlung erfahrt, als eine andere Person in der vergleichbaren Situation\nerfahren hat oder erfahren wurde. Der Klager ware danach diskriminiert, wenn\ner ausschließlich wegen seiner Schwerbehinderteneigenschaft fur die\nausgeschriebene Stelle nicht in Betracht gezogen ware (BAG, Urt. v. 15.01.2005\n- 9 AZR 635/03 -, aaO.).\n\n \n\n36\n\n \n\nDer insoweit darlegungs- und beweispflichtige schwerbehinderte Bewerber genugt\nindessen nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX seiner Darlegungspflicht, wenn\ner Tatsachen glaubhaft macht, die den Schluss nahe legen, dass eine\nUngleichbehandlung zwischen ihm und anderen vergleichbaren Bewerbern vorliegt.\nDer klagende Bewerber kann eine Beweislast des Arbeitgebers dadurch\nherbeifuhren, dass er Hilfstatsachen darlegt und ggf. unter Beweis stellt, die\neine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft vermuten lassen\n(BAG, Urt. v. 15.01.2005 - 9 AZR 635/03 -, aaO.). Dies begrundet im Regelfall\ndie Vermutung, dass die Ungleichbehandlung durch die Behinderung verursacht\nist. Die Benachteiligung wegen der Behinderung ist dann zu bejahen bzw. zu\nvermuten, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft zumindest eine von mehreren\nMotiven, d. h. Beweggrunden, fur die ablehnende Entscheidung des Arbeitgebers\nist (LAG Nurnberg, Beschl. v. 01.04.2001 - 7 SHa 4/04 -, AP Nr. 6 zu § 81 SGB\nIX).\n\n \n\n37\n\n \n\nVon der Benachteiligungsmaßnahme (hier: Nichteinladung zum\nVorstellungsgesprach) wird mithin auf den Benachteiligungsgrund (hier: wegen\nder Behinderung) geschlossen. Das Gericht muss letztlich die Überzeugung einer\nuberwiegenden Wahrscheinlichkeit fur die Kausalitat zwischen\nSchwerbehinderteneigenschaft und Nachteil gewinnen (vgl. BAG Urt. v.\n05.02.2004 - 8 AZR 112/03 -, AP Nr. 23 zu § 611 a BGB).\n\n \n\n38\n\n \n\n**aa)** Dies zugrunde gelegt, hat der Klager zunachst Hilfstatsachen\nvorgetragen, die vermuten lassen, dass er wegen seiner Behinderung bei der\nBegrundung des Arbeitsverhaltnisses benachteiligt worden ist. Der Klager ist\nvon der Beklagten unstreitig nicht zu einem Vorstellungsgesprach eingeladen\nworden, obgleich er in dem Bewerbungsschreiben auf seine\nSchwerbehinderteneigenschaft ausdrucklich und unter Beifugung einer Kopie des\nSchwerbehindertenausweises hingewiesen hat.\n\n \n\n39\n\n \n\n**bb)** Gemaß § 82 Satz 2 SGB IX ist der offentliche Arbeitgeber grundsatzlich\nverpflichtet, schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgesprach\neinzuladen. Ein Verstoß gegen dieses gesetzliche Gebot lost die\nVermutungswirkung aus, dass der betreffende Bewerber wegen seiner\nSchwerbehinderteneigenschaft beim Einstellungsverfahren benachteiligt worden\nist (ArbG Berlin, Urt. v. 10.10.2003 - 91 Ca 1787/03 -, LAGE § 82 SGB IX Nr.\n1; offen gelassen: BAG, Urt. v. 15.02.2005 - 9 AZR 635 -, NZA 2005, 125 ff.).\n§ 82 Satz 2 SGB IX spricht nicht nur eine Empfehlung in Form einer\nSollvorschrift aus, sondern begrundet eine gesetzliche Verpflichtung gegenuber\neinem schwerbehinderten Bewerber. Das Vorstellungsgesprach mit dem\nschwerbehinderten Bewerber ist Pflicht fur die personalverwaltende Behorde.\nSelbst wenn sie sich aufgrund einer anhand der Bewerbungsunterlagen\ngetroffenen Vorauswahl von vornherein die Meinung gebildet hat, ein oder\nmehrere andere Bewerber seien so gut geeignet, dass der schwerbehinderte\nBewerber nicht mehr in die nahere Auswahl einbezogen werden sollte, muss sie\nden schwerbehinderten Bewerber nach der gesetzlichen Intention einladen und\nihm ein Vorstellungsgesprach gewahren (Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX,\n11. Aufl., Rn. 5 zu § 82 SGB IX). Dem schwerbehinderten Bewerber soll dadurch\ndie Moglichkeit gegeben werden, im mundlichen Gesprach nochmals - ggf.\nklarstellend und vertiefend - seine spezielle Eignung, Befahigung und\nfachliche Leistung in Bezug auf die ausgeschriebene Stelle unter Beweis zu\nstellen. Wenn der offentliche Arbeitgeber den schwerbehinderten Bewerber\ngleichwohl nicht zu einem Vorstellungsgesprach einladt, lost dieser, die\nRechte des Schwerbehinderten einschrankende Gesetzesverstoß, die Vermutung\neiner Diskriminierung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft aus.\n\n \n\n40\n\n \n\nDie Vermutungsreglung in § 81 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 SGB IX fuhrt zu einer\nBeweislastumkehr zu Lasten des Arbeitgebers, d. h. vorliegend zu Lasten der\nBeklagten.\n\n \n\n41\n\n \n\nDie Beklagte ihrerseits hat vorliegend zur Überzeugung des Gerichts darzulegen\nvermocht, dass sie den Klager ausschließlich aus tatsachlichen Grunden und\nnicht zumindest auch wegen seiner Schwerbehinderung bei der Begrundung des\nArbeitsverhaltnisses, d. h. im Rahmen des Bewerbungsverfahrens, benachteiligt\nhat.\n\n \n\n42\n\n \n\nEine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne des § 81\nAbs. 2 Nr. 1 SGB IX liegt nicht nur dann vor, wenn Personen, die an sich fur\ndie Tatigkeit geeignet waren, von vornherein und ausschließlich nur wegen\nihrer Schwerbehinderung nicht fur die Einstellung in Betracht gezogen werden,\nsondern bereits dann, wenn die Schwerbehinderung einer von vielen\nAuswahlkriterien war. Der Arbeitgeber kann sich von dem Diskriminierungsverbot\nmithin nur dann erfolgreich entlasten, wenn er nachweist, dass das verbotene\nDiskriminierungsmerkmal, d. h. die Schwerbehinderteneigenschaft des Bewerbers,\nauch als noch so untergeordneter Aspekt in einem Motivbundel uberhaupt keine\nRolle bei seiner Entscheidung gespielt hat (Brors, jurisPR-ArbR 27/2005, Anm.\n6).\n\n \n\n43\n\n \n\nDies hat die Beklagte dargelegt und unter Beweis gestellt; sie hat sich\nentlastet.\n\n \n\n44\n\n \n\nNach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest,\ndass die Zeugin Frau K… die Schwerbehinderung des Klagers nicht zur Kenntnis\ngenommen hat und die Bewerbung des Klagers aussortiert hat, weil sie sich\nzunachst auf das Auswahlkriterium "Wohnortnahe zum Arbeitsplatz" konzentriert\nhat. Die Bekundungen der Zeugin K… waren in sich schlussig und glaubhaft. Sie\nhat bekundet, dass die Anforderung, dass der Bewerber aus Hamburg oder\nSchleswig-Holstein kommen solle fur sie als vorrangiges Auswahlkriterium galt.\nEs ist plausibel, dass bei einer Anzahl von 60 Bewerbungen fur eine befristete\nStelle von einem Jahr zunachst eine Vorauswahl getroffen wird und Bewerber,\ndie großere private Veranderungen wie Umzug, weite Heimreisen etc. auf sich\nnehmen mussen, zunachst aussortiert werden.\n\n \n\n45\n\n \n\nDie Zeugin wirkte auch deshalb absolut glaubwurdig, da sie sogar auf Nachfrage\neinraumte, dass ihr die Vorschrift des § 81 SGB IX bekannt sei und sie bei der\nBeweisaufnahme ihren eigenen Fehler nochmals - auch in Kenntnis dieser\nVorschrift - einraumen musste und dies auch tat.\n\n \n\n46\n\n \n\nSomit stand nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass die Beklagte, die\nsich das Verhalten ihrer Angestellten zurechnen lassen muss, die\nSchwerbehinderung des Klagers gar nicht zur Kenntnis genommen hat. Es konnte\neine Benachteiligung des Klagers wegen seiner Schwerbehinderung nicht\nerfolgen. Es fehlt an der fur einen Entschadigungsanspruch erforderlichen\nkausalen Verknupfung einer Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung mit der\nablehnenden Entscheidung einer Einladung zum Bewerbungsgesprach.\n\n \n\n47\n\n \n\nDer Kammer ist sehr wohl bewusst, dass sich damit eine Moglichkeit fur den\noffentlichen Arbeitgeber bietet, seiner Entschadigungspflicht zu entgehen,\nindem er behauptet, die Schwerbehinderung nicht zur Kenntnis genommen zu\nhaben. Gleichwohl erachtete die Kammer den vorliegenden Sachverhalt fur\nausreichend, um als Ergebnis festzustellen, dass gerade die Schwerbehinderung\ndes Klagers keine Rolle bei der Auswahlentscheidung gespielt hat, sondern nur\ndas Kriterium seines Wohnortes, der eben nicht in Hamburg oder Schleswig-\nHolstein lag, ausschlaggebend fur die Beklagte war, um den Klager nicht zu\neinem Vorstellungsgesprach einzuladen.\n\n \n\n48\n\n \n\n**b)** Der Klager hat auch deshalb keinen Anspruch auf eine Entschadigung\ngemaß § 81 Abs. 2 Ziff. 2 SBG IX, weil die Beklagte die Benachteiligung wegen\nder Schwerbehinderung des Klagers auch aus einem weiteren Grund entkraftet\nhat. Die Vermutung der Benachteiligung kann entkraftet werden, wenn dargelegt\nwird, dass die Bewerbung subjektiv nicht ernsthaft war und von vornherein die\nZahlung einer Entschadigung angestrebt war (vgl. dazu das Urteil des ArbG\nPotsdam vom 13.07.2005, 8 Ca 1150/05, § 611 a-BGB-Hopper, NZA-RR 2005, 651).\nSchutzzweck des § 81 SBG IX ist die Entschadigung des fachlich geeigneten\nBewerbers wegen der durch seine Behinderung bedingten Benachteiligung im\nVerfahren. Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass der Klager aufgrund\nseiner Qualifikation fachlich geeignet ist. Im Bewerbungsverfahren kann jedoch\nnur benachteiligt werden, wer sich subjektiv ernsthaft beworben hat und\nobjektiv fur die zu besetzende Stelle fachlich geeignet ist. Der Klager hat\nsich nicht subjektiv ernsthaft um die Stelle des Sachbearbeiters in der\nWiderspruchsstelle beworben, sondern von vornherein die Zahlung einer\nEntschadigung angestrebt. Dass die Bewerbung des Klagers subjektiv nicht\nernsthaft war, ergibt sich daraus, dass der Klager zu dem nachfolgenden\nVorstellungsgesprach auf die identische Position eines Sachbearbeiters in der\nWiderspruchsstelle N… keine Stellung genommen hat, nicht hingefahren ist, um\nsich vorzustellen und dieses Angebot der Beklagten einfach als "nicht\nernsthaft" abgetan hat. Wenn es dem Klager tatsachlich um eine Anstellung\ngegangen ware und er auch auf den Verdienst angewiesen ware, hatte er bei\neiner ernsthaften Absicht auch diesem Angebot der Beklagten Folge leisten\nmussen und sich wenigstens vorstellen mussen.\n\n \n\n49\n\n \n\nDer Klager hat in der mundlichen Verhandlung vom 09.02.2006 dargelegt, dass er\nals seit einem Jahr selbstandiger Rechtsanwalt auf den Verdienst aus der\nausgeschriebenen Stelle angewiesen sei und die Hohe der Vergutung von 2454\nEuro brutto fur ihn einen erstrebenswerten Verdienst darstelle, da sein\nEinkommen aus seiner freiberuflichen Tatigkeit nicht hoch sei. Wenn dies der\nFall ist, ist es nach Auffassung der Kammer nicht nachvollziehbar, warum der\nKlager dann nicht zu dem angebotenen Vorstellungsgesprach fur die Stelle eines\nSachbearbeiters in der Widerspruchsstelle Neumunster gefahren ist. Dies lasst\nnur den Schluss zu, dass es dem Klager von vornherein nicht um eine\nAnstellung, sondern um die Entschadigungszahlung ging.\n\n \n\n50\n\n \n\n**c)** Die unterbliebene Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung uber\nden Eingang einer Bewerbung eines schwerbehinderten Stellenbewerbers fuhrt\nebenfalls nicht zu einem Entschadigungsanspruch des Klagers nach § 81 Abs. 2\nZiffer 2 SBG IX. Zwar sieht § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX vor, dass bei\nBewerbungen von schwerbehinderten Menschen die Schwerbehindertenvertretung und\ndie in § 93 genannten Vertretungen unmittelbar nach Eingang zu unterrichten\nsind. Da die Beklagte jedoch nach feststehender Überzeugung der Kammer von der\nSchwerbehinderung des Klagers keine Kenntnis hatte, traf sie auch nicht die\nnach § 81 Abs. 1 Satz 4 bestehende Unterrichtungspflicht. Aus den oben\ngenannten Grunden liegt auch hier keine aufgrund seiner Behinderung\nvorgenommene Diskriminierung des Klagers vor.\n\n \n\n51\n\n \n\nDie Klage war daher abzuweisen.\n\n \n\n52\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO. Die Hohe des\nStreitwertes ergibt sich aus §§ 61 ArbGG, 34 ff. GKG in Hohe von drei\nGehaltern fur die zu besetzende Stelle.\n\n \n\n53\n\n \n\ngez. ….\n\n \n\n \n\n \n\n |
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137,121 | fg-baden-wurttemberg-2008-04-14-4-k-278407 | 126 | Finanzgericht Baden-Württemberg | fg-baden-wurttemberg | Baden-Württemberg | Baden-Württemberg | Finanzgerichtsbarkeit | 4 K 2784/07 | 2008-04-14 | 2019-01-07 12:06:14 | 2019-01-17 11:57:16 | Beschluss | ## Gründe\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Im Hauptsacheverfahren ist streitig, ob die dort beklagte Familienkasse (die\nBeklagte - Bekl -) gegenuber dem Antragsteller (Ast) die Festsetzung von\nKindergeld fur seine vier Kinder fur die Zeit ab dem 1. Oktober 2007 zu Recht\nabgelehnt hat. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der 1962 geborene Ast ist Staatsangehoriger der (fruheren jugoslawischen)\nRepublik Mazedonien. Er ist seit 1995 mit seiner Ehefrau ..., einer serbischen\nStaatsangehorigen, verheiratet und Vater der vier gemeinsamen Kinder ...\n(geboren 1995), ... (geboren 1997), ... und ... (geboren 2001). Der Ast halt\nsich seit Anfang der neunziger Jahre als Bewerber um politisches Asyl in der\nBundesrepublik Deutschland auf. Kindergeld fur seine Kinder beantragte der Ast\nzunachst nicht, da er sich lediglich im Besitz einer auslanderrechtlichen\nDuldung ohne Erlaubnis zur Aufnahme einer Erwerbstatigkeit befand und da ihm\nbekannt war, dass ihm aufgrund dieses Umstands kein Kindergeld bewilligt\nwerden wurde. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 21. Juni 2007 verfugte das Landratsamt X gegenuber dem Ast erneut die\nAussetzung der Abschiebung (Duldung) mit dem aufgedruckten Hinweis: „Kein\nAufenthaltstitel! Der Inhaber ist ausreisepflichtig!" Eine Erwerbstatigkeit\nwar dem Ast nur mit Erlaubnis der Auslanderbehorde erlaubt. Die erteilte\nDuldung war befristet bis zum 20. September 2007. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Am 25. Juni 2007 anderte das Landratsamt X die genannte Duldungsverfugung\ndahin, dass dem Ast fortan eine Beschaftigung erlaubt war. Daraufhin nahm der\nAst am 2. Juli 2007 eine sozialversicherungspflichtige Tatigkeit als\nArbeitnehmer bei der M-GmbH auf, die durch Arbeitsvertrag vom 24. Juli 2007\nverlangert und als Urlaubsvertretung bis zum 31. Januar 2008 befristet wurde. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Antrag vom 23. Juli 2007, bei der Bekl eingegangen am 24. Juli 2007,\nbeantragte der Ast erstmals Kindergeld fur seine vier Kinder. Auf diesen\nAntrag hin setzte die Bekl zugunsten des Ast mit Bescheid vom 18. September\n2007 Kindergeld fur die Monate Juli bis September 2007 fest. Die Festsetzung\nbegrundete die Bekl mit der Erwerbstatigkeit des Ast, aufgrund derer die\nAnspruchsvoraussetzungen fur den Bezug von Kindergeld vorlagen. Zugleich\nenthielt der Bescheid die Aufforderung an den Ast, dass er, „um uber den\nweiteren Anspruch ab Oktober 2007 entscheiden zu konnen", seine verlangerte\nDuldung in Kopie sowie eine aktuelle Lohnabrechnung vorlegen moge. Das\nKindergeld fur die genannten drei Monate wurde sodann an den Ast nachgezahlt. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Am 16. November 2007 rief die Ehefrau des Ast bei der Bekl an und bat um\nFortzahlung des Kindergelds uber den September 2007 hinaus. Auf Aufforderung\nder Bekl legte der Ast zudem die Kopie einer ihm am 22. November 2007\nerteilten erneuten Duldung seitens des Landratsamts X vor. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Bei Prufung der Unterlagen gelangte die Bekl zu der Auffassung, der Ast\ngehore "nicht zum Personenkreis von Abkommensstaaten", da mit der Republik\nMazedonien kein Abkommen bestehe. Daher bestehe zugunsten des Ast auch kein\nKindergeldanspruch. Mit dieser Begrundung lehnte sie mit Bescheid vom 28.\nNovember 2007 den Antrag des Ast auf Kindergeld ab Oktober 2007 ab. Den\nhiergegen eingelegten Einspruch vom 5. Dezember 2007, eingegangen am 6.\nDezember 2007, mit dem der Ast uber seinen spateren Prozessbevollmachtigten\ngeltend machte, darauf vertraut haben zu konnen, dass ihm auch kunftig ohne\nNiederlassungs- oder Aufenthaltserlaubnis Kindergeld gewahrt werde, wies die\nBekl mit Einspruchsentscheidung vom 7. Dezember 2007 mit im Wesentlichen\ngleichlautender Begrundung zuruck. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Hiergegen wendet sich der Ast mit seiner Klage vom 10. Dezember 2007, beim\nFinanzgericht (FG) eingegangen am 11. Dezember 2007, fur die er die\nBewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines\nProzessbevollmachtigten beantragt. Zur Begrundung beruft sich der Ast auf\neinen allgemeinen Vertrauensgrundsatz dahingehend, dass die Entscheidung einer\nBehorde, wie sie die Bekl am 18. September 2007 getroffen habe, genau\nuberpruft werde, bevor sie ergehe. Sei fur die Bewilligung von Kindergeld mit\nBescheid von jenem Tage eine Duldung ohne weitere Voraussetzungen ausreichend\ngewesen, auch wenn diese Entscheidung fehlerhaft gewesen sei, so konne es\nnicht zu seinen - des Ast - Lasten gehen, wenn er anschließend auf die\nRichtigkeit dieser Entscheidung auch fur die Zukunft vertraut habe. Er habe\naufgrund seines Vertrauens in die weitere Zahlung des Kindergelds diverse\nVermogensdispositionen getroffen - namentlich ein Auto angeschafft und\nversichert, neue Schultaschen, -bucher und andere Schulsachen fur seine Kinder\ngekauft, einen neuen Fernseher erworben und seine Angehorigen in Mazedonien\nunterstutzt -, die er nun nicht mehr ruckgangig machen konne. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Antrag auf Bewilligung von PKH war abzulehnen, da die gesetzlichen\nVoraussetzungen nicht vorliegen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Ast\nbietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 142 der Finanzgerichtsordnung\ni. V. m. § 114 Satz 1 der Zivilprozeßordnung). Der Ast hat einen Anspruch auf\nKindergeld weder nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) noch nach zwischen der\nBundesrepublik Deutschland und der Republik Mazedonien geltenden\nzwischenstaatlichen Vereinbarungen. Auch auf einen zu seinen Gunsten wirkenden\nVertrauenstatbestand kann er sich nicht berufen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| 1\\. Als lediglich geduldeter Auslander kann der Ast die Zahlung von\nKindergeld - ungeachtet dessen, ob er eine ihm gestattete Erwerbstatigkeit\nausubt oder nicht - nicht beanspruchen. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem\nGesetz selbst und aus der dazu ergangenen, mittlerweile gefestigten\nRechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| a) Nach § 62 Abs. 2 EStG erhalt ein nicht freizugigkeitsberechtigter\nAuslander Kindergeld nur, wenn er entweder eine Niederlassungserlaubnis oder -\nmit Einschrankungen - eine Aufenthaltserlaubnis, die ihn zur Ausubung einer\nErwerbstatigkeit berechtigt, besitzt. Sowohl die Niederlassungserlaubnis (§ 9\nAbs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz) als auch die Aufenthaltserlaubnis (§ 7 Abs. 1\nSatz 1 Aufenthaltsgesetz) stellen einen Aufenthaltstitel dar, dessen es zum\nrechtmaßigen Aufenthalt im Bundesgebiet bedarf (§ 4 Abs. 1 Satz 1\nAufenthaltsgesetz). Demgegenuber kann einem Auslander, der - wie der Ast -\neinen Asylantrag gestellt hat, gemaß § 10 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz vor\nbestandskraftigem Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel regelmaßig\nnicht erteilt werden. Aus diesem Grunde ist der Aufenthalt des Ast im\nBundesgebiet nach wie vor lediglich geduldet; die gegenuber dem Ast\nausgesprochene Duldung stellt - worauf in der Duldungsverfugung auch\nausdrucklich hingewiesen wird - keinen Aufenthaltstitel dar und andert an der\nAusreisepflicht des Ast nichts. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| b) Wie der BFH in seinem Grundsatzurteil vom 15. Marz 2007 III R 93/03 (BFHE\n217, 443, BFH/NV 2007, 1234) sowie in der Parallelentscheidung vom gleichen\nTage III R 54/05 (BFH/NV 2007, 1298) entschieden hat, haben Auslander, die\nsich - wie der Ast - im Rahmen einer auslanderrechtlichen Duldung im Inland\naufhalten, auch nach der Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG i.d.F. des Art. 2\ndes Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Auslandern wegen Kindergeld,\nErziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006 - AuslAnsprG -\n(BGBl I 2006, 2915, BStBl I 2007, 62) keinen Anspruch auf Kindergeld. Mit den\nbeiden zur Veroffentlichung in BFHE bestimmten Urteilen vom 22. November 2007\nIII R 54/02 (BFH/NV 2008, 457) und III R 60/99 (juris) hat der BFH zudem\nbekraftigt, dass er an dieser Auffassung auch nach erneuter Prufung unter\nEinbeziehung der hiervon abweichenden Entscheidungen des FG Koln vom 9. Mai\n2007 10 K 983/04 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2007, 1254,\nRevision beim BFH anhangig unter dem Az. III R 43/07) und 10 K 1690/07 (EFG\n2007, 1247, konkretes Normenkontrollverfahren anhangig beim\nBundesverfassungsgericht - BVerfG - unter dem Az. 2 BvL 4/07) festhalt, weil\ndiese Entscheidungen insoweit keine neuen Gesichtspunkte enthalten (gleicher\nAnsicht z. B.: Urteil des FG Munchen vom 5. Dezember 2007 9 K 3691/07, juris).\nAus diesem Grunde hat der BFH mit Beschlussen vom 25. Juli 2007 III S 10/07\n(PKH) (BFH/NV 2007, 2266) und vom 15. November 2007 III S 15/07 (PKH) (juris)\ndie Antrage von - wie der Ast - hinsichtlich ihres Aufenthalts in Deutschland\nlediglich geduldeten (Revisions-) Klagern auf Bewilligung von PKH fur\nVerfahren wegen Kindergeld abgelehnt. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| c) Der beschließende Senat folgt dieser Rechtsprechung des BFH. Danach kommt\nder Klage des Ast nicht schon im Hinblick auf die beim BVerfG anhangigen\nVerfahren der konkreten Normenkontrolle 2 BvL 3/07 und 2 BvL 4/07 (ersteres\naufgrund des Vorlagebeschlusses des FG Koln vom 9. Mai 2007 10 K 1689/07,\njuris) hinreichende Aussicht auf Erfolg zu. Denn die dem BVerfG vorgelegte\nFrage, ob § 62 Abs. 2 EStG i. d. F. des AuslAnsprG insoweit mit dem\nGrundgesetz (GG) vereinbar ist, als die Gewahrung von Kindergeld im Falle\neines gestatteten oder geduldeten Aufenthalts aus humanitaren Grunden von uber\ndrei Jahren noch von zusatzlichen Voraussetzungen abhangig gemacht wird (§ 62\nAbs. 2 Nr. 2 Buchst. c und Nr. 3 EStG), ist hochstrichterlich durch die\nUrteile des BFH in BFHE 217, 443, BFH/NV 2007, 1234, in BFH/NV 2007, 1298\n(jeweils unter II.4.b) und in BFH/NV 2008, 457 (unter II.3.a) bereits\nentschieden.Dort hat der BFH im Einzelnen auch ausgefuhrt, aus welchen Grunden\ndie Nichtgewahrung von Kindergeld fur geduldete Auslander, auch wenn sie sich\nwie der Ast uber einen langeren Zeitraum in der Bundesrepublik Deutschland\naufhalten und erwerbstatig sind, mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Daneben steht auch der Beschluss des BVerfG vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97\n(BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114) zur Verfassungswidrigkeit des\n§ 1 Abs. 3 des Bundeskindergeldgesetzes i. d. F. des Ersten Gesetzes zur\nUmsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember\n1993 (BGBl I 1993, 2353) dem Ausschluss der nur geduldeten Auslander vom\nKindergeld in § 62 Abs. 2 EStG nicht entgegen.Zwar sind die Rechtsgrundsatze\ndieser Entscheidung auch als Maßstab fur die Prufung der Verfassungsmaßigkeit\nvon § 62 Abs. 2 EStG heranzuziehen. Die Entscheidung des BVerfG betrifft aber\nausschließlich die Nichtgewahrung von Kindergeld fur Auslander, die nicht uber\neine Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung, sondern nur uber eine\nAufenthaltsbefugnis verfugten. Das BVerfG hat insoweit einen Verstoß gegen den\nGleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG angenommen, als die Gewahrung des\nKindergeldes allein von der Art des Aufenthaltstitels abhing. Mit der dem\nStreitfall zugrunde liegenden Rechtsfrage, ob ein nur geduldeter Auslander\nohne jeden Aufenthaltstitel vom Kindergeld ausgeschlossen werden darf, hat\nsich das BVerfG hingegen nicht befasst (vgl. BFH-Beschlusse in BFHE 217, 443,\nBFH/NV 2007, 1234, und in BFH/NV 2007, 1298, jeweils unter II.4.a). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| 2\\. Der Klage kommt auch nicht im Hinblick darauf eine hinreichende\nErfolgsaussicht zu, als der Ast als mazedonischer Staatsangehoriger aufgrund\nzwischenstaatlicher Abkommen einen Anspruch auf Kindergeld geltend machen\nkonnte. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| a) Zwar bestand fur Staatsangehorige der fruheren Sozialistischen\nFoderativen Republik Jugoslawien ein Anspruch auf Kindergeld nach Art. 28 Abs.\n1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der\nSozialistischen Foderativen Republik Jugoslawien uber Soziale Sicherheit\n(SozSichAbk Jugoslawien) vom 12. Oktober 1968 (BGBl II 1969, 1438), geandert\ndurch Art. 2 des Änderungsabkommens vom 30. September 1974 (BGBl II 1975,\n390), wenn sie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland als Arbeitnehmer\nbeschaftigt waren. Dies galt - ungeachtet des insoweit anderslautenden\nAbkommenstextes - auch dann, wenn sich die Kinder nicht in dem anderen\nVertragsstaat Jugoslawien aufhielten, sondern in Deutschland als dem\nVertragsstaat, in dem der Anspruchsteller beschaftigt war (Urteil des\nNiedersachsischen FG vom 31. Januar 2008 16 K 343/07, juris; inzident auch\nBFH-Entscheidungen vom 4. November 2002 VIII B 131/02, BFH/NV 2003, 168, vom\n9. Juli 2003 VIII B 98/03, BFH/NV 2003, 1423, und vom 22. November 2007 III R\n63/04, juris, unter II.5.). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Auch fanden die Bestimmungen des Abkommens auf mazedonische Staatsangehorige\nauch nach der Abspaltung der Republik Mazedonien von der Sozialistischen\nFoderativen Republik Jugoslawien im Jahre 1991 zunachst weiter Anwendung\n(Urteile des Bundessozialgerichts - BSG - vom 16. Dezember 1999 B 14 KG 1/99\nR, BSGE 85, 240, und des FG Munster vom 24. April 2007 15 K 3830/04 Kg, EFG\n2007, 1700, unter I.; fur Bosnien und Herzegowina nunmehr zweifelnd BSG-\nBeschluss vom 23. Mai 2006 B 13 RJ 17/05 R, Die Sozialgerichtsbarkeit 2007,\n227, Az. des BVerfG: 2 BvR 3/06; offengelassen im BFH-Urteil in BFH/NV 2008,\n457, unter II.5.). Durch Notenwechsel vom 16. Dezember 1993 war zwischen der\nBundesregierung und der mazedonischen Regierung zudem vereinbart worden, die\nzwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen Sozialistischen\nFoderativen Republik Jugoslawien geschlossenen bilateralen Vertrage im\nVerhaltnis zwischen Deutschland und Mazedonien solange weiter anzuwenden, bis\nbeide Seiten etwas Abweichendes vereinbaren (vgl. die Bekanntmachung des\nAuswartigen Amts vom 26. Januar 1994, BGBl II 1994, 326). Von der Fortgeltung\ndes SozSichAbk Jugoslawien im Verhaltnis zur Republik Mazedonien und von der\nsich daraus ergebenden Kindergeldberechtigung mazedonischer Staatsangehoriger\nging zunachst auch die Verwaltung aus (vgl. zuletzt Bundesamt fur Finanzen -\nBfF -, Dienstanweisung zur Durchfuhrung des Familienleistungsausgleichs nach\ndem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes - DA FamEStG -, BStBl I 2004,\n743, zu DA 62.4.3 Satz 5). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| b) Indessen ist das SozSichAbk Jugoslawien einschließlich des\nÄnderungsabkommens hierzu vom 30. September 1974 gemaß Art. 42 des Abkommens\nzwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der mazedonischen\nRegierung uber Soziale Sicherheit (SozSichAbk Mazedonien) vom 8. Juli 2003\n(BGBl II 2004, 1068) im Verhaltnis zwischen den beiden Vertragsparteien mit\nWirkung zum 1. Januar 2005 außer Kraft getreten (vgl. die Bekanntmachung des\nAuswartigen Amts vom 30. Dezember 2004, BGBl II 2005, 95). Dem SozSichAbk\nJugoslawien vergleichbare Anspruche auf Kindergeld enthalt das SozSichAbk\nMazedonien, das sich nach dessen Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 ausschließlich auf die\ndeutschen Rechtsvorschriften uber Kranken-, Unfall-, Renten- und\nhuttenknappschaftliche Zusatzversicherung sowie die Alterssicherung der\nLandwirte bezieht, nicht mehr. Zugleich erhellt aus Ziff. 14 des\nSchlussprotokolls zum SozSichAbk Mazedonien, das nach dessen Art. 43\nBestandteil des Abkommens ist, dass sich die beiden Vertragsparteien des\nUmstandes, dass durch Art. 42 SozSichAbk Mazedonien bisher bestehende\nAnspruche auf Kindergeld beseitigt werden, durchaus bewusst gewesen sind. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| c) Daraus folgt, dass mazedonische Staatsangehorige wie der Ast seit dem 1.\nJanuar 2005 ihre Kindergeldberechtigung nur noch nach den allgemeinen\nVorschriften des § 62 Abs. 2 EStG geltend machen konnen (so auch DA FamEStG\n62.4.4 Abs. 3 Satz 2 in der durch Weisung des BfF vom 14. Juli 2005 St I 4 -S\n2470- 43/04, BStBl I 2005, 819 mit Wirkung zum 1. Januar 2005 geanderten\nFassung). \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| 3\\. Hinreichende Aussicht auf Erfolg hat die Klage des Ast schließlich auch\nnicht deswegen, weil die Bekl zu seinen Gunsten einen Vertrauenstatbestand\ngeschaffen hatte, der sie nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zur weiteren\nGewahrung von Kindergeld auch fur die Zukunft verpflichten wurde. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| a) An einem solchen Vertrauenstatbestand fur den streitigen\nKindergeldanspruch ab Oktober 2007 fehlt es schon deswegen, weil die Bekl die\nFestsetzung des Kindergelds im Bescheid vom 18. September 2007 ausdrucklich\nauf die Monate Juli bis September 2007 beschrankt und sich fur die\nEntscheidung uber den weiteren Anspruch fur die Folgezeit eine erneute Prufung\nvorbehalten hatte. Zwar hatte die Bekl mit der gewahlten Begrundung fur die\nFestsetzung, der Ast habe eine Duldung und arbeite seit dem 2. Juli 2007,\nzugleich zum Ausdruck gebracht, dass sie die genannten Umstande derzeit als\nfur den Bezug von Kindergeld hinreichend erachte. Eine solche fehlerhafte\nEntscheidung fur die Vergangenheit kann indessen keine Verpflichtung der\nBehorde begrunden, den gleichen Fehler beim Erlass eines nachfolgenden\nVerwaltungsakts zu wiederholen. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| b) Eine derartige Festsetzung des Kindergelds fur eine befristete Zeit, nach\nderen Ablauf sich die Behorde eine erneute Entscheidung uber den\nKindergeldanspruch vorbehalt, kann fur den Betroffenen jedenfalls keinen\nstarkeren Vertrauenstatbestand setzen als eine von Beginn an unbefristete\nKindergeldfestsetzung. Fur letztere eroffnet § 70 Abs. 3 Satze 1 und 2 EStG\nder Behorde jedoch ohne weiteres die Moglichkeit, materielle Fehler der\n(unbefristeten) Festsetzung durch Neufestsetzung oder durch Aufhebung der\nFestsetzung mit Wirkung ab dem Folgemonat zu beseitigen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die genannte Vorschrift betrifft die Falle, in denen der zutreffende\nSachverhalt der Familienkasse bekannt ist, sie die ihr bekannten Tatsachen\njedoch - wie im Streitfall - rechtlich unzutreffend wurdigt, oder ihrer\nEntscheidung irrtumlich einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde legt. In diesen\nFallen schafft § 70 Abs. 3 EStG einen Interessenausgleich dahingehend, dass\ndie Familienkasse nicht uber einen langeren Zeitraum hinweg an die spater als\nunrichtig erkannte Festsetzung gebunden bleibt (vgl. BTDrucks 13/3084, S. 21),\nwahrend der Kindergeldberechtigte seinerseits fur die Vergangenheit\nVertrauensschutz hinsichtlich der fehlerhaften Festsetzung genießt (BFH-Urteil\nvom 26. Juli 2001 VI R 163/00, BFHE 196, 274, BStBl II 2002, 174, unter\n3.b.aa). Daraus folgt, dass die Bekl dem Ast die Zahlung von Kindergeld fur\ndie Zukunft selbst dann hatte verweigern konnen, wenn sie die Festsetzung des\nKindergelds im Bescheid vom 18. September 2007 nicht auf die Monate Juli bis\nSeptember 2007 beschrankt hatte. Bei dieser Sachlage war ihr die Aufgabe der\nals fehlerhaft erkannten Rechtsauffassung im Streitfall erst recht moglich.\nUmstande, die die von der Bekl vollzogene Änderung ihrer Rechtsauffassung als\nilloyale Rechtsausubung erscheinen ließen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 14.\nOktober 2003 VIII R 56/01, BFHE 203, 472, BStBl II 2004, 123), sind zudem\nweder vorgetragen noch erkennbar. \n---\n\n |